bayerische Regierur nicht enthalten. Allerdings stehe dem nichts entgegen, daß Angelegenheiten des Reichs in dem Landtag besprochen und die Haltung von Bundesrathsmitgliedern kriti⸗ sirt würde. So gern aber die Regierung den Wünschen des Hauses entgegenkommen möchte, so wenig vermöge sie auf die ihr verfassungsmäßig zukommende Selbständigkeit und Freiheit der Entschließung im Bundesrath zu verzichten. Der Finanz⸗ Minister Dr. Freiherr von Riedel bezeichnete die finanziellen Ausführungen des Abg. von Vollmar als auf falschen Infor⸗ mationen beruhend. Mit der Tabacksteuer greife man zu einem Steuerobjecte, das in Frankreich, England, Oesterreich, Italien ꝛc. doppelt und dreifach höher besteuert sei als in Deutschland. Während in Frankreich auf den Kopf der Be⸗ völkerung 6,47 ℳ Tabacksteuer kämen, entfalle in Deutschland gegenwärtig auf den Kopf eine Steuer von 1 ℳ, und dieser Satz würde nach Einführung der beabsichtigten Erhöhung auf 2 ℳ steigen. Die verbündeten Regierungen seien bestrebt, die Tabacksteuer derart zu gestalten, daß sie das Weiterbestehen des Kleinbetriebs und der Hausindustrie ermögliche. Ent⸗ lassungen von Arbeitern in dem von dem Abg. von Vollmar angegebenen G seien keineswegs zu erwarten. Ebenso unzutreffend seien dessen Schilderungen von der künftigen Controle der Weinbauern; die Weinsteuer strebe vielmehr die Beschützung des Weinbauers gegen die jetzigen unehrlichen Mani⸗ pulationen an. Obstwein und Beerenwein blieben steuerfrei; die Frachtbriefsteuer lasse 80 Procent aller Postsendungen sowie den gesammten Localverkehr frei. Die Abgg. von Vollmar und Geiger (clerical) beantragten darauf eine motivirte Tages⸗ ordnung. Die Weiterberathung wurde auf heute vertagt, nachdem die Abgg. Freiherr von Stauffenberg und Orterer das Recht des Landtags betont hatten, das Reich angehende Sachen zu discutiren, und die Abgg. Ratzinger und Beck anstatt der Belastung des Volks die Einführung von Luxussteuern, Sportssteuern und einer Wehrsteuer empfohlen hatten.
Sachsen.
Die Besserung im Befinden Seiner Majestät des Königs macht nach dem „Dr. J.“ erfreuliche Fortschritte. Das Fieber ist nicht wiedergekehrt. Die Kräfte heben sich und der Katarrh ist wesentlich geringer. 8
Baden.
Am Mittwoch Vormittag ist in Karlsruhe der Landtag auf Befehl Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs durch den Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, Staats⸗ Minister Dr. Nokk mit folgender Ansprache eröffnet worden:
„Seine Königliche Hoheit senden Ihnen, Durchlauchtigste, Hoch⸗ geehrteste Herren, Seinen freundlichen Gruß und lassen gerne der Hoffnung Ausdruck geben, daß dieser Landtag bei allseitiger treuer Mitarbeit seine wichtige Aufgabe geliebten Heimath erfüllen werde.
Der Voranschlag für den Staatshaushalt der Budgetperiode 1894/95 ist fertiggestellt und wird Ihnen, nebst den Nachweisen über die finanziellen Ergebnisse der letzten Jahre, in den nächsten Tagen vorgelegt werden. Wenn es auch gelungen ist, den Fehlbetrag, den das Budget für 1892/93 aufwies, um etwa die Hälfte herabzumindern, wobei überdies die als nothwendig betrachteten erhöhten Bedürfnisse in fast sämmtlichen Zweigen der Staatsverwaltung Berücksichtigung gefunden haben, so stellt sich die Lage des Staatshaushalts, da immer noch ein erheblicher Fehlbetrag geblieben ist und die Ueberschüsse der Vorjahre sehr zusammengeschmolzen sind, doch wesentlich ungünstiger dar als in einer Anzahl vorausgegangener Budgetperioden.
Die finanzielle Lage würde sich schwieriger gestalten, falls die ge⸗ plante Finanzreform im Reich nicht zu stande kommen und der seit vorigem Jahre eingetretene nothwendige Mehraufwand im Reich auch nur vorübergehend den Einzelstaaten zur Last bleiben würde.
Entsprechend den auf dem letzten Landtage ertheilten Zusagen wird Ihnen die Großherzogliche Regierung demnächst eine Vorlage zugehen lassen, die eine umfassende Revision des Gehaltstarifs, und zwar vor⸗ wiegend zum Zweck der Erhöhung des Einkommens der Beamten der unteren und mittleren Gehaltsabtheilungen, zum Gegenstande hat und die weiterhin einen angemessenen Uebergang aus dem bisherigen in den neuen Zustand anstrebt. Die Großherzog⸗ liche Regierung hat geglaubt, mit dieser Vorlage, unerachtet der augenblicklich schwierigen Lage des Staatshaushalts, aus Rücksicht für die in Rede stehenden Angehörigen des Beamtenstandes und im Hin⸗ blick auf die in der Volksvertretung selbst laut gewordenen Wünsche, nicht zuwarten zu sollen; sie erachtet aber, angesichts des sehr beträcht⸗ lichen Mehraufwands infolge dieser allgemeinen Aufbesserung in den unteren und mittleren Abtheilungen des Gehaltstarifs, in Betracht des dermaligen Zustandes unserer Finanzen, eine Erhöhung der Einkommen⸗ steuer, unter Schonung der unteren Einkommenssteuergruppen, für geboten. Es wird deshalb gleichzeitig mit der Gehaltstarifvorlage auch ein die Erhöhung der genannten Steuer in Aussicht nehmender Gesetzentwurf eingebracht werden.
Den schweren Mißständen, die infolge der andauernden Dürre des Sommers der Landwirthschaft drohten, suchte die Regierung durch eingreifende Maßregeln, insbesondere durch Gewährung sehr nam⸗ hafter Zuschüsse, zu begegnen; sie hofft, daß ihre Bemühungen von Erfolg waren und die Billigung der Stände finden werden.
Unsere Staatsbahn wird in der kommenden Budgetperiode durch Vollendung der im Bau begriffenen Linien Graben —-Röschwoog und Stahringen — Ueberlingen eine erhebliche Erweiterung erfahren. Für Untersuchung von weiteren Linien, die zur Vervollständigung des Staatsbahnnetzes dienen sollen, sind Mittel vorgesehen.
Die Regierung beabsichtigt auch ferner, der Ausführung von Nebenbahnunternehmungen durch Gewährung ausreichender staatlicher Unterstützung, wo dies vom Gesichtspunkt der örtlichen und allgemeinen Interessen gerechtfertigt erscheint, eine wirksame Förderung zu theil werden zu lassen. Mehrere Gesetzentwürfe über Herstellung solcher Bahnen werden Ihnen zur verfassungsmäßigen Prüfung und Ent⸗ schließung vorgelegt werden.
Außerdem wird Ihnen die Regierung einige Gesetzentwürfe unter⸗ breiten, welche auf verschiedenen Gebieten der Staatsverwaltung Ver⸗ besserungen anstreben.“
Hierauf wurden die anwesenden neu eingetretenen Mit⸗ glieder beider Kammern zur verfassungsmäßigen Eidesleistung aufgerufen, und sodann erklärte der Präsident des Staats⸗ Ministeriums im Namen Seiner Königlichen Hoheit des Groß⸗ benoße den Landtag für eröffnet.
kit einem dreimaligen Hoch der Versammlung auf den Großherzog fand die Feierlichkeit ihrenAbschluß.
zum Wohle unserer
In dem gestern nach der Vertagung und dem inzwischen erfolgten II vepe Sep zum ersten Mal wieder zusammen⸗ getretenen 2 Ieeee „gab, dem „W. T. B.“ zufolge, der Minister⸗Präsident Fürst Windischgrätz fol⸗ gende Erklärung ab:
„Seine Majestaͤt der Kaiser haben mich zu Ihrem Minister⸗ Präsidenten Allergnädigst zu ernennen geruht; ich habe die Ehre, mich als solchen sowie das neue Ministerium Seiner Majestät dem hohen Hause hiermit vorzustellen. Die neue Regierung wurde eingesetzt infolge der gemeinsamen politischen Action der drei großen Parteien des Abgeordnetenhauses; sie wendet sich daher in nächster Linie
an diese Parteien und spricht die Erwartung aus, daß diese ihre Thätigkeit mit Vertrauen begleiten und auch einander gegenüber gute parlamentarische Beziehungen erhalten werden. Die Regierung erklärt, daß sie es als ihre erste und wichtigste politische Aufgabe betrachtet, im Einvernehmen mit diesen Parteien eine umfassende Wahlreform zu schaffen, welche mit Auf⸗ rechterhaltung der derzeit bestehenden verfassungsmäßigen Vertretung der bee und mit genauer Berücksichtigung der Verhältnisse der vereinigten Königreiche und Länder eine wesentliche Ausdehnung des Wahlrechts unter Heranziehung der bisher vom Stimmrecht ausgeschlossenen Volksschichten, ins⸗ besondere der Arbeiter, herbeiführen und zugleich das bis⸗ herige Schwergewicht der politischen Rechte des Bürger⸗ und Bauernstandes sichern soll, und welche voraussichtlich eine Vermehrung der Mitgliederzahl des Abgeordnetenhauses zur Folge haben wird, sowie eine Revision der Wahlbezirkseintheilung erfordern dürfte. Bis zum Zustandekommen der Wahlreform hält die Regierung es für an⸗ gemessen, alle anderen großen politischen Fragen ruhen zu lassen, und will sich in dieser Zeit, unter gleichzeitiger steter Bedachtnahme auf die Erhaltung der Machtstellung und Wehrkraft der Monarchie, mit aller Thatkraft wirthschaftlichen und finanziellen Aufgaben zuwenden. Die neue Regierung übernimmt das mit Ungarn verein⸗ barte Werk zur Herstellung der metallischen Währung und wird be⸗ strebt sein, dasselbe mit Ernst und Umsicht FTöö“ Ebenso wird die Regierung großen Werth darauf legen, daß im Wege des parlamentarischen Einvernehmens die Reform der directen Steuern zum Abschluß gebracht werde. In Erkenntniß der großen Bedeutung der Socialpolitik in der heutigen Verwaltung und der Nothwendigkeit der Fürsorge für die arbeitenden Klassen wird die Regierung diesem in unserer Zeit so überaus wichtigen Gebiete staatlicher Thätigkeit ihr besonderes Augenmerk zuwenden und behält sich vor, hierüber seiner Zeit bestimmte Vorschläge zu machen. Das Gelingen der Justizreformen, welche zum großen Theile die Interessen des rechtsuchenden Publikums und der Be⸗ völkerung überhaupt direct berühren, wird die Regierung sich dringend angelegen sein lassen. Nützliche Reformen zur Hebung der sittlichen und materiellen Verhältnisse und somit der Bildung und des Wohl⸗ standes liegen im Interesse des ganzen Volks und darum auch sämmt⸗ lichen Parteien des Hauses gleichmäßig am Herzen. Die Re⸗ gierung wird glücklich sein, wenn hier die Parteischeidungen zurücktreten und sich Alle in gemeinsamer patriotischer Arbeit zusammenfinden wollen. Offenheit und Wahrheit im öffentlichen Leben, volle Anerkennung der Bedeutung der parlamentarischen Institutionen, die wirksame Förderung aller berech⸗ tigten wirthschaftlichen Interessen, eine kräftige, auf der Höhe der Zeit stehende Verwaltung, eine entschiedene Abwehr aller den Frieden des Staats und die allgemeine Wohlfahrt störenden Elemente, — dies sind die Gesichtspunkte, von welchen sich die Regierung bei der Führung der öffentlichen Geschäfte leiten lassen will; sie hofft in ihrer schwierigen Aufgabe auf das Vertrauen und die Unterstützung aller Wohldenkenden, welche für ihr Volk warm empfinden und denen das Anfehen Oesterreichs theuer ist.
In der Erklärung des Minister⸗Präsidenten wurden be⸗ sonders die Stellen mit lebhaftem Beifall aufgenommen, die die Ankündigung der Wahlreform, die Aufrechterhaltung der sinanziellen Aufgaben und der Steuerreform, die Anerkennung der parlamentarischen Institutionen und die entschiedene Ab⸗ wehr aller friedenstörenden Elemente enthalten. Einen stürmischen Charakter nahm der Beifall bei der Stelle an, die Offenheit und Wahrheit im öffentlichen Leben ver⸗ spricht. Nach dem Schluß der Erklärung erhob sich anhaltender und immer sich erneuernder Beifall. Hierauf verlangte der Jungczeche Herold unter Unruhe und Zwischenrufen das Wort. Auf eine von dem Präsidenten von Chlumecky an das Haus gerichtete Anfrage beschloß dieses mit sehr großer Majorität, dem Abg. Herold das Wort nicht zu ertheilen. (Unruhe, lebhafte Zwischenrufe.) Für Ertheilung des Wortes stimmten die Jung⸗ czechen, Altezechen, Slovenen, Croaten, Antisemiten und Deutschnationalen. — Eingegangen sind Regierungsvorlagen über den Bau der Eisenbahn Halicz⸗Ostrow mit zwei Abzweigungen, die Erwerbung der Linien der Local⸗Eisenbahngesellschaft durch den Staat, die Herstellung der Ibbsthalbahn, der Meirerer Localbahnen auf Staatskosten und die Verlängerung der Ge⸗ bührenerleichterungen bei den Conversionen der Eisenbahn⸗ Prioritäten. Nach der Verlesung der Vorlagen stellten die Abag. Herold und Genossen einen Dringlichkeitsantrag auf Er⸗ öffnung der Besprechung über die Erklärungen des Mini⸗ steriums. Herold begründete den Antrag und erklärte, das Regierungsprogramm schweige über das vwichtigste, nämlich über die nationale Frage. Das böhmische Volk habe zu dieser Regierung, deren Zusammensetzung selbst ein Programm sei, kein Vertrauen. Die beantragte Dringlichkeit der Be⸗ sprechung der Regierungserklärung befürworteten die Abgeord⸗ neten Kaizl, Fanderlik, Laginja, Lueger, Vascaty und Bankini. Der Abg. Lueger fragte, wen die Regierungs⸗ erklärung unter den friedenstörenden Elementen meine. Gegen die Dringlichkeit sprachen die Abgg. Abrahamowicz und Heilsberg; letzterer wies darauf hin, daß die bevorstehende Debatte über das Budgetprovisorium ausreichenden Anlaß zu einer wünschenswerthen Erörterung der Regierungserklärung biete. Die Dringlichkeit wurde sodann mit 171 gegen 87 Stimmen abgelehnt. Dafür stimmten die Czechen, die Südslaven, die Antisemiten und die Deutschnationalen. Das Haus ging hierauf zur Tagesordnung über, insbesondere zur Fortsetzung der vor der Vertagung des Reichsraths be⸗ gonnenen Wahlreformdebatte. Nachdem sämmtliche gegen die Vorlage vorgemerkten Redner auf das Wort verzichtet hatten, wurde die vor der Vertagung eingebrachte Regierungsvorlage sammt den dazu vorliegenden Initiativanträgen dem Wahl⸗ reformausschuß überwiesen, die Sitzung sodann geschlossen.
Im Herrenhause verlas der Minister⸗Präsident Fürst Windischgrätz ebenfalls die Programm⸗Erklärung, die mit vielem Beifall aufgenommen wurde, und hielt sodann folgende Ansprache:
„Mit dieser Erklärung ist Seiner Majestät Regierung vor das Abgeordnetenhaus getreten, und, indem sie die Ehre hatte, dieselbe zur Kenntnißnahme des Herrenhauses zu bringen, erlaubt sie sich, der Erwartung Ausdruck zu geben, daß das Herrenhaus, das mit Recht als Hort des österreichischen Patriotismus bezeichnet und als diejenige Körperschaft angesehen wird, in der die zwischen den Parteien be⸗ stehenden Gegensätze gemildert werden, geneigt sein wird, der Regie⸗ rung in Erfüllung ihrer schweren Aufgabe seine wohlwollende Unter⸗ stützung angedeihen zu lassen.“
Der Club der Conservativen und der Club der vereinigten deutschen Linken traten gestern nach der Sitzung zusammen. Im Club der Sea h hc theilte der Obmann Graf Hohenwart mit, daß die Abgg. Klaic, Borcis, Balat, Supuk, Ferjancic, Kusar, Gregorec, Graf Alfred Coronini, Gregoric, Nabergey und Zal⸗ linger ihm brieflich angezeigt hätten, daß sie mit Rücksicht auf die politische Lage aus dem conservativen Club austräten. Der Club nahm hierauf einstimmig eine Resolution di Pauli's an, daß er an allen seinen religiösen, politischen, natio⸗ nalen und wirthschaftlichen Grundsätzen unentwegt festhalte und nur in diesem Sinne die Regierung 9. unterstützen bereit sei. Ebenso wurde eine Resolution Suklje’s angenommen,
worin der Club erklärt, fest entschlossen zu sein, an den Grundsätzen der E“ aller österreichischen Volksstämme festzuhalten und diesen zum Durchbruch; verhelfen. Die ausgetretenen Slovenen constituirten sich 5 einem selbständigen Club, der Klaic zum Obmann und Ferjancic zu dessen Stellvertreter wählte. Der Club⸗ der vereinigten deutschen Linken nahm unter stürmischem Beifall einstimmig eine Resolution Heilsberg's an, dahin gehend, daß der Club von der Erklärung des Ministeriums mit Befriedigung Kenntniß nehme. In zuversichtlicher Erwartung daß die Regierung die angekündigten Grundsätze aufrecht⸗ halten und verwirklichen werde, spreche der Club seine Bereit⸗ willigkeit aus, das Ministerium zu unterstützen und mit allen Parteien, die ihr Verhalten ähnlich einrichteten, das für eine zielbewußte Arbeit des Parlaments ersprießliche Einvernehmen zu pflegen. Der Cluh beschloß ferner, den Club des liberalen Centrums (Coronini⸗Club) zu begrüßen und einzuladen, die neue Gruppirung zu unterstützen.
In der gestrigen Sitzung des ungarischen Unter⸗
hauses erklärte im Verlauf der Debatte über das Cultus⸗
budget der Minister des Unterrichts Graf Csäky, er er⸗ kenne die Nothwendigkeit einer Vermehrung der Universitäten bis auf fünf an, fügte jedoch hinzu, die Frage sei nicht akut, da noch dringendere zu lösen seien. Hinsichtlich der Congrua⸗Frage und der Frage der Kirchen⸗Autonomie, sagte der Minister, müsse die Stellungnahme des Episkopats ah⸗ gewartet werden. Schließlich erklärte der Minister unter dem lebhaftesten Beifall des Hauses, er wolle keine Confession ver⸗ letzen, aber auch keiner einzigen Confession die Interessen des ungarischen Staats ausliefern.
Der österreichisch⸗ungarische Botschafter in Berlin von Szögyény ist gestern aus Stuhlweißenburg in Wien ein⸗ getroffen.
Wie die „Politische Correspondenz“ aus Graz meldet, soll die Ueberführung der Leiche des Grafen Hartenau nach Sofia in aller Stille am Jahrestage der Schlacht von Pirot stattfinden. Die Einholung der sterblichen Reste des ersten Herrschers von Bulgarien werde mit gebührenden Ehren er⸗ folgen; in Belgrad werde eine Ehrenwache aufgestellt sein.
Großbritannien und Irland.
In der gestrigen Sitzung des Unterhauses erklärte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Präsident des Handelsamts Mundella, daß, soweit bis gestern Mittag bekannt gewesen sei, der Verlust an Menschenleben durch den letzten Orkan 237 betrage; jedoch sei zu befürchten, daß er sich noch größer erweisen werde. Die Zahl der Geretteten betrage 506. Der Abg. Dalziel fragte an, ob die Regierung, als sie das Verbleiben des Herzogs von Sachsen⸗Coburg und Gotha in seiner Stellung als Mitglied des Geheimen Raths empfohlen habe, obwohl er ein deutscher Fürst geworden sei, die Worte des Geheimrath⸗ eides in Betracht gezogen habe, und ob der Herzog als Fürst einer fremden Macht durch die Worte des Eides gebunden sein werde. Der Premier⸗Minister Gladstone erklärte darauf, daß mehrere Punkte von großem Interesse und von großer Wichtigkeit im Zusammenhang mit der neuen Stellung des Herzogs entstanden seien; es empfehle sich jedoch, zu einer Aeußerung hierüber dann Gelegenheit zu nehmen, sobald alle Punkte im Zusammenhang erklärt werden könnten, anstatt sie stückweise zu behandeln. Was aber den specffischen Punkt in der Anfrage betreffe, so könne er sagen, daß die Mitglieder der Königlichen Familie den Eid nicht leisteten. Im weiteren Verlauf der Sitzung gab der Parlaments⸗ secretär des Auswärtigen Sir E. Grey die Erklärung ab, er habe über die Vorgänge in Brasilien keine neuen Nach⸗ richten außer den in den Zeitungen bereits veröffentlichten empfangen. Der Regierung sei keine Bestätigung des in Umlauf befindlichen Gerüchts zugegangen, daß die Beschießung von Rio bevorstehe. Es sei leider wahr, daß jeden Augenblick Verhältnisse eintreten könnten, die eine solche Maßregel, un⸗ geachtet der Bemühungen der ausländischen Vertreter und der Commandanten der ausländischen Kriegsschiffe, herbeiführen würden. England habe vor Rio drei Kriegsschiffe, Frank⸗ reich, Deutschland, Italien, die Niederlande, Fegtas und die Vereinigten Staaten von Nord⸗Amerika hätten jetzt auch Kriegsschiffe dort. Der englische Geschwader⸗Commandant und der englische Gesandte seien in Uebereinstimmung mit den übrigen Vertretern der fremden Mächte und den Schiffs⸗ Commandanten dafür thätig, die Fremden und deren Eigen⸗ thum zu schützen. Nach achtstündiger Debatte wurde sodann ohne besondere Abstimmung die Haftpflichtbill in dritter Lesung angenommen.
Das „Reuter'sche Bureau“ meldet nach Mittheilungen eines hohen Beamten der Sicherheitspolizei, daß die Hand⸗ lungen der fremden Anarchisten in London streng überwacht würden. Falls eine Explosion oder ein sonstiges Attentat stattfinden sollte, werde ein energisches Vorgehen, eventuell ein Ausweisungsbefehl gegen sämmtliche T narchisten i dor erfolgen.
Frankreich.
Die gestrige Sitzung der Deputirtenkammer war nach einer Meldung des „W. T. B.“ wieder stark besucht. Bei der Fortsetzung der Debatte über die Interpellation Jauréès tadelte Lockroy die ministerielle Erklärung, welche die vom Lande verlangten Reformen nicht enthalte, und warf dem Finanz⸗Minister vor, das Einkommensteuerproject, über das die Erklärung sich ausschweige, aufgegeben zu haben. Der Finanz⸗ Minister Peytral erwiderte, dies sei ein Irrthum. Lockroy schloß seine Rede mit der Erklärung, er sei weder Collectivist noch ein Feind des Vaterlandes. (Beifall auf der äußersten Linken.) Barthou (gemäßigter Republikaner) bekämpfte die socialistischen Theorien, erklärte aber, seine Partei werde dahin wirken, berechtigte Forderungen des Volks zu erfüllen und praktische Reformen zur Reise kommen zu lassen. rufe bei den Socialisten, Beifall auf der Linken.) Chau⸗ temps sprach zu Gunsten des Zusammengehens aller Republikaner, um die ersehnten Reformen ins Werk zu setzen und den socialen Frieden herbeizuführen. Deschanel (ge⸗ mäßigter Republikaner) wies die Nothwendigkeit einer Beständigkeit des Ministeriums hin und hob hervor, es sei unmöglich, unter den Radicalen und unter den Socialisten regierungsfähige Elemente zu finden. Die weitere Berathung wurde sodann auf morgen vertagt.
Die heutigen Morgenblätter constatiren eine vollständige Spaltung zwischen den Gemäßigten und Radicalen, halten aber einen schließlichen Erfolg der Regierung für sicher.
Rußland.
Der Ober⸗Hofschenk Graf Boleslaw Potocki iß, wie
„W. T. B.“ aus St. Petersburg erfährt, gestorben.
11“ Italien.
Die Deputirtenkammer hat gestern ihre Sitzunge wieder aufgenommen. Das Haus sowie die Galerien waren voll besetzt, die Minister alle zugegen. Unter den Deputirten waren auch die ehemaligen Minister Crispi, Nicotera und di Rudini anwesend. Nach “ der Sitzung wurde Imbriani vereidigt und ergriff alsbald das Wort. Er protestirte, wie „W. T. B.“ meldet, gegen das Ver⸗ bleiben des derzeitigen Cabinets, das Italien auf die Bahn des Verderbens gebracht habe, und erklärte, er werde sich dem Verlangen anschließen, das Ministerium in Anklagezustand zu versetzen. (Anhaltender Lärm.) Im weiteren Verlauf der Sitzung legte der Minister des Auswärtigen Brin ein Grünbuch über die Vorfälle in Aigues⸗ Mortes vor. Unter den eingebrachten Vorlagen befinden sich Gesetzentwürfe über die Einführung einer progressiven Einkommensteuer, über eine Reform der Erbschafts⸗ steuer und über die Abänderung der Alkohol⸗ steuer. Der Präsident theilte mit, daß das Comité der parlamentarischen Bank⸗Enquête ihm einen ver⸗ siegelten Bericht nebst Anlagen übergeben habe. Bei der Berathung über die Veröffentlichung dieses Berichts ent⸗ spann sich eine Debatte, worin beantragt wurde, den Bericht sofort zu verlesen. Der Minister⸗Präsident Giolitti erklärte, daß die Regierung nicht in die Debatte eingreifen werde; persönlich als Deputirter wünsche er die Verlesung. Diese wurde hierauf beschlossen und unter großer Aufmerksamkeit begonnen. Der Bericht besagt, daß sich keinerlei Beweis für eine politische Simonie in dem V. zwischen
Verkehr der Regierung und den Banken ergeben habe, und erwähnt, daß eine systematische Sorglosigkeit in dem Benehmen der Regierung gegenüber den Banken von 1880 bis jetzt gewaltet habe. Die Commission mißbilligt, daß man den wesentlichen Theil des Berichts Biagini’'s über die Banca Romana ver⸗ tuscht habe, und erklärt, daß nicht alle bei Bernardo Tanlongo beschlagnahmten Papiere den Behörden zurückgegeben worden seien. Der Bericht schließt mit der Erklärung, daß Italien eine schwierige Periode durchlebt habe, aber unversehrt und ruhmvoll aus derselben hervorgegangen sei. Die Anlagen zu dem Bericht, die gleichfalls verlesen wurden, behandeln einige Acte der Deputirten Amadei, Delvecchio, San⸗ donato, Elia, Maffei, Montagna, Mazzino, Simonetti und Miceli. Von Grimaldi wird gesagt: er habe nur für gericht⸗ liche Angelegenheiten als Advocat eine Summe Geldes er⸗ halten; die Commission erachte es für ausgeschlossen, daß er noch eine andere Summe Geldes empfangen habe. In Bezug auf Nicotera wird erklärt, es habe sich nicht herausgestellt, daß er irgend eine Summe erhalten habe, die er für sich ver⸗ wendet habe. Der Bericht beklagt die Intervention des Unter⸗ Staatssecretärs San Giuliano in der Angelegenheit Faro. Die Commission tadelt ferner die Beziehungen von einigen Journalisten und sechs Staatsbeamten zu der Banca Romana. Sie erachtet die Beschuldigung, daß Giolitti im November 1892 von der Banca Romana einen Betrag für Wahlzwecke erhalten habe, für nicht erwiesen. Die Commission hält es für ausgeschlossen, daß der Minister Lacava Geld für die Wahlen empfangen habe, bedauert jedoch, daß Lacava die Escomptirung zu Gunsten eines Privaten befürwortet habe. Bezüglich der Haussuchungen bei Tanlongo sei es gewiß, daß nicht alle beschlagnahmten Documente den Gerichtsbehörden zugestellt seien; allein es habe sich nicht ergeben, daß öffentliche Beamte die Docu⸗ mente beseitigt hätten. Was die Ernennung Tanlongo's zum Senator betreffe, so mißbillige die Commission, daß Giolitti vor der Ernennung nicht die Ergebnisse des Enquéêteberichts Biagini's zu Rathe gezogen habe. Nach Verlesung des Be⸗ richts und der Anlagen entstand eine große Bewegung. Viele Deputirte der äußersten Linken verlangten das Wort. Der Präsident hob unter großem Lärm und Pfeifen um 9 Uhr 20 Minuten die Sitzung auf. Die Aufregung dauerte noch einige Zeit fort.
In der gestrigen Sitzung des Senats wurde der Antrag der Senatoren Pierantoni und Parenzo, das Decret über Zahlung der Zölle in Gold den Ausschüssen zu über⸗ weisen, angenommen.
Heute Vormittag trat der Ministerrath zu einer Be⸗ rathung über die Lage zusammen. Wie die „Ag. Stefani“ meldet, beschlossen die Minister ihre Demission einzureichen.
Der österreichisch- ungarische Minister des Auswärtigen Graf Kälnoky ist gestern Abend von Florenz nach Venedig
abgereist.
Spanien.
Heute Vormittag findet, wie „W. T. B.“ aus Madrid berichtet, in Melilla eine Zusammenkunft des Generals Macias mit dem Bruder des Sultans statt. Abends wird der Ministerrath zusammentreten, um das Resultat der Zusammenkunft zur Kenntniß zu nehmen.
Nach einer Mittheilung aus Barcelona sind dort mehrere fremde Anarchisten ausgewiesen worden und sollen heute über die französische Grenze gebracht werden.
Belgien. In einer gestern Vormittag in Brüssel abgehaltenen Ver⸗
sammilung der Mitglieder der Rechten, woran 87 Abgeordnete
theilnahmen, erklärte dem „W. T. B.“ zufolge der Minister⸗ Präsident Beernaert: alle Mitglieder der Rechten hätten sich in der Frage der proportionellen Vertretung für die Wahlen Actionsfreiheit gewahrt; allein wenn die Rechte nicht minde⸗ stens der Aufnahme des Princips der proportionellen Ver⸗ tretung in das neue Wahlgesetz zustimmen sollte, so werde er zurücktreten. Amerika.
VVon der brasilianischen Gesandtschaft in Berlin ist dem „W. T. B.“ ein amtliches Telegramm aus Rio de Janeiro von gestern Vormittag 8 Uhr zugegangen, das folgendermaßen lautet: „Die Festung von G. Joao hat am
Mittwoch den Moniteur „Iaccg., der sich in der Gewalt en
der Insurgenten befand, bescho und am Nachmittag desselben Tages auf der Rhede von Rio in den Grund gebohrt.“ — Der Präsident von Brasilien Peixoto hat an den „New⸗York Herald“ ein Telegramm gerichtet, das besagt, die Regierung habe den Abgesandten José Mariano verhaften lassen. Dieser habe Der hen für die Aufständischen überbracht, die Mittheilungen über eine in Pernambuco bestehende Verschwörung zur Herbeiführung eines Aufstandes ent⸗ hielten. Infolge dessen habe die Regierung den Belagerungs⸗ . über Pernambuco verhängt und die Leiter der Verschwörung verhaftet. Die Colonnen der Nord⸗ Armee, welche in Santa Catarina operirten, hätten die Rebellen geschlagen. Eine große Zahl der⸗ selben sei verwundet oder getödtet worden. Nach
einer Depesche desselben Blattes aus Montevideo fahre Peixoto neuerdings auf den Höhen der Stadt Geschütze auf. Eine allgemeine Beschießung Rios scheine bevorzustehen; fortwährendes Feuer werde gegen das Handelsviertel gerichtet, viele Personen seien verwundet worden, das diplomatische Corps werde seinen Sitz nach Petropolis verlegen.
Afrika.
Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Kairo, daß im Budget für 1894 die Einnahmen auf 10 075 009, die Aus⸗ gaben auf 9 540 000 egyptische Pfund veranschlagt worden seien.
Nach einer Meldung desselben Bureaus aus Kapstadt von gestern habe eine englische Recognoscirung festgestellt, daß die Armee Lobengula's zersprengt und Lobengula selbst, nur in Begleitung einiger treuer Detachements, in die Wälder entflohen sei. Major Forbes setze die Verfol ung des Königs n. dessen Gefangennahme sicher sein solle. Der Krieg gelte für beendigt.
Deutscher Reichstag.
Der Bericht über die gestrige Sitzung befindet sich in der Ersten Beilage.
4. Sitzung vom Freitag, 24. November, 1 Uhr.
Der Sitzung wohnen bei der Reichskanzler Graf r Caprivi, die Staatssecretäre Dr. von Boetticher und Freiherr von Marschall, sowie der Königlich preußische Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von HeD
„Die erste Berathung der Handelsverträge mit Ru⸗ mänien, Spanien und Serbien wird fortgesetzt.
Abg. Dr. Paasche (nl.) spricht seine Befriedigung darüber aus, daß die Verträge in eine Commission verwiesen werden sollen; es werde dort vielleicht gelingen, die Bedenken zu beseitigen, welche
auch bei einzelnen seiner Parteigenossen gegen die Verträge noch vor⸗ daß ein Vertrag angenommen
lägen. Auch er wünsche nicht, werde, der die Landwirthschaft schädige, ohne der Industrie Nutzen zu bringen; er glaube aber gerade, daß die vorliegenden Verträge der Landwirthschaft keine neuen Lasten auferlegen, dagegen der Industrie Vortheil bringen. Was den vielfach getadelten Vertrag mit Oesterreich betreffe, so sei er auch jetzt noch der An⸗ sicht, daß man bei ähnlichen Verhältnissen einen solchen Vertrag wieder annehmen würde. Jetzt erscheine vielleicht der Vertrag als ein Fehler; aber damals hatte Rußland seine Grenzen durch ein Ausfuhrverbot gesperrt; wir hatten hohe Getreidepreise, und wenn nicht durch die Verträge die Zollermäßigung erfolgt wäre, so hätte man wahrscheinlich auch ohne Verträge die Zölle herabgesetzt zum Schaden der Landwirthschaft. Die Denkschrift, welche den jetzt zur Berathung stehenden Handelsverträgen beigegeben ist, ent⸗ hält nur ein knappes statistisches Material; hätten wir das Material gehabt, welches der Staatsfecretär gestern vorgetragen hat, so würden manche Bedenken nicht entstanden sein. Redner wendet sich dann gegen das Flugblatt des Bundes der Land⸗ wirthe, über welches gestern schon mehrfach gesprochen ist. Es sei unrecht, wenn behauptet werde, daß diejenigen, welche für die Handels⸗ verträge seien, kein Herz für die Landwirthschaft hätten. Er habe durch seine Schriften das Gegentheil bewiesen und stehe doch auf dem Boden der Handelsverträge. Wenn ein verschuldeter Großgrundbesitzer von seinem Besitzthum gehen müsse, so sei das kein nationales Un⸗ glück, wenn der Betreffende seine landwirthschaftlichen Vorstudien vielleicht nur durchgemacht habe auf der Reitschule in Han⸗ nover, auch dann nicht, wenn er ein erfahrener Land⸗ wirth sei. Aber es handele sich nicht um die Großgrund⸗ besitzer allein, sondern um die gesammte Landwirthschaft, für die er nicht ein Recht auf Rente, aber ein Recht auf Existenz überhaupt verlange. Der Bauernstand sei das Rückgrat des Staatslebens und bei ihm könne man nicht sagen, daß irgend ein anderer an seine Stelle treten könne, wie bei den Großgrundbesitzern. Diese kleinen Landwirthe müßten geschützt werden. Aber die Ueber⸗ treibungen des Bundes der Landwirthe mit den über⸗ mäßigen Angriffen auf die Regierung, mit ihrem Miß⸗ brauch der statistischen Zahlen könne er nicht billigen. Es werde von einer Zunahme der spanischen Ausfuhr nach Deutschland gesprochen, aber dabei vergessen, daß die Einfuhr zum größten Theil aus spanischen Eisenerzen bestehe, welche der Abg. von Stumm dringend nothwendig brauche, um seine Arbeiter zu beschäf⸗ tigen. Wenn man diese abrechne, dann ergebe sich keine Steigerung
sondern eine Abnahme der Ausfuhr von Spanien nach Deutschland,
dagegen sei die Ausfuhr Deutschlands nach Spanien erheb⸗ lich gestiegen. Auch die Zahlen, die über Rumänien angeführt seien, hätten keine Bedeutung, denn die Einfuhr aus Ru⸗ mänien sei nur gestiegen, weil wir Futtermittel aus Rumänien ge⸗ braucht hätten. Aus Argentinien sei viel mehr eingeführt nach Deutsch⸗ land, ohne daß man diese Einfuhr als einen Nagel zum Sarge der deutschen Landwirthschaft betrachtet habe. An Brotgetreide habe Ru⸗ mänien nur einen kleinen Bruchtheil nach Deutschland eingeführt; die Hauptmenge sei nach England gegangen. Spanien habe einmal im Jahre 1892 Roggen importirt und zwar 232 000 t; aber in den ersten neun Monaten dieses Jahres nur 53 t, d. h. so viel wie ein Groß⸗ grundbesitzer über seinen Hof führe. Deswegen brauche man keine Angst um die Landwirthschaft zu haben. Wie die Handelsverträge vorlägen, hätte er auch manches anders gewünscht; aber einen Schaden für die Landwirthschaft könne er davon nicht befürchten. (Schluß des Blattes.)
— Die Ahbgg. Lutz, Dr. F Heereman von Zuydwyk, von Ploetz, Dr. Bachem, Graf von Dönhoff⸗Friedrichstein und Dr. Hahn haben den schon früher eingebrachten Antrag auf Erlaß eines Heim⸗ be“ für das Deutsche Reich von neuem im Reichs⸗ tag eingebracht.
Den Einzellandtagen hat es bisher an einem so instructiven Handbuch gefehlt, wie es Brofessor Joseph Kürschner für den Deutschen Reichstag geschaffen hat. Das kleine schwarz⸗weiß⸗rothe Büchlein hat eine gute Aufnahme gefunden, aber auch den Wunsch rege gemacht, für die Einzellandtage ähnliche Bücher zu be⸗ sitzen. Für den bayerischen Landtag ist Kürschner bereits diesem Wunsche nachgekommen und jetzt damit beschäftigt, im Verlage seines Reichstagsbuches (Deutsche Verlagsanstalt in Stuttgart) ein ent⸗ sprechendes Werkchen über das neue preußische Abgeordneten⸗ haus herauszugeben. Das Buch wird ich in jeder Beziehung genau an das in seiner Form und Anordnung bewährte Reichstagsbüchlein gsschtishen, dieses aber “ in der Zahl der Porträts noch übertreffken. Das neue Wahlgesetz gelangt in dem Buche zum Ab⸗ druck. Wir werden seiner Zeit beim Erscheinen unsere Leser von der vollzogenen Ausgabe unterrichten.
Nr. 46 A des „Centralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministeriumderöffentlichen Arbeiten, vom 22. November, hat folgenden Inhalt: Preisbewerbung um ein Kinderhospital in Riga. — Preisbewerbung um ein Krankenhaus in Gothenburg. — Wettbewerb um ein neues Stadttheater in Rostock. 8” Preisausschreiben für Aufsätze aus dem Gebiet des Eisenbahn⸗
“
Statistik und Volkswirthschaft.
Zur Arbeiterbewegung. 8
In Leipzig lehnte der „Lpz. Z.“ zufolge eine socialdemo⸗ kratische Versammlung eine ab, die sich gegen die Parteiführer Bebel und Auer wegen ihres Vorgehens gegen die gewerkschaftliche Bewegung richtete.
Aus Straßburg wird dem „Vorwärts“ berichtet, daß der Ausstand der Sattler in der dortigen Militäreffecten⸗Fabrik von Jansen beendet ist. Es wurde eine kleine T“ der Löhne und achttägige Lohnzahlung erzielt. (Vergl. Nr. 249 d. Bl.) — Der „Köln. Ztg.“ wird aus Straßburg geschrieben: „Die Straßburger Social⸗ demokratie hat einen eripfindtichen Verlust erlitten. Der geistig alle anderen überragende bisherige Genosse Maler Albert Hufenbeck erklärte öffentlich seinen Austritt aus der socialdemokratischen Partei. Auf Grund ernsten Studiums ist er, wie er sagt, zu der Ueberzeugung von der Unhaltbarkeit der fpeiatdernokee Bestrebungen ge⸗ kommen und hat nicht gesäumt, seiner Ueberzeugung auch durch die That Folge zu geben.“
Hier in Berlin wollen, einer Mittheilung der Berliner „Volks⸗ zeitung“ zufolge, die Lackirer der Lampenbranche in eine Lohn⸗ bewegung eintreten. Ihre Hauptforderungen sind Erhöhung der Accordsätze, Verkürzung der Arbeitszeit und Abstellung einer Reihe von gesundheitlichen Mißständen in den Werkstätten. Zur Aus⸗ arbeitung der Forderungen ist eine Commission gewählt worden, die auch mit den Kleinmeistern in Fühlung treten will.
In Budapest soll, wie dem „Vorwärts“ gemeldet wird, eine Lohnbewegung der Goldschläger wegen 25 procentiger Lohnkürzung in Aussicht stehen.
MUeber den Ausstand der Beamten der Lehighthalbahn liefen bei der Londoner „A. C.“ widersprechende Nachrichten ein. Während die Behörden das bevorstehende Ende des Ausstandes ankündigen, setzen die Ausständigen Vertrauen auf den Erfolg ihrer Sache. In Sayre herrschte große Erregung, weil die Leute entschlossen schienen, das Ablaufen von Zügen zu verhindern (vgl. Nr. 278 d. Bl.).
Kunst und Wissenschaft.
Im magnetischen Observatorium zu Potsdam sind am 5. November d. J. die Magnetnadeln in zwar sehr kleine aber lebhafte Schwingungen gerathen, wie es bereits mehrfach der Fall gewesen ist, wenn die Erschütterungs⸗ welle eines fernen Erdbebens das Observatorium erreicht. Die Vermuthung, daß eine solche Ursache die Bewegungen verursacht hatte, ist als zutreffend anzunehmen, nachdem aus den Comptes-rendus der Akademie zu Paris (6. November 1893) bekannt geworden ist, daß in Grenoble fast zur selben Zeit ein Erdbeben vom Seismographen registrirt wurde; nach Privat⸗ nachrichten ist die Erderschütterung auch im Observatorium der Kaiserlichen Marine zu Wilhelmshaven aufgezeichnet worden.
Wie wir bereits bei einer früheren Gelegenheit hervor⸗ “ haben, geschehen die ständigen Aufzeichnungen der
ewegungen der Magnetnadeln auf photographischem Wege in Gestalt von Curven. Die zu Potsdam erhaltenen Registri⸗ rungen zeigen an, daß von den drei magnetischen Instrumenten der im magnetischen Meridian unifilar aufgehängte Magnet nach einem kurzen ersten Stoß in ziemlich lange, fast 20 Mi⸗ nuten andauernde Schwingungen gerathen war; der bifilare Magnet zeigte nur eine schwache Andeutung, während die in der magnetischen Ost⸗Westrichtung um eine horizontale Axe schwingende Waage deutlich zwei kürzere Stöße, sodann einen länger dauernden (circa vier Minuten) erkennen läßt.
Die genauere Zeitbestimmung ergiebt, daß die von etwa Südwest kommende Welle das Observatorium zuerst um 5 Uhr 4 Minuten 50 Secunden Morgens erreichte; eine zweite Er⸗ schütterung ist zu bemerken um 5 Uhr 7 Minuten 15 Secunden.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Cholera.
Oesterreich⸗Ungarn. Dem „‚Oesterr. San.⸗Wes.“ zufolge wurden in Galizien vom 7. bis 14. November Morgens in 16 zu 7 politischen Bezirken gehörenden Gemeinden 41 Cholera⸗Erkrankungen mit 23 Sterbefällen gemeldet. — In der Gemeinde Doroszoutz (Bukowina) erkrankten am 10. bezw. 13. November 2 Personen, davon ist 1 gestorben. — In Ungarn wurden vom 4. bis 10. No⸗ vember 62 Erkrankungen und 41 Todesfälle gemeldet, darunter 4 bezw. 3 in Budapest. — Im Kreise Dolnja Tuzla (Bosnien) wurden vom 16. bis 22. Oktober 169 Erkrankungen (mit 85 Todesfällen) amtlich nachgewiesen.
Türkei. Vom 31. Oktober bis 6. November wurden für Kon⸗ stantinopel und Umgebung folgende Cholera⸗Erkrankungen (und Sterbefälle) amtlich gemeldet: in Skutari 12 (5), davon 8 in der Kaserne Selimié, im Hospital Haidar Pascha 5 (8), zu Stambul 2 (3), zu Galata 2 (2), Pera 2 (1), Tophané 1 (2), im Arsenalhospital 3 (1), zu Hasköi 4 (4), am Bosporus zu Kuzgundschuk 1 (1) und in dem Bujuk Liman⸗Hospital 1 (—). Die Gesammtzahl der seit dem 10. September angezeigten Erkrankungen (und Sterbefälle) beziffert sich auf 344 (202).
Persien. Vom 23. Oktober bis 1. November wurden aus Sari60, Barfrusch 40, Rescht 50, Mezinan 60, Schabrud 70, Asterabad 90, Sebzevar 30, Mesched 150, Kum 50, Teheran 450 Todesfälle an Cholera gemeldet. Seit Ende Oktober ist die Seuche in Bender⸗Abbas am persischen Golf erschienen.
Der Gesundheitsstand in Berlin war in der Woche vom 5. bis 11. November ein der Vorwoche ähnlicher, und auch die Sterblichkeit blieb die gleiche mäßig hohe (17,3 pro Mille und Jahr). Unter den Krankheitsformen kamen zumeist acute entzündliche Prozesse der Athmungsorgane in größerer Zahl zum Vorschein und führten auch in gesteigerter Zahl zum Tode; auch Erkrankungen an Grippe wurden häufig beobachtet; aus der der Berichtswoche vorher⸗ gegangenen Woche wurden 5 Todesfälle an Grippe mitgetheilt. Dagegen zeigten sich acute Darmkrankheiten seltener und führten auch nur in 33 Fällen zum Tode. Die Theilnahme des Saͤuglingsalters an der Sterblichkeit war die gleich niedrige wie in der Vorwoche; von je 10 000 Lebenden starben, auf's Jahr berechnet, 4w5 Säuglinge. In der Berichtswoche ist keine weitere Erkrankung an Cholera vorgekommen. Von den anderen Infectionskrankheiten kamen Erkrankungen an Masern und Diphtherie etwas zahlreicher, an Scharlach ein wenig seltener als in der Vorwoche zur Anzeige. Erkrankungen an Masern waren besonders in der Rosenthaler Vorstadt, Er⸗ krankungen an Diphtherie in der Friedrichstadt und in der Rosenthaler Vorstadt häufig. Erkrankungen an Unterleibs⸗ typhus wurden nur wenig bekannt. Dagegen kamen wieder Erkran⸗ kungen an Kindbettfieber häufiger zur Kenntniß; auch rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut waren nicht selten. Erkran⸗ kungen an Keuchhusten waren gleichfalls häufig, doch war der Verlauf ein milderer. Rheumatische Beschwerden aller Art, namentlich Muskelrheumatismen den in gesteigerter Zahl zur ärztlichen Be⸗ handlung gebracht. 8
8 Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 23. d. M. gestellt 12 289, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. „In Oberschlesien sind am 21. d. M. gestellt 503 zeitig gestellt keine Wagen.