1893 / 290 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 05 Dec 1893 18:00:01 GMT) scan diff

einem großen Theil des Reichs anerkannte, in den ersten Entwurf jedoch nicht aufgenommene Vormerkung zur Sicherung eines persön lichen Anspruchs auf Ein⸗ räumung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder an einem eingetragenen Recht ist nunmehr zugelassen und näher geregelt. 1 Dee estimmungen über den rechtlichen Inhalt des Grundeigenthums und über die nachbarrechtlichen Beschränkungen desselben sind, um einer lediglich chika⸗ nösen Geltendmachung des Eigenthumsrechts vorzubeugen, nach den Rücksichten einer praktischen und gerechten Interessen⸗ begrenzung vielfach geändert, namentlich bezüglich der Be⸗ fugniß des Eigenthümers, Andere von dem Luftraum über und dem Erdkörper unter der Oberfläche auszu⸗ schließen, bezüglich der Verpflichtung des Eigenthümers zur Duldung gewisser Einwirkungen, die von Nachbar⸗ grundstücken ausgehen, und gewisser Anlagen, die auf diesen erfolgen, seiner Verpflichtung zur Duldung eines Gebäudes, welches die Grenze überschreitet, oder der Zweige und Wurzeln, welche über die Grenze hinausreichen, endlich seiner Verpflich⸗ tung zur Gestattung eines Nothweges. Die Form der Ueber⸗ tragung des Eigenthums an Grundstücken soll mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Gebiete mit zersplittertem Grundbesitz und im Interesse der Vereinfachung des Geschäftsverkehrs dadurch erleichtert werden, daß neben der Auflassung vor dem Grundbuchamt auch die Auflassuug vor Gericht oder Notar zugelassen wird. Gegenüber den Vorschriften des Entwurfs über den Eigenthumsanspruch ist im An⸗ schluß an das Deutsche Recht dem gegenwärtigen Besitzer einer beweglichen Sache eine mehr gesicherte Stellung eingeräumt, indem die Vermuthung des Eigenthums kraft des Besitzes für ihn streiten soll; andererseits ist dem redlichen Vorbesitzer einer beweglichen Sache in erweitertem Umfange ein Anspruch auf Herausgabe der Sache gegen den unredlichen und, wenn die Sache aus dem Besitz des Vorbesitzers ohne seinen Willen ge⸗ kommen ist, auch gegen den redlichen Besitzer gegeben worden; dieser Schutz soll z. B. auch dem Miether und dem Verwahrer zu gute kommen. 8 Auch in Betreff der Rechtsform en für den Im mobiliarcredit hat die Commission weitgehende Aenderungen beschlossen. Während der erste Entwurf nur die Belastung mit Kapitalschulden eingehend behandelt, dagegen die Belastung mit einer Rentenschuld lediglich mittelbar und unvollständig durch seine allgemeinen Vorschriften über die Reallasten regelt, stellt die Commission, entsprechend den aus landwirthschaftlichen Kreisen geäußerten dringenden Wünschen, die Rentenschuld den verschiedenen Formen der Kapitalschuld gleichberechtigt an die Seite und gewährt so die exforderliche Rechtsgrundlage für die praktische Verwerthung dieser Creditform. Die Rentenschuld soll eine persönliche Haftung des Grundeigenthümers nicht be⸗ gründen und von Seiten des Gläubigers unkündbar, von Seiten des Grundeigenthümers aber, um einer Entartung dieser Creditform vorzubeugen, ablösbar sein. Was die Formen der Kapitalbelastung betrifft, so sah die Commission sich genöthigt, die vier vom ersten Ent⸗ wurf aufgestellten Formen: der Buchhypothek, der Briefhypothek, der Sicherungshypothek und der Grundschuld mit Rücksicht uf die in den verschiedenen Landestheilen eingewurzelten und mit großer Vorliebe festgehaltenen Belastungsformen aufrecht zu erhalten, so wenig willkommen an und für sich eine solche Mannigfalkigkeit erscheinen kann. Doch ist den thatsächlichen uständen insofern mehr Rechnung getragen, als das Ver⸗ ältniß der Buchhypothek zur Briefhypothek dahin um⸗ gekehrt wurde, baß nicht die erstere, sondern die letztere die Regel bilden sol, wenn es an einer be⸗ sonderen Vereinbarung der Betheiligten fehlt. Im einzelnen st zunächst einem unredlichen Erwerber gegenüber der Kreis der dem Eigenthümer gegen den Anspruch aus einer Hypothek zustehenden Einw endungen erweitert worden. Es ist ferner, um dem Eigenthümer di Ausnutzung seines redits zu erleichtern, das Institut der Eigenthümer⸗ hypothek im Vergleich mit dem ersten Entwurf erheblich ortgebildet. Der Eigenthümer soll die Hypothek stets rwerben, wenn die Forderung, für die sie bestellt vorden ist, nicht besteht oder erlischt, oder wenn der Gläubiger auf die Hypothek verzichtet. Dem Zweck der Förde⸗ rung des Realcredits dient eine Anzahl neuer Bestimmungen, durch welche die hypothekarische Sicherung von For⸗ derungen aus Schuldverschreibungen auf den In⸗ aber sowie aus indossabeln Papieren ermöglicht und erner die Ausstellung von Grundschuldbriefen auf den nhaber zugelassen wird. Diese Einrichtungen werden nament⸗ lich auch den Realcredit⸗Instituten die Möglichkeit bieten, ihren gfandbriefgläubigern eine lange schon ersehnte Sicherheit zu gewähren. Die Zwangs⸗ und die Arresthyp othek sind zwar beibehalten, aber im Interesse des Schuldners dadurch wesentlich gemildert worden, daß mehrere Grundstücke eines Schuldners nicht mit der ganzen Forderung, um deren Sicher⸗ stellung es sich handelt, sollen belastet werden können, sondern jedes Grundstück nur mit einem Theil der Forderung, dessen Bestimmung dem Gläubiger überlassen ist. Ein Gebiet der Verpfändung, auf welches seit längerer Zeit besonders lebhafte Wünsche der betheiligten Kreise gerichtet sind, ist das Pfand⸗ recht an Schiffen. Dieses Pfandrecht ist nach verschiedenen Richtungen weiter ausgestaltet worden. I Unsere ganze Aufzählung hat sich nur auf die wichtigsten sachlichen Aenderungen des ersten Entwurfs erstrecken können. Es ist unvermeidlich, daß über den Werth der einen oder an⸗ deren dieser Aenderungen die Ansichten auseinandergehen: im großen und ganzen wird aber das Ergebniß der Commissions⸗ arbeiten als eine wesentliche Verbesserung des ersten Entwurfs weifellos anerkannt werden. Aus dem Ergebniß der isherigen Berathungen werden wohl alle, denen das Gelingen des Gesetzgebungswerks am Herzen liegt, die Zuversicht schöpfen, daß die Commission ein den Anschauungen und Bedürfnissen der Nation entsprechendes Gesetzbuch für die Beurtheilung der vöa. Körperschaften fertig stellen wird. Es ist zu hoffen, daß die Commission es verstehen wird, den noch übrigen Theil ihrer Arbeiten in nicht zu langer Zeit zu erlebigen. Sie wird damit den Wünschen der übergroßen Mehrheit des deutschen Volkes entgegenkommen.

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Durch Erlaß des Handels⸗Ministers vom 17. Mai 1893 waren die Regierungs⸗Präsidenten zur Berichterstattung über einen vorläufigen Entwurf von Ausnahmebestimmungen von dem Gebot der Sonntagsruhe für die der Befriedi⸗ ung täglicher Bedürfnisse der Bevölkerung dienenden Gewerbe 8 05 e der Gewerbeordnung) aufgefordert worden.

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Um es den Betheiligten in weitestem Umfange zu er⸗ möglichen, ihre Wünsche bei den Behörden anzubringen, war der Entwurf veröffentlicht und gleichzeitig be⸗ kannt gemacht worden, daß die Gewerbegerichte und die Gewerbe⸗Aufsichtsbeamten schriftlich dargelegte Wünsche der Interessenten entgegenehmen und geeigneten Falls darüber mündlich mit ihnen verhandeln würden. Endlich waren die Gewerbegerichte sämmtlich zur gutachtlichen Aeußerung über den Entwurf aufgefordert worden.

Nachdem die Bearbeitung des hierauf eingegangenen Ma⸗ terials im Handels⸗Ministerium beendet ist, hat der Handels⸗ Minister, wie vor einiger Zeit Vertreter des Photographen⸗ gewerbes, am 30. November d. J. auch die Vorstandsmitglieder des Verbandes „Bund deutscher Barbier⸗, Friseur⸗ und Perrückenmacher⸗Innungen“ sowie den Vorsitzenden der „Freien Vereinigung der Barbier⸗, Friseur⸗ und Perrücken⸗ machergehilfen“ Piecgelbse auf ihren Antrag um ihre Wünsche, betreffend Regelung der Sonntagsruhe, entgegen zu nehmen. b

Die Erschienenen erklärten einstimmig, daß ihr Gewerbe seinen Hauptbetrieb am Sonntag habe, und daß es für sie unbedingt erforderlich sei, ihr Geschäft am Sonntage von früh Morgens an im Sommer bis 2 Uhr, im Winter bis 3 Uhr Nachmitttags ununterbrochen ausüben zu dürfen. Die Gehilfen an jedem zweiten oder dritten Sonntag völlig oder auch nur wäͤhrend der Stunden des Haupt⸗ gottesdienstes von der Arbeit frei zu lassen, sei für die Barbier⸗ und Friseurgeschäfte, möchten sie mit einem oder mit mehreren Gehilfen betrieben werden, nicht möglich; dagegen stehe nichts im Wege, den Ge⸗ hilfen statt dessen in jeder Woche einen, nöthigen Falls auch zwei freie Nachmittage zu gewähren. Den größten Werth erklärten die Vertreter der Principale unter Zu timmung des Vertreters der Gehilfen darauf legen zu müssen, daß in ihrem Gewerbe für die Zeit, in der Gehilfen nicht mehr beschäftigt werden dürften, auch den Geschäftsinhabern der Gewerbebetrieb untersagt werde, da andernfalls die Gefahr vorliege, daß die Gehilfen sich möglichst frühzeitig selbständig machen und mit den älteren mit Gehilfen arbeitenden Principalen in einen die letzteren schwer schädigenden Wettbewerb eintreten würden.

Der Handels⸗Minister wies darauf hin, daß der Geschäfts⸗ schluß um 2 oder 3 Uhr Nachmittags nach gegenwärtiger Lage der Gesetzgebung nicht angeordnet werden könne, und erklärie im übrigen, daß die vorgebrachten Wünsche, deren theilweise Berechtigung er anerkenne, bei der demnächstigen Feststellung der zu erlassenden Vorschriften einer eingehenden Prüfung unterzogen werden würden.

Die Nr. 23 der „Amtlichen Nachrichten des Reichs⸗ Versicherungsamts“ vom 1. Dezember 1893 enthält eine Uebersicht über die bei den Berufsgenossenschaften zur Ueberwachung der Betriebe angestellten Be⸗ auftragten (Revisions⸗Ingenieure). (§§ 82 ff. des Unfall⸗ versicherungsgesetzes in Verbindung mit § 1 des Ausdehnungs⸗ gesetzes, § 44 des Bau⸗Unfallversicherungsgesetzes und § 90 des landwirthschaftlichen Unfallversicherungsgesetzes.)

Die Nr. 23 der „Sonderausgabe der Amtlichen Nachrichten des Reichs⸗Versicherungsamts, In⸗ validitäts⸗ und Altersversicherung“, vom 1. Dezember d. J. enthält folgende bemerkenswerthen Revisionsentschei⸗ dungen:

Per Bezug der einem Rentenberechtigten von einer früheren Privateisenbahngesellschaft bewilligten

ension, deren Weiterzahlung bei der später erfolgten Ver⸗ Kanlsanes der Bahn vom Staat übernommen worden ist, hat ein Ruhen der Rente gemäß § 34 Ziffer 2 des In⸗ validitäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes zur Folge.

Die in Armenhäusern unterg ebrachten Personen können insoweit versicherungspflichtig sein, als sie einen den freien Unterhalt übersteigenden Lohn oder Gehalt für ihre Arbeit beziehen. Letzteres wird aber lediglich in denjenigen Ausnahmefällen angenommen werden dürfen, in denen aus dem Maß und Werth der geleisteten Arbeit und aus der Höhe des Entgelts deutlich zu ersehen ist, daß der Empfänger nur eines Zuschusses zur Erlangung des im übrigen noch aus eigener Kraft erzielbaren Lebensunterhalts bedurfte, und daß daher die aus Mitteln der Armenverwaltung bezogenen Leistungen gleichzeitig Unterstützung und Arbeitslohn in sich schließen. Dagegen hat das Reichs⸗Versicherungsamt in einem anderen Falle, in welchem der in einer kleinen Stadt Würt⸗ tembergs wohnende Kläger sich vor Jahren nicht auf Grund der Armenfürsorge, sondern auf Grund eines Alimenta⸗ tionsvertrags in das städtische Spital hatte aufnehmen lassen, die Frage, ob die von dem Kläger durch Vermittelung der Anstaltsverwaltung für die Stadtgemeinde geleisteten Arbeiten der Versicherungspflicht unterliegen, bejaht. 8

Dem Ortsarmenverbande steht auf Grund des § 35 Absatz 2 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes das Recht zu, die für den Rentenanspruch grundlegende Feststellung selbständig anstatt des nach Eröffnung des Verfahrens verstorbenen Hauptberechtigten auf dem durch das Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetz gegebenen Wege und in den daselbst vorgeschriebenen Formen zu betreiben.

Macht ein Armenverband seinen Anspruch auf Renten⸗ überweisung im Rentenfeststellungsverfahren geltend, so ist der Hauptberechtigte darüber zu hören, ob er den Anspruch des Armenverbandes anerkenne. Ist eine Einigung zwischen dem Armenverbande und dem Hauptberechtigten nicht zu erzielen, so steht der Versicherungsanstalt die Befugniß zu, die Zahlung in derjenigen Art zu leisten, welche das bürgerliche Recht für solche Fälle vorsieht, in denen auf die Leistung eines Verpflichteten von mehreren angeblich Be⸗ rechtigten Anspruch erhoben wird. .

Im nichtamtlichen Theil ist eine Entscheidung des Königlich preußischen Ober⸗Verwaltungsgerichts vom 12. Juni 1893 veröffentlicht, in welcher für das Gebiet der Krankenversicherung die Unterscheidung der selbständigen „Hausgewerbetreibenden“ von den un⸗ selbständigen „Heimarbeitern“ nach den gleichen Grund⸗ ätzen getroffen ist, welche das Reichs⸗Versi erungsamt in Revisionsentscheidungen zu § 2 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes ausgesprochen hat.

MM

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Der ollmächtigte zum Bundesrath, Kaiserliche Unter⸗ Staatssecretär von Schraut ist aus Straßburg hier ange⸗ kommen.

Dem Regierungs⸗Assessor Dr. Brockhoff zu Arnsberg die commissarische 1 Bremervörde, Regierungsbezirk Stade, übertragen worden. Der neuernannte Regierungs⸗Assessor von Loos au Stettin ist bis auf weiteres dem Landrath des Kreises Randow Regierungsbezirk Stettin, zur Hilfeleistung in den landräth lichen Gesch ten zugetheilt worden. Die Regierungs⸗Referendare Eggert aus Marienwerder Dr. Hayessen aus Merseburg, Winckler aus Stade Dr. Hugenberg aus Hildesheim und Dr. von Engelmann aus Breslau haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden. v1“

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Die Kammer der Abgeordneten setzte gestern die Specialberathung des Militär⸗Etats fort, wobei die Abgg. Wörle und Schubert den Militärdienst der Sh be⸗ sprachen und die Abgg. Schmidt und von Vollmar wohl⸗ wollendere Behandlung der Pensionsgesuche der empfahlen, die sich im Dienste Krankheiten zugezogen haben. Der General⸗Stabsarzt Dr. Lotzbeck erörterte, daß in Bayern verhältnißmäßig viele solcher 2 ensionen gewährt würden. Betreffs der Gewehrfabrik Amberg fragte der Abg. Scherm, welcher Art die Gewehrreparaturen seien, die jetzt dort vorgenommen würden. Der Abg. Grillen⸗ berger behauptete, das ganze bayerische Gewehrmaterial werde dort gegenwärtig einer Aenderung unterzogen, um das Rückschlagen der Pulvergase zu verhindern. Der Kriegs⸗ Minister Freiherr von Asch erklärte, von solchen Reparaturen größeren Stils sei dem Kriegs⸗Ministerium nicht das mindeste bekannt. Nach warmen Empfehlungen der Abgg. Wolf und Orterer wurde die Petition, worin Wittwen von Offi⸗ zieren aus 1870 um Aufbesserung ihrer Pension nach dem Gesetz von 1887 bitten, der Regierung zur Würdigung über⸗ geben. Der Kriegs⸗Minister Freiherr von Asch sagte zu, wenn irgend möglich, in den nächsten Etat etwas dafür einzusetzen.

Mecklenburg⸗Schwerin.

Den „Meckl. Nachr.“ zufolge hat sich die Regierung mit dem Vorschlage des Landtags, nur ¹0% der Landes⸗ steuer zu erheben, den zur Deckung der Ausgaben eventuell nöthigen Bedarf aber durch eine Anleihe aufzubringen, ein verstanden erklärt.

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.

Der Rechnungsausschuß des Landtags hat unter Leitung des Landtags⸗Präsidenten Freiherrn von Rotenhan am 27. v. M. die Prüfung der Rechnungen begonnen. Der Landtag, dessen ordentliche Session am 9. April . vertagt wurde, wird, wie bereits gemeldet, zum 22. Januar nächsten Jahres zur Fortsetzung seiner Thätigkeit einberufen werden. Die Hauptaufgabe für ihn wird der „Th. C.“ zufolge die Berathung der Reform der Gemeindeordnung sein, über die ihm bereits im Frühjahr eine Vorlage zugegangen ist. Der zur Prüfung derselben gewählte Ausschuß hat auch bereits seinen Bericht fertiggestellt. voraussichtlich einige Wochen dauern.

Oldenburg.

(H.) Der Finanzausschuß des Landtags’ hat in seinem Bericht über den Voranschlag der Einnahmen des Herzogthums Oldenburg für 1894/96 die Annahme der sämmt⸗ lichen Paragraphen des Voranschlags beantragt. Zu der Position „Sporteln der Amtsgerichte“ wurde im Ausschuß ur Sprache gebracht, daß in verschiedenen Theilen des Landes

ie Einführung des Notariats gewünscht werde. Der Ausschuß glaubte aber von einem darauf bezüglichen Antrage zu sollen, weil durch das Bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche Reich, dessen Einführung in absehbarer Zeit zu erwarten sei, auch für das Herzogthum das Notariat zuverlässig zur Geltung kommen werde. Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.

Die „Cob. Ztg.“ ist in den Stand gesetzt, aus 8 verlässig⸗ ster Quelle zu erklären, daß Seine Königliche Hoheit der Herzog, um jeglichem Mißverständniß vorzubeugen, seine

eFebscha zum englischen Geheimen Rath (die Würde als member of the privy council) niedergelegt hat.

Oesterreich⸗Ungarn. 1 Im ungarischen Unterhause erklärte gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, bei der Fortsetzung der Budget⸗ debatte der Minister⸗Präsident Dr. Wekerle gegenüber dem Abg. Beoethy, der die Hofhaltungsfrage gesetzlich geregelt wissen wollte: eine gesetzliche Verfügung über die Hof⸗ haltung sei nicht nothwendig, die Regelung des inneren Hofhalts bilde das eigenste Recht des Königs. Die Regierung Ungarns habe nur darauf zu achten, daß sich der innere Hofhalt nicht mit Politik befasse und nicht mit Ungarns staatsrechtlichen Verhältnissen im Widerspruch stehe. Beides sei nicht zu befürchten. Gegen die gegen⸗ wärtige Organisation der Cabinetskanzlei könne Ungarn keine Einwendung erheben. Die Cabinetskanzlei sei keine staatsrechtliche Behörde, sondern lediglich zur per⸗ sönlichen Dienstleisung bei dem König berufen. Ungarn besitze dem Himmel sei Dank einen Monarchen, der sich mit der größten Hingebung und Selbstaufopferung mit den öffentlichen Angelegenheiten beschäftige. Der Titel „Hof⸗ haltung“ wurde sodann einstimmig bewilligt. In der gestrigen Sitzung der Ungarischen Bischofs⸗ conferenz ist, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, der Hirten⸗ brief des Episkopats über die kirchlichen Vorlagen fest⸗ gestellt worden. Er wird erst nach einigen Wochen an alle Diözesen gesandt werden; bis dahin soll der Inhalt geheim gehalten werden. 8 X*“ Die gestern im Senat und in der Deputirtenkammer verlesene Erklärung des neuen Ministeriums besagt, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge: das Land habe noch nie eine größere Anhänglichkeit an die Republik, eine größere Ab⸗ neigung gegen das Regime der Reaction und eine größere Achtung vor der Freiheit des Gedankens und Gewissens bekundet als jetzt, es habe noch niemals so klar die Politik abstracter Formeln verurtheilt und so energisch die

Aufrechterhaltung der Ordnung angesichts der Theorien einer

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erwaltung des Landrathsamts im Kreise

Die Sitzung des Landtags wird

trage, wodurch das Cabinet schwer erschüttert werden würde.

272 864 000 Rbl. im Vorjahre.

den Vorsitz

des Finanzressorts ist noch zweifelhaft, da Boselli die Annahme

meldet, auf

gewissen Schule gefordert. Den Wünschen des Landes müsse in der Richtung Rechnung werden, daß in der Leitung der Politik Einheit und Festigkeit der Anschauungen herbei⸗ geführt und den Lehren der Socialisten nicht Mißachtung, sondern eine fruchtbringende Thätigkeit der öffentlichen Ge⸗ walten entgegengesetzt werde. Das Cabinet übernehme die Verantwortlichkeit der Macht, um, von den die Nation erfüllenden Hoffnungen getragen, mit den Gesetzen zu regieren, die das Erbtheil der Republik seien. Als seine Aufgabe betrachte es, die Steuern gleichmäßiger zu vertheilen, um be⸗ sonders den erworbenen Reichthum zu treffen. Die Erklärung kündigt alsdann mehrere Finanzreformen an, insbesondere eine Grundbuch⸗Revision, Abän erung der Getränkesteuer, Regelung der Beziehungen des Staats zur Bank von Frank⸗ reich, sowie die In betrachtnahme einer Altersversor ung für Arbeiter. Das Cabinet werde das von der letzten Gesetz⸗ gebung übernommene wirthschaftliche Werk vertheidigen und der Landwirthschaft und Industrie zu Hilfe kommen; es werde sich mit dem landwirthschaftlichen Credit und den landwirth⸗ schaftlichen Versicherungen beschäftigen. Das Cabinet werde eine Vorlage über die geistlichen Gesellschaften einbringen, lehne aber die Trennung der Kirche vom Staat und die Revision der Verfassung ab. Die Erklärung fügt hinzu: auf dem Gebiete der auswärtigen Politik Frankreichs bewiesen un⸗ vergeßliche Ereignisse, daß alle Mißhelligkeiten verschwunden eien; die auswärtige Politik des Ministeriums werde tets von dem Geiste erfüllt sein, der einer Nation würdig sei, die mächtig genug sei, um zu verkünden, daß sie aufrichtig den Frieden wolle, und um ihre Rechte sowie die Interessen ihres Handels und ihrer Industrie auf llen Punkten der Erde zu vertheidigen. Zum Schluß giebt ie Erklärung der Hoffnung Ausdruck, daß die Vorurtheile be⸗ eitigt und die Gegner überzeugt werden würden durch Loyalität er Sprache und Festigkeit der Beschlüsse. Alle Vertreter der Nation hätten dasselbe Recht, wenn sie die friedlichen Waffen er Freiheit gebrauchten. Das Cabinet hoffe, die beständige Mitwirkung einer Majorität zu erhalten, welche entschlossen ei, derselben Sache zu dienen, der das Cabinet dienen will. 8 Im Senat, wo der Unterrichts⸗Minister Spuller die Erklärung verlas, wurden einige Punkte sehr beifällig, die Er⸗ klärung im ganzen jedoch mit einer gewissen Kälte auf⸗ enommen. Zu der Sitzung der Deputirtenkammer jerrschte großer Zudrang, die Loge für das diplo⸗ matische Corps war dicht besetzt. Der Minister⸗ Präsident Casimir Périer verlas die Erklärung, die mit Beifall auf allen Plätzen des Hauses, mit Ausnahme der der Socialisten, aufgenommen wurde. Der Socialist Pascal Grousset beantragte hierauf eine allgemeine Amnestie. Der Minister des Innern Raynal verlangte die sofortige Discussion, die auch beschlossen wurde. Pascal Grousset sprach für die Bergwerksarbeiter und Arbeiter überhaupt und forderte auch eine Amnestie für die verbannten Boulangisten. Der Minister des Innern Raynal bekämpfte die Begnadigung besonders derjenigen, die wegen des Ver⸗ brechens des Vaterlandsverraths verurtheilt worden seien. (Heftiger Widerspruch bei den Socialisten.) Méry griff den Minister des Innern Raynal heftig an, nahm aber schließlich die gegen diesen gerichteten Vorwürfe zurück. Der Minister des Innern Raynal erklärte, daß er eine milde An⸗ wendung der Gesetze gegenüber den verurtheilten Bergarbeitern für ausreichend halte. (Neue Unter⸗ brechungen auf der äußersten Linken.) Der Minister beharrte darauf, ohne Schwäche zu handeln und mit Strenge gegen die Revolutionäre einzuschreiten. (Beifall im Centrum.) Nach einer Rede des Boulangisten Roche wurde die allge⸗ meine Discussion geschlossen. Die Kammer lehnte darauf mit 257 gegen 226 den Eintritt in die Discussion der einzelnen Artikel des Antrags Grousset ab. Dem „XIX. Sidcle“ zu⸗ folge bestand die Majorität aus 209 regierungsfreundlichen Republikanern und 48 Mitgliedern der Rechten. Die Minorität bildeten alle Socialisten und Radicalen, 27 opportunistische Republikaner und 12 Mitglieder der Rechten.

Die Mehrzahl der Pariser Blätter von heute stellt fest, daß der gute Eindruck der Regierungserklärung durch die wenig geschickte Rede des Ministers des Innern Raynal verwischt worden sei. Die Abstimmung über den Amnestie⸗Antrag zeige, daß noch immer keine feste Mehrheit vorhanden sei. Die conservativen Blätter heben mit

efriedigung hervor, daß das Cabinet nur durch die 48 Stimmen der Rechten die Majorität erlangt habe, und hoffen, das Ministerium werde mit dieser Thatsache rechnen. Mehrere Blätter halten es für möglich, daß bei der Wahl des Kammer⸗Präsidenten Brisson über Dupuy den Sieg davon

Rußland.

„Wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg berichtet, stimmte

in der gestrigen Plenarsitzung des Reichsraths die Majorität

Gesetzvorlage über die Unveräußerlichkeit des Bauern⸗ ndes.

Der Ausweis über den auswärtigen Handel des europaischen Rußlands vom 1. Januar bis 1. Oktober „J. ergab eine Ausfuhr im Werthe von 395 910 000 Rbl. gegen 316 836 000 Rbl. im gleichen Zeitraum des Vorjahres und eine Einfuhr im Werthe von 314 391 000 Rbl. gegen

Italien.

Das neue Ministerium hat sich wie solgt canstituirt. 8 und das Ressort des Innern übernimmt Zanardelli, das Auswärtige General Baratieri, die öͤffentlichen Arbeiten Fortis, den Schatz Vacchelli, die ustiz Inghilleri, den Unterricht Gallo, das Kriegsressort

eneral San Marzano, das Marineressort Admiral

Racchia, den Ackerbau und Handel Cocco⸗Ortu, Post und Telegraphen di Blasio. Nur die Besetzung

des Finanz⸗ ortefeuilles abgelehnt hat; vorläufig hat der Schatz⸗Minister auch das Ressort des Finanz⸗Ministers ernommen. Dies letztere ist nun, wie W. T. B.“ telegraphischem Wege dem Deputirten Guicciardini, der sich zur Zeit in Florenz aufhält, angeboten worden. Guicciardini wird heute in Rom er⸗ wartet. Die Kammer wird voraussichtlich zum Donners⸗ tag oder Sonnabend L werden und sich nach Berat ung der dringenden Vorlagen wieder vertagen. Nach dem Wiederzusammentritt soll alsdann die Wahl des neuen Präsidenten erfolgen. Der „Tribuna“ zufolge würde Crispi

8 Spanie

Der Justiz⸗Minister bereitet nach einem Madrider Telegramm des „W. T. B.“ einen Gesetzentwurf zur Unter⸗ drückung der Anarchie vor.

Wie aus Melilla gemeldet wird, wünscht der General⸗ stab, wenn die friedliche Haltung der Mauren anhalten sollte, eine neutrale Zone um Melilla einzurichten.

1b Schweiz. Die 16. Legislaturperiode der Bundesversammlung ist gestern eröffnet worden, der Nationalrath begann die Constituirung. Der Ständerath wählte zum Präsidenten

Torrent e⸗Wallis (ultramontan).

Der König hat, nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Belgrad, den General Gruic mit 8 Bildung eines neuen Cabinets beauftragt. Nach Meldungen aus Abbazia ist

in dem Befinden Dokic eine langsame, doch fortschreitende Besserung eingetreten.

Amerika.

Die gestern im Congreß verlesene Botschaft des Präsidenten Cleveland hebt, wie „W. T. B.“ meldet, hervor, die Politik der Vereinigten Staaten gegenüber Bra⸗ silien bestehe in unparteiischer Neutralität. Ueber die schwe⸗ benden Fragen mit England werde in friedlichem Sinne verhandelt; der neue Auslieferungsvertrag mit England stehe in Berathung. Die Vereinigten Staaten hätten ein außerordentliches Interesse an der Fertigstellung des Kanals von Nicaragug unter den Auspicien Amerikas zum Vortheil der Schiffe der gesammten Welt und im Interesse der Civilisation. Das Vorgehen des amerikanischen Gesandten in Hawaii, der die verfassungsmäßige Regierung gestürzt habe, sei im höchsten Grade zu mißbilligen; der neue Gesandte sei beauftragt worden, den status quo, soweit als möglich, wieder herzu⸗ stellen. Bezüglich der Aufhebung der Shermanacte heißt es: die Aufhebung habe eine vollständige Veränderung der Währungsverhältnisse Amerikas herbeigeführt, der Prä⸗ sident zweifle nicht daran, daß die Maßregel sich schließlich als höchst heilsam erweisen werde; augen⸗ blicklich jedoch sei es unmöglich, festzustellen, was für Ver⸗ hältnisse die Veräͤnderung hervorrufen oder zu welchen Schritten die Gese gebung sich veranlaßt sehen werde. Nach der jüngsten finanziellen Störung sei Zeit zur Wiederstellung des geschäft⸗ lichen Vertrauens erforderlich. Sobald das infolge des herrschenden Mißtrauens angehäufte Geld wieder in den Verkehr gelangt sein werde, werde wahrscheinlich ein sicherer Weg zu einer gesunden, allen Beduürfnissen ge⸗ nügenden Währung gefunden werden; zu diesem Zweck sei ein mäßiger Verzug bei Behandlung der Frage geboten. Ferner legt die Botschaft nahe, daß der Präsident ermächtigt werde, jederzeit, wenn die Umstände für eine Verständigung günstig seien, eine internationale Münzconferenz ein⸗ zuberufen. Weiter wird in der Botschaft die Abänderung der über die Ausgabe von Regierungsbonds bestehenden Gesetze empfohlen, da die Befugniß des Schatzsecretärs hierzu nicht klar sei und die autorisirten Bonds für die Regierung nachtheilig seien sowohl bezüglich der Verfallzeit als bezüglich des Zins⸗ fußes. Obgleich die Politik, welche die Kriegsmarine bis zur Höhe der nationalen Bedürfnisse erhöhen wolle, gebilligt wird, hält die Botschaft den Augenblick nicht für geeignet, um für dieses Kapitel neue Credite zu verlangen. Die Tariffrage erheische in erster Linie die Aufmerksamkeit der Regierung; nichts dürfe die Regierung von ihr abziehen, bis eine Reform mittels einer weisen Gesesgebung vollendet sei. Der Präsident erörtert sodann die Gründe für die Herabsetzung der Zölle auf Lebens⸗ mittel und die Aufhebung der Beschränkung auf die Einfuhr von Rohmaterialien. Die Jahreseinnahme für das am 30. Juni 1894 zu Ende gehende Etatsjahr wird auf 430 Millionen, die Ausgaben auf 458 Millionen Dollars geschätzt.

Aus Rio Grande mache daßlbst Fortschritte.

In Paris eingetroffenen Nachrichten aus Buenos Aires zufolge sind die dortigen Municipalwahlen ruhig verlaufen. Der Finanz⸗Minister Terry plane die Herabsetzung der vier⸗ procentigen Steuer auf die Einkünfte der Banken.

Der Pariser „Politique Nationale“ zufolge würden nach dem zwischen Frankreich und England getroffenen Ueberein⸗ kommen die Länder Luang⸗Prabang und Xieng⸗khong keinen Theil des Pufferstaates bilden. In letzterem würden die beiden Mächte die Einrichtung jeglichen Monopols zu Gunsten einer europäischen Macht 1

wird gemeldet, die Revolution

9 Parlamentarische Nachrichten.

Deeutscher Reichstag. Der Bericht über die gestrige Sitzung befindet sich in der

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Ersten Beilage. 13. Sitzung vom Dienstag, 5. Dezember, 1 Uhr.

Der Sitzung wohnen bei der Reichskanzler Graf von Caprivi, die Staatssecretäre Dr. von Boetticher und Dr. Graf von Posadowsky, der Königlich preußische Finanz⸗ Minister Dr. Miquel und der Königlich G Staats⸗ Minister der Finanzen Dr. Freiherr von Riedel.

Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des Gesetzentwurfs wegen Abänderung des Gesetzes, betreffend die Erhebung von? eichs⸗Stempelabgaben.

Königlich bayerischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Staats⸗ Minister der Finanzen Dr. Freiherr von Riedel: Wenn ich zu diesem Gesetzentwurf das Wort nehme, so geschieht es darum, weil die bayerische Regierung den höchsten Werth auf die Annahme dieser Vor⸗ lage legt und weil ich nicht weiß, ob ich in den nächsten Tagen noch im stande sein werde, hier zu sprechen. Ich werde mich möglichst an den Entwurf halten, obgleich ich nicht meine, daß derselbe ganz losgelöst zu behandeln ist von den anderen Vorlagen. Wer die E dieser Vorlage erfassen will, wird sich die Finanz⸗ lage des Reichs und der Einzelstaaten, das Verhältniß der directen und indirecten Steuern klar machen müssen. Ueber die schlechte Finanzlage des Reichs und der Einzelstaaten wird nach den Faebken welche der Reichs⸗Schatzsecretär gegeben hat, der beste Rechenkünstler nicht hinwegkommen. ie Einzel⸗ staaten befinden sich schon jetzt in den größten Verlegenheiten

von der liberalen Partei als Candidat für den Präsidenten⸗ posten aufgestellt werden, 11

Munzinger⸗Solothurn (radical) und zum Vice⸗Präsidenten

kularbeiträge und die sich vermindernden Ueberweisungen entstandenen Lücken auszufüllen. Den Einwand, daß die Einnahmen des Reichs in der nächsten Zeit auch steigen werden, hat der Reichs⸗Schatzsecretär bereits genügend beleuchtet; ich möchte darauf hinweisen, daß das Reich mit 2 Milliarden Schulden belastet ist, deren Tilgung angebahnt ist. Gegen die Einführung der mehrfach vorgeschlagenen Reichs⸗Einkommen⸗ steuer muß ich mich vom Standpunkt der bayerischen Regierung mit derselben Entschiedenheit erklären, wie die preußische Regierung. Wenn Ungerechtigkeiten und Unzuträglichkeiten vermieden werden sollen, müßte man die einzelstgatlichen Einkommensteuern be⸗ seitigen. Das würde so tief eingreifen, daß nicht bloß die einzel⸗ staatlichen Regierungen, sondern auch die Landesvertretungen mit allen Mitteln sich dagegen wehren würden. Wieweit das fundirte Einkommen besteuert werden soll spielt dabei eine große Rolle. Das Reich müßte sich also tief in die Verwaltung und Veranlagung von Steuern ein⸗ mischen. Sehr recht hatte der preußische Finanz⸗Minister, wenn er da fragte: Was bleibt dann von der Selb tändigkeit der Einzelstaaten noch übrig? Nach der Entwickelung der Dinge ist es daher natürlich, daß das Reich zur Deckung seiner Ausgaben sich zuwendet den durch die Reichsverfassung ausgebildeten indirecten Steuern. Die verbündeten Regierungen waren bemüht, die Vorlagen so zu gestalten, daß die Lasten möglichst wenig fühlbar sind. Die Regierungen haben es vermieden, nothwendige Lebensbedürfnisse zu belasten. Ungerecht ist der Vorwurf, daß wir mit diesen Steuervorlagen den wirthschaftlich Schwächeren treffen. Ein solcher Vorwurf trifft jedenfalls den Entwurf des Stempel⸗ ges. nicht. Bedenken werden nur gegen die Quittungssteuer erhoben im Interesse des kleinen Mannes. Solche Be⸗ denken mögen ja bestehen, aber ernsthaft kommen sie doch nicht in Betracht bei der Geringfügigkeit der Stempelsätze und bei der großen Zahl der Einnahmen. Der Aussteller einer Nota, einer Quittung hat gar kein Interesse daran, daß eine solche ausgestellt wird, das sist Sache des Em⸗ pfängers der Waare u. s. w. Die Weinsteuer ist nur gerichtet gegen einen Luxusartikel. Wäre die Weinsteuervorlage nicht gemacht worden, so hätte man uns die lebhaftesten Vorwürfe gemacht. Man behauptet, daß durch die Tabacksteuer das ganze Reich aus dem Leim gehe, daß die Regierung nichts Anderes zu thun hätte, als möglichst viele Existenzen zu vernichten. Dabei haben die Interessen der Arbeiter der Regierung in erster Linie am Herzen gelegen. Der Vor⸗ wurf, daß die Tabacksteuer auch die breiteren Volksschichten trifft, ist nicht unberechtigt. Aber der Vorwurf verliert bedeutend an Gewicht, weil ja niemand zu rauchen gezwungen ist und weil die verbündeten Regierungen von einem irrationellen, die billigen Tabacke be⸗ sonders schwer belastenden Steuersystem zu einem Werthsteuer⸗ system übergehen. Wenn das Reich keine neuen Steuern erhält, wie sollen die Einzelstaaten auskommen? Dann müßten die directen Steuern erhöht werden. In Bayern sind unter den Steuerpflichtigen nur 217, welche eine Rente von mehr als 30 000 haben. Eine Heranziehung der breiten Masse wäre also auch bei der directen Steuer unausbleiblich. Wollte man die Steuererhöhung auf eine geringere Anzahl von Schultern legen, müßten sie so erheblich herangezogen werden, daß eine ent⸗ schiedene Rückwirkung auf Handel und Wandel und, damit auch ar das Wohl des Arbeiters unausbleiblich wäre. (Schluß des Blattes.)

Kunst und Wissenschaft.

Einen Preis von 2000 und die silberne Denkmünze ha der Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes in den preußischen Staaten in seiner gestrigen Sitzung für die Her stellung einer Masse zur Anfertigung der Formen für der Bronzeguß im Wachsschmelzverfahren ausgesetzt. De Bronzeguß ist bekanntlich durch das aus Italien eingeführte Wachs schmelzverfahren wesentlich gefördert worden. Das Verfahren er möglicht den Guß größerer Stücke und bringt den Abguß viel schärfer und 8 feiner heraus, als beim alten Formsandverfahren. Die Materialien aber, die bisher für die Formen zum Wachsschmelzverfahren benutzt wurden Mischungen mit Gips oder Lehm, lassen noch viel zu wünschen übrig; die mit Gips hergestellten genügen zwar im allge⸗ meinen den Anforderungen, verlieren jedoch in der Glühhitze leicht ihre Härte; die mit Lehm hergestellten leiden zwar weniger unter der Glühhitze, nutzen sich aber schnell ab. Die Preisaufgabe bezweckt nun, die Ermittelung anderer Materialien anzuregen, die den Erfordernissen einer guten Gußform besser entsprechen. Die Bewerbungen für die speciell aus den Kreisen der Kunst⸗Industrie angeregte Preisaufgabe müssen bis zum 15. November 1895 eingesandt werden.

In Wiesbaden verstarb am 4. d. M. der Romanschrift⸗ steller Graf Ulrich von Baudissin im Alter von 77 Jahren.

Zu Mitgliedern des Maximilian⸗Ordens für Wissenschaft und Kunst sind, wie man dem „W. T. B.“ aus München meldet, ernannt worden: der Geheime Regierungs⸗Rath Professor Dr. Prings heim, Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften hierselbst, sowie die Professoren Thiersch, Hauberrisser und Loefftz in München.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln. Türkei.

Der internationale Gesundheitsrath in Konstantinopel hat fol⸗ gende Quarantebestimmungen getroffen:

Die für Herkünfte von Bartin und Amasra (Schwarzes

Meer) angeordnete fünstaägige Quarantäne ist durch eine ärztliche

Untersuchung ersetzt worden. (Vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 274 vom

15./11. ad 2.) 1 Herkünfte von Palermo bestehende zehntägige

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2) Die für die Quarantäne ist in eine solche von fünf Tagen umgeändert worden. (Vergl. „R⸗Anz.“ Nr. 218 vom 11./9.)

3) Die für Herkünfte von Egypten (vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 173 vom 22./7.), Algier (Nr. 190 vom 10./8.), der spanischen und französischen Mittelmeerküste, Monaco (vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 200 vom 21./8., Nr. 268 vom 8./11. ad 4), Sardinien (Nr. 207 vom 29./8.), Hedjaz und Jemen (Nr. 268 vom 8./11. ad 1), den Häfen des Humberflusses und Antwerpen (vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 280 vom 23./11.) angeordnete ärztliche Untersuchung ist aufgehoben worden.

Rumänien. 1b Die Köͤniglich rumänische Regierung hat den Grenzpunkt Radautz (District Dorohoi) an der Grenze Bessarabiens für den Ver⸗ kehr geöffnet und daselbst einen Sanitätsposten errichtet. (Vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 180 vom 31./7. und Nr. 264 vom 3./11.)

Verdingungen im Auslande

Egypten. 8 1 25. Dezember. Eisenbahnverwaltung Kairo: Lieferung von Feilen nach Maßgabe des Verzeichnisses und der Bedingungen des eim Maganin⸗Iespectoe zu Gabbarvd bei Alexandrien erhältlichen Lastenheftes.

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus. Der gestrige sechste Abend des Mozart⸗Epklus brachte neben einer Wiederholung der „Gärtnerin“ die wieder einer sehr freundlichen Aufnahme begegnete, die zweiactige Oper „Titus“ (La Clemenza di Mito), die den edelsten S öpfungen des Meisters zur Seite steht und einen in seiner dramatischen Gestaltungskraft bildet. Das Werk war für die Krönungs⸗ festlichkeiten des Kaisers Leopold bestimmt, wodurch der Charakter der Musik mitbestimmt wurde. Bei der trotzdem schlichten Schönheit und

und suchen jetzt schon nach Mitteln, um die durch die Höhe der Matri⸗

feinen Melodik des Werks sind die Anforderungen, die an die Sänger

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