1894 / 16 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 19 Jan 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Währungsfrage, wie sie sich in den Gegensätzen von Gold⸗ Doppelwährung darstellt, nochmals von Grund aus wissenschaftlich pro et contra zu erörtern. In dieser Beziehung liegt schon ein überreiches Material vor. Die Enquête ist vielmehr als ein ernstlicher Versuch zu betrachten, (hört! hört!) die Währungsfrage aus dem Gebiete der theoretischen Diskussion auf den Boden praktischer Vorschläge überzuführen. (Hört, hört! Bravo!) Zu diesem Zweck wird an der Hand der neuesten Maßregeln in den Vereinigten Staaten und in Indien zu prüfen sein, ob und auf welchem Wege eine Wiederherstellung oder doch Steigerung des Silberwerths, sowie eine Milderung der Schwankungen des Silber⸗ werths angestrebt werden kann. Es wird zu prüfen sein, ob Deutsch⸗ land allein in der Lage ist, durch gesetzgeberische Maßregeln die Er⸗ reichung dieses Ziels zu fördern, oder ob und in welchem Umfange internationale Verständigungen möglich und dazu geeignet und noth⸗ wendig erscheinen. Dies, meine Herren, bezüglich der Währungsfrage. Wenn nun der Herr Interpellant in Anlehnung hieran noch die Frage gestellt hat, was die Staatsregierung sonst noch zu thun ge⸗ denkt zur Beseitigung des stetig wachsenden Nothstandes in der Land⸗ wirthschaft, so kann ich auf Folgendes hinweisen: den Identitäts⸗ nachweis hat der Herr Interpellant selber berührt, die Sachlage ist ja bekannt. Ein alter Beschwerdepunkt der Landwirthschaft, die Doppelbesteuerung, ist in Aufhebung und Beseitigung begriffen. Im übrigen, meine Herren, bleibt nichts übrig und es sind von anderer Seite auch keine Vorschläge gemacht, und es werden schwerlich welche gemacht werden es bleibt nichts übrig, als die Pro⸗ duktion mit allen Mitteln, die zu Gebote stehen, zu steigern. Auf diesem Gebiet läßt sich noch Erhebliches erreichen. Hierzu sind Mittel flüssig gemacht worden, und es werden in diesen Tagen hierzu ver⸗ mehrte Mittel von dem Landtag erbeten werden, und es würden noch mehr Mittel erbeten worden sein, wenn die Finanzlage eine andere gewesen wäre. Ob und inwieweit damit den Schwierigkeiten gesteuert werden kann, entzieht sich jeder Beurtheilung. Daß Fälle eintreten können, wo der einzelne sich nicht mehr halten kann, ist zweifellos. Diese Fälle sind auch sonst eingetreten; wenn sie jetzt vermehrt eintreten, so bedauert das die Königliche Staatsregierung mit Ihnen in demselben Grade 1 und ist bereit, mit Ihnen die Mittel und Wege zu suchen, wie man dem steuern kann. Wenn dies der Fall ist und wenn auf diesem Gebiet praktische Vorschläge gemacht werden können, so werden gerade hierzu die Landwirthschaftskammern, deren Einsetzung die Königliche Staatsregierung Ihnen vorschlägt, der geeignete Ort sein, um Vor⸗ schläge zu machen und dieselben auf ihre Ausführbarkeit zu prüfen.

Graf Pfeil⸗Hausdorf beantragt die Besprechung der Inter⸗ pellation. 8 8

Graf Klinckowström: Wir wissen, daß die preußische Staats⸗

regierung seit Jahren den Nothstand der Landwirthschaft anerkannt hat, daß sie auch den Worten die That folgen lassen will. Die Noth⸗ lage der Landwirthschaft hat aber eine Höhe erreicht, daß wir an der Grenze angekommen sind. Die Schafe sind in meiner Heimath ab⸗ geschafft, weil die Wolle nicht mehr verwerthet werden kann. Der Viehstand ist durch die Klauenseuche reduziert, und wir haben Verluste nach Millionen erlitten. Nun ist uns gerathen worden: Schreibt doch ab! Wovon sollen wir denn abschreiben? Es bleibt ja wirklich nichts mehr übrig, und solche Rathschläge können nur Erbitterung erregen. Die Ausführungen des Ministers haben uns sehr erfreut, aber die meisten Dinge können erst nach Jahren wirksam werden. Die anderen Maßregeln liegen auf dem Gebiete der Reichsgesetzgebung. Die Doppelbesteuerung des Grundbesitzes ist gefallen, aber lästiger ist das Markensystem der Invalidenversicherung. Im Prinzip soll an dem Gesetz nichts geändert werden; es wäre aber doch möglich, die Beiträge als Zuschläge der Einkommensteuer aufzu⸗ bringen, damit nicht bloß die Produktion belastet wird. Die Ver⸗ schuldungsfrage ist erledigt; besonders erfreulich ist, daß die Sache im Wege der Landesgesetzgebung gemacht werden soll, daß wir icht auf das neue Bärgerliche Gesetzbuch verwiesen werden. In Bezug auf die Währungsfrage ist die Stellungnahme der preußischen Staatsregierung eine erfreulichere als die der Reichsregierung. Es wird nun hoffentlich bald etwas geschehen. Bezüglich des Identitäts⸗ nachweises stehe ich vielleicht mit meinen Freunden nicht überall im Einklang. Die Korrespondenz der Ostpreußen mit dem Reichskanzler hat unnütz Staub aufgewirbelt. Daß wir den Identitätsnachweis wünschen müssen, wird jeder Kenner unserer Verhältnisse begreifen. Die Annahme des rumänischen Handelsvertrags rief bei uns eine große ewegung hervor, man machte sie aber, um Aufregung zu ersparen, im usschuß ab. Wir waren darüber einig, daß die Aufhebung des Identitätsnachweises keine Kompensation für den russischen Handels⸗ vertrag war, daß wir ferner keinen Druck auf die Reichstags⸗ bgeord⸗ eten ausüben wollten; wir verfolgten das ideale Ziel: die Einheit der konservativen Partei aufrecht zu erhalten, und von unserer Seite wird nach diesem Ziele auch beim russischen Handelsvertrage gestrebt werden. Bedauern würde ich, wenn im Schoße des Ministeriums an die Aufhebung der Staffeltarife gedacht wird; für diesen Preis nehmen wir die Aufhebung des Identitätsnachweises nicht an, es würde uns mehr genommen als gegeben. Redner führt einige Zahlen an, um die Bedeutung der Staffeltarife für Ostpreußen zu beweisen. Die Staffeltarife seien gewährt worden, nachdem mehrere Minister sich von der schlechten Lage der Landestheile überzeugt hätten. Mühsam habe man 18 ein neues Absatzgebiet errungen; ein solches Vorgehen wirke sehr langsam; der Verlust eines neuen Absatz⸗ gebiets würde sehr schmerzlich sein. Die Aufhebung der Staffel⸗ tarife wäre nur eine Gefälligkeit für das Reich; mit einem Ausfall der Eisenbahneinnahmen von jetzt 5 Millionen, später noch mehr, wäre sie doch zu theuer bezahlt. Wenn eine so ruhige Bevölkerung wie die landwirthschaftliche in eine solche Erregung kommt, fährt Redner fort, dann muß der Grund dazu vorhanden sein. Eine weise Re⸗ ierung sollte sich an die Spitze einer solchen B.ehnn stellen. enn in der gegnerischen und in der offiziösen Presse die Be⸗ wegung eine demagogische genannt wird, so habe ich dafür keinen parlamentarischen Ausdruck.é Jeder, der in der Bewegung steht, ist bereit, seinen letzten Blutstropfen für das Vaterland zu vergießen; wir wollen aber nicht vorzeitig verbluten. Wenn Existenzen ruiniert werden, so handelt es sich nicht bloß um die einzelnen, sondern um die Vernichtung eines Kapitals von Königstreue, dessen Preußen nicht entbehren kann. Es kann noch werden; es bedarf aber Männer, die das Vertrauen des Volks genießen; solche Männer sind vorhanden. Ergreifen Sie nur die Initiative auf dem Gebiete der Gesetzgebung, der Erfolg wird nicht ausbleiben.

Graf Mirbach: Ostpreußen gebietet über den Seeweg und leistungsfähige Wasserstraßen, ist aber mit dem übrigen Staat nicht durch einen Kanal verbunden; das wäre von großer sozialer Bedeutung, wenn unsere Bevölkerung auch nicht die Bedeutung haben mag, wie die des Westens. Die Eisenbahnen sind entscheidend; dessalb sollte man uns nicht die Staffeltarife entziehen, welche kein Privilegium sind, sondern der Ausbau eines bestehenden Tarifsystems, welches erhebliche Mehreinnahmen ergeben hat. Die Resolution der Ostpreußen hat an nichts weniger gedacht, als in der Aufhebung des Identitätsnachweises eine Kompensation für den Vertrag mit Rußland zu sehen. Ich sollte mich bei der Aufhebung des Identitätsnachweises ebenfalls für die Herabsetzung der Getreide⸗ zölle auf 3,50 ausgesprochen haben. Man at bei dem Zitat aber den Nachsatz weggelassen, daß ich auf dem Boden der Solidarität aller Landwirthe stehe. Identitätsnachweis und

Staffeltarife haben mit einander garnichts zu thun. Wir Ostpreußen 1“ 8 ö““

werden für einen russischen Vertrag nicht stimmen, wenn uns nicht weitergehende Kompensationen gegeben werden, besonders auf dem Gebiete der Währungsfrage. Ich fasse die Erklärung der Regierung dahin auf, daß sie auch im Einverständniß mit den entscheidenden Stellen im Reich abgegeben ist. Weitere Enquéten sind nicht nothwendig. Es genügt schon vollkommen, wenn eine feste Relation zwischen Gold und Silber hergestellt wird. Den günstigen Eindruck, den die Erklärungen des Ministers gemacht haben, will ich nicht abschwächen dadurch, daß ich tiefer in die Frage eingehe. Wenn eine Lösung der Währungsfrage gefunden werden soll, dann muß es schnell geschehen; viel Zeit ist nicht mehr zu verlieren. Wenn die Männer, welche für die Doppelwährung eintreten, etwas schroffer auftreten, so muß dabei bedacht werden, daß die Landwirthschaft sich nicht so leicht anderen Verhältnissen anpaßt. Für die Erklärung des Ministers kann ich daher nur bestens danken. 8

Dr. Freiherr von Schorlemer⸗Alst: Eine Erklärung, wie die heutige des Ministers, ist noch niemals abgegeben worden. Bezüglich der Verschuldung hat der Minister unterschieden zwischen der bestehenden und der zukünftigen Verschuldung; im Osten mag man ja vielleicht mit den Vorschlägen auskommen, bei uns im Westen nicht. Die Land⸗ wirthschaft kann ihren Betrieb nicht nach Konjunkturen einrichten; wenn nun bei Ermäßigung der Getreidezölle die Preise das Reich Ausfälle bei den Zolleinnahmen erleidet, die durch Matrikular⸗ umlagen von den Einzelstaaten gedeckt werden müssen, dann wird davon immer der Bauernstand betroffen, der in erster Linie erhalten werden muß. Die Handelsverträge bedingen den niedrigen Preis⸗ stand, daher die Besorgniß vor dem kommenden russischen Handelsvertrag, der eine Konsequenz der früheren Verträge ist, der zugleich aber eine eminent politische Bedeutung hat. Je nach dem Rubelkurse veränderliche Zolltarife gegenüber Ruß⸗ land würden nur der Börsenspekulation Thür und Thor öffnen. Die Aufhebung des Identitätsnachweises würde mehr den Händlern als den Landwirthen zu gute kommen, sie würde einen Ausfall an Ein⸗ nahmen beim Zoll und bei den Eisenbahnen zur Folge haben und einen bedenklichen Handel mit den Ein⸗ und Ausfuhrscheinen mit sich bringen. Mein Vertrauen, daß die Börsenenquste die Schwindel⸗ geschäfte beseitigen wird, ist nicht groß. Bei Differentialzöllen würde übrigens der Identitätsnachweis nicht beseitigt werden können. Die Staffeltarife nützen dem Osten; deshalb will Graf Mirbach sie dem Identitätsnachweis nicht zum Opfer bringen. Damit verläßt er aber den Boden der Solidarität der Landwirthschaft; denn die des Westens wird durch die Staffeltarife geschädigt, schon durch die Möglichkeit, das östliche Getreide wegen der billigen Fracht billiger anzubieten. Wegen unserer höheren Produktionskosten müssen wir auch höhere Preise haben. Bei der Verstaatlichung der Eisenbahnen hieß es, es solle mit dem Unwesen der Differentialtarife ein Ende gemacht werden; wir müssen nicht nur die Staffeltarife beseitigen, sondern uns auch eine Garantie verschaffen, daß sie nicht wieder eingeführt werden, denn sonst nützen uns westlich der Elbe alle Zölle nichts mehr. Die obligatorischen Land⸗ wirthschaftsäammern kann man mit den fakultativen Handels⸗ kammern nicht vergleichen. Ich will hoffen, daß man mit den Kammern Erfolg hat; aber ich fürchte, man wird einen Sprung ins Dunkle thun. Eine neue Wahl wird eingeführt; das Wahlrecht soll sehr ausgedehnt werden; es wird ein neuer Tummel⸗ platz für die politische Agitation geschaffen. Das Kreditwesen und das Agrarrecht soll auf die Kammern angewiesen werden. Was unter Agrarrecht zu verstehen ist, hat mir niemand sagen können; man hat mich zum theil auf den Minister Miquel vertröstet. Namentlich muß ein anderes Erbrecht zur Konservierung des mittlerenf Besitzes, hat des Kredits keinen Werth. Die westfälischen Bauern verlangten ein obligatorisches Anerbenrecht, wir erhielten aber nur ein fakultatives. Wie soll das für den ganzen preußischen Staat gemacht werden? Denn hierbei sprechen Stammesort und Stammessitte mit, und man wird nicht ein Erbrecht aufdrängen können, das nicht sympathisch ist. Bezüglich der Verschuldung machen sich manche die Vorstellung, daß der Staat ihre Schulden übernimmt. Davon kann natürlich keine Rede sein. Die Lösung dieser Frage wird eine schwierige sein. Bei der Ausführung werden die Landwirthe nachher anderer Meinung werden; namentlich, wenn der Verschuldung eine Grenze ge⸗ zogen werden soll, werden die höher Verschuldeten nicht einverstanden sein. Außerdem wird das Kapital auch ein Wort mitreden wollen. Unausführbar ist alles aber ohne Beseitigung des Grundbuchwesens, welches den Heagbesis beweglich gemacht hat. Die vorgeschlagenen Mittel bringen keine schnelle Besserung; ob solche Mittel überhaupt vorhanden sind, weiß ich nicht. Jedenfalls sollte man Alles vermeiden, um eine Verschlimmerung zu verhüten, denn sonst kommt das Rezept am Ende zu spät. Zum Verzweifeln ist die Sachlage überhaupt noch nicht; wenn man die Gefahren kennt, dann hat man sie schon halb überwunden.

Ober⸗Bürgermeister Bräsicke⸗Bromberg: Die bedrängte Lage der Landwirthe erkennen wir an, wir wollen an der Verbesserung mit⸗ wirken. Die aufgestellten —— sind zum theil solche, die

egen bestehendes Recht nicht verstoßen, solche, die wohl angängig ind, aber auch solche, die gegen das Staatswohl verstoßen. Die Aus⸗ gestaltung der Landwirthschaftskammern zu einer obligatorischen Ein⸗ richtung können wir billigen. Aber gegen das Staatswohl verstößt das fortwährende Rütteln an der Goldwährung. Gegen die Unter⸗ suchung haben wir nichts einzuwenden; ein Ergebniß versprechen wir uns davon nicht. Nicht einverstanden sind wir mit der Gegnerschaft gegen die neue Handelsvertragspolitik, deren Urhebern der Dank des Volkes gebührt, weil dadurch allein eine Verbindung der Nationen, eine Sicherung der Kulturarbeit gefördert werden kann. Berechtigt ist die orderung der Aufrechterhaltung der Staffeltarife. Die Staffeltarife sind ein wirthschaftlich durchaus begründetes Mittel, den Versandt in weite Fernen zu erleichtern, während bisher die Verstaatlichung der Eisenbahnen dazu geführt hatte, der Landwirthschaft dieses Hilfs⸗ mittel vorzuenthalten. Eher müßte man zum System der 32 bahnen zurückkehren, als daß man die Staffeltarife aufheben könnte, die namentlich in Amerika und Rußland in ausgedehntester Weise in Anwendung gekommen sind. Die Aufhebung des Identitätsnachweises ist eine berechtigte Forderung, weil jetzt die Getreidezölle zu ungleich wirken, weil die Wirkung derselben im Osten Preußens nicht voll zum Ausdruck kommt. An dem russischen Handelsvertrage hat nur die ostdeutsche Landwirthschaft ein Interesse; ich kann nur wünschen, daß sie sich im Interesse des Ganzen entschlösse, dem Vertrage zu⸗ zustimmen. 1

Ober⸗Bürgermeister Becker⸗Köln: Der Vorredner hat in der Mehrheit gesprochen, woraus der Verdacht entstehen könnte, daß er im Namen seiner Partei oder seiner engeren Kollegen gesprochen hat; er hat aber nur im eigenen Namen gesprochen.

Ober⸗Bürgermeister Bräsicke: Ich habe mit der Mehrheit weite Kreise der konservativen und liberalen Bevölkerung außerhalb des Hauses gemeint. 8

Freiherr von Durant: Es handelt sich hier um den Kampf zwischen den Produktionsständen und dem Kapital; die Gewerbe⸗ ordnung hat den Handwerkerstand ruiniert, die Handelsverträge ruinieren die Landwirthschaft, die wohl eine Existenzberechtigung verlangen kann. Dem Grundbesitz muß ein besonderes Verschuldungs⸗ und Erbrecht gewährt, er muß geschützt werden gegen das Ausland durch Zölle und gegen die Börsenmächte durch eine Regulierung der Währungsfrage. Was auf diesen Gebieten bisher geschehen ist, kann man nur als kleine Palliativmittel bezeichnen. Rentengüter und Landgüterordnungen helfen nicht viel. Der Getreidehandel an der Börse ist in der Hand einiger großen Firmen. Das geht daraus hervor, daß wir trotz allem 827 und aller Nachfrage immer dieselben Preise seit Monaten haben. Die Vorschläge der Börsen⸗ Untersuchungskommission enthalten hanes Gute, so z. B. hat das Register der Terminhändler allgemein Anklang gefunden, aber man befürchtet auch, daß dadurch noch mehr eine Beschränkung auf wenige Firmen herbeigeführt wird. Die Regierung möge der Bewegung, welche auch zu dieser Interpellation geführt hat, keine falschen Motive unterlegen; an e ee lassen wir es nicht fehlen.

Präsident des Reichsbank⸗Direktoriums Dr Koch J s als 8 6

geschaffen werden zu sonst hat die Regulierung

28

8.

völlig klar betrachten, daß man auf dem Wege der Währungsänderung eine

schnelle Hilfe sch gar nicht verspricht. Gerade diese Frage verträ Experimente nicht, denn jeder mißglückte Versuch hat bald den Rägt von Hunderten und Tausenden von Existenzen zur Folge. Das Bei⸗ spiel von Amerika muß uns warnen. Es i bekannt, daß da in letzter Zeit eine Krise von ganz kolossaler Ausdehnung eingetreten war. Man schätzt die Zahl der großen Bankerotte auf 15 000, vier Eisenbahnen sind fallit geworden, und nach autorativer Angabe beträgt der Verlust an Nationalvermögen eine Milliarde Dollars, d. h. vier Milliarden Mark. Ich stehe auf dem Standpunkt des Präsidenten Cleveland, der erklärte: eine stabile Währung, das ist der beste Schatz eines Staats. Ich möchte Sie bitten, sich keiner Hoffnung ““ daß es zu einer internationalen Regelung kommen wird. Der Brüsseler Kongreß lehrt uns das, und es ist ja bekannt, daß der englische Deputirte mit der gebundenen Marschroute erschien, daß in der Währung Englands nichts eändert werde. Der französische Minister Tirard erklärte, die Franzosen hbätten so viel Silber, daß es ihnen nicht einfalle, ihren Vorrath noch zu vermehren. In der Schweiz giebt es eine große Partei für die Gold⸗ währung und Ablösung vom lateinischen Münzbunde, und der hol⸗ ländische Finanz⸗Minister, eine der Säulen des Bimetallismus, hat sich dahin geäußert, daß von einer Wiederherstellung des Verhältnisses von 15 ½: 1 nicht die Rede sein könne. Das schließt aber nicht aus, daß die Kommission auch in praktischer Richtung Vorschläge zu machen im stande ist. Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben, daß die Enquste die Ansichten klären und zu einer Versöhnung führen wird. Aehnlich wie mit der Währungsfrage liegt es mit der Börsenfrage. Wer sich die Mühe gemacht hat, die Arbeiten der Enquötekommission durchzustudieren, der wird wenigstens anerkennen, daß wir uns die größte Mühe gegeben haben. Ich habe mich dabei bestrebt, der Sache möglichst auf den Grund zu gehen. Die Vor⸗ schläge, die gemacht werden, sind ja zwar von den beiden extremen Seiten angegriffen worden; ich hoffe aber, daß die Enquéte doch dazu führen wird, den Schäden auf dem Gebiete der Börse ein Ende zu machen und das Wohl des Vaterlandes damit zu fördern.

Nachdem Graf zu Eulenburg⸗Prassen sein Einver⸗ ständniß mit Herrn Bräsicke in Bezug auf den JIdentitäts⸗ nachweis und die Staffeltarife ausgesprochen und Graf Mirbach den Hinweis auf Amerikas Vorgehen in der Währungsfrage als unzutreffend und internationale Verein⸗ barungen auf diesem Gehbiet als nothwendig bezeichnet hat, wenn man zu einem russischen Handelsvertrage kommen wolle, wird die Debatte geschlossen.

Schluß 5 ¼ Uhr. Nächste Sitzung unbestimmt.

Parlamentarische Nachrichten.

Der dem Herrenhause gestern vorgelegte Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung des § 211 des allgemeinen Berg⸗ gesetzes vom 24. Juni 1865, lautet:

Artikel I. An die Stelle des § 211 im Allgemeinen Berggesetze vom 24. Juni 1865 treten folgende Bestimmungen:

§ 211. Von den Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes sind

ausgenommen die Eisenerze

1) in Neuvorvommern und der Insel Rügen und

2) in den Hohenzollernschen Landen. 8

§ 211 a. Glatz unterliegen die Eisenerze wie bisher dem Verfügungsrechte des Grundeigenthümers und es werden die bestehenden Berechtigungen zur Gewinnung dieser Erze aufrecht erhalten.

§ 211 b. Auf den Eisenerzbergbau in den im § 211 a bezeich⸗ neten Landestheilen mit Ausnahme der Gewinnung von Rasen⸗ eisenerzen kommen die nachfolgenden Vorschriften zur Anwendung:

1) aus Titel III, erster Abschnitt, „Von dem Bergwerkseigen⸗ thum im allgemeinen“, die §§ 58 und 59,

2) aus Titel III, zweiter Abschnitt, „Von dem Betrieb und der Verwaltung“, die §§ 66 bis 79.

3) Titel III, dritter Abschnitt, „Von den Bergleuten und den Betriebsbeamten“, §§ 80 bis 93 unter Ausscheidung der auf die Knappschaftsvereine Bezug habenden Bestimmungen in den §§ 80 d Absatz 2, 80 f Absatz 2 Ziffer 2, 89 Absatz 2, und unter der Maß⸗ gabe, daß die im § 92 bezeichneten Geldstrafen derjenigen Hilfskasse zufallen, welcher der Arbeiter angehört, in Ermangelung einer solchen einer anderen zum Besten der Arbeiter an dem Orte bestehenden von der Gemeindebehörde zu bestimmenden Kasse und in deren Ermangelung der Ortsarmenkasse.

4) Titel VIII, „Von den Bergbehörden“, §§ 187 bis 195.

5) Titel IX. „Von der Bergpolizei“, §§ 196 bis 209 a.

§ 211 c. Wird der Eisenerzbau in den im § 211 a bezeichneten Landestheilen von mehreren Personen. betrieben, so sind dieselben, sofern ihre Vertretung nicht durch die allgemeinen Gesetze geordnet ist, verpflichtet, mittelst notarieller oder gerichtlicher Urkunde einen innerhalb des Deutschen Reichs wohnenden Repräsentanten zu be⸗ stellen, welchem die Befugniß zusteht, alle Vorladungen und andere Zustellungen an die Betheiligten mit voller rechtlicher Wirkung in Empfang zu nehmen und letztere bei den Verhandlungen mit den Bergbehörden und den auf den Bergbau Bezug habenden Instituten und Korporationen zu vertreten.

Dasselbe gilt, wenn der Alleineigenthümer eines bergwerks außerhalb des Deutschen Reichs wohnt. .

Wird ein Repräsentant auf die Aufforderung der Bergbehörde nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten bestellt und unker Ein⸗ reichung der Bestallungsurkunde namhaft gemacht, so ist die Berg⸗ behörde befugt, bis dahin, daß dies geschieht, einen Repräsentanten zu bestellen und diesem eine angemessene, von den Betheiligten aufzu⸗ bringende und nöthigenfalls im Verwaltungswege exekutivisch ein⸗ zuziehende Belohnung zuzusichern. Die Aufforderung gilt für zugestellt, wenn sie mindestens zwei behändigt ist. 8

Der von der Bergbehörde bestellte interimistische Repräsentant hat die vorstehend angegebenen Befugnisse eines gewählten Repräsen⸗ tanten, sofern die we eintreten läßt.

rtikel II.

An die Stelle der im § 80f Absatz 2 Ziffer 3 und im § 801 des allgemeinen Berggesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 24. Juni 1892, sowie im Artikel VIII Absatz 2 des letzteren Gesetzes bestimmten Termine tritt für die durch dieses Gesetz der Aufsicht der Bergbehörden unterstellten Betriebe der 1. Januar 1894, der 1. April 1894 und der

1. Juli 1895. Artikel III.

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1895 in Kraft. Mit der Leassdenns desselben wird der Minister für Handel und Gewer eauftragt.

Urkandlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.

Gegeben ꝛc.

Dem Herren hause ist eine Uebersicht der von der Sta ats⸗, regierung gefaßten Entschließungen auf Anträge un Resolutionen des Herrenhauses aus der Session 1892/93 zu⸗ gegangen. 8

Im Hause der Abgeordneten hat der Finanz⸗Minif er gestern 1“ eingebracht, der ihn ermächtigt, 2 Deckung von Ausgaben des Rechnungsjahres 199398, welche aus den Einnahmen dieses Jahres nicht haben bestritten 8 können, 25 290 907 84 im Wege der Anleihe durch rung eines entsprechenden Betrags von Schuldverschreibungen zu 8 schaffen. Wann, durch welche Stelle und in welchen Berräͤgen, 3 8

18 Zinsfuß 3

Eisenerz⸗

wel zu welchen Bedingungen der Kündigung un welchen Kursen die Schuldverschreibungen verausgabt werden sollen, hat der Finanz⸗Minister zu bestimmen. ö A

Sem sh. hte

In dem Herzogthum Schlesien und der Grafschaft

Deutschen Reichs⸗Anzeiger und König

Zweite Beilage

lich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Deutsches Reich.

Rüben⸗Verarbeitung sowie Einfuhr und Ausfuhr von Monat Dezember 1893.

im

8 Fvezinke.

Berlin, Freitag, den 19. Januar

Zucker im deutschen Zollgebiet

——

Ausfuhr von inländischem Zucker der Klasse:

8 Einfuhr

Verarbeitet e von ausländischem Zucker in den freien Rüben⸗

Verkehr. mengen. Raffi⸗-⸗ nierter Zucker.

Rohzucker. 8 des Gesetzes vom 31. Mai 1891.

Ostpreußen Westpreußen Brandenburg ommern chenr 1““ Schlesien .... 1“ Schleswig⸗Holstein J11“ estfalen

F en⸗Nassau einland.

100 kg netto.

126 053 1 617 735 708 485 822 546 1 803 717 1 593 513 6 368 483 112 774 2 113 848 262 187 308 190 1 078 727

8 000 150 485

76 235

10 148 115 897

1 236 2 020 99

1 028

Summe Preußen

Bayern.. Sachsen .. Württemberg Baden ..

ecklenburg Thüringen. Oldenburg. Braunschweig Anhalt... Lübeck..

Hamburg . . Elsaß⸗Lothringen Luxemburg..

S Sco —frbCe b0

16 916 258 207 565 294 690 331 961 1

239 675 995 053 286 769

1 517 278 763 869

130 428

3 176 10 575 213 393 1 137

Neberhaugtit Hierzu in den Monaten August bis November 1893.

428 305 1 462 219

21 603 118 81 481 919

361 178 694 778

IIisIEIIIvUBIA

Zusammen August bis Dezember 1893 In demselben Zeitraum des Vorjahres

Berlin, im Januar 1894.

103 085 037 95 083 083

1 890 524 (1 055 956

1 00

Kaiserliches Statistisches Amt.

von Scheel.

Haus der Abgeordneten. 2. Sitzung vom 18. Januar 1894.

Ddie Rede, mit welcher der Finanz⸗Minister Dr. Miquel die Vorlegung der Staatshaushalts⸗Rechnungen sowie des Etats für 1894/95 begleitete, hat folgenden Wortlaut:

Dem hohen Hause habe ich die Ehre, auf Grund der Allerhöchsten Ermächtigungen vom 26. Dezember 1893 und vom 10. Januar 1894 zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung vorzulegen: Die all⸗ gemeine Rechnung über den Staatshaushalt des Jahres 1890/91 und die Rechnung über die Fonds des ehemaligen Staatsschatzes für dieselbe Zeit, die Uebersicht von den Staats⸗ einnahhmen und ⸗Ausgaben des Jahres 1892/93 nebst einer Denkschrift, den Gesetzentwurf, betreffend die Deckung von Ausgaben des Rechnungsjahres 1892/93 mit den Motiven, und endlich die Gesetzentwürfe, betreffend die Feststellung des Staatshaushalts⸗Etats für das Jahr 1894/95 und betreffend die Ergänzung der Einnahmen in diesem Etat.

Meine Herren, indem ich dazu übergehe, Ihnen die letzteren beiden Gesetzentwürfe etwas näher zu erläutern, muß ich zu meinem Bedauern gleich mit der unerfreulichen Thatsache beginnen, daß der Etat, den ich Ihnen vorzulegen habe, abschließt mit einem Fehl⸗ betrage von 70 200 000 (Hört, hört!) Während der Etat für das laufende Jahr mit einem Fehlbetrage von 57 800 000 abschloß, ist also gegenwärtig der veranschlagte Fehlbetrag noch um 12 400 000 gestiegen. Diese sehr ernste Lage unserer Finanzen ist, wie aus den weiteren Bemerkungen heivorgehoben wird, in entschei⸗ dender Weise hervorgerufen durch die Rückwirkung der Lage der Reichs⸗ finanzen auf den preußischen Etat. (Sehr richtig! rechts.) Die ordentlichen Einnahmen sind veranschlagt auf 1 879 449 391 ℳ, die Ausgaben im Ordinarium auf 1 891 612 410 ℳ, im Extraordinarium auf 58 036 981 ℳ, sodaß sich danach der Fehlbetrag, den ich eben bezeichnet habe, ergiebt.

Einigermaßen tröstlich, meine Herren, ist dabei die Thatsache, daß der Fehlbetrag, der sich ergeben würde ohne die Mehrleistungen an das Reich, also aus der eigenen Verwaltung Preußens, sich um etwa 20 Millionen niedriger stellt als der im Vorjahr veranschlagte Betrag. Dagegen übersteigen diesmal die Matrikularumlagen die nach dem Reichs⸗Etat veranschlagten Ueberweisungen um mehr als 32 Millionen⸗- Dhne dieses Steigen der Matrikularumlagen über die Ueberweisungen hinaus würde unser eigener Etat für 1894/95 gegen das laufende Jahr um 20 Millionen rund günstiger abschließen.

Mieine Herren, es ist Ihnen bekannt, in welchem Umfang das smnanzielle Verhältniß der Einzelstaaten, insonderheit auch Preußens, gegenüber dem Reich geschwankt hat. Während wir noch im Jahre 1889/90 Mehrüberweisungen vom Reich in der Höhe von rund ; Millionen hatten, verminderten sich dieselben im folgenden Jahre

890/91 auf 46 Millionen, im Jahre 1891/92 auf 41 Millionen, im daher 1892/93 auf 25 Millionen, und haben sich nunmehr in Mehr⸗ eistungen Preußens an das Reich von über 32 Millionen verwandelt.

8

Ich glaube, es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß bei solchen schwankenden Mehrüberweisungen und Mehrleistungen eine geordnete planmäßige Finanzverwaltung in den Einzelstaaten, insbesondere auch bei uns, kaum geführt werden kann (sehr richtig!); irgend eine bestimmte Rechnung, eine Voraussicht des Finanzzustandes, wie er sich in einem bestimmten Jahre ergeben wird, ist dabei fast vollständig ausgeschlossen. Sie werden es daher, wie ich hoffe, natürlich finden und als eine Pflicht der verbündeten Regie⸗ rungen anerkennen, daß sie bestrebt gewesen sind, in diesem bedenk⸗ lichen Zustand Wandel zu schaffen. Die einstimmige Ueberzeugung aller verbündeten Regieruugen in Deutschland und ich brauche da keine einzige Regierung auszunehmen geht dahin, daß es die höchste Zeit ist, ein festes Verhältniß der Reichsfinanzen zu den Finanzen der Einzelstaaten herzustellen, eine Auseinandersetzung in dieser Richtung herbeizuführen, nach welcher das Reich für seine eigenen Ausgaben selbst verantwortlich ist (sehr richtig!) und die erforderlichen Mittel in dieser Beziehung herbeischafft, dagegen aber auch die Einzelstaaten auf die Zuführung unbestimmter Ueber⸗ weisungen verzichten, sich mit einem festen Betrage begnügen und das Mehraufkommen in dem Reichs⸗Etat dem Reich selber belassen, welches dadurch vielleicht auch, wenigstens in sehr bescheidener Weise, bei richtiger Bemessung von Einnahmen und Ausgaben in die Lage kommen könnte, endlich zu einer mäßigen Schuldentilgung überzugehen.

Es ist ja gewiß richtig und ich glaube, wir können uns viel⸗ leicht diesen Vorwurf nicht ersparen —, daß wir in einer allzu opti⸗ mistischen Weise die hohen Mehrüberweisungen des Reichs an Preußen als dauernde Einnahmequellen angesehen haben und vielleicht mehr, als es berechtigt war, auf diese schwankenden Einnahmen vom Reich dauernde Ausgaben unseres Etats basirten. Andererseits ist aber auch richtig, daß die erbebliche Vermehrung der Reichseinnahmen durch neue im Reiche geschaffene Einnahmequellen vom Jahre 1879 ab geradezu die Bestimmung hatte und daß diese Bestimmung aus⸗ drücklich ausgesprochen wurde von den verbündeten Regierungen, daß dadurch das Reich in den Stand gesetzt werde, Mehrüberweisungen an die Einzelstaaten eintreten zu lassen, um dadurch die Einzelstaaten in die Lage zu setzen, drückende Ab⸗ gaben zu vermindern oder aufzuheben, Verbände zu dotteren, oder 1sonst in nützlicher Weise für ihre Staatsbedürfnisse zu ver⸗ wenden. In Preußen ist davon reichlich in der bezeichneten Richtung zum Nutzen des Landes Gebrauch gemacht worden, ohne daß diese Mehrüberweisungen wesentlich der Staatskasse zu gute gekommen sind. Ich darf nur erinnern an die Beseitigung der Hebung der Klassensteuer der beiden untersten Stufen, an die Aufhebung des Schulgeldes, an die Ueberweisungen an die Kreise nach Maßgabe der sogenannten lex Huene und an eine Reihe derartiger anderer Ver⸗ wendungen. Daß es also naturgemäß ist, diese historischen That⸗ sachen, aus denen sich bestimmte Verbindlichkeiten für die Einzelstaaten ergeben haben, bei der Ordnung der Reichsfinanzen mit in Berücksichtigung zu ziehen, dem Gedanken werden Sie hoffentlich zustimmen.

gelingen wird, mit dem Reichstag in der bezeichneten Richtung zu einer Einigung zu gelangen. Erst dann, wenn ein klares, gesichertes Verhältniß der preußischen Finanzen und der Reichsfinanzen erreicht ist, erst dann wird es möglich sein, eine sichere Uebersicht unsere eigene finanzielle Zukunft zu gewinnen. Bis dahin werden eine Reihe von Maßregeln, die an sich sonst erwünscht wären, ausgesetzt werden müssen. Solange die Verhältnisse nicht mehr geklärt sind, wird es z. B. kaum möglich sein, den Wunsch des Hauses und auch der Regierung zu befriedigen: durch eine Revision des sogen. Eisenbahn⸗ garantiegesetzes auch dafür Sorge zu tragen, daß die großen Schwan⸗ kungen in unserm eigenen Etat aus unsern Eingahmequellen mehr zurückgedrängt werden, und daß wir auch in dieser Beziehung zu einem festeren Finanzsystem gelangen. Wie gesagt, die Ordnung de Finanzwesens des Reichs muß unzweifelhaft vorhergehen.

Sollte die Hoffnung, welche wir festhalten, daß es gelingen wird, in der bezeichneten Richtung zu einer Einigung mit dem Reichstag zu gelangen, aber nicht erfüllt werden, dann, meine Herren, werden Sie alle, glaube ich, mit mir darüber in Uebereinstimmung sein müssen, daß, wenn wir nicht von Jahr zu Jahr in schwierigere finanzielle Verhältnisse ge rathen wollen, wenn wir, den alten preußischen Traditionen ent⸗ sprechend, unser Finanzwesen zu verwalten bemüht bleiben wollen, nichts übrig bleiben wird, als uns selbst zu helfen und die Mehrleistungen, die wir an das Reich dann zu machen hätten, aufzuwiegen durch Er⸗ öffnung neuer Einnahmen in Preußen selbst. Ich will zur Zeit auf das Nähere in dieser Beziehung nicht eingehen (Heiterkeit), weil ich hoffe, daß die Nothwendigkeit der Lösung dieser Frage doch noch fern liegt; aber ich glaube, daß Sie selbst mit mir einverstanden sein werden, daß unser Etat auf die Dauer unmöglich in dem jetzigen Zustand bleiben kann.

Wir haben in der Rechnung bereits vom Jahre 1891/92 ab fort⸗ währende Mindererträge und Fehlbeträge. Der Fehlbetrag der Rech⸗ nung des Jahres 1891/92 betrug 42 Millionen, der des Jahres 1892/93 25 Millionen; der Fehlbetrag für das laufende Jahr ist, wie ich schon sagte, auf 57 Millionen veranschlagt und der des kommenden Etatsjahr es auf über 70 Millionen. Daß solche Zustände nicht dauernd sein dürfen, das brauche ich Ihnen wirklich nicht auseinanderzusetzen. Wohin eine Zerrüttung des Finanzwesens führt, welche die Staaten außer Stand setzt, ihre großen Kultur⸗ aufgaben, die in der Gegenwart steigend an sie herantreten, zu lösen ja, meine Herren, da braucht man in Europa nur um sich zu blicken, um sich zu entschließen, daß, koste es, was es wolle, solche Zustände in Preußen nimmermehr eintreten dürfen. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, der Finalabschluß für 1892/93 ergiebt, wie ich hervorhob, ein rechnungsmäßiges Defizit von 25 290 000 ℳ, Wund wenn man die Differenz in den hinterlegten und zu⸗ rückgezahlten Beträgen des Hinterlegungsfonds mit in Betracht zieht, materiell und ökonomisch ein Defizit von rund 26 165 000 Dieses Defizit ist wesentlich entstanden durch einen Minderüberschuß, der in diesem Jahre in der Eisenbahnverwaltung sich ergab in Höhe von 30 644 701 ℳ, sowie in anderen Betriebsverwaltungen, nament⸗ lich auch in der Bergwerksverwaltung, welche mit einem Minderertrag gegen den Etat von 2 903 000 abschloß. Wenn der Fehlbetrag sich nicht noch höher stellte, so ist das dem günstigen Um⸗ stande zu verdanken, daß das Verhältniß der Ausgaben bezw. der Einnahmen in der allgemeinen Finanzverwaltung sich besser gestaltete, als veranschlagt war, um den Betrag von 6 796 000 Auch kommt in Betracht eine Ersparung in der Eisen⸗ bahnverwaltung bei dem Fonds zu unvorhergesehenen Ausgaben von 2 185 000 1

Auf das Einzelne näher einzugehen, wird gegenwärtig kein Interesse haben. Die Herren werden darüber ja nähere Mittheilungen erhalten. Es genügt, wenn Sie das gesammte Resultat im Gedächtniß be⸗ halten, um die richtige Uebersicht über unsere ganze Finanzlage vor sich zu haben. .

Was das voraussichtliche Ergebniß des laufenden Etatsjahres be⸗ trifft, für welches der Etat mit einem Fehlbetrage von über 57 Millionen abschloß, so nehmen wir gegenwärtig an natürlich mit allem Vorbehalt, da wir ja noch drei Monate vor uns haben, deren Ergebnisse wir mit Sicherheit nicht übersehen können —, daß in der Rechnung sich dieser veranschlagte Fehlbetrag um etwa 9 Millionen niedriger gestalten werde. Hier gebührt das Verdienst vor allem der Eisenbahnverwaltung, während im übrigen die Verhältnisse sich un⸗ günstiger gestaltet haben, als bei der Aufstellung des Etats vorgesehen werden konnte. Es wird dabei angenommen, daß die Eisenbahn⸗ verwaltung mit einem Mehrüberschuß von 30 750 000 abschließen wird gegenüber dem Etat; und dabei scheint mir besonders erfreulich, daß dieser Mehrüberschuß sich zusammensetzen dürfte aus etwa 17 ½ Millionen Mehreinnahme und aus etwa 13 300 000 Minder⸗ ausgabe, wie denn überhaupt die pflegliche, vorsichtige und sparsame Eisenbahnverwaltung wesentlich dazu beitragen wird, mannigfache finanzielle Schwierigkeiten zu überwinden.

Wir nehmen an, daß dagegen die Forstverwaltung einen Minder überschuß bringen wird von 1 ½ Million, die Bergwerksverwaltung einen solchen von 1 160 000 ℳ, daß der Landtag ein Mehrerforderniß haben wird von 400 000 infolge der langen Sitzungen (groß

Heiterkeit) ja, meine Herren, damit habe ich natürlich keineswegs

einen Tadel aussprechen wollen —, daß der Antheil am Ertrage der

Zölle und der Tabacksteuer reichlich 6 Millionen Mark weniger, als veranschlagt, betragen wird, daß dagegen diesmal der Antheil am Ertrage etwa eine Million Mark erhöhen der 3 670 000 vermindern dürfte, und daß, wie ich hier schon bemerkte

die Ueberweisungen an die Kommunalverbände, welche mit 34 Millionen Mark veranschlagt waren, sich wohl kaum höher stellen dürften als

der Branntwein⸗Verbrauchsabgabe sich um wird, während wiederum

Reichs⸗Stempelabgaben sich 6

Antheil an den um

Meine Herren, wir hoffen, daß es den verbündeten Regierungen

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etwa 30 Millionen Mark. Das ist nach meiner Meinung scho