thematischen Durchführung; der regelmäßige, wirkt etwas ermüdend. Viel freier estaltet und selbständiger in der Erfindung ist das Trio für Klavier, Violine und Cello, das beste Werk unter den vor⸗ geführten dieses Abends, zu denen noch eine kleine Improvisato für Streichquartett und eine Romanze für Klavier gehörten. An der Ausführung der Compositionen betheiligten sich die Mitglieder der Königlichen Kapelle, Herren Gentz, Jäger, Thronicker und Philipsen. Der Pianist Herr Papen dick, der sich eines sehr klangvollen Blüthner'schen Flügels bediente, hatte sich den genannten Herren angeschlossen. Die musterhafte Präcision und die geschmack⸗ u* aller Betheiligten seien hier noch besonders lobend erwähnt. “
Zu gleicher Zeit fand im Saal Bechstein der zweite Lieder⸗ Abend des früreein Lillian Sanderson statt. Die Stimme klang an diesem Abend weniger frisch und reizvoll als sonst, woran wohl eine leichte Indisposition schuld war; jedoch glänzte die Künst⸗ lerin, wie immer, durch ihre feinschattirende, belebte und graziöse Art des Vortrags, die in den beliebten Weihnachtsliedern von Cor⸗ nelius und in Liedern von Bungert besonders zur Geltung kam. Der Begleiter, Herr Pianist Brüning, erfreute außerdem noch durch einige Soli und erntete gleich der Concertgeberin reichlichen Beifall.
Aufschwung in der übliche Periodenbau
Im Königlichen Opernhause beginnt morgen der Richard Wagner⸗Cyklus mit der Oper „Der fliegende Holländer“ unter Kapell⸗ nee Dr. Muck's Leitung und Mitwirkung der Damen Pierson, Lammert und der Herren Betz, Stammer, Sommer, Lieban.
Im Königlichen Schauspielhause werden morgen Arxel Delmar's Schauspiel „Die Ahrenshooper“ und die Lustst iele „Eingeschlossen“ (Frau Schramm) und „Militärfromm“ gegeben.
Seine Majestät der Kaiser erschien heute Vormittag im Ber⸗ liner Theater, um der Generalprobe des neuen Wichert'schen Schau⸗ spiels „Aus eigenem Recht“ beizuwohnen. Der Kaiser, in Allerhöchstdessen Begleitung sich der Chef des Civilcabinets, Wirkliche Geheime Rath Dr. von Lucanus, der Ober⸗Hofmarschall Graf zu Eulenburg, der Haus⸗ marschall Freiherr von Lyncker sowie die Flügel⸗Adjutanten Oberst⸗ Lieutenant von Hülsen und Major Graf von Moltke befanden, wurde vom Director Ludwig Barnay am Eingange des Hauses begrüßt und nahm im Parquet Platz, worauf die Generalprobe ihren Anfang nahm. — Bei der morgen stattfindenden ersten Aufführung des Wichert'schen Schauspiels werden die Hauptrollen von den Herren Suske (Kurfürst Friedrich Wilhelm), Kraußneck (Schöppenmeister Rohde), Nollet, Stockhausen, Stahl, Formes und Jelenka, sowie den Damen Hilde⸗ brand und Sauer dargestellt. 1
Die Actiengesellschaft „Schiller⸗Theater“ hat sich gestern Abend nach Durchberathung der von dem Comité vorgelegten Sta⸗ tuten constituirt und einen Aufsichtsrath gewählt. Die Namen der Mitglieder des letzteren sollen, sobald von allen Gewählten die Zu⸗ stimmung eingegangen ist, veröffentlicht werden.
Robert Freund, der Züricher Klaviervirtuose, hat für sein erstes hiesiges, morgen Abend 8 Uhr in der Singakademie statt⸗ findendes “ ein Programm zusammengestellt, wonach er drei große Werke mit Begleitung des Philharmonischen Orchesters zum Vortrag bringen wird, und zwar Brahms D-moll-Concert Schu⸗ mann’s A-moll⸗Concert und die Ungarische Phantasie von Liszt. 8 Am Freitag Abend 8 Uhr wird die Sängerin Fräulein Marie Woltereck aus Hannover sich zum ersten Mal in Berlin (in der Sing⸗Akademie), gemeinschaftlich mit der Pianistin Fräulein Margarethe Eußert, hören lassen. — Für das an demselben Abend 7 ½ Uhr stattfindende Concert der Violin⸗Virtuosin Fräulein Irene von Brennerberg im Saal Bechstein hat der Baritonist Herr August Hensel seine Mitwirkung zugesagt. — Die Anmeldungsfrist für Musikstudirende zu den drei Klaviervorträgen von Anton Rubinstein im Saal Bechstein (15., 16., 17. De⸗
zember, Mittags 12 ¼ Uhr) ist mit dem heutigen Tage abgelaufen; für Künstler, Musik⸗Professoren und Lehrer können Anmeldungen noch bis “ an die Concert⸗Direction Hermann Wolff, Berlin W., Am
rlsbad 19 I., und zwar schriftlich gerichtet werden.
Mannigfaltiges.
Der Minister des Innern hat dem Verein für Pferderennen und Pferdeausstellungen in Preußen zu Königsberg i. Pr. die Erlaub⸗ niß ertheilt, bei der im Frühjahr nächsten Jahres daselbst stattfinden⸗ den Pferdeausstellung eine öffentliche Verloos ung von Wagen, Pferden ꝛc. zu veranstalten und die Loose, 150 000 Stück zu je 1 ℳ, im ganzen Bereich der Monarchie zu vertreiben.
Für die Berliner Gewerbe⸗Ausstellun 1896 hat sich in einer constituirenden Sitzung am 1. d. M. au die Gruppe V „Thon⸗, Porzellan⸗, Chamotte⸗, Cement⸗, Kunststein⸗, Gips⸗, Marmor⸗ und Glas⸗Induftrie“ gebildet. Vorsitzender des Gruppen⸗Vorstandes ist Herr C. H. Herm. Schmidt; zu den Mitgliedern gehört Dr. A. Heinicke, Director der Königlichen Porzellan⸗Manufactur.
Der neubegründete Verein für gesundheitsgemäße Er⸗ ziehung der Jugend, der bereits etwa 200 Mitglieder zählt, hielt gestern Abend im Bürgersaale des Rathhauses unter zahlreicher Be⸗ theiligung von Herren und Damen seine erste öffentliche Sitzung ab. Der Vorsitzende Director Professor Dr. Schwalbe, beleuchtete zunächst die Bestrebungen des Vereins, der aus der innerhalb des Berliner Lehrervereins bestehenden Abtheilung für Schul⸗ hygiene heraus angeregt ist. Der Verein bezweckt d Färderung einer gesundheitsgemäßen Erziehung unserer Jugend in Schule und Haus während des ganzen Alters der Entwicklung. Diesen Zweck will man erreichen durch Mitwirkung an der Verbesserung der hygienischen Zu⸗ stände in der Familie, wie in allen Bildungs⸗ und Erziehungsanstalten, durch Förderung der Hygiene des Kindes und der Schule als Wissenschaft, vor allem durch geeignete Verbreitung von Kenntnissen über die gesundheits⸗ gemäße Erziehung der Jugend, zu welchem Zweck größere, für jeder⸗ mann berechnete Versammlungen veranstaltet, öffentliche Lehr⸗ und Unterrichtscurse eingerichtet und in der Presse, in Flugblättern und Broschüren darauf bezügliche Fragen erörtert werden sollen. Den hygienischen Unterricht gedenkt man in directem An⸗ chluß an den übrigen Unterricht anzustreben. Die Jugend selbst will man gewöhnen, darüber nachzudenken, was ihr dienlich ist. In einem zweiten Vortrage beleuchtete Professor Dr. Angerstein Schäden und Mängel in der Erziehung der Jugend und verbreitete sich über die Nothwendigkeit einer mehr gesundheitsgemäßen Jugenderziehung. Vertheilt wurde eine Einladung zum Abonnement auf die demnächst erscheinende Zeitschrift „Menschenfreund“, welche den Grundsätzen des Vereins weiteste Verbreitung geben soll.
Der Provinzial⸗Ausschuß für innere Mission hielt heute im Hause des Christlichen Vereins junger Männer seine Haupt⸗ versammlung ab, der im Auftrage des Consistoriums Präͤsident Schmidt, sowie der Ober⸗Consistorial⸗Rath Weiß, General⸗ Superintendent. Dryander u. a. beiwohnten. Den Vorsitz führte Superintendent Petzholtz⸗Potsdam. Dem vorgelegten Bericht zufolge bestehen in der Provinz zwei Krippen, 124 Kleinkinderschulen, 265 Kindergottesdienste in 66 von 73 Diöcesen, 11 Waisenhäuser, 5 Erziehungsvereine, 43 Jünglingsvereine, 45 Her⸗ bergen zur Heimath, 79 Mädchenvereine, zwei Mägdeherbergen und Bildungsanstalten, 22 Männervereine; Familienabende und christliche Volksfeste wurden in 53 Diöcesen veranstaltet, Kranken⸗, Siechen⸗ und Armenpflege wird in 121 Häusern geübt; in 44 von diesen wirken 130 Schwestern. In 54 Diöcesen sind, und zwar an 92 Orten, 98 Gemeindepflegen mit 171 Schwestern ein⸗ gerichtet, Armen⸗ und Krankenvereine bestehen 140 an 105 Orten und 57 Diöcesen. Genossenschaften für Krankenpflege im Kriege sind zwei gebildet, 11 Vereine betreiben Fürsorge für entlassene Gefangene; ein Verein mit 700 Mitgliedern wirkt gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, die Magdalenensache wird in drei Anstalten betrieben. Aus vier Diöcesen liegen Berichte über die Gründung von acht Raiffeisen'schen Kassen vor; von 1049 Parochien besitzen, 782 Volksbibliotheken; christliche Blätter werden I Provinz verbreitet, darunter das „Berliner Evangelische Sonn⸗
tagsblatt“ in 42 000 Exemplaren. Die Colportage christlicher Schriften, die sich über 42 Diöcesen erstreckt, wird von 36 Leitern dirigirt. Der Ausbildung von Hilfskräften der inneren Mission widmen sich eine Männer⸗ und sieben Frauenanstalten. Besondere Aufmerksamkeit hat der Ausschuß der Fürsorge für die wandernde Beyvölkerung gewidmet. Die Hauptversammlung beschäftigte sich im übrigen mit der Fürsorge für Fabrikarbeiter und mit der Frage der weiblichen Arbeitercolonien. — 1
Die Dichterin Wilhelmine Hensel, die, wie seiner Zeit ge⸗ meldet, am 11. September d. J. ihren 91. Geburtstag gefeiert hat, ein Pathenkind der Königin Luise, ist am 4. d. M. an den Folgen der Influenza in Charlottenburg gestorben. Im Jahre 1802 zu Linum als die Tochter des dortigen Predigers Hensel geboren, hat die Verstorbene 25 Jahre hindurch in segensreicher und vielfach anerkannter. Thaͤtigkeit das Glisabeth⸗Stift in Pankow geleitet. Bei ihrem Ausscheiden aus dieser Stellung wurde ihr vom Hochseligen Kaiser Wilhelm I. der Luisen⸗Orden verliehen. Ihre poetischen Schöpfungen sind durch Hermann Kletke weiteren Kreisen bekannt geworden, während eine Sammlung ihrer Gedichte von Professor Schlüter herausgegeben wurde.
London, 6. Dezember. Gestern Nachmittag fand, wie „W. T. B.“ berichtet, ein mit der Beschlagnahme von Mobiliar in einem Zimmer eines in Hampstead, der nördlichen Vorstadt Londons, belegenen Hauses beauftragter Beamter zahlreiche Flaschen, die nach dem Central⸗Polizeibureau gebracht wurden, und sodann eine 24 Pfund Dynamit enthaltende Kiste, die gleichfalls an die Polizei abgeliefert wurde. Die Flaschen enthielten nach Aussage der Polizeibeamten Nitro⸗ glycerin. Dem „H. T. B.“ zufolge wäre der Miether des Zimmers, ein Holländer Namens Snyder, Mitglied einer über ganz England und Nord⸗Amerika verbreiteten anarchistischen Gesellschaft, während ein Telegramm des „W. T. B.“ von heute früh berichtet, daß er der Vertreter einer amerikanischen Gesellschaft für die patentirte Herstellung von Sprengstoffen sei. Das vorgefundene Dynamit und der Inhalt der Flaschen wären nur Waarenproben gewesen.
Kopenhagen, 5. Dezember. Der Museums⸗Director und Advocat des Höchsten Gerichtshofes Klubien ist, laut Meldung des „W. T. B.“, heute Vormittag im Gerichtslocal plötzlich gestorben.
New⸗York, 5. Dezember. An der Pacifieküste wüthet, nach Meldung des „W. T. B.“, ein orkanartiger Sturm, welcher be⸗ deutenden Schaden anrichtet. In Kalifornien werden die Ausstellungs⸗ arbeiten durch kolossalen Schneefall unterbrochen.
Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.
München, 6. Dezember. (W. T. B.) Die Kammer der Abgeordneten nahm den Militär⸗Etat für 1893/94 mit allen Stimmen gegen die der Socialisten und der Mit⸗ glieder des Bauernbundes an.
Stuttgart, 6. Dezember. (W. T. B.) Der Minister des Innern von Schmid ist an einer Unterleibsentzündung schwer erkrankt.
Konstanz, 6. Dezember. (W. T. B.) Das Befinden des zur Kur in der Heilanstalt Kreuzlingen sich aufhaltenden vormaligen österreichisch⸗ungarischen Botschafters in Berlin Grafen Széchényi ist sehr gut; derselbe beabsichtigt, am 12. d. M. Konstanz zu verlassen und nach Ungarn zurück⸗ zukehren.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
Wetterbericht vom 6. Dezember, 8 Uhr Morgens.
1
1
Bar. auf 0 Gr. u. d. Meere
*à 1 8
50 C. = 40R.
s
8 red. in Millim.
Stationen. Wetter.
Temperatur in ° Celsius
bedeckt wolkig bedeckt Nebel bedeckt bedeckt bedecät
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Cork, Queens⸗ 7 Cherbourg. 4,12 Z8“ amburg.. Swinemünde Neufahrwasser Memel 70 ö-q6—16— Münster .. 768 Karlsruhe . . 769 Wiesbaden. 769 München 768 Chemnitz 770 Berlin. 7769 Wien.. 769 Breslau 768 2 bedeckt 17688 3 bedeckt Triet 762 ONO 7 wolkenlos ¹) Gestern Schnee. ²) Nachts Schnee. ³) Hoch⸗ nebel. ⁴) Nebel. ⁵) Gestern Regen. Uebersicht der Witterung.
Eine breite Zone hohen Luftdrucks lagert über Mittel⸗Europa, ein tiefes Minimum nördlich von Schottland, welches auf den Hebriden Weststurm, an der Südküste von Norwegen stürmische südliche Winde hervorruft. In Deutschland ist das Wetter ruhig, vorwiegend trübe, durchschnittlich ohne er⸗ hebliche Wärmeänderung; stellenweise ist etwas Niederschlag gefallen. Da die Depression im Nord⸗ westen wahrscheinlich ihren Einfluß südostwärts aus⸗ breiten wird, so dürfte trübe, wärmere Witterung mit auffrischenden Südwestwinden zunächst für das nördliche Deutschland zu erwarten sein.
Deutsche Seewarte.
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Königliche Schauspiele. Donnerstag: Opern⸗ haus. 256. Vorstellung. Wagner⸗Cyelns. 1. Abend. Der fliegende Holländer. Romantische
gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. Anfang 7 Uhr. Schauspielhaus. 152. Vorstellung. Die Ahrens⸗ hooper. Vaterländisches Schauspiel in 1 Aufzug von Axel Delmar. In Scene gesetzt vom Ober⸗ Regisseur Max Grube. — Eingeschlossen. Lustspiel in 1 Aufzug von Karl Niemann. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. — Militär⸗ fromm. Genrebild in 1 Aufzug von Gustav von Moser und Tilo von Trotha. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr. Freitag: Opernhaus. 257. Vorstellung. Wagner⸗ Cyelus. 2. Abend. Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg. Romantische Oper in 3 Acten von Richard Wagner. Ballet von Emil Graeb. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. An⸗ fang 7 Uhr.
Schauspielhaus. 153. Vorstellung. Zum 1. Male: Die kluge Käthe. Lustspiel in 4 Aufzügen von Hans Olden. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.
Deutsches Theater. Donnerstag: Kain. — Die Mitschuldigen. Anfang 7 Uhr.
Freitag: Der Pfarrer von Kirchfeld. Sonnabend: Der Talisman.
Die Tageskasse ist von 10—1 Uhr geöffnet
Berliner Theater. Donnerstag: Zum 1. Male: Aus eigenem Recht. Abends 7 Uhr. 1
Freitag: 15. Abonnements⸗Vorstellung. Graf Waldemar. (Marie Pospischil, Elise Sauer, Ludw. Barnay, Ferdin. Suske.)
Sonnabend: Aus eigenem Recht.
Lessing-Theater. Donnerstag: Mein neuer Hut. — Das Spiel mit dem Feuer. — Nach dem Balle. — Ein schlimmer Handel. (In allen 4 Stücken Friedrich Mitterwurzer als Gast.) Anfang 7 Uhr.
Freitag: 4. Duse⸗Abend. Zum 1. Male: Froufron.
Vorverkauf für den vierten bis siebenten Duse⸗ Abend an der Tageskasse.
Friedrich -Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25.
Donnerstag: Der Bettelstudent. Operette in 3 Acten von F. Zell und Richard Genée. Musik von Carl Millöcker. Regie: Herr Unger. Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann. Anfang 7 Uhr.
Freitag: Der Bettelstudent.
In Vorbereitung: Der Lieutenaut zur See. Operette in 3 Acten. Musik von Louis Roth.
Residenz-Theater. Direction: Sigmund Lauten⸗ burg. Donnerstag: Zum 15. Male: Die Dragoner. Schwank in 3 Acten von Bossu und Delavigne. In
Zum 1. Male: Dramenstoff. Schauspiel in 1 Act von Fedor von Zobeltitz. Anfang 7 ½ Uhr. Freitag und folg. Tage: Die Dragoner.
Neues Theater (am Schiffbauerdamm 42/5). Vorletzte Woche.
Donnerstag: 71. Ensemble⸗Gastspiel des Residenz⸗ Theaters. Direction: Sigmund Lautenburg. Zum 91. Male: Jugend. Ein Liebesdrama in 3 Acten von Max Halbe. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Anfang 7 ½ Uhr.
Freitag und folg. Tage: Jugend.
Victoria-Theater. Belle⸗Alliancestraße 7/8. Donnerstag, mit vollständig neuer Ausstattung an Decorationen, Costumen und Requisiten: Zum 39. Male: Die sieben Raben. Romantisches Zaubermärchen mit Gesang und großem Ballet. Anfang 7 ½ Uhr.
Freitag. Die sieben Raben. 1b
Sonnabend, Nachmittags 3 ½ Uhr: Kinder⸗ Vor⸗ stellung. Der Struwelpeter. Märchenposse mit Gesang in 4 Bildern. ☛☛ Bedeutend ermäßigte Preise. 2ꝗ
Theater Unter den Linden. Donnerstag: Zum 10. Male: Der Mikado. Burleske Operette in 2 Acten von V. S. Gilbert. Musik von Arthur Sullivan. (Nanki Pooh: Ilka von Palmay.) Hierauf: Pierro⸗Gavotte. Ballet⸗ Divertissement. Grand pas de deux, getanzt von der Prima Ballerina Sgra. Elia und dem Primo Ballerino Sgr. Poggiolesi. Anfang 7 ½ Uhr.
Freitag: Der Mikado.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Vorstellung zu halben Kassenpreisen. Die Gondoliere u. Ballet.
Adoalph Ernst⸗Theater. Donnerstag: Zum 80. Male: Charley’s Tante. Schwank in 3 Acten von Brandon Thomas. — Hierauf: Die Bajazzi. Parodistische Posse mit Gesang in 1 Act von Ed. Jacobson und Benno Jacobson. In Scene gesetzt von Adolph Ernst. Anfang 7 ½ Uhr.
Freitag: Charley’s Tante. Die Bajazzi.
Central-Theater. Direction: Richard Schultz⸗ Alte Jacobstraße Nr. 30.
Donnerstag: Z. 29. Male: Die eiserne Jung⸗ fran. Posse mit Gesang in 3 Acten von Charles Flasgpille Musik von Louis Varney. Anfang 7 7.
Freitag: Die eiserne Jungfrau.
Tageskasse: Vormittags von 10 bis 2 Uhr. Abend kasse von 6 ½ Uhr ab.
Concerte.
Sing-Ahkademie. Donnerstag, Anfang 8 Uhr: Concert des Violinvirtuosen Robert Freund mit dem Berliner Philharmonischen Orchester
Saal Bechstein, Linkstraße 42. Donnerstag, Anfang 7 ½ Uhr: II. Kammermusik⸗Abend von Carl Halir, Carl Markees, Ad. Müner, H. Dechert, unter gütiger Mitwirkung des Klavier⸗ virtuosen Herrn Bernhard Stavenhagen. Concert-Haus, Leipzigerstraße 48 Donnerstag: Karl Menyder⸗Concert. Gesellschafts⸗Abend. Anfang 7 Uhr.
Circus Renz (Carlstraße). Donnerstag, Abends 7¼ Uhr: Gala⸗Vorstellung.
U. a: Grand Quadrille de la haute equitation, geritten von 6 Damen und 6 Herren. Die Spring⸗ pferde „Parthenia“ und „Paria“, geritten von Frl. Oceana Renz und Frau Renz⸗Stark. 6 Rappen und Caroussel von 30 Pferden, vorgeführt von Herrn R. Renz. Mr. Rodgers mit seinen neu erfundenen Luftapparaten. Der unnachahmliche Clown⸗Imitator Mr. AÄbbs. Jones und Robinson, Clowns
Barren ꝛc.
Zum Schluß der Vorstellung: ☛ Huldigungsgruß an Berlin. ☚ Großes Paradeschaustück mit Festspielen, Aufzügen, Solo⸗ und Ensembletänzen von 80 Damen, arrangirt
vom Director Franz Renz. Gewöhnliche Preise. 8 1 Billet⸗Vorverkauf an der Circuskasse und beim Invalidendank, Markgrafenstraße 51a. Freitag: Große Vorstellung.
Familien⸗Nachrichten.
Geboren: Ein Sohn: Hrn. James Alexander Frhrn. Speck von Sternburg (Lützschena). — Hrn. Landrichter Dr. Dittrich (Beuthen O.⸗S.) — Hrn. Pastor Melz (Parchwitz). — Eine Tochter: Hrn. Professor Dr. M. Dennstedt (Hamburg⸗ Uhlenhorst). — Hrn. Fr. von Stülpnagel (Lind⸗
horst).
Gestorben: Verw. Fr. Superintendent, Probst Sophie Schmidt (Zossen). — Hr. Unter⸗Staats⸗ secretär a. D. Friedrich Ludwig Theodor Müller (Berlin). — Verw. Fr. Schloßhauptmann Helene von Blücher, geb. von Rantzau (Kuppentin). — Hr. Großh. mecklenb.⸗schwerinscher Ceremonien⸗ meister Leopold von Vieregge (Steinhausen). — Hr. Oberlehrer Rudolf Kaluza (Breslau). — Verw. Fr. Pastor Anna Ueberschaer, geb. Mo⸗ sewius (Breslau). — Hr. Postdirector a. D. Wil⸗ helm Roeßler (Görlitz).
Reedacteur: Dr. H. Klee, Director. erlin: — — — Verlag der Expedition (Scholz). hn Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Ver ags⸗ Anstalt, Berlin 8WV., Wilhelmstraße Nr. 32.
Sechs Beilagen
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Oper in 3 Acten von Richard Wagner. In Scene
Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Vorher:
(Dirigent: F. Mannstaedt).
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preu
No. 291.
Deutscher Reichstag. 13. Sitzung vom Dienstag, 5. Dezember, 1 Uhr.
Zur ersten Berathung steht der Gesetzentwurf wegen Abänderung des Gesetzes, betreffend die Erhebung von Reichs⸗Stempelabgaben.
Der Königlich bayerische Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staats⸗Minister der Finanzen Dr. Freiherr von Riedel leitete die Berathung mit einer Rede ein, über deren ersten Theil in der Nummer vom Dienstag bereits kurz berichtet wurde. Nachstehend geben wir diese Rede vollständig, dem Wortlaut nach, wieder:
Meine Herren! Wenn ich gleich zu Beginn der Berathung der Steuergesetze das Wort erbeten habe, so geschah dies deshalb, weil die bayerische Regierung das größte Gewicht auf die Annahme dieser Entwürfe legt, und weil ich selbst nicht weiß, ob es mir möglich ist, in den nächsten Tagen noch in diesem Hause darüber zu sprechen. Ich werde mich bei der Erörterung selbstverständlich an den Gegenstand der heutigen Tagesordnung zu halten haben. Allein, meine Herren, es wird nicht möglich sein, den Entwurf über die Stempelabgaben so loszulösen, daß nicht auch wenigstens die allen Entwürfen gemeinsamen Motive zur Besprechung gelangen. Wer vor der Frage steht, ob und wie weit er dem Stempelgesetzentwurf seine Stimme geben könne und wolle, der wird sich vor allem vergegen⸗ wärtigen müssen, wie denn die Finanzverhältnisse des Reichs und der Einzelstaaten beschaffen sind, und er wird sich namentlich ein Bild darüber machen müssen, ob dieser Bedarf vom Reich selbst oder von den Einzelstaaten oder von beiden gemeinsam zu decken ist; dann, ob die Deckungsfrage, wenn man sich für ein Eintreten des Reichs ent⸗ scheidet, im Wege der directen oder indirecten Reichssteuern erfolgen soll; und endlich im letzten Fall, ob es angezeigt sei, einen größeren Rahmen für die Deckung des Bedarfs aufzustellen, und welche Stellung das heute zur Berathung stehende Gesetz in diesem Rahmen einnehmen soll.
Meine Herren, die Mehrzahl dieser Fragen wurde ja bereits bei der Berathung des Reichshaushaltsgesetzes mehr oder weniger gestreift, allein ich kann doch nicht darauf verzichten, auf einige dieser Fragen, namentlich soweit sie im Zusammenhange mit dem Gegenstand der heutigen⸗ Tagesordnung stehen, zurückzukommen, und wenn ich etwa in meinem Eifer zur Wiederholung einiger von dem Regierungstisch aus bereits deutlich ausgesprochenen Sätze gelange, so bitte ich, dies mit dem Sprichwort: „doppelt genäht hält besser“ zu entschuldigen.
Meine Herren, die Finanzverhältnisse des Reichs und der Einzel⸗ staaten bedürfen der ernstesten Aufmerksamkeit. Ueber die dem hohen Hause von dem Herrn Staatssecretär des Reichs⸗Schatzamts neulich bekannt gegebenen Ziffern wird auch der gewandteste Rechenkünstler nicht hinwegkommen. Es ist Thatsache, daß die Matrikularbeiträge, sofern von Seiten des Reichs nicht Vorsorge getroffen wird, die Summe der Ueberweisungen um 53 ½ Millionen übersteigen, und daß hierzu noch die Rückstände von 10 Millionen für die Heeresverwaltung kommen.
Es ist ferner Thatsache, meine Herren, daß die Ausgaben des Reichs für den Pensionsfonds, für die Schuldenzinsen und für die Zuschüsse an die Alters⸗ und Invaliditätsversicherung in den nächsten Jahren steigen müssen, und zwar beträchtlich steigen müssen.
Es ist endlich Thatsache, daß die Einzelstaaten — ich glaube nicht zu irren, wenn ich sage: alle zusammen — schon jetzt sich in großer Ver⸗ legenheit befinden und nach außerordentlichen Mitteln suchen müssen, um die infolge der Erhöhung der Matrikularbeiträge und die durch den Wegfall der Ueberweisung entstandenen Lücken auszufüllen. Die nach dem Etats⸗ entwurf von 1894/95 z. B. von Bayern einschließlich der Aequivalente aufzubringenden Matrikularbeiträge übersteigen die Ueberweisungen um 12 ⅛ Millionen (hört! hört! rechts), und hiervon sind zur Zeit circa 5 bis 6 Millionen ungedeckt, wiewohl wir auf die Einstellung einer Quote für Tilgung unserer größten und wichtigsten Staatsschulden verzichtet haben, und wiewohl wir den Antheil an Ueberweisungen in den Etat in einer Höhe aufgenommen haben, die nach den Erfahrungen des laufenden Jahres wohl kaum erreicht werden wird.
Meine Herren, das Beruhigungsmittel, daß auch die Einnahmen des Reichs in den nächsten Jahren steigen, hat der Herr Reichs⸗Schatz⸗ secretär neulich zur Genüge beleuchtet. Ich möchte nur bei dieser Gelegenheit daran erinnern, daß das Reich außerdem noch mit circa 2 Milliarden Schulden belastet ist, zu deren Tilgung Mittel bisher nicht vorhanden waren. Angesichts dieser Thatsachen wird die Noth⸗ wendigkeit der Beschaffung neuer Mittel für das Reich wohl ernstlich nicht bestritten werden können.
Man hat zu diesem Zweck auf die Einführung einer Reichs⸗ Einkommensteuer verwiesen. Gegen diese Maßregel muß ich mich vom Standpunkt der bayerischen Regierung mit der nämlichen Ent⸗ schiedenheit aussprechen, wie das jüngst von Seiten des Königlich preußischen Herrn Staats⸗Ministers der Finanzen geschehen ist. Es geht nicht an, daß man eine Reichs⸗Einkommensteuer neben dem Fort⸗ bestand der Landessteuersysteme einführt. Man müßte vielmehr, wenn man Ungerechtigkeiten, Unzuträglichkeiten und Ungleichheiten ver⸗ meiden will, dazu greifen, daß man unter Aufhebung sämmtlicher Landesgesetze über die directen Steuern ein nach einheitlicher Scha⸗
blone aufgestelltes Reichs⸗Einkommensteuergesetz machte (sehr richtig!),
elches selbstverständlich auch von den Einzelstaaten aus eigener Com⸗ petenz nicht mehr geändert werden könnte. Das wäre aber ein so tiefer Eingriff in die Selbständigkeit der Einzelstaaten, daß sich nicht bloß die Regierungen, sondern auch die Bevölke⸗ rungen mit allen Mitteln dagegen wehren werden. (Sehr wahr!) Die Vielgestaltigkeit der Verhältnisse der Einzelstaaten Deutschlands und das particulare Bedürfniß, den heimatlichen Verhältnissen jederzeit im Gesetzgebungswege selbst Rechnung tragen zu können, erheischt die weitestgehende Autonomie der Einzelstaaten auf dem Gebiet der directen Steuergesetzgebung. Hinzu kommt noch etwas. Bei der Ein⸗ kommenbesteuerung spielt auch die Frage, wie weit das sogenannte fundirte Einkommen höher zu belasten sei, eine wichtige
Erste Beilage
Berlin, Mittwoch, den 6. Dezember
Rolle, denn es handelt sich dabei nach meiner Meinung um eine Frage der Gerechtigkeit. — Diese Frage kann aber auch außerhalb des Einkommensteuergesetzes gelöst werden und ist zum theil auch in den Einzelstaaten neben den Einkommensteuergesetzen gelöst oder wenigstens geregelt worden. Das Reich müßte daher, um eine wahre Gleichheit zu erreichen, auch auf die Gebiete der Abgaben u. s. w. übergreifen, und es müßte sich endlich zur Sicherheit des Vollzugs eines so wichtigen Gesetzes, wie das über die Reichs⸗Einkommensteuer, auch in die Verwaltung der Steuer selbst mischen. Mit vollem Recht hat deshalb der Königlich preußische Finanz⸗Minister neulich aus⸗ gerufen: Was bleibt denn da noch übrig von der Selbständigkeit der Einzelstaaten, nachdem das Reich ja ohnehin das Gebiet der indirecten Steuern wenigstens der Hauptsache nach an sich genommen hat?
Nach der Entwicklung der Dinge ist es natürlich, daß das Reich zur Deckung seiner Bedürfnisse sich auf den durch die Reichsverfassung bereits angebahnten Weg der indirecten Steuern begiebt, während den Einzelstaaten das Recht der directen Besteuerung möglichst intact erhalten wird. Die verbündeten Regierungen haben auch bei den ihnen unterbreiteten Vorlagen, getreu diesem Satz, den ersteren Weg ein⸗ geschlagen, und sie waren bemüht, die Vorlagen so zu gestalten, daß die dadurch herbeigeführten Belastungen möglichst wenig fühlbar sind. Die Regierungen haben es vermieden, unentbehrliche Lebensmittel zur Besteuerung heranzuziehen, und sie waren ferner gleichzeitig auf möglichste Schonung der zur Zeit in mißlicher Lage befindlichen Land⸗ wirthschaft bedacht.
Ungerecht ist der Vorwurf, daß wir mit dieser Steuervorlage den wirthschaftlich Schwächeren ernstlich bedrücken und zahlreiche Existenzen zu Grunde richten. (Na, na! links.) Meine Herren, daß ein der⸗ artiger Vorwurf gegen die in dem Stempelgesetzentwurf vorgesehene Besteuerung des Verkehrs mit dem mobilen Kapital nicht gefunden werden kann, wird wohl jedermann zugeben. Dagegen wurden nament⸗ lich Bedenken vom Standpunkt des kleinen Mannes aus gegen die Quittungssteuer erhoben. (Sehr richtig! links.) Ja, meine Herren, diese Bedenken mögen ja bestehen, aber bei der Geringfügigkeit des Satzes und im Hinblick auf die vorgeschlagenen Ausnahmen kann doch ernstlich von einem stark fühlbaren Steuerdruck durch den Quittungs⸗ stempel nicht die Rede sein. Wenn neulich der kleine Gewerbtreibende ins Feld geführt wurde und dabei behauptet wurde, daß derselbe seine Rechnungen vorher mit dem Stempel versehen und also für seine eigenen Rechnungen gewissermaßen den Stempel bezahlen würde, so trifft das doch wirklich nicht zu. Der Aussteller der Rechnungen ist nach dem Entwurfe überhaupt nicht zur Anwendung des Stempels verpflichtet; er hat aber auch gar kein Interesse, daß der Act, der die Stempelpflichtigkeit begründet, die Quittirung, statt⸗ findet. Das ist Sache desjenigen, der eine Quittung haben will. (Lachen links.) — Meine Herren, Sie lachen; gehen Sie doch nach Bayern und fragen Sie, ob irgend dort ein kleiner Mann sich über den Quittungsstempel beklagt hat, der fast 100 Jahre dort besteht! Die Sache ist einfach die, daß, wenn der Gewerbsmann den Stempel ja bezahlen muß, er ihn vorher in den Preis einrechnet, das ist die einfache Sache. Meine Herren, ich glaube, der kleine Mann wird dem Stempelgesetzentwurf nicht wehe thun und der Stempelgesetzentwurf thut auch dem kleinen Mann nicht wehe. (Sehr gut! rechts.)
Aehnlich verhält es sich mit der Weinsteuer. Wir waren be⸗ müht, das Getränk des kleinen Mannes steuerfrei zu lassen, und die Steuer selbst ist — das bitte ich festzuhalten — nur oder hauptsächlich gegen den Luxus des Weintrinkens gerichtet. Hätte die Regierung keine Weinsteuer vorgeschlagen, so bin ich überzeugt, daß uns die verschiedensten Vorwürfe von den verschiedensten Seiten gemacht worden wären. (Lebhaftes sehr richtig! rechts.) Meine Herren, ich habe das schon selbst wiederholt erlebt, daß Herren, die jetzt gegen die Weinsteuer donnern, vor wenigen Jahren mir zugerufen haben: Warum besteuern Sie nicht den Wein?
Und was endlich die Tabackfabrikatsteuer betrifft, so sollte man nach der seit Wochen im Gang befindlichen Agitation glauben, das ganze Reich ginge mit einer höheren Besteuerung des Tabacks aus dem Leim und die verbündeten Regierungen hätten wirklich garnichts zu thun, als sich darüber zu besinnen, wie sie möglichst viel Existenzen ruiniren. Meine Herren, seien Sie überzeugt, daß die verbündeten Regierungen der Frage der Arbeiterentlassung durchaus nicht gleichgültig gegenüberstehen. Die Rückwirkungen auf die Verhältnisse der Arbeiter waren bei unseren Vorbereitungen und sind heute noch der Gegenstand der ernstesten Erwägungen. Der Annahme eines colossalen Consumrückgangs aber, auf welche im allgemeinen die ganze Agitation aufgebaut ist, stehen die Erfahrungen entgegen, die sowohl bei der weit stärkeren Tabacksteuererhöhung vom Jahre 1879 gemacht wurden, als auch die Erfahrungen, die sich bei der indirecten Besteuerung anderer Genußmittel jeden Tag ergeben und machen lassen. Der in den Motiven des Tabacksteuergesetz⸗ entwurfs in Aussicht genommene Consumrückgang bezieht sich nicht auf die Zahl der Fabrikate, die hauptsächlich für die Frage der Arbeiterentlassungen entscheidend ist, sondern lediglich auf das Gewicht des zur Versteuerung gelangenden Tabacks. Scheidet aber die Frage der Arbeiterentlassung aus dem Kreise der Erwägungen aus,
so bleibt lediglich noch der Vorwurf, daß die Steuer auch breitere
Volksschichten ergreift. Diese Behauptung ist an sich nicht abzuweisen. Aber, meine Herren, ich glaube, der Vorwurf verliert doch ganz be⸗ deutend an Gewicht, wenn man erwägt, daß niemand zum Rauchen gezwungen ist. (Lachen links.) Der Vorwurf verliert aber auch noch ganz bedeutend durch die Erwägung an Gewicht, daß die verbündeten Regierungen von einem irrationellen, im Verhältniß die Minder⸗ bemittelten weit stärker belastenden Steuersystem zu einem ratio⸗ nelleren, nach dem Werth bemessenen System überzugehen im Begriff stehen. Doch ich will den Debatten über die einzelnen Entwürfe in keiner Weise vorgreifen. Ich gelange von dem Vorwurf, daß man auch breitere Volksschichten heranziehen will, auf die weitere Frage, was dann geschieht, wenn das Reich keine Mittel beschafft. Dann müßten die Einzelstaaten ich kann das wenigstens von Bayvern
sein, und no
absolut behaupten — zu einer Erhöhung der directen Steuern schreiten, und es fragt sich dann, wie die breiteren Schichten des Volks von diesen Maßregeln getroffen werden. Meine Herren, ge⸗ statten Sie, daß ich Ihnen nur ein paar Ziffern in dieser Hin⸗ sicht vorführe. In Bayern sind unter den 2 045 000 grundsteuer⸗, gewerbe⸗, kapitalien⸗ und einkommensteuerpflichtigen Personen 1 750 000 Pflichtige, also fast neun Zehntel, mit einer directen Steuer bis zu 15 ℳ angelegt, 326 300 Pflichtige mit einer directen Steuer zwischen 15 ℳ und 400 ℳ und mit einer Steuer von über 400 ℳ sind lediglich 3559 Pflichtige angelegt. Zur Erläuterung bemerke ich, daß eine Kapitaliensteuer von 400 ℳ ungefähr einer Jahresrente von 12 000 ℳ gleichkommt und daß sich in Bayern überhaupt nur 217 Kapitalrentensteuerpflichtige be⸗ finden, welche eine Rente von mehr als 30 000 ℳ zu ver⸗ steuern haben. Wenn daher in Bayern infolge der Steigerung der Matrikularbeiträge um 5 oder 6 Millionen eine Erhöhung der directen Steuer erforderlich ist, so ist eine Heranziehung der breiteren Massen nach den soeben von mir bekannt gegebenen Ziffern ganz unausbleib⸗ lich. Das heißt, es müssen eine große Anzahl von Personen — sie mögen wollen oder nicht — Steuern zahlen, während die Antheil⸗ nahme an den Lasten der einzelnen indirecten Steuern vielfach in ihr Belieben gestellt gewesen wäre. Wollte man aber diese Steuer⸗ erhöhung auf eine geringere Anzahl von Schultern legen, dann, meine Herren, müßten diese Steuerpflichtigen zu so erheblichen Einschränkungen in ihrem Haushalt gelangen, daß eine empfindliche Rückwirkung auf Handel und Wandel und damit auch auf das Loos der arbeitenden Klassen unausbleiblich wäre. Es ist überhaupt sehr fraglich, ob nicht eine unzweckmäßige Vertheilung der directen Steuer⸗ lasten für die arbeitenden Klassen schädlicher ist, als eine entsprechende Einführung indirecter Steuern.
Mit den Darlegungen, welche ich mir soeben zu machen erlaubte, sind die Motive, von denen die verbündeten Regierungen im allge⸗ meinen bei den Steuervorlagen, und insbesondere bei dem Stempel⸗ steuer⸗Gesetzentwurf, ausgegangen sind, noch nicht erschöpft. Ein Hauptmotiv bildete auch die Rücksicht auf die finanziellen Beziehungen des Reichs zu den Einzelstaaten. Durch die verfassungsmäßige Bestim⸗ mung, daß jeder Fehlbetrag des Reichs einfach durch Matrikularbeiträge gedeckt wird, und sodann durch die Bestimmung der sogenannten Franckenstein'schen Clausel, wonach der Ertrag der Zölle und Ver⸗ brauchssteuern nur bis zu der Summe von 130 Millionen dem Reich zusteht, der Mehrbetrag aber an die Einzelstaaten überwiesen wer⸗ den soll, durch diese Bestimmung, in Verbindung mit dem Umstand, daß das Reich — ich sage: naturgemäß — die hauptsächlichsten Quellen aus den indirecten Steuern für sich in Anspruch nimmt, sind Ver⸗ hältnisse geschaffen, welche nach der übereinstimmenden Meinung aller verbündeten Regierungen dringend einer baldigen Besserung bedürfen.
Diese Verbesserung ist im Rahmen des föderativen Gedankens der Reichsverfassung und ohne effective Einschränkung der budget⸗ rechtlichen Befugnisse des Reichstags möglich, wenn die bisherigen Schwankungen in Bezug auf die Matrikularbeiträge und die Ueber⸗ weisungen beseitigt werden. Das Nähere wird seiner Zeit bei Be⸗ rathung des Gesetzentwurfs über die Steuerreform von berufenerem Munde auseinandergesetzt werden. Allein ich darf doch auf Grund meiner langjährigen Erfahrungen constatiren, daß die Einzelstaaten ein einwand⸗ freies Budget fast gar nicht aufstellen können, solange diese Schwankungen fortdauern. (Sehr richtig! rechts und im Centrum.) Ist man vor⸗ sichtig, meine Herren, oder gar etwas ängstlich, dann gelangt man zu Ueberschüssen, welche ungerechtfertigte, aber schwer zurückzuweisende An⸗ forderungen an die Staatskassen hervorrufen; nimmt man die Sache leichter, so steht man über Nacht vor einem Deficit, für dessen Deckung die Mittel fehlen.
Daß derartige Zustände auch für die Pflege der Volkswohlfahrt nicht förderlich sind, bedarf keines weiteren Nachweises. Es ist bei⸗ spielsweise innerhalb der fünf Jahre von 1889 bis 1893 — von dem neuen hohen Matrikularbeitrag habe ich vorhin schon gesprochen — der Matrikularbeitrag Baverns um nahezu 16 Millionen gestiegen, das ist um eine Summe, welche mehr als 50 % aller directen Steuern, die in Bayern zur Erhebung gelangen, beträgt.
Daß angesichts solcher Schwankungen der dringende Wunsch nach deren Beseitigung besteht, ist wohl nicht zu verwundern. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß die Bedenken, welche gegen den Steuer⸗ reformplan heute noch hier und da bestehen, mit einer gründlichen Würdigung der Verhältnisse der Einzelstaaten und des Reichs schwinden werden, namentlich wenn man erkennt, daß der finanzielle Effect der sogenannten Franckenstein'schen Clausel dann gleich Null ist, wenn die Ueberweisungen hinter den Matrikularbeiträgen zurück⸗ bleiben; was leider auch für die nächsten Jahre, sofern nicht Abhilfe geschaffen wird, wohl mit Sicherheit zu erwarten ist.
Die Anschauung, daß die Einzelstaaten keine Ansprüche auf eine finanzielle Beihilfe von Seiten des Reichs haben, ist nach dem Gang der Zoll⸗ und Steuerreform⸗Verhandlungen vom Jahre 1879 nicht be⸗ gründet. Man ging damals von der entgegengesetzten Anschauung aus, und dieselbe Anschauung hat auch bei den späteren Gesetzen über die Reichsstempelabgaben und über die Branntweinsteuner von Seiten der gesetzgebenden Factoren des Reichs Bestätigung gefunden. Die Versagung jeglicher finanzieller Beihilfe von Seiten des Reichs ist auch unbillig, nachdem die Einzelstaaten im Hinblick auf die ven mir soeben erwähnten Beschlüsse der Reichsgesetzgehungsfactoren nicht bloß Ausgaben auf Rechnung der zu erwartenden Ueberweifungen ge⸗ macht, sondern auch erhebliche Erleichterungen haben eintreten lasen. (Sehr richtig! rechts.) In Baypern beziffert sich 2. B. die Summe der während der letzten Jahre eingetretenen ich n auf über 5 Millionen, d. h. nabezu soviel, als jetzt das Deßeit beträgt.
Unrichtig ist ferner die Behauptung, es sei cn . auf Vorrath geplant. Davon kann nach dem Wortlaute des Sercg⸗ entwurfs, der später zur Besprechung kommt, wohl nicht die Nede
wenig daden die Rede sein, wenn man ermägt.