1893 / 257 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 26 Oct 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Kronland sich erstrecke. Der Minister des Innern Freiherr von Feilitzsch hielt die Erleichterungen, welche die Grenz⸗ bezirke bei der Vieheinfuhr genössen, für genügend; andere Landestheile seien gegen eine zu starke österreichische Vieh⸗ einfuhr. Sogar die Einfuhr von Fettvieh in großstädtische Schlachthäuser werde vielfach beanstandet. Er halte es daher für schwierig, dem Antrage Falge zu geben; im Bundes⸗ rath habe sich dafür keinerlei Neigung gezeigt. Die Theilung Ober⸗Oesterreichs in zwei Sperrbezirke, die vom Abg. Doppelhammer im oberösterreichischen Landtag beantragt worden sei, sei Sache der österreichischen Regierung; bevor diese gesprochen habe, könne die bayerische Regierung nicht Stellung nehmen. Die Abg. Sellner und Nißler waren im Interesse der Fernhaltung von Seuchen vom fränkischen Vieh gegen weitere Einfuhrerleichterungen. Der Antrag Pichler wurde in seinem ersten Theil abgelehnt, der zweite Theil an⸗ genommen.

In der vorgestrigen Sitzung des Fömagans, chusses wurde die allgemeine Erörterung über die Etats fortgesetzt. Der Abg. Maison (freis.) sprach sich für eine Weinsteuer auf der vom Finanz⸗Minister im Plenum erörterten Grundlage aus, ebenso für Werthbesteuerung des Tabacks und bezeichnete die Einwände gegen den russischen Handelsvertrag als nichtige; ein Nichtzustandekommen würde für Deutschland schlimme Folgen haben. Der Abg. Lerzer (Centr.) verwies auf die Börsensteuer. Er und der Abg. Orterer (Centr.) hoben die allgemeine Unzu⸗ friedenheit in Bayern und im Reich hervor. Der Abg. Orterer wünschte, daß die bayerische Regierung weitern Militär⸗ und Marineforderungen entgegentrete. Wenn der russische Handelsvertrag zum Nachtheil der Landwirthschaft abgeschlossen werde, sei dem Faß der Boden ausgeschlagen. Der Abg. Dr. Daller, der auch die Aufrechterhaltung der Staffeltarife beklagte, schloß sich diesen Ausführungen an. Der Minister⸗Präsident Freiherr von Crailsheim bemerkte:

Der Vorsitzende Dr. Orterer habe constatirt, daß eine weit⸗ gehende Unzufriedenheit im Lande herrsche; dies sei der Staatsregie⸗ rung schon bekannt gewesen, ehe es im Landtag betont worden sei. 88 dem Unbehagen hätten einigermaßen die eben beendeten

ahlkämpfe beigetragen. Der Hauptgrund liege allerdings in realen ö“ und dabei sei zu bemerken, daß die Industrie mit dem Wechsel der Dinge mehr vertraut sei, die Landwirthschaft diese weniger vertrage und deshalb mehr als jene klage. Im einzelnen halte er die Klagen der kleinen Städte über ihre Zurücksetzung für berechtigt, aber die Gründe hierfür seien so zwingender Natur, daß die Staatsregierung wenig dagegen thun könne. egen das Reichs⸗ seuchengesetz habe auch die bayerische Regierung Bedenken gehegt, namentlich die Bedürfnißfrage verneint, ausgenommen in Bezug auf die Cholera; aber die bayerische Regierung habe nicht soweit durch⸗ dringen können, wie sie gewünscht habe. Den russischen Handels⸗ vertrag anlangend, hätten schon einzelne Redner bemerkt, daß man keine Erklärung von ihm fordern könne. Jedenfalls seien die Befürchtungen vor den Folgen des russischen Handelsvertrags für die bayerische Landwirthschaft übertrieben. Die Aufhebung der Staffel⸗ tarife habe die bayerische Regierung leider nicht erlangen können. Die constitutionellen Bedenken des Abg. Wagner bezüglich der Ueber⸗ schüsse seien ganz unbegründet, die bayerische Regierung werde niemals gegen die Verfassung verstoßen. Der Abg. Dr. Daller habe unfreundliche Aeußerungen über eine befreundete Regierung gemacht; jedenfalls seien diese nur einer augenblicklichen Mißstimmung über die finanziellen Verlegenheiten des Landes entsprungen. Die des Abg. Dr. Daller zielten auf ein Bedauern der Auflösung des Deutschen Bundestags und der Gründung des Deutschen Reichs ab. Allein man dürfe doch die vielen und großen Segnungen nicht ver⸗ gessen, die Bayern aus seiner Zugehörigkeit zum Deutschen Reich ge⸗ wonnen habe. Auf den Vorwurf, daß die bayerische Regierung gr die Militärvorlage gestimmt habe, sei zu erwidern, daß die Militär⸗ organisation für absolut nothwendig erkannt worden sei, daß namentlich auch alle bayerischen Autoritäten diese Nothwendigkeit erklärt hätten. Die Militärvorlage habe den Zweck gehabt, im Falle eines Krieges die Offensive und die Verlegung des Krieges in Feindesland zu ermöglichen, deshalb hätten auch die Abgeordneten der Pfalz für die Militärvorlage gestimmt. Jedermann wolle Frieden halten, allein es könnten Fälle eintreten, in denen es auch dem gewiegtesten Staatsmanne nicht mehr möglich sei, den Krieg zu vermeiden. Deshalb habe Fürst Bismarck auf der Wiedergewinnung von Elsaß⸗Lothringen bestanden, und niemals werde Deutschland diese Provinzen wieder denn sie seien für eine erfolgreiche Kriegführung Deutschlands unentbehrlich. Kein Zweifel dürfe darüber bestehen, daß die Lasten der Militärvorlage nun auch getragen werden müßten. Sollte der Reichstag die nothwendigen Bewilligungen nicht machen, so bleibe nichts übrig, als daß die einzelnen Staaten 888 in Form von Matricularbeiträgen übernähmen, was freilich die drückendste 8 der Deckung jener Kosten sein würde. Einer Reichs⸗Einkommen⸗ teuer würde die bayerische Regierung niemals zustimmen. Den Klagen des Abg. Dr. Daller über das geringe Entgegenkommen Preußens ständen die Klagen der preußischen Presse direct entgegen; habe es doch geheißen: das Reich werde von Bayern regiert. Bayern entwickle eine sehr fruchtbare Thätigkeit im Bundesrath. Die bayerische Regierung wünsche die Wieder⸗ zulassung der Redemptoristen; diese Frage sei aber eine reine Rechtsfrage, und zwar über die Auslegung des sog. Jesuitengesetzes; die preußische Regierung sei in dieser Frage anderer Meinung als die bayerische. ie Verhandlungen über den Hausirhandel seien noch in der Schwebe, da inzwischen auch der Reichstag sich mit dieser Frage beschäftigt habe. Der Rückgang der Eisenbahnrente sei durch die nothwendige Vermehrung der Ausgaben hervorgerufen worden, namentlich durch die Vermehrung des Dienstpersonals, Herabsetzung der Dienstzeit, Vermehrung der Züge, des Wagenparks u. s. w. Die Zukunft der bayerischen Eisenbahnen sei im Augenblick vollkommen beruhigend, übrigens rührten die bisherigen Ueberschüsse vollständig von dem Erträgnisse der Eisenbahnen her. Die Frage der Personen⸗ tarife werde noch speciell erörtert werden; einer generellen Herabsetzung der Personentarife habe der vorige Landtag nicht zugestimmt und eine allgemeine Vereinbarung unter den Eisenbahnverwaltungen sei bisher nicht zu erreichen gewesen. Die Situation sei zwar nicht erfreulich, 1 nicht bedrohlich, und zu einer Befürchtung sei kein Grund gegeben.

Der Finanz⸗Minister Dr. Freiherr von Riedel äußerte:

Die Frage der Ueberschüsse habe er bereits bei seiner Budgetrede enügend behandelt. Es würde freilich das Beste sein, das Budget o zu gestalten, daß nur ein ganz kleiner Ueberschuß der Einnahmen über die Ausgaben bestehen bleibe. Allein die Ergebnisse des Staats⸗ haushalts in seinen einzelnen Zweigen seien so schwankend gewesen, daß dies vnmnhhc vorauszusehen gewesen sei. Die Eisenbahnrente habe 1889 47 Millionen, 1892 nur 35 Millionen betragen, die Ge⸗ bühren hätten 1889 16 Millionen, 1892 13 Millionen ergeben, der Antheil Bayerns an den Zöllen habe 1888 17, 1890 29 Millionen betragen; die Forstrente habe 1889 14, 1890 16 Millionen betragen, die aline habe 1890 1 Million, 1892 4 Mil⸗ lionen abgeworfen. Wer habe diese Schwankungen voraussehen können? Diese Erscheinungen hätten ihren Grund in den Fluctuationen des großen Verkehrs, es gehe bei diesen Handelsgeschäften, die der Staat nolens volens treiben müsse, wie bei den Privatgeschäften, in denen auch eine Fahxit in einem Jahre gar keine, in dem darauf⸗ folgenden eine große Rente abwerfen ktönne. Zu einer Steuerreduction sei es um deswillen nicht gekommen, weil zunächst eine größere Schuldentilgung vorgenommen worden sein würde, wenn man die Ueberschüsse hätte voraussehen können. Die Resernng habe alles gethan, um die Deckungsmittel für die ilitär⸗

lage zu gewinne Die Klage über die Schwankungen

infolge der Unsicherheit des Reichs⸗ haushalts sei vollständig begründet, aber diese Schwan⸗ kungen seien nicht erst durch die Militärnovelle hervorgerufen worden, sfondern seien in früheren Jahren ebenso vorhanden gewesen. Das Bestreben der bayerischen Regierung sei dahin gerichtet, diese Schwankungen möglichst zu beseitigen. Der einzelstaatliche Finanz⸗ Minister habe die Pflicht, dahin zu trachten, daß das Land, dessen ihm anvertraut seien, am Pafigster bei der Gestaltung des

eichshaushalts wegkomme; dieses Bestreben hätten naturgemäß alle einzelstaatlichen Minister. Der Gedanke, die Franckenstein'sche Clausel aufzuheben und dadurch dem Reich weitere Einnahmen zu sichern, sei nicht weiter verfolgt worden. Geplant sei, dem Reich durch neue Steuern solche Einnahmen zu sichern, daß kein Steigen der Matrikular⸗ beiträge möglich sei, eine gewisse Quote zur Schuldentilgung und eine Reserve für Nothjahre übrig bleibe. Werde dieser Plan durchgeführt, so bekämen die Finanz⸗Minister „ein festeres Rückgrat“, das heißt die Sache begünstige ein größeres Sparen im Reich. Die Mittel zur Durchführung dieses Planes sollten 1) durch eine sogenannte Börsen⸗ steuer gewonnen werden, 2) durch die Tabackfabrikatsteuer, die sehr viele Vorzüge vor der bisherigen Gewichtssteuer habe; von dem Taback⸗Monopol könne keine Rede sein, diesem habe sich die bayerische Regierung früher widersetzt und werde sie sich immer widersetzen. Der Entwurf sehe eine sehr starke Besteuerung ausländischer

abrikate vor, das komme dem einheimischen Fabrikanten zu gute; die

teuer solle erst erhoben werden, wenn das Fabrikat in den Consum übergehe; und endlich gestatte der Entwurf eine sehr starke Ab⸗ stufung nach dem Werth. Der kleine Mann werde nicht besonders getroffen werden, der geringste Rauchtaback werde garnicht und die nächstfolgenden Sorten sehr gering besteuert werden. Das werde niemand behaupten, daß man immer Cigarren rauchen müsse; man könne manchmal mit einer Pfeife Taback, der ungleich billiger sei, ab⸗ wechseln. Die Herren, denen es ernsthaft darum zu thun sei, den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen und den Reichshaushalt auf die Dauer zu sichern, möchten ihren Einfluß aufbieten, daß die neuen Reichssteuern zu stande kämen. Die Weinsteuer be⸗ treffen, sage er ganz offen, er sei zuerst erschrocken, als dieses Steuerproject aufgetaucht sei. Die bayerische Regierung habe auch als Vorbedingung gestellt, daß der Weinbauer seinen Haustrunk frei behalten müsse und in keiner Weise belastet oder geschädigt werde. Aber dem Gedanken, daß, nachdem der Branntwein und das Bier so hoch besteuert worden seien, auch der Wein, „das Getränk der reichen Leute“, besteuert werden müsse, könne man sich nicht verschließen, und in der öffentlichen Meinung finde dieser Gedanke auch fort und fort Ausdruck. Die Weinbaugegenden brauchten keine so großen Befürchtungen zu hegen, der Entwurf habe eine Reihe von Bestimmungen, die den Weinbauern recht an⸗ genehm sein würden. Selbstverständlich müsse man der Kunstwein⸗ erzeugung sehr ernstlich zu Leibe gehen, und das werde auch geschehen. Nicht zu verkennen sei, daß die Weinsteuer sehr große Schwierigkeiten biete, wenn die Steuer ein erhebliches Erträgniß liefern solle. Dem Weinbauer jedoch werde keine besondere Belästigung auferlegt werden. Eine gewisse Selbständigkeit im eigenen Haushalt und kein zu großer Druck in der Steuererhebung, das seien die Ziele, die jetzt erreicht werden müßten und erreicht werden könnten, wenn Jeder, dem die Interessen des Reiches und des Landes am Herzen lägen, nach seinem Berufe dazu mitwirke.

Die weitere Berathung wurde darauf vertagt.

In der gestrigen Sitzung legte der Finanz⸗Minister Dr. Freiherr von Riedel die einzelnen voraussehbaren Möglich⸗ keiten dar, die Kosten des Reichsmehrbedarfs zu decken. Keines⸗ wegs werde das Budget Bayerns gestört werden. Die Börsensteuer könne sofort Erträgnisse liefern. Wenn der

anze Reichsfinanzplan durchgehe, erhalte Bayern im ahre 1894 schon soviel Ueberschüsse, daß sein Zuschuß zum Reich für 1893 wiederersetzt sei.

Hessen. Der Großfürst und die Großfürstin Sergius sowie der Großfürst Paul von Rußland sind nach der

des bayerischen Budgets

„Darmst. Ztg.“ vorgestern von Darmstadt nach Paris abgereist. 8 *

..““ SDesterreich⸗Ungarn. 8 Das österreichische Abgeordnetenhaus setzte gestern

u

die erste Lesung der Wahlreformvorlage fort. Der jung⸗ czechische Abg. Kramarz sprach sich, wie „W. T. B.“ berichtet, für die Regierungsvorlage aus. Der Abg. Graf Wurmbrand meinte, die ländliche Bevölke⸗ rung lehne das allgemeine Wahlrecht ab, da sie eine Ueberfluthung durch die Socialdemokratie befürchte. Der altczechische Abg. Fanderlik erklärte, das czechische Volk werde der Regierung für die Einbringung der

ahlreform dankbar sein. Der Abg. Prade bezeichnete die Regierungsvorlage als unzureichend und sprach sich gegen den Antrag Baernreither aus. Die Debatte wurde sodann auf Freitag vertagt.

Der Wehrausschuß hat die Landwehrnovelle un⸗ verändert angenommen.

Bei den gestern vorgenommenen Ergänzungswahlen für das Prager Stadtverordneten⸗Collegium wurden 16 Altczechen und 13 Jungczechen gewählt. 4 Stichwahlen sind erforderlich.

Frankreich.

Die Münzconferenz hat gestern ihre Sitzungen wieder aufgenommen. Die auswärtigen Delegirten gaben, wie „W. T. B.“ meldet, von den Ansichten ihrer Regierungen über die vorbehaltenen Punkte Kenntniß. Sodann wurde über die Fristen berathen, die dem Publikum für die Ein⸗ ziehung der italienischen Scheidemünze zu bewilligen sind. Die nächste Sitzung findet heute statt.

Der russische Botschafter Baron von Mohrenheim ist gestern Abend von Paris nach Toulon abgereist.

Der Zug mit den russischen Offizieren kam gestern Vormittag 9 Uhr 50 Minuten in Lyon an. Die Offiztere wurden am Bahnhof von den Civil⸗ und Militärbehörden empfangen und von einer dichtgedrängten Menschenmenge mit lauten Zurufen bewillkommnet. Der Präfect tauschte mit den Offizieren einige Begrüßungsworte aus. Die russischen Offiziere begaben sich dann zu Wagen durch die vom Publikum auf beiden Seiten dicht besetzten Straßen nach dem Stadthaus und waren auf dem ganzen Wege der Gegenstand begeisterter Ovationen. Ueberall wurde ge⸗ rufen: „Es lebe Rußland!“ „Es lebe der Zar!“ „Es lebe der Admiral!’“ Im Stadthause bewillkommnete der Maire den Admiral Avelane und stellte ihm den Gemeinderath sowie eine große Aaeht vhürdnnengen. die Geschenke über⸗ reichten, vor. egen Mittag begaben sich die Municipal⸗ räthe mit den Gästen nach der Präfectur, woselbst das Dejeuner eingenommen wurde, bei dem der Präfect einen Trinkspruch 81 den Kaiser von Rußland aus⸗ brachte und darin hervorhob, der lebhafteste Wunsch der arbeit⸗ samen Bevölkerung Lyons sei der Friede, welcher den Segen ihrer Arbeit sichere. Der Admiral Avelane dankte für den sympathischen Empfang und trank auf das Gedeihen und den

suspendirt worden.

Ruhm Frankreichs. Nach dem Dejeuner begaben sich die Theilnehmer nach einem Park, wo ein Ehrentrunk dargeboten wurde und gegen 150 Vereine defilirten. Nachmittags fand im Stadthause ein Bankett statt, woran 400 Personen theil⸗ nahmen. Der Maire toastete auf den Kaiser von Rußland und die Kaiserliche Familie und hob hervor, die Feste, die den Offizieren des russischen Geschwaders auf ihrer Reise bereitet würden, trügen einen friedlichen Charakter. Sie seien eine große Kundgebung für den Frieden, der die Wohl⸗ thaten der Civilisation sichere. Der Admiral Avelane er⸗ widerte, in Rußland gelte Lyon für die bedeutendste Industrie⸗ stadt, er trinke auf die Municipalität sowie die Bürgerschaft Lyons und auf den Präsidenten Carnot. Nach dem Bankett fand eine von der Presse ver⸗ anstaltete Galavorstellung im Grand Théägtre statt, deren Erträgniß für die Hinterbliebenen der mit der „Russalka“ zu Grunde gegangenen Seeleute bestimmt ist, worauf die russischen Offiziere um 12 ½ Uhr Nachts die Reise nach Toulon fortsetzten. Während des Aufenthalts in Lyon und bei der Abreise wurden den russischen Offizieren enthusiastische Kundgebungen dargebracht.

Wie der garo“ meldet, ständen an der Südgrenze Algeriens 3000 Mann französischer Truppen, darunter zahl⸗ reiche Kameelreiter, um gegebenen Falls die Tuat⸗Oasen zu besetzen. Die Truppen würden bis Insalach vorrücken, wo eine starke Garnison zurückbleiben solle. Vorläufig seien indessen die bereits begonnenen Truppenbewegungen infolge der Beschlüsse des Ministerrathes aus diplomatischen Gründen

4 Italien. Die gestrige Beisetzung des verstorbenen großbritannischen

Botschafters Lord Vivian gestaltete sich, dem „W. T. B.“ zu⸗

folge, ungemein großartig. Der Zug bewegte sich langsam durch eine ungeheure, aus allen Theilen der Stadt herbei⸗ geströmte, überall Spalier bildende Menschenmenge. Die Fenster und Balcone der Häuser waren mit Flaggen ge⸗ schmückt und dicht von Menschen besetzt. Der Zug wurde von einer Escadron Carabinieri eröffnet, dieser folgten das diplomatische Corps und dann der Leichenwagen. Die Enden des Bahrtuchs hielten der Minister der auswärtigen Ange⸗ legenheiten Brin, die Botschafter Deutschlands, Oesterreich⸗ Ungarns, Spaniens, Frankreichs, Rußlands und der Türkei, der Ober⸗Ceremonienmeister sowie Vertreter des Senats und der Kammer. Unmittelbar hinter dem Leichenwagen schritt der Sohn des Verblichenen, zu seiner Rechten der Kron⸗ prinz, als Vertreter des Königs Humbert, und der Oberst Slade, als Vertreter der Königin Victoria. Dann folgten das britische Hotsche ebetszce⸗ er Admiral Seymour mit drei Offizieren des britischen Geschwaders, eine Gruppe Minister, Senatoren, Deputirter, darunter Crispi, und hoher Staatswürdenträger, Mitglieder der drei Clubs: „Savoia“, „Vittorio Emanuele“ und „Fratellanza militare“, zwei Wagen mit Kränzen, unter denen sich einer des Königs Humbert und einer der Königin Victoria befand. Eine Abtheilung Artillerie schloß den Zug. 8 Belgien.

Der mit Prüfung des Wahlgesetzentwurfs beauf⸗ tragte Ausschuß der Kammer hat, wie die „Köln. 8 er⸗ fährt, in seiner heutigen ersten Sitzung mit 7 gegen 3 Stimmen das wahlfähige Alter für die Senatswahlen auf 30 Jahre festgesetzt. Der Antrag eines Mitgliedes: den von ihren Frauen geschiedenen Bürgern, die dem Entwurf zufolge die Zusatzstimme der Familienväter verlören, das doppelte Stimm⸗ recht zu belassen, wenn ihnen durch gerichtliches Urtheil die Kinder zugesprochen worden seien, Stimmen abgelehnt.

Amerika. Der Senat hat gestern eine Resolution angenommen,

worin der Regierung Dank ausgesprochen wird für die Be⸗

1heg des Auslandes an der Weltausstellung von Chicago. ie „Times“ erfährt aus Philadelphia, die für die Auf⸗ veees. der Shermanacte günstigen Aussichten würden esonders der Thatsache zugeschrieben, daß Präsident Cleveland sich den Republikanern angeschlossen habe. Außerdem sei ein neues Project Sherman’s angekündigt worden, das die Ausgabe von Obligationen vorsehe. Die bo⸗ fnnihgn Demokraten des Südens hätten hierauf beschlossen, ihre Obstruction aufzugeben. Aus New⸗York wird dem „Standard“ berichtet, daß das Haus der Repräsentanten eine Vorlage angenommen 85 die bestimme, daß alle Offiziere amerikanischer Dampfer, einschließlich der Maschinbten, amerikanische Bürger sein müßten.

In Paris eingetroffene Briefe aus Rio de Janeiro melden, daß ein Decret des Generals Peixoto die den Frem⸗ den garantirten Freiheiten beschränke.

Aus Buenos Aires wird gemeldet, der Präsident beabsichtige, die Provinzen zu he en Die Commission der Kammer sei dem Project der Schuldregulirung nicht günstig gesinnt.

Nr. 43 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen

Gesundheitsamts“ vom 25. Oktober hat folgenden Inhalt: Gefundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten (Cholera 8 Sterbefälle in deutschen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Witterung. Grundwasserstand und Boden⸗ wärme in Berlin und München, September. Zeitweilige Maß⸗ regeln gegen Cholera ꝛc. Desgl. gegen Gelbfieber. Gesundheits⸗ stand in Mähren 1891. Gesetzgebung u. f. w. (Deutsches Reich.) Leichenpässe. (Preußen, Berlin.) Abfallstoffe. (Sachsen.) Trichinen⸗ krankheit. (Sachsen⸗Altenburg.) Droguenhandlungen. Apotheker⸗ lehrlinge. (Oesterreich.) Viehverkehr mit dem Deutschen Reich. (Salzburg.) Aerztekammer. (Ungarn.) Lungenseuche der Rinder. (Schluß). (Niederlande.) Sesac gan. der Medizinalpersonen. 7. Gang der Thierseuchen im Deutschen Reich, September. Desgl. in Italien, 2. Vierteljahr. Desgl. in der Schweiz. Desgl. in Fenlegecc. Zeitweilige Maßregeln gegen Thierseuchen. (Deut 5 Reich.) Rechtsprechung. (Landgericht München II und Rei 8 ericht.) Verstärkung einer Mineralguelle durch Beimischung xS- Wasser und Chemikalien. Verhandlungen von scleho gen 8 ) Körperschaften, Vereinen, Congressen u. s. w. (Deutsches Re⸗ 52 7. Plenarversammlung des deutschen Veterinärraths. Vermisch

Hefterreich. Mähren.) Gemeinde⸗Sanitäts⸗Organisation.

chenkliste. 1b

umfangreichen

dienstvolle Werk des Dr. Lewinski zu Straßburg: „Die

wurde mit 6 gegen 4 8 Herr Gra

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung. 1“

Der socialdemokratische e in Köln nahm gestern den Bericht über die parlamentarische Thätigkeit der socialdemokratischen Reichstagsfraction entgegen, den der Reichstagsabgeordnete Singer erstattete. Im Anschluß an seinen Vortrag wurde folgende Entschließung angenommen:

Der Parteitag hat keine Veranlassung, gegen die verflossene Thätigkeit der socialdemokratischen Reichstagsfraction Erinnerungen zu erheben; er heißt daher die Thätigkeit gut und fordert die social⸗ demokratische Fraction auf, auch ferner mit allen Kräften die Interessen des Proletariats zu vertreten, geleitet von dem Grundsatz, daß die parlamentarische Thätigkeit stets Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck sei.

Die bei diesem Gegenstand der Tagesordnung verhandelten Anträge sind zumeist von geringer Bedeutung; über einen An⸗ trag, daß von den socialdemokratischen Reichstagsabgeordneten immer nur ein Bruchtheil in den Sitzungen anwesend sein sollte, ging man zur Tagesordnung über. Angenommen wurde der Antrag: die socialdemokratische Fraction des Reichstags sole baldmöglichst einen Antrag auf Beseitigung der jetzt be⸗ tehenden Vereins⸗ und Versammlungsgesetze einbringen. In der gestrigen Nachmittagssitzung stand die Maifeier zur Ver⸗ über die Herr Liebknecht berichtete. Eine von

hhm vorgeschlagene Entschließung empfiehlt, daß nur diejenigen Arbeiter und Arbeiterorganisationen, die ohne Schädigung der Arbeiterinteressen dazu im stande sind, neben den anderen Kundgebungen den 1. Mai auch durch die Arbeitsruhe feiern.

Zum Ausstand der englischen Grubenarbeiter schreibt man der „Köln. Z.“ aus London:

Alle Welt beeilt sich jetzt, die Keller mit dem für den Winter nöthigen Kohlenbedarf zu versehen; infolge dessen steigen die Kohlenpreise wieder. 40 Dampfer mit Ladungen von etwa 43 000 t sind seit Freitag in die Themse eingelaufen. Nur wenige Tonnen dieser großen asse wurden an das Publikum verkauft; der größte Theil war von den Gasgesellschaften bestellt worden. In Warwickshire sind nun alle Bergleute, mit Aus⸗ nahme von etwa 300, wieder an der rbeit. Der Ver⸗ treter der dortigen Grubenarbeiter berechnet, daß der Ausstand in diesem Bezirk allein den Arbeitern 50 000 Pfd. Sterl. in Löhnen, den Grubeneignern 200 000 Pfd. Sterl. gekostet habe. In St. Helens, wo letzte Woche bedenkliche Unruhen vorkamen und der Versuch gemacht wurde, das Haus eines mißliebigen Arbeiters in die Luft zu sprengen, ist die Lage so unbefriedigend und die Stimmung unter den Leuten so aufrührerisch, daß die Polizei durch 65 Mann aus der Nachbarschaft verstärkt worden ist. In Pinxton entschlossen sich 50 Mann, die 15 % Lohnherabsetzung anzunehmen und wieder anzu⸗ fahren; die Gruben⸗Directoren nahmen dieses Anerbieten an und wandten sich daraufhin an die Behörden mit der Bitte, Truppen zum Schutz der Arbeitenden nach Pinxton zu senden. In den Kohlenbergwerken von Hemsworth wurde gestern, wie „W. T. B.“ meldet, die Arbeit zu den früheren Lohnsätzen wieder aufgenommen, wodurch 800 Bergleute Beschäftigung erhalten.

Kunst und Wissenschaft.

Verein für Geschichte der Mark Brandenburg.

Sitzung vom 11. Oktober 1893.

Herr Professor Dr. Schmoller eröffnete die Sitzung mit einem

8

Nachruf an den am 6. August d. J. zu Dresden verstorbenen Frei⸗

„Familiengeschichte und namentlich einer auf urkund⸗ lichem Materia iographie seines Ahnherrn, des Feld⸗ marschalls Ernst Albrecht von Eberstein, des Siegers von Nyborg. Herr Amtsrichter Dr. Holtze besprach das soeben erschienene ver⸗ Branden⸗ burgische Kanzlei und das Urkundenwesen unter den beiden Ersten Hohenzollernschen Markgrafen (1411 bis 1470)“ und zeigte, wie dieses Buch zur Berichtigung, Ergänzung und Erklärung vieler Stellen der betreffenden Abschnitte des Riedel'schen Codex eeeet ttscgt Brandenburgensis zu dienen geeignet sei. ß

herrn Louis Fenatna von Eberstein, den Verfasser einer

Lippe⸗Weißenfeld schilderte, wie König Friedrich der Große nach beendetem siebenjährigen Krieg nach Berlin heim⸗ kehrte, das er seit dem 12. Januar 1757 nicht gesehen hatte. Der ihm hier von der Bewohnerschaft vorbereitete feierliche Empfang fand nicht in der von ihr gehofften Art statt, weil der König erst in später Abendstunde (zwischen 8 und 9 Uhr) eintreffen konnte; auch war das Wetter am 30. März 1763 ein sehr kaltes, unfreundliches. Der Monarch kam an diesem Tage aus Schlesien in Frankfurt an, be⸗ sichtigte das Kunersdorfer Schlachtfeld und hatte dann in Tasdorf mit dem Niederbarnimschen Landrath eine lange Unterredung wegen der Kriegsschäden dieses Kreises. Schon am 10. März schrieb der Königliche Herr seinem gelehrten Freunde Marquis d'Argens, daß ihm die Ankunft in Berlin erst zwischen 7 und 8 Uhr Abende möglich sei. Es scheint, der ungeduldig den König er⸗ wartende d'Argens habe auf dessen Ankunft um 2 Uhr gerechnet, und derart sei wie ein Hruss.

an der nicht programmgemäß gelungenen, aber

überaus glanzvollen und höchst freudigen Bewillkommnungsfeier⸗ lichkeit sich ausdrückt „das Verhängniß“ entstanden, welches Ramler veranlaßte, in einer „Der Triumph“ betitelten Ode zu sagen: .. . Siehe, Er lenkt unsern Ehrenbogen aus und unseren gold⸗ behangten Rossen, und besteigt den prahlenden Wagen nicht.“ So berichtet der Dichter. In Wirklichkeit aber lenkte Friedrich dem vor dem Frankfurter Thor erbauten, mit Ramler's lateinischen Inschriften gezierten Triumphbogen nicht aus, sondern wurde hier vom gesammten Magistratscollegio, „ehrerbietigst empfangen und be⸗ willkommnet“. Stets allen Ceremonien abhold, bestieg der philo⸗ sophische König freilich vor seiner Einfahrt in die Landeshauptstadt am 30. März 1763 keinen „prahlenden Wagen“. Er blieb in der Reisecarosse, in Gesellschaft seines Schwagers, des Feldmarschalls Herjog Ferdinand von Braunschweig und des enerals von entulus. Die „angesehensten“ Berliner Kaufleute, prächtig uni⸗ formirt und mit Hutkokarden, auf denen in Gold gestickt: „Vivat Fridericus Magnus“ zu lesen war, escortirten den Königlichen Wagen. Die beiden Führer der französischen Freiwilligen⸗Compagnie hatten die Ehre, Seiner Majestät eine prächtig eingebundene Ode überreichen zu dürfen. Andere sannnec hecs „zu deren Ueber⸗ gabe es zu spät geworden“, nahm der Monarch am nächsten Vor⸗ mittag huldreich entgegen. Als die beim Schein von Wachsfackeln dem Wagen des Königs folgenden festlich geschmückten, von vielen Postillons und Postbeamten b Bürgercompagnien beim König⸗ lichen Schlosse angekommen, stimmten sie zu wiederholten Malen ein frohes „Vivat der König!“ an. Der wirkliche Verlauf des in mannig⸗ altiger, kostbarer und herzlich gemeinter Art vorbereiteten triumpha⸗ lischen Einzugs des Königs in seine Hauptstadt am 30. März steht nicht im Einklang mit der Legende, welche aus oben erwähntem Klage⸗ lied Ramler's sich entwickelt hat. Herr Dr. Immich sprach im Anschluß an zwei in den letzten Jahren erschienene Arbeiten über die efangennahme des Finck'schen Armee⸗Corps bei Maxen. Nach den jetzt voll tändig vorliegenden Briefen des Königs kann über den Zweck, den Friedrich mit der Entsendung Finck's verfolgte, kein Zweifel mehr bestehen. König Friedrich hoffte durch das nach Maren vor⸗ geschobene Corps der österreichischen Armee auf dem sicher erwarteten Pückan e nach Böhmen noch erheblichen Schaden zufügen zu können. ie C Behauptung, General Finck habe von vorn⸗ erein die mit diesem Unternehmen verbundene Gefahr erkannt und ich anfänglich geweigert, Friedrich's Befehl auszuführen, ist unrichtig; sünd ielt ebenso wie der König die Position von Maxen für zu sänck, als daß sie überhaupt von den Oes angegriffen werden unte. Unberechtigt sind auch zum großen Theil die Vorwürfe, welche

Finck wegen seines Verhaltens in den Tagen vor der Katastrophe gemacht wurden; was er that, entsprach den Wünschen des Königs, und, wenn man von einer Schuld reden will. trifft sie Friedrich mindestens ebenso wie seinen General. Ueber die wichtige frage nach der Stärke des preußischen Corps geben die isherigen Untersuchungen keine genügende Auskunft. Die Angaben einer bald nach der Capitulation von österreichischer Seite veröffent⸗ lichten Liste der Gefangenen wurden in einer preußischen Gegenschrift als zu hoch bestritten und sind infolge dessen nicht weiter beachtet worden. Eine genaue Nachprüfung macht es Pundeß in hohem Grade wahrscheinlich, daß jene Zahlen durchaus auf Wahrheit beruhen, und die Stärke des preußischen Corps ist daher höher anzusetzen, als es bisher geschah. Gegenüber einem neuerdings gemachten Versuch, nn8 Entschluß zur Capitulation aus der Hoffnung auf Gewährung reien Abzugs zu erklären und zu rechtfertigen, betonte der Vortragende, daß Finck diesen Gedanken in Wirklichkeit nicht gehabt hat, auch nach Lage der Dinge nicht haben konnte. Finck fa vielmehr, wie si aus seinen eigenen Worten ergiebt, sehr wohl ein, daß ihm nur die Wahl zwischen der Kriegsgefangenschaft und einem Ver⸗ zweiflungskampf frei stand; er erwählte erstere, um seine Truppen für die Zukunft zu bewahren, um sie nicht nutzlos aufzuopfern. Er stand auf demselben Standpunkt wie die so viel getadelten Generale von 1806 und 1807; fast derselben Worte bediente sich Fürst Hohenlohe zur Entschuldigung der Prenzlauer Capitulation. Niemals ist aber eine solche Denkungsart als berechtigt anerkannt worden; denn auch der Kampf ohne Aussicht auf Sieg, der e nur um seiner selbst willen bleibt eine That von hohem kriegerischen Werth und ist keines⸗ wegs nutzlos, schon des moralischen Eindrucks halber, den ein Widerstand bis zum äußersten und auf der anderen Seite eine Capitulation hinterlassen muß. Finc⸗ Verfahren, so begreiflich es auch ist, blieb doch ein gefährliches Beispiel für die Zukunft. So erklärt es sich, weshalb König Friedrich so streng gegen Finck vorging, dem er bis dahin ein unbegrenztes Vertrauen geschenkt hatte, weshalb er dagegen einem Diericke und einem Fouqué, die in ähnlich verzweifelter Lage wie Finck den Kampf der Gefangenschaft vorzogen, die höchste Anerkennung zollte. Herr Professor Dr. Brecher berichtete über die diesjährige, in Stuttgart abgehaltene Generalversammlung des Gesammtvereins der deutschen Geschichts⸗ und Alterthumsvereine.

Dem ordentlichen Professor an der Universität München, Geheimen Rath und Ober⸗Medizinal⸗Rath Dr. von Pettenkofer ist, wie die Münchener „Allg. Ztg.“ mittheilt, die Function eines Präsidenten der Königli Bayerischen Akademie der Wissenschaften und die hiermit verknüpfte Function eines General⸗ Conservators der wissenschaftlichen Sammlungen des Staats auf die Dauer von weiteren drei Jahren übertragen worden.

Wie s. Z. mitgetheilt, waren im Frühjahr von Seiten des Königlich bayerischen Staats⸗Ministeriums die Architekten Professor Hauberisser, Romeis und Gabriel Seidl eingeladen worden, in be⸗ schränktem Wettbewerb Entwürfe zu dem Neubau des bayerischen National⸗Museums in München auszuarbeiten. Im Laufe des Monats September sind nun die drei Pläne eingegangen, und am 14. Oktober traten die sämmtlichen Preisrichter zur Beschlußfassung zusammen. Das Resultat war, dem „Centr.⸗Bl. d. Bauv.“ zufolge, die Annahme des Entwurfs von Professor Gabriel Seidl, vor⸗ behaltlich einiger Abänderungen für die Ausführung. Sämmtliche Entwürfe sollen öffentlich ausgestellt werden.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Cholera.

Oesterreich⸗Ungarn. In Galizien sind dem „Oesterr. Sanitäts⸗Wesen“ zufolge vom 10. bis 17. Oktober Morgens in 31 zu 10 politischen Bezirken gehörenden Gemeinden 117 Erkrankungen mit 54 Sterbefällen gemeldet worden. Dazu kamen noch 9 Sterbe⸗ fälle unter den früher Erkrankten. Die Neuerkrankungen haben gegen⸗ über der Vorwoche an Zahl etwas zugenommen, insbesondere in der Stadt Stanislau und Umgegend. In Ungarn sind vom 7. bis 13. Oktober 117 Per⸗ sonen an der Cholera erkrankt und 64 gestorben; davon entfielen auf e 8. In Bosnien wurden in der Stadt Brcka bis einschl. 13. Oktober 64 Erkrankungen mit 32 Todesfällen festgestellt.

Wien, 25. Oktober. Bei einem gestern aus Pest erkrankt ein⸗ Matrosen ist laut Meldung des „W. T. B.“ durch die

akteriologische Untersuchung Cholera asiatica festgestellt worden. Frankreich. Die Seuche ist nach den welche in der Sitzung des französischen Gesundheitsamts vom 9. Oktober Feräeenh wurden, im Süden so gut wie erloschen, da neue Erkrankungen letzthin nicht mehr angezeigt worden sind; von den früher Erkrankten ist in 2 Ortschaften des Departement Basses Alpes, in Barréême und Clumanece je 1 am 1., bezw. am 4. Oktober gestorben. Eine Besserung des Gesundheitszustandes ist auch im Westen bemerkbar gewesen, insbesondere in Nantes. Sehr ungünstig hingegen lauten noch immer die Fie aus dem Departement Finistoͤre. Es wurden dort vom 16. September bis 7. Oktober 232 Sterbefälle, seit Aus⸗ bruch der Epidemie deren 623 gemeldet. Im wesentlichen ist gegen⸗ wärtig die Cholera auf Brest und dessen Vorstädte beschränkt ge⸗ blieben. In Brest betrug die Zahl der an Cholera seit dem 16. September Gestorbenen 94, in der Vorstadt Lambe⸗ zellec 45, in St.⸗Pierre⸗Quilbignon bis Ende September im Durchschnitt täglich 3, vom 1. bis 7. Oktober insgesammt 2. Sonst ist in dem erwähnten Departement nur in Douarnenez ein ver⸗ einzelter Todesfall festgestellt worden.

Rußland. Ueber den Stand der Cholera⸗Epidemie in Polen wird Folgendes berichtet: In Warschau sind in der Zeit vom 13. bis 20. d. M. 8 Erkrankungen und 6 Todesfälle vorgekommen; in den Kreisen Radzimin, Warschau, Gostynin und Wlozlawsk (Gouverne⸗ ment Warschau) vom 11. bis 19. d. M. 33 bezw. 14; in Kolo, Ozorkow und Lenczyce (Gouvernement Kalisch) vom 10. bis 18. d. M. 9 bezw. 6; im Kreise Cholm (Gouvernement Lublin) vom 11. bis 19. d. M. 5 bezw. 2; im Kreise Konstantinow und Sokolow (Gou⸗ vernement Siedlez) vom 12. bis 20. d. M. 48 bezw. 22; in Prasnysz, Mlawa und Kreis Plonsk (Gouvernement lozk) vom 10. bis 19. d. M. 42 bezw. 22; in den Kreisen Lomza, Makow, Ostrolenka, Pultusk, Ostrow und Mazowieck (Gouvernement Lomza) vom 12. bis 19. d. M. 419 bezw. 210; in Mariampol und Godlewo (Gouvernement Suwalki) vom 12. bis 19. d. M. 4 bezw. 4.

Rom, 25. Oktober. In den letzten 24 Stunden sind, wie „W. T. B.“ berichtet, in Livorno 9 Erkrankungen an Cholera und 5 Todesfälle vorgekommen, in Rom 3 verdächtige Erkrankungen.

Spanien. In der Provinz Biscaya scheint, wie in den Benen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ berichtet wird, die Cholera in Baracaldo erloschen und an den sonst ergriffenen Orten im Abnehmen zu sein. Vom 9. bis 15. Oktober erkrankten und starben in Bilbao 10 (6), 8 (4), 13 (6), 8 (4), 14 (3), 7 (5), 6 (7), sonst in der hee el 17 (11), 17 (4), 16 (10), 9 (2), 8 (4), 1 (1), 10 (1), insgesammt 144 (68).

Verdingungen im Auslande. Spanien.

16. November, 12 Uhr. Municipalität von Mahon (Balearen):

brisce Beleuchtung der Stadt Mahon auf 30 Jahre. Caution v.

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tugal. 7. Nopember, 12 Uhr. Königlich portugiesische Eisenbahngesell⸗

schaft in Lissabon: Lieferung von 510 Stahlreifen, und 8 260 für

Locomotivräder, 50 für Tenderräder und 260 für Räheres an Ort und Stelle. Schweiz.

31. Oktober. Direction der St. Gotthard⸗Eisenbahn in Luzern: Errichtung eiserner Brücken: 345 Tonnen. 6 sinbah 8

Belgien. 30. Oktober. Finanz⸗Ministerium in Brüssel: 8

verschiedenen Tuchen und Stoffen für die Bekleidun

aggonräder.

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Angebote sind auf gestempeltem Papier einzureichen. Lastenheft und HG liegen im Bekleidungsmagazin im öffentlichen Entrepot zu Brüssel von 10 bis 3 Uhr täglich aus. 1 8

Verkehrs⸗Anstalten.

Bremen, 25. Oktober. (W. T. B.) Norddeutscher Llovpr. Der Schnelldampfer „Werra“ hat am 23. Oktober Nachmittags die Reise von Gibraltar nach Genua fortgesetzt. Der Postdampfer „Weimar' ist am 21. Oktober Morgens auf der Weser angekommen. Der Postdampfer „Amerika“' ist am 23. Oktober Nachmittags in New⸗York angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Oldenburg“ hat am 23. Oktober die Reise von Genuag nach Neapel fortgesetzt. Der Schnelldampfer „Lahn“ hat am 24. Oktober Vormittags Scilly passirt. Der Postdampfer „München“ ist am 24. Oktober Mittags in Genua angekommen. Der Reichs⸗

ostdampfer „Karl Eruge. ist am 23. Oktober Nachmittags in

den angekommen. er Reichs⸗Postdampfer „Gera“ hat am 24. Oktober Morgens die Reise von Genua nach Southampton fortgesetzt. Der Schnelldampfer „Elbe'“ ist 4. Oktober Morgens in New⸗York angekommen. .“

Theater und Musik.

Berliner Theater.

Ein hissostg⸗ Schauspiel mit dem Titel „Chic“, das von dem feinsinnigen Novellenschriftsteller Alexander von Roberts verfaßt ist, ging gestern Abend unter lebhafter Theilnahme der Zu⸗ schauer zum ersten Male in Scene. Unter „Chiec“ scheint der Ver⸗ fasser alle jene Feeh und herzlosen Mode⸗ und Vergnügungsthor⸗ heiten zu verstehen, die wie Auswüchse der natürlichen Entwickelung erscheinen und besonders in großen Luxusbädern sich den Besuchern aufdringlich bemerkbar machen. Der erste Act des neuen Stückes spielt in einem Hotelgarten in Baden⸗Baden und der letzte auf einer Parkterrasse von Monte Carlo; beide geben ein Spiegel⸗ bild des wüsten, oberflächlichen Gesellschaftstreibens, das man fast nur an solchen Orten zu finden pflegt. Ein junges Mädchen, das unschuldig und fröhlich geblieben ist, obwohl die Mutter und der Bruder eine unstäte unsichere Existenz führen und über dem ungenannten Vater ein düsteres Geheimniß waltet, gewinnt mit zartem, feinem Sinn einen rechtschaffenen Mann, den Afrika⸗ reisenden Dolberg. Der jungen frischen „Lux“ begegnet man in der thüringischen Heimath ihres atten nur mit scheelen Blicken und miß⸗ trauischer Ablehnung. Ein Besuch ihrer Mutter, die von ihr A schied nehmen kommt, um mit ihrem eben aus dem Gefängniß ent⸗ lassenen Gatten, einem früheren Eisenbahn⸗Director, in der Fenm ein neues Leben zu beginnen, enthüllt der Tochter das traurige Familien⸗ eheimniß. Trotz der trostreichen Zusprache Dolberg's, der die ergangenheit seines Schwiegervaters kannte, besteht die junge Frau in einem unbegreiflichen Mißverstehen darauf, den Gatten zu verlassen und den Eltern zu folgen. In Monte Carlo, wohin Lux mit ihren Eltern gegangen, trifft sie wieder mit ihrem Manne zusammen. Dolberg, der im Begriff steht, wieder nach Afrika abzureisen, kommt gerade zur rechten Zeit in die Spielhölle, um seine ;.. in seinen Schutz zurückzunehmen, als sich ihr Vater eine Kugel durch den Kopf jagt. Um eine volle Vorstellung von dem Inhalt des Schauspiels zu gewähren, müßte die Handlung noch aus⸗ führlicher erzählt werden; denn eine leitende Idee läßt sich ebenso wenig darin erkennen, wie ein lebendiger, streng durchgeführter Charakter. Der Verfasser will in dem Schauspiel die Erbärmlichkeit und Ver⸗ kommenheit der Lebewelt, deren höchste Gottheit man „Chic“ nennt, aufdecken und verurtheilen; er läßt in diesem Sumpf ein reines, gutes Menschenkind mit starker Empfindung aufblühen, das an den Eltern wie di; beste Tochter hängt, das aber endlich, nachdem es über den geliebten Mann endloses Unglück heraufbeschworen hat, glücklich mit ihm wird. Zu gleicher Zeit richtet der Verfasser strafende Worte geshn die gute, ehrbare, aber etwas engherzige Welt, wie sie zuweilen auf dem Lande und in kleinen Städten zu finden ist, weil sie der in ihrem Benehmen sehr freien, auch manchmal sehr unüberlegten, aber unschuldigen Lux kühl und abweisend begegnet. Der Ernst, mit dem der Verfasser allem, was ihm unwahr und oberflächlich erscheint, zu Leibe hebht, gewinnt ihm sicher Achtung und Sympathie; sein An⸗ griff verliert aber an Wirkung durch die Zerstreutheit und Zer⸗ fahrenheit der Kampfesweise. An Handlung fehlt es dem Stück nicht; man erkennt nur nicht immer den inneren Zusammenhang der Vor⸗ gänge und die Nothwendigkeit vieler neu eingeführter Personen und breit angelegter Scenen. Im Beginne spinnen sich tausend Fäden an, die auf eine große innerlich gefestigte Handlung schließen lassen, aber nur sehr wenige können mit dem Grundgedanken zu Ende geführt werden. Fast gewann man den Eindruck, als ob die Menge der Figuren die mangelhafte Charakterzeichnung verdecken sollte. Lux, die Hauptträgerin des Schauspiels, läßt in Baden⸗Baden einen geheimen Abscheu vor dem hohlen Treiben, vor dem Wander⸗ leben von Hotel zu Hotel durchblicken und giebt einer schmerzlichen Sehnsucht nach einer festen, sicheren Heimath Ausdruck; auf den thüringischen Gütern ihres Gemahls aber, als sie die sichere Heim⸗ stätte gefunden, treibt sie unbegreifliche Kindereien und sehnt sich nach dem tollen Treiben Nizzas und Wiesbadens; im Schmerz zeigt sie plötzlich eine große, überstolze Seele, die sich durch das einzige Wort „Mitleid“ tödtlich beleidigt fühlt und deshalb ihren Gatten flieht, um mit den Eltern das Leben einer Hochstaplerin zu führen. Der Charakter der Mutter schillert in allen Schattirungen von einer Abenteuerin bis zum opferfähigen Weibe hin und her. Der arme Afrikareisende will viel und kann nichts. Die Nebenpersonen kommen diesen gegenüber garnicht in Betracht. Zuweilen bricht durch die Menge grober Unnatur eine wirklich zarte Empfindung, ein fein beobachteter Charakterzug, ein glücklicher Gedanke, der den begabten Romancier verräth, hindurch; aber ein Dramendichter hat sich in diesem Schau⸗ spiel nicht offenbart. 8 Das Stück ist mit großer Sorgfalt in Secene gesetzt worden. In der Rolle der Lux trat Frau Sorma auf, aber auch ihr über⸗ legtes Spiel vermochte nicht zu einer klareren Anschauung der Gestalt zu verhelfen. Sie übertrieb in der Fröhlichkeit durch manche unschönen Bewegungen, durch manche Formlosigkeit; im Schmerz und in der Leidenschaft fand sich aber die große Künstlerin wieder, und der dritte Act erzielte durch die ergreifende Darstellung der Frau Sorma eine e Wirkung; den letzten Aufzug vermochte sie nicht zu retten. err Kraußneck als Dolberg trug die Farben von Beginn an zu stark auf; jeder Gesinnungswechsel trat ebenso schnell wie heftig in seinen Aeußerungen ein, ohne daß seine inneren Ursachen angedeutet wurden. Von den übrigen Mitwirkenden trat nur Frau Bau⸗ meister in einer kleinen, mit Humor gespielten Rolle, als Haus⸗ hälterin der ehrbaren Familie Dolberg, hervor. An Beifall und an Henrmafes. din vns den Dichter galten, fehlte es nicht. ach dem letzten Act machte sich allerdings au wacher Widerspruch bemernlich G 1e

Concerte. -

Die bereits vortheilhaft bekannte Pianistin Fräulein He Leubuscher gab am Dienstag im Saal Bechstein ein Concert, in welchem sie außer dem schon früher mit Beifall aufgenommenen Klavier⸗Quartett von E. E. Taubert noch Solostücke von Mozart, xee. von Frnn Mendelssohn, Raff und anderen zu ehör brachte. In allen Vorträgen bewies die Künstlerin die stets an ihr gerühmte, gut geschulte Technik und eingehende Ausdrucksweise. Die Concertsängerin Fräulein Oberbeck unterstützte das Concert 88 81 dwe9 89 FeenFe auch die Herren Cecerk⸗

meister Grünberg, Krelle und Lüdemann brachten das erwä Quartett vortrefflich zur Geltung. 8 „Gestern ließ sich im Saal Bechstein die Concertsängerin -Sven Helene Frank hören, und zwar in Liedern von Jensen. umann, Weber, Brahms, Bungert, J. Eichberg und anderen. Die

wohlgeschulte Stimme ist in der Mittellage von sehr an enehmem Klang, während die Höhe ein wenig scharf klingt; r