Ehrenraths enthaltene Erklärung der Zulässigkeit des Duells fehle in den jetzigen Bestimmungen. Erhalte das Kriegs⸗ Ministerium Kenntniß von einem Duell, so werde nach Maßgabe der strafgerichtlichen Bestimmung ein⸗ geschritten. Er sei weit davon entfernt, das Duell zu begünstigen, strebe vielmehr eine möglichste Einschränkung an. Er glaube sonach, daß ein genüugender thatsächlicher Anlaß zu dem Antrage nicht gegeben sei. — Die Abgg. Freiherr von Sa re e und Beckh befürworteten, sich mit der Erklärung des Ministers zu beruhigen. Ersterer schob die Hauptursache der Duellsitte den studentischen Ge⸗ pflogenheiten zu. Bei den Reserve⸗Lieutenants nähmen die Duelle zu. Es sei ein Skandal, daß ein Reserve⸗Lieutenant seinen Zivilvorgesetzten, ein Staats⸗ anwalt den Gerichtsvorsitzenden gefordert habe. Die Abgg. Ratzinger, von Vollmar und Orterer hielten die Erklärung des Ministers für ungenügend und beklagten die unterbliebene ner. cc des Bezirks⸗Kommandeurs und das Unterbleiben eines generellen Erlasses zu Gunsten der duell⸗ gegnerischen Offiziers⸗Aspiranten. Der Kriegs⸗Minister Freiherr von Asch erklärte, er mißbillige es vollständig, wenn Kommandeure Geywissensfragen religiöser, politischer oder duellistisscher Natur an Offiziers⸗Asptranten stellten. Wenn Maßregelungen stattfinden sollten, so werde er Remedur schaffen. Seine Erklärung vom 29. November, die den Anlaß zum Zentrumsantrag gegeben habe, werde zu Unrecht de eSeen gefunden. Er stehe damit auf dem Standpunkt aller früheren Kriegs⸗Minister. Auf die Anfrage, was er thun werde, wenn ein Offizier ein Duell verweigere, erwiderte der Minister: Die Ehrengerichte hätten zu prüfen, ob der Offizier alle Mittel zur Wahrung seiner an⸗ gegriffenen Ehre angewendet habe. Die Reserve⸗ Offiziere hätten ebenfalls ein obligatorisches Ehren⸗ gericht. Dem Unfug, daß ein Vorgesetzter gefordert werde, beuge das Militär⸗Strafgesetzbuch vor. Das mit dem Einjährig⸗Freiwilligen⸗Institut erfolgte Nähertreten zwischen Offi⸗ zieren und Studenten habe die früher zwischen diesen häufigen Duelle vermindert. Der Abg. Aub erklärte sich namens der Liberalen durch die zweite Erklärung des Ministers für voll⸗ ständig befriedigt; der Antrag sei nun überflüssig. Nach dem Schlußwort des Abg. Daller wurde der Antrag gegen die liberalen Stimmen angenommen. 8
Baden. v1AAA“ 8 Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin ist, wie „W. T. B.“ meldet, an der Influenza erkrankt und ge⸗ nöthigt, seit vorgestern das Bett zu hüten. Die Krankheit tritt bis jetzt milde auf. “
Oldenburg. v“ 8 Der Landtag hat vorgestern die erste Sitzung nach seiner Vertagung abgehalten und darin dem „Hann. Cour.“ zufolge den von der Staatsregierung vorgelegten Voranschlag der Staatsgutskapitalienkasse für die Finanzperiode 1894/96 dahin genehmigt, daß an Einnahme und Ausgabe für 1894: 12 444 ℳ, für 1895: 94 822 ℳ, und für 1896: 89 490 ℳ ingestellt werden Braunschweig. Der Landtag ist gestern im Namen Seiner Königlichen Hönet des Prinz⸗Regenten durch den Staats⸗Minister tto eröffnet worden, der dem „W. T. B.“ zufolge in einer Ansprache ausführte, daß infolge der ungünstigen Ge⸗ staltung der Reichseinnahmen, sowie infolge der Verminde⸗ rung des Ueberschusses des Kammerguts die Finanzen des e nicht das günstige Bild zeigen, wie seit langen Jahren. Der Minister kündigte Sparsamkeit in den Aus⸗ gaben an sowie den Ersatz der Personalsteuer durch eine mehr 1a6 Einkommensteuer. Das Präsidium wurde wieder⸗ ewählt.
Oesterreich⸗Ungarn. G 8
Wie dem „W. T. B.“ zufolge in Wien verlautet, wird der Reichsrath zwischen dem 20. und 22. Februar wieder
zusammentreten.
In der gestrigen Verhandlung des Omladina⸗Prozesses wurde das Protokoll verlesen, das mit dem inzwischen er⸗ mordeten Mrva seitens der Polizei aufgenommen worden war. Zum Schlusse des Protokolls hatte Mrva ausgesagt, daß er sich wegen seiner Aussagen Feinde gemacht habe und befürchte, daß man ihm nach dem Leben trachte. Heute Vor⸗ mittag wird der letzte Angeklagte, Redakteur Hajn, verhört
werden.
1 Frankreich.
Gegenüber auswärts verbreiteten Nachrichten erklärt, wie „W. T. B.“ meldet, eine den Journalen zugegangene halb⸗ amtliche Note, daß die Verhandlungen wegen des Wein⸗ zolles zwischen Oesterreich und Frankreich noch fort⸗ dauerten.
Die Einfuhr aus Deutschland nach Frankreich betrug im Jahre 1893 334 Millionen Francs gegen 337 Millionen im Jahre 1892, die Ausfuhr Frankreichs nach Deutsch⸗ land 334 Millionen gegen 355 Millionen Francs im Jahre 1892. Die Ausfuhr Frankreichs nach der Schweiz betrug im Jahre 1893 150 Millionen Francs gegen 227 Millionen im Jahre 1892.
Die Heereskommission wählte Mezières zum Präsi⸗ denten, der bei der Uebernahme des Vorsitzes eine Ansprache hielt, worin er hervorhob, daß Frankreich angesichts der leb⸗ Rüstungen der übrigen Nationen nicht zurückbleiben önne. Die Kommission müsse prüfen, ob die Lage nicht die Opfer für die
Verstärkung der effektiven treitkräfte erforderlich mache. — Vorsitzenden der Marinekommission wurde de Mahy gewählt.
Das Zuchtpolizeigericht hat den Anarchisten Méörigeau, in dessen Wohnung Sprengstoffe vorgefunden worden waren,
zu drei Jahren Gefängniß verurtheilt.
Italien. 1AAXA“*“ Der „Tribuna“ zufolge stellt die italienische Regierung, in Voraussicht der Zurückweisung der Konvention über die Nationalisierung des italienischen Silbers seitens Frankreichs, eine Untersuchung darüber an, wie Lasten für den Staatsschatz und welche Vortheile für die finanzielle Aktions⸗ freiheit Italien aus der Kündigung des lateinischen Münzbundes erwachsen würden. General Henscherklärte, wie „W. T. B.“ berichtet, in einer Konferenz mit den Unter⸗Präfekten und Bürgermeistern der Pro⸗ vinz Massa⸗Carrara, seine Aktion ziele nicht bloß dahin,
die öffentliche Ordnung zu sichern, sondern sei auch darauf gerichtet, bei der Regierung Maßregeln zu beantragen, welche n. erschienen, die Verhältnisse der Bevölkerung ünftighin besser zu gestalten. Auf Sizilien herrscht vollständige Ruhe.
Gestern manifestierten die Studenten der Universität Pavia gegen die Verweigerung von außerordentlichen Prüfungsterminen, zertrümmerten die Fensterscheiben der Universität durch Schneebälle und stießen die Thür des großen Universitätssaales ein. Man glaubt, die Studenten würden den Vorlesungen fern bleiben. v“ “
’“
Der Bundesrath hat, entsprechend dem Antrage des Finanzdepartements, mit 4 gegen 3 Stimmen beschlossen, daß die zu errichtende Notenmonopol⸗Bank den Charakter einer reinen Staatsbank erhalten solle.. v
Rumänien.
Die Deputirtenkammer genehmigte, dem „W. T. B.“ zufolge, mit 47 gegen 14 Stimmen den Gesetzentwurf über die Organisation des Ingenieur⸗Korps und beschloß mit großer Majorität, den Gesetzentwurf über die Organisierung des Ministeriums des Auswärtigen in Erwägung zu ziehen. Der Senat wird erst am 29. d. M. zusammentreten.
Serbien.
Die gestrige Sitzung der Skupschtina wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, Nachmittags 4 Uhr eröffnet. Der Andrang des Publikums war so stark, daß ernstliche Ruhe⸗ störungen befürchtet wurden. Der neue Stadtpräfekt mußte persönlich den Zugang zu dem Gebäude der Skupschtina frei⸗ halten. Der Vorsitzende Katic theilte nach Eröffnung der Sitzung mit, daß der neu ernannte Minister Giorgjevic sein Mandat infolge seines Austritts aus der Fortschrittspartei niedergelegt habe, und verlas sodann den Ukas des Königs über die Demission des Kabinets Gruic und die Er⸗ nennung des Kabinets Simic. Der Minister⸗ Präsident Simic verlas hierauf eine Erklärung, die besagt, daß die neue Regierung, indem sie außerhalb der Parteien stehe, sich bemühen werde, durch Ach⸗ tung der Verfassung und der Gesetze eine versöhnliche und entgegenkommende Haltung allen Parteien gegenüber, sowie durch korrektes und loyales Verhalten den fremden Mächten gegenüber dem Allen gleich theueren Vaterlande jenen innern und äußern Frieden zu erhalten, der im Interesse seiner normalen staatlichen Entwickelung nothwendig sei. In dieser Absicht werde die Regierung an die Unterstuͤtzung aller Patrioten ohne Parteiunterschied appellieren und jeden schaftlichen Rath dankbar entgegen nehmen. Die Regierung hoffe, auf diese Weise neben dem Vertrauen der Krone auch das der Volksvertretung zu erwerben, wodurch sie in die Lage versetzt sein werde, die fruchtbare in dieser Session be⸗ gonnene Arbeit im Einvernehmen mit der Volksvertretung im Herbst fortzusetzen. Die Regierung habe die Schließung der Session beantragen müssen, um Zeit zu gewinnen, sich mit den Gesetzentwürfen und den sonstigen der Skupschtina vorliegenden Angelegenheiten bekannt zu machen. Der Minister⸗Präsident machte hierauf eine kleine Pause, während deren Rista Popovic sich zum Wort meldete und zu sprechen begann. Der Minister⸗Präsident Simic protestierte dagegen, da er noch eine Mittheilung machen wolle, und begann das Aktenstück zu ver⸗ lesen, wurde jedoch durch großen Lärm üsberschrieen, wobei die Stimme des ehemaligen Ministers Vuic am stärksten vernehmbar war. Simic überreichte nun das Aktenstück dem Vorsitzenden, worauf sich alle Minister entfernten. Rista Popovic erklärte, das neue Ministerium besitze nicht das Vertrauen der Skupschtina. Darauf wurde der Ukas verlesen, durch den die Skupschtina aufgelöst wird und die Sitzung unter Hochrufen auf den König ge⸗ schlossen. Während der Sitzung war der Präsident Katic wiederholt genöthigt, die Besucher der Galerien zur Ruhe zu ermahnen; er erzielte erst Ruhe durch die Drohung, die Galerien räumen zu lassen.
Ein in Vorbereitung begriffenes Zirkular des Minister⸗ Präsidenten Simic an die Vertreter Serbiens im Auslande wird der „Pol. Korresp.“ zufolge das freundschaftliche Ver⸗ hältniß zu allen Mächten, gute Nachbarschaft zu allen Nachbarstaaten und loyale Beziehungen zu Oesterreich⸗Ungarn betonen.
Schweden und Norwegen.
Der Kronprinz und die Kronprinzessin werden laut Meldung des „W. T. B.“ am 26. d. M. von Stockholm ab⸗ reisen und am 29. d. M. in Karlsruhe eintreffen. Der Kronprinz wird nach mehrtägigem Aufenthalt in Karlsruhe nach Schweden zurückkehren.
Amerika. 8
Das Repräsentantenhaus hat, wie „W. T. B.“ aus Washington berichtet, sämmtliche vier Unteranträge, wonach der Zoll auf Kohle auf zwischen 40 bis 75 Cts. pro Tonne fest⸗ gesetzt werden sollte, abgelehnt. Die Niederlage der Demo⸗ kraten, welche die Kohlen⸗ und Zuckerverzollung befürworteten, dürfte die Bewegung zu Gunsten einer nochmaligen Ueber⸗ weisung der Preeha an die Kommission verstärken.
Nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ aus Rio de Janeiro hätte der Admiral de Gama am Dienstag eine vierstündige Unterredung mit dem Admiral der nord⸗ amerikanischen Union Benham gehabt, dessen Vermittelung er nachgesucht habe. Aus Bahia wird dem „Reuter'schen Bureau“ ferner gemeldet, der „Nictheroy“ und die anderen brasilianischen Regierungsdampfer seien dort ein⸗ getroffen. — Nach Meldungen aus Buenos Aires von gestern hätte sich bei den Aufständischen in Rio de Janeiro Mangel an Lebensmitteln eingestellt. Ein Versuch, bei Nictheroy zu landen, sei zurückgewiesen worden. Eine Kugel habe einen Matrosen von der portugiesischen Korvette „Mindello“ getödtet. Es habe nicht festgestellt werden können, wer den Schuß abgefeuert habe.
Afrika.
Nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ aus Kairo von gestern ist der Minister⸗Präsident Riaz Pascha 885 Assiout abgereist, um mit dem Khedive zusammen⸗ zutreffen.
em deutschen Kamerun⸗Comité in Berlin ist folgende Meldung zugegangen: Garua (neun Feßeresen östlich von Jola, nördlich vom Benus). Die Expedition Uechtritz ist am 13. Oktober hier angekommen und in der freundlichsten Weise vom Häuptling aufgenommen und um
Gründung einer Station gebeten worden. Die Expedition ist wohlauf und es war beabsichtigt, in wenigen Tagen nach Bubandjedda am oberen Benus abzumarschieren, um von dort aus östlich über den 15. Grad den Scharifluß zu erreichen.
Das „Journal des Débats“ veröffentlicht eine Depesche aus St. Louis am Senegal, wonach der Oberst Bonnier Timbuktu ohne Schwertstreich besetzt haben soll.
Die „Indépendance belge“ verzeichnet das Gerücht, daß in dem in Nr. 17 d. Bl. erwähnten Gefecht gegen die Araber, das mörderischer gewesen sei, als ursprünglich berichtet, auch Baron Dhanis getödtet worden sei. Die Truppen des Congostaats seien zwischen das Feuer von Rumaliza und von Gongo Lutete, der Verrath geübt habe, gerathen. Lutete sei von den Truppen der Nachhut, die ihn bei dem Verrath ertappt hätten, getödtet worden.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen 35. Sitzung des Reichstags, der die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Nieberding und Graf von Posadowsky beiwohnten, stand auf der Tages⸗ ordnung die Generaldiskussion des Gesetzentwurfs über die Abzahlungsgeschäfte.
Die Vorlage ist schon im vorigen Reichstag berathen worden, aber nicht zur Verabschiedung gelangt. Der neuer⸗ dings vorgelegte Entwurf hat die vorjährigen Kommissions⸗ beschlüsse durchweg acceptiert, so u. a. die Verwirkungsklausel, deren Beseitigung aus den betreffenden Verträgen der frühere Entwurf vorschlug, in der Form beibehalten, die ihm die vor⸗ jährigen Berathungen gegeben hatten. Das Wort ergriff bei Schluß des Blattes der Abg. von Buchka (dkons.).
— Auf der Tagesordnung der heutigen 5. Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welche um 11 Uhr begann und der der Präsident des Staats⸗Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg, der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch und der Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden beiwohnen, steht zunächst die Interpellation der Abgg. von Kröcher und Gen.:
„Ist die Königliche Staatsregierung geneigt, im Bundesrathe dahin zu wirken, daß fernere, eine Ermäßigung der landwirthschaft⸗ lichen Zölle enthaltende Handelsverträge nicht zum Abschluß ge⸗ langen, ohne daß eine angemessene Ausgleichung mit den Geld⸗ werthsverhältnissen derg in Betracht kommenden Konkurrenzländer stattgefunden hat oder gleichzeitig stattfindet?“
Auf die Anfrage des Präsidenten von Köller erklärt der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch, daß er bereit sei, die Interpellation sofort zu beantworten.
Abg. Dr. von Heydebrand und der 8a g renf⸗ begründet die Interpellation: Der Finanz⸗Minister hat ausdrücklich die schwere Noth⸗ lage der Landwirthschaft anerkannt. So sehr wir dem Finanz⸗Minister auch dankbar sind, daß er die Ungerechtigkeit der Doppelbesteuerung beseitigt hat durch eine gerechte Einkommensteuer und eine Regu⸗ lierung der Kommunalbesteuerung, so müssen wir doch erklären, daß nicht der Steuerdruck für die Landwirthschaft das Belastende ist, sondern die Ertragslosigkeit derselben. Was im Herren⸗ hause in Aussicht gestellt ist, kann nicht schnell genug helfen. Es ist gesagt worden, daß nicht die Landwirthschaft Noth leidet, sondern nur einzelne Landwirthe. Wenn ganz allgemein die Landwirthe dauernd Noth leiden, dann kann man nicht mehr von der Nothlage Einzelner sprechen, dann befindet sich eben das ganze Gewerbe in einem Niedergange. Dann läßt sich aber die Folgerung nicht ab⸗ weisen, daß zahlreiche Erwerbszweige, die von der Landwirthschaft abhängen, auch getroffen werden. Das Kleingewerbe ist derartig abhängig von der Prosperität der Landwirthschaft, daß es eben⸗ falls leiden muß. Es giebt keinen andern Ort, wo diese Be⸗ schwerden mit größerem Recht angebracht werden können, als hier dieses Haus. Man möge über das Wahlgesetz, auf welchem unser Haus beruht, denken wie man will — das muß man zugeben, daß der produktive Stand hier, im Abgeordnetenhause, viel mehr Vertreter hat als im Reichstag. Es würde im Lande nicht verstanden werden, wenn wir gegenüber der offenbaren Nothlage nicht an die Königliche Staatsregierung herantreten würden mit unseren Bitten und Forde⸗ rungen. Der Mittelstand ist das Rückgrat des Staatslebens, er würde es nicht verstehen, wenn man bei unseren Forderungen sprechen würde von einer Verquickung politischer und gewerblicher Interessen. Wir sprechen durchaus nicht von Dingen, die in den Reichstag gehören. Welches größere Interesse giebt es denn für die preußische Volksvertretung als die Interessen des preu⸗ ßischen Mittelstandes! Die Erörterung dieser Fragen ist nicht minder wichtig als die der Reichs⸗Finanzpolitik. Worauf beruht denn der Rückgang der Landwirthschaft? Man sagt, die Landwirthe könnten durch Erhöhung der Produktion ihre Produktionskosten er⸗ mäßigen. Das mag zugegeben werden, aber im großen und ganzen wird niemand, der die Verhältnisse kennt, sagen können, daß die Landwirthe nicht mit allen Mitteln, die ihnen zu Gebote stehen, vorwärts zu kommen suchen. Welchen Grad die Verschuldung des Grundbesitzes hat, davon haben die meisten noch kein rechtes Bild. 1886/87 sind 133 Mil⸗ ionen Mark mehr eingetragen als gelöscht; in den folgenden Jahren 121, 149, 156 und 205 Millionen. Es wird festgestellt, daß der 60 fache Ertrag des Grundsteuerreinertrags, den man gewöhnlich als Werth des Grundbesitzes betrachtet, zu 32 % verschuldet ist. Die Belastung des kleinen 1 ist nicht geringer als die des großen. Der letztere hat in den Landschaften bessere Kreditverhältnisse, während der erstere fast nur Personalkredit bei Privatleuten hat. Unter dem Sinken der Grundrente und dem Steigen der Produktionskosten leidet der kleine Besitzer mehr als der große, welcher sich noch eher helfen kann. Der Rückgang der Grundrente ist nicht bloß durch den Weltmarktpreis verschuldet, sondern auch durch die steigenden Produktions⸗ kosten. Unser Konkurrent Rußland hat z. B. sehr niedrige Arbeits⸗ löhne und Amerika verfügt über unerschöpflichen Boden. Dazu tritt die Wirkung unserer hochwerthigen Valuta, welche geradezu eine Importprämie in sich schließt gegenüber Ländern mi einer unterwerthigen Valuta. Das ist um so trauriger, als dies Faktoren kaum einer Verbesserung fähig sind; denn höhere Welt marktpreise könnten nur bei einer allgemeinen schlechten Ernte ein treten, was aber durch die fortwährende Erschließung neuer Länder strecken ausgeschlossen erscheint. Auch ein Rückgang der Pro duktionskosten ist kaum zu erwarten. Es muß also di Einwirkung des Weltmarktpreises auf den Inlandspreis au andere Weise ausgeglichen werden, durch Zölle und durch Aenderun. der Währungsverhältnisse. Jedenfalls erscheint es bedenklich, da Maß des bestehenden Schutzes noch zu verringern durch Handelsver träge. Keiner der Unterzeichner der Interpellation ist darüber in Zweifel, daß der österreichische Handelsvertrag den Schutz der Land wirthschaft erheblich verringert hat. G ren; theile desselben bekannt sind, wollen wir den Fehler, den wir einmal gemacht haben, nicht weiter machen. Der nächste und wichtigste Ver trag ist der zu erwartende russische Handelsvertrag, der seinem ganzen Wesen nach besonders schaden muß, weil die russische Valuta nicht bloß eine minderwerthige, sondern auch eine sehr schwankende ist. Die Haupt⸗Export⸗
Gerade weil die schweren Nach.
artikel Rußlands sind Roggen, Hafer und Holz, welche den preu⸗ ßischen Markt besonders bedrohen. Die Industrie wird manche Vor⸗
theile von dem Vertrage haben, namentlich auch die meiner Heimath⸗
provinz. Es ist aber zweifelhaft, ob die gemachten Konzessionen auch in
Virklichkeit uns gewährt werden; denn die Festsetzung und die Ausführung sind zweierlei Dinge. Man wird von Rußland alle Kompensationen, die wir gemacht haben, strikte verlangen; ob aber von Rußland uns eben⸗
falls alles strikte gewährt werden wird, ist zweifelhaft. Kann die In⸗ dustrie nicht warten, bis die Mittel und Wege festgestellt sind, wie die Sicherung des Handelsvertrages auch in Wirklichkeit zu erreichen sein könnte? Die Regierung hat im Herrenhause erklärt, daß sie die Hebung des Silberpreises als ein Ziel bezeichnet, welches sie verfolgt. Wir wünschen, daß die Maßregel bald zu einem Abschluß kommen möge. Es konnte in Frage kommen, eine Festlegung der Währung durch den Vertrag selbst herbeizuführen. (Zuruf des Abg. Rickert: Was wollen Sie denn eigentlich? Sagen Sie es doch endlich!) Wir warten ab, welche Erklärung die Staats⸗ regierung abgeben wird. An die Regierung ist die Anfrage gerichtet und nicht an Sie, Herr Rickert; was die Landwirth⸗ chaft von Ihnen zu erwarten hat, das weiß sie längst. Die Re⸗ ierung sollte untersuchen, welche Wege sie gehen kann auf diesem ebiet, ehe sie Maßregeln zustimmt, die nachher das Betreten dieser Wege vielleicht unmöglich machen oder doch sehr erschweren. Eine solche Erklärung würde in hohem Grade beruhigend auf die Land⸗ wirthschaft einwirken. Möge die Hilfe kommen, ehe es zu spät ist! Handels⸗Minister Freiherr von Berlepsch: Die Staatsregierung sieht sich nicht in der Lage, über den russischen Handelsvertrag in diesem Hause jetzt zu verhandeln Sie wird sich daher an den all⸗ gemeinen Wortlaut der Interpellation halten. Die Staatsregierung wird jedem Handelsvertrag und ganz insbesondere auch solchen Handels⸗ verträgen, in denen eine Herabsetzung der landwirthschaftlichen Zölle vorgesehen ist, ihre Zustimmung nur dann geben, wenn der Inhalt derselben den wirthschaftlichen Interessen des Reichs und Preußens entspricht. Sie ist aber nicht in der Lage, ihre Zustimmung von einer Bedingung abhängig zu machen, die sie für unerfüllbar hält. Der Vorredner verlangt eine Ausgleichung der Währungsverhältnisse; das Reich kann nicht in einen Handelsvertrag eine Bestimmung über die Bindung der Währungsverhältnisse aufnehmen. Kein Staat kann eine solche internationale Bindung der Währungs⸗ verhältnisse gewähren. Nicht bloß für Rußland und Oesterreich würde das nachtheilig sein, sondern auch für uns. Man könnte nun fragen, ob etwa im Wege der autonomen Gesetzgebung eine Herstellung der Währung derartig denkbar ist, daß die deutschen Interessenten sich dabei beruhigt fühlen können. Die gesetzliche Feststellung einer Währung kann eine beruhigende Wirkung haben. Aber ob ein solches Gesetz auf die Dauer Geltung haben kann, ist nicht zu sagen. Vielfach ist vorgeschlagen, man möge eine gleitende Skala einführen, welche den Zoll abhängig macht von dem Stande der Valuta. Dieser Vorschlag würde nicht ausführbar sein, er würde für Deutschland die empfindlichsten Folgen haben und namentlich für die deutsche Land⸗ wirthschaft eine Gcsahr in sich bergen, die viel größer ist als die der Festsetzung eines festen Zolls. Der Zoll würde je nach der Wirkung der Börsenspekulation auf die Valuta Tag für Tag hinauf⸗ und herunter⸗ gehen. Einen solchen Weg einzuschlagen, verbieten die thatsächlichen Verhältnisse durchaus. Wenn man in Rußland Getreide oder sonst etwas kauft zu einem festgesetzten Preis, so muß man berücksichtigen, aß in dem Augenblick, wo das Getreide die Grenze überschreitet, Zoll sich geändert haben wird.. Dieselbe Frage ist auf⸗ uwerfen bezüglich der Transitläger. Das was man durch einen Handelsvertrag will, namentlich eine Stabilität der Verhältnisse herbeiführen, das würde durch eine solche Maßnahme auf den Kopf estellt. Die Staatsregierung ist der Meinung, daß es vorzuziehen wäre, keinen Handelsvertrag abzuschließen (sehr richtig! rechts) . .. ann rufen Sie auch zum Nachsatz: sehr richtig! .. , als eine solche Bestimmung in den Vertrag aufzunehmen. Der Sgpekulation würde dadurch in einem Maß Thür und Thor geöffnet, daß die Schwankungen des Preises und das Drücken desselben in inem Verhältniß vor sich gehen würden, wie bisher nicht. Wer ein Interesse an stabilen Preisen hat, für den sollte ein solcher Vorschlag absolut unannehmbar sein. Die Königliche Staatsregierung befindet sich also nicht in der Lage, ihre Zustimmung zu Handels⸗ verträgen an eine unerfüllbare Bedingung zu knüpfen. Daß die Regierung ie Währungsfrage nicht verkennt, ist durch die Erklärung des Herrn Landwirthschafts⸗Ministers im Herrenhause aufs deutlichste aus⸗ esprochen. Ich kann zur Bekräftigung des dort geltend gemachten Standpunktes anführen, daß auch die preußischen Handels⸗ und ewerblichen Kreise ein Interesse daran haben, daß Mittel und Wege efunden werden, welche dem Schwanken des Silberpreises einen Damm ntgegensetzen. Die Handels⸗ und gewerblichen Interessen verlangen ine gute und gesicherte Währung; sie verlangen auch die Beseitigung er Schwankungen des Silberpreises. Es ist die Frage auf⸗ uwerfen, ob nicht durch das Vorgehen der amerikanischen und in⸗ ischen Regierung die Gefahr einer Goldknappheit uns nahe gerückt st Die Regierung möchte die Schwierigkeiten gern beseitigen, unter en die nach den Silberländern exportierende Industrie leidet. End⸗ ich ist das Moment des heimischen Bergbaus maßgebend. Wir sind icht eines der Hauptländer der Silberproduktion, aber die Zahl der m Silberbau betheiligten Bevölkerung ist eine nicht unerhebliche. Ob der Oberharzer Bergbau, den wir wesentlich im Interesse der Bevölkerung fortführen, bei stetig sinkendem Silberpreise aufrecht⸗ erhalten werden kann, ist im höchsten Grade zweifelhaft. In ähn⸗ icher Lage befindet sich der Mansfelder Bergbau und in Beziehung ur Silberproduktion steht auch die Bleigewinnung. Für die Ent⸗ cheidung dieser Frage sind die Verhältnisse des Bergbaus allein sicher Uicht maßgebend; aber sie werfen doch ein erhebliches Gewicht in die agschale. Abg. Graf Limburg⸗Stirum beantragt die Besprechung der Interpellation; der Antrag wird von allen Seiten unterstützt. Abg. Broemel (frs. Vg.): Der Interpellant hat von der Haupt⸗ ache, von den Geldverhältnissen, eigentlich sehr wenig gesprochen, ondern sich hauptsächlich mit der Nothlage der Landwirthschaft be⸗ häftigt. Er hätte aber, da er die Einwirkung der Währun gsver⸗ ältnisse auf diese Nothlage behauptet, den Zusammenhang nachweisen üssen. Der Vertreter der Staatsregierung hat ja die früher gemachten Vorschläge mühsam hervorsuchen müssen, um nur eine Unterlage für die Beantwortung der Interpellation zu haben. Von der Zollskala hat z. B. der Interpellant garnicht gesprochen. Herr von Kardorff hat gestern versucht, ns ein Bild von der unheilvollen Lage der Landwirthschaft in seiner eimath zu geben. Er hat von Tausenden von Subhastationen kleiner Besitzungen gesprochen. Darüber sind wir durch die Statistik zuver⸗ lässig unterrichtet. Die Statistik ergiebt aber seit 1886 fortdauernd eine Abnahme der Zwangsversteigerungen land⸗ und forst⸗ wirthschaftlicher Grundstücke von rund 2900 auf rund 1500, und diese Zahl vertheilt sich auf alle Provinzen ziemlich gleichmäßig. In Schlesien handelt es sich nicht um Tausende von Fällen,
sondern 1891 sind 368 Zwangsversteigerungen landwirthschaftlicher
Grundstücke vorgekommen, während die Gesammtzahl derselben mehr als 2 Millionen beträgt. Der kleinere Grundbesitz bis 50 ha umfaßt mehr als die Hälfte der gesammten Ackerfläche der Provinz, aber an der Zwangsversteigerung ist er nur mit dem fünften Theil betheiligt.
lso der kleinere Grundbesitz versteht es weit besser als der gräößere, sein Besitzthum festzuhalten. Der Großgrund⸗ besitz über 200 ha macht 4 ½ % der Fläche aus, von den “ gerungen entfallen aber auf diesen Grundbesitz 61 %. Ehe Herr von Kardorff in seiner kavalièren Weise solche Be⸗ hauptungen hier aufstellt, hätte er sich die Zahlen etwas näher an⸗ sehen sollen. Von der Anbaufläche der kleinen Besitzer in Schlesien, welche 1 ½ Millionen Hektar beträgt, entfallen auf die versteigerten Grundstücke nur 2500 ha. Man kann also sagen, daß die Be⸗ hauptungen des Herrn von Kardorff jeder thatsächlichen Unter⸗ entbehren. Ueber den Umfang der Verschuldung sind eist in letzter Zeit statistische Angaben gesammelt worden. Das Sta⸗ tistische Bureau hat aber seiner Statistik einige Bemerkungen hinzugefügt, die Herr von Heydebrand nicht hätte übergehen sollen. Aus verschie⸗
denen Gründen unterbleibt nämlich die Löschung eingetragener Hypo⸗
eken; es wird angenommen, daß dies bei 20 bis 25 % der Hypo⸗ theken geschieht. Mit der einfachen Behauptung von dem Rückgang der Preise kann man nicht operieren; denn nicht nach dem Preise der Einheit berechnet sich der Gewinn, sondern nach der Menge der Ernte. Die Antwort, die der Handels⸗Minister bezüglich des russischen Handelsvertrags gegeben hat, wird vielleicht dazu führen, daß man, wenn man auch Reichsangelegenheiten in den Einzel⸗ Landtagen verhandelt, wenigstens die Hand davon läßt, in schwebende Vertragsverhandlungen einzugreifen. Die Untersuchungen darüber, ob die Valutaverhältnisse auf die Preisbildung von Einfluß sind, hat Professor Conrad schon vor längerer Zeit in seinen National⸗ ökonomischen Jahrbüchern veröffentlicht. (Zuruf links: So etwas lesen die Leute ja nicht). Er hat nachgewiesen, daß die Verhält⸗ nisse der Ernte, die ö u. s. w. einen viel größeren Einfluß auf den Preis haben als die Valuta. An einem Tage des Jahres 1892 stand der Rubelkurs auf 203 ℳ, der Roggenpreis auf 189 ℳ; gestern stand der Rubelkurs auf 221 ℳ, der Roggenpreis aber nur auf 126 ℳ Es ist also gar kein Bedürfniß für eine gleitende Zollskala vor⸗ handen. Was würde auch dadurch erreicht werden? Welchen Ländern gegenüber sollte dieselbe in Anwendung gebracht werden? Es giebt doch außer Rußland noch andere Länder mit einer entwertheten Papier⸗ und Silbervaluta. Es würde also z. B. Argentinien in Betkacht kommen, welches Getreide nach Deutsch⸗ land importiert. Wenn eine solche Skala allein gegen Rußland in Anwendung gebracht wird, so würde daraus nur folgen, daß wie jetzt beim bestehenden Differentialzoll der Import von Getreide aus Rußland nach Deutschland aufhören würde; Rußland würde auf den Weltmarkt gehen und dort auf den Preis drücken. Es ist garnicht wahr, daß der Differentialzoll, wie er jetzt Rußland gegen⸗ über besteht, den Getreidepreis für die Landwirthschaft erhöht hat. Welchen Schaden der russische Handelsvertrag eigentlich anrichten soll, ist garnicht zu begreifen. Die Gegnerschaft gegen den Handelsvertrag ist daher mindestens übertrieben. Indem der Handels⸗Minister erklärte, daß die Regierung ihre Zustimmung zum Handelsvertrag davon abhängig mache, ob die Interessen des Landes dadurch gefördert werden, hat er fest⸗ estellt, daß die Interessen des Handels und der Industrie auch in Betracht gezogen werden müssen. Die Untersuchung der Währungs⸗ verhältnisse wird Sache des Reichs sein, und die eingesetzte Kommission wird bei der Aufstellung des Pregramms 9. betheiligen; was der Handels⸗Minister heute ausgeführt hat, kann nicht eine gebundene Marschroute für die Kommission sein. Man sollte in diesen Währungsfragen keine unnöthige Beunruhigung hervorrufen. Man sollte den Silberpreis ruhig den Standpunkt ein⸗ nehmen lassen, welchen er infolge der fortschreitenden Konsumtion und Produktion einnehmen wird. Industrie und Handel haben kein Interesse daran, Experimente auf diesem Gebiet zu machen. Die Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft haben sich vor wenigen Tagen einstimmig dahin ausgesprochen, daß die Goldwährung unerschüttert erhalten werden müsse. Welchen Gefahren man sich aussetzt, wenn man auf diesem Gebiet rücksichtslos vorgeht, zeigt der Antrag der Konservativen im Reichstag. Der Bundesrath soll die Währung ändern können, sobald die internationale Vereinigung für die Doppelwährung zustande gekommen ist, aber die Ausprägung von Silbermünzen soll sofort anfangen. Es wird nach dem Antrage der Umlauf an Silbermünzen im Reich, der jetzt 3750 Millionen Mark beträgt, auf das Doppelte gesteigert werden. 8 Beschaffung des Silbers würde das gute deutsche Gold ins Ausland gehen müssen. Die Vermehrung der Umlaufsmittel würde mit anderen Preisen auch die des Getreides steigern. Die Löhne würden dieser Steigerung nicht gleich folgen; aber wenn das geschehen ist, welchen Vortheil hätte dann die Landwirthschaft von der ganzen Geschichte? Wenn ein einseitiger Interessenstandpunkt auch durchgesetzt würde, es würde sich dagegen eine große Reaktion geltend machen. (Schluß des Blattes.)
„Veröffentlichungen des Kaiserlichen vom 24. Januar hat folgenden Inhalt: Personal⸗Nachrichten. — Gesundheitsstand und Gang der Volks⸗ krankheiten (Cholera, Influenza u. s. w.). — Zeitweilige 1 gegen Cholera ꝛc. — Gesetzgebung u. s. w. (Preußen ꝛc.). Arznei⸗ taxe. — (Reg.⸗Bez. Köslin) Kommunalärztliche Thätigkeit. — Krankenanstalten. — (Hessen.) Arzneitaxe. — (Schwarzburg⸗Rudol⸗ stadt.) Fleischbeschau. — (Oesterreich. Görz und Gradisca.) Vieh⸗ und Fleischbeschau. — (Afrika. Kap der guten Hoffnung.) Thier⸗ seuchen. — (Columbien.) Gesundheitskommission für den Hafen von Colon. — Gang der Thierseuchen. Lungenseuche im Deutschen Reich 1892. — Thierseuchen in Rumänien, 3. Vierteljahr. — Zeitweilige Maßregeln gegen Thierseuchen. (Deutsches Reich, Preuß. Reg.⸗Bez. Aachen, Mecklenburg⸗Schwerin, Frankreich, Dänemark.) — Recht⸗ sprechung. (Preuß. Kammergericht.) Anpreisung von Hühneraugen⸗ seife und Kefirferment. — Verhandlungen von gesetzgebenden Körper⸗ schaften. (Deutsches Reich.) Dresdener Sanitätskonferenz. — (Däne⸗ mark.) Fleischausfuhr. — (Portugal.) Venediger Sanitätskonferenz. — Vermischtes. (Großbritannien.) Bericht der Gesundheitsbeamten für den Londoner Hafen 1892. — Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Auslandes. — Erkrankungen in Kranken⸗ häusern deutscher Großstädte. — Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. — Witterung. — Beilage. Gerichtliche Entscheidungen zum Nahrungsmittelgesetz (Faules, schimmliges ꝛc. Fleischh.
Nr. 4 der Gesundheitsamts“
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Verbreitung von Thierseuchen im Deutschen Reich im Dezember 1893.
(Im Kaiserlichen Gesundheitsamt nach amtlichen Mittheilungen zu⸗ sammengestellt; für Preußen und Braunschweig liegen Nachweisungen nur über Maul⸗ und Klauenseuche vor.)
Der Rotz (Wurm) wurde festgestellt in je 1 Gehöft der Be⸗ Firhe. (Oberbayern), Waldsee (Donaukreis) und Dessau (Anhalt).
Die Maul⸗ und Klauenseuche hat zwar in den Regierungs⸗ bezirken Marienwerder, Frankfurt, Breslau, Oppeln, Düsseldorf und im Oberelsaß etwas zugenommen, dagegen ist sie in Königsberg, Potsdam, Merseburg zurückgegangen. Erheblich weniger betroffen als im Vormonat waren die Regierungsbezirke Gumbinnen und Nieder⸗ bayern sowie das Königreich Sachsen. Die Seuche herrschte am Schlusse des Berichtsmonats nachweislich noch in den preußischen Regierungs⸗ bezirken Königsberg, Gumbinnen, Danzig, Marienwerder, Potsdam, Frankfurt, Posen, Bromberg, Breslau, Oppeln, Merseburg, nover, Münster, Cassel, Wiesbaden, Düsseldorf, Aachen, ferner in den bayerischen Regierungsbezirken Oberbayern, Niederbayern, Pfals⸗ Oberpfalz, Mittelfranken, Schwaben, in den sächsischen rreishauptmannschaften Leipzig, Zwickau, im württem⸗ Neckar⸗, Jagst⸗ und Donaukreis, in den badischen Landeskommissärbezirken Freiburg, Karlsruhe Wund Mannheim, in den hessischen Provinzen Starken⸗ burg und Rheinhessen, in beiden Mecklenburg, in Sachsen⸗Weimar, Sachsen⸗Meiningen, Sachsen⸗Coburg⸗Gotha, Hamburg, im Oberelsaß und in Lothringen. Die meisten Gemeinden blieben Ende Dezember verseucht; im Regierungsbezirk Gumbinnen (38), in Mecklenburg⸗Strelitz (14) und im Oberelsaß (11). In den durch Sperrung hervorgehobenen Verwaltungsgebieten war am Jahres⸗
schlusse nachweislich nur je eine Gemeinde betroffen. 1 ie Lungenseuche wurde festgestellt in 1 Gehöft des Kreises
eerbst (Anhalt). 8 ubah. der Schafräude sind in 2 Gemeinden von
ergischen
Niederbayern, 3 von Oberfranken, je 1 von Mittelfranken, Schwaben,
der Kreishauptmannschaft Leipzig, des Neckar⸗ und des Donaukreise 2 des Landeskommissärbezirks Freiburg, 4 von Oberhessen, je 1 von Rheinhessen, F.= S.r.I. Waldeck und des Bezirks Lothringen ermittelt.
Cholera.
Oesterreich⸗Ungarn. Vom 16. bis 22. Dezember wurden wie in den „Veröffenklichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts mitgetheilt wird, in Bosnien 54 Neuerkrankungen (16 Todesfälle angezeigt, davon 18 (3) im Bezirk Brcka. 2 1 8
Rußland. In einigen westlichen Bezirken hatte demselben Blatt zufolge während der Berichtszeit die Zahl der Cholerafälle wieder etwas zugenommen; es wurden vom 30. Dezember bis 5. Januar (n. St.) die nachstehend aufgeführten Erkrankungen und Sterbefälle amtlich gemeldet. In Plock vom 17. bis 23. Dezember 29 bezw. 15; in Warschau (sonst im Gouvernement] vom 10. bis 16. Dezember 38 bezw. 14; in Radom vom 17. bis 23. Dezember 10 bezw. 11; in Siedlec vom 10. bis 23. Dezember 21 bezw. 10; in Lomza vom 17. bis 23. Dezember 7 bezw. 6; in Suwalki vom 10. bis 23. Dezember 28 bezw. 20; in Kowno vom 17. bis 23. Dezember 72 bezw. 42; in Grodno vom 10. bis 23. Dezember 17 bezw. 14; in Wolhynien vom 10. bis 20. Dezember 69 bezw. 29; in Bessarabien vom 4. bis 20. Dezember 11 bezw. 5; in Jekaterinoslaw vom 10. bis 16. Dezember 18 bezw. 8; in Woronesch vom 26. November bis 17. Dezember 32 bezw. 23; in Tschernigow vom 10. bis 16. De⸗ zember 25 bezw. 12; in St. Petersburg (Stabt) vom 29. Dezember bis 3. Januar 129 bezw. 57; in Eriwan vom 10. bis 16. Dezember 21 bezw. 17.
Spanien. Nach einer in der „Gaceta de Madrid“ vom 11. Januar abgedruckten Königlichen Verordnung ist die Cholera auf der Insel Teneriffa nunmehr erloschen. 8
Niederlande. Zufolge amtlicher Nachweisung im „Staats⸗ Courant“ vom 12. Januar sind während des Monats Oktober 9 ersonen an asiatischer Cholera, 14 an „cholera nostras“ ge- storben.
Der Gesundheitsstand in Berlin war in der Woche vom 7. bis 13. Januar ein der Vorwoche ähnlicher, und auch die Sterblichkeit zeigte nur eine geringe Steigerung (von 18,4 der Vor⸗ woche auf 19,5 — auf je 1000 Einwohner und aufs Jahr berechnet). — Unter den Todesursachen waren es noch immer akute Ent⸗ zündungen der Athmungsorgane, die sogar in gegen die Vorwoche gesteigerter Zahl zum Vorschein kamen, und auch etwas mehr Todesfälle veranlaßten. Auch Erkrankungen an Grippe waren noch zahlreich, die Zahl der Sterbefälle ging jedoch auf 13 herab. Akute Darmkrankheiten zeigten in der Vorwoche ähnliches Vorkommen, die Zahl der Todesfälle war nur wenig größer. Die Betheiligung des Säuglingsalters an der Sterblichkeit blieb nahezu die gleiche, wie in der Vorwoche; von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 55 Säuglinge. — Von den Infektionskrankheiten zeigten Masern und Scharlach ein der Vorwoche fast gleiches beschränktes Vorkommen, während Er⸗ krankungen an Diphtherie zugenommen haben und zumeist aus dem Stralauer Viertel zur Anzeige gelangten., Erkrankungen an Unter⸗ leibstyphus blieben vereinzelt; an Kindbettfieber wurden 6 Er⸗ krankungen bekannt. Zahlreicher kamen auch wieder rosenartige Ent⸗ zündungen des Zellgewebes der Haut zur Anzeige. Erkrankungen an Keuchhusten wurden seltener, auch blieb der Verlauf ein milde Rheumatische Beschwerden aller Art zeigten in ihrem Vorkomme keine wesentliche Veränderung. 1“
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Handel und Ge
Nach einer Verfügung des dänischen General⸗Direktors der Zölle und Steuern vom 17. August v. J. werden vom 1. Januar d. J. ab I Fahrräder bei ihrer Einfuhr in Dänemark nicht mehr nach Nr. 268, sondern nach Nr. 271 des dänischen Zolltarifs tarisiert und dementsprechend mit einem Eingangszoll von 10 Proz. des Werths belegt. Dieselbe Verzollung tritt auch dann ein, wenn einzelne Zu⸗ behörstücke des Fahrrads, wie Sattel, Steuer, Pedal ꝛc., fehlen.
— Die „Bayerische Gewerbe⸗Zeitung“ (herausgegebe und verlegt vom bayerischen Gewerbe⸗Museum in Nürnberg, redigiert von Dr. J. Stockbauer) beginnt mit der kürzlich 1“ 1 für 1894 ihren VII. Jahrgang. Dr. Stockbauer leitet die Nummer mit interessanten geschichtlichen Mittheilungen über die Fayence⸗ fabrik in Ansbach ein, denen mehrere Textabbildungen sowie zwei farbige Lichtdrucke beigegeben sind. Mit solchen gediegenen, ut kllustrierten über die Geschichte einzelner Zweige des Kunstgewerbes und technisch vorzüglich ausgeführten besonderen Kunst⸗ beilagen dazu, zeigt sich die Redaktion erfolgreich bestrebt, das Blatt wieder auf die Höhe der kunstgewerblichen Monatsschrift „Kunst und Gewerbe“ zurückzuführen, deren Fortsetzung (28. Jahr⸗ gang) sie bildet. Auf einem künstlerisch verzierten Blatt der Nr. 1 macht die Verwaltung des Bayerischen Gewerbe⸗Museums die von freudiger Genugthuung erfüllte Mittheilung, daß die von ihr an⸗ geregte Landes⸗Industrie⸗ und Gewerbe⸗Ausstellung zu Nürnberg im Jahre 1896 nunmehr gesichert ist. Den weiteren Inhalt bilden: das Programm der Lehr⸗ und Wandervorträge, die von dem Museum veranstaltet werden, Mittheilungen aus dem Gewerbsleben (Gewerbe⸗ politisches; die Berücksichtigung des unredlichen Wettbewerbes im neuen I die Bilanz der kolumbischen Aus⸗ stellung; was die c. Kinley⸗Bill Amerika bisher gekostet hat; über öffentliche Arbeitsvermittelungsanstalten), literarische Besprechungen, technische Mittheilungen (mit Illustrationen) und ein Feuilleton über das Werk „Die drei Bevölkerungs⸗ stufen“ von Georg Hansen. — Die „Bayerische Gewerbe⸗Zeitung“ ist das Organ des Bayerischen Gewerbe⸗Museums und des Verbandes bayerischer Gewerbevereine, der ca. 8000 Mitglieder in 53 Vereinen zählt. Sie erscheint monatlich zweimal, je drei Bogen stark, mi Illustrationen und Kunstbeilagen. Der Abonnementspreis beträgt pr Jahr 16 ℳ, für Mitglieder des Bayerischen Gewerbe⸗Museums 10 bei Vorausbezahlung, exkl. Porto. Bestellungen nehmen alle Buch handlungen und Postanstalten, sowie die Verlagsanstalt des Bayerische Gewerbe⸗Museums (C. Schrag) in Nürnberg (Königsstraße 15 entgegen.
Leipzig, 24. Januar. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin handel. La Plata Grundmuster B. per Januar 3,35 ℳ, per Februar 3,37 ½ ℳ, per März 3,42 ½ ℳ, per April 3,42 ½ ℳ, ver Ma 3,42 ½ ℳ, per Juni 3,47 ½ ℳ, per Juli 3,50 ℳ, per August 3,52 ½ ℳ per September 3,55 ℳ, ver Oktober 3,55 ℳ, per November 3,57 ½ ℳ ver Dezember 3,60 ℳ Umsatz 5000 kg.
Mannheim, 24. Januar. (W. T. B.) Densten gs Weizen pr. März 15,20, pr. Mai 15,25, pr. Juli 15,35, Roggen pr. März 13,30, pr. Mai 13,35, pr. Juli 13,40. Hafer per Mär 14,75, pr. Mai 14,40, pr. Juli 14,20. Mais pr. März 11,00, pr. Mai 10,95, pr. Juli 10,80.
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Koblenz, 24. Januar. (W. T. B.) Der Trajektbetrieb Bonn⸗Obercassel für die Tageszüge 166 bis 173 ist heute wiede eröffnet.
Theater und Musik.
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Gestern Abend wurde das Schauspiel „Das Recht auf Glück von Olga Wohlbrück mit einem im allgemeinen wohlverdienten Beifall aufgenommen. Die hier schon aus ihrer eigenen Thätigkeit
auf der Bühne und als Novellistin vortheilhaft bekannte Verfasserin hatte in ihrem Werk selbst die Hauptrolle, die Rolle eines hüft