borg eingeht, so muß jedes Colli vor der Entlöschung oder unmittel⸗ bar darauf und bevor es weiter auf Wagen verladen werden darf, desinficirt werden. Unmittelbar nach dem Entlöschen ist die Waare, sofern sie nicht sofort der Desinfection unterworfen wird oder mit der Eisenbahn weiter befördert werden soll, unter Zollbewachung nach dem von der Behörde hierzu bestimmten Magazin zu beschaffen. Soll die Waare unmittelbar nach dem Entlöschen mit der Eisenbahn weiter befördert werden, so ist dieselbe nach vorangegangener Desinfection unverzüglich der Eisenbahnverwaltung zu übergeben.
Wenn die Waare mit der Eisenbahn von Norwegen oder, in Eisenbahnwagen verladen, mit der Dampffähre na bEEb1 eingeht, so kann, wenn die Waare von der ersten Ankunftsstation aus ohne Umladung mit der Eisenbahn weiter transportirt werden soll, dies ohne .e g. Desinfection unter der Bedingung geschehen, daß die Waare ohne Umladung nach der Station, in deren Nähe sie magazinirt werden soll, oder nach dem Auslande transportirt wird.
Cholera. Oesterreich⸗Ungarn. Vom 19. bis 26. April, Mittags, sind, wie das „D. österr. San. Wesen“ unter dem 27. April berichtet, im galizischen Bezirk Borszezow vier Cholera⸗ Erkrankungen mit zwei Todesfällen angezeigt worden, und zwar für Kudrynce 2:1, Podfilipie 1:0 und Slobudka turylecka 1:1. Außerdem wurde aus den Gemeinden Cygany und Loscacz je ein tödtlich verlaufener Cholerafall gemeldet, von denen sich der eine am 11., der andere am 17. April ereignete. Frankreich. In der Stadt Lorient (42 116 E.) hat — einem seitens des Unterpräfecten unterm 14. April ausgestellten Nach⸗ weise zufolge — die Cholera am 8. März ihren Anfang genommen und bis zum Berichtstage 107 Erkrankungen und 34 Todesfälle veranlaßt. Von den Ortschaften des Kreises sind 24 (mit ins⸗ gesammt 85 841 E.) seit dem 1. März ergriffen und haben 516 Erkrankungen und 152 Todesfälle aufzuweisen. Zufolge einer Bekanntmachung des Comités für öffentliche Gesundheitspflege (im „Journal officiel“ vom 19. April d. J.) sind seit dem 1. Januar d. J. in dreißig Gemeinden der Umgebung von Lorient 217 Cholera⸗Sterbe⸗ fälle festgestellt worden. Aus dem Hafenort Quimper (Dep. Finistoͤre) und dessen nächster Umgebung sind am 14. April drei Tholera⸗Todesfälle gemeldet worden; davon kamen zwei in dem Irrenhause vor.
Rußland. Vom 8. bis 14. April (n. St.) sind nachstehend vermerkte Cholera⸗Erkrankungen und⸗Todesfälle zur amtlichen Kenntniß gelangt: Gouvernement (bezw. Stadt) Podolien 13./3. bis 27./3. erkr. 460, gest. 120, Tula 1./4. 1 bezw. 0, Orel (Stadt) 3./4. bis 8./4. 2 bezw. 1, Orel (sonst i. Gouv.) 3./4. bis 8./4. 1 bezw. 0, Charkow 7./3. bis 23./3. 5 bezw. 2, Dongebiet 8./4. 1 bezw. 0, Nischni⸗ ored 273. bis 30 /3. 2 bezw. 1, Kasan 9,/3. 1 bV luk (Samara) 15./3: bis 29./3. 0 sIa b 13,/4. 113 bezw. 35, Tobolsk 10./3. bis 23./3. 3 bezw. 1. Im nördlichen Theil Bessarabiens, ins⸗ besondere im Kreise Chotin ist zufolge einer Mittheilung vom 15. April die Cholera immer noch stark verbreitet. In der Stadt Olvidiopol (Gouv. Cherson) sind zwei Erkrankungen vorgekommen. In einigen Ortschaften am Dniestr sollen im Winter vereinzelte Cholerafälle stattgefunden haben. Gegenüber den Gerüchten von dem Wiederauftreten der Cholera in St. Petersburg erklärt das Medizinal⸗Departement des Ministeriums des Innern in der am 23. April ausgegebenen Nr. 76 des „Regierungs⸗Anzeigers“, daß Cholerafälle in St. Petersburg seit dem 18. Dezember v. J. (a. St.)
icht vorgekommen sind. Gelbfieber.
In Santos (Brasilien) sind vom 19. bis 25. Februar d. J.
130 Personen an Gelbfieber gestorben, in Vera Cruz vom 18. bis
24. März zwei, in ö“““ vom 19. bis 25. März eine. ecktypus.
Rußland. Der Fleck⸗ und der Unterleibstyphus herrschen einer Mittheilung in den „Veröffentlichungen des Deutschen Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 31. März zufolge immer noch in der Stadt Kiew, scheinen aber in der Abnahme zu sein.
Pocken.
England. Die Verbreitung der Pocken in England hat in den letzten Wochen eher zu⸗ als abgenommen. In London und den 32 anderen großen Städten, welche Wochennachweise regelmäßig ausgeben, sind vom 19. Februar bis 18. März 44 Pocken⸗Todesfälle zur Anzeige gelangt, in den nächsten vier Wochen vom 19. März bis 15. April 63. Die Woche vom 16. bis 22. April hat mit 21 Sterbe⸗ fällen die bisher höchste Ziffer erreicht.
Belgien. Etwa seit Anfang d. J. haben die Pocken eine auf⸗ fallende Verbreitung in Belgien gefunden. Unter den 123 Orten, über welche, abgesehen von Brüssel nebst Vorstädten, Wochenbulletins regelmäßig ausgegeben werden, sind 37 Orte ergriffen; ferner sind in Brüssel und seinen Vorstädten vom 1. Januar bis 15. April d. J. insgesammt zwölf Pocken⸗Todesfälle vorgekommen. Am hänufigsten wurden Pocken⸗Erkrankungen in Antwerpen beobachtet, wo die Zahl der in einer Woche daran Gestorbenen in der Zeit vom 29. Januar bis 4. Februar die Höhe von neunzehn erreichte und vom 26. Februar is 4. März sogar zwanzig betrug.
1 Influenza.
. Die Zunahme, welche die Sterblichkeit an Influenza in Paris in der Woche vom 16. bis 22. April erfuhr, ist als eine verhältniß⸗ mäßig erhebliche anzusehen, da innerhalb derselben 96 Personen gegen 56 in der Vorwoche der Seuche erlagen. An acuten Erkrankungen der Athmungsorgane starben 517 Personen gegen 462; die Gesammt⸗ sterblichkeit betrug 35,9 gegen 34,8 auf Tausend Einwohner. Auch in Lyon herrscht die Influenza dem „Lyon médical“ zufolge in andauernder Verbreitung, wenn auch in einer im allgemeinen milden Form. Dagegen scheint in London nunmehr der Höhepunkt der Epidemie überschritten zu sein; an Influenza starben dort 38 Per⸗ sonen gegen 47, an acuten Erkrankungen der Athmungsorgane 285 gegen 309; nur die Gesammtsterblichkeit war dort bei 21,0 gegen 20,4 % ein wenig erhöht. — In Kopenhagen und Stockholm scheint die Abnahme der Epidemie in der Berichtswoche unterbrochen zu sein, denn es erkrankten daselbst 101 und 22 Personen gegen 93 und 17 in der Vorwoche bei 1 und 2 Todesfällen gegen 1 und 0.
Die Gesundheitsverhältnisse in Berlin haben sich in der Woche vom 16. bis 22. April wieder günstiger gestaltet und auch die Sterblichkeit hat abgenommen, von je 1000 Einwohnern starben 20,3 (aufs Jahr berechnet), gegen 22,3 der Vorwoche. Insbesondere kamen acute Darmkrantheiten seltener zum Vorschein und endeten in erheblich verminderter Zahl (in 40 Fällen gegen 89 der Vorwoche) tödlich. Die Betheiligung des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war eine wesentlich kleinere als in der Vorwoche: von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 56 Säug⸗ linge. Dagegen traten acute Entzündungen der Athmungs⸗ 1eie noch immer in großer Zahl zu Tage und endeten auch in zahlreichen Fällen mit dem Tode. Erkrankungen an Grippe wurden gleichfalls nicht selten beobachtet; aus der der Berichtswoche voran⸗ gegangenen Woche wurden 8 Todesfälle an Grippe mitgetheilt. Die Infectionskrankheiten kamen meist in geringerer Zahl zur Uneeige Erheblich abgenommen haben Erkrankungen an Masern, auch Er⸗ krankungen an Diphtherie, die sich nur im Stralauer Viertel häufiger zeigten, waren seltener, während Erkrankungen an Scharlach etwas zugenommen haben und aus der jenseitigen Luisenstadt am zahlreichsten zur Anzeige gelangten. Erkrankungen an Unterleibstyphus blieben selten. An Kindbettfieber kamen 4 Erkrankungen zur Kenntniß. Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut gelangten jedoch noch immer in größerer Zahl zur Behandlung. Auch Erkrankungen an Keuchhusten, die in 17 Fällen zum Tode führten, waren häufig, während rheumatische Beschwerden aller Art im Vergleich zur Vor⸗ woche seltener zur ärztlichen Behandlung kamen.
Sterblichkeits⸗ und Gesundheitsverhältnisse 88 während des Monats März 1893. Gemã sind im onat März von je 1000 Einwohnern, auf das Jahr berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 20,8, in Breslau 26,9, in Königsberg 27,8, in Köln 22,5, in Cassel 16,1, in Magdeburg 18,0, in Stettin 25,5, in Altona 21,7, in Hannover 16,6, in Frankfurt a. M. 19,6, in Wiesbaden 19,6, in München 24,2, in Nürnberg 21,2, in Augsburg 30,1, in Dresden 24,6, in Leipzig 18,4, in Stuttgart 16,0, in Karlsruhe 22,7, in Braunschweig 19,1, in Hamburg 16,9, in Straß⸗ burg 23,1, in Metz 17,6, in Amsterdam 18,0, in Brüssel 23,9, in Budapest 29,4, in Christiania 17,3, in Dublin 26,2, in Edinburg 16,4, in Glasgow 25,9, in Kopenhagen 21,9, in Krakau 40,5, in Liverpool 24,5, in London 20,1, in Lyon 2, in New⸗York 29,0, in Moskau 34,0, in Odessa 24,6, in Paris 23,6, in St. Petersburg ?, in Prag 27,6, in Rom (Februar) 26,0, in Stockholm 19,0, in Triest 26,4, in Turin (Februar) 26,2, in Venedig 30,1, in Warschau 26,0, in Wien 24,7. (Für die nichtdeutschen Städte ist der Zeitraum von 5 Wochen, vom 26. Februar bis 1. April, zusammengefaßt worden.) Der Gesundheitsstand im Monat] März war in der über⸗ wiegenden Mehrzahl der größeren deutschen wie nichtdeutschen Orte ein etwas weniger günstiger wie im Vormonat und auch die Sterblich⸗ keit hat im allgemeinen zugenommen. Die Zahl der deutschen Städte mit sehr geringer Sterblichkeit, in denen die Sterblichkeitsziffer noch nicht die Höhe von 15,0 pr. M. und Jahr erreichte, hat sehr bedeutend abgenommen und sank von 26 im Februar auf 3, und zwar erfreuten sich nur Altenessen, Kattowitz und Bremerhaven einer solch niedrigen Sterblichkeit. Dagegen hat die Zahl der Orte mit hoher Sterblichkeit (über 35,0 pr. M.) zugenommen und stieg auf 3 (in Langenbielau, Marburg und Hörde). Das Sterblichkeitsmaximum, das im Februar 34,9 pr. M. betrug, erreichte im März Langenbielau mit 39,4 pr. M.; von nichtdeutschen Städten meldet nur Krakau eine Sterblichkeit über 35,0 pr. M. — Die Zahl der deutschen Städte mit günstiger Sterblichkeit (bis 20,0 pro Mille), die im Vormonat 105 betrug, sank auf 87. Aus der Zahl derselben wollen wir hier nur Barmen, Bielefeld, Cassel, Celle, Charlottenburg, Elberfeld, Erfurt, Frank⸗ furt a. M., Hannover, Hildesheim, Kiel, Königshütte, Krefeld, Küstrin, Landsberg a. W., Magdeburg, Neisse, Nordhausen, Osnabrück, Stendal, Stralsund, Thorn, Wandsbeck, Wiesbaden, Kaiserslautern, Pirmasens, Leipzig, Meißen, Cannstatt, Gmünd, Stuttgart, Ulm, Pforzheim, Darmstadt, Worms, Rostock, Schwerin i. M., Apolda, Eisenach, Braunschweig, Dessau, Bremen, Hamburg, Metz, und von nicht⸗ deutschen Städten: Amsterdam, Christiania, Edinburg und Stockholm erwähnen. Dagegen war die Zahl der deutschen Orte mit mäßig hoher Sterblichkeit (Sterblichkeitsziffer bis 23,0 pro Mille), die im Vormonat 46 betrug, eine größere: 61, und nennen wir aus der Zahl derselben hier nur Aachen, Altona, Berlin und seine Vororte Lichten⸗ berg, Rixdorf und Schöneberg, ferner Bromberg, Dortmund, Düsseldorf, Essen, Flensburg, Frankfurt a. O., M.⸗Gladbach, Guben, Halle, Iserlohn, Koblenz, Köln, Köslin, Münster i. W., Paderborn, Quedlinburg, Bamberg, Bayreuth, Hof, Nürnberg, Passau, Bautzen, Plauen, Zwickau, Heilbronn, Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim, Mainz, Weimar, Oldenburg, Gotha, Bernburg, Greiz, und von nicht deut⸗ schen Städten Kopenhagen und London. — Der Antheil des Säuglingsalters an der Gesammtsterblichkeit war im allgemeinen ein etwas höherer als im Vormonat; von je 10 000 Le⸗ benden starben, auf's Jahr berechnet, in Hamburg 44, in Stuttgart 46, in Berlin 69, in Dresden 75, in München 95 Säuglinge. Diese mäßig hohe Betheiligung des Säuglingsalters wurde bedingt durch das im ganzen etwas häufigere Auftreten von acuten Darmkrankheiten, die in einer größeren Sahl von Briten wie in Breslat Hanzig, lh München, Nürnberg, Dresden, Leipzig, Plauen, Amsterdam, Brüssel, London, Paris, Wien, Moskau, Warschau, New⸗York u. a. in gestei⸗ gerter Zahl zum Tode führten, während sie in Berlin, Magdeburg, Hamburg, Budapest, Kopenhagen weniger Opfer forderten als im Februar. Erheblich größer war aber die Sterblichkeit in den höheren Altersklassen und zwar zumeist hervorgerufen durch acute Entzündungen der Athmungsorgane, die in vielen Orten in gesteigerter Zahl zu Tage traten und auch in ansehnlich ver⸗ mehrter Zahl zum Tode führten, wie in Aachen, Altona, Berlin, Breslau, Essen, Frankfurt a. M., Halle, Köln, Königsberg, Krefeld. Magdeburg, Fürth, München, Chemnitz, Dresden, Leipzig, Mül⸗ hausen i. E., Straßburg, Brüssel, Bukarest, Budapest, Christiania, Kopenhagen, Krakau, London, Moskau, Paris, Prag, Rom (Februar), Stockholm, Triest, Warschau, Wien, New⸗Pork u. a. Nur in wenigen größeren Orten (Danzig, Nürnberg, Stuttgart, Braunschweig, Odessa) war die Zahl der Sterbefälle an diesen Krank⸗ heitsformen eine kleinere, oder wie in Dortmund. Stettin, Bremen, Hamburg, Amsterdam eine gleich große wie im Vormonat. Erkran⸗ kungen an Grippe zeigten sich auch im März nicht selten, doch nur in wenigen Orten erreichte die Zahl derselben den Charakter einer Epidemie. Es werden mehrfache Todesfälle an Grippe: aus Köln 3, aus Dresden 4, aus Berlin 6, aus Budapest und Paris je 8, aus Stockholm 14, aus Kopenhagen 25, aus New⸗York 46, aus London 208 gemeldet. Sterbefälle an Lungenschwindsucht wurden gleichfalls häusiger als im Februar mitgetheilt. 1 Die Nachrichten über die Cholera lauteten im März im all⸗ gemeinen nicht ungünstig. Aus deutschen Orten kam nur am 4. März in Hamburg eine Erkrankung, die zur Genesung führte, vor. Aus Oesterreich⸗Ungarn sind aus Galizien und zwar aus dem dicht an der russisch⸗polnischen Grenze gelegenen Bezirk Borszezow aus mehreren Gemeinden (Zalucze 3 Erkrankungen mit 2 Todesfällen, Kudrynce 2 Erkrankungen) aus Polen eingeschleppte Cholerafälle ge⸗ meldet worden. In Ruß land herrschte in den Gouvernements Tula, Orel, im Dongebiet, Kasan, Ufa, Jelissawetpol, Charkow, Tambow, Saratow, Samara die Cholera in mäßiger, in Podolien in größerer Aus⸗ dehnung. In Italien erkrankte in Entraque (Provinz Cuneo) Mitte März ein aus der Provence zurückgekehrter Arbeiter und starb, sowie dessen Schwiegermutter, die gleichfalls von der Seuche ergriffen wurde. In Frankreich herrschte die Cholera im Kreise und der Stadt Lorient. In Persien war die Seuche in den Districten Sakkis, Boukian und Tebris noch nicht erloschen. — Von den anderen Infectionskrankheiten wurden von Masern, Scharlach, Diphtherie, Unterleibstyphus und Keuchhusten mehr, von Pocken weniger Todesfälle als im Februar zur Anzeige gebracht. So waren Sterbefälle an Masern in Dresden, örde, Inowrazlaw, Glasgow, London, Paris, Rom (Februar), enedig, Wien zahlreicher, in Edinburg und New⸗Pork seltener. Er⸗ krankungen an Masern gelangten aus Breslau, Wien, Budapest, Edinburg, Kopenhagen und den Regierungsbezirken Aachen, Arnsberg, Düsseldorf, Minden, Münster, Posen, Stade u. g. in großer Zahl zur Meldung. — Das Scharlachfieber führte in Berlin, London, Wien, New⸗York mehr, in Stockholm weniger Todesfälle herbei; in Königsberg, Liver⸗ pool, Odessa, Warschau blieb die Zahl derselben die gleich große wie im Vormonat. — Die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup war in Berlin, Breslau, Essen, Linden, Magdeburg, Meiderich, München, Nürnberg, Leipzig, Stuttgart, Glasgow, Stockholm eine kleinere, blieb in Bielefeld, Charlottenburg, Dortmund, Frankfurt a. M., Halle, Mülheim a. Rh., Stettin, Hamburg, Mülhausen i. E., Straßburg, Rom (Februar) die gleich große wie im Vormonat und war in Barmen, Borbeck, Gelsenkirchen, Görlitz, Hannover, Hörde, Köln, Königsberg, Posen, Potsdam, Remscheid, Dresden, Chemnitz, Gießen, Bremen, Amsterdam, Budapest, Kopenhagen, Krakau, London, Moskau, Odessa, Paris, Prag, Triest, Warschau, Wien, New⸗York eine zum theil ansehnlich gesteigerte. — Das Vorkommen von Unter⸗ leibstyphus blieb im allgemeinen ein beschränktes, doch war die Zahl der Todesfälle in Brüssel, London, Moskau, Paris, Prag, arschau, Wien, New⸗York etwas größer als im Februar. Auch der lecktyphus zeigte sich häufiger, doch blieb er in Amsterdam, Prag, ien, Cherson vereinzelt. Größere Ausdehnung gewann der Fleck⸗ typhus in Kopenhagen und Warschau, von wo 3 bezw. 16, in Moskau, von wo 12, in New⸗York, von wo 18 Todes⸗ fälle berichtet wurden. In Kiew und Tripolis herrschte der Flecktyphus epidemisch. In Kopenhagen hat die Zahl
den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts
der Erkrankungen zu Ende des Monats erheblich abgenommen; in
dem Regierungsbezirk Posen, ferner in Stockholm, Edinburg wurden vereinzelte Erkrankungen an Flecktyphus beobachtet. An Genick⸗ starre kamen aus Bielefeld, Inowrazlaw, Prag, Cincinnati einzelne, aus Kopenhagen 2, aus New⸗York 51 Todesfälle, aus Berlin, Frank⸗ furt a. M., Nürnberg, Kopenhagen und den Regierungsbezirken Arns⸗ berg, Düsseldorf, Posen, Wiesbaden, Schleswig einige Erkrankungen zur Meldung. — Dem Keuchhusten erlagen in Dublin, Glasgow, Liverpool, Kopenhagen, London, Paris, New⸗York mehr, in Berlin weniger Kinder als im Vormonat. — Todesfälle an Pocken ge⸗ langten aus Königshütte, Turin (Februar), Cherson je 1, aus Liegnitz Liverpool, Genua und Brooklyn (in den beiden letzten Städten im Februar) je 2, aus Triest und Paris je 4, aus Lemberg und Manchester je 5, aus Glasgow und Bombay (Februar) je 7, aus Wien 12, aus Odessa 14, aus Venedig 16, aus Prag 18, aus Moskau 22, aus London 25, aus Warschau 31, aus Krakau 35 Todesfälle zur Mittheilung. Erkrankungen kamen in vereinzelten Fällen aus Breslau und den Regierungsbezirken Aachen, Düsseldorf, Schleswig, in mehr⸗ fachen aus Hamburg (2), Edinburg (6), dem Regierungsbezirk Marien⸗ werder (8), Prag (25), Wien (50) zur Anzeige. An Tollwuth wurde 1 Todesfall aus Bukarest, an Trichinosis 1 Erkrankung aus Berlin gemeldet. Dem Gelbfieber erlagen in Rio de Janeiro vom Mai bis Oktober 1892 199 Personen.
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks 8
an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 2. d. M. gestellt 9384, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 2. d. M. gestellt 3801, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. — Vom Berliner Pfandbrief⸗Institut sind bis 22. April 1893 17 783 700 ℳ 3 ½ %, 21 330 900 ℳ 4 %, 45 634 800 ℳ 4 ½ % und 9 679 800 ℳ 5 %, zusammen 94 429 200 ℳ fandbriefe ausgegeben worden, wovon noch 16 164 600 ℳ 3 ½ %, 3 561 500 ℳ 4 %, 14 935 800 ℳ 4 ½ % und 2 787 000 ℳ 5 %, zu⸗ sammen 47 448 900 ℳ Pfandbriefe von den Grundbesitzern zu verzinsen sind. — Zugesichert, aber noch nicht abgehoben sind
517 200 ℳ
Magdeburg, 3. Mai. W. T. B.) Zuckerbericht. Kornzucker exck, von 92 % —,—, Kornzucker execl., 88 % Rendement —,—, Nachproducte execl., 75 % Rendement 15,20. Ruhig. Brod⸗ raffinade I. 30,00. Brodraffinade II. —,—. Gem. Raffinade mit Faß 30,00. Gem. Melis I. mit Faß 29,00. Fest. Rohzucker I. Product Transito f. a. B. Hamburg pr. Mai 17,75 bez., 17,80 Br., pr. Juni 17,85 ber. 17,80 ½ Br., pr. Juli 17,92 ½ ber, 17,97 ½ Br., pr. August 18,05 bez., 18,07 ¼ Br. Fest.
Frankfurt a. M., 3. Mai. (W. T. B.) Der Aufsichtsrath der internationalen Bau⸗ und Eisenbahnbau⸗Gesell⸗ schaft beschloß, der am 8. Juni stattfindenden Generalversammlung für die Prioritäts⸗ und für die Stammactien die Vertheilung einer Dividende von je 10 % vorzuschlagen.
München, 3. Mai. (W. T. B.) Die Generalversammlung der Münchener Bank verlief stürmisch und wurde auf vier Wochen vertagt. Der Verwaltungsrath wurde nicht dechargirt, es wurde viel⸗ mehr ein neuer Verwaltungsrath gewählt.
Leipzig, 3. Mai. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata Grundmuster B. per Mai 3,85 ℳ, per Juni 3,90 ℳ, per Juli 3,92 ½ ℳ, per August 3,92 ½ ℳ. per Sep⸗ tember 3,95 ℳ, per Oktober 3,97 ½ ℳ, per November 4,00 ℳ, per Dezember 4,00 ℳ, per Januar 4,00 ℳ, per Februar 4,00 ℳ
Mannheim, 3. Mai. (W. T. B.) Productenmarkr. Weizen pr. Mai 16,60, pr. Juli 16,70, pr. November 17,00, Roggen pr. Mai 14,45, pr. Juli 15,15, pr. November 15,50. Hafer per Mai 15,00, per Juli 15,50, per November 14,50. Mais pr. Mai 11,30, pr. Juli 11,10, pr. November 11,70.
„Pest, 3. Mai. (W. T. B.) Productenmarkt. Weizen steigend, pr. Mai⸗Juni 8,14 Gd., 8,16 Br., pr. Herbst 8,42 Gd., 8,43 Br. afer pr. Herbst 6,35 Gd., 6,40 Br. Mais pr. Mai⸗ Juni 4,91 Gd., 4,92 Br., per Juli⸗August 5,15 Gd., 5,16 Br. Kohlraps pr. August⸗September 15,20 Gd., 15,30 Br.
London, 3. Mai. (W. T. B.) Wollauction. (Schluß.) Tendenz fest, Preise durchschnittlich ungefähr 5 % über Februar⸗Ende.
An der Küste 4 Weizenladungen angeboten.
96 % Javazucker loco 17 v⅛ fest, Rüben⸗Rohzucker loco 17 8 fest. — Chile⸗Kupfer 44 ¾, pr. 3 Monat 44 8.
— 4. Mai. (W. T. B.) Die Bank von England hat heute den Discont von 2 ½ % auf 3 % erhöht.
Set. Petersburg 8. Mai (WB)hser zeitung“ zufolge beschloß eine Versammlung von St. Petersburger die Wechselcurse ab 1./13. Mai jeden Wochentag festzusetzen.
Mailand, 3. Mai. (W. T. B.) Die Einnahmen des Italienischen Mittelmeer⸗Eisenbahnnetzes während der dritten Dekade des April 1893 betrugen nach provisorischer Er⸗ mittelung im Personenverkehr 1 596 122 Lire, im Güterverkehr 1 990 367 Lire, zusammen 3 586 489 Lire, im Vorjahre 3 269 583 Lire, mithin mehr 316 906 Lire.
New⸗York, 3. Mai. (W. T. B.) Die Börse eröffnet durchweg schwach und schloß sehr matt. Der Umsatz der Actien be⸗ Ceng- 000 Stück. Der Silbervorrath wird auf 380 000 Unzen geschätzt. Silberverkäufe fanden nicht statt. Die Silber⸗ für den Staatsschatz betrugen 450 000 Unzen zu 84,35 à 84,45.
Weizen eröffnete ruhig, fiel einige Zeit nach Eröffnung, dann lebhafte Reaction auf flottere Käufe, später wieder fallend. Schluß stetig. — Mais schwächte sich nach Eröffnung etwas ab, später erholt, da Vorräthe unbedeutend. Schluß stetig.
Chicago, 3. Mai. (W. T. B.) Weizen unregelmäßig, sank später auf New⸗York. Juli⸗Weizen fest, entsprechend der Festig⸗ keit in Mais. Schluß besser. — Mais allgemein fest während des ganzen Tages.
Verkehrs⸗Anstalten.
Der Postdampfer „Rotterdam“ der Niederländisch⸗Amecrika⸗ nischen Dampfschiffahrts⸗Gesellschaft ist am 1. und „Edam“ am 2. Mai in New⸗York angekommen.
Bremen, 3. Mai. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Postdampfer „Graf Bismarck“ ist am 2. Mai Morgens in Antwerpen angekommen. Der Reichspostdampfer „Hohenstaufen“ hat am 1. Mai Nachmittags die Reise von Suez nach Aden fort⸗ sedt Der Reichspostdampfer „Sachsen“, von Ost⸗Asien kommend,
at am 2. Mai Mittags die Reise von Genua nach Southampton
fortgesetzt. Der Schnelldampfer „Elbe“ ist am 2. Mai Vormittags auf der Weser angekommen. Der Postdampfer „Kronprinz Friedrich Wilhelm“' ist am 1. Mai Nachmittags in Neapel angekom men. Der Postdampfer „Köln“, nach Brasilien bestimmt, hat am 1. Mai Nachts Santa Cruz passirt. Der Postdampfer „Ohio“ hat am 2. Mai Vormittags die Reise von Antwerpen nach Bremen fortgesetzt. Der Dampfer „Leif Eriksson“ ist am 1. Mai in Bahia angekommen.
— 4. M (W. 2. B) Der Dampfer „AIlHgh, nach Brasilien bestimmt, ist am 3. Mai Vormittags in Lissabon an⸗ gekommen. Der Schnelldampfer „Trave“ ist am 3. Mai Vor⸗ mittags in Southampton angekommen. Der Postdampfer „Straßburg“ hat am 3. Mai Morgens Lizard passirt. er Schnelldampfer „Aller“ ist am 2. Mai Vormittags von New⸗ Vork nach der Weser abgegangen. Der Schnelldampfer „Lahn“, nach New⸗York bestimmt, hat am 3. Mai Morgens Dover passirt. Der Dampfer „Asia“ hat am 3. Mai Morgens die Reise von Vigo nach dem La Plata fortgesetzt. Der Postdampfer „Stuttgart“ ist am 2. Mai Morgens in New⸗York angekommen. Der Postdampfer „Leipzig“ hat am 2. Mai Abends die Reise von Vigo nach Ant⸗ werpen fortgesetzt.
treffend die Friedenspräsenzstärke des
Deutscher Reichstag.
88. Sitzung vom Mittwoch, 3. Mai. Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung, be⸗ deutschen
eeres.
Aus der Verhandlung, über deren Beginn bereits in der Nummer vom Mittwoch berichtet worden ist, tragen wir unächst die Rede des Reichskanzlers Grafen von Caprivi im Wortlaut nach. Reeichskanzler Graf von Caprivi:
MNachdem Monate lang im Plenum, in der Commission, in der
Presse die Militärvorlage discutirt worden ist, wird es kaum mehr möglich sein, etwas Neues darüber zu sagen. Dagegen erscheint es mir erforderlich, die wesentlichen Gesichtspunkte, die die verbündeten Regierungen geleitet haben, von neuem hervorzuheben; denn unter der Menge von Details, unter den heftigen Kämpfen um Einzelfragen sind die wesentlichen Gesichtspunkte vielfach in den Hintergrund ge⸗ treten und verdunkelt worden. Von all den einzelnen Fragen hat keine einen so breiten Raum eingenommen, als die der zweijährigen Dienst⸗ zeit. Während auf der einen Seite gerade die Partei, in deren Geschichte und in deren Richtung es nach meinem Dafürhalten lag und liegen mußte, in dieser Frage mit den verbündeten Regierungen zu gehen, — zwar theoretisch die Nothwendigkeit der zweijährigen Dienstzeit anerkannt, aber nicht gewillt war, diejenigen Consequenzen zu ziehen, mit denen allein die verbündeten Regierungen die zweijährige Dienstzeit annehmen konnten, fanden auf der andern Seite die conser⸗ vativen Parteien, die traditionell durch Jahrzehnte für die dreijährige Dienstzeit gefochten hatten, eine natürliche Schwierigkeit darin, jetzt zur zweijährigen Dienstzeit überzugehen. Ich kann im Namen der Regierungen den Conservativen nicht genug dafür danken (Bravo! rechts), daß, so lange es Conservative in Deutschland und Preußen gegeben hat, sie bei allen Fragen der Heeresverstärkung und auch in diesem Falle auf Seiten der Regierungen standen und ihre Einzel⸗ überzeugung im Interesse des Ganzen unterdrückt haben. (Lebhaftes Bravo! rechts, Heiterkeit links.)
Wenn man diese Einzelfragen ausschält und auch von der zwei⸗ jährigen Dienstzeit absieht, die die verbündeten Regierungen Ihnen ja nur vorgeschlagen haben, um das große Ziel, das sie erreichen wollten, erreichbarer zu machen, so wird es sich fragen: Was war denn das wesentlichste Ziel der verbündeten Regierungen? Das war, die Wehr⸗ kraft Deutschlands zu stärken, sie in einen Zustand zu bringen, der uns nicht nöthigt, von der politischen Rolle, die wir bisher eingenommen haben, abzudanken, der uns nicht nöthigt, zurückzutreten in der Reihe der europäischen Mächte. Wir haben die Ueberzeugung gewonnen, daß die Wehrkraft, so wie sie jetzt liegt, nicht ausreicht.
Man entgegnet uns von der anderen Seite: sie reicht wohl aus, warum sollte sie nicht ausreichen? man stellt Berechnungen allerlei Art an und sucht uns mit Zahlen zu widerlegen. Diese Methode kann keinen oder wenigstens nicht den Erfolg haben, die verbündeten Regierungen zu überzeugen; es ist überhaupt nicht möglich, durch irgend eine Art von Exempel festzustellen, was dazu gehört, um zu siegen. Es wird immer unvermeidlich sein, daß man in diesen Fragen denjenigen, deren Beruf es ist, sich mit ihnen zu beschäftigen, ein größeres Gewicht beimißt als solchen, die nur gelegentlich und laien⸗ haft in diese Dinge eintreten. (Hört! hört! links. Sehr gut! rechts.) Wir müssen den Anspruch erheben, daß diejenigen Männer, die nicht allein im Frieden diese Fragen zu erörtern haben, sondern die auch im Kriege mit Ehre und Reputation für das Gelingen der Aufgabe ein⸗ treten müssen, die ihnen zufällt, — daß diesen Männern ein höheres Gewicht beigelegt wird als anderen Stimmen.
Man hat uns durchfühlen lassen: Euch halten wir für keine Autorität; wenn Ihr noch Moltke und Roon wäret, wollten wir mit uns reden lassen. Ich bedauere, daß diese Männer nicht mehr an dieser Stelle stehen; denn ich bin überzeugt, sie würden noch ent⸗ schiedener, noch bestimmter, noch besser, als wir es vermögen, für die Forderung eintreten, die wir heute zu vertreten haben.
Aber was haben sie denn, die Herren, die die Opposition bilden, für eine Berechtigung, an der Autorität der deutschen Generale zu zweifeln? Als die Herren von Roon und von Moltke am Anfang der sechziger Jahre die Militärvorlage vertraten, hatte der Eine, soviel ich weiß, die badensche Campagne hinter sich und der Andere eine Schlacht in Kleinasien. Die Männer, die die jetzige Vorlage ver⸗ treten, haben eine ungleich reichere Kriegserfahrung; und ich weiß nicht, was Sie berechtigen sollte, diesen Männern ein competentes Urtheil abzusprechen. (Sehr richtig! rechts.)
Nun kann ich versichern: ich habe noch keinen General gesehen, keinen Generalstabsoffizier, dessen Aufgabe es wäre, den künftigen Krieg vorauszudenken, der der Meinung gewesen wäre, unsere Streitkräfte wären im Vergleich mit denen unserer Feinde so stark, daß wir auch nur annähernd mit derselben Sicherheit wie im Jahre 1870 in den Krieg gehen könnten. (Hört! hört! rechts.)
Ueber die Art und Weise, wie die Armee zu verstärken ist, werden sehr verschiedene Ansichten auch unter den Offizieren vertreten sein. Sie werden schweigen, sowie der Allerhöchste Kriegsherr Seine Ansicht ausgesprochen hat. Daß aber auch in der Armee die geistige Uniformität glücklicher Weise nicht weit genug geht, um alles Einzeldenken zu unterdrücken, das ist zweifellos.
Aber ich wiederhole noch einmal, all' den Berechnungen gegen⸗ über, die von jener Seite aufgemacht worden sind: nicht ein einziger General, nicht ein einziger Generalstabsoffizier, der mit seiner Thätig⸗ keit für die Vorbereitung für den nächsten Krieg verantwortlich ist, ist der Meinung, daß die Stärke, die wir jetzt haben, hinreicht. Alle stimmen dahin überein: es ist das nicht der Fall, und wir brauchen qualitativ und quantitativ eine Verstärkung unserer Wehrkraft.
Es handelt sich nach meiner und der verbündeten Regierungen Ansicht um eine Frage von solchem Ernst und solcher Tragweite, von einer so schweren Verantwortung, wie den Deutschen Reichstag viel⸗ leicht noch nie berührt hat. Es handelt sich — ich habe das, wie ich das erste Mal hier gesprochen habe, schon ausgesprochen, und mit der⸗
Berlin, Donnerstag, den 4. Mai
selben Ueberzeugung spreche ich es heute aus — um die Ehre, um das Dasein, um die Zukunft Deutschlands. (Hu! Hu! links. — Bravo! rechts.)
Und da verlangen Sie von uns, daß, weil Sie Rechenexempel entgegenstellen denjenigen Offizieren, die mit voller Ueberzeugung auf Grund ihres Wissens und Könnens behaupten: wir sind nicht stark genug — daß wir da vor Ihrer Rechenkunst zurückweichen sollen? Nein, meine Herren, da würden wir uns an Deutschland auf das schwerste versündigen! Wenn wir einmal überzeugt sind: wir brauchen eine Verstärkung, so werden die verbündeten Regierungen alle die ver⸗ fassungsmäßigen Mittel, die ihnen zu Gebote stehen, anwenden, um diese Verstärkung durchzusetzen. (Lebhaftes Bravo rechts. Unruhe links.)
Warum brauchen wir nun eine Verstärkung? Zuerst wollen wir den Frieden erhalten, wir wollen die Stellung, die Deutschland bisher eingenommen hat, und die ihm die Möglichkeit giebt, für die Er⸗ haltung des Friedens ein gewichtiges Wort einzulegen und dem Friedensstörer empfindlich zu werden, nicht aufgeben.
Man hat eingewandt: Der Reichskanzler hat selbst zugegeben daß seit 1890 unsere politische Lage sich nicht verschlechtert habe. Das hat er, und das giebt er auch heute noch zu; aber wenn wir die Reform, die wir Ihnen vorgeschlagen haben, erst dann vorschlagen würden, wenn unsere politische Lage sich verschlechtert hat, dann würde es zu spät sein (sehr richtig! rechts), und ich habe die Besorgniß, daß, wenn Sie dieses Gesetz nicht annehmen, unsere politische Lage sich ver⸗ schlechtern wird (sehr wahr! rechts), und daß Deutschland es zu be⸗ reuen haben wird, daß das Gesetz nicht angenommen worden ist. (Sehr wahr! rechts.)
Sie haben weiter gesagt: Es ist Sache der Diplomatie, für Bundesgenossen zu sorgen; mag sie danach trachten, daß abgerüstet wird, mag sie uns den Frieden erhalten! Ja, ich weiß nicht, welche Diplomatie auf die Dauer dazu im stande wäre, ohne auf eine den Ansprüchen entsprechende Armee gestützt zu sein. Mein Herr Amts⸗ vorgänger hat so wie ich die Ueberzeugung gehabt, daß die gegen⸗ wärtige Kriegsstärke nicht hinreiche, daß die Armee verstärkt werden müsse, und ich nehme an: Es ist niemand in diesem Hause, der den Fürsten Bismarck nicht für eine diplomatische Autorität hält, wie sie in Jahrhunderten nur selten vorkommt. (Bravo! rechts.) Sie haben keinen Anlaß, zu erwarten, daß solche Autoritäten immer an der Spitze stehen werden; es giebt vermuthlich auch keine; man wird sie auch nicht immer zu finden wissen. Es wäre eine leichtfertige kriege⸗ rische Organisation, die darauf basirt wäre, daß diplomatische Phä⸗ nomene immer an der Spitze unserer Geschäfte stehen. (Sehr richtig!)
Sie werden Friedrich dem Großen nicht absprechen wollen, daß er mit dem höchsten militärischen Talent diplomatisches Talent verbunden hat, und doch hat Friedrich der Große es nicht hindern können, daß er zu Zeiten gegen halb Europa in Waffen stand; seine diplomatische Kunst reichte nicht hin, sich diese Feinde vom Halse zu schaffen.
Also wir wollen den Frieden aufrecht erhalten. Können wir das aber nicht, werden wir, was Gott verhüten wolle, zum Kriege gedrängt — wir werden ihn nie suchen —, so wollen wir siegen. (Bravol rechts.) Wir wollen nicht unterliegen, sondern wir wollen dann die Herren des Schlachtfeldes bleiben und auch nach dem Feldzug unser Geschick nicht in die Hände von Fremden legen, sondern in unseren eigenen behalten. (Bravo! rechts.)
Zum Siegen gehören Truppen, gute Truppen. Wie viel, kann kein Mensch im voraus wissen, und der Streit um Quantität und Qualität, das Untersuchen darüber, wo bei einem Menschen der Ver⸗ dacht anfinge, er sei von der Zahlenwuth besessen, ist müßig.
Unter den europäischen Mächten herrscht eine gewisse internationale Concurrenz in Bezug auf die Armeestärke. Keine Macht kann sich dem entziehen; keine Macht kann abrüsten. Wenn man nicht die Gründe, die zur Rüstung geführt haben, aus der Welt schaffen kann, oder wenn man sich eben nicht das gefallen lassen will, was andere für gut halten einem zu bieten, so würde man, wenn man heute auch abrüstet, morgen doch von neuem rüsten müssen. Keine Macht kann wesentlich hinter der Kriegsstärke anderer zurückbleiben; keine Macht kann dulden, daß andere wesentlich über die eigene Kriegsstärke hinaus⸗ gehen; sie wird davon in Mitleidenschaft gezogen und muß nachfolgen — denn ein Stehenbleiben auf dem inferioren Standpunkt wäre einer Abrüstung im Kleinen gleichbedeutend.
Nun sagen Sie uns: wir haben ein großes Vertrauen zur Armee, und ihr werdet nicht geschlagen werden. Ja, dieses Vertrauen zur Armee ist sehr schätzenswerth; aber ich habe noch keinen Menschen gesehen, der die Garantie dafür übernehmen kann, daß man mit einer gewissen Truppenzahl unter gewissen Verhältnissen nicht geschlagen werden wird. Sie sagen uns mit anderen Worten, meine Herren: wir sind nicht geneigt, euch das zu geben, was ihr haben wollt; ihr seid eine gute Armee, wir wissen ja, ihr habt tüchtige Generale; nun siegt gefälligst billiger! Das ist eben nicht zu machen.
Man sagt: wir haben nicht allein Vertrauen zur Armee, sondern man setzt hinzu, das ganze deutsche Volk fürchtet nur Gott. Schön! Wundervoll! Aber man kann so furchtlos in's Gefecht gehen wie der erste Held der Welt und hat keine Garantie dafür, daß man nicht geschlagen wird, wenn die Waffen und die Kräfte unzureichend sind. Der Feldmarschall Moltke hat im Jahre 1870 den Krieg mit einer Ueber⸗ legenheit angefangen, die nahezu das Doppelte derienigen französischen Streitkräfte betrug, die uns beim Beginn der Campagne gegenüber⸗ standen; und wer sich davon überzeugen will, was dieser Feldherr über den Werth der Stärke im Kriege dachte, der mag im ersten Bande des Generalstabswerks die Denkschrift nachlesen, die der Feldmarschall für die Eröffnung des Krieges entworfen hatte. Ich habe mir in der Commission erlaubt, aus einer neun Jahre später entworfenen Denk⸗ schrift des Feldmarschalls Moltke den größten Theil — und zwar den wesentlichen ohne die Formalien — vorzulesen; darin sagt der Feld⸗ marschall:
Einen Angriff Frankreichs abzuwehren sind wir im stande; ver⸗ möchten wir das nicht mehr aus eigenen Kröften, so könnte ein Deutsches Reich auf die Dauer üͤberhaupt nicht destehen.
Er spricht nicht von einem Angriff, sondern er spricht von einer Ab⸗ wehr; er schließt daran einen Satz, worin er über den Werth der Festungen Metz und Straßburg und den Werth des Rheins als Barrière spricht. Wir haben nicht die Absicht — und das will ich ausdrücklich bemerken, weil trotz des vielen Redens und Schreibens die Unterschiede von politischer, strategischer und tactischer Offensive und Defensive immer noch nichk ganz in das Bewußtfein größerer Theile der Bevölkerung übergegangen sind — wir haben nicht das Bestreben und werden es niemals thun, einen Krieg mit einer pol tischen Offensive zu begingen, also so zu sagen vom Zaune zu brechen. Aber wir haben, unserer Tradition entsprechend, das Bedürfniß, in der Lage zu sein, einen Krieg strategisch offensiv zu beginnen, also mit anderen Worten, nicht zu warten, bis man den Krieg auf unsern Boden trägt, sondern, soweit wir es können, den Schauplatz auf feindlichen Boden zu legen. Das schließt der Feldmarschall v. Moltke hier schon aus; er sagt: wir werden abwehren können, wir werden defensiv sein können, — und er sagt das im Jahr 1879, wo der Unterschied zwischen den französischen personellen und materiellen Streitkräften und den unsrigen bei weitem nicht so groß war, wie er es heute ist.
Wir sind auf die Offensive angewiesen — nicht allein, weil sie voraussichtlich immer die wirksamste Kampfesweise ist, sondern auch, weil sie unseren Traditionen entspricht und weil sie das einzige Mittel ist, uns das zu geben, was wir bei der Natur unserer Nation, unserer wirthschaftlichen Verhältnisse bedürfen: Schnelle Erfolge, kurze Kriege und die Vermeidung sich schnell wiederholender Kriege.
Zu diesen Dingen ist es nothwendig, auf dem feindlichen Boden zu stehen, den feindlichen Boden zu betreten. Ich habe den guten Glauben, den Feldmarschall Moltke im Jahre 1879 hatte, daß wir im stande sein werden, den feindlichen Angriff abzuwehren, noch heute, obwohl die Verhältnisse sich zu unseren Ungunsten verändert haben. Ob es aber noch möglich sein sollte — ich will nur nach Westen sehen, ich will nicht von zwei Fronten reden, ich will den einfachsten Fall nehmen, der denkbar ist, den Krieg gegen Frankreich — ob es da noch möglich sein sollte, die Offensive zu ergreifen, und wie weit wir sie führeu können, das mag dahingestellt bleiben.
Wir haben Grenzen, die so schwierig liegen wie kaum die einer anderen Nation. Ich habe in der Commission darüber gesprochen und habe es auch im Plenum hier schon angedeutet, ich muß es aber wiederholen; die Lage ist zu ernst. Man nimmt das zu leicht, man setzt sich über das Schicksal, was die Grenzlande und Provinzen treffen kann, zu cavalièerement hinweg. Wir haben auf dem linken Rheinufer eine nicht abgeschlossene Grenze, an deren äußerstem Ende eine große Festung liegt; eine zweite liegt weit zurück; man mag diese schützen wie man will, so kann man doch, wie der Herr Feldmarschall von Moltke annimmt, bei der Abwehr des Feindes bald in die Lage kommen, von der Barrière, die der Rhein bildet, Gebrauch machen zu müssen.
Ungleich ungünstiger liegen unsere Grenzen im Osten. Wir haben dort etwa 1000 km Grenze, die sehr weit in das Innere von Deutsch⸗ land hineintritt. Diese Grenze ist durch kein Gebirge, keinen Fluß geschützt; sie liegt offen vor dem Feinde da. Kann uns denn das Schicksal dieser Grenzlande gleichgültig lassen? Kann es uns gleich⸗ gültig sein, ob Ostpreußen, Westpreußen, Posen, vielleicht Schlesien vom Feinde überschwemmt, ob sie der Kriegsschauplatz werden? Ich bin überzeugt, daß den älteren Bewohnern von Ostpreußen die Schil⸗ derungen des Winters von Friedland, von Eylau und der Schrecken, die er mit sich gebracht hat, noch erinnerlich sind. Ich rufe die Ver treter der Stadt Danzig auf: erinnert sich Danzig nicht mehr, was es bei zwei Belagerungen im Anfange des Jahrhunderts ausgehalten, in den Epidemien in der Hungers⸗, Feuer⸗ und Wafsersnoth 2 Auch wenn man diese Dinge nur aus der Geschichte kennt, so ist es nicht möglich, das Schicksal solcher Provinzen im Kriegsfall auf die leichte Achsel zu nehmen. Lebhafter noch sind die Erinnerungen in der Pfalz. Zwar liegt weiter zurück die Zeit, in der sie den schwersten Drang⸗ salen ausgesetzt war. Aber näher liegt doch jedenfalls das, was sie in sich im Jahre 1870 durchgemacht hat; sie mußte damals darauf gefaßt sein, der Kriegsschauplatz zu werden. Die Einwohner der Pfalz haben an sich die Drangsale zu kosten angefangen. Was ist natür⸗ licher, als daß man gerade da das lebhafte Gefühl dafür hat, daß die Streitkräfte so weit verstärkt werden müssen, daß wir im stande sind, sie durch die einzige Weise, durch die wir unsere Grenze über⸗ haupt schützen können, durch die Offensive wirksam ju machen2
Ich habe in öffentlichen Blättern über die lebhafte Agitatin der Pfalz zu Gunsten der Militärvorlage mit einem gewissen Sputt sprechen sehen. Meine Herren, dazu ist kein Anlaß. Die Lage des linken Rheinufers ist ernst, und ich frage Sie, die mitgewirkt haben an der Schöpfung Deutschlands: wozu haben Sie denn Deutschland geschaffen? Sollen unsere Grenzprovinzen dem Feinde preisgegeben werden? Oder haben wir Deutschland gemacht, um ein einig Volk von Brüdern zu sein, das in Gefahr mit einander steht, um so stank zu werden, daß wir nicht bei jedem Wetterleuchten längs der Grenze in Besorgniß zu gerathen brauchen? Und sehen Sie noch etmas weiter! Sind die Elsaß⸗Lothringer nicht auch unsere Brüder? Sind wir nicht froh und erfreut darüber, daß sie es geworden sind? — was sagt man ihnen nun? Wir brauchten nicht stark die Offensive zu führen; man hat in der Commissi sich auf das rechte Rheinuser zurückgezogen: wir könnten gehen, der Rhein sei nicht leicht zu überschreiten. Ja. Elsaß⸗Lothringen dem Deutschen Reich gewinnen und germamnsirem Gewiß nicht! Meine Herren, die Verhandlungen, die über das Mili⸗ tärgesetz in einem Theil der Presse, um theil auch in der Ce geführt worden sind, können den Elsaß⸗Lothringern nur cinen Scheeck einjagen. Ich bin aber überzeugt: das ist nicht der Wille der deutschen Natien. Die deutsche Nation will die Elsaß⸗Lothringer will auch für diese unsere jüngsten Brüder den Säbdel siechen und müt allen Kräften eintreten. (Bravol rechts.)
Las dat man denn an Gründen vorgebracht? Sie sind in in der Commission zum großen Theil crschöpfend behandelt mwerdem.