Seine Durchlaucht der Fürst von Bismarck hat gestern Abend 7 ½ Uhr Berlin wieder verlassen. Nachmittags hatte der Fürst Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich einen Besuch abgestattet. Um 6 Uhr fand in den Gemächern des Fürsten eine kleinere Abendtafel statt, an welcher Seine Majestät der Kaiser und Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich theilnahmen. Kurz nach 7 Uhr verabschiedete sich der Fürst von Ihrer Majestät der Kaiserin und wurde von Seiner Majestät dem Kaiser und König in geschlossenem Galawagen, der von einer Schwadron Garde⸗Kürassiere eskor⸗ tiert wurde, nach dem Lehrter Bahnhof geleitet. Auf dem Wege dahin, insbeondere Unter den Linden, wurde der Wagen von lebhaften freudigen Zurufen der dichtgedrängt stehenden Menge begrüßt. Auf dem Bahnhof waren die sämmtlichen Herren des Hauptquartiers, sowie mehrere Generale an⸗ wesend. Seine Majestät der Kaiser geleitete den Fürsten zu dem Salonwagen, drückte ihm herzlich die Hand und küßte ihn wiederholt auf beide Wangen. Nachdem der Fürst den mit reichen Blumenspenden angefüllten Salonwagen bestiegen hatte, wandte Sich Seine Majestät der Kaiser mit einigen huldvollen Worten an den Grafen Herbert Bismarck. Alsdann unterhielt Sich Seine Majestät wieder mit dem Fürsten, welcher den Kürassierhelm abgelegt hatte und sich aus dem Fenster beugte. Das Publikum, welches zum theil auf den Bahnsteig zu⸗ gelassen worden war, brachte Seiner Majestät dem Kaiser und dem Fürsten Bismarck enthusiastische Hochrufe und stimmte das Lied „Deutschland, Deutschland über alles“ an. Als der Zug die Halle verließ, ertönten wiederum Hochrufe, auf welche Fürst Bismarck freundlich lächelnd mit
erneigen dankte. In seiner Begleitung befanden sich die Grafen Herbert und Wilhelm Bismarck, sowie Professor Schwe⸗ ninger. Seine Majestät der Kaiser verließ hierauf unter be⸗ geisterten Hochrufen des Publikums den Bahnhof.
Die Ankunft des Fürsten in Friedrichsruh erfolgte Abends 11 Uhr. Der Weg vom Bahnhof bis zum Schloß war durch Magnesiumfackeln erhellt. Eine zahlreich versammelte Menge brachte dem Fürsten begeisterte Ovationen dar.
Wie „W. T. B.“ meldet, hat Seine Majestät den Fürsten Bismarck zum Chef des Kürassier⸗Regiments von Sendlitz (Magdeburgisches) Nr. 7, à la suite dessen Fürst Bismarck bisher geführt wurde, ernannt.
Aus Breslau, Leipzig, Dresden und anderen Städten wird gemeldet, daß aus Anlaß des Besuchs des Fürsten Bis⸗ marck in Berlin geflaggt war d cherlei patriotische “
dnungs⸗Blatt“ vom heutigen Tage
höchsten Gnadenerlaß:
8 Ich will den Tag, an welchem Ich eine 25jährige Militär⸗
Dienstzeit vollende, hinsichtlich Meiner Armee durch einen Akt der
Gnade auszeichnen und folgende, innerhalb des Bereichs der preu⸗
ßischen Militärverwaltung von militärischen Vorgesetzten oder von
Militärgerichten verhängte Strafen, soweit letztere am 27. Januar
d. J. noch nicht oder nicht vollständig vollstreckt sind, hiermit in Gnaden erlassen:
1) alle im Disziplinarwege verfügten Arreststrafen, sowie die in den Fällen des § 28 der Disziplinar⸗Strafordnung für das Heer auf⸗ erlegten Haftstrafen oder Geldbußen,
2) die wegen militärischer Vergehen gerichtlich erkannten Arrest⸗ strafen, sofern die Strafe vier Wochen gelinden oder drei Wochen mittleren oder vierzehn Tage strengen Arrestes nicht übersteigt.
Ausgeschlossen bleiben jedoch diejenigen Militärpersonen, gegen welche a. wegen vorschriftswidriger Behandlung oder Mißhandlung
Untergebener (§§ 121, 122 des Militär⸗Strafgesetzbuchs), b. wegen Diebstahls oder Unterschlagung auf Grund des § 138 a. . ., c. neben der Arreststrafe auf eine militärische Ehrenstrafe
erkannt worden ist.
Ich beauftrage das Kriegs⸗Ministerium, für die schleunige Be⸗
kanntmachung und Ausführung dieses Erlasses Sorge zu tragen. Berlin, den 27. Januar 1894. Wilhelm.
Bronsart von Schellendorff.
An das Kriegs⸗Ministerium.
Ferner enthält das „Armee⸗Verordnungs⸗Blatt“ folgende Allerhöchste Kabinets⸗Ordres, betreffend die Erleich⸗ terung der feldmarschmäßigen Belastung der Infanterie bezw. Schießauszeichnungen:
Ich bin auf Grund Meiner eigenen WWT“ sowie der Berichte, welche die General⸗Kommandos über die ten Herbst⸗ übungen erstattet haben, zu der Ueberzeugung gelangt, daß die feld⸗ marschmäßige Belastung der Infanterie dringend einer wesentlichen Erleichterung bedarf. Ich halte das, was bisher in dieser Hinsicht geschehen, nicht für genügend, um die Marsch⸗ und Gefechtskraft Meiner Infanterie in dem Maße zu steigern, wie dies die heute an dieselbe zu stellenden Aufgaben fordern, und beauftrage Sie daher, Mir schleunigst noch weitere auf die Erleichterung der Infanterie ab⸗ zielende Vorschläge zu unterbreiten. Berlin, den 27. Januar 1894. Wilhelm. An den Kriegs⸗Minister.
Ich bestimme, daß die Schützenabzeichen der Infanterie, der Jäger
und Schützen, wie der Pioniere und Eisenbahntruppen fortan die orm von Fangschnüren nach beifolgenden Proben haben. Gleiche bzeichen sind auch bei den anderen Waffen, in welcher Hinsicht Ich Vorschlägen des Kriegs⸗Ministeriums entgegensehe, zur Einführung zu bringen. Es gereicht Mir zur Freude, in den neuen Abzeichen der Armee ein sichtbares Zeichen Meiner Anerkennung für die Leistungen im Schießdienste zu gewähren. Ich halte Mich überzeugt, daß diese Bethätigung Meines Interesses an dem genannten, für die kriegs⸗ mäßige Ausbildung besonders wichtigen Dienstzweige stets ein erhöhter
Ansporn für die weitere Förderung desselben sein wird. Berlin, den
27. Januar 1894. Wilhelm. Bronsart von Schellendorff.
8
8 8 Die Feier des Geburtstags Seiner Majestät des Kaisers und Königs wurde heute Morgen durch das Blasen eines Chorals und
einiger geistlicher Lieder von der Kuppel der Schloßkapelle und durch das von den Spielleuten des 4. Garde⸗Regiments aus⸗
eführte große Wecken eingeleitet. Alsbald schmückten sich die Vluser mit Flaggen, die Schaufenster mit Blumengruppen, deren Mittelpunkt die Büste Seiner Majestät bildet, und eine ahlreiche Menschenmenge durchzog die Straßen, insbesondere ie Linden, um ihrer Theilnahme an dem Fest Ausdruck zu
geben. Um 11 Uhr fand in der Kapelle des Königlichen
Schlosses ein feierlicher Gottesdienst und daran anschließend im Weißen Saale Gratulations⸗Cour bei den Majestäten statt.
Zu Beginn der Gratulations⸗Cour wurden durch die Leib⸗ Batterie des 1. Garde⸗Feld⸗Artillerie⸗Regiments im Lustgarten 101 Salutschüsse gelöst.
Um 12 ½ Uhr fand im Zeughause große Parole⸗Ausgabe statt. Hierzu war eine Kompagnie des 2. Garde⸗Regiments .F. mit Fahne, Spielleuten und der Regimentsmusik, die direkten Vorgesetzten auf dem rechten Flügel, dem “ des “ gegenüber im Paradeanzuge in
änteln aufgestellt. Bei Annäherung Seiner Majestät des Kaisers und Königs präsentierte die Kom⸗ pagnie, die Musik spielte die Nationalhymne. Seine Majestät schritten die Front der Kompagnie ab und begaben Sich in das Zeughaus. Inzwischen formierte sich die Kompagnie zum Vorbeimarsch, welcher nach beendeter Parole um 1 ¼ Uhr ausgeführt wurde. b
Die festlichen Veranstaltungen hatten bereits am Don⸗ nerstag ihren Anfang genommen, wo Nachmittags um 5 Uhr die Königliche Akademie der Wissenschaften ihren Statuten gemäß zugleich die Gedächtnißfeier Friedrich's des Großen und die Vorfeier des Geburtsfestes Seiner Majestät des regierenden Kaisers und Königs mit einer Fest⸗ sitzung unter dem Vorsitz ihres ständigen Sekretars Herrn Auwers beging; der Sitzung wohnten Seine Durchlaucht der Prinz und Ihre Hoheit die Prinzessin Albert von Sachsen⸗ Altenburg sowie der vorgeordnete Staats⸗Minister Dr. Bosse bei. .
Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung mit einleitenden Worten, in welchen er der Beziehungen Friedrich's des Großen zur Akademie, insbesondere der von dem Konige vor gerade 150 Jahren an seinem Geburtstage durc, Verschmelzung der alten „Sozietät der Wissenschaften“ und der nach Friedrich's Regierungsantritt entstandenen freien Vereinigung der „Lite⸗ rarischen Gesellschaft“ und durch Verleihung neuer Statuten für die vereinigte Körperschaft vollzogenen Erneuerung der Akademie, ferner der lirerarischen Denkmäler gedachte, welche diese dem Gedächtniß des Königs errichtet hat und zu errichten fortfährt, und nach einem Rückblick auf die fünf seit der Thronbesteigung Seiner Majestät des regierenden Kaisers und Königs verflossenen Jahre den Wünschen der Akademie für dessen fernere Herrschaft Ausdruck gab.
Es erfolgte alsdann die für diese Sitzung vorgeschriebene Berichterstattung über den Fortgang der großen wissenschaft⸗
lichen Unternehmungen der Akademie im verflossenen Jahre
und die Vorlage der Jahresberichte der mit der Akademie verbundenen Stiftungen und Institute.
Der Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Heinrich von Sybel eröffnete die Reihe dieser Berichterstattungen mit einem Vortrag, den wir im Wortlaut in der Ersten Beilage veröffentlichen.
Hierauf wurden die folgenden Berichte verlesen:
Sammlung der griechischen Inschriften.
. Bericht von Herrn Kirchhoff.
Was die Sammlung der griechischen Inschriften betrifft, so sind die Indices zur zweiten Abtheilung des Korpus der Attischen In⸗ schriften mit dem Beginn des verflossenen Jahres zur Ausgabe ge⸗ langt, und der Druck der Supplemente zu derselben Abtheilung, welche bestimmt sind, den zweiten Theil des vierten Bandes zu bilden, hat begonnen werden können. Die Arbeiten an dem zweiten und dritten Bande der Nordgriechischen Inschriften haben ihren Fortgang genommen. Außerdem hat Herr Dr. Freiherr Hiller von Gärtringen das von ihm gesammelte Material für die Inschriften von Rhodos und den nächstgelegenen kleineren Inseln der Akademie zur Verfügung gestellt, und ist dasselbe bestimmt worden, von ihm redigiert als erster Theil eines Korpus der Inselinschriften veröffentlicht zu werden. Die ist soweit gefördert, daß die Drucklegung sofort wird beginnen önnen.
Sammlung der lateinischen Inschriften. Bericht der Herren Mommsen und Hirschfeld.
Von der Sammlung der lateinischen Inschriften sind in diesem Jahre die zweite, von den Herren Mommsen und Hülsen bearbeitete Auflage des die Fasten und Elogien enthaltenden Theils des ersten Bandes und der dritte Fascikel des Supplements zu dem dritten Band, der die Nachträge zu den Inschriften von Pannonien, Noricum, Raetien, ferner zu dem Edikte Diocletian’s und den Militärdiplomen in der Bearbeitung der Herren Mommsen, Hirschfeld, von Domaszewski umfaßt, zur Ausgabe gelangt. Die Vorarbeiten für die zu diesem Bande gehörigen Karten und Indices, die für die ganze dritte Ab⸗ theilung neu zu bearbeiten sind, sind so weit gefördert, daß der Ab⸗ schluß des Supplementbandes in diesem Jahre erfolgen kann.
Der Druck der Pompejanischen Wachstafeln hat infolge ander⸗ weitiger Verpflichtungen des Herrn Zangemeister noch nicht beginnen können. Die Redaktion der übrigen Nachträge zu dem vierten Bande (Pompejanische Wandinschriften) ist Herrn Mau in Rom übertragen worden.
Die Wiederaufnahme des seit längerer Zeit unterbrochenen Drucks des sechsten Bandes (stadtrömische Inschriften) wird von Herrn Hülsen in unmittelbare Aussicht gestellt.
Herr Bormann hat die von der Hauptsammlung allein noch übrigen Inschriften von Umbrien im Manuskript fertiggestellt und großentheils gedruckt. Er hofft, nach dem Abschluß derselben das von Herrn Ihm redigierte Instrumentum und die Nachträge zum Druck zu bringen. 8
Der mit der Bearbeitung des afrikanischen Supplementbandes (VIII) beauftragte Herr Johannes Schmidt in Königsberg ist nach längerer Krankheit am 6. d. M. verstorben. Es ist ihm nicht ver⸗ gönnt gewesen, dieses Werk, dem er in treuer Hingebung seine reiche Kraft gewidmet hat, zum Abschluß zu bringen; und gleichwie der⸗ jenigen seines Vorgängers Gustav Wilmanns hat der Tod vor der 85 auch seiner Arbeit ein jähes 9. gesetzt. In dankenswerther
eise hat noch vor dem Eintritt der seit längerer Zeit vorausgesehenen Katastrophe Herr Dessau sich der Uebernahme der für diesen Band noch ausstehenden Arbeiten unterzogen. Derselbe hat im Verein mit Herrn Cagnat den Druck der Inschriften von Numidien vollendet, die demnächst als besonderer Fascikel zur Ausgabe gelangen sollen.
Den Druck der germanischen Inschriften (XIII 2) haben die Herren Hirschfeld und Zangemeister für den südlichen Theil von Ober⸗ Germanien weitergeführt. 1
Die Redaktion der Inschriften der gallischen Provinzen ist von Herrn Hirschfeld so weit gefördert, daß der Beginn des Drucks dieses Bandes (XIII 1) für dieses Jahr mit Sicherheit in Aussicht gestellt werden kann. — Die Ausarbeitung des gallisch⸗germanischen Instru⸗ mentum hat Herr Bohn für einige Abtheilungen vollendet.
Die Bearbeitung des stadtrömischen Instrumentum (Band XV) hat Herr Dressel bis zum bschlu der Arretinischen Gefäße in dem verflossenen Jahre gefördert. Derselbe hofft, nach Vervollständigung des Materials für die übrigen Thongefäße und die Lampen, den Druck in der früheren Weise weiterführen zu können. 8 “
Das epigraphische Archiv, das zur Zeit in den Räumen der König⸗ lichen Bibkorhet sich befindet, ist in diesem Jahre besonders durch die bisher bei Herrn Schmidt aufbewahrten, zum theil noch von Herrn Wilmanns angefertigten Abklatsche bereichert worden. Die Benutzung des Archivs ist unter den durch die Beschaffenheit der Sammlung gebotenen Kautelen den Gelehrten jeden Dienstag von 11 bis vrühr gestattet. 8
Gorpus nummorum. B“ Bericht des Herrn Mommsen. Die als nothwendig sich herausstellende Revision einer Anzahl
von Exemplaren des Pariser Kabinets hat Herrn Pick genöthigt, in
den Osterferien v. J. sich dorthin zu begeben, und die veee desselben von Zürich nach Gotha sowie andere einschlagende Momente sind dem Fortgang der Arbeiten hinderlich in den Weg getreten. Indeß sind die für den ersten Band der nordgriechischen Sammlung bestimmten 20 Tafeln aufgenommen worden, und es ist ein großer Theil des dazu gehörigen Manuskripts fertiggestellt worden. Der Satz dieses Bandes hat ebenfalls begonnen. Für den zweiten ist Herr Gaebler gleichfalls dauernd thätig gewesen. Prosopographie der römischen Kaiserzeit. Bericht des Herrn Mommsen.
Von sämmtlichen drei Bänden der Prosopographie der römischen Kaiserzeit hat der Druck des ersten (alphabetischen) Haupttheils be⸗ gonnen, und zwar ist im Laufe des letzten Jahres der erste von Herrn Klebs bearbeitete Band im Satz bis zu Bogen 4, der zweite von
Herrn Dessau bearbeitete bis zu Bogen 15, der dritte von Herrn
von Rohden bearbeitete bis zu Bogen 9 fortgeschritten. Ausgabe der Aristoteles⸗Kommentatoren.
1 Bericht der Herren Zeller und Diels.
Unseren diesjährigen Bericht Ausdruck des lebhaftesten Dankes gegen die hohe Staatsregierung, durch deren Unterstützung es uns ermöglicht ist, das Aristoteleswerk in nb ursprünglich geplanten Zeit und Ausdehnung zur Vollendung zu bringen.
Der Druck der beiden umfangreichen Kommentare des Sim⸗ plicius zur Physik (V— VIII, herausgegeben von Herrn Diels) und zu de caelo (herausgegeben von Herrn Heiberg) ist erfreulich fort⸗ geschritten, sodaß der Abschluß beider Bände im laufenden Jahre sicher zu erwarten ist.
Daneben wurde der erste Theil des III. Bandes des Supple- mentum Aristotelicum in der Bearbeitung des Herrn Diels heraus⸗ gegeben. Dieser Theil enthält die medizinischen Excerpte eines etwa um das Jahr 100 n. Chr. beschriebenen Papyrus, der vor kurzem in den Besitz des Britischen Museums zu London gekommen ist. Da die erste Hälfte dieser Excerpte bisher unbekannte Auszüge aus den unter Aristoteless Namen gehenden, von Menon, einem Schüler des Aristoteles, verfaßten Jatrika enthält, so war der Wunsch begreiflich, diese werthvollen Ueberreste einer Geschichte der Medizin aus der altperipatetischen Schule unserem Aristoteleswerk einzuverleiben. Daß dieser Wunsch sobald sich verwirklichen konnte und unserer Akademie die Ehre der Editio princeps zu theil wurde, verdanken wir der außerordentlichen Liberalität der Verwaltung des Britischen Museums, der wir gerne auch an dieser Stelle gedenken. 1
Ausgabe der griechischen Kirchenväte Bericht des Herrn Harnack. “
Die Vorarbeiten für eine Ausgabe der älteren christlichen griechischen Literatur sind im vergangenen Jahre beendigt worden und eine vollständige Uebersicht über die Ueberlieferung und den gegen⸗ wärtigen Bestand jener Literatur liegt gedruckt vor. Die Akademie erwartet nur die Genehmigung des Seiner Excellenz dem Herrn Minister vorgelegten Planes der Ausgabe sowie die Gewährung der nöthigen Mittel, um sofort die Edition zu beginnen.
8 Acta borussica. Bericht der Herren von Sybel und Schmoller.
I. Der erste Band der von Herrn Dr. Krauske bearbeiteten Be⸗ hördenorganisation, welcher die Epoche von 1700 bis 1713 sowie von der Regierung Friedrich Wilhelm's I. die Zeit bis Ende Juni 1714 nebst einem Register umfaßt, ist auf etwa 900 Seiten fertig gedruckt und kann in den nächsten Wochen ausgegeben werden, sobald Vorwort und Einleitung von Professor Schmoller vollends fertiggestellt und gedruckt sein werden. Von dem folgenden Bande ist auch bereits ein erheblicher Theil des Manuskriptes der Vollendung nahe.
II. Bezüglich der preußischen Getreidehandelspolitik, welche Dr. W. Naudé in Händen hat, konnte vorm Jahre gemeldet werden, daß die Aktensammlung bis 1786 in der Hauptsache fertig sei. Bei dem großen Umfang derselben schien es angezeigt, die vor 1713 fallenden Stücke weder in extenso, noch in Resessvem abzudrucken, sondern diesen Theil des Stoffes in Form einer Einleitung zu geben. Mit der Herstellung derselben war Dr. Naudé dieses Jahr über beschäftigt; sie wird als besonderer Band erscheinen und neben den handels⸗ politischen brandenburgisch⸗preußischen Maßregeln bezüglich des Getreides die Anfänge des Magazinwesens, die Geschichte der Preise, Ernten und Theuerungen bis 1713, sowie einen Ueberblick über die analoge Politik der übrigen europäischen Staaten im 17. Jahrhundert und bis 1713 enthalten. Das Bändchen wird, sobald es fertig ist, gedruckt und ausgegeben werden. Der Druck der Akten von 1713 an wird sich dann sofort anschließen.
III. Herr Dr. Hintze hat fortgefahren, die Materialien für die Behördenorganisation und innere Staatsverwaltung unter Friedrich dem Großen zunächst bis 1756 zu sammeln. Er hat hauptsächlich die Cocceji'schen Justizreformen in Bearbeitung und ist zu diesem Zwecke im Sommer 1893 längere Zeit im Breslauer Archiv thätig gewesen.
IV. Herr Berg⸗Assessor Schweemann, welcher seit Oktober 1892 an Stelle von Berg⸗Assessor Knops getreten ist, hat im Laufe des Jahres 1893 die Akten der Bergabtheilung des Ministeriums für Handel und Gewerbe und des hiesigen Staatsarchivs, welche sich auf das Salinenwesen (das Salzregal, den Salzhandel, die Seehandlung, die pfännerschaftlichen Salinen) von 1700 bis 1805 beziehen, aus⸗ gezogen und bearbeitet. Es steht zu hoffen, daß er dieses ganze Gebiet absolviert haben wird, wenn er im Laufe des Jahres 1894, wie er wünscht, von dieser Thätigkeit zurück⸗ und in eine praktische Stellung übertritt. 1 8
V. Der Lieutenant a. D. Dr. Freiherr von Schrötter hat fort⸗ gefahren, die auf die brandenburgisch⸗preußische Wollindustrie des 18. Jahrhunderts bezüglichen Akten durchzuarbeiten; im Oktober 1893 ist er nach Breslau übergesiedelt, um auf ein halbes Jahr am Bres⸗ lauer Staatsarchiv die schlesischen Akten, die sich auf das Woll⸗ gewerbe, den Wollhandel und die einschlägige Handelspolitik beziehen, durchzusehen. 3 “
Humboldt⸗Stiftung Bericht von Herrn E. du Bois⸗Reymond.
Das Kuratorium der Humboldt⸗Stiftung für Naturforschung und Reisen erstattet statutenmäßig Bericht über die Wirksamkeit der Stiftung im verflossenen Jahre.
Ueber die Fortschritte in der Bearbeitung des Materials der Plankton⸗Expedition meldet Herr Hensen Fergenges Die Zählungen waren im Juni des Jahres beendet, aber es mußten noch die größeren Formen zur genauen Bestimmung für die bezüglichen Mitarbeiter berausgesucht werden, welche Arbeit erst im Oktober zum Abschluß kam. Die Herren Mitarbeiter konnten ihre Arbeiten nicht gut abschließen, ehe auch noch dies Material in ihren Händen war. Daher sind im verflossenen Jahr nur einige Abschnitte zur Verausgabung gelangt. Es sind dies: Krümmel, Geophysikalische Beobachtungen; Traustedt, Thaliaceen, systematischer Theil; Dahl, Halobatiden; Lohmann, Halacarinen; Ortmann, Dekapoden und Schizopoden; Maas, Craspedote Medusen. Sechs neue Abtheilungen sind im Beginn des Drucks, eine größere Reihe ist Herrn Hensen für das Jahr 1894 bestimmt zugesagt, do ergiebt sich, daß die Ausarbeitung wegen der Berücksichtigung der quantitativen Verhältnisse ungewöhnlich viele Mühe macht und Ver⸗ zögerungen erfährt.
Herr Professor Dr. Karl von den Steinen, welcher unter Be⸗ theiligung der Stiftung 1887 — 1888 eine zweite Expedition den Pingu hinauf ausgeführt hatte, gab schon 1892 ein Buch heraus über die Sprache des dortigen Karibenstammes der Bakairi. Jetzt hat er diesem Werke ein größeres, mit Photogrammen reich ausgestattetes: „Unter den Naturvölkern Zentral⸗Brasiliens“, Leipzig 1893, folgen lassen. 8 Von dem mit Stiftungsmitteln auf Madagaskar velleades Berliner Zoologen, Herrn Dr. Alfred Voeltzkow, sind im Mai der Jahres höͤchst interessante Nachrichten über das Eierlegen, die Brut⸗ pflege und überhaupt die Naturgeschichte der Krokodile eingegangen,
fehlen, ist aus Iquique schon in vortreff und zeugt von einem kürzlich eingegangenen Schreiben war er im Begriff, an Bord
unvollkommen längeren Aufenthalt zu begeben, von welchem er sich eine reiche Aus⸗
aben wir zu beginnen mit dem beute verspricht.
11“
1679 ℳ 50 ₰.
unter Professor Joachim's Leitung
8
welche Thiere in solcher Fülle und mit solcher Kühnheit bisher venans 1 je beobachtet wurden. Nach unserem Reisenden geht ein guter Theil
er embryonalen Entwicklung schon im Eileiter vor sich, sodaß man
fast sagen kann, die Krokodile seien auf halbem Wege zum Lebendig⸗ gebären stehen geblieben.
Während dann Herr Dr. Georg Volkens am Kilimandscharo sich mit Stiftungsmitteln — er erhielt einen weiteren Zuschuß von
3000 ℳ — der Erforschung der afrikanischen Alpenflora widmet, ist an der chilenischen Küste Herr Dr. Plate mit zoologischen Studien s handlungen in den die fälschlich zu den Lungenschnecken gestellte Gadinia peruviana, und über den Kreislauf und die Nieren der Chitonen Kenntniß Füga hat. Eine
beschäftigt, von denen er schon in zwei Ab⸗
Sitzungsberichten der Akademie, über
sehr umfangreiche Sendung von Fischen, sephalopoden, Dekapoden, Mollusken, Echinodermen, Schnecken, ürmern, Coelenteraten, wobei auch deeg Vögel und Säuger nicht
lichem Zustande eingetroffen errn Dr. Plate's glücklichem Sammlerfleiß. Nach
ines chilenischen Kriegsschiffes sich nach der zoologisch erst sehr ekannten Robinson⸗Insel Juan Fernandez zu einem
Mittlerweile fuhr die Stiftung fort, durch weitere Austheilung
von Unterstützungen neue Unternehmungen zu ermöglichen und vorzu⸗ bereiten. Herrn Dr. Max Verworn, Privatdozenten in Jena, wurden 2000 ℳ bewilligt zu einem Aufenthalt am Rothen Meere. Hier be⸗ absichtigt er in erster Linie seine experimentellen Untersuchungen über die Funktion des Zellkernes und über dessen Beziehungen zu den
Bewegungserscheinungen des Protoplasmas fortzusetzen, wozu nämlich ie über em großen Foraminiferen mit 1 bis 2 cm langen Pseudo⸗
S“ an den dortigen Korallenbänken vortreffliche Gelegenheit bieten. führung seines Planes zunächst Schwierigkeiten bereitet.
Leider hat die an seiner Station herrschende Cholera der Aus⸗
Dem Geheimen Medizinal⸗Rath Herrn Professor Dr. Fritsch, Vorsteher der biologisch⸗mikroskopischen Abtheilung des Physiologischen
Instituts hierselbst, sind zur fortgesetzten Untersuchung des Zitter⸗ welses in Egypten, dessen Entwickelung noch immer in so tiefes Dunkel gehüllt ist, 2500 ℳ, endlich Herrn Dr. K. Dove, zur Zeit in Südwest⸗Afrika, zur Fortführung seiner dort begonnenen klimatologischen und geographischen Forschungen 1600 ℳ zur Verfügung gestellt worden.
Die für das laufende Jahr zu Stiftungszwecken verwendbare
Summe beläuft sich ordnungsmäßig abgerundet auf 7000 ℳ Das
Kapital der Stiftung hat sich im vorigen Jahre um 119 Fl. 28 Kr. ermehrt, welche von der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu
Wien als Betrag für die Stiftung eingegangener Sammlungen ein⸗ gesandt und zu 192 ℳ 60 ₰ worden sind.
zum Tageskurse umgewechselt
8 Bopp⸗Stiftung. Bericht der vorberathenden Kommission: HH. Weber, Schmidt, Dillmann, Steinthal, Zupitza. Zum 16. Mai 1893, als dem Jahrestage der Stiftung, ist von
dem zur Verfügung stehenden Jahresertrage von 1892, im Betrage von 1350 ℳ, die erste Rate, 900 ℳ, dem Dr. O. Wiedemann, Privatdozenten in Dorpat, d. Zt. in Leipzig, zur Fortführung seiner litauisch⸗slawischen Studien, und die zweite Rate, 450 ℳ, dem Pro⸗
essor Dr. E. Leumann in Straßburg zur Fortsetzung seiner Jaina⸗
Studien zuertheilt worden.
Der jährliche Zinsertrag der Stiftung beläuft sich zur Zeit auf
Savigny⸗Stiftung.
Ueber den Druck des Wörterbuchs der klassischen Rechtswissen⸗ chaft schweben noch Verhandlungen.
Die Arbeiten an dem Ergänzungsbande zu den Acta nationis
Germanicae hat Herr Oberlehrer Dr. Knod zu Straßburg i. E. so weit gefördert, daß ein namhafter Theil der Namen des Personenindex im wesentlichen biographisch erledigt ist.
“ Eduard Gerhard⸗Stiftung. Auf die am Leibniz⸗Tage 1893 den Statuten gemäß 81 erste Ausschreibung des Eduard Gerhard⸗Stipendiums sind eine An⸗
zahl Bewerbungsschriften eingegangen. Das Ergebniß wird statuten⸗ mäßig in der nächsten Leibniz⸗Sitzung bekannt gemacht werden.
Die statutenmäßig zu erstattenden Jahresberichte für das Kaiser⸗
liche Archäologische Institut und die Monumenta Germaniae histo- rica werden später mitgetheilt werden, nachdem die Jahressitzungen der leitenden General⸗Direktionen stattgefunden haben werden.
Schließlich berichtete der Vorsitzende über die seit der letzten
Friedrichs⸗Sitzung im Personalstande der Akademie eingetretenen Aenderungen.
Die Akademie hat durch den Tod verloren: die ordentlichen Mit⸗ glieder Herrn Kummer aus der physikalisch⸗mathematischen und Herrn
von der Gabelentz aus der philosophisch⸗historischen Klasse; die korrespondierenden Mitglieder der physikalisch⸗mathematischen Klasse,
Herren P. J. van Beneden in Löwen, Alphonse de Candolle in Genf,
Heinrich Les in Bonn, Arcangelo Scacchi in Neapel; die korrespon⸗ dierenden Mi Giuseppe Canale in Genua, Alexander Cunningham in London,
tglieder der philosophisch⸗historischen Klasse, Herren
Konrad Leemans in Leiden, Hermann Sauppe in Göttingen, Aloys
Sprenger in William Waddington in Paris.
Neugewählt sind die Herren Emil Fischer und Oscar Hertwig zu
ordentlichen Mitgliedern der physikalisch⸗mathematischen Klasse; zu korrespondierenden Mitgliedern: in der physikalisch⸗mathematischen Klasse die Herren Walter Flemming in Kiel, Wilhelm His in Leipzig, Leo
Königsberger in E in Leipzig, Gustav Retzius in Stockholm; in der philosophisch⸗historischen Klasse die Herren Otto Benndorf in Wien, Edward Byles Cowell in London, L. Duchesne
in Paris, Theodor Gompertz in Wien, Wilhelm von Hartel in Wien,
Karl Justi in Bonn, Georg Friedrich Knapp in Straßburg, Habbo Gerardus Lolling in Athen, Adolf Merkel in Straßburg, Emil Schhürer in Kiel, A. H. de Villefosse in Paris.
Herr Heinrich von Brunn in München, bisher korrespondierendes
Mitglied, wurde zum auswärtigen Mitglied der philosophisch⸗histori⸗ schen Klasse erwählt.
Die Königliche Akademie der Künste hielt zur Feier
des Tages heute Vormittag um 11 Uhr eine öffentliche Fest⸗
sitzung im reich geschmückten großen Saale der Sing⸗Akademie.
Eine zahlreiche Versammlung wohnte der Feier bei. Das
Ministerium der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten vertraten die
Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Räthe Dr. Althoff und Naumann; ferner 1
waren erschienen der Direktor des Kaiserlichen Gesundheitsamts Dr. Köhler, der Dirigent der Ministerial⸗ Baukommission, Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Kagyser, der Konsistorial⸗Rath Arnold, die Geheimen Regierungs⸗Räthe Dr. Curtius, Dr. von Bezold u. a. Die Mitglieder der Akademie hatten zu Seiten der Kaiserbüste Platz genommen, rechts die Sektion für die bildenden Künste, links die Sektion für Musik. Das akademische Orchester und der Chor der Akademie, der stand, nahmen die Estrade ein. 1
Die Feier begann mit der Festmusik für Chor, Orchester und
Orgel von Joh. Seb. Bach: „Preise Jerusalem den lobe Zion, deinen Gott! Denn er machet fest die
Riegel deiner Thore und segnet deine Kinder drinnen; er schaffet deinen Grenzen Frieden ꝛc.“ Alsdann hielt der Ge⸗ heime Ober⸗Baurath, Professor Adler die Festrede über „Wittenberg und Jerusalem“ und zwar im Anschluß an die am 31. Oktober 1892 erfolgte Einweihung der Schloßkirche zu Wittenberg durch Seine Majestät den Kaiser und die evangelischen 71 ten Deutschlands und an die am gleichen Tage 1893 auf Allerhöchsten Befehl bewirkte
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Grundsteinlegung der evangelischen Kirche zu Jerusalem durch
den Präsidenten des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths Herrn Barkhausen und den Vortragenden.
Nach der Einleitung, welche der Bedeutung des Festtags galt, würdigte der Redner das vieljährige lebhafte Interesse es Kronprinzen Friedrich Wilhelm — verewigten Kaisers Friedrich III. — für die Wiederherstellung der Schloßkirche und besprach das grundlegende Bauprogramm des erlauchten Bauherrn. Demnächst ging er zu einer näheren Erörterung der umfangreichen technischen wie künstlerischen Arbeiten über, welche innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren zur Ausführung gelangt sind. Ein Hauptgewicht wurde auf die Mittheilung des neuen reichen Innenschmucks gelegt, der mit Hilfe der drei bildenden Künste zu stande gekommen sei. Es habe sich dabei besonders darum gehandelt, jeden späteren Besucher der Schloßkirche durch die sinn⸗ volle künstlerische Ausstattung an jene große Epoche der deutschen Geschichte zu erinnern, in welcher Fürsten und Ritter, Gelehrte und Künstler, Bürger und Bauern mit größter Be⸗ geisterung der neuen Lehre sich zuwandten. Geschehen sei dies durch statuarischen Schmuck von lebensgroßen Standbildern, durch Erzreliefs, durch steinerne Wappen und reiche Glas⸗ malereien. Den letzten das Ganze würdig abschließenden Kunst⸗ schmuck habe Seine Majestät der Kaiser und König dadurch herbeigeführt, daß er im Verein mit den zweiundzwanzig evangelischen Fürsten Deutschlands ein prachtvolles, reich in Eichenholz geschnitztes Feen. nebst seinem Kaiserstuhle im Chore gestiftet habe, — damit für alle Zeiten ein sicht⸗ bares Denkmal setzend für die feste einmüthige Gesinnung, in welcher auch urkundlich dieselben Fürsten ihre Absicht aus⸗ gesprochen hätten, unentwegt und treu an den Lehren der vrg Kirche festhalten zu wollen.
nter Hinweis auf die engen geistigen Beziehungen zwischen Wittenberg als Wiege der Reformation und Perasalem als die Heimath des Christenthums, wurden die Schicksale der uralten Gottesstadt berührt und auf ihre eigenartige Stellung zu drei Religionen, welche hier heilige Stätten verehren, hin⸗ gewiesen. In erster Linie steht dabei die unzerstörbare Sehn⸗ sucht des Abendlandes, welche sich nach dem Verlust des hei⸗ ligen Landes fortdauernd in Wallfahrten und Reisen deutscher Fürsten äußert. In der heiligen Grabeskirche sind im XV. Jahrhundert Fürsten aus dem Hohenzollernhause wie sächsische Fürsten gewesen, um hier den Ritterschlag zu empfangen oder Reliquien und Merkwürdigkeiten zu sammeln. Von den ersteren sind hervorzuheben die drei Söhne des Kur⸗ fürsten “ I., von den letzteren Kurfürst Friedrich der Weise, der Erbauer der Schloßkirche zu Wittenberg und der Hauptgönner und Schirmherr Luther’s. Vierhundert Jahre später führte der fromme christliche Sinn Friedrich Wilhelm IV. zur Erneuerung des Johanniter⸗Ordens und zur Stiftung eines evangelischen Bisthums im Bunde mit England; doch ging sein heißer Wunsch auf Erbauung einer Kirche nicht in Erfüllung. Erst sein Neffe Kronprinz Friedrich Wilhelm, 1869 nach Jerusalem geschickt, übernahm das vom Sultan seinem Vater geschenkte Terrain, nahe der Grabeskirche belegen und einst den Johannitern gehörig. An diese Reise schloß sich schon 1871 die Mission des Vortragenden, den gesammten Besitz der Krone aufzu⸗ messen und die vorhandene großartige Ruinenwelt einschließlich der Kirche, welche nach Allerhöchsten Direktiven für evangelische Zwecke im ganzen Umfange wieder nutzbar gemacht werden soll, in architektonischen Entwürfen zu bearbeiten.
Die betreffenden, schon 1874 vollendeten Pläne sollen nun⸗ mehr, nachdem alle Schwierigkeiten in künstlerischer wie finan⸗ zieller Beziehung beseitigt sind, auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers in wenigen Jahren vollendet werden. Nachdem dann eine kurze Beschreibung der in vollem Flusse befindlichen Ar⸗ beiten gegeben worden war und eine nähere Würdigung der alten Feesesenden he in baulichem und geschichtlichem Sinne stattgefunden hatte, wurden zuletzt die merkwürdigen regen Beziehungen zwischen Jerusalem und der deutschen Kunst aus⸗ führlicher nachgewiesen und die Feier mit ehrfurchtsvollen Glück⸗ und Segenswünschen, und nachdem die Jubel⸗Ouvertüre von Carl Maria von Weber verklungen, geschlossen.
Die hiesige Königliche Friedrich Wilhelms⸗Uni⸗ versität beging die Feier des Geburtstags Seiner Majestät des Kaisers und Königs heute in ihrem großen Hörsaale. Der⸗ elben wohnten der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten
r. Bosse, der Unter⸗Staatssekretär D. von Weyrauch, die Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Räthe Dr. Althoff, Nau⸗ mann, Spinola, Regierungs⸗Rath Schmidt und andere hervorragende Personen bei. Die Feier wurde mit Gesang eröffnet, worauf der Professor der Geschichte Dr. Lenz die Festrede hielt. 1 b
Ausgehend von einem Hinblick auf die umbildende Kraft, welche die reformatorischen Ideen in den von ihnen ergriffenen Staaten entwickelt haben, gab der ““ eine Uebersicht über die Lehre Luther's von der politischen Gewalt. Der Reformator knüpft, wie er ausführte, den Begriff der „Obrigkeit“ (die er durchaus persönlich faßt) an den Begriff der Kreatur, der von Gott mit guten Zweckgedanken erfüllten Schöpfung, und stellt ihn auf eine Stufe mit den Begriffen von der Ehe, der Arbeit, dem Besitz und allen irdischen Gütern. Ihre von Gott geordnete Gewalt ist die des Schwertes. Sie dient damit lediglich irdischen Interessen: dem Schutz des Friedens, der Wahrung des Rechts, der Förderung irdischer Wohlfahrt; ihre Funktion ist nur negativ, Noth⸗ wehr gegen die Bosheit und das Elend. Darum ist sie schon vor Gott gerecht: wenn auch ohne sein Wort, ist sie doch nicht ohne seinen Rath, ohne seine „heimliche Ordnung.“ Hieraus leiten sich alle gegenseitigen Rechte und Pflichten der Regenten und der Unterthanen ab. Unbedingter Gehorsam gegen die Obrigkeit als die von Gott gesetzte Ge⸗ walt ist daher Pflicht auch der christlichen Unterthanen. Umgekehrt hat die Obrigkeit an sich keinerlei Verpflichtung gegen die Kirche, unter der Luther hier nur die unsichtbare Kirche versteht, die an Zeit und Stätte nicht gebundene Ge⸗ meinschaft der wahrhaft Gläubigen; sie kann heidnisch sein und ist doch vor Gott gerecht. Ihre Pflicht gegen die Kirche beginnt erst, sobald sie selbst christlich geworden ist, und leitet sich, ohne ihr kreatürliches Recht irgendwie zu tangieren, aus der Pflicht der
ristlichen Liebe her, die sie antreiben muß, den Unterthanen einen Zugang zu Gott zu eröffnen. Aus diesem doppelten Verhalknih erklärt sich in Luther's Sinn das Hartze Verhältniß zu der christgewordenen Obrigkeit, zu jeder kirchlichen Ordnung und der Pflege geistlicher und geistiger Interessen. Mit einem Ueberblick über die Fortwirkung der Luther'’schen Ideen in den späteren Epochen bis zur Gegenwart hin schloß der Redner.
Din Gesang schloß die Feier. 8
Die Königliche Technische Hochschule feierte das Geburtsfest Seiner Majestät mit einem Festakt in ihrer Aula, zu welchem die Einladungen für gestern Abend 6 Uhr ergangen waren. Schon geraume Zeit vorher war der weite prächtige Raum von den Damen und Angehörigen der Professoren und Lehrer und einer großen Zahl von Studierenden dicht gefüllt. Hinter der Rednertribüne erhob sich auf hohem Postament mit dem dunklen grünen Ferrgrunhe von Lorbeerbäumen und Palmen die Büste des
Kaisers, rechts davon das reich gestickte Banner der Hoch⸗
schule. An den Seitenwänden des Saals entlang hatten die Chargierten der studentischen Vereine und Verbindungen mit ihren Fahnen Aufstellung genommen. Als Vertreter des Ministers der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten erschien der Ge⸗ heime Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Wehrenpfennig die Behörden von Charlottenburg waren durch den Polizei⸗Direktor Zehönden Regierungs⸗Rath von Saldern und den Ober⸗Bürgermeister Fritsche repräsentiert. Zu der für den Beginn der Feier fest⸗ gesetzten Zeit bewegte sich der lange Zug der Lehrer der An⸗ stalt in den strahlend erleuchteten Saal, voran der Rektor mit der Amtskette und die Professoren in den ihnen neu ver⸗ liehenen Talaren. Sie nahmen links von der Tribüne Platz, während die anderen Dozenten und Lehrer zur Rechten, sich niederließen. Ein Sängerchor, welcher in der der Tribüne gegenüber belegenen Loge Aufstellung genommen hatte, leitete die Feier mit einer von A. Dregert komponierten Hymne „Hör’ uns, o Gott, Herr der Welt!“ ein. Dann nahm der Rektor der Hochschule, Gehẽime Regierungs⸗Rath, Professor Rietschel das Wort zu der Festrede „über den gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen und praktischen Wohnungshygiene, insoweit sie in Beziehung zur Luft steht“. (Den Wortlaut dieser Rede veröffentlichen wir in der Ersten Bei⸗ lage.) In das von dem Redner am Schluß ausgebrachte dreimalige Hoch auf Seine Majestät den Kaiser stimmte die Festversammlung begeistert ei Mit dem Choral „Lobe den
Herrn!“ schloß die Feier. 8 u“
Die Königliche Landwirthschaftliche Hochschule feierte den Geburtstag Seiner Majestät am Vorabend, Freitag, in der Aula der Hogschul⸗ die eine prächtige Ausschmückung mit der Büste des Kaisers, den Bannern der akademischen Korpora⸗ tionen und lebenden Pflanzen erhalten hatte. Die Chargierten der vier Verbindungen an der Hochschule in Wichs umgaben die Rednerbühne im Halbkreis.
Die Feier begann um 6 Uhr mit einem Gesange von Mitgliedern des Opernchors „Gott grüße Euch“ von Abt. Hierauf bestieg der Rektor, Professor Dr. Werner die Redner⸗ bühne und gab nach einer der Würde der Feier entsprechenden Einleitung einen Rückblick auf die Entwickelung der Hochschule, über welche nur sehr Erfreuliches zu berichten war, und schloß seinen Bericht mit dem Wunsch, daß die Landwirthschaftliche Fecfsehnbe auch fernerhin unter dem starken Schutz Seiner
kajestät des Kaisers und Königs sich kräftig weiter entwickeln möge. . Hierauf ertönte das herrliche Lied „Das treue, deutsche Herz“ von Otto, und bestieg Professor Dr. Fleischer die Tri⸗ büne, um die eigentliche Festrede „Ueber die Kolonisation der nordwestdeutschen Hochmoore“ zu halten. Er führte darin ungefähr Folgendes aus:
Mitt berechtigtem Stolz blicken wir auf die kriegerischen Heldenthaten unserer Herrscher, aber der Schwerpunkt ihres segens⸗ reichen Wirkens liegt nicht sowohl in dem Glanz ihres Waffenruhms, als vielmehr in der stillen, pflichtgetreuen, weitsichtigen friedlichen Arbeit, durch die unsere Kurfürsten und Könige keine Staatsaufgabe mehr als die Landeskultur gefördert haben. .
Ihre Thaten auf diesem Gebiet bilden seit den Tagen des Großen Kurfürsten eine fast ununterbrochene Kette von friedlichen Eroberungen im eigenen Lande, und es heißt den Traditionen seiner großen Vor⸗ fahren gerecht werden, wenn man zur Feier des Geburtstags unseres Kaisers ein Werk bespricht, das, wenn es gelingen sollte, gleichfalls eine friedliche Eroberung im eigenen Lande bedeuten wird: die Be⸗ siedelung der großen nordwestdeutschen Hochmoore.
Versuche, auf diesen gewaltigen, einen Flächenraum von annähernd 120 Quadratmeilen bedeckenden Oedländereien menschliche Wohnstätten zu schaffen, sind mit den verschiedensten Erfolgen bereits seit der Mitte des 17. Jahrhunderts gemacht worden. Ihre Geschichte giebt werth⸗ volle Aufschlüsse über die Faktoren, welche für das Gelingen der Kolonisation auf diesem von Natur spröden, aber bei richtiger Behand⸗ lung sehr kulturfähigen Boden ausschlaggebend sind. Daß trotz des glücklichen Gedeihens einer großen Anzahl unter günstigen Be⸗ dingungen begründeten Ansiedelungen seit dem Anfang dieses Jahr⸗ hunderts die Kolonisationsthätigkeit auf den Hochmvoren ins Stocken gerieth, ist im wesentlichen der Einführung eines Moorkulturver⸗ fahrens zuzuschreiben, das zuerst eine bequeme und ergiebige Ausnutzung des Moorbodens in Aussicht stellte, durch seine verhängnißvollen Folgen. aber wie kaum ein anderes Ereigniß die Besiedelungsbestrebungen in Mißkredit gebracht hat. Das war das Moorbrennen mit nachfol⸗ gendem Buchweizenbau.
Den Anregungen des unlängst verstorbenen Unter⸗Staatssekretärs von Marcard ist es vornehmlich zu danken, wenn man in den siebziger Jahren wieder auf den richtigen Weg zurückkehrte und große Moorflächen durch Schiffahrtskanäle gleichzeitig einer rationellen land⸗ wirthschaftlichen Kultur und industriellen Verwerthung erschloß. Die Aufgaben, welche eine aussichtsvolle Wiederaufnahme der Kolonisations⸗ bestrebungen nicht bloß an die administrative, sondern, wie sich immer deutlicher herausstellte, auch an die technische und wiseenschaftliche Thätigkeit stellte, waren so mannigfaltiger Art, daß nur eine mit wissenschaftlichen und technischen Hilfsmitteln und mit einem gewissen Einfluß auf die Gestaltung des Moorwesens ausgestattete Zentralstelle eine glückliche 58 versprach. Diese Erwägungen veranlaßten im Jahre 1876 die Begründung der Zentral⸗Moorkommission, die im folgenden Jahre als ihr wissenschaftlich⸗technisches Organ die Moor⸗ Versuchsstation in Bremen ins Leben rief.
Ihre Arbeiten haben die technische Grundlage gelegt, worauf die neueren Hochmoor⸗Besiedelungsbestrebungen mit Aussicht auf Erfol⸗ weiter zu bauen hoffen. In staatsmännischer Würdigung der dur die Kanalbauten in den hannoverschen Hochmooren neu erwachsenen Aufgaben hat sich zuerst die hannoversche Provinzialverwaltung ent⸗ schlossen, in dem größten zusammenhängenden Hochmoorkomplex, dem Bourtanger Moor links der Ems, eine größere Fläche veeee und auf Grund der neueren Erfahrungen in der Moorkultur zu besiedeln. Ihrem Vorgang ist die preußische Staatsregierung in dem großen vom Ems⸗Jade⸗Kanal erschlossenen Miseder Moor nachgefolgt. Beide Kolonien zeigen bis jetzt freudiges Gedeihen.
Viele Fragen auf dem so eigenartigen Gebiete der Hochmoor⸗ kultur und ⸗Besiedelung harren noch einer Lösung, die sie nur bei ein⸗ trächtigem Zusammenwirken von Verwaltungskunst, Landwirthschafts⸗ technik und Wissenschaft finden können. Aber die bisherigen Erfah⸗ rungen lassen doch mit einem gewissen Vertrauen auf die fernere Entwicklung des großen Werkes blicken. Gestärkt wird dasselbe durch die mächtigen Fortschritte, die bisher Landwirthschaftstechnik und Wissenschaft gemacht haben, durch die bewährte Tüchtigkeit der Volks⸗ stämme, in deren Mitte das Besiedelungswerk sich vollzieht, durch das Wohlwollen der leitenden Behörden und durch die Sachkunde und Schaffensfreudigkeit der mit seiner Leitung betrauten Beamten. Unnd wenn sich durch die Regententhätigkeit unserer Landesfürsten seit Friedrich Wilhelm I. wie ein rother Faden das Streben hindurch⸗
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