1893 / 308 p. 20 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 28 Dec 1893 18:00:01 GMT) scan diff

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nommen sind, und daß eine Ergänzung nur durch Aufnahme der hr empfohlenen Bestimmungen nothwendig ist, die einer weiteren Erläuterung nicht bedürfen. Die Berliner Börsenordnung schreibt für die Fälle, in denen die Verurtheilung erfolgt ist, weil der Schuldner durch Spiel oder Differenzhandel übermäßige Summen verbraucht hat oder schuldig geworden ist, eine Mindestdauer der Ausschließung von 6 Monaten vor. Die Commission war zwar der Meinung, daß eine solche Mindestdauer für diese Fälle in der Regel angemessen ist, lehnte es aber ab, durch Aufnahme einer Bestimmung die Börsenbehörde für alle Fälle zu binden. b

Zu einer eingehenderen Erörterung gab die bei manchen Börsen besteheide Praxis Veranlassung, die Beseitigung der Zahlungsunfähig⸗ keit schon dann als dargethan anzusehen, wenn diejenigen unbefriedigt gebliebenen Gläubiger, welche Mitglieder der betreffenden Börse sind, dem Zahlungsunfähigen bescheinigen, daß sie sich mit ihm geeinigt und gegen seine Wiederzulassung zur Börse Bedenken nicht zu erheben hätten. Die Commission hielt diese Praxis deshalb für bedenklich, weil diese Bescheinigung oft zu dem Zweck ausgestellt wird, dem Zahlungsunfähigen das Börsenspiel zu ermöglichen, und weil diese Praxis naturgemäß dahin führen muß, daß die Zahlungsunfähigen in erster Reihe die Mitglieder der Börse befriedigen, um durch deren Bescheinigung über ihre Befriedigung die Wiederzulassung zur Börse zu erlangen. Die Commission hielt deshalb eine strengere Prüfung der stattgehabten Befriedigung der Gläubiger, namentlich auch der außerhalb der Börse stehenden, für geboten, ohne gerade den schwer zu führenden voll⸗ ständigen Nachweis dieser Befriedigung zu fordern. Insbesondere wurde hierfür noch geltend gemacht, daß gerade unter den zahlungs⸗ unfähig Gewordenen sich auch solche Elemente befinden könnten, welche sich zu bedenklichen Manipulationen für die Beeinflussung der Curse, z. B. durch Hinauf⸗ oder Herunterschreien der Curse, hergäben. Von anderer Seite wurde darauf hingewiesen, daß man in der Forderung des Nachweises der Befriedigung der Gläubiger nicht zu weit gehen dürfe, weil die Gläubiger oft aus Mitleid veranlaßt würden, auf die Geltendmachung ihrer Forderungen zu verzichten, und in vielen Fällen die in Vermögensverfall Gerathenen nicht an die Börse kämen, um von neuem Speculationsgeschäfte in großem Umfange zu betreiben, wozu es ihnen schon an dem nöthigen Credit fehle, sondern nur, um durch kleine Commissions⸗ und Vermittelungsgeschäfte ihre Existenz zu fristen. Die Mehrheit der Commission erkannte diesen Aus⸗ führungen eine gewisse Berechtigung zu, glaubte aber, daß den Rück⸗ sichten auf die Erhaltung der Existenz dieser Personen auf andere Weise genügend Rechnung getragen werden könne. ¹)

Ferner wurde von mehreren Seiten angeregt, ob nicht im Falle der Zahlungseinstellung die Wiedergewährung des Zutritts zur Börse vom Nachweise des unverschuldeten Gerathens in jenen Zustand ab⸗ hängig zu machen und außerdem ohne Rücksicht auf einen etwaigen Erlaß der Schulden seitens der Gläubiger die erfolgte Zahlung eines erheblichen Procentsatzes der Schulden zu erfordern sein solle.

Die Commission erachtete es allerdings insbesondere in letzterer Beziehung für wünschenswerth, daß in Zukunft weniger häufig, als bisher, auf die bloße Bezahlung eines geringen Procentsatzes der Schulden hin der Zutritt wieder gewährt werde. Indessen trug sie Bedenken dagegen, solche ins einzelne gehende Vorschriften für die Börsenordnungen als Normativbestimmungen, worauf es doch hier allein ankommt, aufzustellen. .

4) Börsendisciplin.

Während die Commission die Zulassung zum Börsenbesuch den Börsenordnungen glaubte überlassen zu können, hielt sie die Regelung der Börsendisciplin im Wege der Reichsgesetzgebung für geboten, nicht bloß weil sie der Ansicht war, daß in dieser Beziehung für ganz Deutschland gleiches Recht gelten muß, sondern auch, weil der von der Commission befürwortete Börsendisciplinarhof auf gesetzlicher Grund⸗ lage beruhen und ausgebaut werden muß, um eine ersprießliche Thätig⸗ keit entfalten zu können. Die Auffassung, daß, wenn sich an einzelnen Börsen das Bedürfniß nach einer Verschärfung der Börsendisciplin herausgestellt habe, die Bestimmungen hierüber den Landesregierungen überlassen werden möchten, um die volle Berücksichtigung der örtlichen Bedürfnisse und Anschauungen zu ermöglichen, fand nicht die Zustim⸗ mung der Commissi 1

Im allgemeinen

Der Beschluß, daß die mit der unmittelbaren Aufsicht über die Börse betrauten Organe die Disciplinargewalt in derselben zu üben haben, entspricht der gegenwärtig bei allen, denjenigen Börsen be⸗ stehenden Uebung, deren unmittelbare Beaufsichtigung bestimmten Handelsorganen übertragen worden ist. Nach den gefaßten Beschlüssen soll zwar das Recht und die Pflicht der Aufsicht über die Börsen den Landesregierungen zustehen; die Commission ging aber von der Vor⸗ aussetzung aus, daß die Landesregierungen im allgemeinen die unmittel⸗ bare Aufsicht den Handelsorganen übertragen würden. Zur wirk⸗ samen Ausübung dieser Aufsicht ist die Uebertragung einer gewissen Disciplinargewalt auf die mit derselben betrauten Organe nothwendig. Die Aufrechterhaltung der Ordnung und des Geschäftsverkehrs in der Börse erheischt oft ein schleuniges Einschreiten gegen Verfehlungen und Ausschreitungen der Börsenbesucher. Die Börsenbehörde muß demgemäß befugt sein, derartige Verfehlungen sofort ahnden und die betreffenden Börsenbesucher von der Börse entfernen zu können. 8

b. Zuständigkeit des Börsendisciplinarhofes.

In Uebereinstimmung mit der großen Mehrzahl der Sachver⸗ ständigen hielt die Commission eine Verschärfung der Börsendisciplin für ein dringendes Bedürfniß und für eines der geeignetsten Mittel,

um die im Börsenverkehr hervorgetretenen Mißstände zu beseitigen:

2) diejenigen, gegen welche der Verlust der bürgerlichen Ehren⸗ rechte durch ein noch nicht rechtskräftiges Erkenntniß aus⸗ gesprochen ist;

3) diejenigen, gegen welche bei dem zuständigen Gericht wegen Verschwendung oder Geistesschwäche der Antrag auf Ent⸗ mündigung gestellt ist;

4) diejenigen, welche wegen einfachen Bankerutts rechtskräftig verurtheilt worden sind oder welche sich im Zustande der

Zahlungsunfähigkeit befinden. Dieser Zustand gilt bei einem Börsenbesucher ins⸗ besondere dann schog als eingetreten, wenn er seinen Gläubigern Accordvorschläge macht oder wenn er eine liquide und fällige Schuldverbindlichkeit unberichtigt ge⸗ lassen hat. In Abs. 3 1. c. heißt es:

In den Fällen zu 1 bis 3 dauert die Ausschließung so lange, bis der Ausschließungsgrund beseitigt ist. In den Fällen zu Nr. 4 ist die Ausschließungsfrist auf mindestens 3 Monate bis höchstens 3 Jahre zu bemessen. Auch nach Ablauf der festgesetzten Frist darf dem Ausgeschlossenen eine neue Börseneintrittskarte

nur dann ertheilt werden, wenn das Aeltesten⸗Collegium den Nachweis einer mit sämmtlichen Gläubigern durch Zahlung, Erlaß oder Stundung erfolgten Regulirung für geführt erachtet. In § 4 1. c. bheißt es: Die Börsen⸗Eintrittskarte darf nicht ertheilt werden an

1) und 2) ꝛc. 1

3) solche onen, welche sich nicht im Vollgenuß der bürger⸗ lichen Ehrenrechte befinden,

4) folche Personen, welche wegen Verschwendung oder Geistes⸗

schwäche entmündigt sind,

5) solche Personen, über deren Vermögen der Konkurs schwebt,

6) solche Personen, welche wegen betrüglichen Bankerutts rechts⸗ kräftig verurtheilt worden sind.

1) Für Verschärfung bei Bankerutt: S. 720, 723, 893, 1703, 2007, 2018, 2980, 2984, 3095, 3594. Für minder scharfe Behandlung: S

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nur über die Art und Weise, wie diese Verschärfung herbeizuführen sein möchte, gingen die Ansichten auseinander.

Von der einen Seite ¹) wurde es für ausreichend erachtet, wenn durch die Börsenordnungen den Börsenbehörden größere Disciplinar⸗ befugnisse beigelegt würden, sodaß dieselben in der Lage wären, gegen alle Verfehlungen wider die kaufmännische Ehre schnell und wirksam einzuschreiten.2) In dieser Beziehung seien die gegenwärtigen Vor⸗ schriften nicht ausreichend und entschieden reformbedürftig. Zunächst sei nach den gegenwärtigen Bestimmungen die Disciplinarbefugniß der Börsen⸗Aufsichtsorgane auf die an der Börse selbst vorgekommenen Verfehlungen und Ausschreitungen beschränkt; ferner unterlägen die Disciplinarentscheidungen der Anfechtung im Verwaltungs⸗Streit⸗ verfahren; dadurch würde die Wirkung der Strafe abgeschwächt und die schließliche Entscheidung in die Hand von Behörden gelegt, die dem kaufmännischen Leben und dem Verkehr an der Börse zu fern ständen, um ein sachverständiges Urtheil über die ihrer Entscheidung unterstellten Vergehen zu haben. Die Ausdehnung der Börsendisciplin auf Verletzung des kaufmännischen Anstandes in der Geschäftsgebahrung wurde von einer Seite überhaupt für bedenklich erachtet. Derartigen Handlungen müsse erforderlichen Falls durch auf den ganzen Handel sich erstreckende Maßregeln, nicht nur solche für den Börsenverkehr oder die Börsenbesucher entgegengetreten werden. Sonst würden gerade die bedenklichen Elemente sich von der Börse fernhalten und sich der zügelnden Controle ihrer Berufsgenossen und deren Einwirkung ent⸗ ziehen. Eine derartige Disciplin sei vielleicht bei corporativ verfaßten Börsen am Platz, nicht aber bei solchen, die ganz frei einem Jeden zugänglich seien. Auch sei die Grenze zwischen dem, was nach kauf⸗ männischen Ehr⸗ und Anstandsbegriffen zulässig sei und was nicht, eine sehr schwankende, vom subjectiven Gefühl abhängige. Die natur⸗ gemäße und angemessene Reaction gegen gesetzlich nicht strafbare, aber moralisch verwerfliche Handlungen müsse, wie im allgemeinen, so auch im Handels⸗ und speciell im Börsenverkehr durch Beurtheilung der⸗ selben durch die Oeffentlichkeit, insbesondere die Berufsgenossen, geübt werden.

Von anderer Seite³) wurde die Errichtung eines Ehrengerichts⸗ hofes befürwortet und darauf hingewiesen, daß, wenn derselbe ähnlich organisirt würde, wie die Ehrengerichte der Anwälte, gerade die vor⸗ getragenen Gesichtspunkte, insbesondere der Wunsch einer Beurtheilung durch Berufsgenossen, durchaus zur Berücksichtigung kämen, da ja in dem Ehrengerichtshof lediglich die Kaufleute und Börsenbesucher ver⸗ treten sein sollten.

Hiergegen wurde eingewandt, daß die für andere Berufszweige (Officiere, Anwälte) bestehenden Ehrengerichte auf einem gleichen öffentlichen Amte der demselben unterstellten Personen und der gleichen durch den Staat controlirten Vorbildung für dasselbe beruhten, während die Börsenbesucher Personen von sehr verschiedenem Bildungs⸗ grade und sehr verschiedener socialer Stellung wären, die nur örtlich vereinigt wären und nur zeitweise eine gewisse Gemeinsamkeit der

Interessen hätten, bei denen also eine derartige Gleichheit der sitt⸗

lichen Anschauungen nicht bestände, wie bei Offizieren und An⸗ wälten. ) 1

Die Commission war der Ansicht, daß diese Ausführungen eine gewisse Berechtigung haben, daß dieselben aber, wenn es sich nicht um ein Ehrengericht, sondern um einen Disciplinargerichtshof handelt, kein Hinderniß sind, alle Börsenbesucher unter die gleichen disciplinaren Vorschriften zu stellen, weil der Disciplinarhof die besonderen Ver⸗ 1. der einzelnen Börsenbesucher zu würdigen durchaus in der Lage ist.

Nach Ansicht der Commission sollen vor dem Disciplinarhof die⸗ jenigen Börsenbesucher zur Verantwortung gezogen werden, welche durch ihr Verhalten an der Börse oder bei Ausübung ihres Geschäfts⸗ betriebes die kaufmännische Ehre verletzen oder sich Handlungen zu schulden kommen lassen, welche sie der Achtung ihrer Standesgenossen berauben. Die Beschränkung der Thätigkeit des Disciplinarhofes auf die an der Börse selbst vorgekommenen Störungen und Verfehlungen wurde allseitig als durchaus unzureichend und materiell nicht gerecht⸗ fertigt bezeichnet. Wenn auch selbstverständlich nicht davon die Rede sein kann, Börsenbesucher wegen Handlungen vor dem Disciplinarhof zur Verantwortung zu ziehen, die mit der Ausübung ihres Geschäfts⸗ betriebes nicht in Verbindung stehen, so hielt man es doch allseitig für ein Bedürfniß, den gesammten Geschäftsbetrieb der Börsenbesucher unter die Controle ihrer Berufsgenossen bezw. des Disciplinar⸗ hoses zu stellen. Gerade in diesem Geschäftsbetriebe werden vielfach Handlungen begangen, die zwar nicht die Strafgesetze verletzen, die aber doch vom Standpunkt der öffentlichen Moral als unzulässig und verwerflich bezeichnet werden müssen. Die Interessen des großen Publikums verlangen in solchen Fällen ebenso eine entsprechende Ahn⸗ dung, wie die Interessen des Kaufmannstandes selbst, der jetzt vielfach unter den Ausschreitungen einzelner zu leiden hat. Der Kaufmannstand selbst hat demgemäß das dringendste IWG diese unsoliden, vertrauens⸗ unwürdigen Personen ausgeschlossen zu sehen, und muß wünschen, daß Handlungen, welche die kaufmännische Ehre verletzen, entsprechend ge⸗ ahndet werden. Daß zur Erreichung dieses Zweckes die bisherigen Bestimmungen unzureLchend sind, darüber besteht keine Meinungs⸗ verschiedenheit; fehlt doch schon den Börsenorganen das wichtigste Mittel, die Wahrheit festzustellen, nämlich die Möglichkeit der eid⸗ lichen Vernehmung von Zeugen. Es ist deshalb geboten, die Börsen⸗ disciplin zu verschärfen, das Verfahren vor dem Disciplinarhof zu regeln und Garantien dafür zu schaffen, daß die die kaufmännische Ehre verletzenden Handlungen in der That geahndet werden, und eine objective und eingehende Untersuchung der den Betreffenden zur Last gelegten Handlungen stattfindet.

c. Als zu ahndende Handlungen sind insbesondere anzusehen:

Die Frage, ob es sich empfehle, die börsendisciplinarisch zu ahnenden Handlungen besonders aufzuführen, begegnete in der Com⸗ mission einer verschiedenen Auffassung. Von der einen Seite wurde es für völlig ausreichend gehalten, wenn, so wie es unter b. geschehen sei, ausgesprochen würde, daß die die kaufmännische Ehre verletzenden Handlungen der disciplinaren Ahndung unterlägen; die Aufzahlung der einzelnen disciplinarisch zu ahndenden Handlungen erscheine deshalb bedenklich, weil dadurch der freien Würdigung dieser Handlungen durch den Disciplinarrichter zu enge Schranken gezogen seien.

Auf der anderen Seite glaubte man dieser Aufzählung in mehr⸗ facher Beziehung einen ganz besonderen Werth beilegen zu sollen. Die⸗ selbe erläutere zunächst die Ansichten der Commission und diene dazu, ihren Standpunkt auf vielen Gebieten, auf denen Mißstände hervor⸗ getreten seien, klar erkennbar zu machen. Mit Recht würde es die öffentliche Meinung im höchsten Maße befremden, wenn die Com⸗ mission es unterlassen würde, unzweideutig zum Ausdruck zu bringen, daß sie sich mit den hauptsächlichsten hervorgetretenen Mißständen befaßt hätte und auf welchem Wege ihres Erachtens die Beseitigung oder Minderung derselben zu erreichen sein möchte. Wäre schon aus diesem Grunde die Aufzählung der disciplinarisch zu ahndenden Hand⸗ lungen und die Darlegung des Standpunktes der Commission denselben gegenüber geboten, so würde es auch sowohl für das außerhalb der Böͤrse stehende Publikum als für die Börsenbesucher selbst von großem Werthe sein, durch die Aufzählung dieser Handlungen über die Trag⸗ weite der von der Commission bezüglich der Zuständigkeit des Börsen⸗ disciplinarhofes gefaßten Beschlüsse informirt zu werden. Gegenüber der Ansicht einzelner Mitglieder der Commission, daß der Disciplinar⸗ hof sich nur mit Vergehen gegen die zur Aufrechterhaltung der Ordnung und des äußeren Geschäftsverkehrs an der Börse erlassenen Anord⸗

1¹) Stenogr. Ber. S. 259, 261, 561/62, 2099, 2170 ff., 2403 ff., 2409, 2410, 2609 u. a. m.

²) Stenogr. Ber. S. 261, 562, 2406, 2408.

3) Stenogr. Ber. S. 261, 550, 561, 576, 737 ff., 739, 742, 894, 1004, 1276, 1281, 1484, 1828, 2019, 2159, 2778, 2981, 2985 u. a. m.

⁴) S. 749, 1830, 1395, 2164, 2242. Anderer Ansicht: S. 29789,

nungen zu befassen hätte, beweise gerade die Aufzählung, daß diese

Auffassung von der Stellung des Disciplinarhofes den Ansichten der Commission in keiner Weise entspricht. Die Aufzählung biete ferner den Vortheil, daß jedem Börsenbesucher die Handlungen, welche vor⸗ zugsweise einer disciplinaren Ahndung unterliegen, klar und deutlich vor Augen geführt würden und er demgemäß rechtzeitig gewarnt würde.

Diesen Darlegungen und Anschauungen schloß sich die Commission durchaus an und befürwortete die Aufnahme der vorzugsweise m Betracht kommenden disciplinarisch zu ahndenden Handlungen in die Börsenordnungen. Wenn sie davon absah, diese Aufnahme auch in das zu erlassende Börsengesetz zu befürworten, so geschah dieses ledig⸗ lich in der Erwägung, daß diese Aufzählung naturgemäß nicht voll⸗ ständig sein kann, daß durch die Börsenordnung besser als durch das Gesetz etwaige Ergänzungen vorgenommen werden können und daß auch der Fall nicht ausgeschlossen ist, daß für einzelne Börsen die eine oder die andere der aufgeführten Handlungen keine praktische Bedeutung hat. 88

Was die einzelnen, nach Ansicht der Commission disciplinarisch zu ahndenden Handlungen anlangt, so ist dazu Folgendes zu bemerken:

1) Einer der wichtigsten Vortheile,¹) welche die Börsen durch die Vereinigung des Angebots und der Nachfrage für die allgemeinen Interessen ist die richtige Bewerthung der an ihnen gehandelten Waaren. Daher ist es unbedingt geboten, für eine richtige und sach⸗ gemäße Preisnotirung Sorge zu tragen und demgemäß alle Handlungen energisch zu ahnden, welche auf eine arglistige Beeinflussung der Curse hinzielen. Diese Beeinflussung ist insbesondere durch Scheingeschäfte möglich. Selten befindet sich der Makler oder der Börsencommissar, welcher die Preise und Curse feststellt, in der Lage, sofort zu prüfen, ob die ihm aufgegebenen Geschäfte in der That abgeschlossen oder nur fingirt find. Die Aufgabe derartiger Scheingeschäfte beeinflußt oft die Cursnotiz und schädigt damit ganz wesentlich die Interessen der Ge⸗ sammtheit, da diese Cursnotizen vielfach die Grundlage für andere außerhalb der Börse abgeschlossene Geschäfte bilden.

Ein ferneres Mittel, die Feststellung der Preise zu beeinflussen, über dessen mehr oder minder häufiges Vorkommen die Ansichten in der Commission auseinander gingen, bilden die sogenannten Ab⸗ schiebungen und Unter⸗der⸗Hand⸗Regulirungen. Selbstverständlich kann es keinem Kaufmann verwehrt werden, Waaren, die an einem Orte überreichlich vorhanden sind und demgemäß an demselben den Preis drücken, auch zu einem billigeren Preise nach mehr oder minder ent⸗ fernten Gegenden zu verkaufen, um den Ort, an dem die Waaren früher lagerten, von denselben zu entlasten und somit die Preise da⸗ selbst zu steigern. Ebensowenig kann es vom Standpunkte der kauf⸗ männischen Moral im mindesten beanstandet werden, wenn Contrahenten vor Ablauf des Termins für die Lieferung ihrer Engagements auf dem Wege der freien und unter den Parteien geheimgehaltenen Vereinbarung unter anderen Bedingungen, als sie dem derzeitigen Werthstande der betreffenden Waaren entsprechen, lösen. Einen anderen Charakter nehmen diese Handlungen aber an, wenn sie eine arglistige Beein⸗ flussung der an den Stichtagen zur Notirung gelangenden Preise bezwecken. Das Termingeschäft im Sinne des Art. 357 des Handels⸗ gesetzbuchs, bei dem der aus der Nichterfüllung entstehende Schaden in der Differenz zwischen dem Vertrags⸗ und dem Börsenpreis besteht, setzt voraus, daß dieser Börsenpreis nicht durch Manipulationen künst⸗ lich beeinflußt ist, die das freie Angebot oder die freie Nachfrage beschränken, und die demgemäß dazu führen, daß der zur Notirung ge⸗ langende Preis ein künstlich erzeugter ist und der wirklichen Geschäfts⸗ lage nicht entspricht. Eine derartige Wirkung haben aber Verträge, durch welche die Verpflichtung begründet wird, an einem bestimmten Tage dem Stichtage nicht als Käufer oder Verkäufer auf⸗ zutreten oder vorhandene Waaren an diesem Tage nicht zur Lieferung zu bringen. Der von einer Seite gegen diese Auffassung erhobene Einwand, daß dieselbe gegen das freie Vertragsrecht verstoße, wurde von der Commission als nicht zutreffend erachtet. Die Festsetzung richtiger, d. h. der wirklichen Geschäftslage entsprechender Preise, ist ein erhebliches öffentliches und allgemeines Interesse, das nicht zu Gunsten einzelner geschädigt werden darf. 2

Was die Beeinflussung der Curse durch Verbreitung falscher Gerüchte anlangt, so verhehlt sich die Commission die Schwierigkeiten nicht, welche einer alle geeigneten Fälle treffenden disciplinaren Ahndung entgegen stehen. So wenig es einem Zweifel unterliegen kann, daß falsche Gerüchte in grofem Umfange an der Börse ver⸗ breitet werden, um die Curse arglistig zu beeinflussen, so wird es doch nicht immer möglich sein, den Beweis dieser Arglist zu führen. Es erscheint aber dringend geboten, gerade gegen diese Mißbräuche an der Börse energisch einzuschreiten, und es wird sich nicht selten der Beweis erbringen lassen, daß der Verbreiter falscher Gerüchte von der Unrichtigkeit der betreffenden Thatsachen überzeugt ist, und die Ver⸗ breitung lediglich zum Zweck der Beeinflussung der Curse stattfindet.

2) War auch die Mehrheit der Commission auf Grund der Darlegungen der Sachverständigen²) der Ansicht, daß es eine größere Zahl von Preßorganen giebt, welche der Bestechung nicht zugänglich sind, so mußte andererseits doch angenommen werden, daß eine Reihe von Blättern mehr oder minder regelmäßig Zuwendungen von größeren Bankhäusern erhalten, die dazu führen müssen, sie in eine gewisse Abhängigkeit von denselben zu bringen. Es bedarf keines weiteren Beweises, daß die Presse, welche die Aufgabe hat, die Interessen des großen Publikums auch auf diesem Gebiete zu vertreten, durch diese Abhängigkeit vielfach verhindert wird, diesen ihren Pflichten in pöllig unparteiischer und sachgemäßer Weise genügen zu können. Wenn von einem Sachverständigen darauf hingewiesen worden ist, daß men aus der Annahme derartiger Geldzuwendungen seitens einzelner Mit⸗ glieder der Presse weniger diesen, die meist ungenügend besoldet sind, als denjenigen einen Vorwurf machen kann, welche diese Geld⸗ unterstützungen gewähren, so konnte die Richtigkeit dieser Auffassung dahingestellt bleiben; um so mehr mußte die Commission es aber ihrer⸗ seits als ein dringendes Bedürfniß erachten, klar und unzweifelhaft zum Ausdruck zu bringen, daß durch derartige Geldzuwendungen an die Presse die öffentlichen Interessen in erheblicher Weise verletzt werden.

Aus’ diesen Gesichtspunkten hielt die Commission die disciplinare Ahndung derartiger Bestechungen der Presse für geboten. Da die Börsendisciplin sich naturgemäß nur auf die Börsenbesucher beschräntt, so kann ein disciplinares Einschreiten gegen Mitglieder der Presse⸗ welche der Bestechung zugänglich sind oder sonst gegen die Börsen⸗ disciplin verstoßen, nur in Frage kommen, wenn sie zum Besuch der Börse zugelassen sind; in diesem Falle unterstehen sie wie alle übrigen Börsenbesucher der Jurisdiction des Börsendisciplinarhofes. Dadurch erlangen die Mitglieder der Presse zugleich aber auch den von ihnen vielfach gewünschten wirksamen Schutz gegen ungerechtfertigte Aus⸗ schließung von der Börse.

Dieses discwplinare Einschreiten gegen einzelne an der Börse zugelassene Berichterstatter schließt selbstverständ lich ein Vorgehen gegen die betreffende Zeitung selbst oder deren leitende Organe nicht aus. Das Publikum hat ein Recht darauf, zu verlangen, daß die leitenden Persönlichkeiten einer Zeitung ihre an die Börse entsendeten Berichterstatter in Bezug auf ihre Integrität dauernd controliren und sie auch finanziell so stellen, daß si Versuchungen zu widerstehen 2 mögen. Kommt eine Zeitung dieser Verpflichtung nicht nach, werden von ihr vielmehr wiederholt Berichterstatter zur Börse geschickt, die in Bezug auf Integrität und finanzielle Selbständigkeit nicht den berechtigten Anforderungen genügen, so hält es die Commission für zweifellos, daß die Börsenbehörde das Recht und die Pflicht hat, den Vertretern einer solchen Zeitung die Erlaubniß zum Besuche der Börse zu verweigern (vergl. 3. A. 2). 1“ 1

Bei dieser Gelegenheit wurden die Verhältnisse der Presse in Bezug auf Börsenangelegenheiten einer allgemeinen Erörterung ttst zogen und der Erwartung Ausdruck gegeben, daß die Presse mehr,

1) Stenogr. Ber. S. 266 ff., 898, 1293, 1296, 1400, 1486, 1710, 1849, 1860 ff., 1863, 2171 ff., 2416, 2784, 2786, 2987 ff. c.

¹) Stenogr. Ber. bes. S. 578ff., 581, 582 ff., 1294, 1849ff⸗ 1858 ff 1864 p. 1866 ff., 1867 ff.

als es bisher d

und die Wahrung seiner Interessen zur Aufgabe machen möchte. Es würde nicht selten beobachtet, namentlich unmittelbar vor größeren Emissionen fremder Anleihen, daß die einheimische Presse dem Bedauern füber den exan des Zinsfußes für inländische sichere Anleihen Ausdruck gebe und hervorhebe, daß durch diesen Rückgang diejenigen, welche darunter zu leiden hätten, zur Aufsuchung höher verzinslicher Anleihen veranlaßt würden. Die Presse müsse sich sagen, daß die Ermäßigung des Zinsfußes von dem Willen eines einzelnen Staates unabhängig sei und unter dem Einfluß der gesammten Credit⸗ und Geldverhältnisse des Weltmarktes stände, und daß jede Erhöhung über denjenigen Zinsfuß hinaus, der für Anlagen erster Sicherheit gewährt würde, mit einem mehr oder minder großen Verzicht auf die Sicherheit verbunden sei. Die Presse habe die Pflicht, nicht bloß einmal, sondern immer wieder und wieder über diese Verhältnisse das Publikum aufzuklären und namentlich das kleine Kapital darauf hinzuweisen, daß es vor allem auf unbedingte Sicher⸗ heit der Anlage Werth legen sollte, um dasselbe davon abzuhalten, die geringen Ersparnisse in wohl höher verzinslichen oder hohen Cursgewinn versprechenden, aber deshalb auch weniger sicheren Papieren anzulegen.

Die Presse würde sich ein großes Verdienst erwerben, wenn es durch diese Aufklärung gelänge, die kleinen Kapitalisten von den sie mit großen Verlusten bedrohenden unsicheren Anlagen fern zu halten und sie den sicheren einheimischen Werthen geneigter zu machen. Dabei wurde allseitig die schwierige Stellung, in welcher sich die Presse bei Beurtheilung gewerblicher Unternehmungen und ausländischer Anleihen befindet, anerkannt. Es kann nicht bloß vorkommen, sondern es ist auch thatsächlich vorgekommen, daß Anleihen, welche bei ihrer Aus⸗ gabe für höchst zweifelhaft und unsicher gelten mußten, z. B. die Kriegsanleihen der Nordamerikanischen Union, ihren Besitzern großen Gewinn an Kapital und Zinsen gebracht haben, während in Bezug auf andere Anleihen, die man zunächst günstig beurtheilen durfte, die inländischen Besitzer arge Enttäuschungen und empfindliche Nachtheile erfahren haben. Desgleichen haben sich vielfach gewerbliche Unter⸗ nehmungen, die sich keineswegs als solide Gründungen charakterisirten, über die Erwartung hinaus günstig entwickelt, während ganz solide Gründungen den gehegten Erwartungen nicht entsprochen haben. Wenn jedoch aus diesen Thatsachen von einer Seite die Schluß⸗ folgerung gezogen wurde, daß eine disciplinare Ahndung nur dann eintreten dürfe, wenn die Presse bestochen werde, um etwas zu ver⸗ breiten, was sowohl der Bestechende wie das Preßorgan selbst für falsch halten mußten, so konnte die Commission diese Anschauung nicht billigen. Die Presse verletzt in gröblichster Weise ihre Pflicht gegen die Allgemeinheit, wenn sie thre Aeußerungen zu Gunsten oder zum Nachtheil gewisser Unternehmungen, sowie ihr Schweigen über gewisse Unternehmungen sich bezahlen läßt. Die Presse kann natürlich ebenso wenig wie der bestunterrichtete Privatmann in die Zukunft sehen, und kein verständiger, billig denkender Mann wird ihr einen Vorwurf daraus machen, wenn unerwartete und nicht vorauszusehende Um⸗ stände eintreten. Sie genügt ihrer Pflicht gegen die Allgemeinheit voll⸗ kommen, wenn sie die auswärtigen Anleihen sowohl wie die gewerb⸗ lichen Unternehmungen nach Lage der zur Zeit der Besprechung vor⸗ liegenden Verhältnisse sachgemäß und unparteiisch bespricht; dieses ist aber auch unbedingt ihr Beruf und ihre Aufgabe.

3) Den Anlaß dazu, die Anwendung der so bezeichneten Be⸗ dingungen disciplinarer Ahndung zu unterwerfen, haben gewisse Geschäftsbedingungen kleinerer Commissionshäuser ¹) gegeben, welche bei Abschnitt V „Commissionsgeschäft“ näher erörtert werden sollen. Es handelt sich dabei, wie nur noch erwähnt werden soll, vorzugsweise um solche Geschäftsbedingungen, welche sich auf Geschäfte mit ganz geringen Einschüssen beziehen, und bei denen sich diese Commissionshäuser das Publikum schädigende Vorbehalte machen.

4) Ueber den Umfang der Pflichten eines Emittenten und die eivilrechtlichen Folgen, die sich an eine Verletzung derselben knüpfen, wird unter II 8 „Haftung der Emissionshäuser“ berichtet werden. Es genügt deshalb, hier zu constatiren, daß neben dieser civilrecht⸗ lichen Verpflichtung das Verhalten der Emissionshäuser auch einer disciplinaren Ahndung unterliegen soll, wenn in demselben eine Ver⸗ letzung der kaufmännischen Ehre zu finden ist.

5) Als besonderer Mißstand wurde es allseitig bezeichnet, daß durch verlockende Prospecte, durch persönliche Verleitung, durch Agenten, Aufforderungen in öffentlichen Blättern, durch Cirkulare, ja sogar durch eigene Preßorgane das kleine Publikum zu Speculationen ver⸗ leitet wird, die weit über seine Kräfte gehen, und häufig mit einem völligen wirthschaftlichen und finanziellen Ruin der Betreffenden endigen. In Zeitungsanzeigen werden vielfach die Speculationen an der Börse als so zweifellos Gewinn bringend und vortheilhaft be⸗ zeichnet, daß viele kleine Leute der Versuchung, an der Börse mühe⸗ losen Gewinn zu ziehen, nicht widerstehen können. Dies ist entschieden ein verwerfliches Verhalten der betreffenden Commissionäre und ver⸗ stößt gegen die kaufmännische Ehre. Gegen diese Verleitungen energisch einzuschreiten, ist ein dringendes Bedürfniß und demgemäß die dis⸗ ciplinare Ahndung derselben geboten. Die Commission gab hierbei der Hoffnung Ausdruck, daß die Presse mehr als bisher sich angelegen sein lassen würde, das Publikum vor derartigon Anreizungen zu Börsenspeculationen, die auch vielfach vom Auslande ausgehen, zu warnen.

6) und 7) Diese Bestimmungen ²) bezwecken, diejenigen Personen von den Börsengeschäften fern zu halten, welche sich nicht in der Lage befinden, die Tragweite solcher Speculationen zu übersehen, und nicht die Mittel besitzen, um die sich daraus ergebenden Verluste zu tragen, oder welchen, wie dieses vielfach bei den Handelsangestellten und Kassenbeamten der Fall, die Verwaltung fremder Gelder anvertraut ist, und die demgemäß der Versuchung ausgesetzt sind, im Falle des Verlustes infolge von Börsenspeculationen sich an diesen Geldern zu vergreifen. Schon jetzt haben an manchen Börsen die größeren Bankgeschäfte den Versuch gemacht, den Abschluß von Börsengeschäften mit Handelsangestellten unmöglich zu machen, indem sie freie Ver⸗ einigungen gebildet haben, deren Mitglieder sich gegenseitig verpflichten, keine Börsengeschäfte mit Handelsangestellten zu machen. Aber diese Vereinigungen haben sich im allgemeinen als wenig wirksam ergeben. Es erschien deshalb geboten, in allen diesen Fällen eine disciplinare Ahndung eintreten zu lassen.

Uebrigens sollen diese Bestimmungen, wie die zu 5, noch eine nähere Erörterung im einzelnen unter III E. „Börsenspiel“ finden.

8) Ueber den Einfluß, welchen die Benutzung uncontractlicher Waare zur Kündigung, sowie Kündigung ohne vorhandene Waare und Scheinkündigungen auf die Entwickelung der Preise ausüben, und die Schädigungen, welche diese Manipulationen nicht bloß einzelnen Börsen⸗ besuchern sondern ganzen Erwerbsklassen zufügen, wird unter III D. 4 berichtet werden. Es genügt, hier darauf hinzuweisen, daß die Commission in diesen Handlungen eine Verletzung der kaufmännischen Ehre erblicken zu sollen glaubt, die einer disciplinaren Ahndung bedarf.

d. Zusammensetzung des Börsendiseiplinarhofs.

Raß Ansicht der Commission ist bei denjenigen Börsen, bei denen die Aufsicht den Handelsorganen übertragen ist, das Plenum der selben oder ein Ausschuß die geeignete Instanz, um als Disciplinarhof 2 fungiren, während bei denjenigen Börsen, bei denen die unmittelbare Aufsicht von einer Staatsbehörde geführt wird, aus den von den Börsenbesuchern oder dem Börsenvorstande gewählten Personen nach näherer Anordnung der Börsenordnungen der Disciplinarhof zu bilden ist.

Ein Antrag, stets den Disciplinarhof lediglich aus direecten Wahlen hervorgehen zu lassen, wurde abgelehnt. Die fernere An⸗ regung, in den Disciplinarhof einige berufsmäßige Juristen aufzu⸗ nehmen, um eine Garantie dafür zu schaffen, daß bei der Recht

1) Vergl. die „System. Darstellung der Geschäftsbedingungen“ bes. S. 5 bis 7.

²) Stenogr. Ber. z. B. S. 129 ff., 670, 826, 998, 1964, 1971 und viele andere

Fall gewesen ist, sich die Aufklärung des Publikums

sprechung dieser Behörde die bestehenden Gesetze nicht verletzt werden, fand nicht die Zustimmung der Commission. ¹) Dieselbe war vielmehr der Ansicht, daß die Entscheidung darüber, ob jemand durch sein Ver⸗ halten die kaufmännische Ehre verletzt und sich der Achtung seiner Berufsgenossen unwerth gezeigt hat, ausschließlich von seinen Herufs⸗ genossen beziehungsweise den von ihnen eingesetzten Organen zu treffen ist. Die Commission glaubt zu der Unparteilichkeit und Sachkenntniß dieser Börsenorgane volles Vertrauen hegen zu dürfen, und ist über⸗ zeugt, daß dieselben alle Ausschreitungen energisch ahnden werden. Die Commission befürwortet die Aufnahme der Bestimmungen über die Zusammensetzung des Börsendisciplinarhofes in die Börsenordnung und nicht in das zu erlassende Börsengesetz, um den Landesregierungen die Möglichkeit zu geben, in einzelnen Fällen abweichende Bestim⸗ mungen erlassen zu können.

e. Regierungs⸗Commissar.

Eine eingehende Berathung fand über den Antrag statt, daß bei dem Disciplinarhof seitens der Landesregierung ein Commissar be⸗ stellt werden möchte, welcher etwa mit den Functionen des öffentlichen Anklägers zu betrauen und berufen wäre, die Verfolgung der vor⸗ gekommenen Ausschreitungen und Vergehen zu überwachen.²) Zur Begründung dieses Antrags wurde ausgeführt, daß erfahrungsgemäß Berufsgenossen sich oft nur ungern der Anzeige und weiteren Ver⸗ folgung disciplinarisch zu ahndender Handlungen anderer Berufsgenossen zu unterziehen geneigt seien. Diese Commissare sollten jedoch keines⸗ wegs losgelöst von den kaufmännischen Corporationen und unabhängig von denselben die Untersuchung führen; der Schwerpunkt der Unter⸗ suchung solle vielmehr in dem Disciplinarhof oder einer von diesem zu bestellenden Commission verbleiben, dem von der Landesregierung bestellten Commissar solle nur eine gewisse Mitwirkung bei der Untersuchug und eine Controle darüber zustehen, daß in denjenigen Fällen, in denen das öffentliche Interesse eine Verfolgung im Dis⸗

ciplinarwege erheische, eine solche auch in der That stattfinde. Das

Publikum werde in dieser Mitwirkung eine Gewähr dafür finden, daß alle dazu geeigneten Fälle auch zur Untersuchung gelangten, während die betheiligten Börsenkreise dadurch gegen den Verdacht der Vertuschung geschützt würden. Der Commissar sei auch dazu be⸗ rufen, strafrechtlich zu ahndende Handlungen bei den zuständigen Be⸗ hörden zur Anzeige zu bringen. Von anderer Seite wurde der Bestellung eines derartigen Commissars entschieden widersprochen und der Befürchtung Ausdruck gegeben, daß eine solche Einrichtung zu vielen gehässigen Denunciationen des großen Publikums Anlaß geben würde. Dasselbe würde der Ansicht sein, daß der Commissar allen Beschwerden weitere Folge zu geben verpflichtet sei und auch in solchen Fällen sich an ihn wenden, in denen seine Ansprüche bereits vom Civilrichter abgewiesen seien, um auf den Beschuldigten eine Pression auszuüben und ihn zur Gewährung irgend einer Entschädigung zu veranlassen. Sei es schon an sich bedenklich, neben dem Civilrichter, der nach den Grundsätzen des Bürgerlichen Rechts zu erkennen habe, und dem Strafrichter noch einen Disciplinarhof einzusetzen, der nach kaufmännischem Ehr⸗ und Anstandsgefühl zu entscheiden berufen wäre, so würden diese Bedenken durch die Einsetzung eines solchen Commissars, der aus Unkenntniß der wirklichen Herhältnisse des Handels leicht zu Anklagen kommen könne, die die Gefühle gerade der besten Kreise des Handelsstandes verletzten, noch wesentlich gesteigert. Wenn bei anderen Ehrengerichten das Amt eines Staatsanwalts bestände, so finde dieses seine Rechtfertigung darin, daß der Staat ein Interesse daran habe, Verfehlungen seiner Beamten zu ahnden; ein solches Interesse liege bei Verfehlungen gegen die Börsendisciplin seitens der Kaufleute nicht vor, da es sich bei diesen, von der Störung der Ordnung und des Geschäftsverkehrs an der Börse abgesehen, überwiegend um ECivilrechtsstreitigkeiten handele. Die Bestellung eines Regierungs⸗Commissars würde gerade von den angesehensten Kauf⸗ leuten als kränkendes Mißtrauen aufgesaßt werden und sie veranlassen, sich von der Thätigkeit im Disciplinarhof und in den Börsen⸗ vorständen fern zu halten.

Die Commission hielt diese Bedenken gegen den staatsseitig zu bestellenden Commissar nicht für begründet, vielmehr die Einsetzung eines solchen für nothwendig, um die Erreichung des mit der Ein⸗ setzung des Disciplinarhofes beabsichtigten Zwecks zu sichern. Die bei dem Commissar eingehenden Denunciationen wird derselbe einfach dem Disciplinarhofe oder der von diesem mit der Voruntersuchung betrauten Commission überweisen und sich nur in solchen Fällen, in denen öffentliche Interessen verletzt sind oder es sich um principielle Fragen handelt, bei der Weiterberfolgung der Sache betheiligen. Seine Thätigkeit beschränkt sich auch auch in diesen Fällen darauf, darüber zu wachen, daß die Untersuchung erschöpfend und sachgemãß geführt und die Entscheidung des Disciplinarhofes herbeigeführt wird. Daß der Commissar sich in Widerspruch mit den kaufmännischen Anschauungen setzen sollte, ist um so weniger zu fürchten, Is er sich in dauernder Fühlung mit den kaufmännischen Organen befinadet und durch die Rechtsprechung des Disciplinarhofes über diese Anschauungen bald ausreichend informirt sein wird. Der Disciplinarhof ist übrigens keineswegs dazu berufen, um über Forderungen nach Billigkeitsgrund⸗ sätzen zu entscheiden, sondern er ist ein Strafgericht, welches darüber zu urtheilen hat, ob der Angeschuldigte in der That eine Handlung begangen hat, die die kaufmännische Ehre verletzt. Daß es sich bei der Ahndung solcher Handlungen um ein eminent öffentliches Interesse handelt, kann nicht wohl bezweifelt werden.

Die Commission befürwortet aus den dargelegten Gründ Bestellung eines Commissars. Um seine Stellung zu sichern,

leitung der Untersuchung, sowie seinen zwecks Aufklärung der gestellten Beweisanträgen entsprochen werden muß, und daß rechtigt ist, allen Verhandlungen, sowie den zeugeneidlichen nehmungen beizuwohnen und an die Zeugen die ihm nothwendig scheinenden Fragen zu stellen. Der von einer Seite gestellte Antrag, dem von der Staatsregierung zu ernennenden Beamten die Untersuchung über die zu seiner Kenntniß gelangenden ehrengerichtlich zu ahndenden Handlungen und die Vorbereitung der Sache für die Entscheidung durch das Ehrengericht zu übertragen, fand nicht die Zustimmung der Commission.

f. Verfahren.

Eine eingehende Berathung fand die Frage, ob das Verfabren vor dem Disciplinarhof ein öffentliches sein soll.) Von ciner Seite wurde betont, daß die unbedingte Oeffentlichkeit des Verfahrens aus Rücksicht für den Angeklagten und aus allgemeinen Interessen geboten sei. Gerade die Oeffentlichkeit des Verfahrens werde wesentlich dazu beitragen, die bestehenden Mißstände zu beseitigen und den kauf⸗ männischen Geschäftsbetrieb allgemein zu heben und zu einem solideren zu machen. Andererseits biete die Oeffentlichkeit aber auch dem Ange⸗ klagten einen Schutz gegen ungerechtfertigte Anschuldigungen, indem sie seine Rechtfertigung allen Berufsgenossen bekannt mache. Der Zweck der ganzen Enrichtmm sei, warnend und abschreckend zu wirken, und dieser Fwc werde bei öffentlichem Verfahren vollständiger erreicht. Wenn übrigens das strafrechtliche Verfahren allgemein öseentlich sei⸗ so liege kein Grund vor, die Börse durch Ausschluß der Oeffentlichkeit zu begünstigen.

Von anderer Seite Wurde dem entgegengehalten, daß der kanf⸗ männische Credit des Angeklagten empfindlich darunter leiden könnte, wenn eine öffentliche Behandlung der ihm zu Unrecht zur Last ge⸗ legten Handlungen stattfände. Ferner könnte die Oesentlichkeit leicht dazu benutzt werden, um über Angelegenheiten Anfschluß zu erdalten, die ohne Schädigung berechtigter Interessen nicht dekannt gemacht

¹) Für solche Zuziehung: Stenogr. Ber. S. 261, 1485, Al. Gegen eine solche: S. 262, 264. ²) Stenogr. Ber. Dagegen; S. 745, 746, 1411, 1709, 9407, 3210 f. 3482, 3898 n. a8. Dafurz; 744, 748, 1396, 1828, 2412, 2778, 2986, 3482, 8484 u. A. ⁵) Stenogr. Br. Dagegen; S. Xd, 56, 57 n. àA. D a. m.

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werden dürften. Wenn jemand z. B. wegen arglistiger Beeinflussun

der Curse durch falsche Gerüchte über ein Unternehmen angeklagt werde, so könnten die von ihm als Zeugen vorgeschlagenen Leiter des Unternehmens genöthigt werden, öffentlich Mittheilungen zu machen, die die Interessen dieses Unternehmens empfindlich schädigten.

Die Commission konnte sich diesen deheann Bedenken nicht an⸗ schließen. Da die Anwesenheit des Angeschuldigten bei derartigen Vernehmungen doch nie würde ausgeschlossen werden können, so würde aus diesen Mittheilungen der Leiter des Unternehmens derselbe Nach⸗ theil erwachsen, gleichviel ob das Verfahren öffentlich sei oder nicht. Gleichwohl entschied si ʒ die Commission dahin, daß zwar das Ver⸗ fahren vor dem Disciplinarhof im allgemeinen ein nicht öffentliches sein soll, daß jedoch die Oeffentlichkeit siattfinden soll, wenn dieselbe entweder von dem staatlich bestellten Commissar oder von dem Ange⸗ schuldigten beantragt wird. Die Commission war der Ansicht, daß durch diese Beschränkung der Oeffentlichkeit die gegen dieselbe anzu⸗ führenden Bedenken ihre Erledigung finden.

Im übrigen wird das Verfahren vor dem Disciplinarhof etw

in ähnlicher Weise zu gestalten sein, wie das Verfahren vor den be⸗ stehenden Ehrengerichten z. B. der Anwälte. ¹1) Insbesondere soll der Disciplinarhof befugt sein, eine Vervollständigung der Untersuchun

zu beschließen, sowie Zeugen und Sachverständige direct vorzuladen und eidlich zu vernehmen.

Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit und Bedeutung einer solchen Verhandlung für den Angeschuldigten hielt man es für angemessen ihm das Recht zu gewähren, sich zur Vertheidigung vor dem Dis ciplinarhofe eines Rechtsanwalts zu bedienen.

g. Strafen.

Was die Strafen anlangt, auf welche der Disciplinarhof erkennen darf, so konnten nur Verwarnung, Verweis, zeitweilige oder dauernde Ausschließung von der Börse in Frage kommen. Als Verschärfung dieser Strafen soll dem Disciplinarhof das Recht zustehen, zu be⸗ stimmen, daß und auf welche Weise die Strafe öffentlich bekannt ge macht wird. 2) Eine derartige Veröffentlichungsbefugniß erscheint namentlich mit Rücksicht darauf geboten, daß das Verfahren vor dem Disciplinarhof im allgemeinen ein nicht öffentliches sein soll.

Eine besondere Erörterung fand darüber statt, ob gegen die Ent scheidungen des Börsendisciplinarhofs ein Rechtsmittel zulässig sein solle oder nicht. Von einer Seite wurde die Berufung befürwortet, ³) einerseits, weil im Disciplinarhof juristisch vorgebildete Mitglieder nicht vorhanden seien und demgemäß die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen sei, daß die Entscheidungen dieses Disciplinarhof nicht immer mit den Bestimmungen des materiellen und formellen Rechts in Einklang sich befinden würden, andererseits, weil die Straf⸗ der Ausschließung von der Börse die wirthschaftliche Existenz des davon Betroffenen gefährde. Von anderer Seite wurde darauf hin⸗ gewiesen, daß es mit dem Wesen des gewollten Standesgerichts im Widerspruch stehe, die endgültige Entscheidung über das, was den An⸗ schauungen des kaufmännischen Standes von Moral und Ehre ent⸗ spräche, in die Hand eines Gerichtshofs zu legen, in dem der Kauf mannstand gar nicht vertreten sei.

Die Commission erachtete den letzteren Gesichtspunkt für zutreffend, lehnte es auch ab, auf Vorschläge einzugehen, nach welchen ein Rechts⸗ mittel nur wegen Verletzung von Gesetzen oder lediglich dem An⸗ geschuldigten H84 8 ae solle. Es schien bedenklich, sofern man einmal ein Rechtsmittel zuläßt, dasselbe insbesondere, wenn es auf Verletzung von Gesetzen gegründet wird, dem Commissar zu versagen. Auch wird sich bei einem Rechtsmittel mit dem Charakter der Revision die nicht erwünschte Consequenz kaum vermeiden lassen, daß immer wieder nenue Rechtsmittel auf den Vorwurf gegründet werden k ciplinarhof habe die vom Revisionsgericht aufgeste Gesichtspunkte nicht beachtet.

h. Ehrenerklärung zu

Während nach die Thätigkeit des Str Angeklagten freizusprechen zu für angezeigt, mit Rücksicht auf die gerichts demselben auch die Befugniß beiz wenn durch die Ver⸗ die Unrichtigkeit der n zu Grunde liegenden That⸗ sachen dargethan wird, oder das die dem Angeschuldigten zur Last gelegten Handlungen als die kaufmännische Ehre nicht verlezzend ansieht, demselben eine Ehrenerklärung zu geden un lichung zu beschließen. Die Commission ist der 5 bezeichneten Fällen eine derartige Ehrenerklärung ein gerignetes Mittel ist, den mit Unrecht Angeschuldigten in der öffentlichen Meinung und

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Anzeigepflicht der

lichen Behörden soerie den

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der Anfficht üder dir ciplinaren Ahndung unterliegen, zur gegenüder wurde von anderer Scite darauf Hingewürsen, du Kenntniß gelangte strafdare Handlungen der Stautsanmekrkschaft und durch die neuere Gesetzgebung bescitigt sei, und mun dem⸗ VCerfeblungen zum Zweck ihrer Werfolgung dem stamtich be⸗ C isar aninzeigen. Dagegen Hege DEine derartige Wer⸗ ic mit der Anfsicht über die Börse betrunten Drgund

1 6s 2 . - einer Seite wurde angeregt, durch Feri 8

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beschränkte demgemäß di Verpflichtung zur narige daden solen. Dur Cummission wir der . 8 ie-ser Recht besemnderk unsgespenchen wörde, Ddieser chörden sich doch in der Magel der Amräge unernirhen mürden

sicht der Commifficm senllen die Bestimmungen a

Fende Brsengeset mufgennmmen und somit der undesgesepzgebung pder die Büörsenpednungen

ES8h 19 —,ös 8E g. 2† 28 *

entzogen werdon. ) Börsenschiedsgerichte.

Die Commifsion mwar der Ansicht, daß sich die un den Büörfen bestedenden Schiedsgrrichte an sich durchaus bewährt haben *2 BDir Bedürfnifse des kaufmännischen Werkehrk erbheischen vim schleunige Entscheidung vordandenet Moinungsvwerschiedenheiten und der sich darans Crgedenden Reihröstrririgkeiten. Besonderk Itt dieses bei Boörfen geschäften der Fall; Käufer und Verkäufer haben dar Pringenvste In⸗ deresse daran, in kurzer Zoit Gemifhrit durder zu haben, Ub Lin Vertrag recherdeständig . vder nicht, weil N. nachdem dar eine ner das andere der Fall ist, diest nder zem Bersenoperating ausgefülkett werden mnß. Außerdem bieten dir Schindsgerichte den Vorthell, daß deie Enrtscheidungen on Berussgendsien getroffen werden, die Aber die Brdürfniße der Dandel und die thatsochlichen Verhältniße ams eigener Erfodrung infeemirt sind. Alk Lin Meißstund wurde ꝛb edoch von der G engstunden deaß durch allgemeine Geschäftsvedingungen

12O; gegen eine olach. Stenofm. I 85 F., 2884, 122.