Das Justizportefeuille soll dem Senator Calenda, das Portefeuille des Kriegs⸗Ministeriums soll Ricotti angeboten werden, der heute in Rom eintrifft; für das Auswärtige wird der Herzog von Sermoneta genannt. Gestern hatte Crispi noch Besprechungen mit zahlreichen Persönlichkeiten, darunter Nicotera und Cavalotti.
Der Deputirte Cavalotti hat, wie „W. T. B.“ berichtet, dem Präsidenten der Deputirtenkammer eine Interpellation an den Minister⸗Präsidenten übersandt über die Vortheile des Dreibundes für die Unabhängigkeit und die Ehre Italiens, im Vergleich mit dem durch den Dreibund verursachten Schaden, ferner über den Zwischenfall Baratieri vom Stand⸗ punkt der nationalen Würde und endlich über die verfassungs⸗ mäßigen Rechte des Parlaments gegenüber der Krone.
In Palermo sind Nachrichten aus Partinico ein⸗ getroffen, wonach daselbst ernste Ru hestörungen stattgefunden haben. Die Mitglieder des Arbeiterbundes veranstalteten aus Anlaß der Steuererhöhungen eine Demonstration gegen die Behörde und überfielen das Stadthaus unter dem Rufe „Hoch Savoien“, „Nieder mit den städtischen Steuern“. Die Manifestanten, deren Zahl sich auf 4000 Personen, darunter viele Frauen, belief, benützten den Augen⸗ blick, wo das in Partinico garnisonirende Bataillon eine Schießübung hatte, um die Municipalregister zu verbrennen. Es wurden 18 Schilderhäuser der Zollwache in Brand gesteckt. Nachdem das Bataillon zurückgekehrt war, wurde die Ruhe wiederhergestellt. Der Sindaco hat seine Entlassung genommen. Eine ähnliche Aufregung wie in Partinico herrscht in den benachbarten Gemeinden, besonders in Giardinelli.
8
Der Senat hat vorgestern die Berathung der Adresse an den König begonnen. Es wird darin, dem „W. T. B.“ zufolge, das glückliche Ereigniß der Geburt eines Prinzen be⸗ tont und die günstigen Umstände bezüglich der äußeren Politik und der Finanzen hervorgehoben.
Amerika.
In Paris sind Nachrichten aus Rio de Janeiro ein⸗ getroffen, wonach die Truppen Peixoto's das Fort Ville⸗ gaignon angegriffen hätten, aber zurückgeschlagen worden eien. Man glaube, daß die Aufständiß en einen entscheidenden Schlag führen wollten und daß sie beabsichtigten, sich Santos zu bemächtigen. Ein neuer Angriff auf das Fort Bage solle unmittelbar bevorstehen.
Wie das „Reuter'sche Burcau“ aus Buenos Aires vom 9. d. M. meldet, hat die Regierung eine Amnestie für alle Emigranten und politischen Gefangenen erlassen mit Ausnahme derjenigen, gegen die eine Anklage beim Bundes⸗ gerichtshof schwebt.
Afrika.
Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aus Kairo von vor⸗
gestern gemeldet, die Nachricht, daß der englische Botschafter⸗
Gounod. Barbier
Graeb.
t vom 11. Dezember, r Morgens.
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Stationen. Wind. Wetter.
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Temperatur in 0 Ce 5⁰°C
wolkenlos bedeckt wolkig Dunst
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Belmullet.. SSW
Aberdeen.. Christiansund 9SO Kopenhagen. SSO
Stockholm. Nebel Haparanda. S bedeckt St. Petersbg. 2 SO Schnee Moskau 768 still Nebel
Cork, Queens⸗ 148 Cherbourg. 747 Helder 756 16“ 754 isburxg .. 756 Swinemünde 760 Neufahrwasser 763 Memel 762
e 111“ Münster. 754 Karlsruhe. 758 758 760 761 760 763 762
Anfang 7 Uhr.
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fang 7 Uhr.
(Heimath).
Nebel 8 bedeckt . 749 bedeckt . 761 bedeckt 71677622 still wolkenlos
Uebersicht der Witterung.
Das barometrische Minimum, welches gestern über Irland lag, ist nordwärts fortgeschritten, während ein Theilminimum über England sich ausgebildet hat, welches sich indessen nach und nach auszugleichen scheint. Das Hochdruckgebiet über dem Innern Ruß⸗ lands hat sich wenig verändert. Bei schwacher, vor⸗ wiegend südlicher Luftbewegung ist das Wetter in Deutschland meist trübe und ves ir . etwas kälter; in den östlichen Gebietstheilen ist stellenweise e gefallen. Im Westen der Britischen Inseln ist Abkühlung eingetreten, welche sich zunächst über Westdeutschland weiter fortpflanzen dürfte.
Deutsche Seewarte:
MveEEERTx FergeRoKesAsMTrSeR. vsExerweAesr sesseeeFezasesdeecega Theater⸗Anzeigen.
Königliche Schauspiele. Dienstag: Opern⸗ haus. 261. Vorstellung. Richard Wagner⸗Cyelus. 4. Abend. Tristan und Isolde. In 3 Acten von Richard Wagner. Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. Anfang 6 ⅞ Uhr.
Schauspielhaus. 157. Vorsteklung. Zum ersten Mal: Die kluge Käthe. Lustspiel in 4 Aufzügen von Hans Olden. In Scene gesetzt vom Ober⸗
egisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.
Mittwoch: Opernhaus. 262. Vorstellung. Neu einstudirt: Margarethe. Oper in 5 Acten von
Dienstag:
Donnerstag:
burg.
Dienstag:
44. Male:
Text nach Goethe'’s Feust, von Jules und Michel Carré. 1 In Scene Pseft vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. (Faust: Herr
sänger, als Gast.) Schauspielhaus. Lustspiel in 4 Aufzügen von Shakespeare, nach Schlegel'’s Uebersetzung. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. (Malvolio: Herr Adolf Müller, vom Thalia⸗Theater in Hamburg, als Gast.)
Deutsches Theater. Dienstag Anfang 7 Uhr.
Mittwoch: Der Weg zum Herzen. Donnerstag: Der Talisman.
Freitag: Die Jüdin von Toledo.
Die Tageskasse ist von 10—1 Uhr geöffner.
Berliner Theater. Dienstag: Der Veilchen⸗ Anfang 7 Uhr.
Mittwoch: Aus eigenem Recht.
Donnerstag: Hamlet.
Lessing⸗Aheater. Dienstag: Der Andere. (Letztes Gastspiel von Friedrich Mitterwurzer.) An⸗
Mittwoch: 5. Duse⸗Abend. Casa paterna
Donnerstag: Die Großzstadtluft. g,8g Vorverkauf für den fünften bis siebenten Duse⸗ 71 Abbend an der Tageskasse.
Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25. Der Bettelstudent. 3 Acten von F. Zell und Richard Genée. von Carl Millöcker. Regie: Herr Unger. Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann.
Mittwoch: Der Bettelstudent. Mit vollständig neuer Ausstattung: Der Lieutenant zur See. Musik von Louis Roth.
Residenz-Theater. Direction: Sigmund Lauten⸗ Dienstag: Zum 20. Male: Die Dragoner. Schwank in 3 Acten von Bossu und Delavigne. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Vorher: Zum 3. Male: Dramenstoff. Schauspiel in 1 Act von Fedor von Zobeltitz. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch und folg. Tage: Die Dragoner. Neues Theater (am Schiffbauerdamm 42/5).
76. Ensemble⸗Gastspiel des Residenz⸗ Theaters. Direction: Sigmund Lautenburg. Zum 96. Male: Ingend. von Max Halbe. Lautenburg. Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch und folg. Tage: Jugend.
9 Virtoria-Theater. Belle⸗Alliancestraß Dienstag, mit vollständig neuer Ausstattung an Costumen und Requisiten: Zum
Decorationen Die sieben Raben.
posten in St. Petersburg Lord Cromer angeboten
worden sei, entbehre jeglicher Begründung.
Dasselbe Bureau erfährt aus Capsadt vom 8. d. M., dem Premier⸗Minister Carl Rhodes sei ein vom 3. Dezember datirter Bericht zugegangen, wonach die Matabeles fort⸗ führen, sich zu unterwerfen und Waffen abzuliefern. Die Ge⸗ fangennahme Lobengula’s werde täglich erwartet. Auch in den Matopo⸗Bergen und am Gwai⸗Fluß unterwürfen sich die Eingeborenen. Der Oberst Goold⸗Adams wolle drei englische Meilen von Buluwayo ein Lager errichten, das der Major Forbes mit der Polizei beziehen werde. 8
8 Parlamentarische Nachrichten.
Deutscher Reichstag.
Der Bericht über die Sitzung vom Sonnabend befindet sich in der Ersten Beilage. 17. Sitzung vom Montag, 11. Dezember.
Der Sitzung wohnen bei die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Marschall und Dr. Graf von Posadowskgy.
Das Haus verweist zunächst den Bericht der Reichsschulden⸗ Commission an die Rechnungs⸗Commission.
Es folgt die dritte Berathung der Kaiserlichen Ver⸗ ordnung, betreffend die Erhebung eines 50proc. Zoll⸗ zuschlags für die aus Rußland bezw. Finland kom⸗ menden Waaren. Es liegen hierzu zwei Resolutionen vor: 1) von den Abgg. Möller und Genossen, be⸗ treffend die Waaren, welche auf Grund der vor Erlaß der Verordnung abgeschlossenen Verträge eingeführt waren und 2) von dem Abg. von Salisch, betreffend die Erhebung eines Holls von sonst zollfreien Waaren im Fall eines Zollkriegs.
eide Resolutionen sind in der zweiten Berathung schon er⸗ örtert worden.
Heute wird folgende Resolution von den Abgg. Graf von Mirbach und Lutz (dcons.) eingebracht:
Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, schleunigst dem Reichstag einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach welchem der Zoll auf aus Rußland eingehenden Hopfen auf den Zoll erhöht wird, welcher zur Zeit für deutschen a bei der Einfuhr nach Rußland zu entrichten ist.
Abg. Möller (nl.) empfiehlt die Annahme seiner Resolution, wendet sich aber gegen die des Abg. von Salisch, durch welche ein Zollkrieg nur verschärft werden würde. Redner richtet an den Bundes⸗ rath die Frage, ob die in Transitlägern befindlichen Waaren von dem Zollzuschlag befreit sind und ob auf Verträge, deren Ausführung sich über mehrere Jahre erstreckt, in welchem Falle also die russischen Waaren die Grenze noch nicht überschritten haben, Rücksicht genommen werden wird.
(Bei Schluß des Blattes nimmt der Staatssecretär Dr. von Boetticher das Wort. Diese Rede werden wir morgen im Wortlaut nachtragen.) 8
Zaubermärchen mit Gesang Ballet von Emil Anfang 7 ½ Uhr. Emil Götze, Königl. Kammer⸗ Anfang 7 Uhr.
158. Vorstellung.
stellung. Robinson Crusoe.
Was ihr
in 2 Acten von V. S.
98 Der Talis⸗ Divertissemen Ballerino Sgr. Poggiolesi. Mittwoch: Der Mikado. Sonnabend: Zum 1. Male: Operette von Brandl.
stattungs⸗Ballet.
halben Kassenpreisen.
(Ludwig Barnay.) Adolph Ernst⸗Theater.
von Adolph Ernst.
Dienstag: Zum 34. Male: frau. Clairville. 7 ½ Uhr.
Musik von Louis Operette in Musik kasse von 6 ½ Uhr ab.
und großem
Mittwoch: Die sieben Raben. Mittwoch, Nachmittags 3 ½ Uhr: Kinder⸗Vor⸗
☛ Bedeutend ermäßigte Preise. 2☚☚
Theater Unter den Linden. Zum 15. Male: Der NVI ersesre Operette Gilbert. Arthur Sullivan. Hierauf: Pierro⸗Gavotte. Ballet. Ubbs ꝛc. Grand pas de deux, getanzt von der Prima Ballerina Sgra. Elia und dem Primo
In Vorbereitung: Brahma. Phantastisches Aus⸗
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr:
Dienstag: 85. Male: Charley’s Tante. Schwank in 3 Acten von Brandon Thomas. — Hierauf: Die Bajazzi. Parodistische Posse mit Gesang in 1 Act von Ed. Jacobson und Benno Jacobson. In Scene gesetzt Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Charley’s Tante. Die Bajazzi.
Central-Theater. Direction: Richard Schult. mit Alte Jacobstraße Nr. 30.
Die eiserne Inug⸗
Posse mit Gesang in 3 Acten von Charles
Varney.
Mittwoch: Die eiserne Jungfrau. Tageskasse: Vormittags von 10 bis 2 Uhr. Abend⸗
Kunst und Wissenschaft.
Im Hörsaal des Königlichen , en Museums werden in den Monaten Januar bis März 1894 folgende öffentlichen Vorträge gehalten werden: Dr. Jaro Springer, „Glas und Glasmalerei“, 10 Vorträge, Donners⸗ tag Abends 8 ½ bis 9 ½ Uhr, Beginn: Donnerstag, den 4. Januar 1894; Dr. O. von Falke, „Geschichte des deutschen Kunstgewerbes“, 10 Vorträge, Freitag Abends 8 ¼ bis 9 ½ Uhr, Beginn: Freitag, den 5. Januar; Bibliothekar Dr. P. Jes f en, „Das Ornament der deutschen Renaissance“
10 Vorträge, Montag Abends 8 ½ bis 9 ½ Uhr, Beginn! Montag, den 8. Januar.
— Der Verein für deutsches Kunstgewerbe veranstaltet am Mittwoch, 13. d. M., einen Fachabend für Schlosser und Kunstschmiede, an welchem außer älteren Kunstschmiedearbeiten aus dem Königlichen Kunstgewerbe⸗Museum neuere Kunstschmiede⸗ arbeiten (Beleuchtungskörper, Gitter u. a.) von den Firmen Maxr Böttcher, Ferd. Paul Krüger, Langer u. Methling u. a. zur Aus⸗ stellung gelangen werden. Ingenieur F. Spengler wird neuere Kunst⸗ schlösser vorlegen und erläutern und Bibliothekar Dr. Jessen einen Vortrag über die Formen des Schmiedeeisens seit der Renaissance halten. Die Sitzung findet statt im großen Saale des Architekten⸗ hauses, 8 ½ Uhr Abends.
— Anläßlich des 70. Geburtstags übersandte Seine Majestät
der Kaiser dem Professor Max Müller in Oxford ein Glück. wunsch⸗Telegramm, welches nach der „A. C.“ folgenden Wortlaut
hat: „Dem großen Gelehrten, dem treuen Patrioten und dem hoch⸗
verehrten Manne bringe Ich zur Vollendung seines siebenzigsten Lebensjahres die innigsten Glück⸗ und Segenswünsche dar. Mögen noch manche Späne der deutschen Werkstätte uns Laien aus dem Lande der Forschung durch des Meisters Hand beschieden sein. Wilhelm. I. R.
Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen. 8
Paris, 11. Dezember. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer dürften, wie in par⸗ lamentarischen Kreisen verlautet, weder der Socialisten⸗ antrag betreffs einer Strikeenquéte, noch der über die siamesische Angelegenheit zur Sprache kommen und nur die von der Regierung einzubringenden Vorlagen über eine Verschärfung des Preßgesetzes sowie über eine Creditforderung behufs Vermehrung der Polizei zur Bekämpfung der Anarchistengefahr zur Berathung gelangen. —
Montevideo, 10. Dezember. (W. T. B.) Aus Rio de Janeiro ist hier die ha Nachricht eingelaufen, daß Admiral Saldanha sich am 9. d. M. mit der stark armirten Insel Cobras und einer Corvette der Insurrection an⸗ geschlossen habe. Ein Manifest des Admirals gebe dem Volkswillen die Wahl der künftigen Regierung anheim.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
Ballet. Circus Nenz (Carlstraße). Dienstag, Abends
7 ¼ Uhr: Große Extra⸗Vorstellung.
U. a.: 6 Rappen und Caroussel von 30 Pferden, vorgeführt von Herrn R. Renz. Der Stric pringer „Elimar“, vorgeführt von Fräulein Oceana Renz. „Cyd“, geritten von Herrn R. Renz. Die hobe
chule, geritten von Frau Renz⸗Stark. Die Akro⸗ baten Gebr. Frediani. Die Reckkünstlerinnen Ge⸗ schwister Hoffmann. Der musikalische Clown Her⸗ mann. Der hochkomische Clown⸗Imitator Mr.
Zum Schluß der Vorstellung:
☛ Huldigungsgruß an Berlin. ☚ Großes Paradeschaustück mit Festspielen, Aufzügen, Solo⸗ und Ensembletänzen von 80 Damen, arrangirt vom Director Franz Renz.
Gewöhnliche Preise.
Billet⸗Vorverkauf an der Circuskasse und beim Invalidendank, Markgrafenstraße 51a.
Mittwoch: Grande Soirée equestre
Dienstag: Musik von
Die Kosakin.
Vorstellung zu
Zum 3
Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Edith Taplin mit Hrn. Stadt⸗ Bauinspector Friedrich Kullrich (Oberlahnstein — Dortmund). — Frl. Dora Laasch mit Hrn. Predigtamts⸗Candidaten Axel von Boltenstern (Abtshagen bei Alt⸗Wieck). — Frl. Ella Egen
Hrn. Prem.⸗Lieut. Sittig Schmidt von Knobelsdorf (Düsseldorf). — Frl. Marie Bloch von Blottnitz mit Hrn. Prem.⸗Lieut. Marggraff (Breslau—Lissa in Posen). — Frl. Selly Schultze mit Hrn. Gerichts⸗Assessor Paul Schneider (Berlin — Brieg).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Landrath Bötticher (Querfurt). — Hrn. Amtsrichter Dr. Muskat (Gottesberg). — Hrn. Amtsrichter Hofmann (Guhrau). — Eine Tochter: Hrn. Gustav von
Anfang
Anfang 7 Uhr. Operette in 3 Acten.
hausen, unter Herrn Fritz Masbach.
Anfang 7 ½ Uhr:
Vorletzte Woche. Herrn Robert Freund.
Ein Liebesdrama in 3 Acten In Scene gesetzt von Sigmund
von Wagner. 1 Nimmer“, 7/1i. „Der Trompeter
Carnier). von Riegg (Herr Werner).
Romantisches
Concerte.
Sing-Akademie. Dienstag, Anfang 8 Uhr⸗
Concert der Sängerin Anna Jensen⸗Mehl⸗ Mitwirkung des Klaviervirtuosen
Saal Bechstein, Linkstraße 42.
Concert von Theodor Krelle
(Violine), unter gütiger Mitwirkung der Altistin
Fräulein Clara Schacht sowie der 8
Jedliczka (Klavier), Königl. Kammermusiker Emil
Prill (Flöte) und Hugo Rüdel (Horn). Donnerstag: II. Concert des Klaviervirtuosen
Concert⸗-Haus, Leipzigerstraße 48. Dienstag: Karl Meyder⸗Concert. Anfang 7 Uhr.
Ouv. „Nachklänge von Ossian“ von Gade. „Rienzi“ za⸗ Fühenond, 88b Fünh Phantasie 8 aus „Der Freischütz“ von eber.
8 — sesscht Waldteufel. von Säkkingen“ von „Wiegenlied“, für die Violine von Hauser (Herr „Das weiß nur ich allein“, für Piston
Ruffer (Kokoschütz). — Hrn. Pastor Martin Pfannschmidt (Terpt bei Lübben). — Hrn. Weitzel von Mundersbach (Osterwein). — Hrn. Carl von Wallenberg⸗Pachaly (Schmolz).
Gestorben: Fr. Henriette von Röder, geb. von Hartz (Hoym). — Verw. Fr. Marie Weitzel von Mudersbach, geb. Türcke (Wiesbaden). — Hr. Amtsgerichts⸗Rath und Hauptmann a. D. Emil Rabert (Berlin). — Hr. Landgerichts⸗Rath a. D. Otto Markstein (Berlin). — Fr. Landgerichts⸗ Rath Ernestine Kühnas, geb. Leupold (Berlin).
erren Dr. E. — Hrn. Gymnasial⸗Director Dr. Larisch Tochter
Elisabeth (Gr.⸗Strehlitz). — Fr. Marie von
Woyrsch, geb. Freiin Roth von Schreckenstein
(Guhrau).
Dienstag,
Redacteur: Dr. H. Klee, Director.
Verlag der Expedition (Scholz). W
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.
Sieben Beilagen
seinschließlich Börsen⸗Beilage).
„Immer oder Phantasie aus Neßler.
1
(1894 )
Deutscher Reichstag.
16. Sitzung vom Sonnabend, 9. Dezember, 2 Uhr.
Der Sitzung “ bei die Staatssecretäre Dr. von Boetticher und Freiherr von Marschall. Zur Berathung steht folgender Antrag des Centrums:
1) die verbündeten Regierungen zu ersuchen, mit Rücksicht auf ie allenthalben in den betheiligten Kreisen bestehenden schweren
Klagen über das Gesetz, betreffend die Invaliditäts⸗ und Alters⸗ versicherung, vom 22. Juni 1889 Erhebungen zu veranstalten, in⸗ wieweit eine E dieses Gesetzes, insbesondere in Bezug auf
Ausdehnung und Organisation der Versicherung erforderlich erscheint,
und auf Grund dieser Erhebungen thunlichst bald dem Reichstag
inen bezüglichen Gesetzentwurf vorzulegen;
2) der Erwartung Ausdruck zu geben, daß die seitens der ver⸗ verbündeten Regierungen in Aussicht gestellte Novelle zu den Un⸗ “ möglichst noch in dieser Session dem Reichs⸗
age zugehe. — und gleichzeitig der Antrag des Abg. von Staudy (dcons.):
„Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, baldmöglichst dem Reichstag einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen das Gesetz, betreffend die Invaliditäts⸗ und Altersversicherung vom 22. Juni 1889 dahin geändert wird, daß eine Vereinfachung desselben, ins⸗ besondere durch Beseitigung der Mißstände, welche eine nothwendige olge des Markensystems sind, herbeigeführt werde.
Abg. Aichbichler (Centr.) begründet den Antrag des Centrums damit, daß die Inpaliditätsversicherung große Unzufriedenheit erregt hat, namentlich in Bayern, sodaß schon im vorigen Jahre Petitionen aus Nürnberg mit mehr als 200 000 Unterschriften an den Reichstag sese hag welche die Aufhebung des Gesetzes verlangten. Die Ver⸗
8 2*
icherung ist belastend für Handwerk, Kleingewerbe und Landwirth⸗ schaft, für welche letztere die Kosten ungefähr der Grundsteuer sich gleichstellen. Die Arbeitgeber und Arbeiter sind unzufrieden. Hätte man das Umlage⸗ statt des Deckungsverfahrens eingeführt, so wäre die Belastung eine geringere. Auch die Belastung der Gemeindeorgane durch das Schreibwerk ist unerträglich, das Unerträglichste aber das Klebe⸗ wesen, welches man vielleicht ganz beseitigen oder doch durch Vier⸗ wochen⸗ oder Vierteljahrsmarken etwas erleichtern könnte. Besonders hoch sind auch die Verwaltungskosten, nicht gerade in Bayern, wo man sich sparsam eingerichtet hat, aber in anderen Versicherungsanstalten. Erhebungen über die endlosen Klagen sollten angestellt werden. Auf⸗ heben kann man das Gesetz nicht ohne weiteres, weil inzwischen Rechts⸗ ansprüche entstanden sind. Aber es wäre vielleicht möglich, das Princip der Freiwilligkeit zur Geltung zu bringen, namentlich für die Land⸗ wirthschaft und das kleine Handwerk. Besonders dringend noth⸗ wendig ist aber die Novelle zur Unfallversicherung, welche von der Regierung schon lange versprochen ist. Falls das Heilverfahren vor Beendigung der 13 wöchigen Karenzzeit beendet ist, ohne daß die Ar⸗ beitsfähigkeit wiedererlangt ist, so muß eine Rente gewährt werden; jetzt fällt das Krankengeld weg mit der Beendigung der Heilung. Ferner müßten im Interesse der Landwirthschaft die aushilfsweise in der Landwirthschaft beschäftigten Bauhandwerker nach den Sätzen für das Bauhandwerk, nicht nach den niedrigeren landwirthschaftlichen Löhnen entschädigt werden. Der Antrag der Conservativen sei ent⸗ sprechend dem Antrage des Centrums; wenn die Regierung ohne be⸗ sondere Erhebungen an eine Revision des Invalidenversicherungsgesetzes gehen wolle, so habe er nichts dagegen. Redner bittet um Annahme des Antrags.
Abg. von Staudy (dcons.): Den Conservativen hat man immer den Vorwurf gemacht, daß sie selbst für die Invalidenversicherung ge⸗ stimmt hätten. Es handelte sich bei diesem Gesetze um eine Geistes⸗ arbeit ersten Ranges; es wurde damals von allen Seiten, auch von der Regierung, anerkannt, daß man hier einen Sprung ins Dunkle thue, daß nach einigen Jahren eine Revision des Gesetzes nothwendig werden könne. Also eine Inconsequenz der conservativen Partei liegt durchaus nicht vor, wenn sie jetzt eine Revision des Gesetzes verlangt. Der Antrag der Conservativen betrifft Punkte, die schon bei der Be⸗ rathung des Gesetzes zu den umstrittensten gehörten, gegen die ein Theil der Deutschconservativen sich eifrig gesträubt hat und die einzelnen Conservative schließlich dazu gebracht haben, gegen das ganze Gesetz zu stimmen. Redner habe sich damals der Abstimmung ent⸗ halten, aber die Erklärung abgegeben, daß er seine Stimme gegen das Gesetz abgeben würde, wenn er dasselbe dadurch zu Falle bringen könne. Der Widerstand betrifft nicht die wohlthätige Tendenz und die eminent socialpolitische Bedeutung, sondern nur die Construction des Gesetzes, und nur gegen diese richtet sich die weit verbreitete Unzufriedenheit im Volke, welche so groß ist, daß die Schwierigkeiten einer Neuordnung nicht gescheut werden dürfen. Der Antrag des Centrums geht nicht weit genug. Das Markensystem ist unhaltbar und der ganze Mechanismus so compli⸗ cirt, daß dadurch die Verwaltungskosten sehr erheblich sind. Auf 13 Millionen Mark Renten kommen nicht weniger als 3 692 000 ℳ unmittelbare Verwaltungskosten, wozu noch 908 000 ℳ an weiteren Verwaltungsabgaben hinzutreten, welche zusammen also 4 600 000 ₰ oder erheblich mehr als ¼ der Renten betragen. Zu verkennen ist natürlich nicht, daß die Rentenerträge erheblich wachsen werden, sodaß die Kosten sich entsprechend steigern. Das Markenwesen ist unerträglich und besonders für den kleinen Mann sehr belastend; er kann sich nicht mit all den einschlagenden Bestimmungen ver⸗ traut machen. Dadurch entstehen Fehler; es kommen Rückfragen und Erinnerungen der Behörden und schließlich Strafen, die die rößte Erbitterung hervorrufen. Die Arbeiter sehen den Beitrag als Abzug vom Lohn an und dadurch wird das gute Verhältniß zwischen Arbeit⸗ geber und Arbeitnehmer gestört. Ferner kommt dazu, daß der Ver⸗ dacht herrscht, daß mit den Marken Malversationen vorkommen, die niemals controlirt werden können. Daher kommt es, daß das Klebegesetz ein verhaßtes ist, daß bei den Reichstagswahlen keine Interpellation häufiger kam als die: Kann das Klebe⸗ geset nicht geändert werden? Durch die Beseitigung des Marken⸗ vstems würde allerdings ein gewaltiger Einbruch in die ganze Organisation der Versicherung stattfinden. Man hatte das Kapital⸗
1 deckungsverfahren beschlossen und ging dabei von der Annahme aus, daß für den Beharrungszustand ein Kapital von 1 ¼ Milliarde ange⸗ sammelt werden soll; dafür nahm man einen Zeitraum von 50 Jahren in Aussicht. Es zeigt sich jetzt, daß die Kapitalansammlung viel zu schnell erfolgt; das beweist der Vermögensstand der Versicherungs⸗ anstalten. Ein Uebelstand ist die gleichartige Belastung im Westen wie im Osten; das Geld hat einen anderen Werth im Westen wie im Osten. Dazu kommen die Absatzverhältnisse, die im Osten nicht so günstig sind wie im verkehrsreichen Westen. Gerade die Gegenden, wo es noch gar keine Socialdemokratie giebt, sind am meisten belastet durch die Versicherung, die bestimmt ist, die Social⸗ emokratie zu bekämpfen. Die Belastung kommt im Osten fast voll⸗ ständig der Grundsteuer gleich. Es kommen aber manchmal 150 % der Grundsteuer heraus. Deshald muß die Methode der Aufbringung der Mittel geändert werden. In dem Antrage ist allerdings davon dnichts gesagt; es ist für eine Fraction schwierig, einen beimmmen Vorschlag zu machen. Nur die verbündeten Regierungen sind der Lage, an die Aenderung eines solchen Gesetzes heranzutreten. Der Einwand, daß es nicht anders geht als mit Markenkleben, darf erdings nicht geltend gemacht werden. Ich persönlich denke dabei
n ein Umlageverfahren, welches die Verhältnisse jedes Einzelnen be⸗
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rücksichtigt. Dazu müßte natürlich die Wartezeit abgeschafft werden; an ihre Stelle müßte die Fiction treten, daß der Arbeiter bis zu dem Zeitpunkt gearbeitet hat, in welchem er die Rente beantragt. „Höchstens kann man die Rente versagen, wenn be⸗ stimmte Dinge nachgewiesen werden können: schwere Bestrafung und namentlich der Umstand, daß der Betreffende schon lange von Armenunterstützungen gelebt hat. Wenn wirklich einmal eine Rente zu Unrecht gegeben wird, so ist das nicht so schlimm als die über⸗ mäßige Strenge, die jetzt angewendet wird, wenn ein Arbeiter nicht nachweisen kann, daß er diese oder jene Bedingungen erfüllt habe. Man wird auch vielleicht zur Normalrente zurückkehren können, für welche bei Berathung des Gesetzes ein großer Theil des Hauses ein⸗ getreten ist. Gegen alle diese Dinge können erhebliche Einwendungen gemacht werden. Eine Commissionsberathung ist nicht nothwendig, sie hätte auch keinen Zweck, weil die Commission doch nicht im stande wäre, speciellere Vorschläge zu machen.
Steaatssecretär Dr. von Boetticher:
Meine Herren! Gestatten Sie mir, daß ich einiges zur Ver⸗ theidigung meines Kindes oder vielmehr unseres Kindes sage, denn der Reichstag oder wenigstens der frühere Reichstag, der im Jahre 1889 dieses Gesetz verabschiedet hat, ist erheblich an der Zeugung be⸗ theiligt; und wenn der Junge auch nicht ganz so gerathen ist, wie seine Herren Eltern damals gehofft und gewünscht haben, so läßt sich doch manches zu seinen Gunsten sagen und das öffentliche Urtheil ist auch nicht ungetheilt so ungünstig, wie es nach den Darstellungen der Herren Vorredner erscheinen könnte. Wenn ich mich nun auch darauf beschränken könnte, einfach zu erklären: wir sind bereit, die Mängel, die wir an dem Gesetze entdeckt, unter Ihrer Mitwirkung abzustellen, so fühle ich mich doch berufen, schon jetzt einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Vorredners zu machen, weil ich glaube, daß bei diesen und auch bei der diesen Ausführungen zu Grunde liegenden Auffassung, wie sie im Lande besteht, doch manche Mißverständnisse und Mängel in der Kenntniß des Gesetzes mit unterlaufen.
Der Herr Vorredner — und ich bin ihm dankbar dafür — hat darauf hingewiesen, daß er damals, als wir den Gesetzesvorschlag über die Versicherung der Arbeiter gegen die witthschaft⸗ lichen Nachtheile des Alters und der Invalidität brachten. in gewissem Maße einen Sprung ins Dunkle thaten. Wir hatten kein Vorbild, es gab in keinem Lande eine Gesetzgebung, die wir als Anhalt für unsere Entschlüsse hätten benutzen können, und wir mußten uns daher auf einem vollständig fremden Gebiete selbst einen Weg
—suchen. Daß dieser Weg ursprünglich in vielen Beziehungen ein
anderer war, als er schließlich bei der Verabschiedung des Gesetzes eingeschlagen ist, nehme ich weder den Herren übel, die das pro, noch denen die das contra der einzelnen Vorschläge betont haben; denn wie gesagt: wir alle, Reichstag und Bundesrath, be⸗ fanden uns auf einer terra incognita, und ich würde mich garnicht gewundert haben, wenn der Erfolg der gesetzgeberischen Maßregel ein solcher gewesen wäre, daß man sich hätte sagen müssen: das Gesetz muß von Grund aus geändert werden! Ein solcher Erfolg ist denn aber doch nicht eingetreten.
Ich gebe die Thatsache bereitwillig zu, daß in weiten Kreisen des Reichs Mißstimmung über die Auflagen, die das Gesetz der interessirten Bevölkerung auferlegt, besteht. In anderen Kreisen besteht aber eine solche Mißstimmung nicht, und ich schreibe das wesentlich dem Um⸗ stande zu, daß man sich in diesen letzteren Kreisen, soweit es sich dabei um territoriale Abschnitte handelt, dazu verstanden hat, von den Hilfsmitteln, welche das Gesetz selbst schon an die Hand giebt, um die Unbequemlichkeiten zu vermindern, die naturgemäß mit einer solchen Auflage, wie das Gesetz sie macht, verbunden sind, — einen ausgiebigen Gebrauch zu machen. Ich kann, meine Herren, beispielsweise versichern, daß im Königreich Sachsen, im Großherzog⸗ thum Baden, im Königreich Württemberg, in verschiedenen Districten der preußischen Monarchie — ich will z. B. nur eine Stadt nennen, über deren Verhältnisse bezüglich der Alters⸗ und Invaliditätsversicherung ich genau unterrichtet bin, das ist die Stadt Hildesheim —, auch nicht die Spur einer Klage über das Markensystem besteht, und zwar eben deshalb, weil man dort dazu übergegangen ist, von der Befugniß, welche das Gesetz selbst an die Hand giebt, um das Markenkleben dem Arbeit⸗ geber abzunehmen und den Krankenkassen, Gemeinden oder besonderen Hebestellen zu übertragen, Gebrauch zu machen.
Ich will nun freilich weiter bereitwillig zugeben, daß eine solche Ordnung, wie sie nach den §§ 112 und 113 des Gesetzes zulässig ist, und die in der Hauptsache darin besteht, daß man zur Verwendung der Marken nicht den Arbeitgeber zwingt, sondern daß man dies Ge⸗ schäft in die Hand der Krankenkassen, der Gemeinden resp. besonderen von der Versicherungsanstalt angestellten Organe legt, — ich sage: ich will bereitwillig zugeben, daß man nicht überall von diesem Hilfs⸗ mittel Gebrauch machen kann, und ich denke dabei namentlich an unsere großen ländlichen Gutsbezirke, in denen es ganz gleich ist, ob der Gutsherr als Arbeitgeber oder als Gutsobrigkeit klebt — in beiden Fällen ist ihm die Sache unbequem. Allein, meine Herren, so oft und so eingehend ich auch erwogen habe: wie sind die Mißstände, die nun einmal von dem interessirten Theil der Bevpölkerung als besonders empfindlich be⸗ trachtet werden, zu vermeiden? — so wenig ist es mir bisher ge⸗ lungen, etwas Besseres zu finden, und — die Herren Vorredner mögen es mir verzeihen — auch durch ihre Ausführungen bin ich nicht dar⸗ über aufgeklärt worden, was etwa besser zu machen wäre.
Herr von Staudy hat einen etwas radicalen Vorschlag gemacht, der allerdings, wenn man ihn annimmt, dazu führt, das ganze Markensystem zu beseitigen. Herr von Staudy stellt sich auf den Standpunkt: jeder Arbeiter soll eine Rente bekommen, und wenn die Sache hierdurch vereinfacht wird, so ist es mir ganz gleich, ob er auch sein Leben lang gefaulenzt hat; der Herr Abgeord⸗ nete zieht einen solchen Zustand dem jetzigen Zustande, wo nur der fleißige Arbeiter nach Maßgabe der von ihm zurückgelegten Arbeitszeit mit einer Rente bedacht wird, vor, weil mit ihrem jetzigen Zustande einige Weiterungen und Schwierigkeiten sind, in denen er eine Schererei für die
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Staats⸗Anzeiger.
1893
Bevölkerung erblickt. Ja, meine Herren, dann kommen wir auf ein ganz anderes Princip, als dasjenige, von dem Reichstag und Bundes⸗ rath bei der Gestaltung dieses Gesetzes ausgegangen sind. Damals — und die Herren, die den Berathungen beigewohnt haben, werden mir das bezeugen — war man übereinstimmend der Meinung: die Inva⸗ lidenrente und die Altersrente, die durch dieses Gesetz dem Arbeiter gewährt wird, dürfe niemals den Charakter einer Prämie auf die Faulheit annehmen, und es sei socialpolitisch und moralisch von der allergrößten Wichtigkeit, daß man die Rente steigen lasse nach Maß
gabe der eigenen Leistungen des Rentenempfängers. Wollen wir diese
Grundsatz verlassen? Ich glaube kaum, daß der Reichstag sich daz
entschließen würde. Denn wenn er das wollte, so müßie e
sich auch darüber klar werden, daß die von dem Gesetz beabsichtigte Sicherstellung einer Alters⸗ und Invalidenrent
nichts weiter mehr wäre, als eine öffentliche Fürsorge für hilf
bedürftige Arbeiter nach Art der Armenpflege, und daß wir dann das Geschäft weit bequemer haben könnten, wenn wir nach dem social⸗ demokratischen Ziel einfach den Staat verpflichten, jedem Menschen bei Eintritt seiner Hilfsbedürftigkeit infolge von Invalidität und 8 Alter eine Rente von einer bestimmten Höhe zu geben. Daß das kolossale Summen und auch einen großen Arbeitsapparat erfordern würde, darüber kann kein Zweifel sein.
Nun hat Herr von Staudy noch einen anderen Vorschlag. Er sagt: Wenn man nur das gegenwärtige Prämienverfahren aufgeben wollte und zu einem Umlageverfahren übergehen! Ja, meine Herren, die Marke an sich wird man, sofern man nicht gleichzeitig den zweiten soeben von mir berührten Schritt thut, dadurch noch nicht los, daß man ein anderes Berechnungsverfahren für die Beiträge einschlägt, und deshalb zum Umlageverfahren übergeht. Denn bleibt man bei dem Princip des Gesetzes, nach welchem sich die Rente abstuft nach Maßgabe der Beitragsdauer, so muß man dem Arbeiter auch die Möglichkeit geben, den Nachweis zu führen, er habe während der und der Zeit in Arbeit gestanden und seine Beiträge gezahlt, mag man dabei die Beiträge nach dem einen oder dem anderen Verfahren be⸗ rechnen. Diesen Nachweis aber ermöglicht gerade das sogenannte Markensystem. Also das Markensystem wird man mit der Annahme des Umlageverfahrens nicht los. 8
Nun aber die Kehrseite von dem Umlageverfahren! Ich habe hier eine Zusammenstellung vor mir, aus welcher sich überschläglich er⸗ giebt, wie sich die Belastung bei den verschiedenen Verfahrensarten für die Beitragsberechnung stellt. Das Prämienverfahren würde dauernd gleiche Beiträge in Höhe von jährlich rund 120 Millionen Mark bedingen; das Kapitaldeckungsverfahren nach Perioden, wie wir es jetzt haben, erfordert für die erste zehnjährige Periode durchschnitt⸗ lich jährlich rund 90 Millionen; beim Umlageverfahren dagegen würde die Last vom ersten Jahre ab bis zum Beharrungs⸗ zustande im Verhältniß von 7,6 zu 158, also um nicht weniger als etwa das Einundzwanzigfache des ersten Jahresbedarfs, steigen. Es ist also klar, daß man durch das Umlageverfahren zwar die Gegenwart entlastet — die würde dann weniger aufzubringen haben — die Zukunft dagegen, und zwar alle Zukunft, mit einem sehr erheblich höheren Betrag belastet, als nach den anderen Verfahrensarten er⸗ forderlich ist. Dabei würden außerdem die Beiträge sehr schnell an⸗ wachsen und fortwährend sich ändern.
Also, meine Herren, wenn wir an eine Correctur dieser Gesetz⸗ gebung demnächst herantreten werden, so wird es sehr ernst⸗ licher Erwägung bedürfen, ob es wirklich gerathen ist, die unserem Gesetz zu Grunde liegenden Principien zu ändern. Wenn man aber die Grundlagen dieses Gesetzes nicht verlassen will, so habe ich bis jetzt — und ich wiederhole es, ich beschäftige mich viel mit diesen Dingen — weder in der wissenschaftlichen Literatur noch in den Petitionen auch nur einen Vorschlag entdeckt, der für die Durchführung der Grundsätze bequemere und gangbarere Wege wiese, als dies Gesetz eingeschlagen hat.
Wenn man sich nun andererseits vergegenwärtigt, daß man auch unter Beibehaltung der Grundlagen des Gesetzes in vielen Beziehungen — darüber sind wir heute schon klar — einige Erleichterungen für die Arbeitgeber und auch für die Arbeiter einführen kann — beispiels⸗ weise will ich darauf hinweisen, daß im Falle der Einziehung der Beiträge durch Hebestellen u. s. w. hinsichtlich der Beitragsantheile der ständigen Arbeiter etwas Aehnliches vorgesehen werden könnte, wie schon jetzt hinsichtlich der Beitragsantheile unständiger Arbeiter —, so, glaube ich, wird man in der Hauptsache dazu kommen, die Principien beizubehalten und nur im einzelnen zu corrigiren.
Nun werde ich mir gestatten, noch auf einzelne Bemerkungen der beiden Herren Vorredner einzugehen, bei denen ich, wie gesagt, keine falschen Vorstellungen aufrecht erhalten zu sehen wünsche.
Der Herr Abg. Aichbichler hat von einer großen Belastung der Gemeinden gesprochen, die mit dem Gesetze verbunden sei. Das ist mir nicht recht klar geworden; ich würde ihm dankbar dafür sein, wenn er mir sagte, worin diese Belastung der Ge⸗ meinden besteht. Ich kann zugeben, daß eine Geschäftsbelastung der Gemeindevorstände eintritt in Bezug auf die Ausstellung von Quittungskarten, auf die Controle und während der jetzt im wesent⸗ lichen überwundenen Uebergangszeit auch hinsichtlich der Ausstellung von Bescheinigungen über vorgesetzliche Arbeitszeit; aber die Ge⸗ meinden als solche sind durch das Gesetz in keiner Weise belastet.
Dann ist die Höhe der Verwaltungskosten bemängelt. Ja, ich mache diesen Klagen gegenüber doch darauf aufmerksam, daß die Ver⸗ waltungskosten nach den uns bisher vorliegenden Uebersichten über die Jahre, welche seit dem Bestehen der Alters⸗ und Invaliditätsversiche⸗ rung vergangen sind, weit hinter der Annahme zurückbleiben, von der wir beim Erlaß des Gesetzes ausgegangen sind. Aus der mir vorliegenden Nachweisung ergiebt sich — und ich glaube, der Herr Abg. Aichbichler hat dessen auch schon gedacht —, daß die Belastung mit Verwaltungskosten im Durchschnitt den Versicherungs⸗ anstalten pro Kopf der Versicherten nur 40 ₰ oder, wenn man zu
G den Verwaltungskosten noch einige weitere Ausgaben rechnet, nur 49 ₰