behufs Klarstellung des Sachverhalts eröffnet worden. Die Aussagen sämmtlicher Zeugen, darunter die der Angehörigen des verstorbenen Fuüsiliers Ißmar, bestätigten von neuem, daß die Anschuldigungen des Abgeordneten Bebel jeglicher that⸗ sächlichen Begründung entbehrten. Als Zeuge wurde dann auch am 10. Mai l. J. vor dem Königlichen Amtsgericht 1 u Berlin der Schriftsteller Bebel vernommen. Nach dem
ortlaut des gerichtlichen Protokolls hat derselbe hierbei zur Sache Folgendes ausgesagt:
Ich erhielt anfangs März d. J. einen Brief aus Frankfurt a. O., worin mir als Reichstags⸗Abgeordneter mitgetheilt wurde, daß der Hauptmann, wie ich glaube, Prey, seinen Burschen, der mit dem Namen Ismer oder so ähnlich bezeichnet wurde, derartig gemißhandelt habe, daß derselbe in das Lazareth habe gebracht werden müssen, dort gestorben und am 1. März begraben worden sei. In welcher Weise die Mißhandlung begangen sein sollte, war nicht näher mitgetheilt.
Der Brief war mit einem Namen unterzeichnet, dessen ich mich nicht mehr entsinne. Eine Charge war dem Namen nicht beigesetzt. Ich bin der Meinung, daß der Brie nach der Schreibweise von einem Gemeinen herrührte. Ich habe diesen Brief alsbald, nachdem ich mir seinen sachlichen Fesen, ohne den Namen seines Autors kurz notirt hatte, vernichtet, wie ich es mit allen derartigen mir in großer Menge zugehenden Briefen thue. Ich habe dann in einer Sitzung des Reichstags auf Grund meiner Notizen den Vorgang zur Sprache gebracht, ohne daß ich anderweit eine andere Information erhalten hätte. Ich habe auch meinerseits nichts gethan, um von anderer Seite Auskunft darüber zu erhalten. Bezüglich des Inhalts meiner Rede muß ich mich auf den stenographischen Bericht beziehen; ich glaube aber, daß ich dabei den Namen des Hauptmanns Prey genannt habe, wie mir derselbe auch meiner Erinnerung nach in dem Briefe mitgetheilt worden war.
Ich bin nach dem Gesagten außer stande, meinen Gewährs⸗ mann zu bezeichnen. .
Diese Aussage hat der Schriftsteller Bebel alsdann be⸗ woren. 1 sc Das gerichtliche Verfahren gegen den Hauptmann Prey wurde hiernach unter sdün. 16. Mai l. J. wegen Mangels
jeglichen Beweises eingestellt. 8
8 Den Abgeordneten Bebel schützt die parlamentarische Redefreiheit 30 der Verfassung des Deutschen Reichs) vor gerichtlicher Verfolgung wegen der im Reichstage gethanen Aeußerungen. Seinen Gewährsmann zu bezeichnen, ist er außer stande. 3 “
Unter diesen Umständen bleibt zur Rechtfertigung des Hauptmanns Prey nur übrig, den Sachverhalt — wie hiermit geschieht — öffentlich bekannt zu geben.
Berlin, den 23. Mai 1893. 166 Kriegs⸗Ministerium. von Kaltenborn.
Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten.
Der bisherige Seminarlehrer Richard Block ist zum Kreis⸗Schulinspector ernannt worden.
Angekommen:
der General⸗Auditeur der Armee, Wirkliche Geheime Ober⸗Justiz⸗-Rath Ittenbach, von Urlaub aus Italien.
Nichtamtliches.
Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 26. Mai.
Durch die Presse läuft eine Notiz, in welcher unter Hin⸗ weis auf die für Oesterreich⸗Ungarn angeordnete Außercurssetzing der Vereinsthaler und Vereins⸗ Doppelthaler österreichischen Gepräges empfohlen wird, die Annahme dieser Münzen in Deutschland zu ver⸗ weigern. “
Demgegenüber ist hervorzuheben, daß die Vereinsthaler und Vereins⸗Doppelthaler österreichischen Gepräges — ihrer Außercurssetzung für Oesterreich⸗Ungarn ungeachtet — inner⸗ halb Deutschlands nach wie vor zum Werthe von 1 Thaler = 3 ℳ gesetzliches Zahlungsmittel sind. “
Daß diesen Münzen die Eigenschaft als gesetzliches 8e lungsmittel im Deutschen Reich noch nicht entzogen ist, beruht auf einer zwischen Deutschland und Oesterreich⸗Ungarn ab⸗ eschlossenen Vereinbarung, in welcher die Kaiserlich deutsche egierung sich verpflichtet hat, von einer Außercurssetzung der österreichischen Vereinsthaler innerhalb Deutschlands vorläufig abzusehen, während die Regierungen Oesterreich⸗Ungarns sich verpflichteten, einen bestimmten Betrag (26 Millionen Mark) in solchen Thalern von der Kaiserlich deutschen Re ierung zur Einschmelzung zu übernehmen.
die Zeit vom Beginn des Etatsjahres bis zum Schlu des Monats April 1893 haben die Einnahmen der Post⸗ und Telegraphen⸗Verwaltung 22 042 059 ℳ (gegen denselben Zeitraum des Vorjahres +† 934 327 ℳ) und die Einnahmen der Reichs⸗Eisenbahn⸗Verwaltung 995 sh (+ 92 000 ℳ) betragen. —
v1““ “
Der Inspecteur der 1. Cavallerie⸗Inspection, General der Cavallerie von Krosigk ist hierher zurückgekehrt.
S. M. Kreuzer⸗Corvette „Kaiserin Augusta“, Com⸗ mandant Capitän zur See Büchsel, ist am 24. Mai in Plymouth eingetroffen und beabsichtigt heute, am 26., nach Neufahrwasser in See zu gehen.
Generalstabs der bayerischen Armee,
Der Chef des 1 - General⸗Lieutenant von Staudt ist unter J ei
General der Infanterie zur Disposition gestellt und zu seinem
8 Württemberg.
Beis etzungsfeierlichkeiten in Arolsen nach Marienwahl zurück⸗
meldet, der Commandeur der 3. “ Bayerischen Division, General⸗Lieutenant Ritter von Hoffmann ernannt worden. Das Commando der 3. Bayerischen Division erhält der General⸗Lieutenant Ritter von K. ühlmann, bisher Com⸗ mandeur der 2. Infanterie⸗Brigade. 8
Steeine Majestät der König ist am Mittwoch von den
ekehrt. 8 Die Kammer der Abgeordneten begann, wie der
„St.⸗A. f. W.“ meldet, gestern die Berathung der Eisen⸗ bahnpetitionen. Die Anträge der Commission zu den einzelnen Petitionen gehen auf Ueberweisung zur Kenntnißnahme, mit Aus⸗ nahme der Bahn von Lauffen a. N. nach Güglingen und der Neben⸗ bahn von Schussenried nach Buchau, für welche die Com⸗ mission um moöglichst schleunige Einbringung einer Gesetzesvorlage ersucht. — Der Bericht der Finanz⸗ commission über die geplante Steuererhöhung ist einer Mittheilung der „Frkf. Ztg.“ zufolge jetzt erschienen. Nach den Vorschlägen des Finanz⸗Ministers sollen die Steuersätze der Ertragssteuern von 3,5 und 4,4 auf 3,9 und 4,8 Proc. erhöht werden. Die Commissionsmehrheit lehnte die Erhöhung ab. Als Deckung des Deficits sschlägt die Commission vor, daß die von der Regierung ver⸗ langte Erhöhung des Betriebskapitals der Staats⸗Haupt⸗ kasse um eine Million unterbleibe, dieser Betrag vielmehr zur Deficitdeckung verwandt und der übrige Fehlbetrag gleichfalls durch Restmittel aufgebracht werde. Sollte eine Erhöhung der Matrikularbeiträge nothwendig werden, so möge die Regierung eine Nachtragsforderung mit Steuererhöhung einbringen. Die Anträge des Finanz⸗Ministers zu den indirecten Steuern wurden zur Annahme empfohlen.
Baden.
Am Mittwoch Vormittag fand, wie wir der „Karlsr. Ztg.“ entnehmen, in der Schloßkirche zu Karlsruhe die Confir⸗ mation des Grafen Friedrich Rhena, des Sohnes Seiner Großherzoglichen Hoheit des Prinzen K arl und seiner Gemahlin, der Gräfin Rhena, statt. Der Feierlich⸗ keit wohnten Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin, die übrigen Mitglieder der Groß⸗ herzoglichen Familie und andere Fürstlichkeiten bei.
Braunschweig — Schloß Blankenburg a. Harz, 24. Mai. Ihre König⸗ lichen Hoheiten die Prinzen Friedrich Heinrich und Joachim Albrecht von Preußen reisten heute Nachmittag 4 Uhr 26 Minuten nach Berlin zurück.
Oesterreich⸗Ungarn. 8 sind gestern die Delegationen zur Be⸗ 1 Die österreichische Dele⸗ gation wählte nahezu einstimmig den Fürsten Alfred Windischgrätz zum Präsidenten. In seiner Antritts⸗ rede betonte er die allgemeine Befrzcdigung darüber, daß die Segnungen des Friedens dem Reich zu theil werden konnten. Er erblicke in dem Bunde mit den befreundeten Nachbarreichen eine mächtige Gewähr, daß der europäische Friede au fernerhin erhalten bleibe. Der Präsident schloß mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf den Kaiser. Zum Vice⸗Präfidenken wurde Jaworski ge⸗ wählt. Der Präsident Fürst Windischgrätz gedachte sodann in warmen Worten des verstorbenen ehemaligen Ministers von Schmerling, worauf sich das Haus zum Zeichen des Beileids erhob. Nachdem der Minister Graf Kälnoky das gemeinsame Budget (vgl. die gestr. Nr. d. B.) vorgelegt hatte, wurden der Budgetausschuß und der Petitionsausschuß gewählt. Die Jungcezechen beschwerten sich auf das heftigste darüber, daß kein Vertreter des böhmischen Volks in den Budgetausschuß
ewählt worden sei, und erklärten, sie erblickten darin eine Brüs⸗
fa und Ausschließung der ganzen böhmischen Nation. Dr. von Plener erwiderte hierauf, es habe die bestimmte Absicht aller Parteien vorgelegen, mit der jungczechischen Partei, welche sich durch ihr Benehmen außerhalb der Grenzen des parla⸗ mentarischen Anstandes gestellt habe, nicht weiter zu verkehren. Es handele sich nicht um die Ausschließung des böhmischen Volks, jedoch müsse zwischen den Führern der Jungczechen und den guten patriotischen, ordnungsliebenden Elementen des böhmischen Volks ein Unterschied gemacht werden. Der Zwischenfall war damit erledigt und die Sitzung wurde hier⸗ auf geschlossen.
f goͤsch hI Delegation wählte einstimmig den Grafen Aladar Andrassy zum Präsidenten und Kolo⸗ man Szel zum Vice⸗Präsidenten. In seiner Antritts⸗ rede hob der Präsident hervor, daß man, obwohl die fried⸗ lichen Verhältnisse in jeder Richtung und für die Zu⸗ kunft als gesichert zu betrachten seien, im Interesse der Erhaltung dieser Verhältnisse beträchtliche militärische Aus⸗ gaben sich nicht ersparen könne. Redner wies hierbei auf Deutschland hin, welches, ungeachtet der in parlamentarischen Kreisen bezüglich der Militärvorlage herrschenden Gegen⸗ strömung, zu derartigen neuen Vorkehrungen genöthigt sei, von denen Oesterreich⸗Ungarn wenigstens jetzt noch verschont bleibe, und schloß unter lebhaften Elljenrufen mit Segenswünschen für den Monarchen. Im weiteren Ver⸗ laufe der Sitzung wurden die Ausschüsse gewählt, die sich auch alsbald constituirten. Zum Vorsitzenden des auswärtigen Ausschusses wurde Koloman Tisza gewählt. 1
Der den Delegationen unterbreitete Voranschlag für die Verwaltung von Bosnien und der Herzegowina schließt mit einem Ueberschuß von 67 364 Fl. ab.
Die gestrige Leichenfeier für den ehemaligen Minister von Schmerling nahm, wie dem „W. T. B.“ aus Wien berichtet wird, einen überaus würdigen und imposanten Ver⸗ lauf. Die Einsegnung der Leiche fand in der Schottenkirche in Gegenwart des Kaisers und mehrerer Erzherzoge statt. Ferner waren die Minister, zahlreiche Hof⸗ und Staatswürden⸗ träger, die Präsidien des Herrenhauses und des “ hauses, viele Mitglieder beider Häuser und das Präsidium des Wiener Gemeinderaths anwesend. Auf dem Rathhause und dem Parlamentsgebäude wehten Trauerflaggen. In den Straßen, welche der Trauerzug passirte, waren die Gas⸗ flammen angezündet, und eine dichtgedrängte Menge hatte zu beiden Seiten der Straßen Aufstellun genommen. Nach der Trauerfeier in der Schottenkirche die Ueberführung
In Wien rathung zusammengetreten.
setzung stattfand. An der Gruft hielten der Vice⸗Präsident Fuürst Schönburg im Namen des Herrenhauses und von Plener im Namen der deutschen Linken Ansprachen. Fürst Nicolaus von Montenegro stattete am Mit⸗ woch dem Minister des Auswärtigen Grafen Kälnoky einen längeren Besuch ab.
Großbritannien und Irland.
Die Feier des Geburtstags Ihrer Majestät der Königin, welche am Mittwoch das vierundsiebzigste Lebensjahr vollendete, wurde der Londoner „Allg. Corr.“ zufolge im ganzen Lande festlich begangen. In London wird die amt⸗ liche 5 erst am. 3. Juni stattfinden. 8 ach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ aus Sydney ist der von der gesetzgebenden Versammlung von Neu⸗Süd⸗Wales ohne Abänderung “ Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Unterstützung der Depositäre der Banken, die ihre Zahlungen eingestellt haben, von der dortigen Bevölkerung sehr günstig aufgenommen worden. Frankreich. 8
Die Verhältnisse in Madagascar und Hinterindien beschäftigten, wie der „Köln. Ztg.“ aus Paris gemeldet wird, am Mittwoch den Ministerrath. Nach Privatmittheilungen soll das Verhältniß zwischen dem Minister⸗Präsidenten der Regierung von Madagascar Rainilaiarivony und dem franzö⸗ sischen General⸗Residenten ein mehr und mehr gespanntes werden.) Der Kriegs⸗Minister hat den General Favre zur Vertretung Frankreichs bei der Gedächtnißfeier der Schlacht von Palestro ausersehen. General Favre machte im 3. Zuaven Regiment die Schlacht mit und wurde dort verwundet. — Außer den 22 Millionen, um welche der Militär⸗Etat fü 1894 erhöht wird, wird der Kriegs⸗Minister, wie Pariser Blätter melden, 100 Millionen zur Umwandlung der Feld-Artillerie verlangen. 8 Die Minister Viette und Poincarré sowie 90 De⸗ putirte und Senatoren haben sich am Mittwoch in Mar seille eingeschifft, um an den Festen in Tunis theilzunehmen Oberst Lambinet, der Höchstcommandirende in Dahomey, hat aus Gesundheitsrücksichten seine Abberufung erbeten. Man hofft jetzt auf friedlichem Wege zum Ziele zu kommen und Behanzin, mit dem andauernd Unterhand⸗ lungen geführt werden, ohne Feldzug zur Unterwerfung zu bringen.
lus Mars⸗la⸗Tour meldet ein Wolff'sches Telegramm die Exhumirung der Gebeine der dort bestatteten deutschen Soldaten werde erst in zehn Tagen erfolgen, da das auf dem Grabe errichtete Denkmal abgetragen und sodann in Amanweiler wieder aufgebaut werden müsse.
Rußland.
Der Kaiser und die Kaiserin wurden, wie Moskau berichtet wird, am Mittwoch bei ihrem dortigen Einzuge mit Glockengeläut und von der Bevölkerung mit stürmischem Jubel begrüßt. Zum Empfange waren sämmtliche Mitglieder des Kaiserlichen Hauses anwesend, soweit sie nicht ins Ausland abgereist sind. Gestern Vormittag machten die Majestäten im Kreml den traditionellen Kirchgang. Als das Kaiserliche Paar dabei mit dem Thronfolger und den übrigen Mitgliedern des Kaiserhauses sowie gefolgt von den Ministern und anderen hohen Würdenträgern auf der historischen rothen Treppe erschien und sich vor der Menge verneigte, brach diese in stürmischen Jubel aus. Auch auf der Treppe des Tschudow⸗ Klosters wurden der Kaiser und die Kaiserin von dem Volke lebhaft begrüßt. Heute findet in Moskau die Legung des Grundsteins zu dem Denkmal für den Kaiser Alexander II. statt. b
J 8—
Der Minister⸗Präsident Giolitti theilte gestern in der Deputirtenkammer mit, daß die Cabinetskrisis in der schon gemeldeten Weise ihre Lösung hefänbes hat, daß also nur die Demission des bisherigen Justiz⸗Ministers Bonacci angenommen und die Senatoren Eula und Gagliardo zum Justiz⸗Minister bezw. Finanz⸗Minister ernannt worden sind. Der Minister⸗Präsident erklärte es sodann für un⸗ umgänglich nothwendig, daß vor den Sommerferien alle Einzelbudgets sowie die Reorganisation 61’1 Emissionsinstitute votirt würden, und schloß mit der Beantragung eines Vertrauensvotums. Er hob dem „W. T. B.“ zufolge in seiner Rede besonders hervor, daß das Programm des Cabinets unverändert bleibe. Ein Theil desselben sei in den bereits eingebrachten Gesetzentwürfen ent⸗ wickelt, ein anderer Theil werde in späteren Gesetzen durchgeführt werden. Aber keine gewissenhafte Regierung könnte einwilligen, am Ruder zu bleiben und das Land in der gegenwärtigen Unordnung zu lassen und die Frage des Geldumlaufs nicht zu lösen, welche den öffentlichen Credit dem Unheil aussetzen müßte. Um seine Aufgaben erfüllen zu können, müsse das Cabinet wissen, ob es das Vertrauen der Kammer besitze oder nicht. Es verlange daher ein offenes und deutliches Urtheil. Der Deputirte Fortis beantragte hierauf eine Tagesordnung, welche die Erklärungen der Regierung zur Kenntniß nimmt und zugleich die Bedeutung eines Vertrauensvotums hat. Der Beschluß hierüber wurde auf heute vertagt, da die Mitthei⸗ lungen der Regierung nicht auf der gestrigen Tagesordnung tanden. Wie die römischen Blätter melden, ist Luigi Ferrari estern früh aus Perugia in Rom eingetroffen und hat das Amt des Unter⸗Staatssecretärs im Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten angenommen.
Der Papst ernfeg gestern im Consistorialsaal des Vaticans 250 ungarische Pilger unter der Führung des Fürsten⸗Primas Vaszary, welcher eine Adresse in lateinischer Sprache verlas. In seiner Erwiderung bemerkte der Papst: Er wünsche der ungarischen Nation dauerndes Ge⸗ deihen und bleibenden Ruhm. Die Auszüge aus den in den Vaticanischen Archiven enthaltenen Documenten lieferten den Beweis, daß die Päpste nie aufgehört hätten, über Ung arn zu wachen, und daß Ungarn es nie unterlassen habe, dem heiligen Stuhle die schuldigen Ehren zu erweisen. Der Papst that darauf der gegen die Interessen der katholischen Kirche und
egen die katholische Religion gerichteten Angriffe Erwähnung,
spenben⸗ sodann dem Kalser Franz Josef, dem Lande Ungarn und den Anwesenden den Segen und ließ die Pilger zum Handkuß zu. 8
“
Spanien. Der Ministerrath hat in seiner gestrigen Sitzung den Handelsverträgen mit der Schweiz, Schweden
Nachfolger, wie ein Wolff'sches Telegramm aus München
der Leiche nach dem Hietzinger Ortsfriedhof, wo die Bei⸗
Holland seine Zustimmung ertheilt.
und
Portugal.
Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Lissabon vom Tage verlautet dort, daß der Minister der öffentlichen
rbeiten Bernardino Machado seine Entlassung ein⸗ reichen werde, und zwar wegen der Abstriche, welche er in dem Budget seines Ministeriums erfahren habe: auch der Rücktritt des Marine⸗Ministers Neves Ferreira gelte für wahr⸗
scheinlich.
8
Bulgarien. Die Große Sobranje hat, richtet wird, in ihrer vorgestrigen Sitzung die Antwort⸗ adresse auf die Thronrede angenommen und damit die auf die Aenderung der Verfassung bezüglichen Bestimmungen im Princip gutgeheißen. Die Antwort⸗ adresse enthält dem „W. T. B.“ ufolge zunächst eine Paraphrase der Thronrede selbst 18 giebt alsdann der Versicherung der loyalen Gefühle der Nation für den Thron und der Dankbarkeit der Regierung ö dem Prinzen erdinand von Sachsen⸗C oburg für die musterhafte Vertheidigung der nationalen Interessen Ausdruck. Der Hauptpassus der Adresse besagt: „Die Ver⸗ mählung des Prinzen, welche mit Enthusiasmus begrüßt wurde, erfüllte alle Bulgaren mit Freude und der auf eine ruhmreiche und glänzende Zukunft des Vaterlands, indem durch die Vermählung ein Bollwerk errichtet wird gegen alle Angriffe auf die Selbständigkeit und Una hängigkeit des Landes.“ Die Adresse schließt mit der Versicherung, daß die gewählten Vertreter die hohe Bedeutung der Verfassungs⸗ änderung anerkennen und sich dem ernsten Studium des Gesetzes widmen würden, welches die Wahrung der Inter⸗ essen und die Sicherung der Zukunft des Landes und des Thrones zum Ziel habe. — In unterrichteten Kreisen in Sofia nimmt man an, daß der Schluß der Großen Sobranje am 30. d. M. erfolgen werde. Der Prinz Ferdinand werde diesen Tag, auf welchen sein Namenstag fällt, in Tirnowo zu⸗ bringen und am Mittwoch nach Sofia zurückkehren.
Schweden und Norwegen.
—Der Kriegs⸗Minister Olsson beantwortete, wie aus Christiania gemeldet wird, gestern im Storthing die Interpellation des Abg. Prahl wegen der Ausrüstung von Torpedobooten und Kanonenbooten in Horten (vergl. Nr. 114 d. Bl.) und erklärte nach dem Berscht des „W. T. B.“ bei dieser Gelegenheit: Die Ausrüstung sei auf Befehl des Marinecommandos vorgenommen worden; die Extra⸗Ausgaben bei diesen Ausrüstungen hätten sich auf 5 Kronen belaufen. Das Wehrdepartement habe dem Marine⸗ commando mitgetheilt, daß letzteres nicht berechtigt sei, Schiffe der Marine ohne Erlaubniß des Wehrdepartements auszurüsten. Das Departement finde die von dem Commando vorgebrachten Gründe nicht ausreichend, da die Militär⸗ behörden nichts zur Aufrechterhaltung der bürgerlichen Ordnung unternehmen dürften, oh‚ne vorher von den Civil⸗ behörden dazu aufgefordert worden zu sein. Dem Werftchef sei mitgetheilt worden, das Wehrdepartement gestatte keine Aenderung seiner Befehle, und eine solche sei nicht angeordnet worden. Weiteres sei in dieser Sache nicht unter⸗ nommen worden, da das Geschehene nur auf ein Mißver⸗ ständniß der Obliegenheiten zurückzuführen sei. — Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde bei der Berathung des Antrags der norwegischen Regierung, daß in der Resolution des Storthings vom 27. Juli 1892 über die Vertagung der Konsulatsfrage keine Aenderung vorgenommen werde, in Verbindung mit der Besprechung der Interpellation Ullmann über die Konsulatsfrage mit 62 gegen 51 Stimmen eine Tagesordnung der Linken angenommen, welche besagt: Das Storthing halte lenbeisi scluß vom 26. Juli 1892 über die Vertagung der Konsulatsfrage gemachten Voraus⸗ setzung fest, daß der Beschluß des Storthings vom 10. Juni 1892, betreffend die Errichtung eines eigenen norwegischen Konsulatswesens, bis zum Ablauf des laufenden Budgettermins bei dem König seine Erledigung finden müsse. Die Minorität setzte sich aus der Rechten und den Moderaten zusammen, mit denen auch ein Mitglied der Linken stimmte.
wie aus Tirnowo be⸗
Parlamentarische Nachrichten.
Preußischer Landtag. Herrenhaus. 16. Sitzung vom 26. Mai, 12 Uhr.
Der Sitzung wohnen bei: der Präsident des Staats⸗ Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg, der Justiz⸗Minister Dr. von Schelling und der Finanz⸗ Minister Dr. Miquel.
Auf der Tagesordnung steht die Berathung über die geschäftliche Behandlung der Steuergesetze und zwar zunächst des Ergänzungssteuergesetzes.
Graf Frankenberg beantragt, über die Steuergesetze eine erste Berathung im Plenum stattfinden zu lassen und sie dann an zwei Com⸗ missionen zu verweisen. Redner bekennt sich als Gegner der ganzen Steuer⸗ reform, die allen steuerpolitischen Traditionen Preußens widerspreche. Wenn man die Reform mit dem Hinweis auf ihre Vortheile für den Grundbesitz empfehle, so verzichte er auf solche Vortheile, wenn ie auf diesem Wege geboten würden. Die Grundsteuer
ilde das Rückgrat der preußischen Steuergesetzgebung, ihre Aufhebung sei ein geradezu grundstürzendes Vorgehen. Fast noch gefährlicher sei die Idee einer “ die sich als den Be⸗ ginn der Vermögensconfiscation darstelle und einen communistischen Zug zeige. Nirgends in der Culturwelt sei ein solches System bisher eingeführt. Der Finanz⸗Minister habe zwar den Satz von ½ % für das Maximum erklärt, doch müsse der Vor⸗ sang mit dem § 82 des Einkommensteuergesetzes dazu führen, olchen Erklärungen ein volles Vertrauen nicht zu schenken. Nach § 82 sollten die Ihe aurirten Ueberschüsse zur Erleichterung an anderen Steuern verwendet werden, und gleichwohl habe die Regierung die Entnahme von 9 Millionen aus diesem Fonds für Schulzwecke vor⸗ geschlagen. Nichts hindere die Regierung, später den Satz von z pro Mille beliebig zu erhöhen. Das Herrenhaus habe s. 3. bei der Berathung des Einkommensteuergesetzes sich ausdrücklich gegen eine weitere Ausdehnung des edankens der pro⸗ gressiven Einkommensteuer ausgesprochen. Daß man von einer Degression rede, sei doch nur ein Spiel mit Worten. Ebenso 1eh sei es, die Vermögenssteuer mit der Nothwendigkeit der höheren Belastung des fundirten Einkommens zu begründen. Auch das fundirte Einkommen sei der Gefahr der lötzlichen Vernichtung in großem Umfange preisgegeben; dafür Fen. nur auf die durch Ueberschwemmungen, Stürme, Brände dem Grundbesitz, den Forsten,
.
Thomas Gilchrist'sche Entphosphorung des Eisens erlitten hätten, sei bekannt genug. Das Herrenhaus habe 1891 auch eine ent⸗ sprechende Entlastung des unfundirten Einkommens gefordert, aber diese nicht in einer höheren Belastung des fundirten erblickt. (Prä⸗ sident Fürst Otto zu Stolberg bittet den Redner, sich nicht zu weit vom Gegenstande der Tagesordnung zu entfernen.) Eine gerechte und richtige Einschätzung durch Commissionen sei ein Ding der Unmög⸗
lichkeit. Man brauche übrigens zu diesem Monstrum von Steuer gar nicht zu greifen, um die sonstigen guten Absichten der Reform zu er⸗ reichen. Das beste wäre, die ganze Reform abzulehnen oder doch nicht in dieser Session zu erledigen, damit dem Volke Gelegenheit gegeben werde, bei den Wahlen über diese vor fünf Jahren noch ungeahnte Reform seine Meinung abzugeben.
Graf Klinckowström tritt im Gegensatz zum Vorredner für die Steuerreform ein. Die Aufhebung der Grundsteuer und die Ver⸗ mögenssteuer seien zwei Maßregeln, die er mit seinen sämmtlichen Parteifreunden durchaus billigen könne. Die Erbschaftssteuer sei noch viel socialdemokratischer als die Vermögenssteuer. Die Gegner der Re⸗ form, die in derselben nur eine ungerechte Begünstigung des Großgrund⸗ besitzes sehen, übersähen die große dauernde Belastung des Grundbesitzes; sie übersähen auch, daß auch die Städte bei der Reform ganz gute Geschäfte machen. Die Landwirthschaft fordere Thaten von der Regierung, der Worte seien genug gewechfelt. Diese Steuer⸗ gesetzgebung sei ein Anfang; es werde in ihr dem Gedanken Rechnung getragen, der Preußen groß gemacht und erhalten hat: Allezeit den Schwachen zu stützen und das Gemeinwohl zu fördern. In diesem Sinne seien er und seine Freunde für die Vorlagen.
(Schluß des Blattes.)
— Die „neue Fraction“ des Herrenhauses hat am Mittwoch und Donnerstag bezüglich des „Falls Bau mbach' getagt und wiederum eine eingehende Debatte abgehalten. In derselben erklärte eine Anzahl von Mitgliedern, aus der Fraction ausscheiden zu wollen, falls Dr. Baumbach in derselben verbliebe. Schließlich beauftragte die Fraction mit großer Mehrheit den Worstand Namn r. Ba umbach ein Schreiben zu erlassen, daß sein Verbleiben in der Fraction den Bestand der Fraction gefährde, und ihm daher der Gedanke an⸗ heimgegeben werde, aus der Fraction auszutreten. Der Vor⸗ stand ist der Weisung der Fraction nachgekommen und hat das Schreiben an Dr. Baumbach gelangen lassen.
Wahlangelegenheiten — In Westfalen ist ein Bruch zwischen dem Freiherrn von Schorlemer⸗-⸗Alst und der dortigen Centrums⸗ eingetreten. Der „Germania“ wird darüber mit⸗ etheilt: 6 „Etwa 350 Vertrauensmänner der westfälischen Centrumspartei hielten am Mittwoch in Münster eine Versammlung ab. Nachdem ein besonderer Zusatzaufrf zum Wahlaufruf der Centrums⸗ fraction beschlossen worden war, stellte Justiz⸗Rath Schulz (Hamm), Justitiarius des westfälischen Bauernvereins, den Antrag, den Ab⸗ geordneten in Betreff der Militärvorlage freie Entschließung zu gewähren. Der Antrag erhielt jedoch nur 60 Stimmen, darunter diejenige des Freiherrn von Schorlemer⸗Alst. Ueber einen Antrag des Freiherrn von Schorlemer⸗Alst: die Versammlung wolle es als nothwendig erklären, daß von den westfälischen Centrums⸗Wahlkreisen vier an Berufs⸗Landwirthe zu überlassen seien, wurde zur Tages⸗ ordnung übergegangen, worauf Freiherr von Schorlemer⸗Alst mit einer Anzahl von Landwirthen den Saal verließ.“ Infolge dessen hat Freiherr von Schorlemer⸗Alst gestern namens der Landwirthe Westfalens einen besonderen Wahlaufruf erlassen, worin die Aufstellung besonderer Candidaten angekündigt wird. In dem Aufruf wird nament⸗ lich betont: „Sicherstellung des Friedens durch Er⸗ haltung einer für die Vertheidigung unserer Grenzen und für den Schutz des Vaterlands hin⸗ reichend starken Armee.“
Die Berliner „Germania“ giebt ihrem Unmuth über diesen Vorgang mit Ausfällen gegen den Freiherrn von Schorlemer⸗ Alst Ausdruck, indem sie schreibt, sie hoffe:
„die Westfalen würden nicht einem Manne folgen, der, was jetzt offen gesagt werden muß, schon seit vielen Jahren ein Gegner von Windthorst war und diesem das Leben so oft verbitterte, einem Manne, der eine Zeit lang von gewissen Kreisen — wir werden eventuell deutlicher reden — an Stelle Windthorst's, dem gegen⸗ über Schorlemer doch recht klein ist, zum Chef des Centrums ausersehen war, bis man sah, daß Windt⸗ horst im katholischen Volk eine so unzerstörbare Liebe und Ver⸗ ehrung genießt, daß er nicht zu verdrängen war; einem Manne, der jetzt auf dem Boden landwirthschaftlicher Interessen eine Seecession zu erreichen sucht für seine anderen politischen Auffassungen, u. a. auch in betreff der militärischen Fragen. Herr von Schorlemer ist in seiner ja auf ein Herzleiden zurückzuführenden persönlichen Nervosität und Gereiztheit leider ja wohl schwerlich zu einer Zurücknahme seiner letzten Leistungen zu bewegen.“
Die „National⸗Ztg.“ zieht aus diesen Vorgängen folgenden Schluß: „In Westfalen also ist man, wie es der Bedeutung des Herrn von Schorlemer⸗Alst in der bisherigen Centrums⸗ partei entspricht und von seiner Entschlossenheit sich vorher⸗ sehen ließ, alsbald weiter gegangen als in Schlesien: man hat den offenen Kampf gegen die Herren Lieber und Genossen aufgenommen.“
Auch in den Kreisen der katholischen Geistlichkeit im Wahlkreise Ravensburg (Württemberg) hat sich eine Gegenströmung gegen die Politik der Centrums⸗ Fraction gebildet. Gegen den dortigen Centrumscandidaten ist in der Person des Professors Dr. Ilg ein Gegencandidat aufgestellt worden, der folgende Erklärung erlassen hat:
„Nur schwer konnte ich als katholischer Geistlicher mich ent⸗ schließen, eine Candidatur anzunehmen und damit einem Candidaten der Centrumspartei offen entgegenzutreten. Was mich endlich doch hierzu bestimmte, war der Hinblick auf die Thatsache, daß gerade die hervorragendsten Männer des Centrums, Männer wie Graf Ballestrem, Freiherr von Fuen⸗ und Dr. Porsch, die Haltung ihrer Parteigenossen bezüglich der Militärvorlage nicht billigten, sondern in der Ablehnung der Militärvorlage eine schwere Gefahrfürdas Vaterland erbli ten. Schon diese einzige Thatsache dürfte im stande sein, den Anhängern des Centrums die Augen zu öffnen und sie nochmals zu einer ernst⸗ lichen Prüfung der schwebenden Militärvorlage zu veranlassen. Mit dem Strome zu schwimmen ist leicht, und ebenso leicht ist es, einer siegreichen Mehrheit blindlings zu folgen. Aber die ahrheit liegt nicht immer auf Seiten der Majorität; jedenfalls sind die Gründe, welche von der Minorität im Reichstag zu Gunsten der Militärvorlage vorgebracht wur⸗ den, so schwerwiegender Ark, daß ein SJeder, dem die Sicherheit des Vaterlandes und das Wohl des Volkes aufrichtig am Herzen liegt, nicht leicht einen Mann in den Reichstag wählen wird, der an der Ablehnung der Militärvorlage von vorn herein fest⸗ hält. Zieht man ferner in Erwägung, welch hohen Werth die ver⸗ bündeten Regierungen auf die Militärvorlage legen, wie sie die An⸗ nahme derselben zur Erhaltung des Friedens für unbedingt nothwendig erachten, so werden die Wähler auch über diese Thatsache nicht leicht⸗ fertig hinwegsehen dürfen. Sind ja doch die verbündeten Regierungen in erster Linie dazu berufen, für die Wohlfahrt und Sicherheit des
Bergwerken u. dgl. zugefügten Schäden und Verheerungen hin⸗ gewiesen zu werden. elche Entwerthung die Eisengruben durch die
Vaterlandes Sorge zu tragen! Wenn ich recht unterrichtet bin, macht sich gegenwärtig — nach dem erhebenden Vorbilde des um
Kirche und Staat gleich verdienten Decan Lender in Baden — unter dem kat olischen Klerus unseres Landes patriotische Strömung zu glücklicher Lösung der Militär frage geltend. Sollte diese von mir freudig begrüßte Strömun so stark sein, daß sie den Widerstand des Candidaten der Centrums⸗ partei gegen die Militärvorlage brechen sollte, so wäre ich gern bereit, meine Candidatur zurückzuziehen.“ 1
Freiherr von Reitzenstein, der bisherige Centrums⸗ T für Pleß⸗Rybnik, veröffentlicht in der „Schles Volksztg.“ eine Erklärung, die an die Wähler des genannten Wahlkreises adressirt ist und u. a. wie folgt lautet:
„Nachdem der Reichstag aufgelöst worden ist und ich mich ent⸗ schlossen habe, ein Mandat, obwohl mir dasselbe bereits wieder an getragen worden ist, nicht wieder anzunehmen, glaube ich meine Wählern folgende Erklärung schuldig zu sein. Bekanntlich habe ich zu, den 12 Abgeordneten des Centrums gehört, welche in der Militärvorlage für den Antrag Huene gestimmt haben. Als Vertreter eines unweit der rußsischen renze gelegenen Wahl kreises habe ich geglaubt, hiermit nur im Sinn und zum Beste meiner Wähler gehandelt zu haben. Eine einzige russische Invasio würde die Bauern⸗ und Gutshöfe brandschatzen, den Städten unerschwingliche Contributionen auferlegen und an Nationalvermögen auf Jahre hinaus tausendmal mehr vernichten, als die Steuer 8 tragen würde, welche der Wahlkreis für die Militärvorlage aufzu⸗ bringen hätte. Dieser Gesichtspunkt ist auch von dem Redner der polnischen Fraction betont worden. Hierin den bewährten Führern der schlesischen Centrumspartei folgend, kann ich nur bedauern, mich mit meiner Abstimmung in Widerspruch mit einem Theil meine Wähler, namentlich mit Rücksicht auf die zu hohe Belastung des Volks gesetzt zu haben, an meiner pflichtmäßigen Ueberzeugung kann dies indes nichts ändern. So schmerzlich auch mir eine Mehrbelastung des Volks bei der augenblicklich herrschenden Depression jedes Erwerbs⸗ zweiges ist, so muß doch das Opfer, wenn man die Nothwendigkeit erkannt hat, um des höheren Zweckes willen gebracht werden. Indem ich hier mit das Mandat in die Hände meiner Wähler zurückgebe, weil ein ersprießliches Wirken in der Fraction für uns „Dissidenten“ zur Zeit ausgeschlossen erscheint, kann ich nur wünschen: Gott schütze das Cen⸗ trum und bewahre es vor Irreleitung.“
Kunst und Wissenschaft.
Im Verein für deutsches Kunstgewerbe hielt am Mitt⸗ woch Abend Herr Fabrikant August Lachmund einen Vortrag züber Haus⸗ und Küchen⸗Geräthe aus Kupfer und Messing, ihre Formen, ihre Verzierung und ihre Herstellung.“ Die Gegenstände unseres täglichen Gebrauchs, so etwa führte der Vortragende aus, seien nach den Befreiungskriegen infolge der Zeit⸗ verhältnisse und des allgemeinen Geschmacks schmucklos und ohne Formenverständniß gebildet worden. Seit etwa 20 Jahren aber hätten tüchtige Künstler es verstanden, auch diese Hausgeräthe, z3. B. Theekessel, Kannen, Weinkühler, mit zweckentsprechenden, für die faͤbrikmäßige Herstellung geeigneten Ornamenten zu verzieren. Als künstlerisches Material habe sich hierfür besonders das Kupfer bewährt. Die Verzierungen müßten sich natürlich dem Gebrauchszweck unterordnen; auch ihr Mabstab müsse sich danach richten, ob das Geräth in die Hand genommen oder nur von fern betrachtet werden solle. Als Beispiele für den fesselnden Vortra waren kunstgewerbliche Erzeugnisse der hiesigen Metallwaarenfabri Th. Guiremand ausgestellt, welche diesen Anforderungen auf das beste gerecht werden. Vorher hatte Herr Professor E. Doepler d. J. die ausgestellten Wettarbeiten der Concurrenz um die photographische Aufnahme eines Stilllebens nach der Natur besprochen.
— In Weimar fand gestern die diesjährige Generalversamm⸗ lung der Goethe⸗Gesellschaft statt. Der Versammlung, in welcher der Geheime Hofrath Dr. Ruland den Vorsitz führte, wohnten Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin, sowie zahlreiche Mitglieder der Goethe⸗Gesellschaft bei. Professor Lorenz⸗Jena hielt den Festvortrag über Goethe's politische Lehrjahre und charakterisirte in geistvoller Weise Goethe’'s Verhältniß zu dem Großherzog Karl August in politischen Dingen. Der Director des Goethe⸗ und Schiller⸗Archivs Professor Dr. Suphan machte über die Kenien viele Aufschlüsse und theilte die Auffindung neuer Xenien mit. In der nächsten Schrift der Gesellschaft soll das ganze Material veröffentlicht werden. Nach Erledigung des geschäftlichen Theils wurde die Versammlung geschlossen.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Maßregeln.
Dänemark.
Durch Bekanntmachung des Königlich dänischen Justiz⸗ Ministeriums vom 13. Mai 1893 sind mit Rücksicht auf die in London herrschende Kinderblattern⸗Epidemie die Vorschriften des Gesetzes vom 2. Juli 1880 über die gesundheitspolizeiliche Untersuchung für alle Schiffe in Kraft gesetzt worden, die von London kommen oder mit den von dort kommenden Schiffen auf der Reise in Berührung gewesen sind.
Cette, 25. Mai. Von Sonnabend bis Monta sind dem „W. T. B.“ zufolge hier fünf choleraähnliche Fälle vor⸗ gekommen, die jedoch keinen epidemieartigen Charakter hatten. Seit Dienstag hat sich kein weiterer Fall ereignet. G
Absperrungs⸗
Handel und Gewerbe.
— In der gestrigen in Magdeburg⸗Buckau abgehaltenen außerordentlichen Generalversammlung des Grusonwerks waren sieben Actionäre anwesend, die 3087 Stimmen vertraten. Der Vor⸗ sitzende, Justiz⸗Rath Winterfeld, gab der Versammlung Kenntniß von dem Schreiben der Firma Fried. Krupp vom 27. April 1893, durch welches diese erklärt hat, in Ausübung des ihr durch den Betriebsüberlassungsvertrag vom 22. Dezember 1892 eingeräumten Rechts, die gesammten Activa und Passiva des Grusonwerks unter den Bedingungen des Vertrags mit dem 1. Mai d. J. übernehmen zu wollen, sowie von dem zustimmenden Antwortschreiben des Vorstandes des Grusonwerks vom 29. April d. J. — Er theilte ferner der Versammlung mit, daß die Firma Friedz Krupp den Actionären des Grusonwerks das Angebot gemacht habe, während der Zeit vom 10. Mai bis 30. Juni d. J., als der mit dem Aufsichtsrath und dem Vorstande vereinbarten Frist, die Actien des Grusonwerks zum Curse von 200 % zuzüglich 9 % Stückzinsen für die Zeit vom 1. Juli 1892 bis zum Einlösungs⸗ tage einzulösen, und daß dagegen der Vorstand auf Grund der ihm vom Aufsichtsrath ertheilten Ermächtigung die sämmtlichen Immobilien des Grusonwerks an den Herrn Geheimen Commerzien⸗Rath F. A. Krupp als Inhaber der Firma Fried. Krupp vor Gericht aufgelassen habe. Die Versammlung nahm hiervon Kenntniß und stellte die Auflösung der Gesellschaft und den Eintritt in die Liquidation mit Ein⸗ timmigkeit durch Beschluß fest. u Liquidatoren der Gesell⸗ chaft wurden die bisherigen Vorstandsmitglieder gewählt und einstimmig beschlossen, daß die Liquidatoren die Liguidation auf Grund des mit der Firma Fried. Krupp am 22. Dezember 1892 geschlossenen Betriebsüberlassungsvertrags durchzuführen haben. Die Versammlung beschloß ferner mit Einstimmigkeit einige Statutenänderungen. Der bisherige Aufsichtsrath wurde auch für die Liquidationszeit bestätigt. v
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Verdingungen im Auslande.
Großbritannien. L
Geschäf üihrender 65 Gracechurch⸗
Mai, Mittags. Henry W. Notman, Director der „South Indian Railway Company“