1893 / 286 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 30 Nov 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Preußen. Berlin, 30. November

Seine Majestät der Kaiser und König hörten heute Vormittag im Neuen Palais den Vortrag des Chefs des Militärcabinets.

Um 11 8 Uhr reisten Beide Majestäten nach Han⸗ nover. Allerhöchstdieselben werden morgen dort verweilen und am Sonnabend nach dem Neuen Palais zurückkehren.

Dem Magistrat von Berlin ist, dem „W. T. B.“ zufolge, nachstehendes Schreiben Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Friedrich zugegangen:

„Indem Ich dem Magistrate für die freundliche Theilnahme und Anhänglichkeit danke, welche seine Zuschrift zu Meinem Geburtstage Mir und Meiner Familie aufs neue widmet, gereicht es Mir zu leb⸗ hafter Befriedigung, auch bei dieser Veranlassung den aufrichtigen Wünschen Ausdruck geben zu können, welche Ich für das Wohl de Hauptstadt und ihrer Bewohner hege. 8 B

rankfurt a. M., den 26. November 18993.

8 Viectoria, verwittwete Kaiserin und Königin Friedrich.“

Der Bundesrath trat heute zu einer Plenarsitzung zusammen. Vorher hielt der Ausschuß für Handel und Verkehr eine Sitzung.

Im Auswärtigen Amt ist soeben ein neues Verzeichniß

der Kaiserlich deutschen Konsulate (November 1893) bearbeitet worden, aus welchem sich die zahlreichen Neu⸗ besetzungen der Konsulatstellen, wie sie die immer ausgedehntere Vertretung der deutschen Interessen im Ausland bewirkte, er⸗ geben. Es sei hierbei darauf aufmerksam gemacht, daß nach amtlicher Bekanntmachung die Anrufung der Kaiserlich deutschen Konsuln seitens der Reichsangehörigen nicht etwa der Vermittelung des Auswärtigen Amts bedarf, sondern direct geschehen kann und für die dazu nöthigen Nachweise eben dieses Verzeichniß dient. Dasselbe ist von der König⸗ lichen Hofbuchhandlung von E. S. Mittler u. Sohn in Berlin SW. 12 zu beziehen. Gleichzeitig erschien ebenda und in derselben Weise redigirt ein Verzeichniß der Konsuln des Auslandes im Deutschen Reich. 8

Unter Bezugnahme auf die Bekanntmachungen vom 11. Juni 1882 und 6. Januar 1884 bringt der Finanz⸗ Minister zur Kenntniß, daß vom Jahre 1894 ab bis auf weiteres keine Prüfung von Bewerbern um Königliche Rentmeisterstellen im Bereiche der Verwaltung der directen Steuern stattfinden wird. Den Königlichen Regierungen ist die darauf bezügliche Bekanntmachung vom 24. November d. J. zur Kenntnißnahme übersandt worden mit dem Auftrage, die 11u“] derselben durch die Amtsblätter zu ver⸗ anlassen.

Der Minister⸗Resident der Republik Uruguay am hiesigen Allerhöchsten Hofe Dr. Federico Susviela Guarch hat einen ihm von seiner Regierung bewilligten Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit fungirt der Legations⸗Secretär Dr. Luis Garabeli als Geschäftsträger. vh

S. M. Kreuzercorvette „Marie“, Commandant Corvetten⸗ Capitän Freiherr von Lyncker, ist am 29. November in Talcahuano (Chile) angekommen und beabsichtigt, am 14. De⸗ zember nach Valparaiso in See zu gehen.

S. M. S. „Wolf“, Commandant Capitän⸗Lieutenant Kretschmann, geht am 7. Dezember von Nagasaki nach Hiogo und bleibt bis Ende Februar n. J. in Japan.

Hannover, 29. November. Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin treffen, dem „Hannov. Cour.“ sufolge, morgen Nachmittag 4 Uhr hier ein und werden Sich

irect nach dem Schlosse begeben, wo bald nach der Ankunft ein größeres Diner stattfindet. Nach dem Diner wohnen Aller⸗ höchstdieselben der Vorstellung im Theater bei. Am Freitag Nachmittag wird Seine Majestät der Kaiser einer Einladung des Offiziercorps des Königs⸗Ulanen⸗Regiments (1. Han⸗ noversches) Nr. 13 Folge leisten und an dem Diner im Offiziercasino theilnehmen. Am Abend wohnen Beide Ma⸗ jestäten abermals der Vorstellung im Theater bei. Die Ab⸗ fahrt Seiner Majestät des Kaisers nach Springe wird am Sonnabend gleich nach 8 Uhr Morgens erfolgen. Bei der Rück⸗ kehr am Nachmittag wird der Zug am hiesigen Centralbahnhof nur so lange halten, um Ihre Majestät die Kaiserin aufzu⸗ nehmen, und dann die Fahrt nach Potsdam fortsetzen.

Cassel, 28. November. Der Communal⸗Landtag des Regierungsbezirks Cassel ist heute vom Ober⸗ Präsidenten der ö“ Hessen⸗Nassau Magdeburg eröffnet worden. Der Alterspräsident, Bürgermeister Winter aus gab in seiner Erwiderung den ehrfurchtsvollen Ge⸗ innungen des Communal⸗Landtags gegenüber Seiner Majestät dem Kaiser und König Ausdruck, und die Ver⸗ sammlung schloß sich dieser Kundgebung in einem auf Seine Majestät ausgebrachten Hoch an. Nachdem hiernächst der Kammerherr und Vice⸗Marschall von der Malsburg af Escheberg zum Vorsitzenden und der Geheime Justiz⸗Rat Hupfeld zu Cassel zum stellvertretenden vgältgenben dur Zuruf gewählt waren, wurde die Sitzung geschlossen. b

Beayern. 8 Die Kammer der Abgeordneten genehmigte in ihrer gestrigen Sitzung den Nachtrags⸗Etat zum Militär⸗Etat ür 1892/93 und begann hierauf die Berathung des Militär⸗ Etats. Der Referent Abg. Wolf nahm den Offizierstand gegen die Behandlung von socialdemokratischer Seite energisch in Schutz.

sprechungen.

Abg. Dr. Schädler (Centrum) besprach die Pensionirungen

noch rüstiger Offiziere und die Listen der socialistisch Rekruten, deren Abschaffung er verlangte. Schließlich be⸗ schwerte er sich darüber, daß die Angehörigen katholischer Studentenverbindungen von der Beförderung zu Reserve⸗ Offizieren ausgeschlossen würden, wenn sie das Duell ver⸗ weigeren. Der Kriegs⸗Minister Freiherr von Asch ant⸗ wortete eingehend. Die Uebergehung eines Offiziers erschüttere dessen Autorität gegenüber den Mann⸗ schaften, daher kämen die vielen Pensionirungen. Das Duellwesen werde unter den dermaligen sockalen Ver⸗ hältnissen nicht abzuschaffen sein. Den Mitgliedern katho⸗ lischer Studentenverbindungen werde der Weg zum Reserve⸗ Offizier nicht verschlossen, aber sie müßten sich dann den An⸗ schauungen des Offizierceorps unterwerfen. So lange das Duell auch in anderen und zwar in der Mehrzahl der ge⸗ bildeten Kreise bestehe, müsse es auch im Offiziercorps aufrecht erhalten werden. Abg. Lerno (Centrum) bezeichnete diese Vertheidigung als unglücklich, das Duellwesen sei ein Unfug. Die Berathung wird heute fortgesetzt werden.

Mecklenburg⸗Schwerin.

Der Landtag hat den „Meckl. Nachr.“ zufolge in seiner gestrigen Sitzung beschlossen, eine Erklärung dahin abzugeben, daß die Stände bereit seien, 1 %) der Landessteuer anftabt der geforderten 13⁄0 für das Etatsjahr 1894/95 zu bewilligen und den Rest des Bedürfnisses in Höhe von etwa einer halben Million Mark durch eine nach näherer Vereinbarung zu amor⸗ tisirende Anleihe zu decken 8

Oesterreich⸗Ungarn. Der Kaiser hat, wie „W. T. B.“ berichtet, für die

Salinen in Galizien und in der Bukowina eine neue Regu⸗

lirung der Arbeitslöhne verfügt, wonach eine 10 proc. Lohnerhöhung eintreten soll.

Der Minister des Auswärtigen Graf Kälnokgny ist gestern früh wieder in Wien eingetroffen.

Der Coroniniclub hat gestern einstimmig seine Ge⸗ neigtheit ausgesprochen, die Regierung zu unterstützen und mit der vereinigten Linken die besten Beziehungen zu pflegen.

In dem Ausschuß des Abgeordnetenhauses für die böhmischen Ausnahmemaßregeln erklärte gestern der Minister des Innern Marquis de Bacquehem: die Regie⸗ rung übernehme die Verantwortung für den Ausnahme⸗ zustand und sei bereit, die Vorlage im Ausschuß und im Plenum zu vertreten. Die Regierung müsse Aeußerungen, als ob ein Theil der Verantwortung für die vorgefallenen Ausschreitungen das frühere Ministerium treffe, entschieden entgegentreten. Nach detaillirten Aufklärungen über den Geheimbund Omladina, und nachdem der Minister bestätigt hatte, daß in Triest und Görz thatsächlich einige Tage hindurch irridentistische Proclamationen, die jedoch vom Aus⸗ lande stammten, vertheilt worden seien, nahm der Ausschuß den Antrag Fuchs, die Ausnahmeverordnung für Prag und Umgegend zur Kenntniß zu nehmen, mit 12 gegen 6 Stimmen an. Dagegen stimmten 3 Czechen, 2 Südslaven und 1 Deutsch⸗ nationaler. Mit der gleichen Stimmenzahl lehnte der Aus⸗ schuß einen Antrag Herold ab, der dahin zielte, die Sus⸗ pendirung der Geschworenengerichte wieder aufzuheben. Der Ausschuß nahm ferner, ebenfalls mit 12 gegen 6 Stimmen, den Antrag Fuchs, die Suspension der Geschworenengerichte für Prag und Umgebung zur Kenntniß zu nehmen, an und lehnte den Zusatzantrag Abrahamoviz, diese Verordnung genehmigend zur Kenntniß zu nehmen, ab.

Der Eisenbahnausschuß hat die Regierungsvorlagen über die Valsugana⸗Bahn, die Ybbsthal⸗Bahn und die Bahn nach Haliczostrow (Tarnopol) angenommen. Der Handels⸗ Minister Graf Wurmbrand war in längerer, beifällig auf⸗ genommener Rede warm für die Vorlagen eingetreten.

Großbritannien und Irland.

Der Marquis von Salisbury hat vorgestern in einer conservativen Versammlung zu Cardiff eine Rede gehalten, worin er dem „W. T. B.“ zufolge hervorhob, die Nachrichten aus dem Auslande seien derart, daß sie England nöthigten, an seine Lage zu denken. Die bewaffneten Nationen Europas glichen einem Geschwader; der geringste Irrthum könne eine Katastrophe herbeiführen. England dürfe nur auf sich selbst und seine Flotte rechnen, um jeder Eventualität die Spitze bieten zu köͤnnen; die Flotte sei aber gegenwärtig zu schwach, und es sei durchaus nothwendig, sie zu verstärken.

.“ Frankreich.

Der Präsident Carnot hat gestern Vormittag Spuller die Mission zur Bildung des Cabinets angetragen. Spuller bat vor seiner Zusage um die Erlaubniß, sic mit seinen Freunden zu berathen, und nahm dann gestern Abend, wie „W. T. B.“ berichtet, die ihm ertheilte Aufgabe an. Er ver⸗ sicherte sich der Zustimmung Raynal's und Burdeau’s, die Portefeuilles des Innern bezw. der Finanzen zu übernehmen. Spuller wird heute weitere Schritte zur Vervollständigung der Ministerliste thun. Wie es heißt, wäre das Ministerium des Auswärtigen Constans angeboten worden.

Die republikanischen und conservativen Blätter nehmen die Combination Spuller, deren Erfolg ihnen nicht zweifelhaft zu sein scheint, Blätter jedoch unterziehen diese Combination einer leb⸗ haften Kritik. Die extremen Blätter greifen die Com⸗ bination Spuller wegen der angeblichen Russenfeindlichkeit des letzteren auf das schärfste an; der „Intransigeant“ nennt ein Cabinet Spuller eine Insulte für Rußland. Auch der radicale „Voltaire“ hebt hervor, Spuller sei bisher ein Gegner der französisch⸗russischen Allianz gewesen. Einige Blätter, die ein Cabinet Spuller sonst günstig beurtheilen, sagen demselben keine Dauer voraus.

In Marseille ist bei einer in der Wohnung eines ver⸗ dächtigen Individuums vorgenommenen Haussuchung ein 20 m langer unterirdischer Gang entdeckt worden, worin die Polizei Pulver und zur Bereitung von Dynamit dienende Mineralien, ferner Tuben und Blechbüchsen vorfand. Drei Personen wurden verhaftet.

Italien.

Die Unterhandlungen wegen der Bildung eines neuen Cabinets lassen, wie die „Agenzia Stefani“ meldet, eine baldige Lösung der Aufgabe Fb Zanardelli hatte gestern mit verschiedenen politischen Persönlichkeiten Be⸗ Wie es heißt, wären die Portefeuilles gegen⸗

günstig auf; die radicalen

wärtig wie folgt vertheilt: Zanardelli Präsidium und Inneres, Saracco Auswärtiges, Sonnino Schatz, Vacchelli Finanzen, Primerano Krieg, Cocco Ortu Ackerbau. Saracco ist heute Abend aus Acqui hier eingetroffen, um mit Zanardelli zu conferiren.

Spanien.

Der Ministerrath beschäftigte sich nach einer Meldun des „W. T. B.“ aus Madrid in sene gestrigen Sitzung finanziellen Fragen; doch werde es für unrichtig erklärt, daß es sich bei den Berathungen um die Ausgabe von Schatz⸗ bons gehandelt habe.

Der Marschall Martinez Campos ist vorgestern in Melilla eingetroffen und von der Armee sowie von der Bevölkerung lebhaft begrüßt worden. Gestern hatte der Marschall eine Zusammenkunft mit Araaf, dem Bruder des Sultans von Marokko, dem er erklärte, daß er es ablehnen müsse, den erbetenen Waffenstillstand abzuschließen, und daß die Operationen heute beginnen würden.

Wie aus Malaga gemeldet wird, wurde die Landung der nach Melilla entsandten Truppen durch einen Sturm verhindert.

Rumänien.

Die Kammer wählte, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern zu Vice⸗Präsidenten Triandafil, Pogor, Sturdza und den Fürsten Alexander Stirbey. Die drei Erstgenannten bekleideten schon im vorigen Jahre dieses Amt, während der Fürst Alexander Stirbey an die Stelle Peucescu'’s tritt, der diesmal von der Opposition als Candidat aufgestellt war.

Amerika.

Nach einer in Paris eingetroffenen Nachricht aus Buenos⸗ Aires hätten sich die brasilianischen Insurgenten von Desterro der Stadt Curitiba im Staat Parana bemächtigt.

Der argentinische Senat hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ in einer geheimen Sitzung die Einführung der Alkoholsteuer beschlossen.

Afrika.

Der belgischen Antisklaverei⸗Gesellschaft sind, einer Mel⸗ dung des „W. T. B.“ aus Brüssel zufolge, Nachrichten von der Expedition des Capitäns Descamps zugegangen, worin dieser unter dem 2. September mittheilt, daß er auf seiner Reise von Muenzo nach Karongo mit dem Major von Wissmann zusammengetroffen sei, der mit vier Begleitern vom Tanganika gekommen und mit ihm bis Karongo gereist ““ von Wissmann habe sich vollkommen wohl be⸗ unden.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag.

Der Bericht über die gestrige Sitzung befindet sich der Ersten Beilage.

9. Sitzung vom Donnerstag, 30. November, 1 Uhr.

Der Sitzung wohnen bei der Reichskanzler Graf von Caprivi, die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Marschall und Dr. Graf Posadowsky, sowie der Königlich preußische Finanz⸗Minister Dr. Miquel.

Die erste Berathung des Reichshaushalts⸗Etats für 1894/95 wird fortgesetzt. Abg. Zimmermann (Rfp.): Wir befinden uns jetzt unter der Nachwirkung der Bewilligung der Militärvorlage, die nur erfolgt ist unter der Voraussetzung, daß die Lasten von den schwächeren Schultern fern gehalten werden. Mit der Einführung der Dienstalters⸗ stufen sind wir einverstanden; über die Ausnahme der Post⸗ beamten werden wir beim Post⸗Etat sprechen können. Wenn der Abg. Dr. von Frege vorschlägt, die Dreipfennig⸗ marke abzuschaffen und die Postpackete zu besteuern, so trifft das gerade den Mittelstand. Wenn der preußische Finanz⸗Minister Dr. Miquel selbst zugegeben hat, daß die Grundrente und Besitzrente heruntergehen muß, dann bleibt umso unverständlicher, wie man für neue Handelsverträge eintreten kann. Man ver⸗ sucht die Agitation der Landwirthe als „demagogisch“ zurück⸗ zuweisen. Wo soll denn das hinführen, wenn wir jede lebhafte Agitation als „demagogisch“ bezeichnen. Diese Bewegung ist der Ausdruck der thatsächlichen Wünsche des Volks, die von den Agitatoren nur offen ausgesprochen werden. Die Gewerbetreibenden wissen nicht mehr, wie sie sich ihre Existenz sichern sollen gegenüber den Consumvereinen, die in Sachsen eine Waffe der Social⸗ demokraten geworden sind, um den Mittelstand zu zerstören, und von oben herab werden die Offizier⸗ und Beamtenvereine empfohlen! Wie kann man noch auf wirthschaftliche und patriotische Gesinnungen rechnen, wenn diese Kreise in den Untergang getrieben werden? Der lachende Erbe ist die Socialdemokratie. Wenn die Gerichtskosten so groß sind, daß der Mittelstand garnicht mehr wagt, an die Gerichte zu appelliren, so ist das eine Rechtsverkürzung. Es muß endlich eine Reform des Anwalts⸗ und Kostenwesens in Angriff genommen werden. Auch die Mängel des Klebegesetzes drücken die Landwirthschaft und das Kleingewerbe, zumal die meisten Gelder verschlungen werden von der Verwaltung. Alle Ver⸗ sicherungen müssen zusammengefaßt und vereinfacht werden, damit die Gelder wirklich den Arbeitern zufallen. Die Quittungssteuer besteht in Frankreich, aber es besteht dort eine sehr große Er⸗ bitterung darüber. Entgegen den Versprechungen des Reichs⸗ kanzlers verquickt man mit der Börsensteuer den Quittungs⸗ und Frachtbriefstempel. Auch die Tabeacksteuer trifft nur den kleinen Mann. Die Controle, unter welche die Taback⸗ fabrikanten und die Weinproducenten gestellt werden, übertrifft alles bisher dagewesene. Die kleineren Leute sind nicht im stande diese Schwierigkeiten zu überwinden. Den Schaumwein mag man be⸗ steuern, aber nicht den gesammten Weinhandel zerstören. Der preußische Finanz⸗Minister Dr. Miquel meinte, man gewöhne sich schnell an eine schlechiere Qualität Taback. Ich weiß nicht, ob er aus Erfahrung gesprochen hat. Jedenfalls hat man mir aus sachverständigen Kreisen gesagt, daß man sich an den Taback einer Monopol⸗Cigarre erst nach einem Menschenalter gewöhnt. Die Hauptsache ist, daß Tausende von Arbeitern beschäftigungslos werden; das ist besonders bedenklich in einer Zeit, wo schon große Arbeitslosigkeit herrscht. Hat die Regie⸗ rung daran gedacht, eine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit zu schaffen, für die Arbeiter ein Unterkommen zu schaffen? Wie kommt gerade die Tabackindustrie [dazu, daß sie immer wieder bluten muß, daß sie niemals zur Ruhe kommt? In anderen Industrien führen neue Erfindungen und Maschinen dazu, daß Arbeiter entbehrlich werden; bei der Tabackindustrie wird das nicht der Fall sein, weil man keine Maschine erfinden kann, die Gefühl besitzt. Deshalb wird die Taback⸗ industrie immer eine große Anzahl Menschen beschäftigen. Nicht bloß die Arbeiter, sondern auch die kleinen Tabackindustriellen werden zu Grunde gehen, denn die Steuer wird nicht zu einer Aenderung der ganzen Industrie führen. Gerade bei dieser Industrie giebt es noch die Msglichkeit, daß die Arbeiter sich selbständig machen können. Die Tabacksteuer treibt aber die Arbeiter in die Arme der Socialdemokratie. Wir sollen andere Vorschläge machen. Es han⸗ delt sich nur um die Deckung der Kosten der Militärvorlage. Es

handelt sich nicht um 100, sondern nur um 50 60 Millionen. Die Börse muß mehr ergeben. Wenn die Regierung nicht vorgeht, dann werden wir selbst eine Vorlage machen. Wir wissen nicht, warum das Deutsche Reich immer vor der Börse halt machen soll? Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg für eine Reichseinkommensteuer, wenn man sie nur will. Für die Einzelstaaten, welche noch keine Einkommen⸗ steuer haben, wird es sehr vortheilhaft sein, wenn sie eine so gerechte Steuer einzuführen von Reichswegen gezwungen werden. Der Finanz⸗ Minister hat von einer hohen Vermögenssteuer gesagt, sie komme einer Confiscation des Vermögens gleich. So schlimm ist es nicht. Bei der großen Vermehrungsfähigkeit des großen Kapitals ist es ganz gut, wenn eine Verlangsamung durch die Steuer herbei⸗ geführt wird, den Kapitalisten bleibt immer noch Kapitalzuwachs genug. Man verweist in der Frankfurter Zeitung“ auf den Nothstand der Börsianer; aber man hat wohl keine Ursache nach dieser Seite hin rührselig zu sein. Es würde sich auch empfehlen, eine Dividenden⸗ steuer einzuführen, weil es Aktiengesellschaften giebt, die bis 20 % Zinsen ergeben. 8

(Schluß des Blattes.)

Die Abgg. von Benda und Genossen hahen im Reichstag folgenden Antrag eingebracht: Der Reichstag wolle beschließen: den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, die den Mitgliedern des Reichstags gewährten freien Eisenbahnfahrkarten unter den Bedingungen, wie dieselben vom Beginn der zweiten bis zum Schlusse der fünften Legislaturperiode im Gebrauch gewesen sind, wieder herzustellen und dem Reichstage von der Entschließung hierüber schleunigst Mittheilung machen zu wollen.

Nr. 48 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 29. November hat folgenden Inhalt: Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten (Cholera ꝛc.). Sterbefälle in deutschen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Witterung. Zeitweilige Maßregeln gegen Cholera ꝛc. Desgl. gegen Gelbfieber. Oeffentliches Sundhelts⸗ wesen in Schleswig⸗Holstein 1889/91. Gesetzgebung u. s. w. (Preußen, Reg.⸗Bez. Marienwerder). Geheim⸗ und Arzneimittel. (Sachsen). Heil⸗ und Pflegeanstalten für Geisteskranke. (Oester⸗ reich.) Viehtransportwagen. Lungenseuche. Gang der Thier⸗ seuchen im Deutschen Reich, Oktober. Desgl. in der Schweiz, 3. Vierteljahr. Desgl. in Dänemark 1892. Zeitweilige Maßregeln egen Thierseuchen (Mecklenburg⸗Schwerin). Rechtsprechung. (Ober⸗ Landesgericht München). Thierheilmittel. Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften. (Deutsches Reich). Aenderung des Reichsviehseuchengesetzes. Etat des Gesundheitsamts 1894/95. Vermischtes. (Deutsches Reich). Elektrische Licht⸗ und Kraftanlagen. Geschenklite.

Kunst und Wissenschaft.

Das Königliche Kunstgewerbe⸗Museum veranstaltet eine Ausstellung von bedruckten Stoffen, vorwiegend englischen

Möbelstoffen aus Baumwolle und Sammet, welche ein Bild von

dieser blühenden Fabrikation geben wird. Die hiesigen Firmen H. Hirschwald (als Vertreter des englischen Hauses Wardle), Hermann

erson, Gebhardt u. Rössel und Moritz Burse (Liberty house) haben mehrere hundert erlesener Stücke beigesteuert. Hierzu kommen aus dem Besitz des Kunstgewerbe⸗Museums verwandte moderne englische sowie ältere und orientalische Zeugdrucke unter Darstellung des verschiedenen Druck⸗ und Färbe⸗ verfahrens. Die Ausstellung, welche den ganzen Lichthof füllt, be⸗ ginnt am Freitag, 1. Dezember. Im oberen Vestibül des Museums werden zu gleicher Zeit interessante Metallarbeiten ausgestellt: nämlich die Abendmahlsgeräthe für die Gnadenkirche in Berlin, welche im Museum nach Entwürfen des Professors Fr. Behrendt vom Lehrer der Ciselirklasse Otto Rohloff ausgeführt worden sind; ferner eine reiche Sammlung der in Filigranfassung durchsichtig emaillirten Gold⸗ und Silbergeräthe von Tostrup in Christiania, sowie Arbeiten ähnlicher Technik von C. Siebenpfeifer in Pforzheim.

†t Ein Bild, das auf der diesjährigen Secessionisten⸗Ausstellung in München seinem Schöpfer ehrende Anerkennung erwarb, ist gegen⸗ wärtig in Schulte’s Kunstsalon ausgestellt: Albert Edelfelt's „Bügelzimmer“. Der junge finländische Maler, der sich zuerst in

Paris durch ein Porträt des französischen Gelehrten Pasteur bekannt

machte, besitzt eine ungewöhnliche Feinfühligkeit für die zartesten Ton⸗ schwankungen lichter Farkentöne. In der von hellem Licht durch⸗ flutheten Waschküche, von deren Decke Wäsche zum Trocknen herabhängt, steht eine jugendliche Büglerin, bei ihrer Arbeit mit schelmischem Auge zu der älteren Wäscherin hinüberblickend, die offenbar eine lustige Geschichte zum Besten giebt. Der Reflex des zu den Fensterscheiben hineinleuchtenden E11. auf dem blendend weißen Kleide des Mädchens ist meisterhaft gegeben. Dabei wirkt das Ganze unaufdringlich und ein⸗ heitlich, der liebenswürdige Inhalt geht nicht in dem Suchen nach ungewöhnlichen Effecten verloren. Auch zwei kleine finländische

Winterlandschaften in Aquarell zeugen von dem feinsinnigen Geschmack

bibli reif sind die Versuche Helene Büchmann’s,

über eine durchaus selbständige Farbenempfindung verfügt.

der in München seine Vielseitigkeit auch noch durch eine che Darstellung „Magdalena zu Füßen Jesu⸗“ bewiesen hat. Weniger

8 moderne Licht⸗ und Farbenprobleme zu lösen. Ein gewisse s chülerhafte Aengstlichkeit, gepaart mit einförmiger Sentimentalität haftet diesen Porträts und Studien⸗ figuren an; jedenfalls bekunden sie, besonders das Mädchen in hollän⸗ discher Tracht, mehr Geschmack als die moderne Genialität affectiren⸗ den, dabei aber harten und leblosen Porträts von Rudolf Berény, die an derselben Längswand des Oberlichtsaales hängen. Beröny sollte sich die Beweglichkeit Kurt Hermann’s zum Vorbild nehmen, der in seinen Porträts frische glückliche Beobachtung mit pikanter Farben⸗ gebung, in der ein warmes Rothgelb vorherrscht, zu vereinigen weiß. Ganz selbständig ist Hermann noch nicht, hier und da erinnert er an Lenbach und Piglhein; aber sein glückliches, eichtschaffendes Talent wird ihn sicher auch auf eigner Bahn weiter⸗ führen, wenn auch nicht so eigenwillig wie Wilhelm Trü⸗ bner, der Die An⸗

Gdelfalt

88 sichten aus der Umgebung des Klosters Seecon, meist Abendstimmungen,

wirken außerordentlich eindrucksvoll mit ihren kühlen ungebrochenen Tönen und scharfen Conturen; in seinen diesmal ausgestellten Porträts stört dagegen diese Härte der Zeichnung und ein süßlicher Fleischton, der in merkwürdigem Gegensatz zu der kraftvollen Art des Vortrags steht. Frisch und derb aufgefaßt ist das Bildniß eines jungen Mädchens von C. von Ledebur:; aber auch hier ist der Widerspruch zwischen der hart gegen Licht gestellten, breit gemalten Figur und der Emailglätte des Kopfes nicht ganz ausgeglichen, während das Porträt einer älteren Dame öö wirkt. Von Landschaften bringt die Ausstellung diesmal eine Reihe von zierlich durchgeführten, feingestimmten Veduten Müller⸗Kurzwelly's, unter denen einem Buchenwaldinterieur die erste Stelle gebührt. Von wunderlich verblüffender Wirkung sind die Marinen Hans Petersen’s durch ihre manierirte Be⸗ handlung der Wassermassen, denen die Durchsichtigkeit und Flüssig⸗ keit mangelt. Man glaubt in den mächtig sch aufthürmenden Wogen, die bald in schwarzen, bald in tiefblauen Tönen gegeben snd, eher Felsformationen oder eine zähe Masse vor sich zu haben. Dabei fehlt es dem Künstler nicht an Verve des Vortrags, und, wo er die gerügte Manier eehe überwindet, wie in dem „Segler in den Tropen’, stellt sich auch eine überzeugende Wirkung ein. Auch der Berliner Marinemaler T. von Echenbrecher hban eine groͤßere Anzahl von Studien ausgestellt, die leider in dem schlecht erleuchteten Vorraum des Oberlichtsaals nicht recht zur Geltung kommen. 1

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Gibraltar. Die für Herkünfte von Hamburg angeordnete Quarantäne ist auf⸗ gehoben und durch eine ärztliche ersetzt worden. (Vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 241 vom 7./10.) Einer Quarantäne von sieben Tagen unterliegen Herkünfte von der Insel Teneriffe. Rumänien. Die bisher in den Häfen von Giorgevo, Olteniza, Braila, sowie an dem Grenzpunkt Predeal angeordneten Maßregeln der gesundheit⸗ lichen Revision und der Desinficirung sind auf⸗ ehoben worden. Ebenso soll auf den Grenzpunkten Burdujeni, Mihaileni und Mamor⸗ nitza vom 25. d. M. ab verfahren werden, wenn bis zu diesem Zeit⸗ punkt kein Cholerafall in der Bukowina zu verzeichnen sein sollte. Die Grenze ist in ihrer ganzen Ausdehnung von Oituz bis ein⸗ schließlich Riu⸗Vaduluc wieder geöffnet. (Vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 215 vom 7./9. und Nr. 225 vom 19./9.) Norwegen.

Die Königlich norwegische Regierung hat Hamburg und die Häfen an der Elbe für cholerafrei erklärt. (Vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 228 vom 22./9.) 1“

Oesterreich⸗Ungarn. Vom 14. bis 21. Nopember Morgens wurden in Galizien dem „Oesterr. San.⸗Wes.“ zufolge für 1 10 politischen Bezirken gehörende Gemeinden 49 Cholera⸗Erkrankun⸗ gen mit 15 Todesfällen angezeigt. Von den früher Erkrankten starb 1. In der Gemeinde Chyrow, Bez. Staremiasto, zählte man 15 Erkrankungen mit 5 Todesfällen. Aus der Gemeinde Doroszoutz, Bez. Kotzman (Bukowina), wurden bis zum 19. November 5 Neu⸗ Erkrankungen mit 4 Todesfällen gemeldet. In Un garn wurden vom 11. bis 17. November 35 Erkrankungen und 27 Sterbefälle an⸗ gezeigt, davon 10 bezw. 4 für Budapest. b .

Rußland. Ueber den Stand der Cholera in Polen wird Folgendes berichtet: Vom 19. bis 26. November sind in der

tadt Warschau 2 Erkrankungen und 0 Todesfall vorgekommen; vom 18. bis 23. November in den Kreisen Wloclawsk und Nowo Minsk (Gouvernement Warschau) 15 bezw. 1; vom 16. bis 23. No⸗ vember in Zawichost und Ostrowiec (Gouvernement Radom) 17 bezw. 6; vom 17. bis 23. November in Krasnobrod (Gouvernement Lublin) 2 bezw. 2; vom 18. bis 24. November in den Kreisen Sokolow und Garwolin (Gouvernement Siedlez) 7 bezw. 3; vom 17. bis 23. No⸗ vember in den Kreisen Prasnysz, Plonsk und Plock und in Dobrczyn, Kreis Lipno (Gouvernement Plozk), 9 bezw. 7; vom 18. bis 24. No⸗ vember in den Kreisen Kolno, Ostrolenka und Pultusk (Gouvernement Lomza) 11 bezw. 6; vom 17. bis 23. November in den Kreisen Wolkowyszki und Mariampol (Gouvernement Suwalki) 15 bezw. 9.

Italien. Wie den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund⸗ heitsamts“ unterm 18. d. M. mitgetheilt wurde, sind in Palermo während der vorangegangenen 14 Tage nur noch vereinzelte Cholera⸗ fälle vorgekommen. Der „Gazzetta ufficiale“ zufolge sind während des Monats September in Rom 5 Cholerasterbefälle festgestellt worden, in Salerno 2, in Neapel 85, in Caserta, Alessandria, Genua, Udine und Aquila je 1. 1

Spanien. Der „Gaceta“ vom 21. d. M. zufolge handelt es sich bei der bis Mitte Oktober inn Santa Cruz auf Tenerifa beobachteten Epidemie um Cholera. Im ganzen wurden aus der Provinz de Canarias bisher 175 Erkrankungen, davon 41 am 17. November gemeldet. Ueber die Einschleppung der Seuche liegen sichere Nachrichten noch nicht vor.

Madrid, 29. November. Gestern sind laut Meldung des „W. T. B.“ auf der Insel Tenerifa 60 Erkrankungen und 10 Todes⸗ fälle an Cholera vorgekommen. ““

Türkei. Die Zahl der für Konstantinopel und Umgebung gemeldeten Cholerafälle hat in der Zeit vom 6. bis 18. November gegen vorher beträchtlich zugenommen. Es wurden angezeigt für Skutari 56 Erkrankungen (33 Sterbefälle), Stambul 118 (51), Pera 14 (11), Tophane 3 (3), Galata 16 (9), Arsenal und Kassim⸗ pascha 43 (26), Hasköi 86 (52), Ejub 2 (2), Süße Wasser 3 (1), Beschiktasch 6 (3), Ortaköi 2 (0), Bebek 1 (1), Rumih Hissar 1 (0), Sira Tasch 1 (1), Rumili Fenir 1 (0), Kadiköi 1 (0), Haidar Pascha 2 (1), Kuzgundschuk 2 (1), insgesammt 358 (195). Die verkehrs⸗ reichsten Stadttheile von Stambul sowie die Quartiere von Hasköi und Kassimpascha bilden jetzt den Hauptsitz der Krankheit. 1“

Persien. Vom 1. bis 8. November wurden aus Sari 75 Choleratodesfälle gemeldet, aus Barfrusch 90, Rescht 40,

Mesched 50, Kum 40, Teheran 350.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 29. d. M. gestellt 12 261, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 28,. d. M. gestellt 5280, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. v1“

Zwangs⸗Versteigerungen.

29. November die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Dresdenerstraße 67/68 und Annenstraße 28,28a, dem Maler G. C. Sauber gehörig; Nutzungswerth 36 000 ℳ; Mindestgebot 2110 ℳ; für das Meistgebot von 475 000 wurde der Banquier Oskar Jonas, Friedrichstraße 104 a, Ersteher. An Hypotheken fielen ca. 95 000 aus. Lieben walderstraße 30, den Bau⸗ unternehmern August Hopp und W. Buhle zu Charlottenburg gehörig; Fläche 5,70 a; Mindestgebot 300 ℳ; für das Meistgebot von 46 000 wurde der Kaufmann Leopold Falk, Friedrich⸗ straße 58, Ersteher. Hussitenstraße 64, dem Gutsbesitzer Friedr. Steffen auf Leistenhof gehörig; Fläche 7,85 a; Mindest⸗ gebot 109 300 ℳ; für das Meistgebot von 171 600 wurde der Kaufmann Benno Fraude zu Fielottenbum Ersteher. Auf⸗ gehoben wurde das Verfahren wegen des Ferd. Bernstein'schen Grundstücks, Alte Jakobstraße 37.

Vom oberschlesischen Steinkohlenmarkt berichtet die „Schl. Ztg.“: Infolge der im allgemeinen noch milden Witterung hat sich der Verbrauch an Hausbrandkohlen nicht gesteigert. Die Ver⸗ ladung geht deshalb auf sämmtlichen Gruben schwächer vor sich, be⸗ sonders ist auch der örtliche Verkauf zurückgegangen. Dieser Geschäftsrückgang dürfte jedoch nicht allzulange anhalten, da die von den Consumenten und Händlern zu Anfang dieses Monats angeschafften Kohlenvorräthe bald aufgebraucht sein werden und mit Eintritt niedrigerer Temperatur eine sofortige Hebung des Kohlen⸗ geschäfts zu erwarten steht. Ein großer Theil der auf den Gruben lagernden Bestände ist bereits aufgebraucht, und bei einem halb⸗ wegs regen Wintergeschäft dürften sie vollständig zur Abfuhr gelangen. In den Preisen ist eine Aenderung nicht eingetreten; für 1.a⸗Marken werden im Durchschnitt notirt: für Stück⸗, Würfel⸗ kohle 44 ₰, Nuß 1. 42 bis 43 ₰, Nuß II. 33 ₰, Förder⸗ kohle 30 bis 31 ₰, Kleinkohlen 27, bis 28 ₰, rieskohlen 19 ₰, Staub 8 —10 pro 50 kg ab Grube; II a⸗Marken sind um 3 bis 5 pro Centner, der Qualität entsprechend, billiger. Die Händler gewädren bei Schlüssen von größeren Quantitäten und regel⸗ mäßiger Abnahme Rabatte. Ueber die Lage des oberschlesischen Koksgeschäfts läßt sich neues nicht berichten; das Geschäft blieb nach wie vor ungünstig. 1

Die Generalversammlung des Schalker Gruben⸗ und Hüttenvereins vom 88. d. M. setzte 9 % Dividende sofort zahlbar est, und beschloß die Aufnahme einer Anleihe in der von der Direction

rantragten Höͤhe und zu einem geeignet erscheinenden Zeitpunkt.

Die Generalversammlung der Aectionäre der Lindener Actienbrauerei vormals Brande u. Meyer genehmigte die

beantragte Dividende von 24 , die sofort zahlbar ist.

Mezinan 60, Schahrud 110, Asterabad 95, Sebzewar 80,

Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen am

Verdingungen im Auslande.

Belgien.

6. Dezember, 11 Uhr 45 Minuten in der Börse zu Brüssel; Lieferung von 200 Eisenbahnwaggons von je 10 t für den Transport von Baumwolle und Wolle mit Handbremse in 8 Abtheilungen, jede zu 25 Waggons. Das specielle Lastenheft Nr. 277 ist im Central⸗ Auskunftsbureau (Musée commercial) rue des Augustins Nr. 17 erhältlich.

6. Dezember, 11 Uhr 45 Min., ebenda: Lieferung von Bolzen, Zapfen, Mutterschrauben, Nägeln, Keilen, Schrauben ꝛc. sowie ver⸗ schiedenen anderen Eisenbahnbedarfsartikeln in 130 Abtheilungen. Die speciellen Lastenhefte Nr. 270 und 267 sind im vorgenannten Central⸗ Auskunftsbureau zu haben.

Verkehrs⸗Anstalten.

ur bequemen Einlieferung von Packeten ist in Berlin abgesehen von den zahlreichen Stadt⸗Postanstalten, auch durch die

und Packetwagen der Post Gelegenheit geboten. ap

Sämmtliche im Dienst befindlichen Packetbesteller sind zur Entgegennahme gewöhnlicher Packete behufs 8Z1 zur Post verpflichtet. Sie nehmen die Packete entweder inner alb der 8e selbst, welche sie zum Zweck der Bestellung oder Abholung etreten, oder an denjenigen Stellen entgegen, wo ihr Fuhrwerk jeweilig hält. 3

Auf schriftliche Bestellung mittels Bestellschreibens oder Bestell⸗ karte an das Kaiserliche Packet⸗Postamt in Berlin N. (Oranien⸗ burgerstr. 70) findet die Abholung von Packeten durch die besteller auch aus den in den Verlangschreiben bezeichneten oh⸗ nun gen statt.

Die Bestellschreiben und Bestellkarten werden unentgeltlich befördert; für die von den Packetbestellern auf ihren Bestellfahrten eingesammelten gewöhnlichen Packete kommt außer dem Porto allgemein eine Ge bühr von 10 zur Erhebung.

Hamburg, 29. November. (W. T. B.) Hamburg⸗Ameri⸗ kanische Packetfahrt⸗Actien⸗Gesellschaft. Der Post⸗ dampfer „Gothia“ hat gestern Nachmittag Scilly passirt. Der Postdampfer „Thuringia“ ist beute in St. Thomas eingetroffen.

London, 29. November. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer ist heute auf der Ausreise in Durban (Natal) an⸗ ekommen.

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus.

In Fortsetzung des Mozart⸗Cyklus wurde gestern⸗Don Juan⸗ gegeben. Die ausgezeichnete Leistung des Herrn Bulß in der Titel⸗ rolle ist bekannt; auch gestern zeigte er sich in Gesang und Spiel vollkommen auf der Höhe. In gleichem Maße erfreute Frau Herzog als Zerline; der saubere, herzbewegende Vortrag verschiedener Arien fand wiederholt den Beifall des vollen Hauses. Wollten zu Anfang auch Fräulein Leisinger (Donna Elvira), Frau Pierson (Donna Anna) und Herr Sommer (Don Octavio) nicht als hervorragend geeignete Reprä⸗ sentanten des Mozartstils erscheinen, so wußten sie sich doch allmählich zu einer Höhe zu erheben, die allen gerechten Anforderungen entsprach; alle drei erzielten mit ihren letzten großen Arien nach der Kirchhof scene einen vollen Erfolg, und namentlich verdient Frau Pierson mit ihrer Arie „Grausam, ich?“, in der sich der ganze Umfang ihres Könnens in wohlthuender Weise offenbarte, ein besonderes Herr Mödlinger als Leporello, Herr Stammer als Comthur und Herr Schmidt als Masetto fügten sich vortrefflich in das Ganze ein; ob des letzteren Ausruf, als er Don Juan in der Dunkelheit mit der Pistole entgegentritt und, nachdem er ihn vergebens nach dem Namen gefragt, spricht: „Feuer, oder ich gebe Antwort!⸗ ein Witz fein sollte oder nur ein „Versprechen“ war, bleibe dahingestellt. Das Orchester unter Dr. Muck's Leitung entledigte sich seiner Aufgabe in ansgezeichneter Weise; es war ein Hochgenuß, die Feinheiten der Don Juan⸗Musik in so eracter Form zum Ausdruck gebracht zu hören.

Concerte.

Frau Elisabeth Feininger (Ges Müller (Klavier) gaben am Diens Akademie ein Concert. Die hier sch erfüllte an diesem Abend nicht die gehegten Erwartungen. Streben nach musikalischem Ausdruck war doch in der Höhe Tonansatz mitunter schwankend und der Klang ihrer Stimme nicht reizvoll genug; auch war die Coloratur nicht klar. hatte mehrere Lieder von Sommer, Grieg, Bogumil 3

fowie Arien von Händel und Mozart zum Vortrag gewähl

die sehr mangelhasten Klaviervorträge des Fräulein dolf näher einzugehen, ist nicht der Müde werth. sichtsvolle Selbst⸗ kritik oder guter Rathschlag eines Kenners würden sie von ihrem ver⸗ frühten Auftreten sicher abgehalten haben.

Zwei Sängerinnen von hervorragender Bedeutung, Frümlei Lydia Müller (Sopran) und Fräulein Clara Schacht (Ac). hatten sich am Mittwoch zu einem Concert in der Sing⸗Akademie vereinigt, welches sehr zahlreich bdesucht war. Die Altistin war ider dun plötzliche Erkrankung verhindert, und die ansfallenden Liedervertrge wurden durch Violinsoli des Herrn Concertmeisters Th. Krelle erseßt. Die Sängerin, deren sehr woblgeschulte Stimme f it schewungpoller und feinschattirender Ausdrucksweise vereinigt ist, Aänzte durch den Wor⸗ trag mehrerer Lieder von Schubert, Jensen, Lifzt, Brabzas. instein, Schumann und anderen und erntete peichen blderdi

d wedlderdien. der auch den Violinsoli des Herrn Krelle zu theil mn

An demselben Tage hatte die Mezzosopranistin Duncker einen Lieder⸗Abend im Saal B Ihre außergewöhnlich kräftige, sehr woh Stimme kam in einer Arie von M. Bruch, sowie in Siedern don F. Weingartner, Schumann, Bungert. Masenctk und anderen Peang vorzüglich zur Geltung, zumal id schren Stimmmitteln immer eine tief eingehende, sehr fe⸗ 2 stand. Die Klaviervirtuosin Frau Flora Scherres Friede thal, durch ihre geistvolle Interdretatton Cdepin 2 lüngtt bekmn erfreute noch außerdem durch mehrere Stücke dem Thedin. Strauß⸗ Tausig und anderen.

Beifall gespendet.

Symohonie⸗Abend der Königlichen Kapelle statt. Auf ☛— stehen Hector Berlioz; Symphonie „Oarold in Iralien“ fr Viola: Herr Kammervirtnose Gens), Schumann d Quverturd zur Oxer „Genoveva“*, C. M. von Weder 8 Ouverture zu Odcron“ und Beetheven t Syvmphonie Nr. 1, C-dur. Herr Kapellmeister Dr. Muck hatt seah bereit erklärt, das von Herrn Kapellmeister Weingartner aufgestedett Programm unverändert zur Aufführung zu bei Die am Soam. abend im Königlichen Opernhause zum ersten Mal in Geeut gehende zweiactige Oper Mozarts „Die Gärtncrin“ („ILa Nutmhn giardiniera“), mit neuem Tert dvon Max Kaldeck. dat nach- stehende Besetzung: Don Anchise: Herr Mödlinger; Arminda f Rothauser; Sandrina (Titelrolle): Fräulein Leisinger; Sem Fecnben Dietrich; Graf Belfiore: Herr Sommer; Don I Nardo: Herr Krolop. Dirigent ist Herr K

Sucher.

Im Königlichen Schauspielhause rid meagen Das Buch Hiob“ mit den Damen v. Hochendurger S. den Herren Ludwig, Matkowsky. Kahle, Purschtan. Plaschbr. Wenter ede Hierauf folgt Gerhart Hauptmann 8 „Hannele“ in der be

setzung. b

b Ludwig Barnay wird im Berliner⸗ Thoaten „m. Wetaezial

Im Königlichen Opernhaunse Fndet der ierte S

die Hauptrolle in dem Widmann schen

nd Boöse“ und am Sonn dend in Gadad d „Graf Waldemar“ die Ti e raten. In