1893 / 277 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 Nov 1893 18:00:01 GMT) scan diff

das Vorkaufsrecht im Zweifel auch auf das Zubehör bezieht, soweit es mit dem Grundstücke dem dritten Erwerber verkauft worden ist, und als § 952 b die Bestimmung, daß bei der Eintragung des Vorkaufsrechts in das Grundbuch zur näheren Bezeichnung der Voraussetzungen, unter denen es ausgeübt werden kann, auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden darf. Gegen die Vorschrift des § 953 über das Vor⸗ kaufsrecht an einem Bruchtheil eines Grundstücks erhob sich kein Widerspruch. Die §§ 954, 955 haben durch die früheren Beschlüsse bereits ihre Erledigung gefunden. Der § 956, welcher für die Ausübung des Vorkaufsrechts dem dritten Erwerber gegenüber eine Ausschlußfrist von zwei Monaten be⸗ stimmt, wurde durch die Vorschrift ersetzt, daß, wenn der Verkäufer das Eigenthum an dem Grundstück auf den Käufer über⸗ tragen hat, dieser anstatt des Verkäufers (zu vergl. § 444 Abs. 1 des Entw. II1) den Inhalt des Kaufvertrages dem Berechtigten mittheilen und daß im Falle einer solchen Mit⸗ theilung der Berechtigte das Vorkaufsrecht, auch dem Verkäufer gegenüber, nicht mehr geltend machen kann, wenn er es nicht innerhalb der im 16 Abs. 2 (des Entw. II) bestimmten Frist ausübt. Daneben soll bestimmt werden, daß der Verkäufer den Käufer zu benachrichtigen hat, ob die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt ist. Die §§ 957, 958 wurden als er⸗ ledigt erachtet. Die Vorschrift des § 959 die Unzulässig⸗ keit einer Erweiterung des Vorkaufsrechts über den aus den §§ 952 ff. sich ergebenden Umfang hinaus wurde als entbehrlich gestrichen, ebenso die Vorschrift des § 960 über die rechtsgeschäftliche Aufhebung des Vorkaufsrechts. Die letztere Vorschrift ist durch die zu § 834 beschlossene allgemeine Bestimmung über die rechtsgeschäftliche Auf⸗ hebung von Rechten an Grundstücken überflüssig geworden. Andererseits erfuhr der Entwurf eine Ergänzung durch die Aufnahme der den 1057, 1059 entsprechenden Vorschrift, daß ein mit dem Eigenthum an einem Grundstück verbundenes Vorkaufsrecht nicht von dem Grundstück getrennt, ein Vor⸗ kaufsrecht anderer Art nicht mit dem Eigenthum an einem Grundstück verbunden werden kann. Im Anschluß an die Vorschriften über das dingliche Vorkaufsrecht war von einer Seite mit Rücksicht darauf, daß das preußische Rentengut die Zulässigkeit der Eintragung des Wiederkaufsrechts als eines subjectiv⸗dinglichen Rechts voraus⸗ setze, beantragt, auch das dingliche Wiederkaufsrecht nach dem Vorbilde des dinglichen Vorkaufsrechts (zu vergl. § 952 Abs. 2) reichsgesetzlich zu regeln. Einvernehmen be⸗ stand, daß nach den zu § 844 gefaßten Beschlüssen zur Siche⸗ rung des einer bestimmten Person zustehenden Wiederkaufs⸗ rechts eine Vormerkung eingetragen und dadurch einem solchen Wiederkaufsrechte Wirkung gegen jeden späteren Er⸗ werber des Grundstücks verschafft werden könne. Dagegen gingen die Meinungen darüber auseinander, ob es angemessen sei, reichsgesetzlich allgemein auch ein dem jeweiligen Eigen⸗ thümer eines Grundstücks zustehendes dingliches Wiederkaufs⸗ recht zuzulassen. Die Mehrheit entschied sich gegen eine solche Zulassung. Man war aber einverstanden, daß der in den Entwurf des Einführungsgesetzes aufzunehmende Vorbehalt, nach welchem die landesgesetzlichen Vorschriften über Rentengüter unberührt bleiben sollen, eine Fassung erhalten müsse, welche klarstelle, daß insoweit auch die landesgesetzlichen Vorschriften über das dingliche Wiederkaufs⸗ recht unberührt bleiben. 8 Die Berathung wandte sich sodann verschiedenen Anträgen zu, welche die bereits früher erledigten Vorschriften über die Hypo⸗ thek und die Grundschuld in einzelnen Beziehungen zu ergänzen be⸗ zweckten. Insbesondere war beantragt, die Streitfrage, ob im Sinne der §§ 555, 628, 702 Nr. 5 der Civilprozeßordnung (Zulässigkeit des Urkundenprozesses, des Mahnverfahrens und der Zwangsvollstreckung aus gerichtlichen oder notariellen Urkunden) als ein Anspruch, welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstande hat, auch der Anspruch aus einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld anzusehen sei, in bejahendem Sinne zu entscheiden und eine entsprechende Vor⸗ schrift in den Entwurf des Einführungsgesetzes aufzunehmen. Die Commission stimmte dem Antrage zu. Ein anderer An⸗ trag ging dahin, die Haftung des Staats für den von einem Grundbuchbeamten durch Verletzung der ihm ob⸗ liegenden Amtspflichten einem Betheiligten verursachten Schaden reichsgesetzlich, sei es im Bürgerlichen Gesetz⸗ buch, sei es in der Grundbuchordnung, zu regeln. Nach einer eingehenden Erörterung entschied sich die Mehrheit dahin, in einer Anmerkung zum Abschnitt III des 3. Buchs auszusprechen: es werde vorausgesetzt, daß die Grundbuchordnung eine Vorschrift enthalten werde, nach welcher für den Schaden, der von einem Grundbuch⸗ beamten durch vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der ihm einem Betheiligten gegenüber obliegenden Amtspflicht verursacht worden ist, der Staat oder die Körperschaft des öffentlichen Rechts, in deren Dienste der Grundbuchbeamte steht, nach Maßgabe des (von der Haftung der Beamten wegen Verletzung ihrer Amtspflichten handelnden) § 762 Abs. 1 (des Entw. II) an Stelle des Grundbuchbeamten oder wenigstens insoweit verantwortlich ist, als der Beschädigte nicht von dem Grund⸗ buchbeamten Ersatz zu erlangen vermag. Von verschiedenen Seiten war ferner beantragt, die Rentenschuld im Entwurf besonders zu regeln. Ueber die Art der Regelung gingen jedoch die Ansichten aus⸗ einander. Von einer Seite war vorgeschlagen, jede Belastung mit einer festen Geldrente, ohne Unterschied, ob sie gegen ahlung eines Kapitals, ob sie unter vertragsmäßiger Festsetzung einer Ablösungssumme erfolgt ist oder nicht, im Anschluß an die Vorschriften über die Reallasten einheitlich als Rentenschuld näher auszugestalten. Von anderen Seiten wurde dagegen befürwortet, die Regelung auf den Fall zu beschränken, wenn bei der Bestellung der Kapitalbetrag be⸗ stimmt ist, durch dessen Zahlung die Rentenschuld erlöschen soll, in allen übrigen Fällen aber die Belastung mit einer Geld⸗ rente als eine gewöhnliche Reallast nach den für diese geltenden Vorschriften der §§ 1051 ff. zu behandeln, vorbehaltlich der be⸗ 35 5. landesgesetzlichen Vorschriften über die Rentengüter. kach ciner lebhaften Erörterung trat die Mehrheit diesem zweiten Vorschlag im Princip bei. Eine weitere Meinungs⸗ verschiedenheit ergab sich aber darüber, ob innerhalb des be⸗ schlossenen Rahmens die Rentenschuld als eine besondere Art der Reallast oder als eine besondere Art der Grundschuld behandelt werden und ob man im letzteren Falle sich damit begnügen solle, durch eine den Vorschriften über die Grundschuld anzuschließende Bestimmung guszusprechen: eine verzinsliche Grundschuld könne in der Weise bestellt werden, daß das Kündigungsrecht nur dem Eigenthümer zustehe, oder ob es den Vorzug verdiene, die

Rentenschuld, wenn auch in Anlehnung an die Grundschuld, doch als eine selbständige Creditform besonders zu regeln. Die Mehrheit trat der 1 Auffassung bei. Im einzelnen wurden sodann folgende Beschlüsse gefaßt.

Eine Grundschuld soll auch in der Weise bestellt werden können, daß in regelmäßig wiederkehrenden Zeitabschnitten eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist (Rentenschuld). Bei der Bestellung muß der Kapital⸗ betrag, durch dessen Zahlung die Rentenschuld ab⸗

getragen werden. Zu Gunsten des Rentengläubigers kann die Ablösbarkeit der Rente nicht vereinbart werden. Dagegen ist der Rentenschuldner E vorgängiger Kündigung zur Ablösung berechtigt. Die Kündigungsfrist be⸗ trägt, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, sechs Monate. Das Recht des Rentenschuldners, die Ablösung zu verlangen, kann auf Zeit ausgeschlossen werden. Ist es jedoch für eine längere Zeit als dreißig Jahre ausgeschlossen, so kann der Rentenschuldner nach dreißig Jahren unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist die Ablösung verlangen. Hat der Rentenschuldnergekündigt, sosteht nach Ablauf der Kündigungsfrist dem Rentengläubiger das Recht zu, die Zahlung der Ab⸗ lösungssumme aus dem Grundstück zu fordern. Die Vor⸗ schriften des § 1073 über den Schutz des Grundschuld⸗ gläubigers gegen Verschlechterungen des belasteten Grundstücks sollen auch für die Rentenschuld gelten in der Art, daß an die Stelle des Grundschuldkapitals die Ablösungs⸗ summe tritt. Auch im übrigen sollen die Vorschriften über das Grundschuldkapital auf die Ablösungssumme entsprechende Anwendung finden. Mit der Entrichtung der Ablösungs⸗ summe durch den Rentenschuldner geht die Rentenschuld auf ihn über. Eine Rentenschuld kann in eine Kapitalgrundschuld, eine Kapitalgrundschuld kann in eine Rentenschuld umgewandelt werden. Zu einer solchen Umwandelung ist die Einigung des Rentengläubigers und des Rentenschuldners sowie die Ein⸗ tragung in das Grundbuch erforderlich. 8

Die Commission ging sodann zur Berathung des vierten Buches des Entwurfs, des Familienrechts (§§ 1227 ff.), über. Mit Rücksicht darauf, daß von einigen Seiten gegen den Inhalt des ersten, von der Eingehung der Ehe handelnden Titels (§§ 1227 bis 1271) vom confessionellen Standpunkt aus Bedenken erhoben waren, verständigte man sich dahin, die endgültige Abstimmung über die Aufnahme dieses Titels in das Gesetzbuch bis nach der Berathung der einzelnen Vorschriften auszusetzen.

Die §S§ 1227 bis 1230 enthalten Vorschriften über das Verlöbniß. Der Entwurf geht davon aus, daß durch das Verlöbniß eine (rechtliche) Verbindlichkeit der Verlobten zur Schließung der Ehe nicht ö“ wird 1227). Gleich⸗ wohl gewährt er, wenn ein Verlobter ohne gerechtfertigten Grund von dem Verlöbniß zurücktritt oder durch sein Verschulden dem anderen Verlobten gerechtfertigten Grund zum Rücktritt gegeben hat, dem unschuldigen Verlobten und dessen Eltern einen Anspruch auf Ersatz solcher Vermögensaufwendungen, die sie in der Erwartung der Eheschließung gemacht haben. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens, insbesondere des Erfüllungsinteresses, sowie ein Anspruch auf eine Geld⸗ entschädigung aus dem Gesichtspunkt einer Genugthuung für die erlittene Kränkung ist ausgeschlossen. Die Commission erachtete es für bedenklich, mit dem Entwurf 1227) auszusprechen, daß das Verlöbniß eine Verbindlichkeit zur Schließung der Ehe nicht begründe; andererseits besorgte man, daß die ersatzlose Streichung des § 1227 geeignet sei,

weifel über die rechtliche Natur des Verlöbnisses und dessen Wirkungen hervorzurufen. Die Mehrheit entschied sich deshalb dafür, den § 1227 durch die Bestimmung zu ersetzen, daß aus dem Verlöbniß eine Klage auf Schließung der Ehe nicht statt⸗ finde. Der Redactionscommission wurde jedoch die Prüfung der Frage anheimgegeben, ob es sich nicht empfehlen werde, die beschlossene Bestimmung mit den Vorschriften des § 1228 zu verbinden. Die Berathung des § 1228 wurde nicht zu Ende geführt.

Die gestern ausgegebene Nummer 42 des „Justiz⸗Ministerial⸗ blatts“ veröffentlicht in einer Beilage die Instruction für die Verwaltung der Kassen bei den preußischen Justizbehörden, vom 15. Juli 18953.

Der Inspecteur der 1. Cavallerie⸗Inspection, General der Cavallerie von Krosigk ist vom Urlaub hierher zurückgekehrt.

Der Vice⸗Admiral Köster, bisher Director des Marine⸗ Departements des Reichs⸗Marineamts, ist zum Antritt des als Chef des Manöver⸗Geschwaders nach Kiel abgereist.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Kaiserlicher Unter⸗ Staatssecretär von Schraut und Herzoglich sächsischer Staats⸗Minister von Helldorff, sind von Berlin wieder abgereist.

Der hiesige japanische Gesandte Vicomte Aoki hat Berlin verlassen und sich auf kurze Zeit nach Brüssel begeben, woselbst

er gleichfalls beglaubigt ist.

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Görlitz, 16. November. Nachdem gestern von drei Landtags⸗Ausschüssen die ihnen überwiesenen Vorlagen vor⸗ berathen worden waren, fand heute unter dem Vorsitz des Landes⸗ hauptmanns und Landesältesten Grafen von Fürstenstein die zweite Plenarsitzung des Oberlausitzer Communal⸗ Landtags statt. Für die Landsteuerkasse wurde der Etat für eine neue fünfjährige Periode festgestellt, wobei eine anderweite Regelung der Gehälter der Landsteuerbeamten sowie die Ernennung des Bank⸗Directors, Justiz⸗Raths Bethe zum Land⸗Syndikus der Preußischen Oberlausitz erfolgte. Sodann bildete die umfangreiche Rechnungslegung über die gesammte ständische Verwaltung pro 1892 einen weiteren Gegenstand der Tagesordnung. Aus dem vom Ausschusse auf Grund eingehender Revisionen erstatteten Bericht gewann der Landtag die Ueberzeugung von der gewissenhaften Sorgfalt, mit der die Kassen⸗ und Rechnungsführung besorgt worden ist, und ertheilte Decharge bezüglich der Spvartassen Nechnung und der Bank⸗Bilanz. Hinsichtlich aller übrigen Rechnungen aber wurdeder Landeshauptmann zur Entlastung der beiden Abtheilungen des Landsteueramts ermächtigt. Aus dem Verwaltungsbericht der

communalständischen Bank entnahm der Landtag, daß diese

gelöst werden kann, bestimmt und in das Grundbuch ein⸗

ungeachtet schwieriger Geschäftsverhältnisse einen die Bedürf⸗

nisse der Landsteuerkasse erheblich übersteigenden Ueberschuß pro 1892 abgeliefert habe. Demnächst erledigte der Landtag eine Reihe von Vorlagen, welche die Gesuche um Gewährung von Beihilfen zu verschiedenen gemeinnützigen und kirchlichen Zwecken zum Gegenstand hatten, durch Bewilligungen in den meisten Die nächste Plenarsitzung findet morgen Vormittag tatt. Der Ober⸗Präsident, Wirkliche Geheime Rath D. von Seydewitz hat heute anderer unaufschiebbarer Geschäfte wegen den Landtag verlassen. 1

1X“ Das Befinden Seiner Majestät des Königs war, wie das „Dr. J.“ meldet, auch gestern befriedigend. Ihre Hoheiten der Erbprinz und die Erbprinzessin von Anhalt sind gestern Vormittag in Dresden eingetroffen und in der Königlichen Villa in Strehlen abgestiegen.

Württemberg.

Bei der gestrigen Taufe erhielt der jüngst geborene Sohn Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs und Ihrer Keiser⸗

lichen und Königlichen Hoheit der Herzogin Albrecht die Namen Philipp Albrecht Karl Maria Joseph Ludwig Hubertus Stanislaus Leopold. Taufpathe war Seine König⸗ liche Hoheit der Herzog Philipp von Württemberg. Seine Majestät der König wohnte mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Pauline der Feier bei, während Ihre Majestät die Königin, Allerhöchstwelche an der Nesselsucht erkrankt ist, in Bebenhausen verblieben war. Um 2 Uhr fand in dem Kronprinzlichen Palais Familien⸗Dejeuner statt. Um 1 8— war im Königlichen Palais große Galatafel zu 80 Ge⸗ decken. 8

Der Rechnungs⸗Ausschuß des Landtags tritt der „Th. C.“ zufolge am 25. d. M. zu der alljährlichen Prüfung der Staatsrechnungen zusammen und wird zu dies etwa vierzehn Tage versammelt bleiben. .

Elsaß⸗Lothringen.

Der Bezirkstag für Lothringen nahm in seiner vor⸗ gestrigen Sitzung die Wahl der Mitglieder zum Landesausschuß vor. neugewählt wurden Mörot⸗Fentsch und Werner⸗Bolchen.

6 Oesterreich⸗Ungarn. Graf Hartenau

(Prinz Alexander war am 5. April 1857 als der zweite Sohn

des Prinzen Alexander von Hessen⸗Darmstadt geboren und trat

zuerst in das Großherzoglich Hessische Dragoner⸗Regiment als Lieutenant ein; 1877 machte er im Hauptquartier des Großfürsten Nicolaus von Rußland den Krieg in Bulgarien gegen die Türkei mit und ward darauf nach Berlin in das Regiment der Gardes du Corps versetzt. Nachdem er am 29. April 1879 von der bul⸗ garischen Nationalversammlung einstimmig zum Fürsten gewählt war, hielt er am 8. Juli desselben Jahres in Tirnowa seinen Ein⸗ zug und leistete den Eid auf die neue Verfassung des Fürstenthums. In einem Kriege gegen Serbien erfocht er den Sieg bei Sliwnitza am 19. November 1885. Am 21. August 1886 wurde er zur Abdankung gezwungen. In Darmstadt ver⸗ mählte sich der Prinz im Jahre 1889 mit einem Fräulein Loisinger und nahm nunmehr den Namen Graf Hartenau an. Als solcher trat er bald darauf in die österreichisch⸗ ungarische Armee ein, in der er vor kurzer Zeit zum General⸗ Major befördert wurde).

Die Wittwe des Grafen von Hartenau erhielt im Auf⸗ trage des Kaisers eine huldvolle Condolenzdepesche vom General⸗Adjutanten Grafen Paar. Außerdem condolirten die Erzherzoge Albrecht und Wilhelm, der Großherzog von Hessen, der Prinz Ferdinand von Sachsen⸗ Coburg und Andere.

Die PragerStadtverordneten⸗Versammlung wählte gestern, nachdem ein Kompromiß zwischen Jungczechen und Altczechen zu h gekommen war, den bisherigen Vice⸗Bürgermeister Gregor mit 79 von 82 Stimmen zum Bürgermeister.

Großbritannien und Irland.

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses erklärte dem „W. T. B.“ zufolge der Premier⸗Minister Gladstone: es sei kein Grund vorhanden, das Flottenbudget dem Unter⸗ hause vor der gewöhnlichen Zeit vorzulegen; aber weder das Haus noch das Land brauchten zu befürchten, daß die Vor⸗ anschläge nicht auf die entschiedene Suprematie der Flotte Englands bedacht sein würden. Im weiteren Verlaufe der Sitzung kündigte der Präsident des Handelsamts Mundella unter dem Beifall des Hauses die Lösung des Kohlenstrikes an. (Siehe unter der Rubrik „Arbeiterbewegung“.)

Frankreich.

Der „Figaro“ meldet, die Regierung bereite eine ein⸗ schneidende Aenderung des Syndikatsgesetzes vor, die Regierungserklärung werde einen darauf bezüglichen Passus enthalten.

Die Einfuhr Frankreichs während der ersten zehn Monate d. J. betrug 3196 Millionen gegen 3517 Millionen im Vorjahre, die Ausfuhr 2661 Millionen gegen 2814 Mil⸗ lionen im Vorjahre.

Wie der „Figaro“ mittheilt, wären infolge der Explosion in Marseille allenthalben in Frankreich die strengsten Maß⸗ nahmen in Bezug auf fremdländische Anarchisten ergrifften worden, überall seien Untersuchungen im Gange. In Marseille seien sechs Anhänger der anarchistischen Partei, darunter eine Frau, verhaftet worden; ferner seien gestern anarchistische Druckschriften, die zu Gewaltthätigkeiten auf⸗ forderten, beschlagnahmt worden.

Die „Liberté“ meldet, der Sudan werde baldigst einem Civil⸗Gouverneur unterstellt werden.

General Dodds bestätigt die Unterwerfung zahl⸗ reicher Dahomeyer. Der König sei mit seinen Kriegern ent⸗ flohen und eine Colonne leichter Truppen zu dessen Ver⸗ folgung ausgesandt. Der Zustand der Truppen sei vorzüglich. Ftalien.

Graf Kälnoky hat sich gestern Nachmittag nach 5

abschiedung von dem Minister Brin und dem Botschafte Grafen Nigra von Mailand nach San Remo begeben

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.

Neun ausscheidende Mitglieder wurden wiedergewählt,

8 (Prinz Alexander von Battenberg) ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Mittag in Graz gestorben.

cermann, C

Spanien. In dem Hause des Bürgermeisters von Torrente (Pro⸗

vinz Valencia) explodirte gestern eine Dynamitbombe, wo⸗ durch, wie „W. T. B.“ berichtet, beträchtlicher Schaden ver⸗ ürsacht wurde. Menschen wurden nicht verletzt. Nach einer Meldung aus Barcelona hat die dortige olizei acht weitere Anarchisten verhaftet und Gewehre sowie Munition beschlagnahmt. 8 8 11

Bulgarien. 1“

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Sofia wird

der Prinz Ferdinand von Sachsen⸗Coburg sich bei dem Leichenbegängnisse des Grafen Hartenau durch den Flügel⸗ Adjutanten, Obersten Petrow und die Oberst⸗Lieutenants Vinarow b Markow vertreten lassen. Auch andere Civil⸗ und Militärdeputationen werden nach Graz abgehen. Am 19. d. M. finen im ganzen Lande Trauergottesdienste statt. Die

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Nachricht von dem Tode des Grafen Hartenau hat im ganzen

Lande den tiefsten Eindruck hervorgerufen.

Amerika.

Der New⸗Yorker „World“ zufolge, hätte die bra⸗ silianische Regierung den Dampfer „City of Pashington“ von der Ward⸗Linie für 200 000 Dollars üngekauft.

*

Asien.

Nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ aus Kabul vom 15. d. M. hat die britische Gesandtschaft in diesem Tage die Rückreise nach Indien angetreten, nachdem der Emir am 13. November noch einen großen Abschiedsdurbar abgehalten, woran 360 Khane und die Civil⸗ und die Militärbehörden theilnahmen. Der Emir erklärte Durand, er habe alle zwischen Afghanistan und Indien schwebenden Fragen auf das befriedigendste geregelt. Er beglückwünsche die Afghanen, sich in der britischen Regierung einen treuen gesichert zu haben, deren Interessen mit Afghanistan identisch seien, und ermahne seine Unterthanen, den Engländern Freunde zu bleiben und dieses Gefühl ihren Söhnen zu überliefern. Der Emir verlas darauf ein das Siegel der Häuptlinge tragendes Document, das jede von ihm getroffene Regelung genehmigt. Durand theilte in seiner Antwort auf die Aeußerungen des Emirs eine Depesche des Vice⸗Königs mit, worin dieser seine Befriedigung darüber ausspricht, daß sämmtliche Miß⸗ verständnisse beseitigt seien und das enge Bündniß 1. Afghanist England der ganzen Welt kund

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Reichstag ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Controle des Reichshaushalts, des Landeshaushalts von Elsaß⸗Lothringen und des Haushalts der Schutz⸗ für die Etatsjahre 1892/93 und 1893/94 zugegangen; er lautet:

Die Controle des gesammten Reichshaushalts und des Landes⸗ daushalts von Elsaß⸗Lothringen sowie des Haushalts der Schutz⸗ gebiete von Kamerun und Togo und des südwest⸗afrikanischen Schutzgebiets für die Etatsjahre 1892/93 und 1893/94 wird von der preußischen Dber⸗Rechnungskammer unter der Benennung „Rechnungshof des Deutschen Reichs“ nach Maßgabe der im Gesetz vom 11. Februar 1875 (Reichs⸗Gesetzblatt Seite 61), betreffend die Controle des Reichs⸗ haushalts und des Landeshaushalts von Elsaß⸗Lothringen für das 4 enthaltenen Vorschriften geführt. Ebenso hat die reußische Ober⸗Rechnungskammer in Bezug auf die Rechnungen der Reichsbank für die Jahre 1892 und 1893 die gemäß § 29 des Bank⸗ Fücges vom 14. März 1875 (Reichs⸗Gesetzblatt Seite 177) dem

nungshof des Deutschen Reichs obliegenden Geschäfte wahr⸗

Rec

Ferner ist dem Reichstage der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des § 41 der Konku rsordnung vorgelegt worden. Danach soll die Nr. 4 des § 41 der Konkursordnung folgende veränderte Fassung erhalten:

—4) Vermiether in Ansehung der eingebrachten Sachen, sofern die Sachen sich noch auf dem Grundstücke befinden, wegen des laufenden und des für das letzte Jahr vor der Eröffnung des Verfahrens rück⸗ ständigen Zinses, sowie wegen anderer Forderungen aus dem Mieth⸗ verhältnisse, jedoch mit der Einschränkung, daß dem Vermiether, soweit er eine solche Forderung infolge der Kündigung des Verwalters 17

M

Nr. 1) geltend machen kann, wegen dieser Forderung der Anspruch auf

abgesonderte Befriedigung nicht zusteht.

Weiter ist dem Reichstage noch der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Feststellung eines dritten Nachtrags zum Neichshaushalts⸗Etat für das Etatsjahr 1893/94, zugegangen: „Dieser Nachtrag ist in Höhe von 550 000 beim Kapitel II. Litel 4 des Ordentlichen Etats des Auswärtigen Amts festgestellt und bestimmt für Maßregeln zur Unterdrückung des Sklavenhandels und zum Schutz der deutschen Interessen in Ost⸗Afrika. Begründet wird diese Forderung damit, daß das Keisens⸗ Gouvernement von

Deutsch⸗Ostafrika über den Rahmen des Wirthschaftsplans hinaus die

ielgenden Maßnahmen unter Betonung ihrer Dringlichkeit beantragt:

1. Ausführung vier größerer Neubauten in Bagamoyo zur Unter⸗ bringung der Verwaltung, sowie der Beamten und Militärpersonen, deren Herstellungskosten sich nach den angestellten Ermittelungen auf eiwa 400 000 belaufen werden. II. Lieferung von Mobiliar zur Einrichtung der Militärstationen, was an Ort und Stelle an der Küste des Schutzgebiets einen Kostenaufwand von etwa 125 000 und unter Berücksichtigung des theilweisen Transports nach en inneren Stationen einen solchen von etwa 150 000 ver⸗ ursachen wird.

Endlich ist dem Reichstag ein am 21. August v. J. in Wien zwischen dem Reich und Serbien abgeschlossenes Ueber⸗ unkommen, betreffend den gegenseitigen Muster⸗ und Markenschutz, sowie der Entwurf eines Gesetzes, betreffend Abänderung eines Gesetzes über die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen, zugegangen.

An Anträgen aus dem Hause liegt bereits eine größere Hahl vor:

Die Abgg. Dr. Rintelen, Gröber (Württemberg), Spahn, de Bachem und Hitze beantragen eine Aenderung des Konkurs⸗ Frfahrens; der Abg. Rickert beantragt eine Aenderung des Fabhlgesetzes in den §§ 6, 10, 11, 13 und 16, wonach u. a. die Wahlzettel in amtlich abgestempelte Umschläge gelegt und die Wahl⸗ vndlung bis 7 Uhr Nachmittags ausgedehnt werden soll; wörtlich cchlautend mit diesem Antrag liegt ein von den Abgg. Gröber Württemberg), Dr. Freiherr von Heereman, Dr. Lieber, Dr. Rin⸗ Bn., Dr. Schaedler, Spahn und Wenzel beantragter Gesetzentwurf S2- Gleichlautende Gesetzentwürfe werden einerseits von dem Abg. erfeldt, andererseiks von den Abgg. Dr. Lieber, Dr. Hitze, nann, Gröber und Dr. Schaedler betreffs der eingetragenen Fufsvereine beantragt. Abg. Munckel beantragt den Erlaß a82 Gesetzes wegen Entschädigungspflicht des Staats für

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Entziehung oder Beschränkung der persönlichen Freiheit sowie für un⸗ rechtmäßig vollstreckte Strafe. Die Abgg. 8.8 von Kanip und von Mirbach haben ein Reichs⸗Münzgesetz beantragt, welches die Gold⸗ und Silberwährung einführen will; dem Entwurf ist die Ausprägung vollwerthiger Silbermünzen im Verhältniß zum Gold von 15 ½ zu 1 zu Grunde gelegt. Zwei Gesetzentwürfe beziehen sich auf die Gewerbeordnung; der eine von den Abgg. Dr. Hitze, Dr. Schädler, Metzner (Neustadt), Letocha, Gröber, Euler, Krebs und Spahn beantragte schlägt eine Abänderung der §§ 14 und 15 in der Richtung der Einführung des Befähigungsnachweises für Handwerker vor; der andere, den die Abgg. Gröber Württemberg), Dr. Hitze, Dr. Schädler, Srate Letocha, Narbe, Eee (Neustadt) und Euler beantragt haben, betrifft die Einbeziehung der Consumvereine und Gesellschaften (Genossenschaften) unter die Bestimmungen für den Betrieb der Gast⸗ und Schankwirthschaft sowie für den Kleinhandel mit Branntwein und Spiritus und eine Aenderung der Bestimmungen über den Gewerbebetrieb im Umherziehen. Weiter beantragt Abg. Schröder eine Abänderung des Allgemeinen deutschen Handels⸗ ges etzbuchs betreffs des Dienstverhältnisses zwischen Principal und Handlungsdiener und der Ausstellung von Zeugnissen für Hand⸗ lungsgehilfen. Ein von den Abgg. Gröber (Württemberg), Dr. Hitze, Dr. Schädler, Letocha, Marbe, Metzner und Spahn eingebrachter Gesetzentwurf beantragt die Bestrafung der Personen, welche in Consumvereinen mit dem Verkauf der Waaren beauftragt sind, wenn sie an Nichtmitglieder verkaufen. Abg. Graf von Hompesch bringt die Aufhebung des Jesuitengesetzes in Antrag, Abg. Colbus die Ausdehnung des Preßgesetzes auf Elsaß ⸗Lothringen. Anträge auf Einbringung von Gesetzentwürfen haben die Abgg. Dr. Kropatscheck und Jakobskötter gestellt; diese beziehen sich auf den Befähigungsnachweis, auf die Consumvereine (Bestrafung des Verkaufs an Nichtmit⸗ glieder), auf Abzahlungsgeschäfte und Verbot von Wander⸗ lagern und Waarenauctionen, Einschränkung des Hausirhandels, auf Ausdehnung der Vorrechte der §§ 100 e und 100 f der Gewerbe⸗ ordnung für Innungen, auf Bezeichnung einer Firma mit Geschlecht und Namen des Inhabers, Bestrafung von Creditgeschäften nach erkannter Zahlungsunfähigkeit. Weiter beantragen die Abgg. Dr. Hi tze, Dr. Bachem, Gröber, Dr. Lieber, Metzner und Dr. Schädler Erhebungen über die Wirkung der Beschränkung der Arbeitszeit der Arbeite⸗ rinnen und über die Möglichkeit einer Beschränkung der Arbeitszeit für alle Arbeiter; von denselben Antragstellern liegt ein Antrag auf Vorlegung eines Gesetzes wegen einer geordneten Ver⸗ tretung der Arbeiter vor. Die Abgg. Aichbichler, Gröber (Württemberg), Dr. Hitze, Horn, Hug, Klofe, Metzner (Neu⸗ stadt), Dr. Schädler und Wattendorf beantragen Erhebu ngen darüber, wie weit die Klagen über das Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetz berechtigt erscheinen, und eventuelle Abänderung, sowie die baldige Vorlegung einer Novelle zu den Unfallversicherungsgesetzen; die Abgg. von Staudy und Steppuhn beantragen ein Gesetz, welches die aus dem Marken⸗ system herrührenden Mißstände des Invaliditäts⸗ und Alters⸗ versicherungsgesetzes beseitigt. Die Abgg. Rickert und Genossen beantragen die baldige Vorlegung des Entwurfs einer Militär⸗Strafprozeßordnung, und endlich die Abgg. Freiherr von Hammerstein, Freiherr von Manteuffel und von Polenz die Vorlegung eines Gesetzes, welches den Israeliten, die nicht Reichsangehörige sind, die Einwanderung untersagt.

Nr. 46 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 15. November hat folgenden Inhalt: Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten (Cholera ꝛc.). Sterbefälle in deutschen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Sterbefälle in Verwaltungsgebieten des In⸗ und Auslandes 1892. Witterung. Zeitweilige Maßregeln gegen Cholera ꝛc. Aus dem statistischen Jahrbuche der Stadt Berlin 1889/90. Oeffentliches Gesundheitswesen des Regierungsbezirks Köln 1889/91. Weitere Mittheilungen aus Britisch⸗Ostindien 1891. Gesetz⸗ ebung u. s. w. (Preußen, Berlin). Lumpenhändler ꝛc. Reg.⸗ Zez. Hildesheim.) Arbeiterunterkunftsräume. (Bayern.) Milch⸗ gefäße. (Sachsen.) Amts⸗ und bezirksthierärztliche Prüfungen. (Baden.) Anzeigepflicht der Aerzte. (Oesterreich.) Lungenseuche. (Rumänien.) Impfwesen. Gang der Thierseuchen in Preußen 1892. Schweinefieber in Großbritannien und Irland 1879/92. Thierseuchen in Norwegen, 3. Vierteljahr. Zeitweilige Maßregeln gegen Thierseuchen. (Belgien.) Rechtsprechung. (Reichsgericht.) Vieheinfuhr. Beschauscheine der bayerischen Fleischbeschauer. Vermischtes. (Bayern.) Knappschaftsvereine. 1892. Geschenkliste.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die gerichtliche Ernennung von Revisoren gemäß Art. 222 a des Handelsgesetzbuchs, wonach auf Antrag von Actionären das Landgericht zur Prüfung eines Herganges bei der Gründung oder bei der Geschäftsführung der Actiengesellschaft Revisoren ernennen kann, gehört, nach einem Beschluß des Reichsgerichts, I. Civilsenats, vom 25. September 1893, zur nichtstreitigen Gerichts⸗ barkeit, und es ist mithin eine weitere Beschwerde beim Reichs⸗ gericht gegen den die Ernennung ablehnenden Beschluß des Land⸗ gerichts (nachdem die erste Beschwerde vom Ober⸗Landesgericht ver⸗ worfen worden) unzulässig.

Ist von einem Gericht während der Gerichtsferien in einer Streitsache, welche nicht zu den im § 202 des Deutschen Ge⸗ richtsverfassungsgesetzes aufgezählten Feriensachen gehört, eine Entschei⸗ dung (Urtheil oder Beschluß) erlassen worden, obgleich ein Antrag seitens einer Partei nicht vorlag, die Sache als Feriensache zu behandeln, so ist, nach einem Beschluß des Reichsgerichts, II. Civil⸗ senats, vom 26. September 1893, demzufolge die gedachte Entscheidung anfechtbar, und die Gerichtskosten der an die höhere Instanz er⸗ griffenen Beschwerde gegen diese Entscheidung sind niederzuschlagen.

Kunst und Wissenschaft.

†† Was uns die englischen Künstler in der Ausstellung von Aquarellen und Radirungen im Kunstsalon von Amsler und Ruthardt bieten, zeut von einer erstaunlichen Ge⸗ schmacksbildung, aber auch von einer bedauernswerthen Kraftlosigkeit der Erfindung und Mache. Geschmackvolle Zierlichkeit vermag nicht die allein Stil prägende Energie der Individualität zu ersetzen. Walter Crane, den wir als feinsinnigen Stilisten auf dem Gebiet der Ornamentik und Buch⸗Illustration schätzen, ist der tüchtigste unter den hier vertretenen Aaquarellisten. Die subtile Durchführung seiner Landschaftsbildchen, die poetische Stimmung, die er dem Gesehenen verleiht, erhebt seine Leistungen nicht selten zu wirklichen Kunstwerken, zumal er, wo es ge⸗ boten erscheint, wie in dem kleinen Strandbild von Southwold, auch kräftigere Töne anschlägt. E. A. Waterlow dagegen löst seine Landschaften aus der Umgebung Rothenburgs an der Tauber pöllig in süßliche Sentimentalität auf, ebenso wie W. Follen Bishop, dessen rosige Grundstimmung alle Gegensätze von Form und Farbe verwischt. Ernster und vornehmer wirken bei aller Feinpinselei die venetianische Canal⸗ vedute und das Küstenbild von William Callow und die Ansicht von Taormina, die Felix Moscheles ausgestellt hat. Auch der Dord⸗ rechter Kanal von Georg Haits ist nicht von jener verschwommenen Weichlichkeit angekränkelt, welche die Mehrzahl der technisch un⸗

wird Folgendes berichtet:

gewöhnlich gewandten Aquarelle so eintönig wirken läßt. Daß England auch über lebhaftere Temperamente verfügt, beweisen die geistreich und flott ausgeführten indischen Veduten von Robert Allanz; ihnen ist kein falscher Liebreiz aufgeschminkt, glückliche Be⸗ obachtung und keckes Zugreifen charakterisiren das Wesen ihres Schöpfers. fremd erscheinen dem an die Leistungen unserer modernen Naturalisten gewöhnten Auge die in unwahre Empfindsam⸗ keit Genrebilder von Edith Martineaur, Arthur Hopkins und H. Ryland oder die Dorfschule von Edward Hughes, die mit Engeln und Puppen statt mit Dorfkindern erfüllt ist. Auch die orienkalischen Scenen von Henry Wallis und Henry Henshall stehen mit ihrer kleinlichen Freude an bunten Einzelheiten, die sich zu keiner Gesammtwirkung zusammenschließen, nicht auf einer wesentlich höheren Stufe. Es wäre indeß ungerecht, in all diesen Leistungen die große technische Geschicklichkeit zu übersehen, von welcher unsere deutschen Aquarellisten mancherlei lernen können; ist

doch England recht eigentlich die Heimath der Wasserfarbenmalerei, und

der Geschmack des Publikums begünstigt diese Technik in jeder Rich⸗ tung. Unter diesem Gesichtspunkt verdient die Ausstellung auch un⸗ eingeschränkte Anerkennung und Dank unserer kunstfreundlichen und kunstausübenden Kreise.

Allgemeiner aber und tiefer noch wird den Beschauer die Sammlung englischer Radirungen interessiren, die charakteristische Proben der be⸗ deutendsten Vertreter dieses heens weiges umfaßt. Zwar gehören die drei hervorragendsten Radirer, Alphonse Legros, James Whistler und Hubert Herkomer ihrer Abstammung nach nicht zu den Engländern, aber sie haben in London ihre zweite Heimath, ihren größten Wirkungskreis gefunden. Legros darf mit Recht als der Bahnbrecher der modernen Radirtechnik gelten; seine Portraits des Cardinals Manning, des Malers Poynter und Leon Gambetta's kenn⸗ zeichnen treffend seine breite, großzügige Manier. James Whistler, der Amerikaner, ist der geistreichste der Gruppe; eine erstaun⸗ liche nervöse Feinfühligkeit für die Ausdrucksfähigkeit der Linie, die Fähigkeit, mit leiser Andeutung überzeugende Illusion hervorzu⸗ rufen, sind die Haupteigenschaften seiner auch technisch durch die An⸗ wendung des sogenannten „soft ground“ interessirenden Blätter. Auch Herkomer ist in erster Linie technischer Experimentator. Unter den zahlreichen Proben seiner Kunst, die zum theil als Illustrationsmaterial seiner fesselnden Sladevorlesungen über Radirkunst gedient haben, vermißt man ungern das groß angelegte Porträt Richard Wagner's, das mit zu dem Eindrucksvollsten gehört, was H. geschaffen. Aber auch so gewähren die ausgestellten Blätter einen guten Einblick in die Finessen der modernen Radirverfahren, die H. mit glücklichem Spürsinn erklügelt. Als vierter reiht sich diesen Meistern der Lon⸗ doner Arzt und Radirer F. Seymour Haden an, der als fein⸗ sinniger Kenner und Nachahmer Rembrandt's eminentes Können mit poetischem Empfinden vereinigt.

Im Vorzimmer der Ausstellung sind photographische Nachbil⸗ dungen von Werken der englischen Präraphaeliten Gabriele Rosetti und Burne Jones ausgestellt. Ein volles Verständniß für diese seltsame Grupve unter den modernen Künstlern erschließen die wenigen farblosen Reproductionen nicht; aber der Grundzug ihres Bestrebens: nervös verfeinerte Wiederbelebung der Ideale des italienischen Quattrocento, wird auch in den wenigen Beispielen ihrer Kunst deutlich erkennbar ebenso wie die Schwächen dieser Kunstrich⸗ tung, die aus dem Nebelgrau nordischer Empfindung nach dem farben⸗ frohen Kunstfrühling Italiens hinüberschielt, zumeist nur die äußer⸗ liche Manier, die Gewandbehandlung, die Askese der Gestalten über⸗ nimmt, um sie mit moderner Sentimentalität zu erfüllen.

An der Preisbewerbung für Entwürfe zu einem Kreis⸗ hause für den Kreis Steinburg in Itzehoe betheiligten sich 59 Be⸗ werber. Es erhielten nach dem „Centr.⸗Bl. d. Bauv.“ den ersten Preis (1200 ℳ) der Architekt E. Reinhardt in Berlin, den zweiten Preis (800 ℳ) die Architekten Frank u. Hoßfeld in Charlottenburg.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

1 Fhc gal.

Der Hafen von Teneriffa ist seit dem 1. d. M. für cholera⸗ verseucht erklärt worden, und alle anderen Häfen der Canarischen Inseln gelten als verdächtig.

Der Hafen von Nantes und die übrigen Häfen des Departements Loire Infésrieure sind für rein von Cholera erklärt worden (vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 267 vom 7./11.).

Algier.

Die im „Reichs⸗Anzeiger“ Nr. 224 vom 18. September d. J. aufgeführten Sicherheitsmaßregeln gegen die Einschleppung der Cholera sind für Provenienzen aus Neapel und Rotterdam aufgehoben worden.

Cholera. Ueber den Stand der Cholera⸗Epidemie in Poler

Rußland. n Vom 5. bis 11. November sind in der Stadt Warschau 3 Erkrankungen und keine Todesfälle vorgekommen; vom 3. bis 9. November in den Kreisen Warschau, Radimin und Nowo Minsk (Gouvernement Warschau) 23 bezw. 6; vom 2. bi 8. November in Lenczyce (Gouvernement Kalisch) 16 bezw. 11; vom 2. bis 5. November in Zawichost (Gouvernement Radom) 12 bezw. 8 vom 2. bis 9. November im Kreise Sokolow (Gouvernement Siedletz 23 bezw. 13; vom 2. bis 9. November in Plock, Prasnysz, und Krei Plonsk (Gouvernement Plozk) 33 bezw. 15; vom 3. bis 10. November in den Kreisen Kolno, Lomza, Ostrolenka, Makow, Mazowieck, Pultusk und Ostrow (Gouvernement Lomza) 81 bezw. 42; vom 3. bis 8. No vember im Kreise Wilkowyscki (Gouvernement Suwalki) 12 bezw. 4

St. Petersburg, 17. November. Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erkrankten bezw. starben an Cholera vom 14. bis 16. d. M. in St. Petersburg 19 bezw. 7 Personen, vom 5. bis 12. d. M in Kronstadt 5 bezw. 4, in den Gouvernements: Grodno 6 bezw. 6, Wilna 31 bezw. 15, Kowno 60 bezw. 28, Lomza 62 bezw. 28, Minsk 12 bezw. 3, St. Petersburg 38 bezw. 8 Sjedletz 41 bezw. 21, vom 29. v. M. bis 11. d. M. in Estland 5 bezw. 2, Smolensk 7 bezw. 1, Moskau 31 bezw. 12, vom 29. v. M. bis 4. d. M. in Witebsk 3 bezw. 1, vom 22. v. M. bis 4. d. M. in Podolien 329 bezw. 145, vom 28. v. M. bis 4. d. M. in Orel 66 bezw. 27. Wie der „Regierungsbote“ meldet, ist die Cholera Epidemie im Gouvernement Lublin seit dem 28. Oktober vollständig erloschen.

Auch in der Woche vom 29. Oktober bis 8. November cr. war der Gesundheitsstand in Berlin ein günstiger und die Sterblichkeit eine niedrige (von je 1000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 17,3). Unter den Todesursachen haben acute Darmkrankheiten eine weitere Abnahme aufzuweisen und in 37 Fällen (gegen 53 der Vorwoche) zum Tode geführt. Die Betheiligung des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war eine kleine, von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 44 Säuglinge. Acute Entzündungen der Athmungsorgane kamen etwas seltener zum Vorschein; Erkrankungen an Grippe wurden mehrfach beobachtet; aus der der Berichtswoche vorhergegan⸗ genen Woche wurde 1 Todesfall an Grippe berichtet. In der Berichtswoche gelangte eine Erkrankung an Cholera zur Feststellung und 1 Erkrankung an Pocken zur Anzeige. Erkrankungen an Unter⸗ leibstyphus blieben selten; an Masern, Scharlach und Diphtherie wurden etwas mehr als in der Vorwoche zur Anzeige gebracht, von denen Erkrankungen an Scharlach nur in der Tempelhofer Vorstadt, Erkran⸗ kungen an Diphtherie in der Schöneberger und Rosenthaler Vorstadt, sowie in Moabit am zahlreichsten zur Meldung kamen. Erkrankungen an Kindbettfieber wurden 2 bekannt, rosenartige Entzün⸗ dungen des Zellgewebes der Haut kamen etwas seltener zur ärztlichen Behandlung. Erkrankungen an Keuchhusten wurden gleichfalls häufiger beobachtet und endeten auch in einer größeren Zahl von Fällen tödtlich. Rheumatische aller Art zeigten im Vergleich zur Vorwoche keine wesentliche Veränderung in ihrem Vorkommen.