Die Commission für die zweite Lesung des
Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich setzte in den Sitzungen vom 4. bis 6. Dezember die Berathung der Vorschriften über die Ungältigkeit der Ehe (§§ 1250 bis 1271) fort. Gegen die Vorschrift des § 1250 Nr. 3, wonach eine Ehe nichtig ist, wenn sie gegen die Vorschriften über das Ehe⸗ hinderniß der Verwandtschaft oder der Schwäger⸗ schaft (§ 1236) verstößt, erhob sich kein Widerspruch. Nach dem früher zu § 1236 gefaßten Beschluß soll jedoch das neu aufgenommene Verbot einer Ehe zwischen Personen, von denen die eine mit Eltern, Voreltern oder Ab⸗ kömmlingen der anderen Geschlechtsgemeinschaft gepflogen hat, nur aufschiebende Wirkung haben. Einvernehmen bestand, daß, nachdem zu § 1237 beschlossen worden sei, dem Ehehinderniß des Ehebruchs trennende Wirkung beizulegen, auch ein Verstoß gegen den § 1237 als Nichtig⸗ keitsgrund im § 1250 aufzuführen sein werde. Die Nichtigkeit der Ehe soll jedoch in einem solchen Falle durch eine nach⸗ träglich erfolgende Dispensation mit Rückwirkung geheilt werden. Die Vorschriften des § 1251 über die Convalescenz einer wegen Geschäftsunfähigkeit eines der Che⸗ schließenden nichtigen Ehe wurden sachlich nach dem Ent⸗ wurf angenommen. Um für solche Fälle, in denen eine in das Heirathsregister eingetragene Ehe wegen eines Formmangels nichtig ist, den Ehegatten die Möglichkeit zu gewähren, ohne vorgängige Nichtigkeitserklärung ihrer Ehe eine neue Ehe zu schließen, wurde die Vorschrift neu hinzu⸗ gefügt, daß die Eheschließung ohne Nichtigkeitserklärung der früheren Ehe wiederholt werden könne. Ein Antrag, der Wiederholung der Eheschließung in einem solchen Falle rück⸗ wirkende Kraft beizulegen, fand nicht die Zustimmung der Mehrheit. Eine weitere Ergänzung erfuhr der Entwurf durch die Aufnahme der Vorschrift, daß die Nichtigkeit einer in das Heirathsregister eingetragenen, aber wegen eines Form⸗ mangels nichtigen Ehe nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn die Ehegatten während eines Zeitraums von ehn Jahren als Ehegatten gelebt haben. Der § 1252, welcher 8. Grundsatz aufstellt, daß die nicht auf einem Formmangel beruhende Nichtigkeit einer Ehe vor deren Auflösung nur im Wege der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden kann, gelangte mit der in der letzten Sitzung bereits be⸗ schlossenen Abweichung zur Annahme, daß auch eine wegen eines Formmangels Ehe dann der Nichtigkeitsklage unterliegen, mithin nicht ohne weiteres als nichtig behandelt werden soll, wenn sie in das Heirathsregister eingetragen ist. Die Vorschriften der §§ 1253 bis 1256 über die Legiti⸗ mation zur Erhebung der Nichtigkeitsklage, über die Prozeßfähigkeit und die Vertretung in einem Rechtsstreit, der die Nichtigkeit einer Ehe zum Gegenstande hat, über die Zulässigkeit einstweiliger Maßregeln während eines solchen Rechtsstreits und über den subjectiven Umfang der Rechtskraft des in einem solchen Rechtsstreit ergangenen Urtheils wurden sachlich gebilligt, aber in die Civilprozeß⸗ ordnung verwiesen.
Der § 1257 enthält Vorschriften zum Schutze gut⸗ gläubiger Dritter, die im Vertrauen auf die Gültigkeit der nichtigen Ehe sich mit einem der Ehegatten auf Rechts⸗ geschaͤfte oder daf einen Rechtsstreit eingelassen haben. Der Entwurf will diesen Schutz aber nur dann gewähren, wenn die Nichtigkeit der Ehe nicht auf einem Formmangel beruht. Die Mehrheit entschied sich für die Annahme des § 1257, jedoch — abgesehen von einigen anderen nicht erheblichen 1““ — mit der Abweichung, daß der Schutz einem gutgläubigen Dritten auch dann zu theil werden soll, wenn die Ehe zwar wegen eines Formmangels nichtig, aber in das Heirathsregister eingetragen ist. Ein Antrag, die Vorschriften des § 1257 auch auf solche formungültigen Ehen auszudehnen, die nicht in das Heirathsregister eingetragen sind, wurde ab⸗ gelehnt. Die Vorschriften des § 1258 über die Wirkungen einer von beiden Ehegatten oder einem von ihnen in gutem Glauben eingegangenen nichtigen Ehe, einer sogenannten Putativ⸗ ehe, im Verhältniß der Ehegatten unter einander wurden sachlich im wesentlichen gebilligt; doch sollen — im Gegensatz zum Entwurf — diese Vorschriften auch auf die formungültige Ehe Anwendung finden, sofern sie in das Heirathsregister ein⸗ getragen ist. Die von einer Seite beantragte Ausdehnung der Vorschriften des § 1258 auf solche formungültigen Ehen, die nicht in das Heirathsregister eingetragen sind, fand nicht die Zustimmung der Commission.
Der § 1259 bestimmt die Fälle, in denen die Ehe von einem Ehegatten als ungültig angefochten werden kann. Die Vorschrift des § 1259 Nr. 1, wonach die Ehe der An⸗ fechtung unterliegt, wenn einer der Ehegatten widerrechtlich durch Drohung zu der Cheschließung bestimmt worden ist, erfuhr keinen Widerspruch. Ein Antrag: hinzuzufügen, daß die Ehe auch dann anfechtbar sei, wenn ein Ehegatte die Ehe abgeschlossen habe, während er in der Gewalt desjenigen war, der ihn unter Drohungen oder mit Gewalt entführt hatte, um ihn zur Ehe zu bringen, wurde abgelehnt. Zu einer ausführlichen Erörterung führte die Frage, ob und inwieweit eine Ehe wegen Betrugs oder wegen eines Irr⸗ thums über persönliche Eigenschaften oder Ver⸗
hältnisse des anderen Ehegatten solle angefochten werden können. Der Entwurf (§ 1259 Nr. 1) läßt die Anfechtung der Ehe wegen Betrugs zu, wenn ein Ehegatte durch Betrug des anderen Ehegatten zu der Eheschließung bestimmt oder wenn der Betrug von einem Dritten verübt worden ist und der andere Chegatte den Betrug bei der Eheschließung kannte oder kennen mußte. Aus dem Gesichtspunkt des Be⸗ trugs soll ferner ein Ehegatte die Ehe anfechten können, wenn ihm solche persönlichen Eigenschaften oder Verhältnisse des anderen Ehegatten von diesem verhehlt worden sind, die ihn bei ver⸗ ständiger Würdigung des Zwecks der Ehe von der Eheschließung mußten und von denen zugleich vorauszusehen war, daß sie ihn, wenn er sie gekannt hätte, von der Eheschließung abgehalten haben würden. Demgegenüber war von ver⸗ schiedenen Seiten beantragt, in Fällen dieser Art die An⸗ fechtung der Ehe aus dem Gesichtspunkt eines wesent⸗ 1 Irrthums ohne Rücksicht darauf zuzulassen, ob die persönlichen Eigenschaften oder Verhältnisse des anderen Theils von diesem verhehlt worden sind. Die Mehrheit stimmte iesen Vorschlägen unter Ablehnung eines Antrags, nur den Irrthum über persönliche Eigenschaften, nicht auch den Irrthum über persönliche Verhältnisse, zu berücksichtigen, bei. Ebenso entschied sich die Mehrheit — entgegen verschiedenen Anträgen, die auf die Versagung der Anfechtung wegen Be⸗ rugs gerichtet waren — mit dem Entwurf auch für die Zu⸗ lassung der Anfechtung wegen Betrugs; doch soll ein Ehegatte die Ehe aus diesem Gesichtspunkte nur dann anfechten können,
rechts durch nachträglich ertheilte Dispensation von dem Er⸗
wenn er durch arglistige Täuschung über solche Umstände zu der Eheschließung bestimmt worden ist, die bei verständiger Ueber⸗ legung geeignet waren, ihn von der Eheschließung abzuhalten, und Uhn wenn er sie gekannt hätte, auch von der Eheschließung abgehalten haben würden. Weiter soll — abweichend von dem Entwurf — in dem Falle, wenn der Betrug von einem Dritten verübt worden ist, die Ehe nur dann von dem betro⸗ genen Ehegatten angefochten werden können, wenn der andere Ehegatte den Betrug bei der Eheschließung kannte, nicht schon dann, wenn der andere Ehegatte den Betrug kennen mußte. Die Vorschriften des § 1259 Nr. 2 über die Anfechtung der Ehe wegen eines auf Irrthum beruhenden Mangels der Uebereinstimmung des wirklichen Willens mit dem erklärten Willen, insbesondere in dem Falle einer Personenverwechselung, wurden sachlich nicht beanstandet. Da⸗ gegen wurde die Nr. 3, wonach die Ehe wegen Ehe⸗ unmündigkeit eines CEhegatten anfechtbar ist, in dem Sinne gestrichen, daß das Ehehinderniß der Ehe⸗ unmündigkeit nur aufschiebende Wirkung haben soll. Ein Antrag, auch dem Mangel der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zur „Eheschließung (§, 1259 Nr. 4) nur aufschiebende Wirkung beizulegen, fand nicht die Zustimmung der Mehrheit; vielmehr wurde der Standpunkt des Entwurfs gebilligt, daß in einem solchen Falle die Ehe anfechtbar ist. Von einer Seite war befürwortet, einem Ehegatten das Recht der Anfechtung der Ehe auch dann zu geben, wenn die nach kirchlicher Vorschrift erforderte Trauung von dem anderen Theile verweigert werde oder nicht erlangt werden könne. Der Antrag wurde indessen abgelehnt. Die Vorschriften der §§ 1260 bis 1264 über die Wir⸗ kung der Anfechtung, über die Legitimation zur Anfechtung sowie über die Ausschließung des Anfechtungsrechts durch Auflösung der Ehe, durch Genehmigung des anfechtungs⸗ berechtigten Ehegatten und durch Zeitablauf gelangten sachlich im wesentlichen nach dem Entwurf zur Annahme. Die Vor⸗ schrift des § 1263 Abs. 2 über den Wegfall des Anfechtungs⸗
forderniß der Ehemündigkeit ist durch die Streichung des §, 1259 Nr. 3 gegenstandslos geworden. Der § 1263 Abs. 3 erhielt den Zusatz, daß die verweigerte Genehmi⸗ gung des Vormunds auf Antrag des Mündels von dem Vormundschaftsgericht ersetzt werden kann, wenn der Fortbestand der Ehe im Interesse des Mündels liegt. Die Vorschrift des § 1265 Satz 1, welche die Ausübung des Anfechtungsrechts durch einen Vertreter aus⸗ schließt, wurde mit der Abweichung genehmigt, daß, wenn der anfechtungsberechtigte Ehegatte geschäftsunfähig ist, die Anfech⸗ tung mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts auch durch den gesetzlichen Vertreter des Ehegatten erfolgen kann. Eine weitere Aenderung erfuhr der Entwurf durch die Vorschrift, daß, wenn die Ehe wegen des Mangels der Zustimmung des gesetz⸗ lichen Vertreters anfechtbar ist (§ 1259 Nr. 4), die An⸗ fechtung, so lange nicht der Ehegatte die unbeschränkte Ge⸗ schäftsfähigkeit erlangt hat, nur von dem gesetzlichen Vertreter des Ehegatten geltend gemacht werden kann, und daß diese Anfechtung binnen sechs Monaten seit dem Zeitpunkt erfolgen muß, in welchem der gesetzliche Vertreter von der Eheschließung Kenntniß erhalten hat; widrigenfalls nicht nur sein An⸗ fechtungsrecht ausgeschlossen ist, sondern auch der Ehegatte elbst nach Erlangung der unbeschränkten Geschäfts⸗ ähigkeit die Ehe nicht mehr anfechten kann. Der zweite Satz des § 1265, daß die Vorschriften über den Anwaltszwang unberührt bleiben, wurde, weil selbst⸗ verständlich, gestrichen. Gegen den § 1265 Satz 3, wonach der anfechtungsberechtigte Ehegatte, wenn in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, zu der Anfechtun nicht der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters bedar, erhob sich kein Widerspruch, ebensowenig gegen die Vorschriften des § 1266 über die Form der Anfechtung. Auch die Vorschriften des § 1267 über die Prozeßfähigkeit und die Vertretung des anfechtungsberechtigten Ehegatten in einem Rechtsstreit, der die Anfechtung der Ehe zum Gegenstande hat, fanden mit den aus den Beschlüssen zu § 1265 Satz 1 sich ergebenden Aenderungen und mit der Maßgabe Zustimmung, daß sie in die Civilprozeßordnung eingestellt werden sollen. Angenommen wurden ferner die Vorschriften des § 1268 über die Wirkung der Zurücknahme der Anfechtungs⸗ klage, sowie einer erst im Laufe des Rechtsstreits erfolgenden Genehmigung der Ehe durch den anfechtungsberechtigten Ehegatten, desgleichen die Vorschrift des § 1269 über den subjectiven Umfang der Rechtskraft eines in einem solchen Rechtsstreit ergangenen Urtheils; der § 1269 soll jedoch in die Civilprozeßordnung versetzt werden. Der § 1270 regelt die Wirkungen der Anfechtung gegenüber gutgläubigen Dritten, die sich im Vertrauen auf die Gültigkeit der Ehe mit einem der Ehegatten auf Rechtsgeschäfte oder auf einen Rechtsstreit eingelassen haben, sowie die Wirkungen der Anfech⸗ tung auf die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten zu einander nach Maßgabe der in diesen Richtungen für eine nichtige Ehe geltenden Vorschriften der S§ 1257, 1258. Die Commission billigte den sachlichen Inhalt des § 1270 mit der Erweiterung, daß im Falle der Anfechtung der Ehe wegen wesentlichen Irrthums dem anderen Ehegatten, dem gegenüber die Anfechtung erfolgt ist, die gleichen Rechte zustehen sollen, welche der § 1258 für den Fall der Nichtigkeit der Ehe dem gutgläubigen Ehegatten beilegt, sofern nicht der Ehegatte den Anfechtungsgrund bei der Cheschließung kannte oder kennen mußte. Die Vorschriften des § 1271 über die Klage auf Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens einer Ehe wurden sachlich nicht beanstandet. Man war aber Se en daß sie in die Civilprozeßordnung zu ver⸗ setzen seien. “
Nach einem früheren Beschlusse war die endgültige Ab⸗ stimmung über die Aufnahme des von der Eingehung der Ehe handelnden ersten Titels h 1227 bis 1271) in das Bürgerliche Gesetzbuch bis nach erfolgter Berathung der ein⸗ zelnen Vorschriften dieses Titels ausgesetzt worden. Ein Antrag, den ganzen Titel aus dem Gesetzbuch düesch herhen. wurde abgelehnt. Die Mehrheit entschied sich vielme r für die Bei⸗ behaltung des Titels nach Maßgabe der zu den einzelnen Vor⸗ schriften gefaßten Beschlüsse.
Die Berathung wandte sich sodann den allgemeinen Vorschriften über die Wirkungen der Ehe (8§ 1272 bis 1282) zu. Erledigt wurden noch der § 1272, welcher das Princip zum Ausdruck bringt, daß die Ehegatten einander ur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet sind, sowie der 8 1273, der die Stellung des Ehemanns in der ehelichen
Gemeinschaft eender der Ehefrau regelt. Gegen den sach⸗ lichen Inhalt dieser Vorschriften erhob sich kein Widerspruch.
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Der § 1272 erhielt jedoch den Zusatz, daß ein Ehegatte nicht verpflichtet ist, dem Verlangen des anderen Theils auf Her⸗ stellung der ehelichen Hüneü aschaf Folge zu leisten, wenn das Rerlacigen sich als Mißbrauch des Rechts des anderen Theils arstellt.
Die vom Reichs⸗Versicherungsamt nach § 77 des Unfall⸗ versicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 und den entsprechenden Bestimmungen der weiteren Unfallversicherungsgesetze auf⸗ gestellte, soeben dem Reichstage vorgelegte Nachweisung der gesammten Rechnungsergebnisse der Berufsgenossen⸗ schaften ꝛc. für das Rechnungsjahr 1892 bezieht sich auf die achte Rechnungsperiode seit dem Bestehen der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Nachweisung erstreckt sich auf 112 Berufsgenossenschaften (64 gewerbliche und 48 landwirthschaft⸗ liche), auf 348 Ausführungsbehörden (129 staatliche und 219 Provinzial⸗ und Communal⸗Ausführungsbehörden) und auf 13 auf Grund des Bau⸗Unfallversicherungsgesetzes bei den 11“ errichtete Versicherungs⸗ anstalten.
Die 112 Berufsgenossenschaften mit 914 Sectionen, 1089 Mitgliedern der Genossenschaftsvorstände, 5258 Mit⸗ gliedern der Sectionsvorstände, 23 177 Vertrauensmännern, 158 angestellten Beauftragten (Revisions⸗Ingenieuren ꝛc.), 997 Schiedsgerichten und 3974 Arbeitervertretern haben 5 274 953 Betriebe mit 17 367 547 versicherten Personen um⸗ faßt. Hierzu treten bei den 348 Ausführungsbehörden mit 33. Schiedsgerichten und 1576 Arbeitervertretern zusammen 646 733 Versicherte, sodaß im Nahre 1892 bei den Berufsgenossenschaften und Ausführungsbehörden zusammen 18 014 280 ersonen gegen die Folgen von Betriebsunfällen versichert gewesen sind.
In der letzterwähnten Zahl dürften 1 bis 1 ½ Millionen solcher gleichzeitig nebeneinander in
Personen doppelt erscheinen, die gewerblichen und in landwirthschaftlichen Betrieben beschäftigt und versichert sind.
An Entschädigungsbeträgen sind seitens der Berufs⸗ genossenschaften gezahlt worden 29 006 465,22 ℳ (gegen 23 718 775,73 ℳ im Vorjahre); seitens der Ausführungs⸗ behörden 2 892 975,70 ℳ (gegen 2 370 243,16 ℳ im Vor⸗ jahre); seitens der 13 Versicherungsanstalten der Baugewerks⸗ Berufsgenossenschaften 440 737,07 ℳ (gegen 337 358,11 ℳ im Vorjahre). Die Gesammtsumme der Entschädigungsbeträg (Renten ꝛc.) belief sich auf 32 340 177,99 ℳ gegen 26 426 377,00 ℳ im Jahre 1891, 20 315 319,55 ℳ im Jahre 1890, 14 464 303,15 ℳ im Jahre 1889, 9 681 447,07 ℳ im Jahre 1888, 5 932 930,08 ℳ im Jahre 1887 und 1 915 366,24 ℳ im Jahre 1886.
Die Anzahl der neuen Unfälle, für welche im Jahre 1892 Entschädigungen festgestellt wurden, belief sich auf 55 654 (gegen 51 209 im Jahre 1891). Hiervon waren Unfälle mit tödtlichem Ausgange 5911 (gegen 6428), Unfälle mit dauernder völliger Erwerbsunfähigkeit 2664 (gegen 2595). den getödteten Personen hinterlassenen entschädigungsberechtigten Personen beträgt 11 835 (gegen 12 837) im Vorjahre. Dar⸗ unter befinden sich 3947 Wittwen (4064), 7660 Kinder (8482) und 228 Ascendenten (291). Die Anzahl sämmtlicher zur An⸗ meldung gelangten Unfälle beträgt 236265 (gegen 225337 im Vorjahre). 1
Die Summe der anrechnungsfähigen Löhne, die sich jedoch mit den wirklich verdienten Löhnen nicht decken, stellt sich bei den 64 gewerblichen Berufsgenossenschaften auf 3 292 782 432,31 ℳ bei einer Zahl von 5 078 132 versicherten Personen. Für die landwirthschaftlichen Berufsgenossenschaften haben sich wegen des abweichenden Berechnungsverfahrens Lohnbeträge, welche für die Beitragsberechnung zu Grunde gelegt werden, in die Nachweisung nicht aufnehmen lassen; die Zahl der in land⸗ und forstwirthschaftlichen Betrieben durchschnittlich versicherten Personen ist wieder, wie für das Jahr 1891, mit 12 289 415 angesetzt worden.
Diese Zahl umfaßt außer den ständig in der Land⸗ und Forstwirthschaft thätigen Arbeitern und Betriebsbeamten die umfangreiche Klasse der landwirthschaftlich im Nebenberuf Beschäftigten und die mitversicherten Betriebsunternehmer und deren Ehefrauen.
Die Gesammtausgaben der Berufsgenossenschaften be⸗ laufen sich auf 48 939 605,81 ℳ, hiervon 41 469 702,29 ℳ für die gewerblichen, 7 469 903,52 ℳ für die landwirthschaft⸗ lichen Berufsgenossenschaften. Von der Gesammtausgabe ent⸗ fallen, wie schon bemerkt, 29 006 465,22 ℳ auf Ent⸗ schädigungsbeträge, 1 960 605,48 ℳ auf die Kosten der Unfall⸗ untersuchungen und der Feststellung der Entschädigungen, auf die Kosten der Schiedsgerichte, sowie auf die Ausgaben für die Unfallverhütung, und 3728,55 ℳ auf Kosten für Ueber⸗ nahme der Unfallversicherungsverträge (§ 100 des Unfall⸗ versicherungsgesetzes) ꝛc. In die Reservefonds sind für das Jahr 1892 12 590 338,68 ℳ eingelegt worden.
Die laufenden Verwaltungskosten betragen 5 378 467,88 ℳ gegen 5 034 435,89 ℳ im Vorjahre. “
Auf den Kopf der Versicherten berechnet, belaufen sich im Rechnungsjahr bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften die laufenden Verwaltungskosten auf 0,83 ℳ (gegen 0,78 . im Jahre 1891), auf je 1000 ℳ der anrechnungsfähigen Löhne 1,28 ℳ (gegen 1,20 ℳ), auf jeden Betrieb 10,18 ℳ (gegen 9,82 ℳ), auf jeden im Rechnungsjahr zur Anmeldung gelangten Unfall 25,63 ℳ (gegen 24,46 ℳ im Vorjahre).
Die Höhe der laufenden Verwaltungskosten ist bei den ein⸗ zelnen Berufsgenossenschaften sehr verschieden; dieselbe hängt ab von der Zahl der versicherungspflichtigen Personen, der Zahl der Betriebe, der größeren oder geringeren Unfall⸗ gefahr u. s. w. Zu Vergleichen über die Angemessenheit der Aufwendungen der Berufsgenossenschaften unter einander können die Rechnungsergebnisse der einzelnen Genossenschaften nicht ohne weiteres dienen. b .
Die Gesammtausgabe der 348 Ausführungsbehörden haben sich auf 2 957 941,78 ℳ, die der 13 Versicherungsanstalten der Baugewerks⸗Berufsgenossenschaften auf 863 146,47 ℳ be⸗ laufen. fegi Bestände der: bis zum Schluß des Rechnungsjahrs angesammelten Reservefonds der Berufsgenossenschaften betrugen zusammen 85 426 506,84 ℳ, die der mehrerwähnten Versiche⸗ rungsanstalten 522 226,74 ℳ
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Nach der im Reichs⸗Eisenbahnamt aufgestellten Nach⸗ weisung der auf deutschen Eisenbahnen — aus⸗ schließlich Bayerns — im Monat Oktober d. J. beim Eisenbahnbetriebe (mit Ausschluß der Werkstätten) vor⸗ gekommenen Unfälle waren im ganzen zu verzeichnen:
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Die Zahl der von
Großherzogin verla
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8 Entgleisungen und 5 Zusammenstöße auf freier Bahn, 25 Ent⸗ gleisungen und 15 Zusammenstöße in Stationen und 244 sonstige ansälle (Ueberfahren von Fuhrwerken, Feuer im Zuge, Kessel⸗ explosionen und andere Ereignisse beim Eisenbahnbetriebe, sofern bei letzteren sesonen getödtet oder verletzt worden sind). Bei diesen Unfällen sind im ganzen, und zwar größtentheils durch eigenes Verschulden, 277 Personen verunglückt, sowie 48 Eisenbahnfahrzeuge erheblich und 144 unerheblich beschädigt. Von den beförderten Reisenden wurden 9 getödtet und 25 ver⸗ letzt, und zwar entfallen: drei Tödtungen auf den Verwaltungs⸗ bezirk der Königlichen Eisenbahn⸗Direction (rechtsrh.) zu Köln, zwei Tödtungen auf den Verwaltungsbezirk der Königlichen Eisenbahn⸗Direction zu Bromberg, je eine Tödtung auf die Großherzoglich badischen Staatseisenbahnen und auf die Ver⸗ waltungsbezirke der Königlichen Eisenbahn⸗Directionen zu Breslau, zu Elberfeld und zu Hannover, 15 Verletzungen auf den Verwaltungsbezirk der Königlichen Eisenbahn⸗Direction (rechtsrh.) zu Köln, fünf Verletzungen auf den Verwaltungs⸗ bezirk der Königlichen Eisenbahn⸗Direction (linksrh.) zu Köln, eine Verletzung auf die Großherzoöglich badischen Staats⸗ eisenbahnen, zwei Verletzungen auf die Königlich sächsischen aatseisenbahnen und je eine Verletzung auf die Verwaltungs⸗ bezirke der Königlichen Eisenbahn⸗Directionen zu Elberfeld und zu Magdeburg. Von Bahnbeamten und Arbeitern im Dienst wurden beim eigentlichen Eisenbahnbetriebe 1 getödtet und 177 verletzt, von Postbeamten 1 getödtet, von fremden “ (einschließlich der nicht im Dienst befindlichen Bahnbeamten und Arbeiter) 20 getödtet und 14 verletzt. Außerdem wurden bei Nebenbeschäftigungen 38 Bahnbeamte und Bahnarbeiter verletzt. Von den sämmtlichen Unfällen beim Eisenbahnbetriebe entfallen auf: A. Staats⸗ und unter Staatsverwaltung stehende Bahnen (bei zusammen 34 681,01 km Betriebslänge und 1 062 464 713 geförderten Achskilometern) 285 Fälle; davon sind verhältnißmäßig, d. h. unter Berücksichtigung der geförderten Achskilometer und der im Betriebe gewesenen Längen, in den. Verwaltungsbezirk der Königlichen Eisen⸗ (rechtsrh.) zu Köln, auf der Main⸗Neckar⸗ Eisenbahn und in dem Verwaltungsbezirk der Königlichen Eisenbahn⸗Direction zu Erfurt die meisten Unfälle vor⸗ gekommen. B. Privatbahnen (bei zusammen 2529,34 km Betriebslänge und 35 861 534 geförderten Achskilometern) 12 Fälle; davon sind verhältnißmäßig auf der Lübeck⸗ Büchener Eisenbahn, auf der Hessischen Ludwigs⸗Eisenbahn und auf der Marienburg⸗Mlawkaer Eisenbahn die meisten Unfälle vorgekommen.
In Stettin wurden seit nunmehr drei Wochen weitere Cholera⸗Erkrankungen nicht festgestellt. Es ist somit anzu⸗ nehmen, daß daselbst die Seuche vollständig erloschen ist.
Der Königliche Gesandte in München Graf zu Eulen⸗ burg hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit fungirt der Legations⸗Secretär Graf von Pückler als Geschäftsträger.
Der Inspecteur der 1. Ingenieur⸗Inspection, General⸗ Lieutenant Andreae hat mit kurzem Urlaub Berlin verlassen.
Der General⸗Lieutenant von Alten, Commandeur der 18. Division, ist mit kurzem Urlaub hier eingetroffen.
Deerr Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich bayerische Staats⸗Minister der Finanzen Dr. Freiherr von Riedel ist von Berlin abgereist.
8 Bluayern.
Aus Anlaß des 25jährigen Jubiläums Seiner König⸗ lichen Hoheit des Prinzen Ludwig als Ehren⸗Präsidenten des landwirthschaftlichen Vereins von Bayern überreichte das Generalcomité dem Prinzen eine prächtig ausgestattete Adresse. Prinz Ludwig dankte und hob hervor, er werde weiter bestrebt sein, die Schwierigkeiten der Lage der Landwirthschaft erleichtern zu helfen. Da jedoch der moderne Landwirth die industriellen Nebenbetriebe und die kaufmännische Geschäfts⸗ führung pflegen müsse, sollten die Landwirthe die gesammte Lage der nationalen Volkswirthschaft stets beachten. Er wünsche ein weiteres Zusammenwirken des Generalcomités mit der Staatsregierung zum Nutzen der Gesammtheit des Volks.
Sachsen.
Die vorgestern von dem „W. T. B.“ gebrachte Nachricht von einer Erkrankung Ihrer Mafestät der Königin wird
von dem Bureau selbst als unrichtig bezeichnet.
Baden. Ihre Königlichen Fehectee der Großherzog und die en, wie die „Karlsr. Ztg.“ meldet, 1 v um zu dauerndem Aufenthalt nach Karls⸗ ruhe zurückzukehren.
Hessen.
Seine Königliche Hoheit der Großherzog wird nach der „Darmst. Ztg.“ am 14. d. M. einer Einladung Seiner Köͤnig⸗ lichen Hoheit des Herzogs von Sachsen⸗Coburg und Gotha zur Jagd nach Coburg Folge leisten.
Mecklenburg⸗Schwerin.
Der Landtag . den „Meckl. Anz.“ zufolge vorgestern die Vorlage über Ersatz des Wildschadens durchberathen und sie im wesentlichen dem Commissionsbericht gemäß an⸗ genommen. W“““
Oesterreich⸗Ungarn.
österreichische Abgeordnetenhaus hat in seiner vorgestrigen Sitzung die Vorlage über den Bau der Valsuganabahn in zweiter und dritter Lesung angenommen. Bei der de, Nothstandsvorlage erklärten die Jungezechen, 000 Fl. seien für Böhmen unzureichend; gleichzeitig ’. sie die Statthalterei von Böhmen an. Der Minister es Innern Marquis von Bacqu ehem erklärte, die Regierung habe die Vorlage eingebracht, um besonders den Nothleidenden ofort Linderung zu sschaffen wies die gegen den Statthalter von Böhmen gerichteten Angriffe zurück und hob den
großen Eifer der böhmischen Statthalterei bei den Erhebungen
über den Nothstand hervor; die Regierung ver⸗
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folge die Erscheinungen in dem Nothstandsgebiete mit großer Aufmerksamkeit und werde erforderlichen Falls die nöthigen Maßregeln ergreifen. Der Finanz⸗Minister Dr. von Plener bezeichnete die Angriffe gegen den Statthalter als ganz ungerechtfertigt und wies auf den während der Verhandlungen über die Cabinetsbildung mit dem Statt⸗ halter Grafen Thun gepflogenen persönlichen Verkehr hin, wobei der Statthalter ihn ersucht habe, der Vorlage über die Nothstandsaction in Böhmen besondere Sorgfalt zuzuwenden. Der Minister besprach sodann ausführlich die von der Finanzbehörde der Bevölkerung in den Nothstandsgebieten gewährten Erleich⸗ terungen und wies auf die vielen Nothstandsactionen der letzten Jahre hin, welche den besten Willen der Regierung bewiesen. Die Nothstandsvorlage wurde darauf fast unverändert ange⸗ nommen.
Der Budgetausschuß hat ein HBuhseinrovisoetum angenommen. . Dorgestern Vormittag fand in Wien die feierliche Ver⸗ eidigung des Bürgermeisters Dr. Prix durch den Statthalter Baron von Kielmannsegg statt. Der Statthalter ver⸗ sicherte hierbei den Gemeinderath seiner kräftigen Förderung und Unterstützung, indem er darauf hinwies, daß der gewünschte Erfolg der Thätigkeit des Gemeinderaths um so sicherer eintreten werde, je mehr der Geist der Mäßigung herrsche und eine leidenschaftslose Erörterung der schwebenden Fragen Platz greife. Der Bürgermeister Dr. Prir dankte in seiner Erwiderung dem Statthalter für die zugesagte Förderung und betonte, daß in der Gemeinde⸗ verwaltung der persönliche Kampf trotz der Verschiedenheit der Meinungen ausgeschlossen sein sollte; er sei gewillt, die Gegen⸗ sätze nach Kräften zu mildern. Der Bürgermeister schloß mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf den Kaiser.
Im ungarischen Unterhause erklärte vorgestern bei der Berathung der Petition mehrerer Municipien wegen einer Reform des Magnatenhauses der Minister⸗Präsident 1878 Wekerle, diese Reform gehöre nicht in das Programm der Regierung, die Behandlung dieser Frage sei weder nothwendig noch zweckmäßig. Der Minister⸗Präsident stellte entschieden in Abrede, daß das Magnatenhaus gegen die kirchenpolitischen Vorlagen der Regierung endgültig Stellung genommen habe. Die Mehrheit des Oberhauses beurtheile die wahren politischen Bedürfnisse des Landes zu nüchtern als daß sie einem liberalen, frei heitlichen Fortschritte entgegentreten wolle. Die Petition wurde sodann dem Gesammt⸗Ministerium überwiesen.
Großbritannien und Irland.
Das Befinden des Premier⸗Ministers Gladstone hat sich
“ gebessert, daß er am Sonnabend nach Brighton reisen konnte. Ihnfolge des Bomben⸗Attentats in der französischen Depu⸗ tirtenkammer waren, wie „W. T. B.“ berichtet, aus Anlaß des für gestern auf Trafalgar⸗Square geplanten Anar⸗ chisten⸗Meetings die weitgehendsten Vorsichtsmaßregeln getroffen worden. Auf Trafalgar⸗Square und in der Um⸗ gebung des Platzes waren zahlreiche Polizeimannschaften aufgestellt. Eine große Menschenmenge hatte sich an⸗ gesammelt; sie verhöhnte jedoch den Anarchistenführer Nichols, als er zu sprechen versuchte. Nichols mußte schließlich die Flucht ergreifen und wurde von Hunderten von Menschen verfolgt. Die Polizei konnte ihn nur mit Mühe vor Miß⸗ handlungen schützen. Endlich gelang es ihr, die Menschen⸗ menge zu zerstreuen, ohne daß es zu ernsteren Zusammenstößen gekommen wäre .
dreimonatiges
In der Deputirtenkammerist vorgestern ein Bomben⸗ Attentat verübt worden, das lebhaft an das in Barcelona erinnert. Während der Sitzung, als über die Gültigkeit der Wahl des Deputirten Mirman berathen wurde, wurde, genau Wum 4 Uhr, von der dritten Galcrie des Saales auf die rechte Seite des Hauses eine Bombe niedergeworfen, die mit einem furchtbaren Knall explodirte und den Sitzungssaal mit dichtem Rauch erfüllte. Auf den Tribünen entstand infolgedessen ein panischer Schrecken, die anwesenden Frauen entflohen in größter Hast. In den Wandel⸗ gängen herrschte die größte Erregung. Die meisten Depu⸗ tirten erhoben sich von ihren Sitzen, um aus dem Saal zu üh Der Präsident Dupuy blieb indessen ruhig auf einem Präsidentenplatz und forderte seine Collegen auf, ihm nachzuahmen. Auf seine Einladung füllten sich dann auch die Bänke der Deputirten wieder. Nachdem die Ruhe einigermaßen wiederhergestellt war, erklärte der Präsident Dupuy: derartige Attentate könnten die Kammer nicht in Verwirrung bringen, und er ersuche sie, mit Ruhe ihre Arbeiten fortzusetzen; wenn die Tagesordnung erledigt sein werde, werde das Bureau seine Pflicht thun. Unter einer unbeschreiblichen Bewegung wurde hierauf die Berathung über die Wahl Mirman's wieder auf⸗ genommen und diese für gültig erklärt. Der Minister⸗ Präfident Casimir Pörier sprach darauf der Kammer seinen Dank aus dafür, daß sie auf die Stimme ihres Präsidenten gehört und ihre Berathungen fortgesetzt habe. Die Kammer habe ihre Pflicht gethan, die Regierung werde durch An⸗ wendung der Gesetze die ihrige thun. (Lebhafter Beifall). Die Sitzung wurde sodann aufgehoben.
Dem Kammer⸗Präsidenten Dupuy wurde in den Wandel⸗ gängen der Kammer eine sehr lebhafte Kundgebung der Sympathie dargebracht. Deputirte, Journalisten und Neu⸗ gierige brachten Hochrufe auf Dupuy aus, der mit Hochrufen auf die Republik antwortete.
Wir stellen in Folgendem die weiteren, auf die Explosion bezüglichen Nachrichten des „W. T. B.“ zusammen:
Sofort nach der Explosion war es die erste Sorge der Quästoren gewesen, die Schließung aller nach außen führenden Thüren anzuordnen. Im Sitzungssaale waren die Spuren der Explosion überall sichtbar. Die Eisensplitter waren in den Halbkreis vor der Redner⸗ und der Präsidententribüne und bis auf die Galerien der zweiten Etage geflogen. Die aufgefundenen Bruchstücke erwiesen, daß die Bombe aus einer Sardinenbüchse von Zinkblech bestand, die mit einem Caliumpräparat, sowie mit Näögeln und Eisenstücken gefüllt war. Die Zahl der Verwundeten beläuft sich auf gegen 80, von denen 47 die erste Hilfe in der Quästur “ wurde, während die übrigen sich in ihre Be hausung begeben konnten. Unter den Verwundeten befinden stch die Deputirten Le Clech, am linken Ohr verletzt, Abbé Lemire, mehrfach am Kopfe verwundet, Graf de Lan luinais. ebenfalls am Kopf verwundet, Dufaure, Cousin, de la erronnays, Dumas, Leffet und Le Cou anec, alle
. den 1g Verletzten defindet sich
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ein gewisser Doux, der nach dem Hôpital de la Charité übersühr⸗ werden mußte, da ihm die Schädeldecke gesprengt ist. Sein Zustand gilt für hoffnungslos.
Die Nachricht von dem Bomben⸗Attentat in der Kammer verbreitete sich blitzschnell in der Stadt und rief überall furcht⸗ bare Erregung hervor. Vor dem Palais Bourbon sammelte sich in kurzer Zeit eine große Menschenmenge, die das Attentat sehr erregt besprach. Das Gebäude selbst wurde militärisch besetzt und niemand mehr hineingelassen. Sämmtliche auf den Tribünen befindlichen Personen wurden unter⸗ sucht und einem Verhör unterworfen. Letzteres dauerte bis neun Uhr. Als der That verdächtig wurden 60 Per⸗ sonen verhaftet, von denen zwei, die verwundet waren, nach dem Lazareth im Gefängniß gebracht wurden. Schwere Ver⸗ dachtsmomente richteten sich zunächst auf einen neuerdings nach Paris gekommenen Schuhmacher Namens Champeaux, der auch, als er sah, daß er zu Wagen fortgeschafft werden sollte, seine anfängliche Sicherheit verloren haben soll. Bei der Abfahrt eines anderen Wagens, der eine Anzahl Verhafteter fortbringen sollte, unter denen sich ein gewisser Girard befand, rief diesem Letzteren einer der umherstehenden Neugierigen zu: „Diesmal haben sie Dich erwischt!“ Der Mann wurde ebenfalls sofort verhaftet. Unter den nach dem Krankenhaus des Gefängnisses gebrachten Verwundeten befand sich ein Individuum, das seinen Namen zuerst als Marchal angegeben hatte, aber bei dem mit ihm im Hötel Dieu, wohin es aus dem Gefängniß gebracht worden war, angestellten Verhör so in die Enge getrieben wurde, daß es sich als Thäter bekannte und ein umfangreiches Geständniß ablegte. Da⸗ nach ist sein wahrer Name Auguste Vaillant. Er ist am 29. Dezember 1861 in Mezières (Ardennes) geboren und wohnte in Montmartre, wo er dem socialistisch⸗ revolutionären Comité des 18. Arrondissements angehörte; er hatte an mehreren Kundgebungen seiner Partei Theil ge⸗ nommen und wurde von der Polizei überwacht. Vor einigen Jahren war er nach Amerika ausgewandert und hatte in Buenos Aires gelebt. Seit seiner vor einigen Monaten erfolgten Rückkehr nach Frankreich wohnte er in Choisy le Roi und war in einer Lederwaarenfabrik beschäftigt. Er erklärte, daß er den Kammer⸗Präsidenten habe treffen wollen, damit seine That eine größere Wirkung habe. Durch das Verhör wurde fest⸗ gestellt, daß Vaillant zwei Wohnungen hatte: die eine in Choisy le Roi, die andere in der Rue Daguerre; in letzterer war er unter dem Namen Marchal bekannt. Vaillant hielt seine Behauptung, keine Mitschuldigen bei der That gehabt zu haben, aufrecht. Er gab an, sich bei seinem Verbrechen eines kleinen eisernen Gefäßes bedient zu haben, in dem sich eine Röhre befunden habe, die mit der Säure gefüllt war, durch welche die Explosion herbeigeführt werden sollte. Vaillant behauptete, daß sich in seiner Wohnung Rue Daguerre Explosivstoffe befänden; doch ist bei der “ nur ein ebensolches eisernes Gefäß gefunden worden, wie dasjenige, welches er zur Herstellung der Bombe benutzte — Von anderer Seite wird gemeldet, daß Vaillant fünf Mal wegen Diebstahls und anderer Vergehen bestraft worden sei. Hinsichtlich der Ausführung des Attentats erklärte Vaillant, daß in dem Augenblick, als er die Bombe habe schleudern wollen, eine vor ihm sitzende Frau, auf die er sich gestützt, eine Bewezuag gem acht habe, wodurch die Schwung⸗ kraft seines Armes gehemmt worden sei, sodaß die Bombe auf das vorspringende Gesims der zweiten Galerie nieder⸗ gefallen und hier sofort explodirt sei. Daher wurden mehrere auf dieser Galerie sitzende Zuschauer und Vaillant selbst ver⸗ wundet.
„Infolge des Geständnisses Vaillant's Personen, die im Hôtel Dieu überwacht wurden, wieder in Freiheit gesetzt worden. Nur Vaillant und fünf oder sechs andere Verdächtige hat die Polizei im wahrsam behalten. Zwei seiner Freunde, die
fast täglich besuchten, werden eifrig gesucht.
der in der Wohnung des Anarchisten Cohens, eines H länders, vorgenommenen Haussuchung fand die Polizei kupferne Röhren und eine große Anzahl von Briefen, die von Anarchisten herrühren. Cohens ist verhaftet worden. Weitere Berhastergen ausländischer Anarchisten werden wahrscheinlich erfolgen.
In der ganzen Presse hat sich über das Attentat ein⸗ stimmige Entrüͤstung erhoben. Mehrere Journale weisen den Socialisten die Verantwortung zu. „Radical“ und „Justice“ brandmarken das Attentat. „Figaro“, „Voltaire“ und „Lanterne“ verlangen besondere Unterdrückungsmaßregeln. „Matin“ sagt, es genüge nicht, den Arm zu treffen, man müsse den Kopf treffken. Noch am Sonnabend Abend veranstalteten die Studenten des Quartier latin Kundgebungen unter den Rufen: „A bas les Anarchistes!“ Den socialistischen De⸗ putirten, unter denen sich auch Baudin und Thivrie befanden, wurde, als sie vorgestern das Palais Bourbon ver⸗ ließen, von mehreren Deputirten mit Lebhaftigkeit zugerufen „Seht Ihr! dahin hat uns Euere Politik geführt.“
Gestern Vormittag trat der Ministerrath unter dem Vorsitz von Casimir Pörier zusammen, um über sofort zu ergreifende legislative und administrative Maß regeln zum Schutz der bürgerlichen Gesellschaft gegen anarchistische Attentate zu berathen. Es wurde erwogen, das Gesetz über Dynamit vom Jahre 1875 de Einfuührung von Bestimmungen zu ergänzen, welche die An⸗ wendung, den Transport, die Fabrikation und die Aufbewahrung von Sprengstoffen neu regeln. Außerdem wurde die 5 erörtert, ob man nicht den gesetzlichen Bestimmungen über die Presse einen Artikel hinzufügen solle, welcher die Vertheidigung von Verbrechen und die Aufforderung zu verbrecheraschen Handlungen mit Strafe bedrohe, seldst wenn die detreßende Aufforderung keine Wirkung gehabt habe. Eine cndgültzge
Entscheidung wird erst in dem heute im EE“ Ministerrath getroffen werden. Am S darte der Ministerrath bereits beschlossen, sich gegen den Antrag Basly zu erklären, wonach eine Untersuchung isfron de treffs des Ausstandes in den Departements Nord und Bas Ne Calais eingesetzt werden soll. Italien.
Wie die „Agenzia Stefani“ meldet. Sonnabend durch Königliches Decret Cabinets betraut worden.
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. rE Morgenblätter melden, „ dae Portefeuilles des 8. Cadbinets voraussichtlich war f rx theilt werden: Crispi Prästdium und Innecres,
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graphen, Baccelli Unterricht, Brin oder Radchia 1