1893 / 293 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 Dec 1893 18:00:01 GMT) scan diff

mißlang. Die Ausführung von Seiten der Frau Mathilde Fränkel⸗Claus (Sopran) und des Professors Felix Schmidt (Bariton) war eine ganz vortreffliche. 8 2* An dem gestrigen Kammermusik⸗Abend der Herren Halir, Markees, 20 Müller und Dechert, der im Saal Bechstein stattfand, betheiligte sich diesmal auch der Klaviervirtuose Herr Stavenhagen. Streich dem klar und stilvoll componirten Quartett von Tschaikowsky, dessen Andantesatz einen rauschenden Beifall hervorrief. Das darauf folgende Trio von Brahms für Klavier, Geige und Cello, in welchem Herr Stavenhagen mit großem Erfolg mitwirkte, sowie das Quartett von Beethoven (E-moll) wurden gleichfalls in künstlerisch vollendeter Weise ausgeführt. Sämmtliche Vorträge wurden mit sehr lebhafter Theilnahme aufgenommen. v““ Am Donnerstag gab der hier bereits gehörte Klaviervirtuose Herr Robert Freund in der Sing⸗Akademie ein Concert mit dem von Herrn Professor Mannstädt geleiteten Philharmonischen Orchester. Er hatte hierfür das wundervolle Concert in D-moll von Brahms und das ebenso werthpolle von Schumann auserwählt, denen noch eine im modernen Stil gehaltene ungarische Phantasie mit Orchester von Liszt folgte. In der Ausführung aller dieser Werke zeigte er sich als ein Virtuose ersten Ranges, der mit schönem Anschlag und tadelloser Technik auch Tiefe der Auffassung und Wärme der Empfindung im Vortrag zu vereinigen versteht. Dem Künstler wurde sehr lebhafter Beifall zu theil, der auch den trefflichen Leistungen des Orchesters gezollt wurde, welches am Anfang des Concerts noch Cherubini's Ouverture zu „Faniska“ ausführte.

Im Königlichen Opernhause werden morgen Ferd. Hummel'’s „Mara“ mit Frau Pierson, den Herren Sylva, Fränkel und der Balletelevin Cerigioli, das Ballet „Die Puppenfee“ sowie Mascagni's

Javalleria rusticana“ gegeben. Kapellmeister Dr. Muck dirigirt beide Opern. 1 3

Im Königlichen Schauspielhause gelangt morgen Schiller's „Wilhelm Tells mit Herrn Nesper in der Titelrolle zur Aufführung.

Das Deutsche Theater bringt als nächste Novität einen drei⸗ actigen Schwank von Franz von Schönthan und Gustav Kadelburg. Die erste Aufführung des Stücks, welches den Titel „Der Herr Senator“ führt, findet zu Weihnachten statt.

Im Residenz⸗Theater findet am Sonntag eine Mittags⸗ ¹aufführung von Sardou's „Odette“ statt, in der Frau Sarolta Hoffmann (frühere Sängerin an der Großen Oper in Paris) die Titel⸗ rolle spielen wird.

8 Im Victoria⸗Theater kommt morgen Nachmittag in der Kindervorstellung „Der Struwwelpeter“ zur Aufführung,

Wegen Erkrankung der Damen Marcella Sembrich und Amalie

Joachim kann das für Sonntag angekündigte Concert zum Besten

des Frauenvereins „Mildwida: nicht stattfinden. Der Betrag

für die gekauften Billets wird bei Bote u. Bock zurückgezahlt.

Eleonora Duse hat ihren Spielplan insofern einer Aenderung unterworfen, als sie am sechsten Gastspielabend, am nächsten Mitt⸗ woch, „Cavalleria rusticana“ nicht in Verbindung mit „Cyprienne“ spielen wird, wie es ursprünglich ihre Absicht war, sondern in Ver⸗ bindung mit dem vielbegehrten Lustspiel Goldoni's „La Locandiera“, von welchem eine ausführliche Inhaltsskizze mit dem Theaterzettel als unentgeltliche Beigabe dem Publikum zur Verfügung gestellt werden wird.

Die Pianistin Fräulein Alexandrine von Markoff spielt in ihrem morgigen Concert (Saal Bechstein, Abends 7 ½ Uhr) Beethoven's Sonate oöp. 110, Chopin’s Prélude in Cis-moll, Liszt's Etude in F-moll, eine Sonate von Scarlatti, Piocen von Couperin und eine Reihe von Werken russischer Componisten; die vocale Mit⸗ wirkung übernimmt die Concertsängerin Fräulein Elise Leutheusser. Für das V. Philharmonische Concert unter General⸗Musik⸗ director Schuch’'s Leitung und solistischer Mitwirkung der Frau

Bayer.

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lichen Küstengebiete ausbreiten dürfte. Das Hoch⸗ druckgebiet über dem Innern Rußlands zeigt wenig Aenderung. In Deutschland ist bei meist schwacher, vorwiegend südlicher Luftbewegung das Wetter trübe und wärmer; vielfach ist Niederschlag gefallen; die Temperatur liegt durchschnittlich an der Küste über, im Binuenlande etwas unter dem Mittelwerthe. Deutsche Seewarte. Sonnabend:

(Heimath).

Theater⸗Anzeigen. Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern⸗

haus. 258. Verstellung. Mara. Oper in 1 Act von Ferdinand Hummel. Text von Axel Delmar. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur oth. Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. 1

Vortrefflich erklangen die Streichinstrumente in

Die Puppenfee. tissement von Haßreiter und Gaul. 1 In Scene Rleßt vom Balletmeister Emil

Graeb. Dirigent: usi Cavalleria rusticana (Banern⸗Ehre). Oper in 1 Aufzug von Pietro Mascagni. Text nach dem gleichnamtgen Foreghene von Verga. In

Scene gesetzt vom Ober⸗ gent: Kapellmeister Dr. Mu Schauspielhaus, 154. Vorstellung. Wilhelm Tell. ellhi- Schauspiel in 5 Aufzügen von Friedrich von Schiller. 5

Neues Theater (am Schiffbauerdamm 42/5). Vorletzte Woche.

Sonnabend: 73. Ensemble⸗Gastspiel des Residenz⸗ Theaters. Direction: Sigmund Lautenburg. Zum 93. Male: Jugend. Ein Liebesdrama in 3 Acten In Scene gesetzt von Sigmund

Sonntag: Opernhaus. 259. Vorstellung. Richard Wagner⸗Cyelus. 3. Abend. Lohengrin. Roman⸗ tische Oper in 3 Aeten von Richard Wagner. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. Götze, Königlicher Kammersänger, als Gast.) An⸗

Schauspielhaus. 155. Vorstellung. G mann von Venedig. Komödie in 5 Aufzügen von Shakespeare, übersetzt von A. W. v. Steen In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max

Deutsches Theater. Sonnabend: Der Talis⸗ 7 Uhr.

Sonntag: College Crampton.

Montag: Der Sohn der Wildniß.

Die Tageskasse ist von 10—1 Uhr geöffnet.

Berliner Theater. Sonnabend: Aus eigenem Anfang 7 Uhr. Sonntag: Nachmittags 2 ½ Uhr: Die Piecolomini. Abends 7 ½ Uhr: Wallenstein’s Tod. 9 8 Montag: Aus eigenem Necht.

Lessing· Theater. Anfang 7 Uhr. Vorletztes Gastspiel von Mitterwurzer. Mein neuer Hut. Zum 1. Male: Nach dem Balle. schlimmer Handel. (In allen 4 Stücken Friedrich G 5 Mitterwurzer als Gast.) Montag: 5. Duse⸗Abend. Casa paterna

Vorverkauf für den fünften bis siebenten Duse⸗ Abend an der Tageskasse.

Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. Cbausseestraße 25. Der Bettelstudent. 3 Acten von F. von Carl Millsöcker. Herr Kapellmeister Federmann. Sonntag: Der Bettelstudent. Donnerstag, 21. Dezember: Zum 1. vollständig neuer Ausstattung: Der Lientenaut ur See. Operette in 3 Acten. Musik von Louis

Teresa d'Albert⸗Carreno findet am Sonntag Vormittag 12 Uhr die öffentliche Hauptprobe statt; der Kartenverkauf (2 ℳ) ist bei Bote u. Bock eröffnet.

Mannigfaltiges.

Am Grabhügel des Geheimen Regierungs⸗Raths Professor Dr. Werder auf dem Alten Offizier⸗Friedhofe in der Linienstraße ist nunmehr das dem Verstorbenen von Seiner Majestät dem Kaiser gewidmete Grabdenkmal aufgestellt worden. Es besteht nach der „Nat.⸗Z.“ aus einem 3 m hohen, gewaltigen, roh behauenen Felsobelisken von tiefschwarzem schwedischen Granit, der auf einem viereckigen, doppelt kantirten, geschliffenen Sockel aus dem näm⸗ lichen Material ruht. Auf der Vorderseite liest man in großer Goldschrift: „Karl Werder * 3. Dezember 1806 10. April 1893“ und darunter „Amico Imperator“. Umgeben ist der Stein mit einer frischen Guirlande aus Tannengrün und Lorbeerreisern; im nächsten Frühjahr soll der Hügel erhöht und mit Epheu bepflanzt werden. Jetzt liegen darauf zahlreiche frische Lorbeer⸗ und Immor⸗ tellenkränze. .

Die gestrige Stadtverordneten⸗Versammlung befaßte sich mit der erneuten Vorlage des Magistrats wegen Verbreite⸗ rung der Königstraße und des Schloßplatzes. Stadt⸗ verordneter Meyer 1. beantragte, wie die „Nat.⸗Ztg.“ berichtet, die Vorlage nebst den drei dazu gehörigen Resolutionen einem von den Abtheilungen zu wählenden Ausschuß von fünfzehn Mitgliedern zur Vorberathung zu überweisen. Nach längerer, lebhafter Debatte, in welcher die Stadtverordneten Singer und Vogtherr die Vorlage bekämpften, Stadtbaurath Hobrecht und Ober⸗Bürgermeister Zelle dieselbe vertheidigten, beschloß die Versammlung dem Antrage des Stadtverordneten Meyer I. gemäß.

Das Wachsthum Berlins und die ungünstigen Erwerbsverhältnisse der letzten Jahre bringen eine stetig steigende Inanspruchnahme des städtischen Obdachs in der Fröbelstraße seitens der Armen und Obdachlosen mit sich. Es hat daher in diesem Jahre zum Neubau zweier Seitenflügel des Familienhauses und von zwanzig Baracken für die Unterbringung Nächtlichobdachloser geschritten werden müssen. Von letzteren sind bereits 10 in Gebrauch senommen worden, da sich schon jetzt gegen das Vorjahr ein täglicher Zufluß von 400 bis 500 Personen herausstellt. Auch die übrigen 10 Baracken sind soweit vollendet, daß sie binnen kurzem werden in Gebrauch genommen und dann gegen 3000 Personen ein Unter⸗ kommen für die Nacht nebst Abendbrodt und Frühstück (Suppe und je ein Stück Brodt) finden werden. In der Nacht vom letzten Mitt⸗ woch zum Donnerstag benutzten das Familienobdach 66 P änner und 103 Frauen mit 140 Kindern, darunker 22 Säuglinge. Das nächt⸗ liche Obdach benutzten in derselben Nacht 1812 Personen, 1767 Männer und 45 Frauen.

Vom Königlichen Eisenbahn⸗Betriebsamt Berlin, Directionsbezirk Erfurt, Anhalter Bahnhof, erhalten wir nachstehende Mittheilung: Am Mittwoch, Mittags 1 Uhr, fuhr der von Berlin um 9 Uhr 40 Minuten abgehende Personenzug in Bitterfeld auf eine im Hauptgeleise stehende Reservemaschine auf. Hierbei wurden zehn Reisende und vier Beamte durch Schrammen und Con⸗ tusionen leicht verlegzt. Der Materialschaden ist gering. Auf Grund der vorläufigen Untersuchungen dürfte schon jetzt mit Bestimmt⸗ heit behauptet werden können, daß die Schuld sowohl den dienst⸗ habenden Stationsbeamten, als auch den Führer der Reservemaschine trifft. Ersterer hat es instructionswidrig unterlassen, sich vor Ein⸗ fahrt des Personenzuges zu überzeugen, daß das Hauptgleis frei war. Der Führer der Reservemaschine hat insofern gegen die gegebene Instruction gefehlt, als er sich nicht vor Einfahrt des Personenzuges auf das Nebengleis begeben hat, welches zum Halten der Reserve⸗

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Pantomimisches Ballet⸗Diver⸗ Musik von J. burg. Sonnabend: Zum 17. Male:

kdirector Steinmann.

von Fedor von Zobeltitz. Sonntag und folg. Sonntag: Mittags⸗Vorstellung. iel in 4 Acten

isseur Tetzlaff. Diri⸗ 2. Anfang 7 Uhr.

(Lohengrin: Herr Emil von Max Halbe.

Lautenburg. Anfang 7 ½ Uhr. Der Kaunf⸗

rube. Decorationen, Costumen 41. Male: Die aubermärchen

Anfang 7 ½ Uhr.

Kindermärchen in 4 Aecten.

Wallenstein’'s

Operette in 2 Acten von V.

Divertissement.

Sonnabend: Mauer⸗

Ballerino Sgr. Poggiolesi. Friedrich halben Kassenpreisen.

Dierauf Divertissement.

Ein

acobson und 2 von Adolph Ernst.

Operette in Zell und Richard Genée. Musik Regie: Herr Unger. Dirigent: Anfang 7 Uhr.

Male mit

Sonnabend: Z. 31. Male:

7 ½ Uhr.

kasse von 6 ½ Uhr ab.

Residenz-Theater. Direction: Sigmund Lauten⸗ Nale: Die Dragoner. Schwank in 3 Acten von Bossu und Delavigne. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. 8 Zum 2. Male: Dramenstoff. Schauspiel in 1 Act Anfang 7 ½ Uhr.

lage: Die Dragoner. Odette. Schau⸗ von Victorien Sardou.

Sonntag und folg. Tage: Jugend.

Virctoria-Theater. Belle⸗Alliancestraße /8. Sonnabend, mit vollständig neuer Ausstattung an und Requisiten: Zum

sieben Raben. mit Gesang und großem Ballet.

Sonnabend, Nachmittags 3 ½ Uhr: Kinder⸗Vor⸗ stellung. Der Struwelpeter. Romantisch⸗komisches

Bedeutend ermäßigte Preise. 22. Sonntag: Die sieben Naben.

Theater Unter den Linden. Sonnabend: Gastspiel von Ilka von Palmay. Neu ein⸗ einstudirt: Zum 12. Male: Der Mikado. Burleske S. Gilbert. Musik von Arthur Sullivan. Hierauf: Pierro⸗Gavotte. Ballet⸗ Grand pas de deux, getanzt von der Prima Ballerina Sgra. Elia und dem Primo mmnmmmma

Im Park von Sanssounei.

Adolnh Ernst-Theater. Sonnabend: Zum 82. Male: Charley’s Taute. Schwank in 3 Aecten von Brandon Thomas. Hierauf: Die Bajazzi. Feecpiassch. Poß mit Gesang in 1 Act von Ed.

enno Jacobson. In Scene gesetzt Anfang 7 ½, Uhr. Sonntag: Charley’s Tante. Die Bajazzi.

Central-Theater. Direction: Richard Schultz. Alte Jacobstraße Nr. 30.

Die eiserne Jung⸗

frau. Posse mit Gesang in 3 Acten von Charles

Clairpille. Musik von Louis Varnep.

Sonntag: Die eiserne Jungfran. Tageskasse: Vormittags von 10 bis 2 Uhr. Abend⸗

maschine durch die Fahrordnung vorgeschrieben war. Der allerdings ganz besonders starke Nebel dürfte weder dem einen noch dem anderen Beamten als Entschuldigung zur Seite stehen.

Die Jury der heute in der Kommandantenstraße 10/11 eröffneten 12. Ausstellung der „Canaria“ hat die große goldene Medaille dem Schuhmachermeister Wache zuerkannt, dessen Collection Canarienhähne als die beste der ganzen Schau befunden wurde. Große silberne Medaillen und Ehrenpreise erhielten Schuhmachermeister Hauck, der Vereins⸗ Vorsitzende Kauf⸗ mann Hoffschildt, Fabrikant Joachim, Steuererheber Maier⸗ Charlottenburg, Kanzleidiener Heinrich, Kaufmann Eymeß⸗Char⸗ lottenburg, Schlossermeister Krewinkel, Instrumentenmacher ÜUlbrich und Kassenbote Preuß. Die von den Mitgliedern gestifteten Ehrenpreise fielen an die Herren: Kassenbote Neff, Malermeister Heilscher⸗Breslau,

orzellanpacker Kleinschmidt und Kassenbote Stöckel. Insgesammt waren 290 Canarien zur Prämiirung ausgestellt, während die Zahl der zum Verkauf außer Preisbewerbung ausgestellten Canarien 2160 betrug. Die beiden Preise für Farben⸗ und Figuren⸗Canarien wurden dem Kassenboten A. Müller und dem blinden Züchter Kalcher⸗Friedenau zugesprochen. Im ganzen wurden 13 erste, 212 zweite und 64 dritte Preise vergeben.

Dirschau. Der Johanniterorden hat beschlossen, in der Stadt Dirschau ein größeres Krankenhaus zu errichten und zu unter⸗ halten, wenn der erforderliche Bauplatz unentgeltlich hergegeben und eine entsprechende jährliche Beihilfe zugesichert wird. Die hierüber zur Zeit noch schwebenden Verhandlungen gewähren schon jetzt die erfreuliche Aussicht auf ein Zustandekommen des geplanten Unternehmens. Das fragliche Krankenhaus würde eventuell im nächsten Jahr errichtet werden und einen gewissen Stützpunkt für die Krankenpflege im Kriege schaffen, da schon jetzt seitens der Ver⸗ eine vom rothen Kreuz in Aussicht genommen ist, bei diesem eine bis zwei Krankenbaracken zur Ausbildung freiwilliger Kranken⸗ pflegerinnen für den Kriegsfall aufzustellen.

London, 7. Dezember. Das Verdict der Leichenschaujury er⸗

klärt einem Wolff'schen Telegramm zufolge, daß Professor Tyndall infolge einer zu starken Dosis Chloral gestorben ist, die ihm seine Frau aus Versehen verabreicht hatte. Kopenhagen, 7. Dezember. Dem von der Prinzessin Waldemarorganisirten Comitézur Fürs orge für die Hinterbliebenen der bei Harboöre verunglückten Fischer sind laut Meldung des „W. T. B.“ von Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Heinrich von Preußen 300 durch die deutsche Gesandtschaft übermittelt worden. Meldungen aus Lemvig berichten folgendes neue Seeunglück: Heute Morgen strandete bei Harboöre die Petroleumbarke „Donjuna“' aus Christiansand. Das Schiff wurde sofort zerschlagen; dreizehn Mann von der Besatzung ertranken, drei wurden gerettet.

Nach Schluß der Redaction eingegangen Depeschen. Rom, 8. Dezember. (W. T. B.) Die Blätter bestätigen, daß Zanardelli den Auftrag zur Bildung eines neuer Cabinets abgelehnt habe, da Baratieri, San Marzano und Racchia aus der Combination ausgeschieden seien. Crispi trifft heute Mittag 1 ½ Uhr aus Neapel hier ein und wird sich Nachmittags in den Quirinal begeben.

Concerte.

Sing⸗Akademie. Sonnabend, Anfang 79½ Uhr: Vorher: IV. Quartett⸗Abend von Joac Kruse, 8 Wirth, Hausmann. 8 üs

Saal Bechstein, Linkstraße 42. Sonnabend, Anfang 7 ½ Uhr: Concert von Alexandrine von Markoff, unter gefälliger Mitwirkung der Concert⸗ sängerin Fräulein Elise Leutheusser.

Anfang

Conrert-Haus, Leipzigerstraße 48. Sonnabend: Karl Meyder⸗Concert. Anfang 7 Uhr. Strauß⸗Suppé⸗Millöcker⸗Zeller⸗Offenbach⸗ Abend.

Circus Renz (Carlstraße). Sonnabend, Abends 7 Uhr; Gala⸗Sport⸗Vorstellung, 170 der edelsten und bestdressirten Pferde in der Manege.

U. a.: „Blondel“, neu dressirt und vorgeführt vom Director Fr. Renz. Monstre⸗Tableau von 85 Hengsten, vorgeführt vom Director Fr. Renz. Grand Qua- drille de la haute equitation, geritten von 6 Damen urd 6 Herren. Great Hurdle-Race von 20 Pferden. Die Post mit 12 Pferden, geritten von Herrn Gustav. Der unnachahmliche Clown⸗Imitator Mr. Abbs Mr. Lavater Lee ꝛc.

Zum Schluß der Vorstellung: Huldigungsgruß an Berlin. 2☚☚ Großes Paradeschaustück mit Festspielen, Aufzügen Solo⸗ und Ensembletänzen von 80 Damen, arrangirt vom Director Franz Renz.

Gewöhnliche Preise.

Billet⸗Vorverkauf an der Circuskasse und beim Invalidendank, Markgrafenstraße 51.

Sonntag: Zwei Vorstellungen. Nachmittags 4 Uhr (1 Kind frei) und Abends 7 ½ Uhr: „Huldigungs⸗ gruß“.

Romantisches

Sonntag: Der Mikado. 1 Familien⸗Nachrichten.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Die Goundoliere (Operette).

Verlobt: Frl. Magarete Schmieder mit Hrn. Lieut. August von Lewinsti (Berlin).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. von Arnim (Criewen). Hrn. von der Decken⸗Ritterhof. Eine Tochter: Hrn. Gustav von Ruffer (Koko⸗ schütz). Hrn. Prediger H. Wagner (Berlin). Hrn. Berg⸗Inspector H. Kocks (Ober⸗Lagiewnik).

Gestorben: Fr. Regierungs⸗Rath Tilla Roether,

geb. von Sausin (Liegnitz). Verw. Fr. Ober⸗

Tribunals⸗Rath Johanna Wilke, geb. Pappritz

(Berlin). Hr. Prem.⸗Lieut. a. D. Nicolaus

Graf von Luckner (Dresden).

Vorstellung zu Ballet⸗

Redacteur: Dr. H. Klee, Director. Verlag der Expedition (Sch c/lz). 8 1“ Sechs Beilagen lein chließlich Börsen⸗Beilage).

Anfang

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Deutscher Reichstag. 15. Sitzung vom Donnerstag, 7. Dezember, 1 Uhr.

Die erste Berathung des Gesetzentwurfs wegen Abände⸗ rung des Gesetzes, betreffend die Erhöhung von Reichsstempelabgaben, wird fortgesetzt.

Ueber die Rede des Abg. Dr. Hahn (nl.), der zunächst das Wort hatte, ist bereits in der Nummer vom Donnerstag berichtet worden. Darauf erhält das Wort der

Abg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.): Ich habe außerordentlich viele Berührungspunkte mit dem Vorredner; der antisemitische Zug ist in seinen Ausführungen zum Ausdruck ge⸗ kommen, wenn auch nicht in derjenigen Klarheit, wie ich es mir wünsche. In sein Lob des Patriotismus der Börse kann ich nicht einstimmen. Die Frage liegt nahe, ob nicht eine Reform der Börse an Haupt und Gliedern nothwendig ist. Der Finanz⸗Minister Dr. Miquel wird hoffentlich sein Talent und seine Arbeitskraft darauf richten, sobald als möglich ein Börsenorganisationsgesetz zu schaffen. Jetzt genügt die Börse den Anforderungen nicht, die man von volkswirthschaftlichem Standpunkt an sie stellen kann, wie die Fälle Löwy, Wolff, Sommerfeld u. sf. w. beweisen. Der Abg. Bebel hat abweichend von dem Abg. Singer sich gegen die Börsensteuer deshalb erklärt, weil der Staat nicht aus einem an sich unmoralischen Geschäft Einnahmen ziehen dürfe, und der Abg. Richter sagte: „Eine Steuer macht ein unmoralisches Institut nicht besser.“ Die Börsenenquete soll leider ein schwaches Resultat ergeben haben; aber das deutsche Volk kann wenigstens eine Veröffentlichung aller Verhandlungen verlangen, damit man sieht, wie die Sachverständigen über die Ausschreitungen der Börse denken. Wir möchten wissen, ob die Regierung noch an der Auffassung des Staats⸗Ministers Maybach von dem Giftbaum der Börse festhält oder hier ähnliche Anschauungen vorhanden sind, wie bei dem Reichs⸗ kanzler über den Antisemitismus. Der Reichskanzler hat uns vor⸗ geworfen, unser Antisemitismus richte sich am letzten Ende gegen das Kapital. Gerade diejenige Partei, deren Beifall sich der Reichs⸗ kanzler durch seine Ausführungen zuzog, beweist das Gegentheil. In socialdemokratischen Versammlungen wirft man uns vor, wir bekämpften nur das jüdische Kapital, die Socialdemokraten das Kapital überhaupt. Wir unterscheiden zwischen schädlichem und nützbichem Kapital. Das nützliche Kapital arbeitet in der Landwirth⸗

schaft und in der gesunden Industrie productiv; das schädliche Kapital plündert, ohne wirkliche Arbeit zu leisten, das Publikum aus und ist hauptsächlich an der Börse zu finden, und wenn dieses Kapital sich meistens in den Händen der Juden befindet, so können wir nicht dafür. Man kann meine Ausführungen gegen die Börse vielleicht als Demagogie bezeichnen; das muß ich mir gefallen lassen. Der Reichs⸗ kanzler sagt: Alles Erzeugen der Unzufriedenheit kommt heute der Socialdemokratie zu gute. Glücklicherweife liegt es nicht so schlimm; die Unzufriedenheit kommt nicht der Socialdemokratie, sondern sehr viel dem Antisemitismus zu gute. Vom Parteistandpunkte aus können wir mit dieser Erregung von Unzufriedenheit sehr zufrieden sein. Die antisemitische Bewegung thut schon der So jal⸗ demokratie Abbruch. Sie können mir keinen nennenswerthen Agitator nennen, der von uns zu Ihnen gekommen ist; aber umgekehrt haben sich viele von Ihnen abgewendet, um von der internationalen zur Bethätigung der nationalen Unzufriedenheit überzugehen. Wenn die Börse von Ausschreitungen gereinigt wird, dann ist sie ein nützliches und nothwendiges Organ. Der Abg. Richter meinte, an der Börse wären auch Antisemiten vertreten. Sein Auftreten gegen die Anti⸗ semiten hat ihn sein Landtagsmandat in Hagen gekostet. Allerdings giebt es an der Börse auch Antisemiten: das sind die christlichen An⸗ gestellten semitischer Firmen, Telegraphen⸗ und Postboten. Aber Ge⸗ schifte machen sie dort nicht. Ueber den mühelosen Erwerb an der Börse kann der Abg. Meyer in den Prozeßverhand⸗ lungen gegen Löwy nachlesen. Die Socialdemokraten und der Freisinn haben ein besonderes Wohlwollen gegen die Börse. Ist das Differenzgeschäft wirklich nicht so furchtbar verbreitet, warum wehrt man sich denn so sehr gegen diese Steuer? Beim Termin⸗ geschäft tritt das effective Geschäft vollständig in den Hintergrund gegen das Spielgeschäft; das wird von sachverständigen Männern der Wissenschaft behauptet. Darin zeigen sich die Ausschreitungen der Börse besonders. Alle solche Uebelstände müssen durch eine Reform der Reichsbank beseitigt werden, und diese wird hoffentlich noch früher kommen, als die Privilegirung derselben abläuft. An die Bezahlung der Reichsschulden müssen wir allerdings wieder denken; wir müssen zurückkehren zu den Grundsätzen eines soliden Haus⸗ standes, der seine Ausgaben nach seinen Einnahmen ein⸗ richtet. Die Anleihen hätten ohne die Börse allein durch die Reichsbank an das Publikum gebracht werden können. In den Eingaben der Börsenmänner wird übertrieben, so z. B. in der Frankfurter Eingabe, wo von der Bedrohung der Lebensfähigkeit der deutschen Börse und von der Ausschließung der deutschen Börse vom internationalen Verkehr gesprochen wird. Wenn das wirklich der Fall wäre, dann würde die Vorlage nur eine Ergänzung zu dem Gesetz⸗ entwurf über den Ausschluß ausländischer Juden vom Deutschen Reiche sein. Die Ausplünderung des Nationalvermögens wird immer weiter gehen. Man möchte sagen: wo ist der Staatsmann der Zukunft, der unser Volk von dieser Plünderung befreit? Man sagt: „Zwischen dem reellen Termingeschaͤft und dem reinen Differenzgeschäft sei kein Unter⸗ schied zu machen“; der Anschauung hat auch der Abg. Graf Kanitz Ausdruck gegeben; ich würde es bedauern, wenn er seine Arbeitskraft nicht mehr der Börsenreform zur Verfügung stellen sollte. Die Emissions⸗ steuer soll ohne Organisation der T örse nicht möglich sein. Dann müßte man gerade dieser Emissionssteuer wegen die Organisation her⸗ beiführen, damit es nicht mehr möglich ist, solche fragwürdigen Papiere wie die Serben, Argentinier, Mexikaner, Portugiesen, Spanier, Griechen unter das Publikum zu bringen. Es giebt ein ungebundenes Kapital,

welches immer da auftaucht, wo vorübergehend ein schneller Ver⸗

dienst zu machen ist. Da wird das Curstreiben begünstigt, welches nicht im Interesse des Publikums liegt. Ungebundenes Kapital ist der richtige Ausdruck dafür, denn dieses Kapital ist durch keinen Eid, durch kein Gesetz und durch keine Verpflichtung und Rücksicht auf das allgemeine Wohl gebunden. Das ungebundene Kapital beför⸗ dert an der Börse die Spielsucht, und wenn die Abgg. Richter und Rickert an der Unterdrückung der Spielsucht helfen wollen, dann will ich ihnen gern die Staatslotterien preisgeben. Die Preise wech⸗ seln nicht nach natürlichen Verhältnissen; die papiernen Preise wirken auf die natürlichen Preise. Ein wirthschaftlicher Vortheil kann es nicht sein, daß man mehr Waaren handelt, als vorhanden sind; daß man noch nicht gewachsenes Getreide handelt, daß man Zucker handelt, dessen Rüben noch auf den Feldern stehen. Der Getreidebau lohnt allerdings, aber nicht den Land⸗ wirthen, sondern den Börsenspeculanten, sonst hätte man längst Actiengesellschaften für Getreidebau. Der frühere Reichs⸗ gerichts⸗Rath Bähr schildert das Börsentreiben; er schildert, wie ganz ehrenwerthe Geschäftsleute, von denen man es gar nicht ahnt, an der Börse gespielt und ihr Vermögen verschleudert haben. Da ist es dringend nothwendig, ein Börsenreformgesetz vorzuschlagen, welches namentlich ein Verbot der Differenzgeschäfte enthalten müßte. Redner verweist auf zwei Broschüren über das künstliche Cursmachen, wofür ein Geheimbund an der Börse bestehen soll; die Regierung werde hoffentlich diese Dinge aufklären. Ich hätte gewünscht, daß

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en Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen

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die Regierung einzelne Vorlagen über die verschiedenen Stempel ge⸗ macht hätte; denn mit der Quittungssteuer, wie sie jetzt ist, wird mancher die Börsensteuer nicht annehmen. Die Börsensteuer kann möglichst. hoch sein, denn die Börse ist es, welche die Social⸗ demokratie groß zieht, und durch die Beseitigung ihrer Ausschreitungen werden Sie der Welt einen großen Dienst erweisen.

Abg. Dr. von Komierowski (Pole) schließt sich namens der Polen den Ausführungen des Centrumsredners an; namentlich die eigentliche Börsensteuer sei dringend nothwendig; es wäre vielleicht angemessen, wenn der Bericht der Börsen⸗Enqusöte⸗ ommission der vom Reichstag einzusetzenden Commission zur Kenntnißnahme überwiesen würde. Ueber die einzelnen Bedenken, welche gegen die übrigen Stempelsteuern sprechen, kann man in der Commission vielleicht noch sprechen.

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Meine Herren! Es ist nicht meine Absicht, in die Materie, die das hohe Haus beschäftigt, einzutreten. Ich will mir nur erlauben, auf eine Anregung, die der Herr Vorredner gegeben hat, eine Erklä⸗ rung folgen zu lassen.

Der Herr Vorredner hat den Wunsch ausgesprochen, daß der Bericht der Börsen⸗Enquête⸗Commission der Commission dieses hohen Hauses zugänglich gemacht werden möge, welche sich demnächst mit der Vorbereitung des vorliegenden Gesetzentwurfs über die Stempelsteuer zu beschäftigen haben wird. Ich bin sehr gern bereit, diesem Wunsch zu entsprechen. Um das aber zu können, muß ich vorher in den Besitz des Berichts der Enquête⸗Commission gesetzt werden, und diesen Bericht habe ich zur Zeit noch nicht, nur die Protokolle über die Verhandlungen der Commission liegen bisher vor. Es sind das sehr umfangreiche Actenstücke. Ich übersehe in diesem Moment noch nicht, ob es für die Zwecke, die der Herr Vorredner im Auge hat, genügen wird, den Bericht selbst mitzutheilen, oder ob dazu auch die Protokolle nöthig sein werden. Diese Frage werde ich prüfen und ich bin bereit, im weitesten Umfange das für die Commission verwerthbare Material, das uns zur Verfügung steht, dem Reichstage zugänglich zu machen. (Sehr gut! rechts.)

Diese Bemerkung bezieht sich übrigens nicht nur auf die Mitthei⸗ lung des Berichts der Börsen⸗Enqubéte⸗Commission an die Commission des Reichstags, sondern sie bezieht sich auf die Veröffentlichung des Berichts der Enquste⸗Commission überhaupt. Ob sich freilich ein großer Leserkreis findet, der in das sehr reichhaltige Material, das die sehr fleißige und gründlich arbeitende Börsen⸗Enquéte⸗Commission in dem Bericht niedergelegt hat, sich zu vertiefen geneigt sein wird, das ist eine andere Frage; denn es sind sehr große Stöße zusammen⸗ geschrieben und zusammengedruckt worden.

Abg. von Ploetz (dcons.): Mit gemischten Gefühlen hat die Landwirthschaft den Steuergesetzen entgegengesehen; mit Freude hat sie das Stempelgesetz aufgenommen, das hoffentlich in der Commission noch verschärft wird. Eine scharfe Börsensteuer in Verbindung mit einer Börsenreform ist eine Forderung des Bundes der Landwirthe. Der Reichskanzler warf uns einerseits große Begehrlichkeit vor, anderer⸗ seits aber, daß wir noch gar keine Forderungen gestellt hätten. Wir fordern: eine Börsenreform, Wandel in der Währungsfrage und Wiederherstellung des Silberpreises, Aufrechterhaltung des 5 ℳ⸗ Zolls für Getreide. Sind uns diese Forderungen erfüllt, so erkennen wir das dankend an und werden erst nach und nach mit anderen Forderungen kommen. Der Reichskanzler ist heute leider nicht hier; ich werde mich daher aller Angriffe auf den Reichskanzler ent⸗ halten, die ich überhaupt nicht beabsichtigt habe. Ich habe mich nur zu vertheidigen und leider habe ich dabei eine gute Hilfe in der Noth⸗ lage der Landwirthschaft, die jetzt niemand mehr weglengnen kann. Der Reichskanzler hat uns vorgeworfen, daß wir keine schöpferischen Ideen gehabt hätten. Wir sind ja erst neun Monate alt. (Präsident von Levetzow bittet den Redner, bei der Sache zu bleiben.) Es handelt sich darum, die Landwirthschaft wieder steuerfähig zu machen. (Präsident von Levetzow bittet den Redner nochmals, bei der Sache zu bleiben.) Der Stempel für Ankaufsgeschäfte, Giro⸗ und Check⸗Anweisungen ist entschieden zu niedrig. Im Gegensatz zum Abg. Grafen Kanitz halte ich eine Emissionssteuer für nothwendig, schon zur Fernhaltung der exotischen Werthe. Bei Einführung dieser Steuer könnten wir vielleicht den Quittungs⸗ und Frachtstempel entbehren. Die Interessen der Landwirthschaft sind überall dieselben, gleichviel, ob wir Getreide, Zuckerrüben oder Wein oder Taback bauen. Die Rede des Staats⸗

secretärs Dr. Grafen von Pofadowsky hat auf uns gut gewirkt. Es⸗

schien ein Lichtstrahl der Morgenröthe auf die Landwirthschaft zu fallen. Daß dies zur Wahrheit werde, will ich hoffen.

Staatssecretär Dr. Graf von Posadowsky:

Der Herr Abg. Liebermann von Sonnenberg hat in seiner Rede ausgeführt, daß bei dem Ankauf von Reichs⸗ und Staatspapieren in der Regel nur die größeren Consortien betheiligt wären und das Privatpublikum, welches seine Ersparnisse in Staatspapieren anzulegen beabsichtige, nicht in genügendem Maße sich betheiligen könne. Ich kann, meine Herren, diese Behauptung nicht ganz unwidersprochen lassen; sie ist thatsächlich unrichtig, denn die Reichs⸗ und Staatspapiere werden zur Zeichnung aufgelegt, und an dieser Zeichnung kann sich jedermann betheiligen.

Ich kann ferner den Herren Abgeordneten versichern, daß er jedes Quantum Staatspapiere bei der Reichsbank kaufen kann, und daß es der Reichs⸗Finanzverwaltung außerordentlich erwünscht ist, wenn das Privatpublikum in dieser Weise direct seinen Ankauf in Staats⸗ papieren bei der Reichsbank oder Regierungsbehörden bewirkt. Meine Herren, ich bin toto die in der Lage, solche Ordres zu genehmigen. (Zuruf rechts.) Auch am Emissionscurs, meine Herren, können Sie sich betheiligen! Wenn Sie mitzeichnen, dann werden Sie beim pro rata ebenfalls berücksichtigt, sowohl bei den Staatskassen wie bei der Reichsbank selbst!

Es ist ferner von dem Herrn Abg. von Ploetz darauf hingewiesen worden, man möchte doch statt der jetzigen Gestaltung des Effecten⸗ stempels lieber eine Emissionssteuer einführen. Ich kann den Herrn Abgeondneten versichern, daß diese Frage unter Zuziehung von Sach⸗ verständigen, die nicht lediglich die Interessen der Börse ver⸗ treten, Gegenstand eingehender Erwägung gewesen ist, daß wir aber doch auf sehr große steuertechnische Bedenken gestoßen sind. Ich bemerke zunächst, daß ja der Effectenstempel, soweit es sich um inländische Papiere handelt, eigentlich schon den Charakter der Emissionssteuer trägt, und daß wir selbstverständlich den in⸗ ländischen Papieren nicht noch einen Emissionsstempel auflegen können; das würde den Charakter einer Doppelbesteuerung tragen. Was aber

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1893.

den Emissionsstempel für fremde Papiere betrifft, so liegen drei Möglichkeiten vor: entweder wir besteuerten die Gesammtsumme der Emission. Meine Herren, Sie werden mir ohne weiteres zugeben, daß das unausführbar ist, wenn nur ein verhältnißmäßig kleiner Theil thatsächlich in Deutschland zur Zeichnung gelangt ist. Es würde eine derartige Maßregel jedenfalls sehr energische Retorsionen seitens der anderen Staaten herbeiführen. Oder, meine Herren, wir besteuerten nur den Theil, der innerhalb des Inlands emittirt wird. Dieses Quantum könnten wir nur erfahren durch Recherchen bei den einzelnen Banquiers, und ich glaube, es würde bedenklich sein, die Banquiers zu zwingen, über den Umfang dieser ihrer Geschäftsverhältnisse eine derartige Auskunft zu ertheilen. Die dritte Möglichkeit wäre die, daß man so verführe, wie es in Frankreich der Fall ist, wo der Finanz⸗Minister ganz selbständig ent⸗ scheidet, welche Quote bei fremden Emissionen als im Inland emittirt anzusehen ist. Es ist mir bei den Auffassungen, die in Deutschland über die Kompetenzen der Behörden bestehen, sehr zweifelhaft, ob der Reichstag dem Herrn Reichskanzler oder der Reichs⸗Finanz⸗ verwaltung eine solche Vollmacht ertheilen würde.

Ich wollte das nur bemerken, um klarzulegen, daß einem Emissionsstempel sehr gewichtige Bedenken entgegenstehen.

Sodann möchte ich noch bemerken, daß der Betrag der fremden Papiere, der in Deutschland emittirt wird, in der That nicht so groß ist, wie man gewöhnlich glaubt. Nach einer amtlichen Auskunft des Reichsbank⸗Direckors sind in den letzten sechs Jahren 1885 91 jährlich durchschnittlich nur 495 Millionen fremde Papiere in Deutschland emittirt.

Es ist schließlich vom Herrn Abg. von Ploetz darauf hingewiesen worden, daß eine Unbilligkeit darin liege, den Fixstempel, den man sich bei Quittungen allenfalls gefallen lassen könne, nun noch auf den Check⸗ und Girostempel zu übertragen, die häufig über Millionen lauteten. Meine Herren, wir haben bei den Check⸗ und Giro⸗Anweisungen ebensowenig wie bei den Frachtbriefen und Quittungen den Stempel in Verbindung bringen wollen mit dem Werth des Geschäfts, das zu Grunde liegt, sondern haben den Stempel als eine reine Trans⸗ missionsabgabe betrachtet. Ich glaube aber, wenn aus der Mitte des Hauses Anträge hervorgehen, die eine andere Behandlung wünschen, wenn Sie glauben, daß man bei Check⸗ und Giro⸗Anweisungen auf den Werthstempel übergehen kann, daß sich die Reichsregierung nicht ablehnend verhalten würde, soweit solche Vorschläge steuertechnisch ausführbar sind. (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Osann (nl.): Der Abg. Dr. Hahn hat nicht in allen Punkten namens unserer Partei gesprochen. Wir betrachten die antisemitische Agitation als eine Verirrung. Der Abg. Richter hat gesagt: die Freunde der Militärvorlage, also auch die Nationalliberalen, hätten daran zu denken, welche Nachtheile ihnen diese Haltung bringen könnte. Ich muß dies entschieden zurück⸗ weisen. Der Grundgedanke der Börsensteuer ist uns durchaus geceptabel; ich bestreite aber dem bayerischen Finanz⸗Minister, daß nur durch diese Steuervorlagen der nothwendige Bedarf gedeckt werden kann. Eine Anzahl meiner Freunde hat sich nicht überzeugen lassen, daß eine Reichs⸗Einkommensteuer unausführbar ist. Die Ver⸗ schiedenartigkeit der Gesetzgebung in den einzelnen Staaten kann uns nicht zurückschrecken; es muß ein einheitliches Gesetz für das Reich geschaffen werden, auf Grund dessen nachher die Einkommensteuer ganz gleich erhoben wird. Wenn wir jetzt auch nicht mit diesem Gedanken durchdringen er wird nicht von der Tagesordnung verschwinden. In 5 oder 10 Jahren sind wir zu diesem Gesetz gezwungen. Die Einkommensteuergesetzgebung in Bayern ist noch so wenig entwickelt, daß gerade dort ein reiches Feld für diese Steuer vorhanden ist. Einen Eingriff in die Rechte der Einzelstaaten, von dem der preußische Finanz⸗Minister gesprochen, kann ich nun vollends in einem Reichseinkommensteuergesetz nicht erblicken. Die Zölle und Verbrauchssteuern des Reichs werden ja auch von den Beamten und Behörden der Einzelstaaten für das Reich erhoben; warum sollte es nichtauch mit der Einfommensteuer der Fall sein. Realsteuern den Communen, directe Steuern den Staaten und indirekte Steuern dem Reich sind doch kein unfehlbarer Satz. Als Controle der Reichs⸗ einkommensteuer müßte eine Reichs⸗Erbschaftssteuer erhoben werden. Warum ist man dem Gedanken, den der Reichskanzler mehrfach als in Ausarbeitung begriffen bezeichnet hat, nämlich Luxussteuern einzu⸗ führen, nicht näher getreten?. In England sind solche Luxussteuern vorhanden. Warum nimmt man aus England bloß das, was die Massen drückt, und nicht das, was bloß einzelne drückt? Nicht bloß Equipagen und Reitpferde brauchen besteuert zu werden. Die Tan⸗ tièmen der Verwaltungsräthe und der Directoren der Actiengesell⸗ schaften, das ist ein ganz gewaltiger Lurus. Die Steuerfrage ist ein Gegenstand der Unterhaltung zwischen Wählern und Abgeordneten geworden. Die Militärvorlage ist angenommen worden wegen des Ueberganges zur zweijährigen Dienstzeit und weil die Kosten bestritten werden sollten aus Einnahmen, welche die Leistungsfähigen aufbringen sollen. Wenn der Reichskanzler seinen dama⸗ ligen Standpunkt in sonderbar verschrobenen Worten dahin geändert hat, daß er jetzt behauptet, er habe das nicht gesagt, sondern nur versprochen, danach zu trachten: so meine ich, er hätte seine Finanztkünstler vor seiner Erklärung fragen sollen. Aber keiner seiner Commissare hat damals eine Andeutung gemacht, daß man mit solchen Steuervorlagen kommen würde. Wenn das Volk Männer gewählt hat, welche die Militärvorlage angenommen haben, dann darf es auch die Einlösung des ausgestellten Wechsels ver⸗ langen. Allein, was hier geboten wird, ist nur entwerthete Wäh⸗ rung. Es wird weiter nichts übrig bleiben, als z. B. die Börsensteuer zu verschärfen zunächst bezüglich der Emissionen. Die Schwierig⸗ keiten werden überwunden werden; gerade auf diesem Gebiete muß den maßlosen Ausschreitungen entgegen getreten werden, durch welche unser Volk Millionen verloren hat. Die inländischen Emissionen können leicht besteuert werden, und wer mit soliden aus⸗ ländischen Papieren in Deutschland Geschäfte machen will, der läßt sich durch den Emissionsstempel nicht abschrecken. Die Schwierigkeit der Besteuerung der Zeitgeschäfte ist nicht zu verkennen. Aber reifen wir doch einmal hinein, dann wird man ja sehen, was heraus⸗ ommt. Es wird zuerst mancher Unschuldige mitgetroffen werden. Aber dieser Unfug, der nicht bloß an den Börsen spielt, der durch ganz Deutschland geht, die Jagd nach dem Glück, muß verhindert werden; denn diejenigen, welche bei dieser Jagd verunglücken, fallen der Socialdemokratie zu. Man könnte sogar so weit gehen, die Spieler und Speculanten mit Strafe zu belegen. Die Lotterieloose sollten, wenn man nicht eine Reichs⸗Lotterie einführen will, stärker belastet werden, nicht mit acht, sondern mit zehn Procent. Gegen die Quittungs, und Frachtbriefsteuer ist ein Theil meiner Freunde, weil sie eine Belastung der Massen sind. Nur im Nothfall könnte ma zu diesen Steuern greüfen und für diesen Nothfall müssen wir solche Steuern reserviren Wir wisse nicht, was uns die Geschichte bringt.