s folgt die erste Berathung der Novelle zum Gesetz Süber die Abwehr und Unterdrückung von Vieh⸗
seuchen.
Abg. Pingen (Centr.) glaubt, daß die bestehenden gesetzlichen Vorschriften, wenn sie nur strenge durchgeführt würden, ausreichend seien. Die neu vorgeschlagenen Bestimmungen könnten in der Hand eines schneidigen Beamten leicht einen vexatorischen Charakter an⸗ nehmen. Redner bespricht die einzelnen Punkte und wendet sich gegen die Bestimmungen über die Maul⸗ und Klauenseuche, bei welcher die Impfung bedenklich sei, und beantragt die Ueber⸗ weisung der Vorlage an eine Commission von 14 Mitgliedern.
Abg. Dr. Kruse (nl.) spricht seine Befriedigung darüber aus, daß die Ausführung des Gesetzes in Zukunft der Ueberwachung des Reichskanzlers unterliegen soll. Die Impfung der Maul⸗ und Klauen⸗ seuche werde gerade in der Provinz Sachsen, wo ein Herd derselben sei, für sehr zweckmäßig gehalten. Nothwendig sei allerdings eine gute Vorbildung der Thierärzte zur Durchführung des 18. S 1
Abg. Conrad (Centr.) hält es für zweckmäßig, diß die Nachrichten über die Ausdehnung der Viehseuchen möglichst allgemein bekannt werden, damit die Viehhändler in solchen Gegenden, wo die Seuche herrscht, nicht einkaufen. Die Seuche ist von auswärts gekommen. Auf den Viehverladungsstellen an der Grenze in Oberschlesien werden jährlich Hunderttausende Stück Vieh verladen, die aus aller Herren Länder kommen, ohne daß sie vor dem Einladen von einem Thierarzt untersucht werden. An der Grenze erfolgt die Untersuchung, die bei der Zusammenpferchung der Thiere in den Waggons nur mangelhaft sein kann. Dann werden die Thiere ver⸗ kauft und wegtransportirt, und erst später merkt man die Erkrankung der Thiere. Die Untersuchung muß beim Einladen ge⸗ schehen und an der Grenze wiederholt werden. Besonders groß ist die Gefahr gegen Rußland, wo immer Seuchen vorhanden sind; darauf wird beim Abschluß eines Handelsvertrages mit Rußland besonders geachtet werden.
Abg. Klose (Centr.) wünscht, daß die Versicherungs⸗ und Ent⸗ schädigungspflicht für Schweine und Rindvieh, bei letzterem auch gegen Tuberculose, in diesem Gesetze durchgeführt wird.
Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden:
Meine Herren! Die Mehrzahl der Herren, welche das Wort ergriffen haben, hat sich günstig zu der Vorlage geäußert, und ich glaube, es war auch kaum anders möglich, weil die Erfahrungen, welche wir in den letzten Jahren auf dem Gebiet der Bekämpfung der Vieh⸗ seuchen gemacht haben, mit Nothwendigkeit dazu führen mußten, daß die verbündeten Regierungen die Vorlage machten, welche sie Ihnen gemacht haben. Zugestimmt worden ist von Seiten derjenigen, die sich geäußert haben, zu der erweiterten Zuständigkeit des Herrn Reichs⸗ kanzlers bezüglich der Abwehr der Seuchen, welche im Ausland auf⸗ treten; und die Erfahrungen, die wir gemacht haben, führen dahin, daß dies absolut nothwendig ist, damit eine einheitliche Bekämpfung stattfinden kann. Im übrigen will die Vorlage vorzugsweise die Mög⸗ lichkeit bieten, der Maul⸗ und Klauenseuche erfolgreicher entgegentreten zu können als bisher und will zu diesem Zweck hauptsächlich auch die Gastställe und die Händlerställe unter veterinärpolizeiliche Aufsicht stellen können. Wenn dies geschehen, wird wahrscheinlich schon in weiterem Umfange einem Uebelstande vorgebeugt werden können, welchen ein Herr erwähnte: dem Uebelstande, daß seuchenverdächtiges Vieh aus einem Landestheil nach Köln gesandt sei. Sind die Viehhändlerställe erst unter Controle gestellt, und bricht dann eine Seuche aus, so wird die Möglichkeit der Verschleppung verseuchten Viehs vielmehr beschränkt, als es heute der Fall ist.
Weiter will die Vorlage der Möglichkeit der Verschleppung von Seuchen dadurch begegnen, daß im Moment des Seuchenausbruchs eine erweiterte Bekanntmachung stattfindet, und daß im Inlande der Versand der Thiere aus einem weiteren Kreise verhindert werden kann. Auch dies wird dazu beitragen, der Verbreitung der Seuche zu steuern.
Schließlich ist, allerdings von einer Seite, die beabsichtigte Einführung der Impfung gegen Lungenseuche angegriffen. Ueber diesen Punkt sich zu unterhalten, wird die jedenfalls bevorstehende Com⸗ missionsberathung der geeignete Ort sein. Die Vorlage will keinen Zwang in dieser Hinsicht ausüben, sondern nur einzelnen Ländern und Landestheilen die Möglichkeit geben, eine Bekämpfungs⸗ und Hilfs⸗ maßregel in Anwendung zu bringen, welche jetzt nach Lage der Gesetz⸗ gebung nicht angewendet werden kann.
Der Haupteinwand, welcher gegen die von den verbündeten Re⸗ gierungen gemachte Vorlage erhoben worden ist, war der des letzten Herrn Vorredners: daß der Zwang zur Entschädigung, wie er bezüglich der Rotz⸗ und Lungenseuche besteht, nicht weiter ausgedehnt, daß in der Vorlage kein Entschädigungszwang statuirt sei für Schweine und für Rindvieh. Diese Frage hat die verbündeten Regierungen seit langer Zeit sehr eingehend beschäftigt; es hat sich aber herausgestellt, meine Herren, daß es nach Ansicht der verbündeten Re⸗ gierungen wenigstens zur Zeit bezüglich des Versicherungszwangs nicht geboten ist, bereits mit einem Reichsgesetz vorzugehen. Die Versicherung der Schweine dehnt sich immer weiter aus, und ich kann beispielsweise anführen, daß in Preußen zur Zeit schon etwa 2500 einzelne Anstalten und Veranstaltungen be⸗ stehen, wo der Einzelne seine Schweine versichern kann, der Haupt⸗ sache nach gegen allen Verlust, zum theil auch nur gegen Finnen oder Trichinen allein. Und, wenn in Preußen bei einem Bestand von 7 Millionen Schweinen über 2 Millionen Schweine bereits versichert sind, so zeigt dies, daß die Tendenz und die Neigung, sich selbst zu helfen, auf diesem Gebiet weit verbreitet ist. Aber ich verkenne keineswegs, daß auch in Preußen viele und gewichtige Stimmen sich dahin geltend ge⸗ macht haben, daß ein erweiterter Zwang stattfinden müsse. Die verbündeten Regierungen glauben jedoch, daß, da in dieser Beziehung schon in einzelnen Ländern selbständig vorgegangen ist, es für jetzt nicht noth⸗ wendig sei, ein Reichsgesetz zu erstreben, daß es vielmehr den Vorzug verdiene, dies Gebiet einstweilen der Landesgesetzgebung zu überlassen. Für Preußen kann ich erwähnen, daß ich dort bereits dieser Frage näher getreten bin.
Wenn von dem Herrn Vorredner ferner die Schädigung der Rind⸗ viehbesitzer durch Tuberkulose erwähnt ist, so erkenne ich bereitwillig an, daß dies einer derjenigen Punkte ist, die nicht bloß die verbündeten Regierungen, sondern auch alle bei der Prüfung
landwirthschaftlicher Verhältnisse betheiligten und erufenen Körperschaften seit langem beschäftigen. Aber die Angelegen⸗ beit ist bis jetzt nach Ansicht der verbündeten Regierungen noch nicht spruchreif. Wir wissen noch nicht mit Genauigkeit, wie weit die Tuberkulose verbreitet ist, und das schwierige ist, daß man gerade die Tuberkulose bis jetzt am lebenden Thiere mit Genauig⸗ keit nicht erkennen kann. Wir haben in Preußen seit drei Jahren versucht, zu einem näheren Einblick in diese Verhältnisse zu gelangen,
Preußen existiren zur Zeit rund 250 öffentliche Schlachthäuser, in diesen sind im Jahre 1892 600 000 Rinder untersucht, und von diesen sind beinahe 9 % tuberkulös befunden. (Hört, hört!) Nun ist nicht zweifelhaftt, daß in die öffentlich controlirten und beaufsichtigten Schlachthäuser nicht gerade die schon äußerlich als tuberkulös erschei⸗ nenden Rinder gebracht sind, sondern die anscheinend gesunden. Also unter dieser Auslese von Rindvieh sind bereits fast 9 % tuberkulös, und so wird die Behauptung derjenigen, welche annehmen, daß im großen und ganzen unser Rindviehbestand vielleicht bis zu 15 % mit Tuber⸗ kulose behaftet ist, keine ganz irrige sein, und eine derartige Annahme findet auch ihre Bestätigung durch die Erfahrungen, welche in anderen Ländern, speciell in England, gemacht sind. Es sind ferner die wissen⸗ schaftlichen Forschungen möglichst ausgedehnt worden nicht bloß bei uns in Deutschland, sondern auch in Frankreich, Dänemark und England, ob man durch die Tuberkulinimpfung beim Rindvieh feststellen könne, ob es tuberkulös sei; diese Untersuchungen haben wenigstens bei uns nicht zu einem vollständig positiven Resultat geführt. Es hat sich heraus⸗ gestellt, daß theils nicht alle tuberkulösen Rinder als solche durch die Impfung erkannt werden; andererseits gesunde Rinder dieselbe Reaction zeigen, als ob sie krank wären, sodaß wenigstens die mir zur Seite stehende wissenschaftliche Deputation für das Veterinärwesen auf diesem Gebiete momentan nichts weiter zu thun weiß. Für die verbündeten Regierungen ist, wie gesagt, die Frage der Zwangsentschädigung des Tuberkuloseschadens noch nicht spruchreif, aber auch hierüber sich zu unterhalten, wird ja die Commissionsberathung weitere Gelegenheit geben. Im übrigen hoffe ich, daß das Gesetz möglichst rasch verabschiedet wird; dann wird diejenige Seuche, welche uns in den letzten Jahren am meisten Sorge verursacht hat, die Maul⸗ und Klauenseuche, die seit Jahren von Monat zu Monat heruntergegangen war und im Monat September den niedrigsten Stand erreicht hatte, immer besser zu bekämpfen sein. Es gaben sich im Monat Oktober d. J. An⸗ zeichen kund, daß in Oberschlesien sowohl, wie in dem östlichen Theile Preußens ein erneuter Ausbruch dieser Seuche bevorstehe. Ich werde in den nächsten Tagen erst wie auch die verbündeten Regie⸗ rungen einen Ueberblick über den Stand ultimo November ge⸗ winnen, und ich befürchte, daß wieder eine Verbreitung der Seuche bevorsteht. Es würde also im Interesse der Bekämpfung der Seuche liegen, wenn uns die erbetenen Abwehrbefugnisse recht bald gegeben werden. (Bravo! rechts.)
Abg. Humann (Centr.) bemängelt die geringe Zahl der Thier⸗ ärzte und hält es für unbillig, daß die beamteten Thierärzte die Märkte bewachen sollen, daß die Kosten dafür aber die Gemeinden
tragen müssen.
Abg. Dr. Boeckel (Rfp.): Die Vorlage enthält manches Brauchbare, aber auch manches Bedenkliche. Man sollte sich in erster Linie an die Händler halten und solche vexatorischen und kostspieligen Vorschriften nicht auf die Bauern anwenden. Die Händler müßten ein genaues Controlbuch führen über den Eingang und Ausgang von Vieh aus ihren Ställen, welches von den Behörden geprüft werden muß. Bei solchen Gesetzen sollte man immer die Praktiker fragen, und nicht bloß die Männer der Wissenschaft, der grauen Theorie. Die Impfung aller Thiere kann angeordnet werden im Fall der Seuche; aber die Begründung giebt zu, daß die Ansichten über die Impfung weit auseinander gehen, deshalb sollte man es dem Land⸗ wirth überlassen, ob er seine Thiere impfen lassen will oder nicht. In der Provinz Hessen⸗Nassau herrschen besonders Klagen darüber, daß auch die Räude der Schafe anzeigepflichtig ist; man glaubt, daß die Schafzucht Hessens durch diese Anzeige ruinirt ist. Die Bauern sind darüber so erbittert, daß sie die Schafzucht eingehen lassen, weil sie die Kosten der Thierärzte, die Kosten der Experimente mit Bädern u. s. w. nicht tragen wollen. In der Commission sollte man diesen Punkt genau prüfen, namentlich wenn praktische Landwirthe in der Com⸗ mission sitzen.
Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden:
Dem Wunsche des Herrn Vorredners, daß die Commission, welche ja voraussichtlich der Reichstag beschließen wird, möglichst aus prakti⸗ schen Landwirthen besteht, kann ich mich nur vollständig anschließen. Ich glaube allerdings, daß dann die von den verbündeten Regierungen hier vorgeschlagenen Bestimmungen vor der Commission mehr Gnade finden werden als vor den Augen des Herrn Vorredners. (Sehr gut! rechts.)
Das Gesetz vom Jahre 1880 zur Bekämpfung der Viehseuchen ist nicht von Theoretikern und Thierärzten, sondern von praktischen Landwirthen berathen und auch als gut anerkannt worden. Es ist an der Hand des Gesetzes gelungen, eine Krankheit, die unseren Schafen besonders anhaftete, die Schafpocken, ganz auszurotten. (Sehr richtig! rechts.) Es ist gelungen, die von dem Herrn Vorredner bezeichnete Krankheit der Räude der Schafe bis auf einen Theil der westlichen Lande auszurotten. Daß dort in den westlichen Landen nament⸗ lich die Bekämpfung der Schafräude zu sehr erheblichen Beschwerden führt, ist immer anerkannt und bei den dort herrschenden Verhältnissen mit dem kleinen getheilten Besitz erklärlich.
Aher man muß ja natürlich das Gesetz prüfen. Ich glaube, der Reichstag wird kaum in der Lage sein, sich überzeugen zu lassen, daß diese Bestimmung gegen die Schafräude beseitigt werden müsse. Ich schließe damit, daß ich meinerseits nur wünschen kann, daß möglichst praktische Landwirthe in die Commission kommen, damit dieses Gesetz unter Erwägung der praktischen Nützlichkeit und Nothwendigkeit einer eingehenden Prüfung unterzogen wird. (Bravo!)
Abg. Rettich (dcons.) empfiehlt die Einsetzung einer Com⸗ mission von 21 Mitgliedern, weil die Verhältnisse in den ver⸗ schiedenen Gegenden Deutschlands zu verschiedenartig liegen. Die Stimmung in landwirthschaftlichen Kreisen ist jetzt den veterinär⸗ polizeilichen Maßregeln gegenüber eine wohlwollendere als beim Erlaß des jetzigen Viehseuchengesetzes.
„Abg. Bantleon (nl.) warnt davor, von der Vorlage und ihrer Wirkung allzuviel zu hoffen; denn es sei sehr schwer, durch Sperrmaß⸗ regeln eine Seuche zu localisiren. Besonders würde diese ausgebreitet durch den Handel mit Treibeschweinen.
Die Vorlage wird einer Commission von 21 Mitgliedern überwiesen. Dearauf wird die Denkschrift über die Ausführung der seit dem Jahre 1875 erlassenen Anleihegesetze durch Kenntniß⸗ nahme für erledigt erklärt.
Die Uebersicht der Reichsausgaben und Einnahmen für 1892 und die gleiche Uebersicht bezüglich der Schutzgebiete, so⸗ wie die Rechnung der Kasse der Ober⸗Rechnungskammer werden der Rechnungscommission überwiesen, die auf Antrag des Abg. Letocha von 7 auf 14 Mitglieder verstärkt werden soll.
Darauf erledigt das Haus noch in erster Berathung den Gesetzentwurf, betreffend die Controle des Reichshaushalts und
der Schutzgebiete, welcher der Rechnungscom mission über⸗ wiesen wird.
Präsident von Levetzow bemerkt, daß morgen das Haus mit der Berathung der Steuervorlagen beginnen könne; zu seinem Bedauern könne er die Absicht, zuerst die Berathung des allgemeinen Finanzgesetzes vorzuschlagen, nicht ausführen, weil er sich überzeugt habe, daß die Majorität dieses Hauses anderer Meinung sei. Er schlage daher für morgen die erste
Berathung des Börsensteuergesetzes vor.
Statistik und Volkswirthschaft.
8 Rekruten⸗Prüfungen.
Ueber die Ergebnisse der Rekruten⸗Prüfungen im Deutschen Reich enthält das Ende November d. J. ausgegebene vierte Heft der Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs Nachweise für das Ersatzjahr 1892/93. Danach hatten von den 186 448 Rekruten, welche in die Armee und Marine eingestellt wurden, 182 415 Schul⸗ bildung in deutscher Sprache, 3318 Schulbildung nur in fremder Sprache und 715 waren ohne Schulbildung, d. h. solche, welche in keiner Sprache genügend lesen, oder ihren Vor⸗ und Familiennamen nicht leserlich schreiben konnten.
In Procent der Gesammtzahl aller Eingestellten betrugen die⸗ jenigen, welche weder lesen, noch ihren Namen schreiben konnten, 8 im Ersatzjahre 1882/83: 1,32] 1886/87: 0,72 1890/91: 0,54 1883/84: 1,27 1887/88: 0,71 1891/92: 0,45
8 1884/85: 1,21 1888/89: 0,60 1892/93: 0,38
8 1 1885/86: 1,08 1889/90: 0,51
Stellt man für die Bezirke, von welchen die meisten Mann⸗ schaften ohne Schulbildung gestellt wurden, das erste und das letzte der vorstehend genannten Fchre gegenüber, so kamen Analphabeten auf je 100 eingestellte Rekruten in den Regierungsbezirken:
“ 1882/83 1892,93
10,10 5,44
4,80 2,10
Marienwerder.. “ 31“ “ 11 81 2,0 “*“ 111“ 11114“ Ueberall ist also eine sehr bedeutende Besserung zu bemerken; am stärksten ist die Verminderung der Eingestellten ohne Schulbildung in Posen und Gumbinnen.
“
Bierbrauerei und Bierbesteuerung.
Nach der im neuesten Vierteljahrsheft zur Statistik des Deutschen Reichs veröffentlichten Statistik der Bierbrauerei und Bierbesteuerung im deutschen Zollgebiet sind im letzten Jahre (Etatsjahr 1892/93 oder Kalenderjahr 1892) an G erhoben worden: im Brausteuer⸗ Gebiet 30,9 Millionen Mark oder 0,78 ℳ auf den Kopf der Be⸗ völkerung, in Bayern 32,3 Millionen Mark oder 5,72 ℳ auf den Kopf, Württemberg 9,2 Millionen Mark oder 4,50 ℳ auf den Kopf, Baden 5,7 Millionen Mark oder 3,38 ℳ auf den Kopf und in Elsaß⸗Lothringen 2,8 Millionen Mark oder 1,71 ℳ auf den Kopf. Die Biergewinnung hat betragen: im Brausteuergebiet 33,2 Mill. Hektoliter, in Bayern 15,1 Mill. Hektoliter, Württemberg 3,7 Mill. Hektoliter, Baden 1,7 Mill. Hektoliter, Elsaß⸗Lothringen 0,9 Mill. Hektoliter und im ganzen deutschen Zollgebiet (einschließlich Luxemburg) 54,8 Mill. Hektoliter. Zusätzlich der Einfuhr und abzüglich der Ausfuhr berechnet sich für das letzte Jahr der Bierverbrauch auf den Kopf der Bevölkerung: im Brausteuergebiet zu 88,7 l, in Bayern zu 227,3 1, Württemberg 184,2 1, Baden 103 1, Elsaß⸗ Lothringen 69,6 1 und im ganzen Zollgebiet zu 107,8 1.
Die überseeische Auswan derung . aus dem Deutschen Reich über deutsche Häfen, Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam belief sich nach den Zusammenstellungen des Kaiser⸗ lichen Statistischen Amts in den Monaten Januar bis September 1893 auf 71 853 Personen. Hiervon kamen aus der Provinz Posen 6857, Bayern rechts des Rheins 6012, Brandenburg mit Berlin 5593, Westpreußen 5522, Pommern 5067, Hannover 4804, aus dem König⸗ reich Württemberg 4646, der Provinz Rheinland 3932, aus dem Königreich Sachsen 3367, der Provinz Schleswig⸗Holstein 2734, dem Großherzogthum Baden 2617, aus der Provinz Schlesien 2394, Hessen⸗Nassau 2382, Westfalen 2290, Provinz Sachsen 2243, Ostpreußen 1614, aus der Rheinpfalz 1308, dem Groß⸗ herzogthum Hessen 1249, Oldenburg 1024, Mecklenburg⸗Schwerin 769. Der Rest von 5429 Personen entfällt auf die übrigen Gebietstheile des Reichs. An der Beförderung dieser Auswanderer sind die deutschen Häfen mit 60 250 Personen betheiligt, und zwar gingen über Bremen 34 228, über Hamburg 26 022. Von Antwerpen reisten 9941, von Rotterdam und Amstexdam 1662. Ueber deutsche Häfen wurden außer den 60 250 Deutschen noch 86 746 Auswanderer aus fremden Staaten, und zwar über Bremen 61 328, über Ham⸗ burg 25 418 befördert.
Statistisches Jahrbuch der Stadt Berlin für 1891.
Der Jahrgang 1891 bildet den achtzehnten Jahrgang des Statistischen Handbuchs, welches im Auftrage des Magistrats der Di⸗ rector des Statistischen Amts der Stadt Berlin R. Boeckh heraus⸗ gegeben hat. Es enthält eine Fülle von interessantem Material, aus dem wir zunächst Folgendes hervorheben:
Bevölkerung. Die Volkszählung vom 1. Dezember 1890 wies eine Bevölkerung der Hauptstadt von 1 578 794 Seelen auf. Hiervon waren 1 352 907 evangelisch, 3743 Einwohner gehörten evan⸗ gelischen Secten an, 135 029 waren römisch⸗katholisch, 378 griechisch⸗ katholisch, 6578 gehörten zu den Dissidenten, Freireligiösen ꝛc, 79 286 waren Juden, 873 gehörten zu den Muhamedanern, Heiden ꝛc. Durch Fortschreibung der Bevölkerungszahl wurden Ende 1891 ermittelt 1.⸗624 323 Einwohner; im Jahre 1891 wurden geboren 53 487, es starben 34 949, als zugezogen wurden polizeilich gemeldet 192 550, als abgezogen 152 988 (auf Seite 7 ist ein Druckfehler; dort steht 122 988, während es nach Seite 90 heißen muß 152 988).
An Fremden wurden im Jahre 1891 gemeldet in den Gast⸗ häusern 373 529, in Chambres garnies 33 118, in sonstigen Herbergen 98 055; überhaupt 504 702; die meisten Fremden waren in den Monaten August und September in Berlin.
Beim Wohnungswechsel wurden im Jahre 1891 886 897 Anmeldungen, 746 177 Abmeldungen verzeichnet, also 140 720 An⸗ meldungen mehr.
Der Personenverkehr war folgender:
auf der Pferdebahn wurden befördert 144 920 563 Personen, mit Omnibus 29 811 225 mit Stadt u. Ringbahn 47 420 389 mit Dampfstraßenbahn „ 1 2 237 090 8 zusammen 224 389 267 Personen, gegen 204 006 443 im Jahre 1890; im Jahre 1881 wurden nur 68 447 829 Personen befördert.
Im Jahre 1891 wurden in dem Gebiet von Berlin und dem 8 km⸗Umkreis 132 122 255 kg Fleisch consumirt, was bei einem mittleren Bevölkerungszustande in Berlin von 1 601 281 und im 8 km⸗Umkreis etwa 313 320 einen durchschnittlichen Consum in dem ganzen Gebiet von 69,01 kg auf den Kopf ausmacht. Ferner wurden 27 158 500 kg Fische (gegen 27 595 000 im Jahre 1890), d. i. 16,96 (17,77) kg auf den Kopf dem Berliner Consum zugeführt. An Bier wurden consumirt 305 143 800 1, auf den Kopf kam mithin ein Consum von 189,96 1 (gegen 199,93 im Vorjahr); dieser Durchschnitt übersteigt weit den Durchschnitt des Brausteuer⸗ wie des Zollgebiets; vergl. oben die „Bier⸗ brauerei und Bierbesteuerung’. An Wein wurden mehr einge⸗ ührt 15 576 500 kg 87 . unlden Kon (6,43 im Jahre 1890). An Spirituosen, Spiritus,
und boten dazu die Schlachthäuser den geeigneten Ausgangspunkt. In
des Landeshaushalts von Elsaß⸗Lothringen, sowie des Etats
ü itus, Branntwein und Essig betrug die Mehreinfuhr 25 802 000 kg lgegen
— Wahlrechtsfrage beschäftigte, eine Entschließung beantragt, die einen
den Naturfreund von dem Leben und Treiben der gesammten Thier⸗
zu tragen.
Ausstattung allen Anforderungen entspricht 9 erdiente Verbreitung 8 spricht, sich der wohlverdienten
16 891 500 im Jahre 1890; an Kaffee, Kaff . gaten, Cacao, Thee 6 421 000 kg = 4,01 k “ Kopf⸗ gegen 3,57 im Jahre 1890; an Petroleum 60 975 000 kg gegen 58 231 000 im Jahre 1890, d. i. auf den Kopf 38,09 kg gegen 8 1 öu6 Koks, Braunkohlen 23 g gegen 2131 803 000 im Jahre 1890, d. i.
Kopf 1455,92 kg bezw. 1372,99 kg. 8 ““
d. J. vom Kaiserlichen Statistischen Amt herausgegebene vierte Vierteljahrsheft des zweiten Jahrgangs (1893) zur Statistik des Deutschen Reichs enthält die Sta⸗ tistik der Reichstagswahlen von 1893 nach Staaten und preußischen Provinzen, sowie nach den einzelnen Wahlkreisen, ferner zur Criminalstatistik, betreffs des Jahres 1892, vorläufige Mit⸗ theilungen über die in den Jahren 1887 bis 1892 von deutschen Gerichten wegen Verbrechen und Vergehen gegen Reichsgesetze Verurtheilten, es folgen eine Darstellung der Schulbildung der im Etatsjahre 1892/93 in die deutsche Armee und Marine eingestellten Rekruten, Nachweisungen der überseeischen Auswanderung im dritten Vierteliahre 1893, der Verunglückungen deutscher Seeschiffe in den Jahren 1891 und 1892 und der Schiffs⸗ unfälle an der deutschen Küste während des Jahres 1892. Den weiteren Inhalt bilden: Montanstatistik für das Jahr 1892 (Production der Bergwerke, Salinen und Hütten im Deutschen Reich und in Luxemburg), ferner das deutsche Zollgebiet betreffende Schilde⸗ rungen der Salzproduction und Salzbesteuerung (Etatsjahr 1892,93), des Tabackbaues und der Tabackernte E(Erntejahr 1892/93) betreffs des Tabackbaues auch vorläufige Nachweisungen für das Erntejahr 1893/94, der Bierbrauerei und Bierbesteuerung (Erntejahr, 1892/93), der Stärkezucker⸗ und Zuckergewinnung und des Stärkezucker⸗Handels und der Zuckerbesteuerung (Betriebsjahr 1. August 1892 bis 31. Juli 1893); zum Schluß des Heftes werden die Saatenstands⸗ und vorläufigen Ernte⸗Nach⸗ Methen Jahr 1“ unker Darlegung der Methode dieser im Jahre 1893 erstmalig im Deutschen Reich er⸗ hobenen Statistik. 8 6 1
Das Ende November d. J
Zur Arbeiterbewegung.
Die am letzten Sonntag in Essen abgehaltene Bergarbeiter⸗ versammlung (vergl. Nr. 286 d. Bl.) war, wie der „Köln. 88 berichtet wird, gut besucht. Dr. Lütgenau (Dortmund) sprach über die Lohnfrage und den Ausstand und erklärte, die Forderungen der Bergarbeiter auf Lohnerhöhung und Einführung des Achtstundentags seien wegen der hohen Kohlenpreise und aus Gesundheitsrücksichten berechtigt. Man solle einen Ausstand, der jetzt ebensowenig verspräche wie der vorige, nicht in Aussicht nehmen, sondern man solle die Organisation des Bergarbeiterverbandes stärken durch ein festes Zu⸗ sammenschließen der Arbeiter in dieser Organisation.
1 In Barmen fand am Sonntag eine socialdemokratische Versammlung statt, in der, wie der „Frkf. Z.“ geschrieben wird, über das dortige Central⸗Hotel sowie die große Dierichs'sche Brauerei und ihre Kunden der Boycott verhängt wurde, weil der Pächter des Hotels sich weigert, seinen Saal künftig zu politischen Versammlungen, also auch zu denen von Socialdemokraten, herzugeben und weil der Brauereibesitzer Dierichs als Eigenthümer des genannten G Pächter nicht zwang, den Socialdemokraten ihren Willen 5 D .
In Bochum wurde am Sonntag die Generalversammlung der Unterstützungskasse rheinisch⸗ westfälischer Bergleute abgehalten. Es hatten sich der Berliner „Volksz.“ zufolge Vertreter
aus dem ganzen Ober⸗Bergamtsbezirk Dortmund eingefunden. Nach dem Jahresbericht vom 1. November 1892 bis dahin 1893 beträgt die Einnahme 8305 ℳ, die Gesammtausgabe 7857 ℳ Verausgabt sind u. a. an Unterstützungen 5497 ℳ, für Rechtsschutz 2193 ℳ 494 Personen wurden unterstützt und 98 Personen ist Rechtsschutz gewährt worden. Verwaltungskosten erwuchsen der Unterstützungskasse nicht. Es wurde 1 eschlossen, die Unterstützungen auch im Falle einer Arbeitsniederlegung nur Mitgliedern der Kasse zu gewähren und sie zu einer Centralstelle des gesammten bergmännischen Unterstützungswesens zu machen. Der Verbandskassirer Meyer stellte die achtstündige Schicht und eine Lohnerhöhung als unbedingt nothwendig hin, bemerkte aber zugleich augenblicklich sei ein Ausstand nicht angebracht. Eine Commission soll die Höhe der einzelnen Löhne und die Zahl der Ueberschichten auf allen Zechen in Erfahrung zu bringen suchen.
In Wien wurde am Sonntag in einer Socialisten⸗ versammlung, die sich mit dem neuen Landwehrgesetz und der
allgemeinen Ausstand der österreichischen Arbeiterschaft androhen sollte. In der Versammlung gab sich jedoch, wie der V. . geschrieben wird, eine entschiedene Stimmung gegen diese Ent⸗ schließung kund. Der Obmann der Drechslergehilfen Hueber ver⸗ langte die Ablehnung der Entschließung; nur ein allgemeiner Ausstand, zu dem der österreichischen Arbeiterschaft die Unterstützung des Auslands zugesagt würde, könne helfen. Der Vorsitzende erklärte, die Mehrheit der Parteileitung sei für den allgemeinen Ausstand, der auch auf der Tagesordnung des nächsten socialistischen Parteitages stehen werde. EEE11““ Slae ei ne Entschließung an, wonach die Rechte dnee mehr durch Worte, sondern durch Thaten vertheidigt ru Aus Glasgow meldet ein Wolff'sches Telegramm: Infolge der Weigerung der Grubenbesitzer, eine Lohnerhöhung zu bewilligen, drohen 17 000 Bergleute die Arbeit niederzulegen.
Literatur.
“ 8 1I1““ ꝛc.
Zu dem Dr. Bosse⸗ und von Woedtke'’schen Commentar des Invaliditäts⸗ und 11“ üst soeben ein Nachtrag zum Preise von 4 ℳ bei Duncker und Hum⸗ blot in Leipzig erschienen, der von dem Geheimen Ober⸗Regierungs⸗ Rath von Woedtke bearbeitet worden ist. Seit Fertig⸗ stellung jenes Commentars hat sich nicht nur die Literatur des Gesetzes weiter entwickelt, sondern es sind auch zahlreiche Entscheidungen und Anordnungen des Reichs⸗Versicherungsamts sowie der zuständigen Landesbehörden ergangen, welche für die Durchführung des Gesetzes von hervorragender Wichtigkeit sind. Es war deshalb mehrfach der Wunsch hervorgetreten, das bisher angesammelte Material zur praktischen Handhabung des Gesetzes durch die größeren Commentare verarbeitet zu sehen. Dies bezweckt der vorliegende Nachtrag.
1 MNaturwissenschaft.
Mit dem soeben erschienenen dritten Band liegt nun auch die Volks⸗ und Schul⸗Ausgabe von „Brehm's Thierleben“ in der von „Richard Schmidtlein neu bearbeiteten zweiten Auf⸗ lage vollständig vor. (3 Bände in Halbfranz zu je 10 ℳ Leipzig, Bibliographisches Institut.) Den Beschluß des Werks bildet nach der früheren Eintheilung die Abhandlung über die Kriechthiere, Fische, Insecten, Niederen Thiere. Das zum Studium dieses Bandes Anregende liegt sowohl in der Eigenart jener interessanten Thier⸗ gruppen, als auch in der meisterhaften Schilderung derselben, die von einer reichen Anzahl der prächtigsten und naturgetreuesten bildlichen Darstellungen belebt wird. Ueberhaupt kennzeichnet sich die selbständige Bearbeitung des „kleinen Brehm“* in allen Einzelheiten als mustergültig, und sie stellt der Sorgfalt, mit welcher sich der Herausgeber der übernom⸗ menen Aufgabe unterzogen hat, das ehrendste Zeugniß aus. Nicht
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— Die Schöpfung der Thierwelt. Von Dr. Wi
xe. Mit 469 Abbildungen im Text und auf 29 Tülheln
farbendruck und Holzschnitt nebst 1 Karte. In Halbleder gebunden 15 ℳ6 Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig und Wien. — „Brehms Thierleben“ schildert die Thierwelt der Jetztzeit in un⸗ erreichter Meisterschaft, das vorliegende Werk aber entwirft ein nicht minder farbenreiches und fesselndes Gemälde von der Frikft ein und von der Entwickelung dieser Thierwelt durch alle Zeiten der Erd⸗ geschichte bis zur Gegenwart und bildet deshalb die nothwendige Er⸗ gänzung zu „Brehm's Thierleben“. — Haacke's „Thierschöpfung“ wird eingeleitet durch eine Ermittelung der Aufgaben, welche die Wissenschaft von der Schöpfung der Thierwelt zu lösen hat. Das Ergebniß dieser Ermittelung ist eine Schöpfungslehre welche die Umbildungen, die im Laufe der Jahrmillionen am Thierkörper stattgefunden haben, aus Verschiebungen der Elemente des thierischen Baustoffes abzuleiten sucht. Weiterhin wird von dem Ver⸗ fasser eingehend geschildert, was durch die Umbildungen am Thier⸗ körper und durch die Auswahl, welche die Natur unter diesen traf entstanden ist. Dabei werden alle Factoren gewürdigt, welche die Formen der Thiere bestimmt haben. Das hochinteressante Studium des Buches belehrt uns ferner, daß die Anpassung an das Leben in der Wüste, auf den Schneegefilden des Nordens, in den Wäldern Steppen, Höhlen ꝛc. Charakterthiere hervorbringen mußte, die in mehr als einer Beziehung den Charakter ihres Wohnortes kennzeichnen, und daß dagegen die Hausthiere sich durch die Charakterlosigkeit ihrer Formen von wild lebenden Thieren unterscheiden müssen. Haacke's „Schöpfung der Thierwelt“ bringt nicht nur eine Ent⸗ stehungsgeschichte der Thierformen, sondern auch eine aus⸗ führliche Erklärung der Thierverbreitung und eine eingehende Stammesgeschichte der großen Thiergruppen. Eine besondere Sorg⸗ falt erforderte in dem Haacke'schen Werk die Behandlung des illustra⸗ tiven Elements. Die in überaus reicher Anzahl beigegebenen Illustra⸗ tionen und Beilagen des Buches sind größtentheils von den aus „Brehm's Thierleben“ bekannten Thiermalern neu gezeichnet, entweder unmittelbar nach der Natur oder nach den besten Vorlagen klassischer zoologischer Werke. Ihre künstlerische Vollendung und ihre gediegene technische Ausführung stehen ihrem wissenschaftlichen Werth in nichts nach. Besondere Bewunderung fordern die Tafeln in Farbendruck: „Edelpapagei“, „Vogelfalter“ und „Zierrassen der Goldfische“; die⸗ selbe Anerkennung ist unbedingt auch den Tafeln in Holzschnitt: E“ „Südamerikanische Greifschwänze“ und „Wiederkäuer“ zu zollen.
— Der bekannte Münchener Professor Dr. Johann General⸗Secretär der deutschen Anthropologischen Serce h anke, foeben eine vollständige Neubearbeitung seines in den Jahren 1886/87 in erster Auflage erschienenen, damals mit Interesse begrüßten Werkes „Der Mensch“ vorgenommen. Das Werk gliedert sich in zwei Haupttheile. Der erste handelt im allgemeinen über Entwickelung Bau und Leben des menschlichen Körpers. Der zweite bespricht die körperlichen Verschiedenheiten der heutigen und vorgeschichtlichen Menschenrassen sowie die aus dem Boden bisher erhobenen vor⸗ geschichtlichen Culturüberreste, namentlich der europäischen Urvölker von der Ciszeit bis zum Aufdämmern der Geschichte in Mittel⸗ europa. In dem durchaus wissenschaftlich gehaltenen Werke bewältigt der Verfasser die schwierige Aufgabe, eine auch für Laien verständlich und fesselnd geschriebene Anthropologie zu geben, mit Meisterschaft. Es wird im Verlage des Bibliographischen Instituts in Leipzig in 26 Lieferungen zu je 1 ℳ oder in zwei Halblederbänden zu je 15 ℳ erscheinen. Die uns vorliegende erste Lieferung beginnt mit einer allgemeinen Uebersicht über Bau und Verrichtungen des menschlichen Körpers. Die Ausstattung mit Illustrationen durch das Bibliographische Institut ist ganz vorzüglich. Unter den Abbildungen 88 esten “ zwei Farbendrucktafeln „Muskeln e enschen“ und „Horizontal⸗Durchschnitt de 1 es“ ei vollendete Ausführung. 88 v
— Die von der Gesellschaft „Urania“ unter Leitung des Director Dr. M. Wilh. Meyer herausgegebene illustrirte 11“ liche Monatsschrift „Himmel und Erde“ (Verlag von Hermann Paetel, Berlin, Preis vierteljährlich 3,60 ℳ), hat jetzt ihren fünften Jahrgang vollendet. Der Inhalt des uns vorliegenden ersten Heftes des sechsten Jahrgangs liefert von neuem den Beweis, daß die Re⸗ daction mit Eifolg bemüht ist, den Ruf der Zeitschrift als internationales Organ für größere zusammenfassende Darstellungen auf dem Gebiete der kosmischen Wissenschaften zu bewahren. Das Heft beginnt mit einer inter⸗ essanten Abhandlung von Prof. Dr. Eduard Brückner in Bern „Ueber die Geschwindigkeit der Gebirgsbildung und der Gebirgsabtragung.“ Darauf folgen der erste Theil des von dem Vorsteher der phyfik⸗ lischen Abtheilung der „Urania“, Herrn P. Spies, im wissenschaft⸗ lichen Theater dieses Instituts gehaltenen Vortrags „Ueber die Kraft des elektrischen Stromes“ und eine Reihe kleinerer Mittheilungen über neue Erscheinungen auf naturwissenschaftlichem und astronomischem Gebiete. Als Titelblatt ist dem Heft eine von den Herren Dr. Lubarsch und G. Witt am 22. April d. J. in einer Expositionszeit von zwei Secunden im optischen Focus des zwölfzölligen Refractors der Urania⸗ Sternwarte aufgenommene und dann dreimal vergrößerte Mond⸗ photographie beigegeben.
Kunst.
. Den laufenden Jahrgang der Zeitschrift „Die Kunst unserer 3 eit, (Verlag von F. Hanfstaͤngl, München) beschließt ein Heft, das der Besprechung der Secession auf der diesjährigen Münchener Aus⸗ stellung gewidmet ist. In anmuthigem Plauderton unterhält C. Gurlitt seine Leser von den Sehenswürdigkeiten in dem neuen Kunstpalast an der Isar und versucht, der neuen Richtung neue Bewun⸗ derer zu werben. Seine Schilderung wird unterstützt durch die vor⸗ trefflichen Lichtdruckreproductionen des Hanfstängl'schen Verlags. Als ein Hauptwerk documentirt sich auch in der Abbildung das groß⸗ zügige ernste Bild von J. Dagnan⸗Bouveret „Auf der Wiese“; auch die seltsame „Junge Sphinx“ von J. Leempoels und die stigmatisirte Nonne von Paul Hoecker sind charakteristische Proben der sich neuen spiritualistischen Zielen zuwendenden Malerei. Treffend sind die Aus⸗ führungen Gurlitt's, die einen Vergleich ziehen zwischen dem rastlosen Vorstürmen unserer zeitgenössischen Kunst und den verwandten Er⸗ scheinungen der italienischen Frührenaissance. Beider Ziel ist „Be⸗ herrschung der neuen Auffassun sweise und Freiheit innerhalb dieser.“ Nur, wer sich dies vor Augen hält, kann zu einer unbefangenen und gerechten Würdigung dieser vielfach an die Grenzen des Darstellbaren vorstürmenden Bestrebungen gelangen.
† Richard Muther's „Geschichte der Malerei im neunzehnten Jahrhundert“ (G. Hirth's Kunstverlag in München) eilt rüstig ihrem Abschluß entgegen. Die unlängst erschienene vor⸗ 1 (8.) Lieferung behandelt die für die Entwickelung der neuesten Malerei so wichtigen nordischen Schulen; Dänemark, Schweden, Norwegen und Rußland. In der Darstellung der jungen amerikanischen Kunst, bei den Werken Harrison's, W. Gay's und Gari Melchers' bricht die nach wie vor fesselnde Schilderung des Verfassers ab. Für die russische Kunst hatte sich Muther der Mitwirlung des in St. Petersburg ansässigen Alexander Benois zu erfreuen. Es charakterisirt seine Gewissenhaftigkeit, daß er, wo ihm umfassendere Autopsie mangelt, nicht den Leser mit flüchtiger Charak⸗ teristik abfindet, sondern einem sachkundigen Beurtheiler das Wort giebt. Befremden erregt nur, daß dem Kapitel über Rußland nicht die polnische Schule mit ihren Hauptvertretern Siemiradzki und Mateiks angefügt wurde. Unseres Wissens ist auch in dem Gesammt⸗ an des Werks kein anderer gesonderter Platz für diese Schule be⸗ timmt. Am passendsten hätte sie sich wohl dem Kapitel über die
durch trockene Systematik nicht in pedantisch doctrendem Vor c. ystematik, 8 Vortrag, sondern frisch, anschaulich und beredsam unterhält der „kleine e
Wels⸗ Das Werk ist in seiner gegenwärtigen Gestalt vollkommen dazu angethan, ein allgemeines Interesse an der zoologischen Wissen⸗
aft zu wecken und die Liebe zur Thierwelt in die weitesten Kreise Möge das schöne Werk, dessen innere und äußere prächtige
französischen Realitäten angeschlossen. Indeß ist M. auch sonst nicht ganz seinem ursprünglichem Plan gefolgt, wie das eingeschobene Kapitel über russische Kunst beweist. 1“ Unterhaltung.
1 Ein stattlicher, geschmackvoll gedruckter „Weihnachts⸗Anzeiger“ eröffnet das Dezemberheft der „Deutschen R. undschau“, das uns an anderer Stelle auch einen bewährten Führer durch die Fluth der Weihnachts⸗Literatur giebt. Den novellistischen Theil füllk diesmal
vornehme psychologische Entwickelung mit spannender Handlun . bindet. — Berechtigtes Aufsehen dürfte Paul Benre Han lüng ver „Die erste Ersteigung des Montblanc über die Aiguille Blanche de steret“ erregen. — Ein sehr actuelles Thema behandelt der bekannte hilosoph, Professor Dr. Eduard von FS in seinem Aufsatze: „Die Geldkrisen“. — Eduard von Hanslick setzt seine Lebens⸗Erinnerungen fort. — Neben dem Schluß des Aufsatzes von E. Hübner: „Das Jahrhundert des Velazquez- erhalten wir die Fortsetzung der bedeutsamen 8 unter dem Titel: „Ein Staatsmann der alten Schule“ mitgetheilten Erinnerungen des ehemaligen Ministers Leopold von Plessen, die diesmal eine Reihe farbiger Bilder aus der Zeit des Wiener Con⸗ gresses vor uns entrollen und viele äußerst ansprechende Mosaikstückchen zu den wichtigen politischen Verhandlungen jener Tage geben. — Einem warm empfundenen Nachruf Otto Hartwig's: „Zur Erinnerung an Louise von Frangois“ schließt sich die „Politische Rundschau“ sowie die schon erwähnte umfassende „Literarische Rundschau“ an, die u. a eingehende Besprechungen aus der Feder Erich Schmidt's und Ludwig F 8 Fge. Quartalsbände der „Deut⸗
2 u“ dürften übrigens vielen als li isches Wei 2 b b “ söbrig ls literarisches Weihnachts
. — Das Dezemberheft von „Nord und Süd“ veröffentli eine Abhandlung von August Schricker über Stauffer⸗Bern, bisher unbekannte Material aus dem Nachlaß des Künstlers bringt — eine werthvolle Ergänzung des Brahm'schen Werkes bildet. Eine den Verehrern des in der Blüthe der. Jahre und des künstlerischen Schaffens Dahingegangenen willkommene Beigabe wird das beigefügte Porträt sein 1 von W. Krauskopf nach ‚einer photographischen Selbstaufnahme
tauffer's angefertigte vorzügliche Radirung. Das Dezemberheft enthält außerdem folgende Beiträge: „Die Hofdame“, Novelle von Marie von Glaser; „Jeanne d'Arc's seelisches Leben“, Neue psycho⸗ logisch⸗historische Forschungen II. von Ch. Thomassin; „Der russische Angriff auf die deutsche Ostgrenze“, von einem höheren Offizier; „Aus Lirica von Annie Vivanti, deutsch von Valerie Matthes: Philo⸗ sophische Terminologien, von Hans Schmidkunz; „Lady Macbeth von Carola Blacker; „Unheilbar“, Novelle von J. Zangwill. Der biblio⸗ graphische Theil, der diesmal besonders reichhaltig ist, entbietet unter anderm eine längere kritische Uebersicht: „Von den ‚Jüngsten““*.
— Nr. 2631 der „Illustrirten Zeitung“ (J. J. Weber in Leipzig) enthält folgende Abbildungen: Max Müller. Das Leichen⸗ begängniß des Grafen Alexander von Hartenau in Graz am 20. No⸗ vember. Originalzeichnung von F. Schlegel. Alexander Graf von Hartenau. Berliner Bilder: Die Herbstparade der Dienstmänner. Originalzeichnung von O. Andres. Johann Lukas Schönlein. Mulei Hassan, der Sultan von Marokko, und sein Großvezier Sid Garnet. Jeremias predigt gegen Hohepriester und Volk. Nach dem Gemälde von Max Lieberg. [Zweiseitig.] Die Vereidigung der Garde⸗ Rekruten auf der Schloßfreiheit in Berlin am 16. No⸗ vember: Die Ansprache des Kaisers. Originalzeichnung von C. Becker. Die Dynamit⸗ Explosion im Hafen von San⸗ tander. 3 Abbildungen. Versprengte Schiffseisentheile an der Kathedrale. — Ruinen der Straße Calderon de la Barca. — Ruinen der Straße Mendez⸗Nunez — Sir Robert Morier, gestorben am 1 7. November. — Julius Fröbel, gestorben am 6. Nobember. — Das Novemberheft des Düsseldorfer Künstlervereins Malkasten in der Städtischen Tonhalle zu Düsseldorf: Im Kaisersaal. Originalzeichnnng von Hugo Ungewitter. — Aus dem soeben erschienenen „Katechismus des Wintersports“ von Marx Schneider (Leipzig, J. J. Weber). 7 Abbildungen. — Polytechnische Mittheilungen. — Moden. 1
1 816“ Verschiedenes. X““ . Wie Verlagsbuchhandlun von Eduard Trewendt in Breslau und Berlin mittheilt, soll im Januar⸗Heft der „D eutschen Revue“ die Veröffentlichung der „Feldbriefe 1870/71 des Geheimen 1“ 8 - begonnen werden. der2. Gesellschaft von Berlin, III. Jahrgang, V Wilhelm Gronau, Berlin W., Dörrbehr. 9⸗ gahrgis . e bunden, 12 ℳͤ — Die Gesellschaft von Berlin, Hand⸗ und Adreßbuch der vornehmen Welt der Reichshauptstadt und Charlottenburgs, liegt ebenso prächtig wie die früheren Jahrgänge ausgestattet, in seinem III. Jahrgange vor. Das Unternehmen ist jetzt zu einem „Almanach der G Gesellschaft Deutschlands“ erweitert, dessen erster Band die Berliner Gesellschaft umfaßt und dem in entsprechen⸗ den Zwischenräumen die übrigen Großstädte des Deutschen Reichs in gleicher Ausführlichkeit folgen werden. Der nächste Band, welcher die „Gesellschaft“ von Potsdam, Spandau und Frank⸗ furt a. O. umfaßt, befindet sich im Druck und wird Anfang De⸗ zember “
— „Der Mechaniker“ betitelt sich eine neue Fachzeitschrif welche sich die Förderung der Mechanik IPeiee Eren Sachgeitschrift verwandter Gebiete angelegen sein lassen will. Herausgeber ist Fritz Harrwitz, Vorsitzender des Vereins der Berliner Mechaniker; als wissenschaftlicher Beirath wird Dr. Levy, Lehrer an der Fortbildungs⸗ schule genannt. Aus dem reichen Inhalt der vorliegenden Nr. 5 dieser elegant und vornehm ausgestatteten Zeitschrift heben wir hervor: Die Erinnerungsworte von Regierungs⸗Rath Dr. Weinstein auf den verstorbenen Director bei der Kaiserlichen physikalisch⸗technischen Reichs⸗ anstalt, Regierungs⸗Rath Dr. Zoewenherz, mit dem wohlgetroffenen Porträt des um die Präcisionsmechanik hoch verdienten Mannes, dann die Fort⸗ setzungen der Aufsätze „Ein neues Photometer“ (von Dr. Samter), „Die Lehre vom Licht⸗ (von Dr. Levy), „Von der Weltausstellung in Chicago (Driginalbericht), „Das neue Oliven'sche Aluminiumloth“ zc. Außerdem findet man Berichte und Notizen aller Art: aus dem Vereinsleben, der Werkstatt, Patentbericht, literarische Neuerschei⸗ nungen, Stellenvermittelung, Sprechsaal ꝛc. ꝛc. Wie hieraus ersicht⸗ lich, ist das zum Preise von 1 ℳ 50 ₰ für sechs solche Hefte († Jahr) Dargebotene reichhaltig, interessant und belehrend.
Weihnachts⸗Literatur. 1b
Vom Goldenen Horn zu den Quell es Euphrat. Reisebriefe, Tagebuchblätter und Studien über die Asiatische Türkei und die anatolische Bahn. Von Dr. Edmund Naumann, ebe⸗ maligem Director der Kaiserlich japanischen topographischen und geologischen Landesaufnahme. Mit 140 Illustrationen nach Original⸗ zeichnungen und Photographien, zwei Karten der anatolischen Bahn, e topographischen Skizze und einer Uebersichtskarte von Anatolien. M ünchen und Leipzig, Verlag von R. Oldenbourg, 1893. (Pr. 20 ℳ) — Der Verfasser dieses Werks war von einem Consortium, bestehend aus der Mrutschen Hank, öe Vereinsbank und der Frankfurter 2 gesellschaft mit einer technischen Recognoscirung derjenige Landstriche betraut, durch welche die neue anatolische Bahn gele werden sollte. Er fand auf der sechsmonatigen Reise, die er im Jahre 1890 zu diesem Zweck unternahm, vollauf Gelegenheit, sich auch mit Beobachtungen und Forschungen zu befassen, die nicht in sein eigentliches Expeditionsprogramm gebörten, sodaß er sich ein Urtheil über die allgemeinen Natur⸗ und Culturverhältnisse der anatolischen Lande bilden konnte. Diese gesammelten Beobachtungen, Erfahrungen und Erlebnisse ver⸗ öffentlicht Dr. Naumann in dem vorliegenden Buch, welches, wie er hervorhebt, aus dem Bestreben erwachsen ist, möglichst weite Kreise über die Wichtigkeit der Culturaufgabe, die das anatolische Eisen⸗ bahnnetz erfüllen soll, zu unterrichten und durch wahrheitsgetreue Darlegung der geographischen Verhältnisse alt eingewurzelten Vorurtheilen über ein bhalbvergessenes, viel geschmähtes Land und ein friedliebendes strebsames Volksthum zu steuern. Das hier beschriebene Ländergebiet, welches durch die vom Sultan genehmigten und zum theil bereits ausgeführten Eisenbahnanlagen dem Verkehr und der Cultur erschlossen werden soll, umfaßt Klein⸗ Asien. Turkistan und Armenien: ein Gebiet, bedeutend größer als Deutschland, aber kaum ⁄ so stark bevölkert. Wie der Verfasser imn Gegensatz zu weitverbreiteten Anschauungen betont, ist eeses Gebiet jedoch nicht etwa verdorben und ausgesogen, sondern überaus fruchthar und berufen, durch Production, Handel und Verkehr im wirthschaft⸗ lichen Leben noch eine bedeutungsvolle Rolle zu spielen. Dies sucht er in ausführlicher Weise in dem Buch auf Grund der eigenen Er⸗
der Anfang eines Romans von Emil Marriot: „Caritas“ aus der
2 — „ 8 G Fr „r 2* 2 p 2 8† 8 1 lebnisse un C. fahrungen da zulegen. In fesselnder Darstellung