Alle, reich oder arm, an diesen höchsten Gütern das gleiche In⸗ teresse hätten. . Ebenso will ich auf die Frage, ob das Reich nicht direkte Steuern einführen solle, a eingehen; aber das wird man mir zu⸗ geben, die bescheidene Gegenfrage würde sich denn doch herandrängen: von welchen Steuergattungen sollten denn schließlich die Einzel⸗ staaten noch existieren, zumal die Grund⸗ und Häusersteuer ja vielfach in Deutschland den Kommunen zusteht; man müßte denn gerade ein allgemeines „changez de dames“ einführen und sagen: die in⸗ direkten Steuern sollen künftig den Einzelstaaten, die direkten dem 8 Reiche zufallen. * 1“ Lassen Sie mich vielmehr von den politischen Fragen zurück⸗ kehren zu der Beurtheilung des Entwurfs von dem Standpunkte des wirklichen Interesses der Industrie und der Landwirthschaft, zunächst zu dem Standpunkte der Industrie.
Der Uebergang in ein neues Steuersystem stellt in der That
n die Geschäftsgewandtheit der Industrie hohe, außerordentliche An⸗ forderungen, das muß vollkommen eingeräumt werden; aber es darf
u der deutschen Industrie das Vertrauen gehegt werden, daß sie
er Schwierigkeiten Herr werde, welche ja lediglich darin liegen, dem rauchenden Publikum die Steuererhöhung so wenig als möglich zur Empfindung zu bringen. Andere Industrien haben durch die Stellung⸗
ahme gegenüber neuen Erfindungen oder durch einen vollkommenen Wechsel der maschinellen Einrichtungen oft Schwierigkeiten zu über⸗ winden gehabt, welche mindestens hinter den vorliegenden gewiß in keiner Weise zurückstehen. Meine Herren, wenn man eine Eisenbahn⸗ fahrt an ein Ziel macht, dann genieren Einen wohl unterwegs die Stöße; aber wenn man gut angekommen ist, so wird das vergessen, und die Reise ist von Gewinn. Und so ist gar kein Zweifel, daß auch für viele Industrielle, die es verstehen werden, durch Klugheit die Chancen des Uebergangs auszunutzen, dieser Uebergang, der gewiß viele Risiken in sich schließt, selbst eine Quelle des Gewinns werden kann. Ist aber der Uebergang einmal überwunden, dann läßt sich doch nicht einsehen, warum nicht die Fabrikation mit vollem Nutzen weiterarbeiten soll. Der Herr Abg. Bassermann hat dies unumwunden zugegeben mit Bezug auf die großen Fabriken. Da aber die großen Fabriken vor den mittleren und kleineren keine Ver⸗ günstigung des Gesetzes voraushaben, so ist kein Grund zu der An⸗ nahme, daß nicht auch diese nach E“ prosperieren würden; denn eine gewisse Proportionalität der Betriebsmittel zwischen großen, mittleren und kleineren Fabriken ist ja auch heute vorhanden, und in der Beziehung tritt keine Aenderung ein.
Wenn allerdings anzunehmen wäre, daß ein erheblicher und dauernder Konsumrückgang eintreten würde, das wäre eine böse Sache. Aber, meine Herren, in Prophezeiungen — und um mehr handelt es sich nicht, denn eine volle Gewißheit in der Frage kann niemand eben — in Prophezeiungen ist es erlaubt, Gutes und Schlimmes vor⸗ zerzusagen. Wenn man die schlimmen Prophezeiungen und dann die thatsächliche Gestaltung bei einer Reihe anderer ähnlicher Anlässe liest, dann kann ein gewisser Optimismus wirklich nicht verargt werden; allerdings die hohe Steigerung der Produktion unmittelbar vor Thores⸗ schluß, um natürliche Arbeit einer künftigen Betriebsperiode mit ihrem Gewinn zum voraus einzuheimsen, wird sich rächen. Dagegen sind bei der steigenden Tendenz der Bevölkerung, bei der Mög⸗ lichkeit, durch Aenderung der Typen einzuwirken, zweifellos Aus⸗ gleichsfaktoren geboten. Im übrigen hat sich Seine Erxcellenz der Reichs⸗Schatzsekretair über diese Frage so eingehend ausge⸗ sprochen, daß ich mich weiterer Bemerkungen enthalten darf. Da aber, wenn ich recht verstanden haben sollte, die Anführung gemacht wurde, als ob der badische Herr Finanz⸗Minister, abgesehen von den Folgen der geschilderten einmaligen Ueberarbeit, an dem Eintreten erheblicher Arbeiterentlassungen bis zu 10 % keinen Zweifel gelassen hätte, so muß ich denn doch beifügen, daß ich dies in dem von mir innegehabten stenographischen Bericht nicht herauslesen kann, und daß der Herr Abg. Freiherr von Stumm gerade jene Ausführungen bereits in einem gegentheiligen Sinne verwerthet hat. 8
Der Herr Abg. Bassermann hat in dieser Frage noch besonders betont, daß in den Fällen, wo jugendliche, noch zum elterlichen Haus⸗ halte gehörende Arbeiter entlassen werden, nicht nur diese, sondern auch die Eltern, denen ein Theil des Lohnes abgeliefert wird, schwer geschädigt würden. Nun, meine Herren, das ist ja zweifellos richtig; aber eine Verschärfung der mit der Entlassung verbundenen Schädi⸗ gung vermag ich hierin nicht zu erkennen, eher eine Milderung; denn der jugendliche Arbeiter, der doch seine Zufluchtstätte im elterlichen Hause bis zur Auffindung einer anderen Arbeitsgelegenheit findet, ist gewiß viel besser daran als derjenige Arbeiter, der ganz auf sich selbst angewiesen ist. b
Meine Herren, ein sehr wesentliches und berechtigtes Moment der Klagen von Industrie und Handel ist aber ein solches, welches gerade durch die Annahme der Vorlage beseitigt, durch ihr Scheitern aber nur verlängert und verstärkt wird. Das ist die stetige Aussicht von steuerlichen Aenderungen auf diesem Gebiete, ohne Sicherheit des Zeitpunkts ihres Eintritts und ohne Sicherheit des Inhalts derselben. Denn, meine Herren, darüber kann doch bei den erhöhten Bedürf⸗ nissen des Reichs, bei dem verhältnißmäßig niedrigen Ertrage der jetzigen Tabacksteuer, bei der Unhaltbarkeit des Gewichtssteuersystems auf die Dauer und bei der Natur des Rauchens als eines zwar all⸗ gemein gewordenen, aber doch immerhin als eines Luxuskonsums kein Zweifel sein. Eine eingreifende Aenderung und Erhöhung wird sicher selbst dann heranreifen, wenn wider Erwarten diesmal die Frucht beim ersten Schütteln nicht vom Baume fällt. 8
Also, meine Herren, im Interesse der Industrie selbst, welcher gegenüber der Entwurf sich bemüht zeigt, eine schonende Behandlung einzubehalten, soweit es möglich ist, liegt es, diese Frage zum Ab⸗
zu bringen.
schlu
Meine Herren, wenn ich von der Unhaltbarkeit des Gewichts⸗ steuersystems gesprochen habe, so führt mich das hinüber zu den Interessen der Landwirthschaft. Die Landwirthschaft erleidet unter der jetzigen Steuerart eine ganze Reihe von Schädigungen, welche bei einer Aenderung des Systems aufhören würden. Der Herr Abg. Freiherr von Stumm hat das zum theil gestern bereits ausgeführt. Sie gestatten mir aber, im Zusammenhang auf die Summe dieser Schädigungen der Landwirthschaft noch zurückzukommen.
Da 8 einmal zunächst die primäre Haftbarkeit des Urproduzenten, des wirthschaftlich meist schwächsten Gliedes in der Reihe der am Taback betheiligten Personen, für die Steuer; da ist sodann die große Behinderung des Pflanzers durch die Vorschrift des Anbaues in gleichen geraden Reihen durch das Verbot der Mischkultur; da ist sodann die Beweislast des Pflanzers, wenn die zum voraus geschätzte Menge des Tabacks bei der Verwiegung sich nicht ergeben hat, dafür, daß das Fehlende auf einem Ernteausfall beruhe; da ist die Mitversteuerung der bei uns erzeugten Rippen, welche ja viel schwerer ins Gewicht fallen als beim importirten Taback, und die zweifellos — man mag über diese Rippenfrage sonst denken, wie man will — einen viel geringeren Werth darstellen, als bei dem importirten Taback; da ist so⸗ dann die Pflicht des Pflanzers, den Taback in unausgelaugtem Zustande zu versteuern, während die sogenannten schweren Jahrgänge die Aus⸗ laugung durchaus nöthig machen, was ja ebenfalls, wie bei den Rippen, einen nochmaligen Ausfall bis zu 30 % des Produkts ergiebt; meine Herren, da ist endlich die Preisentwerthung der inländischen geringeren Sorten, weil man für sie nicht so leicht
willens ist, den hohen Betrag der Gewichtssteuer anzulegen: das führt zu einem ständigen Herabdrücken der Preise gegen den Pflanzer; das führt dazu, daß der Pflanzer die Steuern oft ganz oder zum theil auf sich behalten hat, und das führt endlich zu der bekannten Ein⸗ engung der inländischen Produktion. Meine Herren, wenn der Entwurf angenommen wird, dann verschwinden diese Beschwernisse der Landwirthschaft. Sie wird erleichtert und befreit, und es wird durch das System des Entwurfs, das die Steuer so nab als “ an den Konsum heranrückt, auch die Zeit verkürzt, für welche bei den re aauain ein Zinsbetrag der ausgelegten Steuern zuzu⸗
la ist. 88 kann nicht finden, daß der Entwurf, der auch in seinen Kon⸗ trolvorschriften die Pflanzer besser behandelt als der bisherige, andererseits, wie der Herr Abg. Bassermann annimmt,
eine neue große Belästigung für die Pflapzer schaffe, nämlich darin, daß der Pflanzer bis zu K. 18 8.nee, 2 Termin den geernteten Taback räumen, d. h., daß er ihn veräußern oder auf eine Niederlage bringen müsse. Diese Belästigung soll nach der Anschauung des Herrn Abg. Bassermann namentlich dann hervortreten, wenn der Pflanzer seinen Taback selbst fermentiert. Aber erlauben Sie mir, dem ent⸗ gegenzuhalten, daß nach dem § 20 des Entwurfs die Räumung nicht vor dem 1. August des auf das Erntejahr folgenden Jahres zu erfolgen hat; also zu einer Zeit, wo der Mimnzlr seine Ernte regel⸗ mäßig schon längst verkauft hat, und wo nicht nur die erste, sondern die zweite, die sogenannte Mai⸗Fermentation, längst beendet ist.
Meine Herren, außer der Beseitigung dieser jetzt bestehenden Beschwerlichkeiten gegen die Landwirthe wird aber weiter von dem Steuerreformwerk zu erwarten sein, daß es die inländischen Inter⸗ essen überhaupt gegenüber den ausländischen fördert. Die Fabrikation wird nämlich zur Verhütung eines Konsumrückganges bestrebt sein, bei thunlichster Gleichhaltung der Qualität und des Preises die Herstellung der Produkte dadurch zu verbilligen, daß sie dem allmählich leider immer mehr zurückgedrängten und nur noch ein Drittel der Konsumtion betragenden inländischen Taback wieder zu einer reich⸗ licheren Verwendung verhilft in seinen besseren, den billigeren Import⸗ sorten an sich gleichwerthig stehenden Qualitäten. Das wird aber zweifellos rückwirken auf die Erweiterung des Anbaues im Inlande, auf einen besseren Preis des Inlandstabacks und auch auf seine Veredlung. 8
Diese Ziele fest ins Auge zu fassen, das ist ökonomisch noth⸗ wendig, das ist eine Pflicht gegen den Berufsstand der Pflanzer, und das liegt zweifellos im allgemeinen Nationalinteresse. Wir haben hier einen Rückgang der inländischen Arbeit wieder gutzumachen, der auf das Wohl von vielen Tausenden von Pflanzern schädigend ein⸗ wirkt. Meine Herren, nach zuverlässiger Annahme waren ja etwa 40 000 Tabackpflanzer in Deutschland, etwa 9000 in den letzten drei Jahren in Baden, wegen des jetzigen Steuersystems gehindert, ihren Tabackbau weiter zu treiben. Nach der Zusammenstellung des Herrn Diffens — ich habe hier diejenige vom Jahre 1893 vor mir liegen, während gestern eine ältere zitiert wurde — betrug das Verwendungs⸗ verhältniß zwischen in⸗ und ausländischem Taback in den Jahren 1879 bis 1886 nahezu je eine Hälfte nach beiden Seiten. Dieses Verwendungsverhältniß hat sich zu Ungunsten des inländischen Roh⸗ tabacks von 1886 bis 1892 dahin verändert, daß der in⸗ ländische nur noch 0,38, der ausländische 0,62 % Verwendung fand. Der durchschnittliche jährliche Konsum von fermentiertem inländischen Taback hat in der Periode 1886/1892 um 32 000 Doppelzentner gegenüber dem vorigen Lustrum abgenommen, derjenige von aus⸗ ländischem Rohtaback aber um 76 000 Dovppelzentner zugenommen. Der durchschnittliche jährliche Konsum hat sich für den Inlandstaback in dem letzten Lustrum abermals um ¼¹0 vermindert, während die Zu⸗ nahme des ausländischen Tabacks ⁄0 beträgt; und Herr Diffené ist der Ansicht, wie das hier zu lesen ist, daß das Verwendungs⸗ verhältniß von inländischem und ausländischem Taback sich gegenwärtig noch ungünstiger stellt. Ich glaube, es ist von Interesse, sich 12. die absoluten Zahlen vorzuhalten. Es ergiebt sich danach, daß der Jahreskonsum an Taback 740 000 Doppelzentner beträgt; davon stellt der ausländische Taback 480 000 Doppelzentner, der inländische nur 260 000. Ist das ein Verhältniß, welches vom nationalen Stand⸗ punkt gewünscht werden kann? Ganz gewiß nicht.
Nun da ehofft werden, daß auch in diesem Punkte der Ent⸗ wurf Wandel schaffen wird. Ich habe bereits die Gründe vorhin angedeutet; aber gleichwohl, meine Herren, darf ich den in Baden lebhaften Wunsch, den auch sämmtliche drei Redner aus dem hohen Hause gestern geäußert haben, Herr von Stumm allerdings mit Beschränkung auf die Fabrikate, nicht übergehen: 29 man in der Kommissionsberathung der Frage nochmals eine volle Auf⸗ merksamkeit zuwenden möge, ob nicht der Zoll auf dem ausländischen Taback gegenüber dem im Entwurf gewählten Satze noch zu erhöhen sei. Die Relatton des Zolles zur Steuer ist zwar äußerlich in dem Entwurf sicher gegen den jetzigen Stand etwas erhöht, weil der Zollbetrag in dem Fakturawerth nochmals zur Versteuerung miterscheint. Meine Herren, ob aber selbst gleichwerthige inländische Tabacke in der That damit genügend geschützt sind, das ist doch eine Frage, die zunächst von den Tabackbauinteressenten durch⸗ weg verneint wird, und der Rückgang des inländischen Tabackbaues ist so bedeutend, daß man diese Frage wohl nochmals zu prüfen hätte. Es kommt hinzu, daß auch im laufenden Betriebsjahre der Import der ausländischen Tabacke wieder in einer sehr hohen Proportion er⸗ scheint. In einem Zirkular einer Bremer Fabrik ist die Thatsache festgestellt, daß die Totaleinfuhr am dortigen Platze sich 1893 auf 460 000 Seronen gegen 274 000 im Jahre 1892 stellt, und der Total⸗ verkauf an importiertem Taback betrug im Jahre 1893 in Bremen 485 000 Seronen gegen 250 000 im Jahre 1892. Diese Sorten aber, um welche es sich hier handelt, sind zum großen Theil nach Deutschland verkauft und konkurrieren mit dem Pfälzer Taback.
Weiter ist bei der Relation von Zoll und Steuer noch zu be⸗ achten, daß eine Steigerung, eine allmähliche Zunahme der Pro⸗ duktionskosten des inländischen Tabacks stattfindet, während die im⸗ portierten Tabacke billig geworden sind.
Es darf dabei auch noch ein Moment erwogen werden: die über⸗ seeischen Tabacke, meine Herren, kommen als ein fertiges beurtheilungs⸗ fähiges Produkt zu uns; wenn sie nicht wirklich preiswürdig sind, werden sie überhaupt nicht gekauft. Den inländischen Taback aber muß der Pflanzer eben nehmen, so wie die Natur ihn schenkt; sodann muß er den inländischen Taback mindestens ein Jahr und oft noch länger im Transitlager ruhen lassen, wodurch ein Aufschlag durch den Zinsbetrag entsteht. Er muß die Zufälligkeiten und die Unbilden un⸗ günstiger Witterung, die Fährlichkeiten der Trocknungsperioden über sich nehmen. Es ist also ein Risiko mit dem inländischen Taback bis zu seiner Verwendung verbunden. 8
Ich glaube, meine Herren, es ist von dem größten Interesse,
sich noch zum Schluß zu vergegenwärtigen, wie die Gesammtfrage
von den betheiligten Kreisen selbst aufgefaßt wird. Anfänglich ha die Industrie, ihrer Natur nach am ehesten mobil und kapitalkräftig zur Entfaltung einer Agitation, die Offensive ergriffen und in manchen Bezirken die Landwirthschaft einfach ins Schlepptau genommen. Allmählich hat sich aber die letztere zur Selbständigkeit einer Meinung herausgerungen und eine Stellung eingenommen, welche nicht mehr Entwurf ist, sondern welche vielmehr nach den Personen und Bezirken sich vom Geschehenlassen dessen, was projektiert ist, bis zur Sympathie für den Entwurf heraufbewegt. Eine Ver⸗ sammlung der Pfälzer Pflanzer in Neuenheim im Herbst vorigen Jahres hat den Ton angegeben, in dem sie unter der Bedingung des erhöhten Zollschutzes und einer für den Rauchtaback günstigen Steuerrelation im übrigen das Schießen gegen den Entwurf eingestellt hat. Es liegen mir nun aus Baden die Aeußerungen der land⸗ wirthschaftlichen Bezirksvereine aus allen Taback bauenden Bezirken vor, und diese bewegen sich im allgemeinen in gleicher Richtung. Wie sie einerseits insbesondere die weitere Erhöhung des Zolls als eine Lebensfrage des inländischen Tabackbaues voranstellen, so betonen sie zum theil recht bestimmt die Vorzüge des Entwurfs. Gestatten Sie mir, meine Herren, Ihnen einige solcher Stellen in aller Kürze und auszugsweise zur Kenntniß zu bringen.
a ist in der einen Verlautbarung ausgeführt, es sei insbesondere betont worden, daß eine Beseitigung des bisherigen Steuermodus durchaus wünschenswerth erscheine, weil die Gewichtsabschätzung auf den Feldern, abgesehen von den Nebenkosten, welche den Ertrag der Steuer übrigens auch beeinträchtigen, zu vielen Unzuträglichkeiten und Reklamationen, insbesondere wenn weniger Taback zum Verwiegen gebracht wird, führt. Die Steuer müsse jetzt vom Pflanzer ent⸗ richtet werden; man sei überzeugt, daß eine Abwälzung eintreten werde, wie das ja zweifellos ist. Bei der Gewichtssteuer komme endlich der gute und geringe Taback in gleichem Maße zur Steuer, wodurch eine Veredelung der Tabacksorten und eine Verbesserung der Technik des Tabackbaues künstlich hintangehalten wird. Es wird endlich noch die Frage des Entrippens und Auslaugens berührt, die ich schon erwähnt habe.
gegensätzlich zum in Gradabstufungen je
In einem anderen Bericht wird hervorgehoben, man zweifle nicht, daß die bei der geplanten Fabrikatsteuer den Pflanzern zugedachte Erleichterung von wesentlicher Bedeutung sei.
In einem dritten heißt es, man erblicke in dem Entwurf die Erfüllung einer großen Zahl von Wünschen, welche von den Tabackpflanzern so oft und so vielfach und leider bisher vergeblich geltend gemacht worden sind. 1 8
In einem weiteren Bericht wird hervorgehoben, der Haupt⸗ vortheil des Gesetzentwurfs für den Tabackbauer liege, abgesehen von der Beseitigung der lästigen Kontrole im Anbau, darin, daß der Tabackbauer nicht mehr genöthigt sei, seinen Taback zu einem be⸗ stimmten Zeitpunkt um jeden Preis zu verkaufen, wenn er nicht das große Risiko übernehmen wolle, die Steuer selbst zu zahlen. Werde die jetzige Steuer beseitigt, dann werde der Tabackbauer aus dieser Zwangslage befreit, er werde dem Händler gegenüber unabhängig, so daß er auf einen dem wirklichen Werth des Produkts entsprechenden Preis rechnen dürfe. Ueberhaupt werde der Preis für den Rohtaback sich künftig auch mehr nach der Qualität des Produkts abstufen als bisher, wo wegen des erdrückenden Betrages der Steuer häufig gar kein Unterschied zwischen besserer und geringerer Waare mehr herauskomme. . — 8
In einem Bericht wird sogar ausdrücklich gesagt: man stehe der Einführung der Tabackfabrikatsteuer, wenn sie geeignet ist, den tabackpflanzenden Landwirth zu entlasten, sympathisch gegenüber, sofern die in der Heidelberger Versammlung gefaßten Beschlüsse hierbei Beachtung finden. Die “ Aeußerung bewegt sich auf demselben Boden, welchen auch die Resolution in Lampertsheim vertreten hat. Dort war eine Versammlung des Bundes der Landwirthe von Tabackbauern aus Baden, Hessen und Rheinpfalz einberufen, welche mit Hervorhebung der beiden früheren, mehrfach erwähnten Punkte: der Zollerhöhung und der Relation des Pfeifentabacks, erklärt hat, sie begrüße in dem neuen Gesetzentwurf die Erfüllung alter Forderungen der Landwirthschaft, insbesondere das steuerfreie Ent⸗ rippen und Entlaugen und die Sicherung gegen die Rückwälzung der Steuer auf den Pflanzer. 8 1
Meine Herren, aus diesen Zeugnissen heraus darf man gewiß die Beruhigung schöpfen, daß der Entwurf sich in einer Richtung bewegt, welche dem deutschen Landbau entschieden Vortheil bringt und hier eine Arbeits⸗ und Gewinnvermehrung bietet.
Ja, ich gehe viel weiter. Ganz abgesehen von der Frage der Deckung der vermehrten Reichsausgaben, ganz abgesehen von dem
lan der Reichs⸗Finanzreform, ist der Tabacksteuerentwurf in seinem Uebergang von dem unhaltbaren, die Landwirthschaft beschwerenden und der Industrie an sich nichts nützenden Gewichtssteuersystem zum Werthsteuersystem ein Fortschritt, eine Reform von wirthschaftlicher und sozialer Bedeutung, welche wir wünschen müßten auch dann, wenn die anderen Anlässe dieses Entwurfs gänzlich ausschieden.
Daß diese Anlässe aber gerade am ehesten zu einer Genuß⸗ mittelbesteuerung führen mußten, das ist gestern überzeugend b gewiesen worden, und ich denke, ebenso überzeugend ist nachgewiesen, daß wir die Deckung des Reichsbedarfs schon seiner Höhe wegen nicht den Einzelstaaten zuschieben. Oder, meine Herren, sollte es wirklich politisch angehen, das Schauspiel, daß man uns hier von einer Steuergattung zur anderen schickt, derart zu vervielfachen, daß der heftige Streit der Interessengruppen nun in den 25 Einzelstaaten je gesondert entfesselt wird mit der Schlußwirkung, daß an Stelle einer und derselben Weise der Tragung dieser Ausgaben in jedem Staat andere Schultern heran gezogen werden; in dem einen das System der Gebühren, in der zweiten direkte, im dritten indirekte Steuern bewilligt werden? Un soll etwa damit garantiert sein, daß eine richtigere Lösung der Frag der Leistungsfähigkeit gewonnen sei? Ein solches Verfahren wäre nu eine Abdikation des Reichstags gegenüber einer nicht nur erwachsenen sandeen auch durch seine Mitwirkung von ihm selbst geschaffenen
Wir müssen dringend wünschen, daß diese Aufgabe aber auch er⸗ weitert aufgefaßt wird in demjenigen Sinne, welcher der Grundgedanke der Reichs⸗Finanzreform ist: zugleich den Einzelstaaten die Stabilität und die Auskömmlichkeit ihrer Finanzen wieder zu verschaffen. Meine Herren, auch in diesem Sinne empfehle ich Ihrer weiteren freund⸗ lichen Erwägung den Entwurf der verbündeten Regierungen. (Bravo!)
Abg. Frese⸗Bremen (fr. Ver.) führt aus, daß er das Gute
in der Vorlage zu suchen sich bemüht habe; aber er habe vergeblich gesucht, die Gerechtigkeit, von welcher der Vorredner in seinen Auf⸗ zeichnungen gesprochen hat, zu entdecken. Er habe nur gefunden, daß,
wenn die Steuer etwas bringen solle, die breiten Massen belastet
werden müßten, von deren Schonung man gesprochen habe; er habe ferner gefunden, daß durch die Kontrole die Fabrikation be⸗ hindert werde. Die Regierung beschwert sich über die Agitation und dennoch verlangt sie, daß die Vndustrie sich an der Herstellum der Vorlage betheiligen solle. Der Staatssekretär Dr. Graf von Posa⸗ dowsky spottet darüber, daß die Industrie die träge Masse der Raucher in Bewegung gesetzt habe; das ist einzig und allein durch die Vorlage selbst geschehen. Die Regierung hat selbst den Konsum⸗ rückgang vorgeführt, verdenkt es aber der Industrie, daß sie von den Zahlen Gebrauch macht. Der Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsky hat sich bemüht, die Zahl der beim Konsumrückgang
zu entlassenden Arbeiter zu bemängeln; er hat dabei darauf hin⸗
gewiesen, daß die Tabackarbeiter in Frankreich und Oesterreich sehr viel mehr Taback verarbeiten als in Deutschland. Das ist sehr leicht erklärlich. In Frankreich und Oesterreich wird viel mehr Rauchtaback verbraucht, als bei uns. Der größte deutsche Rauchtabackfabrikant, welcher 36 000 Zentner jährlich verarbeitet, braucht, weil dazu maschi⸗ neller Betrieb verwendet werden kann, 200 Arbeiter; der größte deutsche Zigarrenfabrikant, der ebenfalls 36 000 Zentner verarbeitet, braucht dazu 5000 Arbeiter. Die Kontrolmaßregeln sind ungeheuerlich wenn sie auch für die Branntweinbrennereien bestehen sollten. Die Täbagindustrie verlangt keine Liebesgabe, aber auch keine Kontrole, Der Abg. Freiherr von Stumm drohte der Tabackindustrie, wenn die Vorlage nicht angenommen würde, mit dem Monopol. Er meinte, die Raucher könnten ihren Konsum etwas einschränken. Die Arbeiter können nicht den ganzen Tag rauchen, namentlich nicht bei der Arbeit; sie können nur in den Pausen rauchen. Dieser Genuß soll ihnen eingeschräankt werden! Was würde der Abg. Freiherr von Stumm wohl sagen, wenn die Arbeiter von ihm verlangen würden, er solle täglich nur eine halbe statt einer ganzen Flasche Wein trinken? Die Hanze Rede des Abg. Frei⸗ herrn von Stumm war wohl nur eine Verbeugung vor der Land⸗ wirthschaft, die ihm grollt, weil er den rumänischen Handelsvertrag befürwortet hat. 1879 hat man die Tabacksteuer von 20 auf 40 ℳ erhöht. Die Sachverständigen waren damals in Amerika, um die dortige Fabrikatsteuer zu studieren. Man entschied sich dafür, daß dieselbe nicht eingeführt werden könne in Deutschland, weil sie direkt zum Monopol führen würde. Woher kommt man jetzt plötzlich zur Fabrikatsteuer? Als die Reichstagswahlen begannen, versprach man den badischen Pflanzern schon eine Ermäßigung der Steuer. Man hat damals eine Banderolensteuer ausgearbeitet. Zigarren bis 48 ℳ sollten 8 ℳ, Zigarren von 49 — 80 ℳ sollten 20 ℳ, Zigarren von 81 — 160 ℳ sollten 60 ℳ und die noch theureren 90 ℳ Steuern bezahlen. Es würde also die eine Zigarre zu 48 ℳ ohne Steuer 40 ℳ, die Zigarre zu 49 ℳ ohne Steuer 29 ℳ, die Zigarre zu 81 ℳ ohne Steuer 21 ℳ werth gewesen sein. Das heißt, die theuersten Zigarren wären die schlechtesten gewesen. Das ist die ent⸗ worfene Banderolensteuer. Der höhere Tabackzoll führt zur Aus⸗ dehnung des Tabackbaues im Inland und zwar zum Raubbau. Taback wird dann auf einem Boden gebaut, der dazu nicht geeignet ist. verliert der Taback seine Brennfähigkeit und kann in Deutschland nicht abgesetzt werden; er muß zu ruinösem Preise ins Ausland verkauft werden und dann kommt wieder das Verlangen 1 Erhöhung des Zolls. Die Tabackfabrikatsteuer trifft nicht bloß das Rohkapital, sondern auch die Löͤhne, die in Norddeutschland sehr viel höher sind als in Süddeutschland. Deshalb muß sich eine Verschiebung der Industrie nach Süddeutschland vollziehen. Von den 16 000 Arbeitern mit 63 Millionen Mark Lohn entfallen auf die
8 “ 8
igarxwenfabrikation 150 000 Arbeiter mit 57 Millionen Mark Loh
er Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsky hat sich, um den Rück⸗ gang des Konsums nach der Steuererhöhung von 1879 zu bestreiten, auf Jahre bezogen, die ihm paßten. Hätte er aber die Jahre, wel nicht durch besonders große Einfuhren beeinflußt waren, gewählt, so hätte er gefunden 1876 einen Konsum von 1,82 kg, nach der Steuer aber 1881—1892 durchschnittlich 1,47 kg, d. h. es hat sich ein Kon⸗ sumrückgang von 19 % herausgestellt. Dasselbe wird auch jetzt eintreten. Die Vorlage spricht nur von ein Sechstel Rückgang. Der preußische Finanz⸗Minister Dr. Miquel hat aber selbst den Rauchern empfohlen, statt fünf Zigarren nur vier zu rauchen, das ist ein Rückgang um ein Fünftel. Die Verminderung wird aber eine noch stärkere sein, Aber ein Un⸗ glück bleibt selten allein. Der Fabrikant muß Arbeiter entlassen, welche durch Unterbieten die beschäftigten Arbeiter aus ihren Stellen verdrängen werden, und der Fabrikant wird daher auf die Löhne drücken müssen, um gegen die Konkurrenz anzukommen. Da jetzt sehr intensid gearbeitet worden ist, so wird nach Einführung der Steuer gar keine oder sehr wenig Arbeit vorhanden sein. Wie will die Regierung es denn anfangen, bei den Privaten zu prüfen, ob sie nur 5 kg vorräthig haben? Bei Annahme der Stevervorlagen werden den Tabackhänd⸗ lern, die sich im Frühjahr in den überseeischen Ländern versorgt haben, und sie konnten das nach der Versicherung der Regierung vom 26. Mai, daß eine Tabackbesteuerung nicht in Aussicht stehe, auch mühig thun, große Verluste erwachsen, und besonders Bremen wird in die Gefahr kommen, seine Stellung als Tabackweltmarkt zu ver⸗ lieren. Das dient jedenfalls nicht dem föderativen System, welches der preußische Finanz⸗Minister Dr. Miquel fördern will. Man sagt, die Fabrikanten schwärmten heimlich für die Fabrikat⸗ steuer. Es ist allerdings bekannt, daß ein “ besserer
5 beim preußischen Finanz⸗Minister Dr. Miquel Audienz ge⸗
abt hat, um einen Importzoll von 3000 ℳ zu erhalten. (Heiterkeit.) Die Tabackpflanzer haben zuerst eine Neigung für die Fabrikatsteuer süen. weil sie hofften, daß die Kontrolbestimmungen leicht aus⸗
allen würden. Darin haben sie sich aber getäuscht, namentlich hatten sie nicht gedacht, daß der Lagerzwang eingeführt wird. Deshalb haben sie jetzt gegen die Tabacksteuer Front gemacht. Die Art, wie der Probeverkehr, der bei uns sehr groß ist, geregelt werden soll, führt uns direkt zu russischen Zuständen. Besonders schwierig wird aber die Lage der Fabrikanten, welche genau Bücher führen müssen über den Schwund u. s. w. Wenn das nicht geschieht, wie will die Steuerbehörde das feststellen. Wie soll die Kontrole durchgeführt werden gegenüber 18 000 Tabackgeschäften und 360 000 Geschäften, welche den Tabackhandel nebenbei treiben! Der Privatmann soll seine Fakturen 3 Jahre aufheben; wie soll das möglich sein? Wenn die Regierung mit diesen Kontrolbestimmungen aber nicht auskommt, was soll dann erst werden! Alle diese Erwägungen bringen mich zu der Erkenntniß, daß wegen des Konsumrückgangs, wegen der Arbeiterentlassungen, die ich auf mindestens 30 000 berechnet, und in Bezug auf die Kontrole vom gewerblichen und sozialpolitischen Standpunkt aus die Vorlage verworfen werden muß. Und im Interesse der Beruhigung der Industrie möchte ich wünschen, daß die Vorlage zurückgezogen werden möge.
Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath Unter⸗ Staatssekretär von Schraut: Der Herr Vorredner hat die Inter⸗ essen der Tabackarbeiter in den Vordergrund gestellt, den 141 000 Tabackpflanzern dagegen, welche unter der gegenwärtigen Steuer hart und in der ganzen Tabackbranche allein leiden, nicht das gleiche Inter⸗ esse zugewendet. (Zustimmung.) Von 1881/82 bis jetzt ist die Zahl der Tabackpflanzer von 240 000 auf 140 900 zurückgegangen. Die gegen⸗ wärtige Tabacksteuer belastet die Tabackpflanzer in einer unerhörten Weise, weil sie ihnen die Verpflichtung auferlegt, die Steuer zu zahlen für den Taback, der am Verwiegungstermin noch nicht verkauft ist. Je näher der Verwiegungstermin herankommt, desto mehr kommen die soge⸗ nannten Wackler heran, und die Bauern müssen in den niedrigen Preisen schließlich die ganze Tabacksteuer allein zahlen. (Zustimmung.) Dazu kommen die Mängel aus der Frage der Entrippung und Entlaugung. Für die Rippen werden höchstens 30 ℳ bezahlt, während die Steuer 45 ℳ beträgt. Der Bauer darf die Rippen nicht einmal vernichten. Durch die Entlaugung verliert der
an seinem Gewicht 20 %. Für diese 20 % muß die Steuer geradeso bezahlt werden wie für den nicht entlaugten Taback; infolge dessen kann der Bauer den für ihn wichtigen Entlaugungs⸗ prozeß, der den Taback verbessert, überhaupt nicht vornehmen. Eine Aenderung des Entrippungs⸗ und Entlaugungsverfahrens ist nicht möplich, weil das ganze System damit zusammenfällt. Die Blätter⸗ zählung auf dem Felde ist eine große Plage für den Tabackbauer; daß er für die Blätter an einem viel späteren Termine aufkommen muß, ist es noch mehr. Es ist gar nicht möglich, daß die Tabackindustrie zur Ruhe kommt, so lange das gegenwärtige Steuer⸗ syostem mit seinen Härten bestehen bleibt. Immer wieder wird man fragen: warum sind wir Tabackpflanzer allein die⸗ jenigen, die die ganze Steuer zu tragen haben, um uns ruiniren zu lassen? Die Einwände gegen die Tabackfabrikatsteuer richten sich im allgemeinen gegen jede höhere Besteuerung des Tabacks überhaupt und speziell gegen die Form. In anderen Ländern wird der Taback höher besteuert, auch bei uns unterliegen nothwendigere Lebensmittel einer viel höheren Besteuerung; und wenn ich anerkenne, daß ich selbst ein leidenschaftlicher Raucher bin, daß der Tabackkonsum bis zu einem gewissen Grade ein Bedürfniß ist, — so, wie er betrieben wird, ist er eine Leidenschaft, auf deren Verringerung man eigentlich mehr hinwirken müßte als auf ihre Stillung. Die hamje Konsumstatistik beruht nur darauf, daß man den Taback⸗ bau zu der zufälligen Einfuhr des Jahres addirt; eine eigentliche Konsumstatistik wie die Monopolländer haben wir nicht. n den letzten 20 Jahren hat der Konsum der rauchfähigen Bevölkerung — also ohne die weibliche Bevölkerung und die unter 14 Jahren — durchschnittlich pro Kopf 4,9 kg betragen, in den letzten 6 Jahren betrug der Durchschnitt ebensoviel. Der Konsum ist also nach 1879 trotz der großen Zoll⸗ und Steuererhöhung nicht zurückgegangen. In der Kommission soll das näher nachgewiesen werden. Es kommen dabei noch zwei Punkte in Betracht. Die jüngere Gene⸗ ration raucht, nicht aus finanziellen Gründen, sondern aus anderen Gesichtspunkten, nicht so stark wie die frühere Generation. u kommt, daß man vom Pfeifenrauchen immer mehr zum Zigarren⸗ rauchen übergegangen ist, bei dem das Rauchbedürfniß mit weniger Rohtaback befriedigt wird als beim Pfeifenrauchen. Nun wird immer auf das Sechstel exemplifiziert, was in der Vorlage als muthmaß⸗ licher Rückgang des Konsums angenommen ist. Diese Zahl ist nur als der äußerst mögliche Grad des Konsumrückgangs gedacht. Man wollte eben bei der Veranschlagung des finanziellen Ergebnisses nicht zu hoch kommen. Man hat gestern auf Grund der Uebersicht zur Vorlage ausgerechnet, daß die 5 ₰⸗Zigarre sich um 1 ₰ nach der neuen Steuer vertheuern würde. In dieser Uebersicht ist aber der prozentuale Detailgewinn des Detail⸗ händlers prozentual höher angesetzt im Verhältniß zur Steuererhöhung, während der etailhändler einen höheren Gewinn als früͤher nicht beanspruchen kann, sodaß also nur der ab⸗ solute Gewinn in Rechnung zu bringen gewesen wäre. Es ergiebt sich dann sogar noch eine geringere Belastung. Nehmen Sie Rauch⸗ naback, z. B. eine Sorte, die zu 1,650 ℳ das Kilo verkauft wird. Dieser wird durch die neue Steuer auf 1,80 ℳ vertheuert, also nur um 20 S. Vazu trägt der Konsument zweifellos nicht die ganze Erhöhung allei, wie auch jetzt schon der Pflanzer und Kleinhändler einen eil der Steuer tragen. Im Tabackgewerbe sind eine Masse Punkte, zuf denen die Mehrbelastung ruhen kann, ohne daß besondere Interessen irgendwie geschädigt werden. Ich erinnere an die Frage der Sortierung, [ usstattung, an die Frage des Verkaufs im großen, wobei ich ins “ gegen den Abg. Frese auch noch erwähnen v9 daß einzelne 5— ja überhaupt nicht verkauft werden; selbst einfachste Mann kauft seine drei oder vier Zigarren, no sich dann die Bruchtheile leicht ausgleichen. Nach alledem ergiebt 8 auch eine ruhigere und sachlichere; uffassung der ganzen Arbeiter⸗ lage. Die Arbeiterfrage kommt nicht in Betracht, soweit es sich diglich um die Veränderung der Qualität des Konsums handelt, und
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diese wird viel mehr in Fage kommen als ein wirklicher Konsumrückgang. Eine Verschiebung der Arbeiter und der Industrie von Nord nach Süd wird nicht erfolgen. Warum kann die westfälische Industrie schon jetzt mit der Bremer konkurrieren? Der Handel überwindet Ent⸗ fernungen ohne jegliche besondere Vertheuerung und ohne Schwierig⸗ keit. Die Frage der Lohndifferenzen auf dem platten Lande im Süden wirkt überhaupt schon an und für sich ohne Rücksicht auf die Fönge der Steuererhöhung. Wenn Sie auch die Steuer nicht er⸗ böhen und die Lohndifferenz sich nicht ausgleicht, werden doch immer Industrien ihre Filialen im Süden ansiedeln. Trotzdem geht die ganze Tendenz fortwährend auf Lohnerhöhung auch im Süden. Ein großer Theil des Tabacks wird außerdem im Norden gebaut. Der Anbau des Tabacks ist hier ebenso lohnend und das Produkt wird auch von norddeutschen Fabriken ver⸗ braucht. Entscheidend ist für diese Frage die Differenz zwischen Zoll steht, ist auch im Gesetzentwurf beibehalten; in Wirklichkeit aber stellt diese Differenz doch eine gewisse Erhöhung dar, weil die Werthsteuer von den aus inländischem Taback fabrizierten Zigarren und Rauch⸗ tabacken erhoben wird nicht nur von dem Werth der Waare, sondern von dem Werth plus Zoll. Ferner ist das Verhältniß zwischen Rauchtaback⸗ und Zigarrentabackfabrikation in dem vorliegenden Ent⸗ wurf besser gestellt. Bei der gegenwärtigen Steuer kalkuliert sich die Belastung des Pfeifentabacks dreimal so hoch wie die des Zigarrentabacks, darum der Rückgang des Pfeifen⸗ tabackkonsums. Dieser Pfeifentaback soll fortan doppelt so hoch be⸗ steuert werden. Nun wäre ja eine Ermäßigung des Steuersatzes von 66 ¾ ℳ im Interesse des ausländischen Tabackbaues sehr zu wünschen; allein die Frage ist deswegen etwas subtil, weil in der Pfeifentaback⸗ fabrikation nur der vierte Theil der Arbeiter beschäftigt wird, wie in der Zigarrentabackfabrikation. Daß durch die Begünstigung des in⸗ ländischen Tabacks die norddeutsche Industrie, welche hauptsächlich aus⸗ ländische Tabacke verarbeite, wie der Abg. Frese meinte, geschädigt werden wird, muß ich bestreiten. Nach der Statistik ist die Einfuhr des ausländischen Tabacks seit 1883 gestiegen von 27 000 auf 46000 t, von 43 Millionen Mark Werth auf 63 Millionen, während der in⸗ ländische Tabackbau von 22 000 auf 15 000 ha zurückgegangen ist. Der Zollertrag ist während dieser Zeit von 25 auf 43 Millionen ge⸗ stiegen, der inländische Steuerertrag stationär geblieben. Wenn der Import von ausländischen Tabacken unter der Herrschaft einer Zoll⸗ differenz von 40 ℳ sich so günstig in den zehn Jahren entwickelt hat, kann man nicht von einer nothleidenden Situation dieses Imports sprechen. Es ist zu erwarten, daß die Beibehaltung dieser Differenz nicht im entferntesten dem Import schädlich sein wird. 1879 bei Erhöhung des Zolls hat das Ausland effektiv einen Theil des Zolls übernommen; trotz Erhöhung des Zolls sind die ausländischen Tabacke nicht theurer geworden, das Ausland hat einen Theil des Zolls ge⸗ tragen. Das wird auch jetzt zutreffen. In Bezug auf die Arbeiter⸗ frage will ich noch darauf hinweisen, daß der größte Theil der Taback⸗ arbeiter aus weiblichen jugendlichen Kräften besteht, und daß der regelmäßige Abgang dieser Bevölkerung verhältnißmäßig hoch ist, sich zwischen 7 und 8 % bewegt. Es wird also schon durch den nor⸗ malen Abgang eine leichtere Lösung der Arbeiterfrage sich ergeben. Entschieden bestreiten muß ich, daß hier die Kleinindustrie geopfert wird zu Gunsten der Großindustrie. Nach dem Gesetzentwurf sollen Be⸗ triebe mit weniger als vier Arbeitern von jeder Kontrole befreit sein und einem gewissen einfachen Pauschalierungsverfahren unterworfen werden. Außerdem wird die Verzollung ermäßigt von 88auf 40 ℳ, und die Steuer⸗ pflicht tritt erst ein, wenn die Fabrikate aus der Fabrik hinausgehen. Bisher mußte der kleine Industrielle im Gegensatz zu dem Groß⸗ industriellen, der sich ein zollfreies Lager hielt, das ganze Rohmaterial sofort verstenern und verzollen; künftig braucht er das nicht mehr. Man hat auf die kleinen Branntweinbrenner Bezug genommen. Um lediglich eine kleine Kirschernte, die zur Branntweinfabrikation ver⸗ wendet wird, zu kontrolieren, ist der manchmal kaum des Lesens und Schreibens fähige Bauer den schwersten Kontrolen unter⸗ worfen. Trotzdem sind die kleinen Branntweinbrennereien nicht zurückgegangen. Die Kontrolen sollten anfangs zu schwach und dehnbar sein, jetzt wird die Losung ausgegeben: dies Kontrolsystem ist so drückend, daß es garnicht mehr ertragen werden kann. Es handelt sich hier um keine Prinzipienfrage, es wird sich darüber in der Kommission sprechen lassen. Der Rohtabackhandel ist, soweit er Im⸗ porthandel ist, schon jetzt genau denselben Kontrolen unterworfen, wie sie hier vorgesehen sind. Aber auch die Großhändler von ausländischem Taback halten sich schon ihre eigenen Steuerlager. Und wenn der Abg. Frese fürchtet, daß der Verkauf auf Probe und Muster aus diesen Steuer⸗ und erschwert wird, so glaube ich versichern zu können, daß in diesem Punkt die weitgehendsten Konzessionen gewährt werden, sodaß man den Verkauf auf Probe und Muster, gerade so wie s. 3. bei den zollfreien Niederlagen, jetzt auch bei den steuerfreien Niederlagen in liberalster Weise regeln wird. Die Fabrikanten waren bisher der Kontrole allerdings nicht unterworfen. Die Kontrolen der Zucker⸗ und Branntweinfabrikanten und der Bierbrauer sind aber viel stärker und umfassender als die hier vorgeschlagenen. Das Fakturen⸗ system ist unentbehrlich bei einer Werthsteuer. Der sog. Ban⸗ derolenentwurf hat festgestellt, daß es nicht möglich ist, mit einer Werthsteuer das Banderolensystem zu verbieten, weil der Unterschied zwischen dem Fabrikatpreise, zu dem der Händler einkauft, und dem Detailpreise, zu dem er verkauft, ersicht⸗ lich wird durch die Banderole. Das würde den Detailhandel schwer schädigen und der Kontrole der Konsumenten in ungeheurer Weise aussetzen, und darum ist nur ein Fakturensystem möglich. Ueber den Wunsch, die Einsicht in die Bücher, wie in anderen teuergesetzen, nur höheren Steuerbeamten vorzubehalten, wird sich gewiß sprechen
lassen. Die Kontrole der kleinen Verkäufer, die man sehr urgiert hat, besteht lediglich darin, daß sie Einkaufsbücher führen sollen, was sie wohl ohnehin schon thun. Eine geringe Einschränkung des Klein⸗ kramladenverkehrs wäre im Interesse des kleinen Detaillisten⸗ verkehrs auch kein Unglück. In die ganze Frage der Tabackfabrikat⸗ steuer ist, wie schon hervorgehoben wurde, eine scharfe Präokkupie⸗ rung der öffentlichen Meinung durch eine sehr strenge Agitation hineingekommen. Es ist schwer, gegen eine vorgefaßte einung an⸗ zukämpfen, wir chin aber der festen Ueberzeugung, daß in der Kom⸗ mission der Nachweis erbracht werden wird, wie stark die Ueber⸗ treibungen in den Berechnungen sind und wie unbegründet die Prophezeiungen. Als die Fabrikatsteuer zum ersten Male erschien, ieß es: es wird infolgedessen der Preis der Ernte von 1893 eine kolossale Baisse erleiden, die Tabackbauern werden ruiniert werden. In den Verhandlungen des Tabackvereins in Mannheim sagte aber Herr Diffené, ein Sachverständiger ersten Ranges: „Von den Vertretern unserer Regierung befragt, wie wir uns die Wirkung der beabsichtigten Fabrikatsteuer auf den bevorstehenden Einkauf der 1893 er Produkte dächten, antworteten wir einmüthig: „Ein großer Druck auf die Einkaufspreise wird sich ohne Zweifel bemerkbar machen, zumal bei dem schweren Jahrgang, dem wir entgegengehen! „ Was erfolgte wirklich? Meine Kollegen werden es mir nicht verübeln, wenn ich hier gestehe, wir haben uns alle ziemlich blamiert, was mir übrigens sehr lieb ist für unsere Tabackproduzenten. Alles wird doch rasch weggekauft zu sehr hohen in fieberhafter Aufregung, wie wenn man sich noch schnell des
abacks versichern müßte, ehe die Sbescatster welnee kommt.“ Also statt des verkündeten Niedergangs der Tabackpreise ist eine Erhöhung von 10 bis 25 ℳ erfolgt. So wird es gehen mit einer Masse Prophe⸗ zeiungen, die in diesem Saale ausgesprochen worden sind und die den Ruin, der von gewissen Gesetzesvorlagen eintreten müsse, vorausgesagt haben, und die doch nicht eingetroffen sind, sondern das Gegentheil davon. Eine ruhige und sachliche Prüfung der Vorlage in der Ge⸗ sammtheit und in ihren Ein elheiten wird sicherlich zu der Ueber⸗ zeugung führen, daß der Taback ein werthsteuerfähiges Objekt ist, und daß der Ihnen vorgeschlagene Entwurf der beste und gangbarste Weg ist. (Zustimmung.)
„Abg. Gescher 9 erklärt namens der überwiegenden Mehr⸗ heit seiner Freunde, daß dieselben die Heranziehung des Tabacks zu den
Zolllagern
Lasten des Reichs zwar billigen, aber nicht. einverstanden sind mit der
und inländischer Steuer. Die Differenz von 40 ℳ, welche z. 3. be⸗
Art und Weise, wie die Vorlage diese Aufgabe löst. Der Tabackbau am Niederrhein erkennt an, daß die Vorlage viele lästige Kontrol⸗ maßregeln beseitigt. Aber das ist es nicht, wo der Schuh drückt; der Tabackpflanzer klagt über den Mangel des Zollschutzes gegen⸗ über dem Auslande. Diese Klagen werden nicht gehoben, denn das Verhältniß bleibt, so ziemlich dasselbe, wenn auch der Zollbetrag mit versteuert werden soll. Durch die neue Form der Steuer werden große Umwälzungen in der Tabackfabrikation vor sich gehen, welche die Vernichtung einer Anzahl namentlich kleinerer Existenzen von Tabackinteressenten und Arbeitern zur Folge haben werden. Daß in der Agitation Uebertreibungen vorkommen, wird niemand bestreiten. Es sind mildernde Umstände anzunehmen, selbst bei maßlosen Agitationen. Aber solche Agitationen wie die der Tabackinteressenten sind noch nicht dagewesen. Es wäre dock besser gewesen, die Tabackindustrie hätte bei der Aufstellung der Vorlage mitgewirkt, sie hätte sie bessern können. Abgesehen von Uebertreibungen, muß ich doch sagen: gewisse vorübergehende Störungen wird die Annahme der Vorlage für die Tabackindustrie mit sich bringen; eine dauernde Abnahme des Konsums wird aber nicht eintreten. Solche vorübergehenden Verminderungen des Konsums haben sich auch bei Preiserhöhungen der österreichischen und der französischen Tabackregie gezeigt. Das halte ich auch für bestimmt, daß zunächst 10 000 — 20 000 Arbeiter entlassen werden. Die Mehrzahl dieser Leute sind garnicht in der Lage, in der Landwirthschaft zu arbeiten; es wird ihnen an Kräften dazu fehlen. Gerade in diesem Augen⸗ blick, wo verschiedene Dinge auf dem Gewerbe lasten: das Klebe⸗ geset, die Sonntagsruhe u. s. w., ist ein solches tiefes Eingreifen der Gesetzgebung bedenklich, denn die Fabrikanten werden neue Typen für ihre Waaren erfinden, sie werden vielfach von vorn anfangen müssen. Trotzdem sind wir nicht gesonnen, den Entwurf ohne weiteres abzulehnen, sondern wir wollen gründlich prüfen. Ich bin der Meinung, daß neben der Taback⸗ steuer noch manche andere Steuer möglich wäre, namentlich denke ich dabei an die Luxussteuern. Aber da der Taback kein Lebens⸗, sondern nur ein Genußmittel ist, so ist er überall das Steuerobjekt par excellence; er wird überall recht hoch besteuert, freilich in anderen Staaten höher als bei uns; die Belastung steigt bis zu 600 % des Werths; aber welches Geschrei wird erhoben, wenn wir eine Be⸗ lastung von 33 ½ % einführen wollen! Es ist eine schreiende finanz⸗ politische Anomalie, daß wir in Deutschland eine so niedrige Taback⸗ steuer haben; sie kann auf die Dauer nicht geduldet werden. Dieser gänzlich unberechtigten Immunität des Tabacks muß endlich ein Ende gemacht werden. Von der Pfeife des armen Mannes sorfkcht man immer, aber niemals von dem Branntwein des armen Mannes. Wir sind die letzten, die dem armen Mann seine Pfeife verküm⸗ mern wollen. Ein Konsumrückgang wird nicht eintreten, wie er 1879 auch nicht eingetreten ist. Man sagt, der Deutsche gäbe seit Jahren konstant nur ein Bestimmtes für den Taback aus. Wie konnte man nur eine solche paradore, den Thatsachen widersprechende Behaup⸗ tung aufstellen! In einem Dezennium hat die Einnahme aus dem Tabackzoll sich verdoppelt. Redner bittet, die Vorlage einer Kommission zu überweisen. Wir hoffen, daß sich ein Ausweg finden wird, den Taback zur Deckung der zur Vertheidi⸗ gung des Reichs nothwendigen Ausgaben heranzuziehen. 8 Abg. Meister (Soz.): Der Schatzsekretär hat gefragt, wer denn die Kosten der Militärvorlage decken solle. Diejenigen, welche sie bewilligt haben, lautet unsere Antwort. Denn die Mehrheit des Volks hat sich gegen die Militärvorlage erklärt, und wenn man bei den Wahlen gewußt hätte, daß die Tabacksteuer kommt, es wäre, wie der Abg Bassermann richtig sagte, mancher nicht hierher gekommen, jedenfalls wäre die Militärvorlage nicht angenommen worden. Als die Tabackindustrie vor zehn Jahren durch allerlei Steuerprojekte beunruhigt wurde, da war es ein preußischer Ober⸗ Präsident, welcher erklärte, daß der Taback in Ruhe gelassen werden müsse. Niemals haben die Tabackhändler oder Fabrikanten geblutet, sondern immer waren es die Arbeiter, die bluten mußten. Der Reichs⸗Schatzsekretär rühmte sich des Ausarbeitens dieser Vorlage. Aber wer diese Steuervorlage ausgearbeitet hat, wird keinen Ruhm ernten; denn bisher sind keine Steuer⸗ vorlagen so einmüthig abgelehnt worden von allen Handelskammern und sonstigen Vereinigungen, wie gerade die diesmalige Regierungs⸗ vorlage. Nicht die Sozialisten haben zum Widerstand aufgereizt, sondern die besten Stützen der Staats⸗ und Gesellschaftsordnung. Die Tabackarbeiter konnten wirklich verlangen, daß man sie endli in Ruhe lasse. Warum soll ein einziger Industriezweig die ganzen Kosten der Militärvorlage, ja noch mehr, decken? Die Antisemiten haben keine Ursache, sich darüber zu beklagen, daß sie vom Reichs⸗ kanzler betrogen wurden; sie haben sich mit Worten begnügt, wo sie Thaten hätten verlangen müssen. Am 23. November sagte der Reichs⸗ kanzler, daß von der Tabacksteuer definitiv Abstand genommen sei. Der Abg. Freiherr von Stumm meinte freilich, es sei für jeden selbstverständlich gewesen, daß die Tabacksteuer kommen würde. Wir haben den Worten des Reichskanzlers Vertrauen geschenkt. Der Taback bringt nicht nur viel Geld ein, sondern ernährt auch, was eigentlich viel wichtiger ist, Hunderttausende von Menschen. In Frank⸗ reich u. s. w. ist die Möglichkeit, zahlreiche Arbeiter zu beschäftigen, ausgeschlossen, weil die Steuer den Konsum von Zigarren in Arbeiter⸗ kreisen nicht gestattet. Die Regierung hat ihre Informationen aus den Kreisen der Fabrikanten bekommen; die Fabrikanten genieren sich aber, zu gestehen, zu welchen niedrigen Preisen die Arbeiter Zigarren anfertigen müssen. Die Regierung hätte sich an die Arbeiterkreise wenden müssen; die beste Information hätte sie auf dem in Berlin abgehaltenen Kongresse deutscher Tabackarbeiter finden können.“ Ich kann daher nur die Broschüre empfehlen, welche das leitende Comité an die Reichstagsmitglieder und an die Regierung hat vertheilen lassen. In keinem Erwerbszweige giebt es so viele kleine Geschäfte und kleine selbständige Existenzen, wie beim Taback. Aber die kleinen Leute können nicht die Vorschriften erfüllen, welche die Vorlage enthält. Alle diese kleinen Existenzen würden erst vernichtet werden. Paß Arbeiterentlassungen stattfinden werden, ist selbstverständlich. Auch wenn die Vorlage abgelehnt wird, wird eine Anzahl von Arbeitern entlassen werden; denn es wird in der ganzen Fabrikation ein Stillstand eintreten, weil seit einem Jahre, mindestens aber seit einem Vierteljahre die großen Fabrikanten bis in die späte Nacht hinein haben arbeiten lassen, um ihre Lager zu füllen. Wir schätzen die Zahl der brotlos werdenden Arbeiter auf 50 000; Sie nehmen geringere Ziffern an, Sie halten die Entlassungen nur für vorüber⸗ gehend, um Ihr Gewissen zu beschwichtigen. In der Landwirthschaft können diese Arbeiter nicht in großer Masse Verwendung finden. Dadurch, daß die Steuer auf die Faktura, also auf die Löhne gelegt wird, wird der Fabrikant noch weiter veranlaßt die Löhne herabzu etzen, um die Steuer zu ermäßigen. Das ist es wohl auch, was den Abg. Freiherrn von Stumm veranlaßt hat, so ewaltig für die Vorlage einzutreten. Er sieht in der Vorlage eine Prämie auf billige Arbeits⸗ kraft und hofft auch in seinen Kreisen davon Vortheil zu ziehen Chese. von Levetzow: Ich kann nicht dulden, daß Sie eine einzelnen Abgeordneten in dieser Weise schwer beleidigen. Ich ruf Sie deshalb zur Ordnung!) In Westfalen ist nicht die Taback⸗ industrie Nebensache, wie hier gesagt worden ist; sondern die Taback⸗ arbeiter betreiben zu gleicher Zeit für den eigenen Bedarf etwas Landwirthschaft, um von ihrem niedrigen Lohn überhaupt lebe zu können. Gerade diese Arbeiter werden in ihrer Lebenslage noch mehr herabgedrückt werden. 89 % des Konsums sind Zigarren unter 6 ₰; die besseren Sorten machen also nur 11 % aus. Bei dem billigen Taback wird die Einschränkung des Verbrauchs ein treten; die besseren Sorten werden zum theil gar nicht in Deutsch land gemacht. Der Preis der Zigarren unter 6 ₰ ist schon ein so hoher, daß man im Interesse der Industrie und des Taback⸗ baues wünschen müßte, es könnte eine Preisermäßigung eintreten, um den Konsum zu steigern. Die Lohndrückerei würde weiter dahin führen, daß die Männer durch die Frauen aus den Fabriken verdrängt werden. Außer den Tabackarbeitern selbst werden die Hilfsgewerbe leiden: die Bandfabriken, die Etiquette⸗ und Kistenfabriken; es ist in diesen Betrieben schon mehrfach Arbeitslosig⸗ keit eingetreten. Was würde der finanzielle Erfolg sein? Nach der Vorlage