1893 / 162 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 Jul 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Die Oper „A Santa Lucia“ von Tasca wird morgen im

Kroll’schen Theater wiederholt. Herr Bötel tritt am Mitt⸗ woch zum zweiten Mal als Manrico in Verdi's „Troubadour“ auf.

Einem Bericht des „Centr.⸗Bl. der Bauv.“ über die nach dem Vortrag des Regierungs⸗Baumeisters Körber „Die Columbische Welt⸗ ausstellung 1893“ im wissenschaftlichen Theater der Urania in diesem Blatt schon einmal im März d. J. erwähnte interessante „Stufen⸗ bahn auf der Weltausstellung in Chicago“ entnehmen wir die nachfolgenden Angaben. Die Bahn, welche bestimmt ist, dem Verkehr großer Volksmassen im Gebiet der Ausstellung zu dienen, ist auf dem Casino⸗Peer, einem vom Ausstellungsplatz senkrecht in den Michigan⸗See vorgestreckten, 760 m langen und 76 m breiten Hafen⸗ damm erbaut worden. Der Damm ist Anlegeplatz für die Dampfer, welche den Verkehr zwischen der Ausstellung und den Hafenorten der canadischen Seen sowie der Stadt Chicago selbst vermitteln. Er bildet einen rings am Umfang mit befestigten Pfahlbau und ist abgedeckt mit einer 5 cm starken, von 30 cm starken Holmen ge⸗ tragenen Bohlenlage. Die Pfähle haben 3,3 bis 4,9 m Abstand; in der Längsachse des Dammes, wo sch die Stufenbahn befindet, sind vier enger gestellt. Der Abstand beträgt hier nur 1,2 m von Mitte zu Mitte Pih l. Die L“ e der ganz mit Wagen

besetzten Bahn beträgt 1018 m. Neben der Wagenreihe ist ein fester Fußsteig; die Wagen selbst tragen einen etwas höher liegenden schmalen bewegl chen Steig und neben diesem einen zweiten, wiederum etwas höher liegenden und sich doppelt so schnell wie der vorhergehende bewegenden Steig mit Quersitzen. Die Breite der beweglichen Steige beträgt 0,81 und 1,78 m. Auf dem langsamer fahrenden Steig befindet sich an der äußersten Kante eine Reihe von Pfosten. Beim Aufsteigen geht der Fahrgast einen oder zwei Schritte neben einem solchen Pfosten her, bis er dessen Geschwindigkeit erreicht hat, legt die Hand darauf und tritt seitlich auf den er ten Steig. Hier schreitet er wiederum einen oder zwei Schritte vorwärts, legt seine Hand auf den ersten leeren Si und tritt dann auf den zweiten Steig hinüber. Neben den Sitzen ist noch ein Spielraum von 25 cm vorgesehen, um von einem Sitz zum anderen gelangen zu können. Die erste bewegliche Plattform ist fest mit der Achse des Wagenzuges verbunden, die zweite Plattform reitet auf dem Umfange der auf Schienen laufenden Räderpaare; sie wird hier⸗ durch, da sich der jeweilig döcfte Punkt der Laufräder doppelt so schnell bewegt wie die Achse selbst, doppelt so schnell fortbewegt wie die erste. Die Ausstellungsbahn hat, eingeressct 10 eiserne Antriebwagen, 351 Wagen und ist mit einem ellblechdach und ca. 75 Punkten mit Drehkreuzen versehen, zu denen die Fahrgäste auf kleinen Treppen gelangen. Fahrkarten werden nicht ausgegeben. Der festgesetzte einheitliche 8. 40 betragen. Mehr als 7500 Personen können gleichzeitig auf den Sitzplätzen untergebracht und stündlich 32 000 Personen befördert werden, sodaß man mit keinem anderen Verkehrsmittel eine so große Volksmenge fortzu⸗ bewegen vermag. Die Wagen werden durch elektrische, von fest⸗ stehenden Maschinen gelieferte und mittels eines unter den Steigen, unzugänglich für die Fahrgäste liegenden Drahtes den Triebwagen zugeführte Triebkraft in Bewegung -en An der Bahn entlang sind Druckknöpfe und Glocken angeordnet, durch die man in der Lage ist, den Strom in der Kraftstation, von wo aus die Bewegung geregelt wird, jederzeit zu unterbrechen, um die endlose Wagenreihe sofort zum Stillstand zu bringen.

Ein öffentlicher Unterrichtscurs in der Gabelsberger⸗ schen Stenographie für Herren und Damen beginnt Donnerstag, en 13. Juli, Abends 8 ½ Uhr, in der Friedrichs⸗Werderschen Ober⸗

Realschule, Niederwallstr. 12.

errste g der veregem . een Abgabe von der Brutto⸗ Einnahme der Großen Berliner Pferde⸗Eisenbahngesell⸗ schaft, welche sich für das Betriebsjahr 1892 auf 1 115 535 be⸗ ziffert, ist am 1. Juli d. J. mit 557 767 an die Stadt⸗Hauptkasse abgeliefert worden, ebenso die erste Hälfte der Pflasterrate für den⸗ selben Zeitraum mit 115 664

nahme des Protectorats zwei Gründe für ihn vorgelegen hätten. Zunächst sei es der überaus humane Zweck der Pensions⸗ anstalt gewesen, welche ein sehr gutes Statut aus⸗ gearbeitet sei, das sich durch Beschaffung der Geldmittel auf Grund von Beiträgen, sowie durch die Heranziehung der Beihilfe auch anderer Stände mittels Wohlthätigkeitsveranstaltungen aus⸗ zeichne; der zweite Grund liege darin, daß er die hohe edeutung der Journalisten und Schriftsteller für die egenwärtige Zeit und die ganze Menschheit 5 schätzen wisse. Schreftsteter machten die Welt mit den esultaten ihrer Forschungen und Erfahrungen bekannt; ihre Aufgabe sei das Streben nach Wahrheit. Aber erquicken und erheben solle die Literatur, und es müsse alles fern bleiben, was niedere Leidenschaften fördere. Journalisten und Schrift⸗ steller seien eng mit einander verbunden. Es sei eine Kunst, Zeitungen nutzbringend zu lesen. Nur ein Blatt oder Blätter einer Richtung zu lesen, mache einseitig. Hochstehende würden durch die Zeitungslectüre vor Beeinflussung durch ihre nächste X“X“ Die deutsche Journalistik habe überdies das Verdienst, 17 Millionen außerhalb des Reichs lebende Deutsche mit dem Vaterland geistig zu verbinden und ihr Deutschthum zu erhalten. Möge die Münchener Versammlung

um Nutzen des so weit verbreiteten und einflußreichen deutschen

ournalisten⸗ und Schriftstellerstandes gereichen. Hierauf bewill⸗ kommnete der Minister des Innern Freiherr von Feili sch als Erster Ser Senen die Erschienenen namens der bayerischen Re⸗ gierung; eine Genugthuung des Journalisten⸗ und Schriftstellerstandes sei das Bewußtsein, für geistige Entwickelung und Fortbildung des Volkes mitzuwirken und dadurch dem Vaterlande einen erheblichen Dienst zu leisten. Der Zweite Chren⸗ Präsident Bürgermeister Borscht begrüßte die Erschienenen sodann namens der Stadt. Der Vorsitzende des Comités, Schmädel, legte die Ziele der Pensionsanstalt dar und hieß die auswärtigen Theil⸗ nehmer willkommen. Ehren⸗Präsident Lingg brachte ein Hoch auf Seine Königliche Hoheit den Prinz⸗R egenten aus, Regierungs⸗Rath Winternitz⸗Wien ein solches auf Seine Majestät den Kaiser Wilhelm, Cordel⸗Berlin auf Seine Majestät den Kaiser Franz Joseph, und von Wildenbruch⸗Berlin auf den Prinzen Ludwig. In der Nachmittagssitzung wurde einstimmig das Statut der Pensionsanstalt genehmigt. In der heutigen Geschäftssitzung stimmte der deutsche Journalisten⸗ und Schrift⸗ stellertag einer Denkschrift an den Bundesrath und den Reichstag, betreffend die Copyright⸗Bill der Vereinigten Staaten von Amerika und die Reform des ÜUrheberrechts, zu und beschloß, den nächsten Congreß im Jahre 1894 im Hamburg abzuhalten. Der Minister des FnnerzPrahe von Fegsc theilte mit, Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗ egent habe der Pensionsanstalt des Vereins 5000 gewidmet. Die Versammlung beschloß ein Dank⸗ schreiben an den Prinz⸗Regenten. Dem später abgehaltenen Fest⸗ bankett im Rathhaussaal wohnten etwa 300 Personen bei, darunter der General⸗Intendant, der Polizei⸗Director und beide Bürgermeister. Dr. Hirth⸗München toastete auf das deutsche Schriftthum, Rechts⸗ anwalt Dr. Hofmann⸗München verlas die eingegangenen Begrüßungs⸗ telegramme. Bürgermeister Brunner toastete auf die Journalisten und Schriftsteller, Winternitz⸗Wien auf die Stadt München und Cordel⸗Berlin auf den Festausschuß. Der Ehrenpräsident Minister Freiherr von Feilitzsch dankte namens des Auss usses und hob die sympathischen Beziehungen der bayerischen Behörden zu der bayerischen Presse hervor. Der Schöpfung einer Pensionsanstalt bleibe das Wohlwollen der bayerischen Regierung erhalten. Der Minister schloß mit einem co auf die mitwirkenden Frauen. Hildebrandt⸗Berlin dankte den Münchener Collegen. Für den Abend waren Festvorstellungen in Aussicht genommen.

Königsberg i. Pr., 9. Juli. Heute Vormittag fand hier die 300 jährige Gedenkfeier der Einweihung der Schloßkirche unter zahlreicher Theilnahme aller Kreise der Bevölkerung statt. Seine Majestät der Kaiser und König hatte, wie „W. T. B.“ meldet, als Vertreter den General⸗Adjutanten Grafen von Lehndorff entsandt. Die Spitzen der Militär⸗, Provinzial⸗ und der städtischen Behörden waren vollzählig erschienen, desgleichen zahlreiche Mit⸗ glieder der Universität. Mit der Gedenkfeier war die Einweihung einer neuen Orgel verbunden. Die Festpredigt hielt General⸗Super⸗ intendent Poetz.

Würzburg. Die 40. Generalversammlung der Katho⸗

München, 9. Juli. Der Deutsche Journalisten⸗ und Schriftstellertag ist gestern Vormittag 9 ½ Uhr mit einer Fest⸗ versammung im „Odeon“ eingeleitet worden, welcher Seine Königliche Hoheit der Prinz Ludwig, die Minister Freiherr von Crailsheim und Freiherr von Feilitzsch der Polizei⸗Director, der Bürger⸗ meister Borscht und die Vorstände des Gemeinde⸗Collegiums bei⸗ wohnten. Prinz Ludwig wurde bei seinem Erscheinen mit einer Fest⸗ fanfare begrüßt und richtete hierauf an den Regierungs⸗Rath Winter⸗ nitz aus sien, den Präsidenten des Ausschusses Viereck und den Schriftsteller Dr. Hirth huldreiche Worte. Sodann eröffnete der Prinz den Schriftstellertag mit einer Ansprache, in welcher er nach dem Bericht des „W. T. T.“ hervorhob, daß bei Ueber⸗

icht vom 10. Juli, r Morgens.

82 α—

den Lofoten ausgebreitet hat. ist die Luftdruckvertheilung sehr gleichmäßig und dem⸗ entsprechend die Luftbewegung sehr Pwas und aus variabler Richtung.

liken Deutschlands wird in den Tagen vom 27. bis 31. August in Würzburg abgehalten werden.

London, 10. Juli. In ganz England herrschten nach einer Meldung des „D. B. H.“ gestern heftige Gewitter. Ein Blitz hat an einer Stelle zwanzig Personen getödtet.

Pisa, 9. Juli. Heute Vormittag platzte laut Meldung des „W. T. B.“ unter den Arkaden des erzbischöflichen Palastes eine Bombe. Eine Säule wurde zerschmettert, Personen wurden nicht verletzt. b

Haag. Der vierte internationale Fe es; den Mißbrauch alkoholischer Getränke wird, der „Soc. Corr.“ zufolge, unter dem Patronat der Königin⸗Regentin der Niederlande und unter Ehrenpräsidentschaft des niederländischen Ministers des Innern Tak van Poortvliet in den Tagen vom 16. bis 18. August 1893 im Haag stattfinden. Präsident des Organisations⸗Comités ist Staats ⸗Minister J. mskerk. Der officielle Empfang der Congreßtheilnehmer wird am 15. ugust Abends 8 Uhr, durch den Bürgermeister im 7 athhause er⸗ folgen. Die Sitzungen werden täglich zweimal, und zwar von 9 ½ und 1 ½ Uhr an, im Gebäude für Kunst und Wissenschaften, Zwarteweg 7, abgehalten werden. Bis jetzt haben sich etwa 300 Theil⸗ nehmer angemeldet. Die Eintheilung der Vorträge ist nach dreierlei Gesichtspunkten erfolgt, und zwar wird an erster Stelle über „Den Alkohol in Beziehung zur Physiologie und Hygiene“, an zweiter Stelle über „Die auf die freie Entschließung des Menschen wirkenden Mittel; und an dritter Stelle über „Die Zwangsmittel zur Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs“ verhandelt werden. Bezüglich des ersten Punktes werden Dr. Dyce Duckworth, London, . P. Walburgh Schmidt, Amsterdam, A. Schmitz, Bonn, und Dr. A. Forel, Zürich, über den Einfluß des Alkohols auf den mensch⸗ lichen Organismus, J. Grant Mills, London. über den Einfluß des Alkoholhandels auf die uncivilisirten Völkerschaften sprechen. Dr. A. Bär, Berlin, wird statistische Mittheilungen über die Sterb⸗ lichkeit, Criminalität und Geisteskrankheit bei Alkoholikern geben. In der zweiten Abtheilung der Vorträge werden die verschiedenen Gesell⸗ schaften zur Bekämpfung des Alkoholismus, die Mitarbeit von Kirche und Presse, die Frauenthätigkeit, die Nacsele die Volkskaffee⸗ hallen, die Bekämpfung der Trinksitten, die Besteuerung alkoholischer Getränke, die Einwirkung auf die Jugend u. a. m. behandelt werden. Als Zwangsmittel werden die amerikanischen E1“ die Maßregeln europäischer Staaten gegen den Alkoholmißbrauch, die Alkoholmonopole, das Licenz⸗ und Concessionswesen, endlich die Be⸗ schränkung Trunksüchtiger in ihrer bürgerlichen Rechtssphäre zur Besprechung gelangen.

New⸗York, 8. Juli. Nach Meldungen des „W. T. B.“ hat in der Stadt Pomeray (Jowa) am Donnerstag ein Cyklon ge⸗ wüthet. Der dadurch verursachte Verlust an Merschenieben wird auf 53 geschätzt; außerdem sind 75 Personen lebensgefährlich und 150 schwer verletzt. 250 Häuser sind zerstört. Der Schaden wird auf 200 000 Dollars angegeben.

8

Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.

Danzig, 10. Juli. 89 T. B.) Wie die „Danziger

meldet, ist der ehemalige Ober⸗Bürgermeister von inter heute Nacht 11 ½ Uhr auf seiner

bei Kulm gestorben.

Posen, 10. Juli. (W. T. B.) Das große Stations⸗ Bentschen ist heute Nacht vollständig nieder⸗ gebrannt.

Paris, 10. Juli. (W. T. B.) Ueber die Gründe der Zurück⸗ ziehung der Demission seitens des Finanz⸗Ministers Peytral wird gemeldet, daß der Präsident Carnot unte Hinweis auf die politische und gouvernementale Lage Püher auf das dringendste ersucht habe, im Amt zu bleiben. 2 gestern abgehaltenen, bis 1 Uhr Nachts währenden Minister rath stellten die Minister Peytral vor, daß sein Rücktritt die Berathung des ö’ stören und die Interessen der Republik schädigen sowie die Demission des ganzen Cabinets hervorrufen würde. Außer einer anderweitigen Besetzung der Pariser Poliz präfectur wurde im Ministerrath auch eine schleunige Reorgan sation der Polizei beschlossen. Ferner wurde der Beschluß gefaßt, der Kammer auf deren Verlangen sofort Aufklärungen über die allgemeine Politik und über die Frage der geistlichen Con⸗ gregationen zu geben.

Die Deputirtenkammer lehnte es heute mit 279 gegen 149 Stimmen ab, in die Berathung eines Antrags auf Erlaß einer Amnestie für die aus Anlaß der jüngsten Unruhen im Quartier Latin verurtheilten Personen einzutreten. Der IZ sagte zu, gegenüber der studirenden Jugend Milde walten zu lassen.

esitzung Gelens

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Kroll’'s Thenter.

Lucia. 7 Uhr.

Ueber Central⸗Europa

Eine flache Depression liegt

Dienstag: Oper in 2 Acten von Tasca.

Adolph Ernst⸗Theater. Dienstag: 32. Gast⸗ spiel des österreichischen Operetten⸗Ensembles des Directors Adolf Baumann aus Brünn. Zum

A Santa Anfang

Operette in

des Abg. Gröber mit der nachstehenden Rede zu antworten.

eeressp. felsius

5⁰ C. = 40R.

Millim.

Wetter.

M

Bar. auf 0 Gr.

z. d.

red. in Temperatur in 92 Cel

Regen heiter 8 Dunst OSO Z bbedeckt WNW A4g heiter 6 heiter 1 Dunst 1 bedeckt

Aberdeen.. Christiansund Kopenhagen. Stockholm. aranda . N t Petersburg W. Moskau.. NNO

Hork, Queens⸗ SW. 4 wolkig

town.. Cherbourg SSW A4 wolkig I1 wolkenlos

3SS5 88 1 heiter

.. 8 Hamburg.. W 1 beiter winemünde SO. 4 bhalb bed. ¹) 19 NNO 2 wolkenlos 18

Neufahrwasser Memel.. NW Z wolkenlos 17

, SSW 1 wolkenlos 18 ünster S

2 halb bed. 19 Karlsruhe.. O 1 bedeckt²) 19 Wiesbaden

still bedeckt ³) 16 München. N

1 bedeckt) 18 Chemnitz. NW 2 halb bed. 20 Berlin.. S 2 bedeckt 22 Wien.. k WNW 3 beiter 21

Breslau... OSO 1 wolkenlos 18

5 d⸗Aix . 762 NO 3 wolkig 18 Fisd . ... 763 still wolkig 23

OVOꝙ́—

¹) Thau. 9 Gestern Vor⸗ und Nachmittags Regen. 2) Beflen mehrmals kurze Regen. ⁴) Nachts Pe. witterregen. Uebersicht der Witterung. Das barometrische Minimum, wellhes g über der Frischen See lag, ist westwärts

e8 ort⸗ geschritten, während ein Maximum sich westlich von

über Mecklenburg und dürfte in ihrer Umgebung demnächst Veranlassung zur Gewitterbildung geben. In Deutschland, wo stellenweise Regenfälle statt⸗ fanden, namentlich in den südlichen Gebietstheilen, ist das Wetter warm, im Norden meist heiter, im Süden meist trübe. Kiel, Hamburg und Bamberg hatten Gewitter. In Hamburg stie gestern die Temperatur auf 30, in Bamberg auf 31, in Chem⸗ nitz auf 32, in Berlin auf 33, in Magdeburg auf

34 Grad. Deutsche Seewarte. amxexIHUeFxmxhüw7ga. KxxxsmgreNaxr-e-SS

Theater⸗Anzeigen.

Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25.

Dienstag: Neu einstudirt: Die schöne Helena. Operette in 3 Acten von Meilhac und Halsvy. Deutsch von J. Hopp. Musik von Jacques Offen⸗ bach. Anfang 7 ½ Uhr.

Im Park: Großes Doppel⸗Concert, ausgeführt von der Berliner Concert⸗Kapelle, unter Leitung des Kapellmeisters Herrn Guthschmidt, und dem Orchester des Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theaters, unter Lei⸗ tung des Concertmeisters Herrn Stiemer. Auf⸗ treten des Damen⸗Terzetts Sylvia, der Soubrette Clotilde Kowala, der Sängerin Orosy und des Original⸗Gesangs⸗Humoristen Alfred Beuder. An⸗ fang 6 Uhr.

Um 10 Uhr: Die Fontaine lumineuse. In Berlin nirgends sonst zu sehen. Elektrische Illumination. Sämmtliche Sehenswürdigkeiten sind geöffnet.

Mittwoch: Die schöne Helena. Anfang 7 Uhr.

Im Park: Großes Doppel⸗Concert. Park⸗ Fest. Auftreten erster Gesangs⸗ und Instrumental⸗

Künstler. Anfang 6 Uhr.

Mittwoch: Gastspiel des Herrn Heinrich Bötel. Der Troubadour. (Manrico: Herr Bötel.)

Täglich: Vor, während und nach der Vorstellung Großes Concert im Sommer⸗Garten. Anfang Sonntags 4 Uhr, Wochentags 5 ½ Uhr 1

Virtoria-Thenter. Belle⸗Alliancestraße 7/8. Dienstag: Zum 53. Male mit vollständig neuer Aus⸗ stattung: Frau Venns. Modernes Märchen (großes Se mit Gesang und Ballet in 12 Bildern. Anfang 7 ½ Uhr.

Im Belle⸗Alliance⸗Garten:

Doppel⸗Concert. Concert der Oelsnitzer Bergkapelle, sächsischer Bergkapellmeister rig Fehelolinge Ilona Kis, Virtuosin auf dem Pedal⸗ Cymbel. Auftreten von Specialitäten ersten RNanges. Anfang 5 Uhr.

Brillante Illumination durch 25 000 Gas⸗

flammen. Mittwoch: Frau Venus. Anfang 7 ½ Uhr. Im Garten: Doppel⸗Concert. Auftreten von Specialitäten ersten Ranges. Anfang 5 Uhr.

Theater Unter den Linden. Dienstag: Böhmische National⸗Oper unter der Direction Ad. Baumann. Ensemble⸗Gastspiel. Zum 11. Male: Die verkaufte Braut. (Prodana nevesta.) Ko⸗ mische Oper in 3 Acten von K. Sabina. Deutsch von Max Kalbeck. Musik von Friedrich Smetana, in Scene gesetzt durch Herrn Jos. Smaha, Regisseur des Königlich böhmischen Landes⸗ und National⸗Theaters in Prag. Dirigent: Herr Ad. Cech, erster Kapellmeister des Kgl. böhm. Landes⸗ und National⸗Theaters in Prag. Tänze arrangirt von Herrn Aug. Berger, Balletmeister des Kgl. böhm. Landes⸗ und National⸗Theaters in Prag. Mit vollständig neuer Ausstattung an Decorationen, Costümen und Requisiten. Anfang präcise 7 ½ Uhr.

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Das Theater ist durch den neuen elektrischen Luftkühl⸗Apparat das bestventilirte in Berlin.

1“

32. Male: Der Schwiegerpapa. 3 Acten nach dem Französischen von O. Monvy. Musik von Alfred Strasser und Max von Weinzierl. Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Der Sommer⸗Garten ist geöffnet.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde,

Am Landes⸗Ausstellung Geöffnet von 12 —11 Uhr.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Elisabeth Bettge mit Hrn. Bürger⸗ Veisten Hermann Boye (Wespen bei Barby arby). Verehelicht: Hr. Hauptmann Telle mit Frl. Marie Mielke (Berlin). 1 eboren: Ein Sohn: Hrn. Wilhelm Grafen Pfeil (Windsgüt Hrn. Ottmar von Arnim (Blankensee bei Gerswa

mannswaldau). Eine Tochter: Hrn. Albrecht von Gadenstedt (Volkersheim). Hrn. Haupt⸗ mann Ernest von Ruville (Berlin). Gestorben: Hr. Pastor emer. Hermann Schwarzer Schweidnitz). Fr. General⸗Lieutenant Ida unin von Przychowski, geb. Nobbe (Erfurt).

Redacteur: Berlin: Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

J. V.: Siemenroth.

(1147 ½)

gesagt worden, daß ich doch nicht umhin kann, kurz darauf zurück⸗

8⸗Park (Lehrter Bahnhof).

lde, Uckermark). 8 Freiherrn von Zedlitz und Neukirch 8

162.

Deutscher Reichstag.

Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der ersten der Militärvorlage. Ueber die Reden der Abgg. Gröber und Dr. von Bennigsen, die zunächst das Wort hatten, ist bereits in der Nummer vom Sonnabend berichtet worden. Nach dem Abg. Dr. von Bennigsen nahm der Reichskanzler Graf von Caprivi das Wort, um auf die Ausführungen

Ich kann nicht umhin, dem Abg. Gröber ein paar Worte iu erwidern. Nicht auf den politischen Theil seiner Rede will ich ein⸗ gehen; dasselbe haben wir oft genug gehört auch von den Bänken der freisinnigen Volkspartei, von den Bänken der Socialisten. Er hat uns nichts Neues gesagt; es sind eben demokratische Anschauungen, etwas was mich nicht in Erstaunen setzt, seit wir in der Zwischenzeit mit Emphase haben verkünden hören, daß die demokratische Richtung

im Centrum zunimmt, und daß man in der Umwandlung von einer confessionell⸗kirchlichen in eine politisch⸗demokratische Partei begriffen ist. (Hört! hört!) Jawohl, meine Herren, ich berufe mich auf einen Bericht der „Kölnischen Volkszeitung“, nicht etwa der „Kölnischen Zeitung“, über eine zu Köln im Vietoria⸗Saale, ich glaube, am 28. Mai abgehaltene Versammlung. Also auf einen so demokratischen Ton war ich gefaßt. Der Herr Abgeordnete hat die Regierung angegriffen und sie als unehrlich bezeichnet in Bezug auf ihr Verhalten in der Deckungsfrage Der Vorwurf gilt mir und er würde mir schmerzlich sein, wenn ich seine Berechtigung zugeben müßte. Aber ich begreife nicht, wie man mein Verhalten als unehrlich bezeichnen kann, was darin besteht, daß ch Dinge nicht sage, die ich zum theil gar nicht weiß 3 daß ich andere Dinge nicht ausspreche, weil ich voraussehe, daß sie in unser öffent⸗ liches Leben, vor allen Dingen in unser Gewerbsleben Unruhe bringen könnten, Unruhe, die sich vielleicht hinterher als ganz überflüssig herausstellt. Vielleicht war der Ausdruck „nicht ehrlich“ eine Folge der zunehmenden demokratischen Richtung. (Heiterkeit.) Der Herr Abgeordnete ist auf eine Rede von mir zurückgekommen und hat gesagt, ich hätte damals die Menschen verspottet, die Nach⸗ richten über russische Dislocationen brächten und sich beunruhigten. Gespottet habe ich; aber ich habe gespottet über die Menschen, die ch beunruhigten; ich spotte immer über eine unnöthige Beunruhigung, vollends dann, wenn ich glaube, durch solchen Spott die Leute be⸗ ruhigen zu können. Ich glaube, daß mir das auch damals auf eine längere Zeit gelungen ist. Ich habe auch heute keine andere Absicht, und auch diese Vorlage hat nur die Absicht ich habe mich gestern des weitläufigen darüber geäußert —, zu beruhigen und nicht zu be⸗ unruhigen. 1 9 Der Herr Abgeordnete hat dann eine Behauptung aufgestellt, die auch in anderen Reden seiner Parteigenossen, wenn auch in anderer Form, inzwischen zu Tage getreten ist. Er hat heute hier gesagt un⸗ gefähr, er wolle unsere Staatsmänner dadurch vom Kriege abhalten, daß er ihnen nicht so viele Soldaten gebe. Und der Abg. Lieber hat der Zuversicht Ausdruck gegeben, unsere Soldaten und Offiziere würden um so eifriger sein, wenn sie einer Mehrzahl von Feinden gegenüber⸗ ständen; also auch er will weniger geben, und er hat, wenn die Zeitung, die mir vorliegt, richtig referirt, ein anderes Mal gesagt: je mehr Soldaten wir haben, je mehr werden todtgeschossen. (Heiterkeit.) Das ist allerdings ein so sonderbares Argument gegen das Soldatenhalten, wie ich nur je eins gehört habe. Man könnte etwa mit derselben Berechtigung folgern, daß, je mehr unsere Bevölkerungsziffer zunimmt, um so mehr auch die Todesfälle wachsen (Heiterkeit), und man könnte in der letzten Consequenz dieser Behauptung dahin kommen, daß man am liebsten eben gar keine Soldaten hielte, denn dann können auch keine todt⸗ geschossen werden, und ich glaube allerdings, daß diese letzte Consequenz auch ihre Vertreter findet. Es giebt eben eine Richtung, die unter llen Umständen und um jeden Preis den Krieg vermieden wissen will und die sich eben darum keine Sorge darüber macht, wie zukünftige Kriege von uns durchzuführen sein werden. In dieser Beziehung ist der Herr Abg. Gröber auch heute wieder auf die Frage von Quantität und Qualität zurückgekommen. Ich möchte nun nicht wieder einen längeren militärischen Excurs machen 1 aber über Quantität und Qualität ist so viel Falsches und Schiefes

zukommen. Es ist garnicht möglich, die Frage so zu stellen: Bist Du ein Anhänger der Quantität oder ein Anhänger der Qualität? Und so ist nachgerade die Frage zugespitzt worden. Jeder Soldat wird zugeben müssen, daß die Quantität ihre Grenze hat, und daß auch die Qualität ihre Grenze haben kann; daß bei ungenügender Quantität Erfolge nicht zu erzielen sind, lehrt jede Seite der Kriegs⸗ geschichte. Wir haben von Seiten der Socialdemokraten in der vorigen Sitzung Exemplificationen auf den spanischen Halbinselkrieg, auf den amerikanischen Krieg, gestern eine auf die Vendoͤe bekommen, um uns zu beweisen, was Milizen leisten können. Eine wie die andere dieser Exemplificationen ist grundfalsch, insofern als gerade diese drei Fälle genau das Gegentheil von dem beweisen, was die

Herren beweisen wollten. (Sehr richtig!) Ich will dem Herrn Liebknecht in Bezug auf die Vendée nur ins Gedächtniß zurück⸗ rufen, daß die ethischen Momente, die den Krieg in der Vendée so lange dauern machten, der Royalismus und der Katholicismus waren. Das aber beweisen diese drei Kriege evident, daß die Kriege um so blutiger, um so kostspieliger sind und um so länger dauern, je geringwerthiger die Truppen sind, mit denen sie ge⸗ führt werden. Wenn wir mit einer quantitativ ungenügenden Truppe nach Frankreich kommen und uns so verhalten, wie Herr Gröber das

vorschlägt, etwa eine Schlacht gewinnen und dann stehen bleiben wollten, so wuürde erstens das Stehenbleiben nicht von uns abhängen, sondern es würde von den Franzosen abhängen (Heiterkeit), und zweitens würde dies eine Art der Kriegsführung sein,

die in infinitum geht. Jeder Mensch, der sich schon ein⸗

1X1XX14X*¼*“ zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Montag, den 10. Juli

kommt zu dem Calcul, daß da ein folch todter Moment eintreten

kann, daß das aber militärisch das am wenigsten Wünschenswerthe

ist; daß das das ist, was den Krieg endlos in die Länge zieht, was die

Geldmittel, die der Krieg fordert, endlos erhöht, kann garnicht fraglich

sein. Nun möchte ich aber an einem Allen mehr oder weniger

erinnerlichen Beispiele zu zeigen suchen, daß auch die beste Truppe bei

ungenügender Quantität nicht im stande ist, einen endlichen Erfolg zu

erringen. Ich werde an die Schlacht von Vionville anknüpfen. Daß

wir damals eine Truppe hatten, so gut, wie die Welt keine hatte, wird

niemand bestreiten wollen; wir standen einer Truppe gegenüber,

die auch vorzügliche Eigenschaften hatte; in der Be⸗

waffnung waren verschiedene Nüancen vorhanden. Wir sind in die Schlacht von Vionville gegangen, und es haben von deutscher Seite theilgenommen 63 000 Mann gegen 113 000 Franzosen. Anhänger der Qualität und Gegner der Quantität sagen: Seht ihr, mit 63 000 Mann besiegtet ihr 113 000 Mann; wir waren 50 000 Mann schwächer. Richtig! Wie stead es nun aber am Abend von Vion⸗ ville? War da die deutsche Armee im stande, die Franzosen zu verfolgen und den Sieg auszunutzen? Wie documentirte sich denn der Sieg? Nicht etwa dadurch, daß wir die Franzosen von ihrem Boden her⸗ unterwarfen, sondern dadurch, daß sie es für gerathen fanden, zurück⸗ zugehen. Es verging der 17., und wir waren nicht im stande, am 17. die Franzosen anzugreifen, sondern mußten warten bis zum 18. Warum hatten wir am 18. Erfolg? Weil sich inzwischen durch das Hinzukommen deutscher Truppen das Zahlenverhältniß verschoben hatte, sodaß wir nun mit 187 000 Deutschen gegen 112 000 Franzosen standen. Wir würden also niemals einen vollen Erfolg durch Vion⸗ ville trotz des Sieges gehabt haben; wir hätten den Sieg niemals verwerthen können, wenn wir nicht in der Lage gewesen wären, nach zwei Tagen unsere Truppen so zu verstärken, daß wir nun ein Plus von 74 000 Mann auf unserer Seite hatten. Das beweist also, daß auch die beste Truppe, wenn sie dem Feind nicht überlegen ist an Zahl, Schwierigkeiten in der Ausnutzung ihres Erfolges haben kann. Wir würden niemals ein Gravelotte geschlagen haben, wenn wir nur die Stärke gehabt hätten wie bei Vionville, und niemals ein Sedan, wenn wir nicht so zahlreich gewesen wären, daß wir die fran⸗ zösischen Truppen, die uns zuletzt noch entgegentraten, umzingeln und zur Capitulation zwingen konnten. Ich meine, das Beispiel beweist, daß es hinfällig ist, über Qualität und Quantität zu streiten. Man kann an Ort und Stelle, wo die Entscheidung gegeben wird, niemals zu stark sein, man kann niemals zu stark sein im ganzen. Natürlich ist eine große Quantität schlechter Truppen, die nicht beweglich sind, die nicht voll ausgenutzt werden, nichts Wünschenswerthes. Eine verhältnißmäßig kleine gute Truppe wird eine größere schlechtere besiegen können; aber man wird nie die Berechtigung haben, zu sagen: wir wollen lieber wenig Soldaten haben, weil dann eben wenige todt geschossen werden können. Diese wenigen sind nicht im stande, das zu erreichen, was wir er⸗ reichen müssen, und das Urtheil aller militärischen Autoritäten geht dahin, daß wir nicht die Zahl haben, die wir brauchen, um einen Krieg erfolgreich zu Ende zu führen. Wir haben deshalb den An⸗ trag an Sie gestellt, die Zahl zu vermehren. Die verbündeten Re⸗ gierungen können von dieser ihrer Ueberzeugung nicht abgehen. (Leb⸗ haftes Bravo rechts.)

Abg. Preiß (Elsaß⸗Lothringer): Meine Freunde und ich sind nach wie vor Gegner der Militärvorlage; wir stimmen in den Grün⸗ den unserer Ableßnung im wesentlichen mit dem überein, was die Abgg. Payer und Gröber vorgebracht haben. Das Deutsche Reich ist mit seinen heutigen Streitkräften stark und mächtig genug, um sich mit Erfolg vertheidigen zu können. Man hat uns in der Presse und in regierungsfreundlichen Kreisen Slsa. Lothringens diese Stellungnahme gegen die Militärvorlage sehr übel genommen. Man hat uns in Privatgesprächen, in officiellen und ande⸗ ren Blättern mit Schimpfworten und Beleidigungen förmlich überschüttet und uns als Reichsfeinde und Landesverräther bezeichnet. Wir stimmen überein mit der Mehrheit des früheren Reichstags, vielleicht auch mit der Mehrheit dieses Reichstags, jeden⸗ falls mit der Mehrheit der Wähler und mit vielen preußischen, bayerischen und württembergischen Abgeordneten. Wir stimmen gegen die Vorlage aus volkswirthschaftlichen Gründen und wir erklären, alle Anfeindungen und Drohungen, von welcher Seite sie auch kommen

mögen, lassen uns vollständig kalt. 1b

p Abg. 1 B 6,9- (antisemitische Reformpartei): Uns ere Stellung zur Militärvorlage hängt ab von der Deckungsfrage. Wir geben gern zu, daß die Regierung uns in dieser Beziehung etwas entgegeng ekommen ist, aber wir müssen weitergehende Garantien seitens der Regierung verlangen. Wir haben mit der Wahlparole gesiegt: Die Soldaten müssen vom Volke, die Gelder für die Soldaten von den Reichen aufgebracht werden! Die gestrigen Erklärungen des Reichskanzlers haben uns nicht voll befriedigt. Klar war nur, was der Reichskanzler über die Börsensteuer gesagt hat; möge uns der Reichskanzler auch über das übrige eine klare Antwort geben, damit wir für die Vorlage stimmen können. Eine Bier⸗ und Branntwein⸗ steuer wollen wir nicht, darum mußten wir gegen die erste Militärvorlage stimmen. Wir wünschen keine neuen Consumsteuern; wir wünschen aber guc keine größeren Reichs⸗Anleihen. Die Schulden des Deutschen Reichs haben heute bereits eine Hohe von zwei Milliarden erreicht. Wir gerathen damit immer mehr in bhängigkeit von der Börse. Auch eine Vermehrung der Matricularbeiträge halten wir für unerträglich. Die Einzelstaaten sind verschuldet genög nn mit unge⸗ rechten Steuern überlastet. Ich erinnere nur an die Grundsteuer. Die seitherige Börsensteuer müßte nicht verdoppelt oder verdreifacht werden, sondern es müßten die ausländischen Werthe besteuert, eine Fetfstongfteas g eingeführt werden, damit aus der Börsensteuer wirklich etwas Erkleckliches herauskommt. Wir wünschen ferner eine Lurussteuer, eine Wehrsteuer. Vor allen Dingen fassen wir ins Auge den Plan einer progressiven Reichs⸗ Einkommensteuer. Ohne eine Reichs⸗Einkommenstéuer wird man alich in den einzelnen Staaten nicht eine gerecg⸗ Besteuerung der reichen Leute durchführen können. Als man in Preußen den reichen Leuten 1 % des Einkommens an Steuer auflegen wollte, da sprach man von einer Expropriirung des Vermögens! Die Reichs⸗Einkommen⸗ steuer müssen wir um so mehr ins Auge fassen, als noch eine ganze Reihe anderer Steuern besteht, die ungerecht sind, so zum Beispiel der Kaffeezoll. Von einer wirklich focialen Reform können wir nicht reden, wenn wir nicht das Anstauen der großen Kapitalien durch den Zinsgenuß unmöglich veceg und shes durch eine Steuer. Auf die Gefahr hin, als Socialist verschrieen zu werden, muß ich sagen: Wir müssen dahin kommen, daß die Groß⸗

1893.

Consumsteuern, welche die großen Massen treffen, vorgeschlagen empfiehlt ferner, den Bezug der Waaren vom Pro⸗ ducenten bei der Militärverwaltung zur Regel zu machen. Die Interessen der kleinen Städte müßte man auch bee indem man ihnen die Garnisonen nicht wegnimmt und an die Dislocation denkt. Einen Gedanken kann ich nicht unterdrücken, selbst wenn ich mich zustimmend zur Vorlage verhalten werde: daß es die letzte sein möge. Denn ich bin der Ansicht, daß der Reichstag sich viel u viel mit militärischen Dingen beschäftigt hat. Die traurige

e des Mittelstandes muß unsere Aufmerksamkeit in Anspruch eenen; denn woher sollen die Soldaten kommen, wenn der Mittel⸗ stand und das Landvolk zusammenbricht unter der Militärlast? Wir müssen eine Reform der Gesetzgebung, z. B. des Gerichtswesens, herbei⸗ führen. (Vice⸗Präsident Freiherr von Buol bittet den Redner, bei der Sache zu bleiben.) Wenn die Franzosen mit ihrer Leistungs⸗ fähigkeit zu Ende sind, dann können wir auch Frankreich gegenüber mit Rüstungen aufhören, und Rußland gegenüber müssen wir doch unsere Bundesgenossen in Rechnung stellen. Mit einem solchen Reiche wie Rußland können wir in Bezug auf die Zahl der zu stellenden Soldaten überhaupt nicht concurriren; da müssen wir auf die geistige Uebermacht unserer Soldaten vertrauen; das moralische Uebergewicht des einzelnen Soldaten ist doch schließlich im Kriege die Seelle Darin sind wir Rußland immer noch im Uebergewicht. Während gegen Rußland mehr Soldaten verlangt werden, verhandelt man über einen Handelsvertrag. Man schließt doch solchen nicht mit einem Feinde. Hoffentlich bekommen wir bald die Auskunft, daß aus dem russischen Handelsvertrag nichts wird. Zunächst ist es die Hauptaufgabe, unsere wirthschaftliche Gesetzgebung zu reformiren, da⸗ mit unser Volk nicht wirthschaftlich zu Grunde geht.

Reichskanzler Graf von Caprivi:

Der Herr Vorredner hat eine große Menge von Fragen angeregt, so groß, daß ich glaube, es würde die Arbeit von Hunderten von Beamten auf lange Zeit in Anspruch nehmen, um zunächst überhaupt nur klarzustellen, wie die Sachen liegen. Der Geist und die Phantasie eines Abgeordneten können schnell über die Dinge hinfliegen; die Regierung, wenn sie eine verantwortungsvolle Antwort geben soll, muß sich in die Frage vertiefen, sie kann nicht so leicht darüber hin⸗ fortgehen, sie muß Reserven machen, mindestens dahin, daß sie erst orientirt sein muß.

Was die Frage des Herrn Vorredners nach der Deckung angeht. so würde ich fürchten müssen, den Vorwurf, den der Herr Abg. Gröber mir gemacht hat, zu verdienen, daß ich unehrlich wäre, wenn ich jetzt eine andere Antwort geben wollte als die, welche ich gestern gegeben habe. Ich glaube aber auch: im wesentlichen kann sich der Herr Vor⸗ redner mit der gestrigen Antwort begnügen; V ich habe gesagt, was zu sagen ist, und ich möchte glauben, daß das wesentliche seiner Postulate in dieser Antwort erledigt worden ist. Es ist ja sehr wahr, wenn der Herr Vorredner sagt: die Reichen müssen herangezogen werden; aber ich könnte antworten: ja wohl, das will ich auch, wir würden aber vielleicht beide über den Begriff „reich“ uns in Differenz befinden. Es müßte, wenn ich er⸗ klären wollte: wir wollen die Reichen besteuern, erst festgestellt wer⸗ den: wer ist in diesem Sinne ein reicher Mann? Aber ch glaube: der Herr Vorredner hat keinen Grund, sich zu beunruhigen; ich stimme darin mit ihm überein, daß das Schuldenmachen, sowohl vom Reich, wie in anderen Verhältnissen, vom Uebel ist. Ob wir damit schon ganz werden aufhören können? Ich würde ein anderes Ziel vor diesem ins Auge fassen: die Schulden, die das Reich gemacht hat, allmählich zu amortisiren. 1

Auch in Bezug auf die Matricularbeiträge stimme ich dem Herrn Vorredner bei, und es ist ja öfter schon ausgesprochen worden, daß die Matricularbeiträge ein Uebelstand sind; daß man danach trachten müsse, sie zu beseitigen. Es ist nur auch hier über die Wahl der Mittel und Wege ein Einverständniß noch nicht vorhanden. Es ist aber auch schwer, abzusehen, wie die Sache dann zu machen ist. Es ist immer zu beachten, daß, selbst wenn man in gewöhnlichen Ver⸗ hältnissen die Matricularbeiträge beseitigt hat, in extremen Ver⸗ hältnissen ich will einmal sagen: im Kriege die Nothwendigkeit vorliegen kann, wieder darauf zurückzukommen. .

Ich kann an den Herrn Vorredner und seine Parteigenossen nur die Bitte richten, die ich gestern an das hohe Haus gerichtet habe: das Vertrauen zur Regierung zu haben, daß sie in dem gestern aus⸗ gesprochenen Sinne ihr Möglichstes thun wird, um die Deckungsfrage zu einer gedeihlichen Lösung zu führen. (Bravo! rechts und bei den Antisemiten.) 8 b s

Abg. Richter (freis. Vp.): Wir nehmen der Vorlage gegenüber versecben Standpunkt ein, 2* vor der Auflösung des Reichstags. Die Zahl meiner Gesinnungsgenossen kann nicht die mindeste Ein⸗ wirkung ausüben auf die Ueberzeugung in der Sache selbst. Ich finde es sehr erklärlich, daß die Herzehfig welche Erfolge bei der Wahl da⸗ vongetragen haben, seßt sich damit herauszustaffiren suchen; aber ich bitte sie, auch den A .Dy. von Bennigsen, darin nicht zu weit zu

ehen. Er hat Betrachtun en angestellt über die Verluste meiner

artei. Nun, die Nationalliberalen haben noch niemals die Probe darauf gemacht, was sie güberhe bei den Wahlen vermögen. Ich hätte sehen mögen, wo die Nationalliberalen gehlieben wären, wenn sie auf dem Standpunkt verharrt wären, den der Abg. Dr. von Bennigsen vor der Auflösung vertrat. Sie, haben sich aber rechtzeitig an die Seite der Regierung lancirt. Daher sind sie am allerwenigsten be⸗ echtigt, Betrachtungen über die Mißerfolge anderer Parteien anzu⸗ stellen Keine Partei ist so sehr wie wir dem Krieg mit zwei Fronten ausgefetzt 88 dem Ansturm der Socialdemokratie und der rechten Seite. Unser Verlust an Mandaten soll ein Triumph für die Militärvorlage sein! Die Mandate, die wir in großer Zahl an die Socialdemokraten verloren haben, beweisen höchstens, daß wir noch nicht scharf genug gewesen sind in der Opposition, daß wir der Re⸗ gierung noch zu weit entgegengekommen sind. Wenn wir Verluste erlitten haben, so söngen wir doch andererseits stolz darauf heh daß wir es verschmäht haben, an irgend ein Sonderin eresse im Wahlkampf zu appelliren, weder an die der Arbeiter, noch an die des Bundes der Landwirthe oder an⸗ derer Berufsklassen. Die Nationalliberalen haben keine Antwort gegehen auf die gerechten Angriffe des Abg. Paber, daß sie sich vor den Wahlen durch Kapitulationen an die Agrarier, den Bund der Landwirthe, ja sogaxr an die Antisemiten, wie die Wahl des Abg. Hasse beweist, deraccegglaggen haben, um sich von ihnen unterstützen zu 1as und ihre Mandate zu retten. Wir sind klein an Zahl aus dem Wahlkampf bervorgegangen, aber unhelastet dur Beri tungen 89 nüber Sonderinteressen. Die Frtossdh Fäles haben keine

kapitalien eines Bleichröder, eines Rothschild am Wachsen verhindert

mal mit der Möglichkeit eines Krieges gegen Rußland befaßt hat,

werden. Ich mache unser Einverständniß davon abhängig, daß keine

gege Natie Urfache, stolz zu sein, sie haben seit 1890 mehrere hunderttausend S . Die Zahl der Stimmen, die wir in der Haupt⸗