1893 / 105 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 03 May 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Der Gerichtsvollzieher ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Civilsenats, vom 15. Februar 1893, in Preußen während der Nachtzeit (im Winter, Oktober bis März, von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens, und im Sommer von 9 Uhr Abends bis 4 Uhr Morgens) zur Zustellung eines Schriftsatzes in der Wohnung des Adressaten nicht berechtigt, wenn dieser sich mit dem Betreten seiner Wohnung seitens des Gerichtsvollziehers nicht einverstanden erklärt, und der demzufolge mißlungene Vers uch, eine ege Zustellung zu bewirken, ist rechtlich un⸗ erheblich.

Kunst und Wissenschaft.

In der letzten S der Physikalischen Gesellschaft, am 28. April sprach Herr Neesen über einige von ihm erfundene Verbesserungen an der Quecksilber⸗Luftpumpe. Ferner sprach Herr Frölich über die Formeln, 1. von Hopkinson, Kapp und ihm selbst zur Berechnung von Dynamomaschinen aufgestellt worden sind. Diese Berechnung ist heutzutage sehr weit vorgeschritten; es läßt sich aus den Abmessungen der Maschinen⸗ theile die Wirkung viel besser vorausberechnen als etwa bei der um so vieles älteren Dampfmaschine. Die Sätze von Kapp unterscheiden sich von den Hopkinson'schen hauptsächlich dadurch, daß er die heutzutage vielfach benutzte Vorstellungsweise eines bestimmten Leitungsvermögens der verschiedenen Stoffe für die magnetische Kraft zu Grunde legt. Es besteht hiernach eine gewisse Analogie zwischen den Erscheinungen des elektrischen Stromes und denjenigen des Magnetismus; z. B. „leitet“ Eisen die magnetischen Wirkungen viel besser als Luft. Sieht man von der Verschiedenheit solcher Vorstellungsweisen ab, so decken sich die Sätze der beiden Autoren, und auch die Frölich'schen Formeln, welche in der Praxis so vielfach benutzt worden sind, stimmen mit ihnen überein, wenn man den Einfluß der Lufträume, welche zwischen den magnetischen Eisenmassen liegen, genügend berücksichtigt; dieser Einfluß kommt bei der von Hopkinson betrachteten Maschine deshalb besonders in Betracht, weil die Lufträume Feöcer sind, als es in der Praxis gestattet ist. In der sich anschließenden Debatte wurde hervorgehoben, daß vornehmlich Siemens und Helmholtz schon früh⸗ zeitig die Vorstellung der oben erwähnten Analogie gehegt haben.

In der Sitzung des Elektxotechnischen Vereins am 25. April hielt Herr Dr. W. Wedding einen interessanten Vortrag über das Bogenlicht und das Gasglühlicht. Um den prak⸗ tischen Verhältnissen möglichst nahe zu kommen, sind die Lichtquellen mit den üblichen Glocken und Schirmen untersucht worden. Aus den zahlreichen Curven für die Lichtvertheilung um die Lampe ergiebt sich eine sehr wichtige Erscheinung. Während bei den Bogenlampen durch die Glocken eine Schwächung der Lichtentwickelung nach unten um ein Viertel bis ein Halb eintritt, tritt bei dem Gasglühlicht gerade das Gegentheil ein. Statt einer Schwächung tritt eine Ver⸗ mehrung des Lichtes nach unten ein, weil die Lichtentwickelung des Brenners ohne Armaturen nach oben bei weitem größer als nach unten ist. Wird daher das nach oben entwickelte Licht nach unten reflectirt, so tritt eine Verstärkung ein. Der Vortragende zeigte außerdem an zahlreichen Curven die Beleuchtung einer Fläche, welche sich einen Meter unter der Lichtguelle befindet. Die Lichtstärken sind für eine Kreisfläche von fünf Meter Durchmesser berechnet und zeigen bei der Beleuchtung durch eine Bogenlampe eine viel gleichmäßigere Be⸗ leuchtung als durch Gasglühlicht. Dabei stellt sich heraus, daß bei der indirecten Ausnutzung des Leuchtgases in einem Gasmotor, wel⸗ cher eine Dynamomaschine treibt, zwei⸗ bis viermal soviel Licht in in der Bogenlampe auf der obigen Fläche entwickelt wird, wie bei der directen Verbrennung des Gases in dem Gasglühlicht. Hierauf sprach Herr Ober⸗Telegraphen⸗Ingenieur Dr. Strecker über die Ver⸗ wendung der Accumulatorenals telegraphische Betriebs⸗ batterien. Auf dem Berliner Haupt⸗Telegraphenamt werden seit über 2 ½ Jahren sämmtliche Arbeitsstromleitungen, d. i. die über⸗ wiegende Mehrzahl der dort einmündenden Leitungen, aus einer Accumulatorenbatterie gespeist, die ihrerseits den Strom aus den Leitungen der Berliner Elektricitätswerke empfängt. Diese Einrichtung ist nicht nur technisch weit besser, sondern auch in der Unterhaltung billiger als die bisherigen Betriebsbatterien. Um das ganze Amt nach der früheren Methode betreiben zu können, würde man nahezu

Elemente brauchen; diese werden ersetzt durch 120 große Accumulatoren. Wo man noch keinen Strom aus Elektricitätswerken beziehen kann, muß man die Accumulatoren aus galvanischen Elementen speisen; das ist nur für Telegraphenämter in größeren Städten zu empfehlen, bei Aemtern mit einer geringen Zahl eingeführter Leitungen ist es nicht zweckmäßig, Accumulatoren zu verwenden, weil dort die alte Betriebsweise billiger ist und für die technischen Bedürfnisse genügt. Die Telegraphen⸗ verwaltung wird mit der Einführung von Accumulatoren auf den größeren Aemtern allmählich vorgehen. Schließlich machte Herr Chef⸗Redacteur Uppenborn Mittheilung über ein neues In⸗ stallationssystem der Firma Hartmann u. Braun in Bockenheim bei Frankfurt a. M. Dasselbe ist erfunden von Herrn Ingenieur 51 el und zeichnet sich durch vorzügliche Isolationsfähigkeit, Eleganz, eicht anzubringende Montage und ebenso leichte Abnehmbarkeit aus. Die nächste Sitzung des Vereins findet Dienstag, den 30. Mai, statt. Der Historienmaler und Professor an der Königlichen Kunst⸗ schule in Breslau, Schobelt ist, wie „W. T. B.“ von dort berichtet, gestern verstorben. 8 1 8 In Wien ist der bekannte Specialarzt für Krankheiten des Kehlkopfes, Regierungs⸗Rath, Professor Dr. Schnitzler, gestern Feehmnittag nach kurzem Krankenlager im Alter von 58 Jahren; ver⸗ schieden. 8

13 000 einzelne galvanische

Land⸗ und Forstwirthschaft.

. Die 19. Berliner es egcgsetancbet

ist heute in den reich geschmückten Hallen des Centralviehhofs eröffnet worden. Die Schau stellt gegen die der Vorjahre einen entschiedenen Fortschritt dar; lebhaftere Betheiligung und ein größeres Eingehen auf die Bedürfnisse eines ebenso großen wie verwöhnten Marktes charakterisiren die Ausstellung, die insgesammt von 119 Züchtern und Mästern mit 516 Rindern, 180 Schafen und 196 Schweinen, zu⸗ sammen also mit 892 Thieren, gegen 697 im Vorjahre, beschickt ist. Der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden besuchte die Ausstellung schon am Vormittag.

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause heürcgt am Freitag „Rhein⸗ gold“ von Richard Wagner (Vorabend des Cyklus „Der Ring des Ribelungen) mit den Damen Hiedler, Götze, Herzog, Rothauser, Lammert, den Herren Gudehus, Stammer, Krolop, Mödlinger, Lieban, Philipp, Krasa und Schmidt zur Aufführung.

Im Neuen Theater wird vom Königlichen Schauspiel am Freitag Brachvogel's „Narciß“ gegeben. Am Sonnabend gehen nachstehende Neuheiten in Scene: „Vom landwirthschaftlichen Ball“, Lustspiel von Emil Pohl; „Eingeschlossen“, Lustspiel von Karl Nie⸗ mann; „Die Schulreiterin“, Schwank von Emil Pohl.

Im Berliner Theater ist, wie schon gemeldet, für morgen „Viel Lärm um Nichts“ und für Freitag „Uriel Acosta“ mit Ludwig Barnay in der Titelrolle angesetzt. Am Sonnabend sindet dann die erste Aufführung des Wichert'schen Lustspiels „Der Freund des Fürsten“ statt. 1

Im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater setzt, wie bereits erwähnt, Ilka von Palmay morgen ihr Gastspiel in Offen⸗ bach’s Operette „Die schöne Helena“ (I. Act) als Helena und in der einactigen Operette „Stupida“ von Richard Genée und F. Zell, Musik von Alexander Neumann, als Pia fort. Herrn Director Fritzsche ist es gelungen, das auf zwölf Abende abgeschlossene Gast⸗ spiel um drei Abende zu verlängern; die Künstlerin wird daher auch noch am Sonnabend Sonntag und Montag auftrete

8 Mannigfaltiges.

1. d. M. feierte der Rechnungs⸗Rath Giebel im Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten sein 50 jähriges Dienstjubiläum. Am 1. Mai 1843 beim Garde⸗Jäger⸗Bataillon eingetreten, hat Herr Giebel zunächst bis 1846 activ gedient und alsdann bis zu seiner 1860 erfolgten Verabschiedung vom Jäger⸗Corps der verpflichteten Reserve angehört; 1852 ist er als Civil⸗Supernumerar bei der Re⸗ gierung in Potsdam eingetreten und seit dem Jahre 1873 bei der Central⸗Forstverwaltung thätig. Allezeit und in allen seinen Dienst⸗ stellungen hat er es verstanden, sich die Zufriedenheit seiner Vor⸗ gesetzten, sowie die Liebe und Achtung seiner Collegen zu erwerben.

S ein 8 Ma 1 stät der König verlieh dem Jubilar an seinem Ehren⸗

tage den Rothen Adler⸗Orden vierter Klasse, den der Staats⸗Minister von Heyden am Montag Vormittag in Gegenwart des Ober⸗Land⸗ forstmeisters Donner mit huldvollen Worten überreichte. Zu Ehren des Jubilars fand am Nachmittag unter zahlreicher Betheiligung, insbesondere aus den Kreisen der Collegen bei den verschiedenen Ministerien, ein Festmahl im „Norddeutschen Hof“ statt, bei welchem der Geheime Rechnungs⸗Rath Feeder zunächst in beredten, von Herzen kommenden und zu Herzen gehenden Worten den Toast auf Seine Majestät den Kaiser und König ausbrachte. Der Geheime Rechnungs⸗ Rath Behm feierte sodann in längerer Rede den Jubilar, der trotz. der langen Reihe der Dienstjahre noch in vollster Rüstigkeit und⸗ geistiger Frische seinem König treu diene. Herr Giebel dankte bewegt für die ihm dargebrachten Beweise der Zuneigung; wenn er auch gern den Jubeltag im Kreise seiner Familie verlebt hätte, so sei er 70% mit Freuden der Einladung zu dieser Feier ge⸗ folgt, und er müsse bekennen, daß gerade durch die letztere sein Ehren⸗ tag zu dem schönsten Tage seines ganzen Lebens gemacht worden sei. Den officiellen Theil der Feier schloß der Geheime Rechnungs⸗Rath Hutter, indem er der Familie des Jubilars gedachte.

Im Cireus Renz fand gestern Abend vor der noch für die Nacht geplanten Abreise eine kurze, aber durch auserlesene künstlerische Productionen ausgezeichnete Abschiedsvorstellung statt, die besonders die Freunde des Sports veranlaßte, sich noch einmal da zusammen⸗ zufinden, wo ihnen durch hervorragende Leistungen so oft Genüsse ge⸗ boten wurden, um dem Director und seinen Künstlern vor ihrem Scheiden ihren Dank und ihre guten Wünsche für die Zukunft aus⸗ zudrücken. Unter den Leistungen dieses Abends ist vor allem wieder die Vorführung der in Freiheit dressirten zehn Schimmelhengste durch Director Franz Renz selbst hervorzuheben. Endloser Beifall, mehrmaliger Hervorruf und zwei riesige Lorbeerkränze mit rothen Atlasschleifen für den beliebten und verdienten Director folgten dieser Vorführung. Demnächst ist das immer wieder gerngesehene Auftreten des mast kaum jemals bisher erreichten Schulreiters Herrn James Fillis auf seinem Vollblutpferde „Markir“ zu erwähnen Glänzende Leistungen boten auch Fräulein Oceana Renz mit dem

Schulpferde „Johanniter“ und dem Steiger „Alep“, Herr William

mit seinen vier ungarischen Pferden, Fräulein Wally und Herr Fassio auf ihren ungesattelten Pferden, die Reitkünstler Fräulein Fabbri und Herr Arnaud, Herr Gustav durch seine Voltige à la Richard u. s. w. Zum Abschied wurde ein großes Divertissement von dem gesammten Corps de Ballet und Herrenpersonal ausgeführt, das, mit Geschick und Geschmack an⸗

geordnet, ein höchst anziehendes Bild gewährte und Stürme des Bei- falls hervorrief, namentlich als zum Schluß dem Eingang gegenüber ein Abschiedsgruß an die Stadt Berlin auf weißem Flaggentuche

sichtbar wurde. Unter den Klängen des Abschiedsliedes „Muß i denn, muß i denn zum Städtle hinaus“ und mit den Rufen „Auf Wieder⸗ sehen“ schieden die Zuschauer aus dem Cireus.

Catania, 3. Mai. Gestern Vormittag sind, dem „W. T. B.“ zufolge, in Randazzo, Bronte, Montalbano und Patti mehrere Erdstöße verspürt worden; Schaden wurde nicht verursacht.

New⸗York, 2. Mai. Fürchterliche Wirbelstürme haben, wie das „D. B. H.“ meldet, einige Theile von Texas verheert. In⸗ Cisko entstand ein Brand, bei welchem zwanzig Personen um⸗ kamen. Ganze Eisenbahnzüge wurden vom Geleise geweht und viele Beamte und Fahrgäste getödtet. Das Bild der Verwüstung ist un⸗ beschreiblich.

Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.

Bern, 3. Mai. (W. T. B.) Der deutsche Gesandte

Dr. Busch hat sich heute zu dem Bundes⸗Präsidenten begeben, um demselben im Auftrage Seiner Majestät des Kaisers noch ganz speciellen Dank für den sympathischen Empfang auszusprechen.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

t vom 3. Mai, Morgens.

Stationen.

Bar. auf 0 Gr.

red. in Millim.

Temperatur in ° Celsius

Wind. Wetter.

C. = 40R.

* [u. d. Meeressp.

Belmullet.. Aberdeen.. Christiansund Kopenhagen. Stockholm. aparanda. St Petersburg Moskau..

1 bedeckt

2 wolkig

2 wolkig

2halb bed. still wolkig

1 halb bed.

2 Schnee

200G 89G

9

Lbo bboboIe=100

6

838

Cork, Queens⸗

bommn... Cherbourg. Slder... EE11“ Hamburg..

winemünde Neufahrwasser Memel

1 4 heiter

G gU

92₰

t 8

6˙9G 8

S 9U

““ ünster. Karlsruhe. Wiesbaden München. Chemniß. Berlin... e .. Breslau..

888S8

6‚99 9 888

122 ᷣRvrO S=Sbo SSco-bolbo eer bo

FoEI JEe“ 5 75

heiter halb bed.

2²) Nebel. ³) Vorm. Regen.

1 UNebersicht der Witterung. Auf dem ganzen Gebiet ist der Luftdruck gleich⸗

mäßig vertheilt und dementsprechend die Luftbewegung schwach. Ein Hochdruckgebiet ist jüber West⸗Europa In Deutschland ist das Wetter ruhig, vorwiegend trübe und durchschnittlich eemperatur liegt an der Küste bis zu 4, in Mitteldeutschland bis zu 3 ½ Grad unter, in Süddeutschlant meist etwas über dem Mittel⸗ werth; in Norddeutschland ist vielfach Regen ge⸗ Obere Wolten ziehen über Südostdeutsch⸗

in Entwicklung begriffen.

etwas wärmer; die

fallen. 1 land aus Nordwest.

Deutsche Seewarte.

Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Donnerstag: Opern⸗ haus. 112. Vorstellung. Bajazzi (Pagliazzi). Oper in 2 Acten und einem Prolog. Musik und Dichtung von R. Leoncavallo, deutsch von Ludwig Hartmann. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Sucher. Die Rebe. Ballet in 2 Acten (5 Bildern) nach dem Text von Taglioni, Grand⸗ mougin und Hansen, von Emil Graeb. Musik von Anton Rubinstein. Dirigent: Musikdirector Stein⸗ mann. Anfang 7 Uhr.

Neues Theater (am Schiffbauerdamm 45). 119. Vorstellung. Vafantasena. Drama in 5 Auf⸗ zügen von Emil Pohl, mit freier Benutzung der Dichtung des altindischen Königs Sudraka. In Scene gescht vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang

h.

reitag: Opernhaus. 113. Vorstellung. Das Rheingold von Richard Wagner. Dirigent: Kapell⸗ meister Sucher. Anfang 7 Uhr.

Neues Theater (am Schiffbauerdamm 4/5). 120. Vorstellung. Narzißz. Trauerspiel in 5 Auf⸗ zügen von A. E. Brachvogel. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater. Carlos. Anfang 7 Uhr. 2 Der Talisman. Sonnabend: Zwei glückliche Tage.

Donnerstag:

Berliner Theater. Donnerstag: Viel Lärm um Nichts. Anfang 7 ½ Uhr. Uriel

Freitag: 34. Abonnements⸗Vorstellung. Acosta. (Ludwig Barnay.)

Sonnabend: Zum 1. Male: Der Freund des Fürsten.

Lessing-Theater. Donnerstag: Brave Leut⸗ vom Grund. Anfang 7 ½ Uhr. Freitag: Brave Leut, vom Grund. Sonnabend: Falsche Heilige. Sonntag: Brave Leut’ vom Grund.

Friedrich-⸗Wilhelmstüdtisches Theater. 5—⸗ 25. 1

Donnerstag: 10. Gastvorstellung von Ilka pon lmay. Die schöne Helena. (1. Agt.) Komische perette von Meilhac und Halévy. eutsch von 1,2 Musik von Jacques Offenbach. Dirigent: r Kapellmeister Federmann. (Helena: Ilka von

Operette in 1 Act von Richard Genée und F. Zell. Musik von Alexander Neumann. Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann. (Pia: Ilka von Palmay.) Anfang 7 ½ Uhr. Freitag: Dieselbe Vorstellung ͤͤ“ 8 ““ 8

Restdenz-Theater. Direction: Sigmund Lauten⸗ burg. Donnerstag: Neu einstudirt: Die Sirene. (La Flamboyante.) Schwank in 3 Acten von Albin Valabréque. In Scene gesetzt von Sigmund Lauten⸗ burg. Anfang 7 ½ Uhr. . Freitag: Dieselbe Vorstellung

Kroll's Theater. schütz. Anfang 7 Uhr. Freitag: Mit Genehmigung der General⸗Intendanz der Königlichen Schauspiele. Cavalleria rusti- cana. Oper in 1 Act von Pietro Mascagni. Roberto Stagno und Gemma Bellincioni als Gäste.)

orher: Gute Nacht Herr Pantalon. Komische Oper in 1 Act von Albert Grisar.

Victoria-Theater. Belle⸗Alliancestraße 7/8. Donnerstag: Mit neuer Ausstattung: Die Reise um die Welt in achtzig Tagen. Großes Ausstattungsstück mit Ballet in 5 Acten (15 Bil⸗ dern) von A. d’'Ennery und Jules Verne. Ballet arrangirt vom Balletmeister C. Severini. Musik von Debillemont und C. A. Raida. Anfang 7 ½¼ Uhr.

Freitag: Die Reise um die Welt in achtzig

Tagen. 8 Nur noch 11 Aufführungen!

Donnerstag: Der Frei⸗

Theater Unter den Linden. Donnerstag: Zum 7. Male (vollständig neu inscenirt): Der Mitavo. Burleske Operette von V. S. Gilbert. Musik von Arthur Sullivan. Hierauf: Zum 40. Male: Die Welt⸗Ausstellung in Chicago und Die deutsche Abtheilung in dem populären Aus⸗ stattungs⸗Ballet Columbia. Anfang präc. 7 ½ Uhr.

Freitag: Dieselbe Vorstellung.

Adolph Ernst⸗Theater. Donnerstag: Zum 33. Male: Goldlotte. Gesangsposse in 3 Acten von Ed. Jacobson und W. Mannstädt. Couplets theil⸗ weise von G. Görß. Musik von G. Steffens. In Scene gesetzt von Adolph Ernst. Anfang 7 ½ Uhr.

Freitag und folgende Tage: Goldlotte.

Der Sommer⸗Garten ist geöffnet.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof),

18

Sing-Akademie. Donnerstag, Anfang 7 ½ Uhr: Concert des Componisten Hans Pfitzner mit dem Philharmonischen Orchester, sowie unter Mitwirkung des Herzoglich sächsischen Kammersängers Herrn Max Büttner, des Klaviervirtuosen Professor Dr. Ernst Jedliczka und des Cellovirtuosen Herrn Heinrich Kiefer.

Concert-Haus, Leipzigerstraße 48. Donnerstag, Anfang 7 Uhr: Karl Meyder⸗Concert.

Die bis zum 1. April ausgegebenen Abonnement⸗ Billets behalten bis zum 14. Mai cr. Gültigkeit.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Marie Berendes mit Hrn. Pastor Ernst Dienemann (Halle a. S. —Reesen bei Burg, Magdeburg). Frl. Helene Jebens mit Hrn. Hauptmann Max Hammer (Berlin —Dresden.) Margarethe von Duehren mit Hrn. Kreis⸗

auinspector Arthur Egersdorff (Oliva —Kro⸗ toschin). Frl. Johanna von Krüger mit Hrn.

Dr. Gustav von Roehl (Karlsruhe —Pforzheim). Freiin Margarete de la Motte⸗Fouqué mit Hrn. Hauptmannn Sixt von Arnim (Metz).

Verehelicht: Hr. Pastor Philipp Knoll mit Frl. Martha Miecke (Polgsen bei Wohlau).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Polizei⸗Rath Gent (Frankfurt a. M.). Hrn. Rittmeister Detlev Honig (Allenstein). Hrn. Rittmeister Nikolaus von Katzler (Ludwigslust). Hrn. Landgerichts⸗Rath Triest (Breslau).

Gestorben: Fr. Landrath Auguste Freifrau Grote, geb. Freiin von Münchhausen (Eisenach)h. Hr. Major a. D. Graf Gustav von der Schulenburg a. d. Hause Trampe (Triebusch). Hr. Pfarrer Berthold Titz (Eckersdorf).

Redacteur: J. V.: Siemenroth.

Berlin: vehseryge 8 Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Sieben Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage)

und ein Prospect des Bibliographisch 1 Justituts in Leipzig und Wien, betr. Meyer’e.

Palmay.) Vorher: Zum 1. Male: Stupida.

8*

Geöffnet von 12—11 Uhr.

8

Conversations⸗Lexikon.

Deutscher Reichstag. 87. Sitzung vom Dienstag, 2. Mai, 1 Uhr.

Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits in der Nummer vom Dienstag berichtet worden.

Als vierter Gegenstand steht auf der Tagesordnung die Berathung des Antrags Ahlwardt. Die Commission be⸗ antragt: „Der Reichstag wolle beschließen:

1) Nachdem die Commission erklärt hat, daß der Inhalt der von dem Abg. Ahlwardt dem Reichstag übergebenen Acten und Druck⸗ schriften die durch den genannten Abgeordneten in den Sitzungen des Reichstags vom 18., 21. und 22. März sowie vom 25. April d. J. gegen frühere und jetzige Mitglieder des Reichstags und des Bundes⸗ kaths erhobenen Anschuldigungen nicht rechtfertigt, den Antrag Ahl⸗ vardt für erledigt zu erklären; 2) über die der Commission überwiesene Petition der Wittwe Hiebsch und des H. Wagenbret, um Hinausschiebung des Beschlusses der Commission, zur Tagesordnung überzugehen.“

Berichterstatter sind die Abgg. Dr. Dr. Porsch (Centr.).

Abg. Dr. von Cuny (nl.): Mit dem Reichs⸗Invalidenfonds kommen noch die derselben Verwaltung unterstellten Reichs⸗Festungs⸗ bau⸗ und Reichstags⸗Gebäudefonds in Betracht. Es ist nun eigen⸗ thümlich, daß in Bezug auf das Material, über welches ich hier zu referiren habe, von dem Abg. Ahlwardt uns gar keine Acten über⸗ geben worden sind, sondern lediglich drei Druckschriften, von denen die eine 1877, die andere ohne Jahreszahl, vermuthlich 1876, also vor 16 resp. 17 Jahren erschienen sind. Von neuen Enthüllungen kann also keine Rede sein, während vielfach im In⸗ und Auslande große neue Enthüllungen, etwa vom Umfange der Panama⸗Enthüllungen, erwartet wurden. Die vorgelegten Broschüren enthalten zum theil gar nichts zu der in Rede stehenden Sache; in der von R. Meyer wird der Plan eines Invalidenfonds, auch eines sich nicht aufzehrenden, überhaupt verworfen und Windthorst u. A. dachten darüber ebenso. Meyer sagt, die Disconto⸗Gesellschaft habe sich damals einer Masse fauler Effecten entledigen wollen und darum den Plan eines großen Reichsfonds ausgeheckt, der sie übernehmen sollte. Von dem, was der Abg. Ahlwardt sagt, enthält seine Broschüre auch nicht eine Silbe. Es stehen also die Ausführungen des Abg. Ahlwardt sogar im Wider⸗ spruch mit denen Meyer's, schweben also vollständig in der Luft. Er sagte, die Anlage der Fonds sei lediglich der Speculation zu gute ge⸗ kommen; in der Commission wollte er darüber ganz genaue Auskunft geben. Dieses Versprechen hat er nicht gehalten. Es hat 1875/76 eine eingehende Prüfung des Erwerbs und Werths der angekauften nicht garantirten Eisenbahn⸗Prioritäten stattgefunden in der Form einer feierlichen Enquste durch Frage und Antwort, die zu einem für die Verwaltung günstigen Ergebniß, wenigstens nach der Ansicht der Majorität, führte. Die Minderheit fürchtete später große Verluste. Später wurden die Effecten sogar mit erheblichem Gewinn ver⸗ äußert, auch die Hannover⸗Altenbekener mit einem Gewinn von 241 147 Der Abg. Ahlwardt behauptete, diese Bahn sei von Preußen mit dem Vierfachen des Werths bezahlt worden. Der Kaufpreis betrug aber 40 783 400 ℳ, die Anlage für den Fonds aber nur etwas über 12 Millionen, also nur einen kleinen Theil der Ankaufssumme. Die Commission hat gefunden, 8 die Anschul⸗ digungen des Abg. Ahlwardt in den verschiedenen Sitzungen durch 1” Fehtaüt der der Commission übergebenen Broschüren nicht gerecht⸗ fertigt sind.

Abg. Dr. Porsch (Centr.): Die stenographischen Berichte der Commission, welche aus guten Gründen aufgenommen sind, sind zwar an die Reichstagsabgeordneten mitgetheilt; aber da die Anschuldigungen des Abg. Ahlwardt im ganzen Vaterlande und auch außerhalb des⸗ selben gehört worden sind, muß ich darauf zurückkommen. Als die Commission den Abg. Ahlwardt zur Conferenz einlud, konnte er sich aus den Acten nicht herausfinden, weil er zu aufgeregt sei, und wir haben es ausnahmsweise zugelassen, daß er einen Schriftsteller Plack zuzog. In seinen Anschuldigungen gegen den Abg. Dr. von Bennigsen bezog sich der Abg. Ahlwardt ausschließlich auf die Broschüren von Glagau und Niendorf. Die Commission schied daher die Person des Abg. Dr. von Bennigsen aus der Untersuchung aus. Bezüglich der Beschuldi⸗ gungen gegen die Abgg. Dr. Horwitz und Munckel, welche in den General⸗ versammlungen der Rumänischen Eisenbahngesellschaft als Strohmänner fungirt haben sollten, fand sich in den Acten die Copie folgenden Briefs vom 9. August 1881: „Unser gemeinsamer Gegner hat soeben hier für 1 170 600 Stammactien und für 214 650 Stamm⸗Prioritäts⸗ actien behufs Theilnahme an der Generalversammlung deponirt, und zwar je eine für Löwenfeld, Landau, Munckel, Noa, Horwitz und Böttcher. Ich erlaube mir, Sie ergebenst auf diese Thetfache auf⸗ merksam zu machen. Mit vorzüglicher Hochachtung Kalindero.“ Da Kalindero schreibt „unser gemeinsamer Gegner“, so hätten Horwitz und Munckel zu den Gegnern des Betruges gehört, der nach dem Abg. Ahlwardt verübt sein soll. Ueberdies stammt der Brief aus dem Jahre 1881, während die ganzen Manipulationen, aus denen man eine Benachtheiligung des deutschen Kapitals herleiten will, in den siebziger Jahren stattgefunden haben. Der Referent schildert nun bekannte Vorgänge in der Commission, u. a. folgende: Als Schriftsteller Plack ausnahmsweise hinzugezogen wurde, erklärte der Abg. Ahlwardt: „Bei den übergebenen Aeten befinden sich die Quittungen der bestochenen österreichischen Journalisten nicht, sie befinden sich in der blauen Mappe, die ich jetzt überreiche.“ Seine wiederholten Behauptungen, alles übergeben zu haben, waren also unwahr. In einer Volksversammlung sagte er, die Acten seien so verwirrt worden, daß er sich nicht mehr darin zurecht finde. Diese Anschuldigung erhob er also gegen die Commis⸗ sion, und am nächsten Morgen überreichte er die Actenstücke, die bei den übergebenen noch nicht vorhanden waren. Ein Urtheil darüber brauche ich wohl nicht erst zu fällen. Es sollten Originalacten sein, unterzeichnet von dem preußischen Finanz⸗Minister und anderen. Als der Correferent und ich die Acten studirten, stellte es sich heraus, daß es unorthographische, unbeglaubigte Abschriften waren. Er erklärte: Meißner habe sie mit Copirtinte abgeschrieben und das seien die Originale, die ihm Herr Meißner überliefert habe. (Große Heiterkeit.) Es sind unter den Acten auch Briefe der Discontogesellschaft an die Rumänische Eisenbahngesellschaft überreicht worden, d. h. Abschriften von Meißner's Abschriften. Bei einem hatte man es für nöthig befunden, einen Namen wegzuradiren. Unter dem zweiten Briefe der Discontogesellschaft stand neben dem Namen Miquel die Unterschrift

eißner. Eigenthümlicher Weise hatte die Discontogesellschaft einen Procuristen Meißner und die Rumänische Eisenbahngesellschaft hatte einen Comptoirdiener Meißner. Nun hatte der kluge Herr, der die Abschrift von diesem Briefe nahm, es verwunderlich gefunden, daß darunter der Name Meißner stand, er radirte also den Namen Meißner weg. (Heiterkeit.) Ueber die Rasur äußerte sich der Abg. Ahlwardt nicht. Gefragt, wie der Name Meißner unter den Brief der Discontogesellschaft gekommen sei, antwortete er, das habe Meißner offenbar zur Beglaubigung gethan. (Große Heiterkeit.) Es hat also ein Bote als Kollege des Herrn Migauel gewissermaßen in Abwesenheit des Anderen gezeichnet. (Stürmische Heiterkeit.) Der Abg. Ahlwardt sprach auch von dem 2 Millionen⸗ Darlehn, welches die Rumänische Aetien⸗Eisenbahngesellschaft von der

von Cuny (nl.) und

Seehandlung 1874 erhalten, und von der Bürgschaft der Disconto⸗

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preu

Berlin, Mittwoch, den 3. Mai

gesellschaft und Bleichröder's für dieses Darlehn. Nun fiel es mir auf, daß in der Abschrift der Bürgschaftserklärung der Discontogesell⸗ schaft, die den preußischen Finanz⸗Minister belasten sollte, die Unter⸗ schriften fehlen, es steht nur darunter: Unterschriften. Wir sahen also die sog. Meißner'schen Originale nach, und da stand: von Hansen (soll heißen Hansemann) und Meißner. Man hat offenbar in der Abschrift, die dem Reichstag zuerst überreicht worden ist, die Unterschriften ein⸗ fach weggelassen. Man verließ sich auch darauf, daß die Re⸗ ferenten die Sache nicht merken würden. Jedenfalls ist diese Thatsache nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit der von dem Abg. Ahlwardt überreichten Actenstücke zu unterstützen. Außer⸗ dem sind dem Exposé, welches der Abg. Ahlwardt mit seinem ersten Antrage überreicht hat, eine Reihe weiterer Schreiben beigefügt, welche von Vorschüssen und Provisionen der Discontogesell⸗ schaft an die Rumänische Actiengesellschaft handeln. Die meisten dieser Schreiben sind garnicht beglaubigt und haben mit der Sache garnichts zu thun. Nur diejenigen Abschriften der Briefe, welche ich auf die Vorschüsse der Discontogesellschaft an die Rumänische Eisenbahngesellschaft beziehen, stimmen im Großen und Ganzen mit dem Original überein. Das ist aber auch der einzige Triumph, der mit den von dem Abg. Ahlwardt überreichten Actenstücken zu erreichen gewesen ist. Diese Actenstücke sind aber hinfällig, da sie nicht das beweisen, was der Abg. Ahlwardt damit hatte beweisen wollen. Nun ist merkwürdig, die Aectenstücke, welche der Abg. Ahlwardt vor Ostern bereits im Seniorenconvent niedergelegt hat, durch die Acten⸗ stücke, die der Abg. Ahlwardt uns nach Ostern überreicht hat, über⸗ haupt nicht weiter illustrirt worden sind. Der Abg. Ahlwardt hat nach Ostern gar nicht gewußt, daß er die eigentlichen Meißner'schen Originale schon vor Ostern dem Reichstag übergeben hatte. Das wirft ein eigenthümliches Licht auf die Art und Weise, wie der Abg. Ahlwardt seine schweren Anschuldigungen begründet. Ueber die Vorschüsse haben sich neun Schreiben, unterzeichnet von dem jetzigen preußischen Finanz⸗Minister Dr. Miguel, vorgefunden. Der Abg. Ahlwardt sprach von 11; wo sich diese weiteren zwei Schreiben befinden, ist uns nicht weiter bekannt geworden. In den Acten befinden sich weitere Ausschnitte über den Prozeß Polke, Drucksachen über die Rumänische Eisenbahngesellschaft u. s. w. Alle diese Schriftstücke machen den Eindruck, als wenn sich noch niemand die Mühe ge⸗ nommen, in den Inhalt derselben einzudringen. Es ist ein wüstes Convolut von ungesichteten Schriftstücken. Der Abg. Ahlwardt hatte behauptet, daß die rumänischen Eisenbahnen auf das Grauen⸗ hafteste ausgewuchert seien; es habe deswegen schon ein Prozeß statt⸗ gefunden gegen Gehlsen, in welchem der jetzige preußische Finanz⸗ Minister Dr. Miquel der Hauptzeuge war. Dieser bestritt, daß sehr hohe Zinsen gezahlt wurden; er sprach von 4 %. Der Abg. Ahlwardt dagegen behauptete, daß 16 und 35 % gezahlt worden sind. In diesen Ausführungen des Abg. Ahlwardt liegt also nach einer doppelten Richtung eine Anschuldigung gegen den preußischen Finanz⸗Minister Dr. Miquel: er macht ihm den Vorwurf, daß unter seiner Beihilfe die Discontogesellschaft eine nothleidende Eisenbahngesellschaft aus⸗ gewuchert habe, indem sie 16 bis 35 % Zinsen nahm und zwar unter Vermittelung von Reichsgeldern; und weiter, daß er durch Verschweigen dieser Thatsachen im Prozeß Gehlsen einen Falscheid geleistet und dadurch die Verurtheilung des Gehlsen herbeigeführt habe. Bezüglich dieser Sache befindet sich der Abg. Ahlwardt in einer bedauerlichen Confusion. Die Vorschüsse, um die es sich hierbei handelt, sind 1872 73 von der Disconto⸗ gesellschaft verlangt worden, das Reichsdarlehn von fünf Millionen ist erst im Sommer 1874 verlangt worden, als Hr. Miquel bereits aus dem Vorstande der Discontogesellschaft ausgeschieden war. Der Abg. Ahlwardt bezog sich zum Beweise seiner Behauptungen auf eine polemische Broschüre, die ihm der Schriftsteller Plack überreicht hatte. Dieselbe ist ohne Titelblatt und bringt nur auszugsweise die Zeugen⸗ aussagen des Hrn. Migquel, ist also schon deshalb kein beweiskräftiges Document. Der preußische Finanz⸗Minister Dr. Miquel übergab der Commission die ohne sein Vorwissen und ohne Correctur aufgenommene stenographische Niederschrift des Gehlsen’schen Prozesses und auch seines Eides. Herr Migquel erklärte damals vor Gericht: „Im Aufsichtsrath ist von dieser Darlehnssache bei dem Reich resp. bei der Seehandlung während meiner Zugehörigkeit nicht die Rede gewesen. Ich selbst habe von der Contrahirung des Darlehns nichts gewußt. Ich war zu der Zeit nicht in Berlin, sondern in Thale. Seit dem Sommer 1873 bin ich nicht mehr in der Geschäftsführung der Discontogesellschaft.“ Aus dem Prozeß Gehlsen geht hervor, daß es sich dabei nicht um Darlehen aus den Jahren 1872/73 handelte. Das beweist das Urtheil in Sachen Gehlsen, welches der Abg. Lieb⸗ knecht mir zur Verfügung gestellt hat, in welchem ausdrücklich fest⸗ gestellt wird, daß ein Zinssatz von 8 % für ein solches Geschäft nicht zu hoch ist. Nach dem Actenmaterial ist es also ein durchaus unge⸗ rechtfertigter Vorwurf, wenn der Abg. Ahlwardt behauptet, der Eid des Herrn Migquel habe die Verurtheilung Gehlsen's herbeigeführt. Der Berichterstatter führt die gewährten einzelnen Vorschüsse und die verabredeten Zinssätze genau auf, weil der Abg. Ahlwardt von 16 bis 35 % Zinsen gesprochen habe, trotzdem es sich nur um 8 bis 9 % Zinsen Provisionen handelte, und fährt dann fort: Wie der Abg. Ahlwardt nach diesen Dingen zu der Behauptung kommen konnte, daß das deutsche Volk um Hunderte von Millionen betrogen worden ist, ist um so unerfindlicher, als es sich bei diesen Darlehen überhaupt nur um etwa 15 Millionen gehandelt hat. Er hat ferner behauptet, daß der preußische Finanz⸗Minister Dr. Miquel 100 000 Thaler Actien der Rumänischen Eisenbahngesellschaft gezeichnet hat. Ein Actenstück dafür ist nicht vorhanden, außer einer unbeglaubigten Abschrift Meißner'’s. Wenn Herr Miguel wirklich gezeichnet hat, so hat er es gethan, wie er es schon im Plenum erklärt hat, für die Inhaber der Obligationen der Rumänischen Eisenbahnen. Daß wischen der Rumänischen Eisenbahngesellschaft und der Discontvgesellschaft Wechsel ungestempelt hin⸗ und hergegangen seien. wonlte der Abg. Ahlwardt durch den Zeugen Meißner Dieser war aber nicht zu finden. (Heiterkeit; Rufe: Krähahn!) Der in den Aecten enthal⸗ tene Brief ohne Datum und Ueberschrift, welcher ein Recept zur Bearbeitung der Presse von Herrn Miquel ent⸗ halten soll, enthält alles Andere eher als dies. Dafür, daß die Ber⸗ liner Presse direct von der Discontogesellschaft bearbeitet wurde, konnte der Abg. Ahlwardt keinen Beweis erbringen; er verwies wieder auf Plack, der zwei Notizen aus den Büchern vorlegte, in welchen es sich um zweimalhunderttausend Thaler handelte. Damit wird wohl die ganze Berliner Presse nicht gekauft sein. (Heiterkeit.) Die sonst angeführten Zahlungen an Zeitungen u. s. w. beziehen sich augenscheinlich auf die Kosten für Inserate und eingesandte Notizen, die etwas theurer bezahlt zu werden pflegen als Inserate. In den stenographischen Berichten über die Commissionsverhandlungen sind die betreffenden Actenstücke zum theil abgedruckt. 21 Wiener Zeitungen haben je 50 bis 100 Gulden erhalten! Das soll ein Beweis für eine Bestechung sein! Der Abg. Ahlwardt bherief sich auch auf einen Brief des rumänischen Senats⸗Präsidenten Kalindero. Der Brief sollte errissen im Papierkorb gefunden und wieder zusammengekleht sein Die Jahreszahl ist vorsichtiger Weise abgerissen. Es ist nicht zu ersehen, an wen der Brief gerichtet ist. Der Brief ist, was für einen Rumänen merkwürdig ist, in flüssigen deutschen Buchstaben geschrieben. Der preußische Finanz⸗ Minister hat mit Hilfe der rumänischen Regierung feststellen lassen, daß es 1872 —73 keinen rumänischen Senats⸗Präsidenten Kalindero gegeben hat, daß erst 1881 ein Herr Kalindero nach Berlin gekommen

Anzeiger.

1892

ist, also lange nach dem Ansscheiden des Herrn Miquel aus der Discontogesellschaft. Der Abg. Ahlwardt hat diesen Brief selbst als

gefälscht, als nicht beweiskräftig erklärt. Der Berichterstatter verliest

ein von Herrn Kalindero an den Präsidenten des Reichstags ein⸗

gegangenes Telegramm, in welchem dieser den Brief als eine Fälschung

e lärt und mit Entrüstung gegen die „calomnie de ce députée*

(Heiterkeit) protestirt. Die anfangs von dem⸗Abg. Ahlwardt vorgelegten und im Seniorenconvent verhandelten Actenstücke sind durch die späteren in keiner Weise illustrirt worden, wie der Abg. Ahlwardt in

Aussicht gestellt hatte. Wenn man in dieser Sache überhaupt von Beweisen sprechen kann, so ist nur bewiesen, daß die Discontogesell⸗

schaft vom Mai 1872 bis Mai 1873 für Vorschüsse an die Rumänische Eisenbahngesellschaft im Höchstbetrage von 15 000 000 an Provision und Zinsen in maximo 14 ½ % genommen hat. Das ist das einzige

was von der großen Behauptung übrig bleibt, daß das deutsche Vol

durch Manipulationen hinter den Coulissen, an denen auch der jetzige Finanz⸗Minister in Preußen betheiligt war, um Hunderte von Millionen betrogen sei. In der Commission ist es zu Erwägungen darüber gekommen, ob die Commission in irgend einer Form die Beschuldigung des Abg. Ahlwardt ihrem wahren Werthe na ualificiren sollte. Die Commission hat davon Abstand genommen, weil innerhalb der Schranken, welche die Ordnung dieses Hauses setzt, und welche der Würde desselben entsprechen, eine Qualification für die Be⸗ schuldigungen, die auch nur einigermaßen die Sache träfe, si

nicht finden läßt. (Zustimmung.) Ich erinnere den Abg. Ahlwardt an seinen Ausspruch in der Sitzung vom 25. April, daß von einer Verleumdung seinerseits absolut nicht die Rede sein könne, und daß er sich irren könne. Ob der Abg. Ahlwardt annehmen wird, daß das zutrifft, was er für den Fall des Nichtbeweises seiner Belege gesag

hat, das muß ich ihm und kann ich getrost der öffentlichen Meinung unseres Vaterlandes überlassen. Ich handle im Sinne der ganzen Commission, wenn ich angesichts der eigenen Erklärung des Abg. Ahl⸗ wardt nur das Eine ihm gegenüber zum Schluß ausspreche: Wenn der Abg. Ahlwardt einen Funken von Verständniß besitzt für die Sache, die er hier von der Tribüne des Reichstags behandelt hat, und wenn er noch einen Funken von Ehrgefühl in seinem Leibe hat (Unruhe und Heiterkeit), dann wird er die schweren Anschuldigungen gegen Phelsger des Bundesraths und des Reichstags zurücknehmen.

eifall.

Abg. Ahlwardt (b. k. F.): Der erste Theil meiner An⸗ schuldigungen betrifft den Invalidenfonds und die Reichskasse, der zweite Theil die rumänische Eisenbahnangelegenheit. Die zu knappe Bemessung des Invalidenfonds, so daß er sich selbst Chen war weder für die Invaliden, noch für das Volk günstig, wohl aber für die Börse, welcher dieser und die anderen Reichsfonds ein gutes Operationsfeld bildeten. Höher durfte der Invalidenfonds nicht be⸗ messen werden, damit das Vaterland nicht über ein großes Kapital verfügte, das ihm in Zeiten der Gefahr nützen konnte. Die Invaliden selbst sind, weil sich der Fonds allmälig aufgezehrt, heute nicht besser gestellt als in den siebziger Jahren, was Sie auch an den Verhältnissen der Leierkastenmänner sehen können. (Unruhe.) Daß zur Börse in Beziehung stehende Personen die Sache beeinflußt haben und daß Verhandlungen hinter den Coulissen vorgekommen sind, ist eine Vermuthung, die einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit hat. (Stürmische Heiterkeit.) Diese Thatsache liegt in den Verhältnissen begründet, und ähnliche Behauptungen, die einen größeren oder geringeren Grad von Wahrscheinlichkeit haben, werden ziemlich jeden Tag ausgesprochen, zuweilen sogar in beleidigender Form. Ich erinnere nur an die Behauptung des Abg. Richter, die etwa dahin lautete: Fürst Bismarck ist ein Großgrundbesitzer und hat Vortheil von der Einführung der Schweinesteuer (Gelächter), darum führt er sie ein. (Abg. Richter: Erfunden.) Meine Behauptungen haben in der Sache selbst ihre Begründung, von einer weiteren Be⸗ gründung durch Aectenstücke habe ich niemals ein Wort gesagt. (Lachen links.) Die Behauptungen, die durch Actenstücke erwiesen werden sollten, bezogen sich lediglich auf die Rumänische Eisenbahn. Bezüg⸗ lich des Invalidenfonds hatte ich behauptet, daß die Reichsfonds ungarantirte Eisenbahn⸗Obligationen in Höhe von 304 Millionen Mark erworben haben, die zu der Zeit, als sie gesetzlich verkauft werden sollten, unverkäuflich waren, und wenn sie zu jener Zeit verkauft worden wären, den Fonds große Verluste gebracht hätten. Deshalb wurde dem Reichstag eine Vorlage gemacht, daß man den Termin des Verkaufs weiter hinaus⸗ schiebe. Redner verliest den damaligen Bericht der Budgetcommission, nach welchem die Vorlage zur Annahme damit empfohlen wird, daß die betreffenden Prioritäten seit längerer Zeit schwer verkäuflich seien, daß ein Verlust für den Invalidenfonds bedenklich sei und daß eine Umwälzung der Börsenverhältnisse sonst unvermeidlich erscheine. Redner verliest ferner aus dem Buche von Niendorf das Verzeichniß aller der Eisenbahnobligationen, welche damals für den Invaliden⸗ fonds, den Reichsfestungsbaufonds und Reichstagsgebäudefonds a kauft worden sind. Es handelt sich nun um die Frage, ob die Sei. gationen nur zur Zeit unverkäuflich waren oder ob die betreffenden Bahnen derart gebaut waren, daß bei einem Zwangsverkauf ein großer Verlust entstehen konnte. Will man das ganze Wesen der Belegung ver⸗ stehen, so muß man sich zunächst die Bahnen besehen (Heiterkeit), darunter befand sich die Hannover⸗Altenbekener Bahn. Diese war als hannoversche Staatsbahn vor 1866 geplant, und Vorarbeiten waren gemacht.

1866 bildete sich ein Consortium mit den Herren von Bennigsen und Adikes an der Spitze; diesen wutde die Concession zum Bau dieser Bahn ertheilt, aber von dem damaligen Eisenbahn⸗Minister von Itzenplitz die Bedingung gestellt, daß der Bau nicht in General⸗ entreprise gegeben werden dürfe. Dieses Gründerconsortium legte die Zeichnungen auf. Trotz der Bedingung wurde der Bau aber dem Dr. Strousberg in Generalentreprise gegeben. Die Kosten wurden auf 9 ½ Millionen Thaler festgesetzt. Davon wurden zunächst 5 0 für bisherige Unkosten durch Tracirung ꝛ. abgezogen, dann noch 3 % unter dem Titel „Insgemein“. Diese 3 % sind speciell Gegenstand der da⸗ maligen Untersu ungscommission des Abgeordnetenhauses gewesen, die infolge der Rede des Abg. Lasker eingesetzt wurde. Dieser Gründergewinn ist aber von der Commission nicht genügend geprüft. Die Haupt⸗ personen, wie Adikes, sind nicht vernommen worden. Der Com⸗ merzien⸗Rath Cohn, der den Eid verweigerte, ist nicht zum Eide ge⸗ zwungen worden. Für den Invalidenfonds kommt aber die Art und Weise in Betracht, wie die Bahnen gebaut wurden. Die 9 ½˖ Millionen Thaler waren schon alle, bevor überhaupt nur das Nothwendigste an der Bahn fertig war. Es wurde deshalb 1870 die Aufnahme von Prioritäten für 3 ½ Millionen Thaler und später noch zweimal von 4 ½ Millionen Thalern bewilligt. So ist die Hannover⸗Altenbetener Bahn die theuerste in ganz Deutschland geworden, die Meile kostete 860 000 Thaler. Und dazu war noch nicht die Spur von rollendem Material vorhanden, die Bahn mußte von der Magdeburg⸗Halber⸗ städter Bahn, die auch die Garantie übernommen hatte, in Betrieb gesetzt werden. Die Eisenbahnen standen zur Zeit der Unter⸗ suchungscommission auf 8,7, was gleichbedeutend ist mit nichts. Auch Magdeburg⸗Halberstädter waren im Preise bedeutend gefunken. Was aus der Eisenbahn geworden wäre ohne Eintritt der Staats⸗ hilfe, können Sie an der Nordhahn und der Pommerschen Centralbahn sehen, die schlieslich vom Staat zum Ahbruchspreise gekauft werden konnte. Hätte der Staat diese Bahn nicht angekauft, so wäre der Invalidenfonds in die allerschwersten Verluste gekommen. Durch den Ankauf der Bahn ist allerdings der Invalidenfonds vollständig intzmet geblieben, aber nicht die preußischen Finanzen, die schwer erschüttertz