1893 / 109 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 08 May 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Theater und Musik.

Königliches Schauspielhaus. (Neues Theater.)

Am Sonnaͤbend gelangten wieder drei Novitäten in je einem

Aufzuge zur Aufführung. Die drei Lustspiele, literarisch ungefähr leichwerthig, suchten in erster Linie die Fuschaner leicht zu unter⸗ und trugen den gemeinsamen Stempel anspruchsloser Fröhlichkeit.

Zwei der kleinen Werke, „Vom landwirthschaftlichen Balle“ und „Die Schulreitserin“ von Emil Pohl waren nur für die Königliche Bühne neu, während sie sonst durch frühere Auf⸗ führungen an anderen Kunststätten genugsam bekannt sind. Das erst⸗

enannte Lustspiel ist, da es nichte weiter als die scenische

ösung einer kleinen scherzhaften Verstimmung bringt, zu weit⸗ schweifig ausgeführt, um eine entschiedene Wirkung zu er⸗ zielen; die Späßchen und launigen Einfälle gehen in der breiten Behandlung der Fabel vollständig unter, sodaß sich im Hause trotz des tüchtigen Spiels, keine rechte frohsinnige Stimmung entwickeln konnte. Weder Frau Kahle als Generalin von Herbland, auch spöttisch die wandelnde Rang⸗ und Quartierliste genannt, noch Frau Conrad als intriguirende junge Wittwe, die die Abneigung der Generalin gegen die Juristen durch eine harmlose List besiegt, vermochten recht zu erwärmen. Den größten Effect brachte Herr Grubeals Einbrecher Queisner in einer originellen Pharisäermaske hervor. „Die Schulreiterin“ wurde von Fräulein Lindner mit Würde und Glazie gespielt; das hübsche Gedicht mit der ironisch⸗poetischen Frage „Kann ich dafür?“ hätte ungekünstelter gesprochen werden können. Die Gestalt des benweng⸗ treuherzigen Engelhard fand sich bei Herrn Blencke gut aufgehoben.

Die wirkliche Novität des Abends war das an zweiter Stelle ge⸗

ebene Lustspiel „Eingeschlossen“ von Karl Niemann. Der Indalt ist weder besonders neu, noch besonders aufregend, unterhält aber durch einige ganz hübsche charakteristische Züge. Der eingefleischte Junggeselle und unerschrockene Hausfreund des jungen Ehepaares Steinbach wird zufällig mit einem jungen hübschen Mädchen ein⸗ geschlosfen und im Handumdrehen zum Ehestand bekehrt. Das beste fügte jedoch die Darstellung hinzu: GG Schramm als alte, beschränkte, beinahe stupide Dienerin erweckte im Hause eine Fülle von Leben und Heiterkeit; in ihren Bewegungen, ihrem Mienenspiel bei einem kargen Wortschatz, mit dem sie sich begnügen mußte, lag soviel siegreicher Humor wie in einer komischen Figur von Wilhelm Busch. Neben dieser kräftigen, naturfrischen Leistung verblaßten die übrigen Gestalten; in dem Kampf um den Corridorschlüssel, den sie mit Herrn Keßler durchfocht, trug sie auch künstlerisch den Sieg davon, obwohl auch Herr Keßler munter und launig spielte. Ebenso rührend wie komisch gestaltete dieser Darsteller die unerschütter⸗ liche Zuversicht des Hausfreundes auf seine Unentbehrlichkeit, obgleich die junge Frau den lustigen Jugendgenossen ihres Gatten nicht gerade günstig ansieht. Das Stück wurde beifällig genug aufgenommen, um den Verfasser zu wiederholtem Erscheinen vor dem Vorhang zu veranlassen.

Berliner Theater.

Ein älteres Lustspiel „Der Freund des Fürsten“ von Ernst Wichert, das vor Jahren im Königlichen Schauspielhause beifällig aufgenommen worden ist, wurde am Sonnabend auf der Bühne des Berliner Theaters mit bedeutendem Erfolge zum ersten Mal gegeben. Das Werk behandelt mit liebenswürdiger Laune und sleatrcsschem Geschick die Verhältnisse an dem Hof eines kleinen Fürsten. Ohne Rücksicht auf die Gewohnheiten des Hoflebens wendet der regierende Herzog dem uneigennützigen Dr. Malthus seine Freund⸗ schaft und der anmuthigen Nichte des Doctors, Cäcilie Malthus seine Neigung zu. Bei der Entdeckung jedoch, daß unter dem Namen des Dr. Malthus sich ein ihm persönlich unbekannter naher Ver⸗ wandter, der Prinz Oscar, verbirgt, entzieht er, entrüstet über die Täuschung, dem Dr. Malthus seine Freundschaft, in dem Glauben, daß diese Intrigue nur aus Eigennutz eingefädelt sei, um ihn zu der ihm testamentarisch auferlegten, aber lästigen Pflicht der Verlobung mit der Prinzessin Cäcilie durch List zu bestimmen. Durch eine Dame seines Hofes Fräulein von Trausch, die dem Herzog mittheilt, daß der Dr. Malthus um ihre Hand sich beworben und daß Prinz Oscar diese Werbung aufrecht erhält, von seinem Irrthum überzeugt, versöhnt er sich mit dem Prinzen Oscar und verlobt sich mit der Prinzessin Cäcilie. Viele spannende Scenen und die effectvollen Actschlüsse erleichtern es den Zuschauern, über die zahlreichen

Unwahrscheinlichkeiten des harmlosen Stückes mit Nachsicht hinwegzu⸗ gehen und sich an seinen Vorzügen, vor allem dem gesunden Humor, zu erfreuen. Bei der Darstellung muß das Spiel der Frau Sorma als Emmy von Trausch in erster Linije anerkannt werden. Sie gab zwar nicht die ihr vorgeschriebene Rolle einer jungen Dame aus den vornehmsten Kreisen, erzogen in den strengen Formen eines Hofes, die in ihrem Uebermuth sich nicht immer an diese Formen bindet, sondern sie setzte sich über letztere ganz hinweg und streifte dabei häufig bis nahe an das Possenhafte, blieb aber auch in dieser nicht zu billigenden Uebertreibung stets die selbstschaffende geniale Schauspielerin und erhielt auch den Löwenantheil an dem reichlich gespendeten Beifall. Eine vornehmere Auffassung würde indessen sicherlich dem Eindruck der dankbaren Rolle nicht nachtheilig sein. Für den Freund des Fürsten, den Dr. Malthus, der mit edler Männlichkeit die ver⸗ bindlichsten Umgangsformen vereinigt, war Herr Stahl ein in jeder Hinsicht geeigneter Vertreter. Frau Baumeister charak⸗ terisirte die engherzige Ober⸗Hofmeisterin an dem kleinen Hofe wohl etwas scharf aber doch lebenswahr und nicht übertrieben. Die übrigen Mitwirkenden genügten. Mit den Darstellern konnte auch der Ver⸗ fasser Gelegenheit nehmen, für den wiederholten beifälligen Hervorruf sich persönlich zu bedanken. 8

Im Königlichen Opernhause wird am Mittwoch „Lohengrin“

mit den Damen Pierson und Sucher, den Herren Gudehus, Bulß, Stammer und Fränkel gegeben.

Im Neuen Theater bringt das Königliche Schauspiel am Mittwoch „Vasantasena“ zur Aufführung.

Im Deutschen Theater ist die letzte Aufführung in dieser Spielzeit auf Dienstag, 23. d. M., angesetzt. Am nächsten Tage tritt das Personal die Reise nach Kopenhagen an, um dort am 25. d. M. ein Gesammtgastspiel zu beginnen. 3

Das Residenz⸗Theater hat wegen des großen Erfolges von Albin Valabrèque's „Sirene“ die Aufführungen von Max Halbe’s „Jugend“ zunächst vertagt, um sie zu Beginn der nächsten Spielzeit wieder aufzunehmen. Einen Theil der Sommerferien werden die Mitglieder des Residenz⸗Theaters wieder durch Gesammt⸗Gastspiele ausfüllen, die am Bellevue⸗Theater in Stettin und am alten Stadt⸗ Theater in Leipzig stattfinden sollen.

Mannigfaltiges.

Unter dem Beßt des Ober⸗Bürgermeisters Zelle fand, wie der N. A. 8b mitgetheilt wird, am Sonnabend im Donatorensaale des Rathhauses zunächst eine Vorberathung des geschäftlichen Ausschusses, und sodann eine gemeinschaftliche Sitzung der Mitglieder des Berliner Hilfsvereins für die durch die Cholera be⸗ troffenen Bewohner Hamburgs c. statt. Die diesseitigen Sammlungen haben ergeben 211 238,82 Von dieser Summe sind bereits nach Hamburg 100 000 ℳ, nach Altona 30 000 über⸗ wiesen. Die Ausgaben betrugen einschließlich der entstandenen Kosten im Betrage von 87,60 zusammen 130 087,60 Es bleibt somit ein Restbestand von 81 151,22 Von dieser Restsumme sollen 20 000 nach Altona, alle übrigen Gelder nach Hamburg überwiesen werden. In dem Begleitschreiben nach Hamburg soll dem dortigen Hilfscomité überlassen bleiben, den nothleidenden Nachbargemeinden namentlich Wandsbek, Wilhelmsburg und Reiherstieg an⸗ gemessene Beträge zu überlassen.

Die Berliner Turnerschaft feierte am Sonnabend und am gestrigen Sonntag ihr dreißigjähriges Stiftungsfest. Der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse hatte mit seiner Ver⸗ tretung bei der Feier den Geheimen Regierungs⸗Rath Brandi betraut; die Stadt war durch die Stadtverordneten Kalisch und Selle ver⸗ treten. Zahlreiche auswärtige Vereine hatten Deputirte gesandt, die turnerischen Corporationen Verlins und der nächsten Umgebung waren durch Schulrath Euler, Professor Eckler, Rector Fromm u. a. re⸗ präsentirt. Eingeleitet wurde das Fest durch ein Schauturnen der Schülerabtheilungen, das am Sonnabend Abend unter Theilnahme von etwa 500 jugendlichen Turnern in der Halle in der Prinzenstraße stattfand. Rach einem vom Ober⸗Turnwart Kossag commandirten Aufmarsch hielt der Kreisvertreter Atzrodt eine Ansprache; dann folgten Freiübungen, ein Riegenturnen in 40 Riegen und volks⸗ thümliche Spiele. Ein von F. Mewes zusammengestellter und von 64 Turnern geschrittener Reigen zum Mlüllerliede beendete

Abend fand in den Con⸗

das Schauturnen. An demselben besuchter Festeommers

cordiasälen ein von 1500 Personen statt. Den Glanzpunkt dieser bildete das große Festspiel „Das Stiftungsfest“, welches den Mitgliedern der zweiten Abtheilung zugleich Gelegenheit gab, sich in vorzüglichen turnerischen Leistungen zu zeigen. Gestern Nachmittag um 4 Uhr begann in der Halle in der Prinzenstraße das Schauturnen der zehn Lehrlings⸗ abtheilungen unter Leitung der Turnwarte Fiedler und Weigand. Mit Gesang zogen die 630 Turner von zwei Seiten in die Halle ein, führten dort zunächst Stabübungen aus und turnten dann an 36 Geräthen. Es folgten Ordnungsübungen, ein Musterriegenturnen an vier Geräthen und schließlich Tauziehen. Nach Abmarsch der Lehrlinge schritten vom Turnplatz her in Viererreihen die Mitglieder der zehn Männer⸗ abtheilungen in den Saal. Nach einem Quartettgesang hielt der Zweite Vorsitzende Thörmer eine Ansprache, in der er das Turnen als eine Quelle vaterländischer Gesinnung feierte. Ober⸗Turnwart Kossag commandirte sodann Stabübungen, 36 Riegen turnten an Geräthen, Musterriegen übten am Reck, Barren und Doppelpferd, eine vierte Musterriege führte Keulenschwingen vor, eine fünfte zeigte ihre Kunst⸗ fertigkeit im Fechten. Ein Küren am Pferd und Reck endlich brachte Uebungen von höchster Vollendung und Gewandtheit zur Schau.

Ems, 7. Mai. Gestern wurde das Denkmal weiland Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm I. feierlich ent⸗ hüllt. Um 1 ½ Uhr begaben sich die Behörden und Ehrengäste, eine Deputation des Offiziercorps des Landwehrbezirks Oberlahnstein, sämmtliche Vereine der Stadt, sowie Deputationen auswärtiger Krieger⸗ vereine, die Bürgerschaft und die Kurgäste in festlichem Zuge durch die prächtig geschmückte Stadt zum Denkmal. Nach⸗ dem ein Sängerchor die Kaiserhymne vorgetragen hatte, hielt, wie „W. T. B.“ meldet, der Ober⸗Präsident Magdeburg die Weiherede, die in einem Hoch auf Seine Majestät den Kaiser ausklang. Darauf siel unter Böllerschüssen die Hülle des Denkmals, und die Versamm⸗ lung sang die Nationalhymne. Bürgermeister Spangenberg über⸗ nahm das Denkmal im Namen der Stadt. Mit dem Gesang der „Wacht am Rhein“ schloß der Weiheact. Als Vertreter Seiner Majestät des Kaisers und Königs wohnte der General⸗Adjutant Kaiser Wilhelm's I. Graf von Lehndorff der Se bei und legte einen großen Lorbeerkranz mit dem Namenszug Seiner Majestät am Denkmal nieder. Unter den Ehrengästen befanden sich der Ober⸗ Hof⸗Marschall weiland Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm I. Graf von Perponcher, der Regierungs⸗Präsident von Tepper⸗Laski und der Landrath Johannes.

Bremen, 8. Mai. Der Vorstand der Rettungsstation Glowe (auf Rügen) telegraphirt: Am 7. Mai von der unweit Gelm bei Nordost⸗Sturm gestrandeten deutschen Schaluppe „Albert“, mit Steinen nach Stettin bestimmt, zwei Personen durch den Raketenapparat gerettet.

4

Wien, 8. Mai. In Pest und Wien ist dem „W. T. B.“ zu⸗ folge in vergangener Nacht intensiver Landregen eingetreten.

Pest, 6. Mai. Aus zahlreichen Theilen Ungarns wird dern „W. T. B.“ Kälte, Frost und stellenweise Schneefall gemeldet.

London, 7. Mai. Wie eine Depesche aus Dublin meldet, fand gestern Abend in der Nähe des Justizpalastes eine Dynamit⸗ Explosion statt. Der durch die Explosion verursachte Knall wurde dem „W. T. B.“ zufolge in allen Theilen der Stadt gehört. Fensterscheiben waren zertrümmert und das Straßenpflaster weithin aufgerissen. Verletzt wurde niemand. Es wird darauf hingewiesen, daß gestern der Jahrestaͤg der im Phönixpark vollführten Attentate war.

Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen. Sofia, 8. Mai. (W. T. B.) und Gemahlin werden am 11. Mai mittags in Sistowo eintreffen.

Prinz Ferdinand im Laufe des Vor⸗

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Wetterbericht vom 8. Mai, 8 Morgens.

24

haus.

Zauberflöte.

Wind. Wetter.

in o Celsius

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressp red. in Millim. Temperatur C. = 409

Belmullet.. V 773 Aberdeen .. 2 heiter Christiansund 1 wolkenlos Kopenhagen. 756 4 heiter Stockholm. 781 4 wolkenlos aparanda. 780 halb bed. t Petersburg 782 1 wolkenlos Moskau 779 wolkenlos

Cork, Queens⸗ tomwom .. 772 Cherbourg . 768.

3 bedeckt

—2 00 82

Balle.

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5 wolkig 3 wolkig

Theater⸗Anzeigen. Königliche Schauspiele. Dienstag: Opern⸗

117. Vorstellung. Oper in 2 Acten von Wolfgang Amadeus Mozart. Giesecke, von Emanuel Schikaneder. 1 setzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapell⸗ meister Weingartner. Neues Theater 124. Vorstellung. le. Lustspiel in 1 Aufzug von Emil Pohl. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grubc. Eingeschlossen. Lustspiel in 1 Aufzug von Karl Niemann. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Die Schulreiterin. Lustspiel in 1 Aufzug von Emil Pohl. In Seene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr. Mittwoch: Opernhaus. 118. Vorstellung. Lohen⸗

Zum 450. Male: Die almay. nach Karl Ludwig

Dichtung In Scene ge⸗

Herr Kapellmeister Federmann. almay.) Vorher: Zum 6. Anfang 7 Uhr.

(am Schiffbauerdamm 4/5).

Vom landwirthschaftlichen

Musik von Alexander Neumann. Kapellmeister Federmann. Anfang 7 ½ Uhr.

Nitouche.

Concert⸗Parks.

der Theaterkasse zu haben.

Friedrich-Wilhelmstdtisches Theater. Chausseestraße 25.

Dienstag: Letzte Gastvorstellung Die schöne Helena. (1. Act.) Komische perette von Meilhac und Halévy. J. Hopp. Musik von Jacques Offenbach. Dirigent: (Helena: Ilka von 8 Nale: Stupida. perette in 1 Act von Richard Genée und F. Gs Dirigent:

(Pia: Ilka von Palmay.)

Mittwoch, Donnerstag und Freitag:

Sonnabend: Der Zigeunerbaron.

Sonntag: Eröffnung des Friedrich⸗Wilhemstädtischen Saison⸗Billets (berechtigend zum Besuch des Pe und Theaters) zu 6 sind an

a

Adolph Ernst⸗Theater. Dienstag: Zum 39. Male: Goldlotte. Gesangsposse in 3 Acten von Ed. Jacobson und W. Mannstädt. Couplets theil⸗ weise von G. Görs⸗ Musik von G. Steffens. In Scene gesetzt von Adolph Ernst. Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch und folgende Tage: Goldlotte.

Der Sommer⸗Garten ist geöffnet.

von Ilka von Deutsch von

8

err Arania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof).

Mamselle Geöffnet von 12 —11 Uhr.

Concerte.

Anfang 7 Uhr: Karl Meyder⸗Concert. 8. und letzter Virtuosen⸗Abend.

Conrert-Haus, Leipzigerstraße 48. Dienstag,

7772 q1s617676 77 winemünde 771 Neufahrwasser 773 7775

NO ONO N. NO O

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6 heiter 3 wolkenls 5 heiter

3 heiter

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Paris 766 Karlsruhe. 766 Wiesbaden 766 München 764 Chemnitz .. 765 Berlin.. 768 Wien.. 760 Breslau .. 765

NO NO NO SO NO OSO

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Z heiter 3 wolkig!) 2 bedeck²) 1 bedeckts) 2 bedeckt⸗) 4 heiter) 4 Regen 4 heiter

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Ile d'Aix. 762 Nizza.. 758 Triest. 760

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5halb bed.

Isberbe e

890-00o

¹) Gestern Regen. 2²) Gestern Regen. ³) Hochnebel.

4) Nebel.

⁵) Nachm. Regen.

Uebersicht der Witterung. Das Hecrnagebict über Nord⸗Europa hat sich

südwestwärts na

den britischen Inseln ausgebreitet,

während über Ungarn eine Depression erschienen ist, welche sich der Ostsee nähert und die demnächst in

unseren Gegenden

schlägen verursachen dürfte.

Wetter

windiges Wetter mit 9 In Deutschland ist das in den Küstengebieten bei frischen nord⸗

Nieder⸗

östlichen Winden heiter und meist trocken, im Binnenlande meist trübe mit Niederschlägen. In Nordwestdeutschland ist es wärmer geworden und ist die Temperatur durchschnittlich normal. deutschland dauert das kalte Wetter noch fort. In

Chemnitz sind 20 cm Schnee gefallen.

stadt meldet 34 mm Regen und Schnee. 8 Deutsche Seewarte.

In Süd⸗

Herrmann⸗

rin. Romantische Oper in 3 Acten von Richard agner. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Weingartner. An⸗

fang 7 Uhr.

Neues Theater (am Schiffbauerdamm 4/5). 122. Vorstellung. Vasantasena. Drama in 5 Auf⸗ zügen von Emil Pohl, mit freier Benutzung der Dichtung des altindischen Königs Sudraka. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater. Dienstag: Zwei glück⸗ liche Tage. Anfang 7 Uhr.

Mittwoch: Der Talisman.

Donnerstag: Der Pfarrer von Kirchfeld.

Berliner Theater. Dienstag: Der Freund des Fürsten. Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch: Graf Waldemar. (Agnes Sorma, Nuscha Butze, Ludw. Barnay, Ferdinand Suske.)

Donnerstag: Nachmittags 2 ½ Uhr: Die Räuber. Abends 7 ½ Uhr: Viel Lärm um Nichts. (Nuscha 8 Ludw. Barnay.)

Voranzeige. Sonnabend: Zum Besten der Ver⸗ unglückten in Zante. Neu einstudirt: Die Waise von Lowood. (Agnes Sorma, Ludw. Barnay.)

Lessing⸗Theater. Dienstag: Brave Leut“ vom Grund. Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch: Brave Leut’' vom Grund. Donnerstag: Heimath. (Letzte Vorstellung in

dieser Saiso

Residenz⸗Theater. Direction: Sigmund Lauten⸗ burg. Dienstag: Neu einstudirt: Die Sirene. (La Flamboyante.) Schwank in 3 Acten von Albin Valabrègue. In Secene gesetzt von Sigmund Lauten⸗ burg. Vorher: Nach zwei Jahren. Lustspiel in 1 Act von Almasi Tihamér. Deutsch von Josef Jarno. Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Kroll’s Theater. Dienstag: Der Waffen⸗ schmied. Anfang 7 Uhr.

Mittwoch: Gastspiel der Frau Moran⸗Olden. Fidelio. (Leonore: Frau Moran⸗Olden.)

Donnerstag: La Fraviata. (Gemma Bellin⸗ cioni und Roberto Stagno als Gäste.)

Victoria⸗Theater. Belle⸗Alliancestraße 7/8.

Dienstag: Mit neuer Ausstattung: Die Reise um die Welt in achtzig Tagen. Großes Ausstattungsstück mit Ballet in 5 Acten (15 Bil⸗ dern) von A. d'Ennery und Jules Verne. Ballet arrangirt vom Balletmeister C. Severini. Musik von Debillemont und C. A. Raida. Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch: Die Reise um die lt in achtzig Tagen.

Theater Unter den Linden. Dienstag: Zum 12. Male (vollständig neu inscenirt): Der Mikado. Burleske Operette von V. S. Gilbert. Musik von Arthur Sullivan. Hierauf: Zum 44. Male: Die Welt⸗Ausstellung in Chicago und Die dentsche Abtheilung in dem populären Ausstattungs⸗Ballet Columbia. (Wiederauftreten

der Prima Bellerina Signorina Carolina Elisa.

Anfang präc. 7 ½ Uhr. Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

IUxaxkvk EDMaaxaamInMxrRSroa behIERmnagw NMraaNIcrSsn- Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Franziska von Kierska mit Hrn.

Major Graf von Schmettau (Posen Brüssel). Frl. Margrit Vopelius mit Hrn. Lieut. Hasso von Raumer (Sulzbach Saarbrücken).

Verehelicht: Hr. Gerichts⸗Assessor Hart mit Frl. Hedwig Nollau (Posen). Hr. Prem.⸗Lieut. von Nc⸗ mit Frl. Helene Kelch (Berlin —Gr. Lichter⸗ felde). *

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Oscar von Asten (Eupen). Eine Tochter: Hrn. Forst⸗Assessor und Jagdjunker von Bassewitz (Forsthof Kaliß, Wercl) Hrn. Wilhelm von Veltheim (Diep⸗ Holtz).

Gestorben: Frl. Marie von Cramon (Königs⸗ Lerc)⸗ Hrn. Landrath Carl Graf Platen zu 58 ermund Sohn Wilken (Segeberg). Fr. Klara von Bismarck (Witten⸗ erg).

Redacteur: Dr. H. Klee, Director. Berlin:

Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sieben Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage), (815 ½)]

und das Nummern⸗Verzeichniß der gezogenen Pfandbriefe der Baͤyerischen Hypotheken⸗ und Wechselbank.

8

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Erste Beilage

Berlin, Moͤntag, den 8. Mai

8 8 8 2 8 8 8

1893.

91. Sitzung vom Sonnabend, 6. Mai, 11 Uhr.

Ueber den größten Theil der Sitzung ist bereits in der Nummer vom Sonnabend berichtet worden. Es bleibt zunächst nachzutragen die Erklärung des Staatssecretärs Freiherrn von Maltzahn vor der auf der Tagesordnung als zweiter Gegen⸗ stand stehenden zweiten Berathung der Novelle zum Militär⸗ pensionsgesetz, die folgenden von der in der Nummer vom Sonnabend gebrachten Mittheilung abweichenden Wort⸗

laut hat.

Staatssecretär Freiherr von Maltzahn:

Meine Herren! Sie werden in dem gedruckten Bericht finden, daß beim Beginn und im Verlauf der zweiten Lesung in der Com⸗ mission Erklärungen namens der größeren Bundesregierungen ab⸗ gegeben worden sind, daß für den Fall, daß der Reichstag die Be⸗ schlüsse der Commission erster Lesung acceptiren und nicht wesentlich darüber hinausgehen würde, diese Regierungen wahrscheinlich für die Annahme der veränderten Vorlage votiren würden. In der zweiten Lesung ist Ihre Commission über die Beschlüsse erster Lesung hinaus⸗ gegangen; es ist also die Grundlage jener Erklärungen fortgefallen, und ich habe daher für diese Regierungen die volle Freiheit der Prü⸗ fung der Beschlüsse des Reichstags und der eventuellen Beschluß⸗ nahme vorzubehalten.

Bei der darauffolgenden zweiten Berathung des § 1 der Militärvorlage, über die gleichfalls schon berichtet worden ist, erhält nach dem Abg. Freiherrn von Hornstein das Wort der

Abg. Freiherr von Münch (b. k. F.). Redner widerspricht der Behauptung des Reichskanzlers, daß die Gründe für die Vorlage von keiner Seite widerlegt seien; er versucht eine solche Widerlegung, die aber vom Hause mit großer Unaufmerksamkeit angehört und durch vielfache Schlußrufe unterbrochen wird.

Inzwischen ist ein Schlußantrag eingegangen von den Abgg. Fritzen und Genossen und ein Vertagungsantrag von den Abgg. Ackermann, Freiherrn von Stumm und Holtz⸗ mann.

Der Vertagungsantrag wird abgelehnt.

Der Schlußantrag wird angenommen.

Abg. Rickert bemerkt, daß er durch den Schluß der Discussion verhindert sei, eine kurze Erklärung abzugeben.

Abg. Dr. Boeckel (b. k. F.) erklärt im Namen der Abgg. Werner und Zimmermann, daß sie wegen der schlechten wirthschaft⸗ lichen Verhältnisse gegen die Vorlage stimmen würden.

Abg. Pickenbach (b. k. F.): Ich habe im Gegensatz zu dem Abg. Dr. Boeckel zu erklären, daß meine politischen Freunde im für die Vorlage sind, obwohl uns die Steuervorlagen nicht ge⸗ allen.

Abg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.) erklärt nur für seine Person, daß er durch den Schluß der Debatte verhindert sei, zu erklären, weshalb er für die Vorlage stimme.

Abg. Prinz Schönaich⸗Carolath (b. k. F.) fragt, ob auf die weitere Berathung der einzelnen Artikel eingegangen werde, und fragt, ob der Reichskanzler darauf Werth lege.

Präsident von Levetzow hält das für selbstverständlich, wenn nicht etwas Besonderes sich ereignet.

Reichskanzler Graf Caprivi: Ich habe keine Veran⸗ lassung, darüber eine Erklärung abzugeben.

Durch die Bemerkung des Reichskanzlers ist die Debatte wieder eröffnet. Das Wort erhält der

Abg. Pickenbach, der aber verzichtet.

Ein wiederholter Schlußantrag des Abg. Fritzen⸗Düssel⸗ dorf wird angenommen. 8

Der Berichterstatter Abg. Gröber berichtet darauf über die eingegangenen Petitionen.

In der Abstimmung wird zunächst die Regierungsvorlage gegen die Stimmen der Conservativen abgelehnt; für den Antrag Huene stimmen 162, dagegen 210, ein Abgeordneter, der Elsässer Ruhland, enthielt sich der Abstimmung. Der An⸗ trag Huene ist also abgelehnt. Für denselben stimmen die Conservativen, die Reichspartei, die Polen und die National⸗ liberalen geschlossen, von dem Centrum die Abgg. Freiherr von Huene, Graf Adelmann, Prinz Arenberg, Graf Ballestrem, Graf Chamaré, von Gliszezynski, Lender, Graf Matuschka, Nels, Freiherr von Pleitn, Dr. Porsch und von Reitzenstein; von den Freisinnigen die Abgg. Broemel, Hinze, Maager, Meyer, Schröder und Dr. Siemens; von den keiner Fraction angehörenden Mitgliedern die Abgg. Ahlwardt, Liebermann von Sonnenberg, Pickenbach, Prinz Carolath, Wisser, Roesicke und Thomsen. Mit Nein stimmen geschlossen die Socialdemokraten und die Volkspartei, von den Freisinnigen und dem Centrum die große Mehrheit. Außer⸗ dem die Abgg. Dr. Boeckel, Werner, Zimmermann, Winterer, Guerber, Simonis, Lang⸗Schlettstadt, Johannsen und Langerfeldt.

Reichskanzler Graf von Caprivi: Ich habe dem Reichstag eine Kaiserliche Verordnung mitzutheilen:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König

von Preußen ꝛc. verordnen auf Grund des Art. 24 der Reichsverfassung und des vom Bundesrath unter Unserer Zustimmung gefaßten Beschlusses im Namen des Reichs, was folgt: Der Reichstag wird hierdurch aufgelöst.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und

beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel. Berlin, 6. Mai 1893. Wilhelm. Graf von Caprivi.

Auf Grund dieser Kaiserlichen Verordnung erkläre ich im Namen der verbündeten Regierungen auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers die Sitzungen des Reichstags für geschlossen.

Präsident von Levetzow: Erlauben Sie mir im Augenblick der Trennung ein Wort des Dankes fir die Unterstützung und Nachsicht, die ich auch in dieser Session im Hause überall gefunden habe. Ich danke in Ihrem und meinem eigenen Namen den Mitgliedern des Vorstandes die treue Arbeit und für die Hilfe, die sie stets bereitwillig gewährt haben. Nach der Gewohnheit des Reichstags, die

hoffentlich immer bleiben wird: Der Kaiser, der uns rief und der uns entläßt, den wir lieben und verehren, der Kaiser, dem wir mit Leib und Seele auf Tod und Leben zu dienen haben, Seine Majestät der Kaiser und König, Er lebe hoch! (Die Anwesenden stimmen begeistert dreimal in den Ruf ein.) Die Sitzung ist geschlossen.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 76. Sitzung vom Sonnabend, 6. Mai.

8 8—

Bei Fortsetzung der dritten Berathung des Gesetzentwurfs wegen Aufhebung directer Staatssteuern (vgl. den Anfangsbericht in der Sonnabend⸗Nummer d. Bl.) wurde die Digcussion über die §§ 16, 17 und 18 verbunden.

Nach § 16 kann durch Königliche Verordnung den Gemeinden und selbständigen Gutsbezirken die Ver⸗ pflichtung auferlegt werden, in diesen Bezirken die Elementar⸗ erhebung der sämmtlichen directen Staatssteuern, der Domänen⸗, Rentenbank⸗ und Grundsteuer⸗Entschädigungsrenten, sowie die 11“ Beträge an die zuständigen Staatskassen ohne Vergütung zu bewirken. Ansprüche auf Grundsteuerentschädigungen an den Staat finden nach § 17 nicht mehr statt. Die für die Aufhebung von Grundsteuer⸗ befreiungen und Grundsteuerbevorzugungen geleisteten Ent⸗ sind an die Staatskasse zurückzuzahlen 18).

Abgg. Althaus (cons.) und Genossen wollen die Ansprüche auf Grundsteuerentschädigungen bestehen lassen und die für die Aufhebung von Grundsteuerbefreiungen und Grundsteuerbevorzugungen geleisteten Entschädigungen nicht zurückgezahlt wissen.

Abg. von Bülow (cons.) schlägt für den Fall der Ablehnung des Antrags Althaus vor, nicht nur die für die Aufhebung der Grund⸗ steuerbevorzugungen, sondern aller sonstigen Bevorzugungen geleisteten Entschädigungen an die Staatskasse zurückzuzahlen. 1

Abg. Hansen (freicons.) tritt für den Antrag Althaus ein. Bis 1860 bezw. 1870 hätten die Grundbesitzer Steuerfreiheit genossen, sodann sei die Steuerfreiheit aufgehoben worden. Wenn sie jetzt zurückzahlen müßten, was sie als Entschädigung erhalten, so seien sie einfach um ihr wohlbegründetes Recht gekommen, und um so mehr als die Grundsteuer nicht aufgehoben, sondern auf die Communen über⸗ tragen werde und die Möglichkeit gar nicht ausgeschlossen sei, daß man wieder einmal zur Einführung der Grundsteuer von Staatswegen kommen könnte. Was den Grundbesitz des Großherzogs von Olden⸗ burg betreffe, so stütze sich dessen Befreiung von der Grundsteuer auf Staatsverträge mit dem König von Preußen und könne daher nicht annullirt werden. 3

Abg. Sattler (nl.) warnt davor, sich auf die abschüssige Bahn einer unberechtigten Bereicherung einzelner Kreise zu begeben, und bittet, bei den Beschlüssen zweiter Lesung stehen zu bleiben.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Die Frage, die hier augenblicklich discutirt wird, ist in den verschiedensten Lesungen der Commission so ausführlich be⸗ handelt, die Gründe für und gegen sind so ausführlich entwickelt, daß neues in dieser Beziehung gewiß nicht mehr gesagt werden kann. Ich glaube, auch der Herr Abg. Hansen hat in dieser Sache nichts Neues gesagt und auch nichts Neues sagen können. Ich kann mich daher in der gegenwärtigen Lage darauf beschränken, zu erklären, daß die Staats⸗ regierung auf dem Standpunkt stehen bleibt, den sie in der Com⸗ mission eingenommen hat, daß sie sich den Commissionsbeschlüssen, die ja doch erhebliche Milderungen für die Rückzahlungs⸗ pflichtigen enthalten, anschließt und bittet, die vorliegenden Anträge zurückzuweisen. Wir haben schon früher dargelegt, daß es nicht wohl möglich ist, zu unterscheiden zwischen den Rückzahlungs⸗ pflichtigen, welche ursprünglich frei waren von der Grundsteuer auf Grund singulärer Rechtstitel, und denjenigen, die auf Grund des Herkommens oder staatlicher Verhältnisse frei waren. Wir haben nachgewiesen, wie diese Fälle durcheinanderlaufen, und daß ein Heer von Streitigkeiten und Differenzen entstehen würde, wenn man hier so unterscheiden wollte; ja daß dann hier vielleicht diejenigen frei blieben von der Rückzahlung, die am ersten dazu in der Lage wären.

Was die Frage in Betreff des Großherzogs von Oldenburg betrifft, so braucht die hier garnicht entschieden zu werden. Wenn die Ausführung des Herrn Abg. Hansen richtig ist, daß es sich hier um einen Staatsvertrag handelt zwischen zwei Souveränen, so werden ja natürlich sich andere Consequenzen ergeben, als wenn es sich um einen Vertrag zwischen einem Souverän und einem Besitzer eines großen Fideicommisses handelt. Diese Frage muß demnächst unter⸗ sucht und geprüft werden, ihr wird hier in keiner Weise präjudiecirt; ich glaube also, an dieser Frage brauchen wir uns hier überhaupt nicht zu stoßen. Ich bitte, es bei den Beschlüssen der zweiten Lesung zu belassen.

Nachdem auch der Abg. Krah (freicons.) sich für den Antrag Althaus ausgesprochen, wird derselbe ab⸗ gelehnt. Der Antrag von Bülow wird mit 125 gegen 117 Stimmen ebenfalls abgelehnt, und die §§ 16 bis 18 werden nach den Beschlüssen zweiter Lesung un⸗ verändert angenommen, ebenso der Rest des Gesetzes ohne Debatte.

Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Centr.) beantragt, die definitipe Sehln abstimmung über dieses Gesetz auszusetzen, bis über das Wahlgesetz definitiv entschieden sei. 8

Abg. Sattler (nl.) erklärt sich gegen diese letztere Voraus⸗ setzung und nur für eine Aussetzung der Beschlußfassung in der Sonnabendsitzung. 8 1

Abg. 8 Eynern (nl.) weist darauf hin, daß nach der Geschaͤftsordnung die Aufschiebung der Schlußabstimmung nur möglich sei, wenn eine Nenderung vorgenommen worden, und zwar bis die Beschlüsse dritter Lesung gedruckt vorliegen. Es sei ganz ungewöhnlich, auf Wunsch einer einzigen Fraction die Schlußabstimmung über ein Gesetz aufzuschieben, bis ein Gesetz erledigt sei, welches mit dem vorliegenden gar nicht zusammenhänge. Indessen könne das Haus ja von der Geschäftsordnung abgehen.

Abg. Frhr. von Zedlitz (freicons.) will die Schlußabstimmung nur so lange aufschieben, bis das Wahlgesetz aus dem Herrenhause ins Ah⸗ geordnetenhaus gelangt sei und Uier zur Berathung gelange. Die Geschäftsordnung an sich stehe dem Aufschub nicht v— 1

Abg. Ludowieg (nl.) kann dies nicht zugeben. Man könne die definitive Beschlußfassung nicht beliebig auf Wochen hir

nauss 11“

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chieben.

Das widerspreche dem klaren Wortlaut des § 18 der Geschäfts⸗ ordnung.

Pehsident von Köller erinnert sich zwar keines analogen Falles, laubt aber, daß das Haus unbedenklich die Abstimmung aussetzen könne. Die Annahme des Antrags Heereman schließe auch gar nicht aus, daß das Haus etwa nach 8 Tagen anders beschließe.

Abg. von Eynern (nl.) meint, daß wenigstens ein bestimmter Termin festgesetzt werden müsse. Er schlägt deshalb vor, die Schluß⸗ abstimmung über dieses Gesetz an demselben Tage vorzunehmen, an dem das Wahlgesetz im Hause zur Berathung steht. 8

Abg. Graf Limburg⸗Stirum (cons.) will die Abstimmung über beide Gesetze an demselben Tage vorgenommen wissen.

Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Centr.) ist mit diesem Antrag einverstanden. .

Abg. Dr. Bachem (Centr.) knüpft seine Zustimmung zu demselben an die Voraussetzung, daß die Abstimmung über das Steuergesetz event. einige Tage später, nach Erledigung des Wahlgesetzes, vor⸗ genommen werde.

Abg. von Se (nl.) hat hiernach Bedenken, den Vorschlag von Heereman überhaupt anzunehmen, denn es würde nach der Interpretation des Abg. Bachem ein Druck auf die anderen Parteien in Bezug auf die Gestaltung des Wahlgesetzes ausgeübt.

Der Antrag Heereman wird hierauf in der Form ange⸗ nommen, daß die Schlußabstimmung ausgesetzt wird, bis das Wahlgesetz aus dem Herrenhause an das Abgeordnetenhaus zurückgekommen ist.

Es folgt die dritte Berathung des Ergänzungssteuer⸗ gesetzes. In der Generaldiskussion äußert der

Abg. Schröder (Pole) Bedenken gegen die Annahme des Gesetzes in der vorgeschlagenen Form, und tadelt namentlich die nach seiner Meinung mit dem Gesetze verbundenen Vexationen und das Ein⸗ dringen in die Privatsteuerverhältnisse der Censiten. Die definitive Entscheidung über das Gesetz müsse seine Partei sich bis nach Er⸗ ledigung des Wahlgesetzes vorbehalten. .

In der Specialdiscussion werden sodann die §§ 1—3 ohne Debatte angenommen.

Nach § 4 der Commissionsvorlage sind von der Besteue⸗ rung ausgeschlossen die in anderen deutschen Bundesstaaten oder in einem deutschen Schutzgebiet belegenen Grundstücke, sowie das den Betrieben der Land⸗ oder Forstwirthschaft, des Bergbaues oder eines stehenden Gewerbes in anderen deutschen Bundesstaaten oder in einem deutschen Schutzgebiet dienende Anlage⸗ und Betriebskapital; nach der Regierungsvorlage .“ die außerhalb Preußens belegenen Grundstücke u. s. w.

teuerfrei sein.

Abg. Böttinger (nl.) beantragt, die Regierungsvorlage wieder⸗ herzustellen. 1 1

Die Abgg. Freiherr von Zedlitz (freicons.) und Krause (nl.) wollen die Steuerfreiheit nur insofern zugestehen, als die Besitzer der erwähnten Grundstücke, Kapitalien u. s. w. nicht des Erwerbes wegen in Preußen wohnen.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel: . Meine Herren! Ich lasse die Frage, ob die Vermögenssteuer eine Objectsteuer ist, wie die einen sagen, weil sie sich unmittelbar an die Objecte anknüpft, oder ob sie eine Personalsteuer ist, weil sie nach dem Einkommen bemessen werden soll, nach den Gegenständen, die der Schätzung bei der Steuer unterliegen, unerörtert. Persönlich stehe ich und steht auch wohl die Staatsregierung auf dem Standpunkt, daß es sich hier nicht um eine Objectsteuer, sondern um eine Personal⸗ steuer handelt, und von diesem Standpunkt aus muß man zugeben, daß die Beschlüsse der Commission theoretisch correcter sind als die Vorlage der Staatsregierung. Aber, meine Herren, diese theo⸗ retische Correctheit kann doch in der Gesetzgebung nicht immer entscheidend sein: Wir sind wesentlich davon ausgegangen, daß wir hier eine Vermögenssteuer einführen an Stelle der Realsteuern, für den Erlaß der Realsteuern. An die Stelle einer Bruttosteuer soll eine Nettosteuer treten. Das findet bei den Grundstücken, die außer⸗ halb der preußischen Grenze liegen, nicht statt; sie waren bisher den preußischen Realsteuern nicht unterworfen. Sie sind aller Wahr⸗ scheinlichkeit nach nach der Steuerverfassung fast aller Länder, wenn sie wenigstens in Europa liegen, den Realsteuern der anderen Staaten unterworfen. Wir haben es unter diesen Umständen für billig ge⸗ halten, diese Grundstücke, die in derselben Weise und wahrscheinlich sogar noch viel höher denn die Grundsteuer besteht in fast allen europäischen Staaten mit Ausnahme von England als die preußi⸗

schen belastet sind, nicht noch mal heranzuziehen.

Daneben ist auch praktisch weiter in Erwägung zu ziehen, daß in sehr vielen Fällen, namentlich bei den der preußischen Grenze entfernt liegenden Besitzungen man braucht noch nicht einmal an das Vor⸗ kommen der außereuropäischen, überseeischen Besitzungen zu denken die Schätzung dieser Grundstücke so unsicher und schwierig ist, daß man gegenüber den geringen Erträgen es kann ja doch nach Maß⸗ gabe des ein halb pro Mille diese Steuer auf die auswärtigen Grundstücke nur geringe Erträge bringen lieber diese Schwierigkeit vermeidet.

Also, wir halten im vorlage aus diesen Gründen fest. erkennen, daß diese Erwägungen ja auch diejenigen Gegen⸗ gründe haben, welche eben von dem Herrn Abg. Dr. Krause vorgeschlagen sind, und eventuell allerdings würde die Staats⸗ regierung den jetzt gestellten Vermittlungsantrag lieber nehmen, als den Beschluß der Commission. Das glaube ich allerdings, meine Herren, daß wir doch praktisch ein erhebliches Interesse haben bei dem heutigen Verkehrswesen, bei dem Durcheinander⸗ wohnen der Menschen, bei der Thatsache, daß eine große Anzahl wohlhabender Ausländer sich hier aufhält, die sehr wohl in der Lage sind, einen beliebigen andern Wohnsitz außerhalb Preußens zu nehmen daß ein erhebliches Gewicht darauf zu legen ist, nicht mit kleinen Schwierigkeiten, die doch keine großen Erträge bringen, derartige Ausländer, die in Amerika, in überseeischen Ländern Be⸗ sitzungen haben, Gewerbe treiben oder Grundbesitzungen haben, die mit dieser Steuer zu beschweren. Insofern diese Ausländer hier Gewerbe treiben, nehmen sie den Charakter der In⸗ länder an, sodaß sie sich nicht beklagen können, daß sie dann wie In⸗ länder behandelt werden. Daß man aber diejenigen Ausländer, die hier gewissermaßen als Rentiers leben, hier ihr Geld verzehren und das ebenso gut anderswo thun könnten, etwas anders behandelt, da sie

großen und ganzen die Regierungs⸗ Ich muß allerdings an⸗