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Weise der Reichstag diese Vertheilung der Lasten zwischen Reich und Einzelstaaten vorgenommen, aber die Einzelstaaten müssen sich darein finden, sie können sich darein auch finden, weil sie wenigstens wissen, was sie zu leisten haben. Sie müssen danach ihre Steuern einrichten, ihre übrigen Ausgaben beschränken, ihre eigenen Kulturaufgaben viel⸗ leicht zurückstellen, sie sind vielleicht nicht mehr in der Lage, die Ad⸗ ministration, die Justiz, Kirche und Schule, Landesmeliorationen ordnungsmäßig zu versorgen; aber sie haben einmal die Last, sie können sich in ihrem Finanzwesen danach einrichten.
Jetzt sehen Sie sich die Denkschrift an — ich will die Zahlen nicht wiederholen —, wo in 5, 6 Jahren von 5 Millionen Mehr⸗ überweisungen die Sache auf 33 Millionen Mehrzahlungen schwankt. Wie wollen bei einem solchen Zustand die einzelnen Staaten über⸗ haupt eine geordnete Finanzverwaltung führen? Das kann nicht irgend jemand behaupten, der nur ein leises laienhaftes Verständniß von einer Finanzverwaltung hat! Und, wie ist denn auch die Stimmung in Deutschland? Ich behaupte, sie auch beurtheilen zu können. Das allgemeine Gefühl in ganz Deutschland geht dahin: so kann der Zustand und darf er auf die Dauer nicht weiter bestehen. (Sehr richtig! rechts und aus der Mitte.)
Wir vertreten in der Beziehung die öffentliche Meinung, und warten Sie nur ab, wenn die Konsequenzen erst mehr und mehr empfunden werden, wenn man in den Einzelstaaten mit sich zu Rathe gehen muß, wie können wir die vom Reich uns überwiesenen Lasten decken, wenn man die Folgen fühlt in der steigenden Besteuerung der Einzelstaaten, dann wird diese Stimmung noch viel lebendiger werden. Die verbündeten Regierungen haben sich gewiß gesagt, es ist zweifel⸗ haft, ob dieser Versuch einer grundsätzlichen Regelung unseres deutschen Finanzwesens — denn ich behaupte, wir sind bis jetzt noch immer in einem Provisorium gewesen — in dem Leben von der Hand in den Mund ohne dauernde organische Zustände, die zur Vollendung des Reichs gehören, in der gegenwärtigen Zeit ge⸗ lingen werde. Aber sie waren sich darüber klar, daß sie ihre Pflichten gegen die Einzelstaaten sowohl wie gegen das Reich versäumen würden, wenn sie nicht ihrerseits auf die schweren Schäden, die gegenwärtig in
unserm Finanzwesen herrschen, hinwiesen, den Finger auf die Wunde legten und einen Weg zeigten, den man gehen kann, um zum Ziele zu gelangen. Nun, die verbündeten Regierungen haben ihre Pflicht erfüllt, sie können nicht verhindern, daß Sie diese Vorlage ablehnen, sie müssen sich dabei beruhigen, sie tragen dann aber wenigstens nicht die Verantwortlichkeit, und wir wollen warten, ob, wenn die Vorlage heute abgelehnt wird, sie damit, wie Herr Rickert meint, für immer todt ist. Sie wird wieder auftreten, schließlich zur Annahme gelangen müssen, weil sie eine politische und finanzielle Nothwendigkeit ist.
Meine Herren, gewiß, diese Vorlage ist von grundlegender Be⸗ deutung, aber sie ist nicht willkürlich ersonnen, sie hat nichts Künst⸗ liches an sich, sie ist kein Automat, sondern sie ist die organische Weiter⸗
entwickelung unseres Reichsrechts, wie man sie sich von vornherein gedacht hatte bei Abschluß der Reichsverfassung, bei der Bildung des Deutschen Reichs, in scharfer Weise dem Gedanken nahe getreten war im Jahre 1879/80 in der Franckenstein'schen Klausel, und nun diese Erfahrungen, die man bis dahin gemacht hat, benutzt werden, um diese Frage definitiv zum Abschluß zu bringen. Nun komme ich auf einige Einzelheiten. Ich habe schon gesagt, daß von dem entscheidenden Interesse der verbündeten Regierungen aus, vom Standpunkt der Erreichung des eigentlichen materiellen Zieles beurtheilt, welches wir verfolgen, die Form dieser Auseinander⸗ setzung gegen das Wesen zurücktritt. Wenn im Reichstage in dieser Beziehung andere Formen vorgeschlagen würden — ich habe ja selbst zwei genannt — nun, wir werden ja darüber sprechen. Nach dem Schein baschen wir nicht, um Formen kümmern wir uns nicht; wenn wir das Wesen der Sache erreichen, werden Sie uns in dieser Be⸗ ziehung sehr entgegenkommend finden.
Meine Herren, ich habe schon angedeutet, daß die Höhe einer Ueberweisungssumme über die Matrikularumlagen hinaus nicht noth⸗ wendig durch das Wesen der Sache geboten ist, dasselbe liegt in der ganzen Reform. Ich will das mit zwei Worten noch näher erklären. Ich könnte mir denken, wenn man im Jahre 1879/80 oder später bei der Erhöhung der Reichseinnahmen durch die Reichs⸗Stempelabgabengesetze und die Branntweinsteuer⸗ gesetze verzichtet hätte auf irgend welche Mehrüberweisung an die Einzelstaaten und einfach eine Balance hergestellt hätte: das Reich
soll für sich sorgen, es hat an die Einzelstaaten nichts weiter zu geben, die Einzelstaaten haben ihre Ausgaben durch ihre eigenen Ein⸗ nahmen zu bestreiten —, daß das vielleicht rationell gewesen wäre, das bestreite ich nicht. Das ist aber eine theoretische Frage, worüber man streiten kann. Vielleicht wären dann die indirekten Ein⸗ nahmen in der beschlossenen Höhe garnicht grade erforderlich gewesen, und vielleicht wäre dann die Stellung der Einzelstaaten zum Reich stärker und kräftiger geworden, als es jetzt der Fall ist. Aber was nützt es für den praktischen Politiker, für den praktischen Finanzmann, solche retrospectiven Betrachtungen anzustellen! Was können wir damit machen! Es hieß damals: das Reich soll den Einzelstaaten bestimmte Summen überweisen, damit die Einzelstaaten in die Lage kommen, drückende Steuern aufzuheben, Verbände zu dotieren u. s. w. Davon haben überwiegend alle Einzelstaaten wirklich Gebrauch ge⸗ macht. Sie waren dazu in gutgläubiger Weise durchaus berechtigt, denn die verbündeten Regierungen und der Reichstag hatten gerade von diesem Gesichtspunkt aus die großen Einnahmen bewilligt; zu dem Zweck war ja die Franckenstein'sche Klausel erfunden worden. Nun sind diese Ausgaben in den Einzelstaaten gemacht; in ein⸗ zelnen Staaten ist eine Reihe sehr bedeutender Einnahmen drückender Art, wie namentlich in Preußen über 36 Mil⸗ lionen, preis gegeben. Heute steht die Frage für einen praktischen Politiker doch ganz anders. Was nützt mir da noch die Theorie! Heute bringen Sie, wenn Sie die Ueberweisungen über⸗ haupt streichen oder zu kurz bemessen, die Einzelstaaten schon dadurch allein in die allerschwierigste Lage.
Wie ist denn die Entwickelung nun gegangen? Im Anfang stiegen die Ueberweisungen immer höher und immer rascher, aber seit dem Jahre 1889/90 gingen sie rapid herunter, und endlich ist von den Ueberweisungen nichts mehr geblieben. Es sind durch die Mehrausgaben im Reich alle Miittel dazu verschwunden; ja, das Reich ist nicht mehr existenz⸗ fähig aus seinen eigenen Kräften, es muß schon wieder auf mehr
ikularbei
zu bringen — obwohl dies alles richtig ist, hat zwar in einer falschen
Diese historische Thatsache können Sie doch nicht ignorieren, Sie leben doch in einer praktischen Welt und nicht in einer Welt der Theorie. Die thatsächlichen Bedürfnisse sind vorhanden, die Zustände haben sich aber geändert infolge der Vorgänge in dem Reich und in den Einzelstaaten; es sind dadurch eine Reihe Verpflichtungen und Verbindlichkeiten aller Art entstanden. Der Reichstag ver⸗ tritt zwar formell nur das Reich, aber der Reichs⸗ tag weiß es doch so gut wie ich, daß das Gedeihen und die Wohlfahrt des Reichs doch ausschließlich beruht auf der Wohlfahrt der Einzel⸗ staaten. Das Reich und die Vertretung des Reichs kann die Lage der Einzelstaaten nicht einfach ignorieren, denn das Reich würde ja niemals sein, wenn das Reich in dauernden Gegensatz zu den Einzelstaaten geriethe.
Nun, meine Herren, liegt nicht in den heutigen Finanzzuständen die Gefahr der Entstehung solcher Gegensätze, laufen die Interessen nicht immer mehr auseinander, wenn die Einzelstaaten nur leisten, aber doch nicht unmittelbar, fühlbar, sondern mehr ideale Güter zurückerlangen? wenn die deutsche Bevölkerung mehr und mehr die Last fühlt und nicht den Segen, den das Reich verursacht? Und um⸗ gekehrt: diese Rückwirkung auf die ganze Stellung des Reichs zu den einzelnen Staaten wird ja nun noch bedenklicher, wenn eine finanzielle Grundlage im Reich perpetuiert wird, die noth⸗ wendig die Erschließung neuer Ausgaben erleichtern muß, wo also in Sorge die Finanzverwaltung und die Vertretungs⸗ körper der einzelnen Staaten nach Berlin sehen, was nun wohl aus ihren Finanzen wird, wenn der Reichstag seinen Etat aufgestellt hat; wo alle Bemühungen in den Einzelstaaten, mit Zurückhaltung und Vorsicht in Pfennigen zu sparen, zerfließen können durch die Zuschüsse zum Reich, wo in Thalern herausgegeben wird!
Ja, meine Herren, Sie sagen: das werden wir schon verhindern, daß die Neigung zu leichtsinnigen Ausgaben nicht überhand nimmt. Bis auf eine gewisse Grenze, gewiß! Aber ich bleibe dabei stehen: in guten Zeiten, mit starken Zuflüssen und Mitteln giebt man natur⸗ gemäß mehr aus, und wenn man immer Mittel zur Hand hat, dann ist man immer mehr geneigt, auszugeben. (Bewegung.)
Es sind Bedenken erhoben: wir verlangten hier Steuern auf Vorrath. Das kann nur möglich sein, wenn man die Vorlage sich nicht genau ansieht; denn diese Vorlage bestimmt nur Mehreinnahmen, die zur Deckung von Ausgaben des Reichs erforderlich sind. Zuerst soll der Ausgleichungsfonds gebildet werden, nachdem bereits vorher das Reich eine Schuld von 40 Millionen an die Einzelstaaten ab⸗ geführt hat. Ist der Ausgleichungsfonds gefüllt, so bestimmt das Gesetz: Schuldentilgung. Was bleibt da übrig von Steuern auf Vorrath? Nach dieser Richtung ist ja so scharf gesorgt, daß ich schon ausgesprochen habe, daß gerade die großen Reichsverwaltungen ihrer⸗ seits vielleicht Bedenken haben konnten; denn die Leichtigkeit, noth⸗ wendige und nützliche Ausgaben zu erreichen, wird gewiß ver⸗ mindert sein.
Man verlangt bewegliche Steuern! Was sollen das für beweg⸗ liche Steuern sein? Sollen alle Zölle und alle Verbrauchsabgaben, die schon jetzt gesetzlich feststehen, auf welche dauernde und sichere Aus⸗ gaben basiert sind, beweglich werden? Es ist ja früher einmal im Reichstag der Versuch gemacht worden, gewisse Zölle beweglich zu machen, aber man hat allgemein gefunden, daß das undurchführbar sei. In England selbst wird auch von der Befugniß, den Theezoll zu erhöhen, kein Gebrauch gemacht; sie steht im wesentlichen auf dem Papier. Direkte Steuern aber einzuführen, ist zur Zeit, wenigstens in übersehbarer Zeit unausführbar und kann nach meiner Ueberzeugung überhaupt jemals nur ausführbar werden, wenn alle Einzelstaaten die gleiche Form der Einkommensteuer hätten, und die Reichs⸗Einkommen⸗ steuer in Form der Zuschläge zu den Steuern der Einzel⸗ staaten erhoben würde. Das geht also auch nicht. Dies ganze Programm sieht zwar sehr wohlwollend aus, ist aber nichts weiter als ein verbrämtes Nein, d. h. als die Erklärung: wir wollen alles beim alten lassen.
Man hat eingewandt: durch die Zulassung in § 5 der Vorlage, nach welcher auf kurze Zeit, sei es in Form von Zuschlägen, sei es in anderer Form, einzelne besondere Verbrauchsabgaben erhöht, bezw. dann auch wieder herabgesetzt werden können, also ein beweg⸗ licher Faktor in die Sache gebracht wird, würde ausgesprochen, daß in Zukunft jedes Mehrbedürfniß des Reichs nur gedeckt werden dürfe durch Vermehrung der Verbrauchssteuern. Nichts von dem ist richtig, der § 5 hat nur die eine Bedeutung, daß die verbündeten Regierungen ihrerseits erklären: wir haben grundsätzlich kein Bedenken, solche beweglichen Zuschläge zuzulassen, natürlich wenn andere Einnahmequellen nicht vorhanden sind oder nicht erschlossen werden. Jede andere Form der Einnahmevermehrung bleibt daneben natürlich möglich. Es ist ja nur eine Möglichkeit, eine Zu⸗ lassung, aber kein Gebot. Selbst der Herr Abg. Rickert könnte sich doch trösten; denn sein Wunsch, zu einer direkten Reichs⸗Einkommen⸗ steuer oder einer Erbschaftssteuer zu gelangen, wird hierdurch nicht im entferntesten berührt; er kann das nachher ebenso gut wie vorher, oder nachher ebenso wenig wie jetzt.
Meine Herren, wenn Sie nur die Militärvorlage decken wollen durch neue Einnahmen, worauf ich noch immer hoffe, weil das die Redner der maßgebenden Parteien noch nicht abgelehnt haben, dann wird gegenwärtig nach meiner persönlichen Auffassung die Reichs⸗ Steuerreform schwerlich möglich sein. Dagegen glaube ich nicht, daß die Stellung der verbündeten Regierungen, die ich im übrigen nicht kenne — ich kann da nur meine Meinung aussprechen —, sich dahin fixieren wird, daß diese Reichs⸗Steuerreform nur dann möglich ist, wenn unbedingt gerade 40 Millionen an die Einzelstaaten überwiesen würden; denn die Sicherung, die für die zukünftige Entwickelung ihres Finanzwesens durch diese Vorlage gegeben ist, fällt doch vielleicht für die verbündeten Regierungen so bedeutsam ins Gegwicht, daß sie darauf einen höheren Werth legen als auf eine bestimmte Ueberweisungssumme. Ich sage auch hier: schiedlich, friedlich. Es muß die Auseinandersetzung stattfinden, wenn nicht heute, so morgen. Die Vorlage wird wiederkommen, darüber ist gar kein Zweifel, und ich sehe die Zeit schon kommen, wo der Reichstag selber sie verlangen wird (Oho! links; sehr richtig! rechts), — selbst sie verlangen müßte.
Meine Herren, eine gute Gelegenheit nicht zu benutzen, wo die sämmtlichen verbündeten Regierungen Deutschlands in einer so wichtigen Frage einig sind, wo es sich nicht um die Erfindung eines einzelnen Ministers handelt, sondern um ein Gesetz, welches auf einer nur zu klaren Erfahrung ruht — ein Gesetz, welches noch größere Uebelstände, als sie heute schon vorhanden sind, für die Zukunft abschneidet, nicht
„Medusa“ ist,
zu votieren, es selbst auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben, ist eine
verantwortliche Sache auch für Sie. Ich spreche die Hoffnung aus, daß Ihre Beschlüsse unser Vaterland, das Reich und die Einzelstaaten vor Schaden behüten mögen. (Lebhafter Beifall rechts und bei den Nationalliberalen.)
Abg. Graf Limburg⸗Stirum (dkons.): Ich habe selten ein Gesetz gesehen, dessen Grundlage politisch so bedeutsam und so richtig ist wie dieses. Wenn zwischen den Ueberweisungen der einzelnen Jahre sich so gewaltige Schwankungen herausstellen, dann muß eine Aenderung ae hasen werden; das liegt auf der Hand. Die Franckenstein'sche Klausel hatte zwei Zwecke: den finanziellen, den
inzelstaaten Gelder zu verschaffen, und den politischen, den föderativen Charakter des Reichs zu wahren. Werden beide Zwecke nog aufrecht erhalten unter den gegenwärtigen Umständen? Das ist nicht der Fall. Deshalb müssen neue Methoden geschaffen werden, um die Franckenstein'sche Klausel wieder zur Geltung zu bringen. Das Reich hat sich die besten Einnahmequellen, die indirekten Steuern, allein vorbehalten. Deshalb muß ein Weg escht werden, um die Einzelstaaten an den indirekten Steuern theilnehmen zu lassen. Denn es ist jetzt so weit, daß die direkten Steuern im Verhältniß zu den meisten andern Staaten bei uns höher sind als die indirekten. Die Sozialdemokraten und die Liberalen haben die Tendenz, die progressive Einkommensteuer auch im Reich herbei⸗ zuführen; deshalb drängen sie dem Einheitsstaat zu und wollen die Matrikularbeiträge beseitigen. Wenn diese aber stets wachsen, dann wird sich die Tendenz entwickeln, vom Reich loszukommen. Wenn die Vorlage angenommen wird, dann ist der Reichstag in die Noth⸗ wendigkeit versetzt, sein Defizit in den laufenden Einnahmen durch Anleihen zu decken. Das ist bisher nicht der Fall. Das wird ein Kompelle zur Sparsamkeit sein. Im Reich hat sich eine freigebige Wirthschaft entwickelt; dieser Vorwurf richtet sich nicht gegen die gegenwärtige Leitung, er richtet sich überhaupt nicht gegen Personen, sondern gegen die Organisation. Der Reichs⸗Schatzsekretär kann nicht durch ein Veto die Vermehrung der Ausgaben hindern; der Chef aller Ressorts ist der Reichskanzler; der Reichs⸗Schatzsekretär ist sein Untergebener und der Gleichgeordnete aller anderen Ressortvertreter. Und wie arbeiten diese Ressorts! Die Post hat einen nominellen Ueberschuß von 16 Millionen, aber eine virtuelle Unterbilanz, denn 23 Millionen allein würden die Leistungen ausmachen, welche die preußischen Staatsbahnen unentgeltlich gewähren müssen. Das mögen die anderen Einzelstaaten sich auch einmal überlegen bezüglich ihrer Eisenbahnen. Die Ressorts der Marine und des Militärs und des Auswärtigen Amts sind auch unabhängig von der inanzverwaltung. Ich hätte gern einmal eine Frage erörtert: m Auswärtigen Amt werden die Ersparnisse durch Vakanzen u. s. w. am Schlusse des Jahres als Gratifikationen vertheilt. (Zuruf des Abg. Richter: Das geschieht leider überall!) Das ist nicht der Fall. Der Reichs⸗Finanz⸗Minister ist verfassungsrechtlich nicht zulässig. Denn entweder müßte der Finanz⸗Minister unter dem Reichskanzler stehen, dann ist es dasselbe wie jetzt; oder er würde ihm IS sein, und dann würde der Kampf darum entstehen, wer der Stärkere ist. Die Budgetkommission und die Parlamente sind un⸗ fäbig. eine wirksame Finanzkontrole zu erlangen. Denn nachdem die Ressorts sich unter sich geeinigt haben, stehen sie nach außen hin geschlossen da. Wir können nicht prüfen, ob neue Beamten⸗ stellen nothwendig sind, ob Bauten nothwendig oder aufschiebbar sind u. s. w. Wir können also das Vetorecht der Finanzverwaltung nicht ersetzen und müssen dafür einen anderen Ausweg suchen. bin der Meinung, daß die einzelnen Finanz im Bundesrathe wohl die Kontrole üben könnten, aber diese Herren haben es bisher nicht für angezeigt gehalten, im Bundesrath eine solche Thätigkeit auszuüben. Die Etats beschäftigen den Bundesrath auch nur eine so kurze Zeit, daß eine gründliche Kritik kaum geübt werden kann. Wenn die Balancierung der Einnahme und Ausgabe nicht durch die Umlagen, sondern nur durch Anleihen erfolgen kann, so wird dadurch die Finanzverwaltung besser gestärkt. Die Sache könnte gelöst werden dadurch, daß der Reichskanzler seine ganze Autorität dem Reichs⸗Schatzsekretär zur Ver⸗ fügung stellen wollte. Deshalb sind wir durchaus für diese Vorlage. Ich fürchte, Sie werden sie ablehnen; denn ihre Annahme würde die Annahme der anderen Steuervorlagen nothwendig machen. Aber ich bin fest überzeugt von der politischen Einsicht, die früher unter Ihnen im Zentrum vorhanden war, die hoffentlich durch Todes fälle nicht verloren gegangen ist, daß diese Vorlage nothwendig ist. Wir werden uns nicht hindern lassen, die Vorlage, wenn sie wiederkommt, zu untersuchen. Eine gute Sache kämpft sich von selbst durch.
Um 4 ¾ Uhr wird die weitere Berathung bis Dienstag
1 Uhr vertagt.
Unter einer geheimen oder staatsfeindlichen Verbin⸗ dung im Sinne der §§ 128, 129 des Strafgesetzbuchs ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Strafsenats, vom 17. Oktober 1893, eine gewisse Organisation und eine Vereinigung auf längere Dauer als Gegensatz des bloß zeitweiligen Zusammen⸗ tretens Mehrerer zu verstehen. Die Theilnahme an einer solchen Verbindung ist nur an den Mitgliedern, Stiftern und Vor⸗ stehern zu bestrafen, nicht aber an sonstigen Personen, welche ohne eine Unterordnung ihres Willens unter denjenigen der Verbindung nur vorübergehend einmal oder vereinzelte Male für die Tendenz der Verbindung sich interessiren, beispielsweise durch Beziehen von Druckschriften der Verbindung und Vertheilen einzelner derselben an Gesinnungsgenossen.
— Wilde Kaninchen sind, nach einem Urtheil des Reichs⸗ erichts, III. Strafsenats, vom 19. Oktober 1893, in Preußen über⸗ süan keine jagdbaren Thiere, und das Jagen derselben oder das Nachstellen durch Schlingen ꝛc. ist nicht als Jagdvergehen (§§ 292, 293 Str.⸗G.⸗B.) zu bestrafen. Durch das Preuß⸗ Wildschadensgesetz vom 11. Juli 1891 aber bzw. durch die auf Grund desselben erlassenen Polizei⸗Verordnungen ist es verboten bezw. unter Strafe gestellt, den wilden Kaninchen mit Schlingen nachzustellen.
Verdingungen im Auslande.
Egypten. . 8 18
11 nshen . 88 8 get. es emaͤgsn. 1von 8öö 8 “ und e. 10 “ ve es ches Basas h Vertragsbedingungen und Lastenheft beim Ministerium des
Innern einzusehen. 1 1 Näheres in englischer und französischer Sprache beim „Reichs⸗
Anzeiger.“ 9.
Verkehrs⸗Anstalten. 29. uar. (W. T. B.) 1 85 naer hhspel kommend, gestern früh hier ein⸗
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Triest,
Der Lloyd⸗Dampfer
werden.
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preu
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fischen
Berlin, Dienstag, den 30. Januar
2 26.
Sttatistik und Volkswirthschaft.
Unfallversicherung. 1 8
Mitglieder der gewerblichen Berufsgenossen⸗ s Fasten haben in Gemäßheit des § 71 des Unfallversicherungs⸗ ge etzes vom 6. Juli 1884 den Vorständen ihrer Genossenschaften innen sechs Wochen nach Ablauf des Rechnungsjahres zum Zwecke der Vertheilung der Gesammtumlage eine Nachweisung über die im verflossenen Jaßre beschäftigten versicherungspflichtigen Personen und die von denselben verdienten Löhne und Gehälter einzureichen. Für Mitglieder, welche mit der Einsendung einer solchen Nachweisung im Rückstand bleiben, erfolgt die Feststellung der Löhne durch die zu⸗ hae Organe ihrer Genossenschaft. Außerdem können derartige äumige Mitglieder gemäß § 104 a. a. O. mit einer Ordnungsstrafe bis zu 300 ℳ belegt werden. Es sei deshalb hierdurch an die Ein⸗ vee der betreffenden Lohnnachweisungen erinnert und auf die Folgen der etwaigen Versäumniß “
8 Verein für Armenpflege und Wohlthätigkeit. — Die Ausschußsitzung des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohlthätigkeit, wel⸗ he zur Vorbereitung der nächsten Seae lung stattfindet, ist für dieses Jahr auf den 12. Februar Morgens 10 Uhr, nach dem Hôtel du Nord, Unter den Linden in Berlin, einberufen. Für eine der kommenden Jahresversammlungen stehen noch von früher her auf dem Wunschzettel des Vereins: 1) Die Armenunterstützung in ihrer Wirkung auf das Wahlrecht und 2) die Fürsorge für das Alter zwischen 14 und 20 Jahren. An weiteren Gegenständen, deren Ver⸗ handlung für die nächste Jahresversammlung vorgeschlagen ist und be⸗ züglich deren in der Aasschugssgnng Entscheidung zu treffen sein wird, 88. hier zu nennen: die Mitwirkung besoldeter Beamten in der lrmenpflege, die Noth tandsarbeiten in großen Städten, die Orga⸗ nisation des Arbeitsnachweises, die Schaffung größerer Uebersichtlichkeit und Planmäßigkeit in der lokalen und provinziellen Privatwohl⸗ thätigkeit, Grundsätze über Art und Höhe der Unterstützungen, Grund⸗ ätze über die Heranziehung von Angehörigen der Unterstützten, dioten⸗Anstalten. .““
8
Jugend⸗ und Volksspiele. “ Zur Vorberathung des I. deutschen Kongresse für Jugend⸗ und Volksspiele, der am 3. und 4. Februar in Berlin stattfinden wird, trat am Sonntag Mittag im use der Abgeordneten eine Konferenz zusammen, an welcher die Vorsitzen⸗ den bezw. Abgesandten der Berliner Turnerschaft, urngemeinde und Turngenossenschaft, des Turnraths, des Turnkreises III b, der Turn⸗ vereinigung Berliner Lehrer, des Turnlehrer⸗Vereins der Mark Brandenburg, des Berliner Turnlehrer⸗Vereins, des Verbandes nicht farbentragender Turnvereine, des Deutschen Fußball⸗ und Kricket⸗Bundes, sowie die Herren Professoren Dr. Anger⸗ stein und Eckler, die Schulräthe Dr. Euler, Küppers und Mühl⸗ mann und andere Herren theil nahmen. Der Vorsitzende des Zentral⸗ Ausschusses für Jugend⸗ zund Volksspiele, Abg. von Schenckendorff, dankte zunä⸗ st den zahlreichen Berliner Turn⸗ und sportlichen Kreisen für ihre bisherige Mitwirkung zu dem Kongreß. Sodann erstattete der Genannte Bericht über die erfolgten Einladungen und die bis jetzt ein⸗ gegangenen Anmeldungen, indem er das außerordentlich rege nteresse hervorhob, das sich in allen Theilen Deutschlands für diesen Kongreß kund⸗ ebe. Vertreten werden sein das Reichsamt des Innern, das preußische inisterium des Innern, die Kultus⸗Ministerien Hresgas Württem⸗ bergs, Braunschweigs und Anhalts, die General⸗Inspektion des Militär⸗Erziehungswesens und die Senate von Hamburg und Bremen. Besonders zahlreich ist die Anmeldung der tädte, die mehrfach durch ihre Ersten Bürgermeister vertreten sein werden, wie Breslau, Masdeburg, Altona, Dresden, Posen, Kiel, Danzig, Hannover, Halle a. S., Königsberg i. Pr., Potsdam u. v. a. Ebenso g vielfache Vereine angemeldet. Theilnehmen können an dem Kongreß alle diejenigen, welche für diese volks⸗ hygienischen Bestrebungen Interesse haben; insbesondere werden die Jugenderzieher und „Erzieherinnen, die ärztlichen Kreise und die Freunde gesundheitlicher Uebungen willkommen sein. Die roßen Berliner urnvereine ꝛec. werden neben den Versammlungen Spiele S Das Programm des Kongresses ist folgendermaßen entworfen:
Sonnabend, den 3. Februar, 3 Uhr Nachmittags: Vorführung von Spielen des Akademischen Turnvereins in Schönholz; Abfahrt 2,30 vom Stettiner Bahnhof; zu der gleichen Zeit, 3 Uhr Nachmittags, auf dem Tempelhofer Felde von der Berliner Turngemeinde. Abends 6 Uhr Versammlung im großen Saale des Hotels „Zu den vier Jahreszeiten“, Prinz Albrechtstraße 9, mit dem Vortrage „Die Noth⸗ wendigkeit und die Pflsge der Jugendspiele für Mädchen“ von Turn⸗ Inspektor Hermann⸗Braunschweig. Abends 9 Uhr Turnen und Spielen der Lehrlingsabtheilung der Berliner Turnerschaft Prizen⸗ straße 70 und um die gleiche Zeit Wettschwimmen des Berliner Serhntterbiandes in der ftcdtisches Badeanstalt Thurmstraße 85 a in
oabit.
Sonntag, den 4. Februar, Vormittags 9 Uhr: Vorführung von Spielen auf dem Tempelhofer Felde von dem deutschen Fußball⸗ und Kricketbunde und von der Berliner Turngenossenschaft; 12 Uhr Mittags: Keng ⸗ im Konzerthause, Leipzigerstraße 48, mit folgender Tagesordnung: Gesangsvortrag der Konzert⸗Vereinigung des König⸗ lichen Domchors; Eröffnungsrede und Begrüßung der Kongreßtheil⸗ nehmer durch den Vorsitzenden des Zentral-⸗Ausschuff es, Abg. von Schencken⸗ dorff⸗Görlitz; Ansprachen von Vertretern staatlicher oder städtischer Behörden; Vortrag: „Die Bedeutung der Jugend⸗ und Volksspiele vom Standpunkt der nationalen Wohlfahrt vom Ober⸗Bürgermeister Witting⸗Posen und Professor Dr. Angerstein⸗Berlin. Schlußwort des Ober⸗Bürgermeisters Bötticher⸗Magdeburg. — Mit dem Kongreß ist von 10 Uhr früh ab in den Nebensälen des Konzerthauses eine Aus⸗ stellung von verbunden. Um 4 Uhr folgt ein Festmahl im Hotel „Zu den vier Jahreszeiten“, wozu Einzeichnungen vorher von der Direktion des Hotels angenommen werden.
Viehseuchen im Großherzogthum Baden im Jahre 1893.
In den „Amtlichen Bekanntmachungen über das Veterinärwesen im Großherzogthum Baden“, herausgegeben vom Ministerium des Innern, werden halbmonatlich Berichte über Stand und ens der Viehseuchen in den einzelnen Gemeinden des Landes veröffentlicht. Die Berichterstattung geschieht seitens der Großherzogl. Bezirks⸗ hierärzte — von denen jeder Amtsbezirk einen, manche größere Bezirke zwei besitzen —, und zwar seit 1885 mittels vorgedruckter Kartenformulare, von denen Nr. I. beim Ausbruch der Seuche aus⸗ efüllt wird; in Nr. II. und III. wird über den Verlauf bezw. fsetgang in kurzen Zwischenräumen, in Nr. IV. über das Er⸗ öschen der Seuche berichtet. Bei Rotz, Milzbrand, Rauschbrand und Räude wird über jeden einzelnen Fall (jedes einzelne Gehöft), bei Maul⸗ und Klauenseuche sowie Bläschenausschlag gemeindeweise ein Kartenbericht eingesandt. Die Karten gelangen direkt an den technischen Referenten für das Veterinärwesen im Ministerium des Innern und von hier an das Großherzogl. statistische Bureau, wo sie textlich und tabellarisch je zu Anfang und in der Mitte des Monats für die Veröffentlichung entziffert und zusammengestellt Auf diese Weise kommen die bezüglichen Verhältnisse in der
denkbar kürzesten Frist zur Kenntniß der betheiligten Kreise und wird s der Zentralstelle oder den nachgeordneten Verwaltungsbehörden er⸗ möglicht, nöthigenfalls schnell und energisch einzugreifen. 1 Kürzlich ih die Jahresübersicht der Viehseuchen für 1893 in jenen „Bekanntmachungen“ veröffentlicht worden, aus welchen wir die ech ö Angaben hierunter zusammenstellen.
Bei Beginn des Jahres 1893-waren im Großherzogthum Baden
verseucht E.e in Amts⸗ e⸗ . bezirken meinden Ställe von Thieren “ 1 1 1 10 Pferde. Milzbrand :. 3 3 3 19 Rinder. Rauschbrand . . . . 2 4 4 IWHv. Maul⸗ und Klauenseuche 24 76 362 1 827 N. 35 Schw., 8 Ziegen. Bläschenausschlag .. 4 6 19 68 Rinder. eö““ 5 8 52 735 Schafe, 1 Pferd. Im Laufe des Jahres verseuchten 1“ 1“ an 8
Fet “ 1 1 Milzbrand.
mit einem Bestande
Ferbe 1 366 Rd., 11 Pferde, 3 Ziegen. 432 Rinder. 6 393 Rd., 72 Schw., 28 Z., 345 Schf.
1 33 99 118
Rauschbrand . . . . 12 32 49 Maul⸗ und Klauenseuche 38 137 953
Bläschenausschlag 1112 83 303 1 474 Rinder. EZ1” 13 23 705 Schafe. Am Schluß des Berichtsjahres blieben verseucht an
vF164“ — Mikbrand . . .. 2 Rauschbrand .. 1 Maul⸗ und Klauenseuche 5
Bläschenausschlag 1 NE6 3 3 8 37 Schafe, 1 Pferd. Während am Anfang des Jahres 1893 hiernach 441 Ställe mit einem Bestande von 11 Pf., 1940 Rd., 35 Schw., 8 Z. und 735 Schf., zusammen 2729 Thieren verseucht waren, blieben am Schlusse des Berichtsjahres nur noch 21 Ställe mit 1 Pf., 113 Rd., und 37 Schf., zusammen mit 151 Thieren verseucht, obwohl der Zugang im Laufe des Jahres ganz erheblich war. Es wurden nämlich verseucht 1447 Ställe mit einem Bestande von 10 836 Thieren, und zwar 18 Pf., 9665 Rd., 72 Schw., 31 Z. und 1050 Schf. Dank dem rastlosen und energischen Einschreiten der betheiligten Beamten und Behörden ist es also gelungen, den allergrößten Theil der am Anfang des Jahres vorhanden und im Laufe desselben hinzugekommenen verseuchten Gemeinden und Ställe und deren Bestände von den Seuchen wieder zu befreien. Im einzelnen ist erloschen: in Amts⸗ in in „ bezirken Gemeinden Ställen
ZZ“ ö““ 2 1A44* 34 Ü*“ʒ 12 Maul⸗ und Klauenseuche . . . . 37 Bläschenausschlag . . . . ... “ 8 C642* 9 18
Auch über die Thiere der betroffenen Bestände finden sich Angaben in unserer Quelle. Von denselben sind
„ um⸗ freiwillig 8 erkrankt gestanden getödtet genesen 0
8 — 1 Pf. — Milzbrand 124 Rd. 114 Rd. 10 Rd. —
verschont geblieben 16 Pf. 1247 Rd. 9 Pf.
E“ Rauschbrand 51 Rd. 46 Rd. 5 RdR. — Maul⸗ und Klauenseuche 6920 Rd. 228 Rd. 45 Rd. 6647 Rd. 1233 Rd
48 Schw. 46 Schw. 385* 3 8 55 Schf. 290 Schf.
ausschlag . 356 R. — — 3356 Rd. 1162 Rd. Räude . 520 Schf. — 94 Schf. 426 Schf. 690 Schf.
Herhscnch getödtet wurde kein Thier und Fälle von esr.448 und Hundswuth sind 1893, wie schon seit Jahren, in Baden nicht vorgekommen.
8 Schw. 11 Schw 2 Schw.
Die französischen Privatsparkassen im Jahre 1892.)
Für die französischen Privatsparkassen ist, wie die „Statist. Corr.“ mittheilt, das Jahr 1892 hinsichtlich der Höhe des Einlagezuwachses das bisher beste gewesen, in dem sich einschließlich der den Einlagen zugeschriebenen Zinsen u. s. w. ein solcher von 1002,03 Millionen Francs ergab. Die Rückzahlungen erreichten die Summe von 827,26 Millionen das Gesammtguthaben wuchs auf 3227,44 Millionen Francs und vertheilte sich auf 6 121 283 Ein⸗ leger, sodaß nahezu auf je sechs Einwohner ein Einleger entfiel. Zieht man in Betra t, daß außerdem noch die französische Postsparkasse 1 973 693 Einleger mit 616,36 Millionen Francs Ein⸗ agen zählte, so ergeben sich hinsichtlich der Einleger⸗ (Bücher⸗) Zahl und der Einlagen für Frankreich im Verhältniß zur Bevölkerung melie Verhältnisse wie in Preußen, wo am 8 des Rechnungs⸗ jahres 1892 bezw. 1892/93 5 940 821 Sparkassenbücher mit 3547,65 Fana Mark an Einlagen nachgewiesen wurden; bezüglich der Finlagen ist sogar Preußen nicht unbeträchtlich voraus. ie sehr eingehende Fennsssch⸗ Sparkassenstatistik giebt u. a. auch über die auf die einzelnen Fttengässen entfallenden Summen und Verwaltungs⸗ überschüsse Aufschluß. Me er als die Hälfte der Bücher überschreitet nicht Fr., wie auch in Preußen die Bücher mit weniger als 150 ℳ fast die Hälfte aller Bücher ausmachten. Etwa ein Fünftel der Bücher bei den französischen Errat. perbissen überstieg die Ein⸗ lagesumme von 1000, etwa ein Zehntel diejenige von 2000 Fr., bei deren Ueberschreitung die Reduktion binnen bestimmter Fristen ge⸗ fordert werden kann. Daß die größeren Einlagen an und für ich keine Gefahr für die Sparkassen bilden, vielmehr nothwendig sein können, um die Verluste bei der Verwaltung der kleineren e s hen bestätigt auch die französische Statistik wieder. Bei den kleinen Einlagen bis zu 20 Fr. waren die Verwaltungskosten mehr als dreißigfach, bei denjenigen von 21 bis 100 Fr. mehr als sechsfach, bei denjenigen von 101 bis 200 Fr. um mehr als doppelt höher als die Erträge. Mehr als die Hälfte der Sparkassenbücher verursachten also den Kassen nur Verluste. Erst bei den Büchern von 201 bis 500 Fr. ergab sich ein kleiner Verwaltungsüberschuß; bei denjenigen von 501 bis 1000 Fr. betrugen die Erträge bereits mehr als das Doppelte, bei denjenigen über 1000 Fr. mehr als das Fünffache der Verwaltungskosten.
Zur Arbeiterbewegung.
In Krefseld wurde am Sonntag ein sozialdemokratischer Parteitag für die Rheinprovinz abgehalten, auf dem der
*) Bulletin de statistique 7et de législation comparée, Décembre 1893. 8 1
„Köln. Z.“ zufolge 65 Vertreter anwesend waren.
Die Kölner Parteigenossen hatten beantragt, daß Feee von Partei⸗ blättern der Begutachtung des Provinzial⸗Agitationscomités unter⸗ liegen. Die Neugründungen von Parteiblätt in letzterer Zeit wurden als⸗ kopslos und das parsä nürese schä⸗ digend bezeichnet. Dem gegenüber sprachen die Vertheidiger solcher Neugründungen von Interessenwirthschaft, Egoismus u. s. w. Der Antrag der Kölner wurde aber schließlich angenommen. Zum Sitz des Agitationscomités für 1894 wurde wieder Elberfeld gewählt.
In Hamburg haben, wie einer Mittheilung im „Vorwärts“ zu entnehmen ist, die Kürschner bei der Firma S. Wachtel die Arbeit eingestellt.
In Zwickau fand, wie dem „Dresd. J.“ geschrieben wird, am Sonnabend eine von etwa 150 Personen besuchte Versammlung Arbeitsloser statt. Obwohl die städtischen Kollegien einen Noth⸗ stand hach den angestellten Ermittelungen nicht anzuerkennen ver⸗ mochten, da der größere Theil der Anwesenden aus sogenannten Saisonarbeitern, die im Winter in der Regel einige Wochen zu feiern gezwungen sind, bestand, ist doch für alle in ausreichender Weise neue Arbeitsgelegenheit beschafft worden.
Aus Wien meldet ein Wolff'sches Telegramm: Bei der gestern Nachmittag hier abgehaltenen allgemeinen Versammlung der Schneider kam es zu tumultuarischen Scenen, die in Schlägereien zwischen Christlich⸗Sozialen und „unabhängigen“ Sozialdemokraten vnsgteten. Die Versammlung wurde infolgedessen behördlich auf⸗ gelöst.
Kunst und Wissenschaft.
Der Epidemiolog und Begründer der medizinischen Geographie, Geheime Medizinal⸗Rath Professor Dr. August Hirsch ist nach längerer Krankheit am 28. d. M. im Alter von 76 Jahren gestorben. In der medizinischen Fakultät der hiesigen Universität, zu deren ältesten Mitgliedern er gehörte, vertrat er die Geschichte der Medizin und die spezielle Pathologie und Therapie. Er war am 4. Oktober 1817 geboren, promovierte im Jahre 1843 hier⸗ selbst, praktizierte zunächst in Elbing und Danzig, beschäftigte sich dann mit geographisch⸗ pathologischen tudien und ab im Jahre 1848 die bedeutsame Schrift „Ueber die geographische Verbreitung von Malariafieber und Lungenschwindsucht und den räumlichen Antagonismus dieser Krankheiten“ heraus. Unter seinen späteren Werken sind zu erwähnen die Schriften „Zur Geschichte der typhösen Krankheiten“, über Ruhr, Schweißfriesel und die indische Beulenpest, sowie besonders das „Handbuch der historisch⸗geographi⸗ schen Pathologie’. Im Jahre 1863 wurde er als ordentlicher Professor der Geschichte der Medizin an die Universität Berlin berufen und bereiste im amtlichen Auftrage in demselben Jahre die von der epidemischen Genickstarre heimgesuchten Gegenden Westpreußens, 1873 die Choleragegenden des Weichselgebiets und war 1878 Mitglied der internationalen nach Wetljanka und Astrachan entsandten Pest⸗ kommission. Aus Anlaß seines fünfzigjährigen Doktor⸗Jubiläums wurde er im vorigen Jahre zum Ehrenmitgliede der Berliner medizi⸗ nischen Gesellschaft ernannt.
† Im Oberlichtsaal des Königlichen Kupferstichkabinets wurde am Dienstag eine Ausstellung von Werken der Holz⸗ schneidekunst aus dem XV. bis XVII. Jahrhundert eröffnet, welche eine Auswahl künstlerisch hervorragender Einzelblätter umfaßt und auch die vert goften⸗ mit Holzschnitten illustrierten Druckwerke der Sammlung dem Publikum in bequemer vieencn n eeg zugänglich macht. Unmittelbare künstlerische Wirkung giebt die Technik des Hin. schnitts nur in seltenen Fällen her; sie hindert durch ihre Schwerfälligkeit und Derbheit den Ausführenden an der Wiedergabe des Höchsten und Sublimsten, was die graphische Kunst auszudrücken vermag. Der sogenannte Holzschnittstil besteht in eben düse Beschränkung der Mittel, der Negation der Feinheit und subtilen Durchführung; er gewährt auch nicht einmal als Ersatz eine gewisse 5 der Mache, welche uns die Derbheit als arakteristis erscheinen läßt. Der Entwurf des Kunstwerkes rührt meist von anderer Hand her, als die Ausführung; der Formschneider tritt als Vermittler zwischen dem Erfinder und dem Be⸗ schauer auf. Kurz, es ist nicht wunderbar, wenn dieser graphi⸗ schen Kunstgattung neben dem Kupferstich und der Radierung lange Zeit die Rolle einer wenig angesehenen Stiefschwester zufiel. Erst in neuerer Zeit sind durch eine reformierende Umwälzung der Technik, wie sie namentlich in England und Amerika sich vollzog, dem Fhabsschat neue Aufgaben gestellt, eine neue Gemeinde geschaffen worden. Diese neue Technik, die wir dem⸗ nächst in einer Kollektivausstellung xeriein eer Holzschneider auf dem Höhepunkt moderner Virtuosität kennen lernen werden, hat mit derjenigen des XVI. und XVII. Jahrhunderts so gut wie garnichts gemein; Ziele und Mittel trennen vielmehr beide Entwickelungsphasen auf das entschiedenste. Gleichwohl verdient der Holzschnitt der älteren Epoche aus verschiedenen Gründen Interesse und Studium. Aesthetische und kunstgeschichtliche Gesichtspunkte dürfen bei einem solchen Studium nach dem oben Gesagten weniger maßgebend Pin als technische und kulturgeschichtliche. Das Ringen mit der Technik stellt die eigent⸗ liche Entwickelungsgeschichte des Holzschnitts dar; der Inhalt der gewählten Gegenstände aber giebt uns, da der Holzschnitt namentlich in Deutschland recht eigentlich die Volkskunst repräsentiert, einen Grad⸗ messer, wie breit und tief künstlerische Bestrebungen ins Volk drangen, was Herz und Sinn der Massen in den einzelnen Epochen besonders erfreute und interessierte.
Esiinen lehrreichen Einblick in die Technik des Holzschnitts gewähren die in einer besonderen Vitrine ausgestellten alten Holzstöcke, deren das Kupferstichkabinet eine große Anzahl aus der Sammlung des Hauptmanns von Derschau besitzt: erhaben geschnittene Holzformen, von denen Abdrücke auf Papier in ältester dent mit dem sogenannten Reiber, in späterer Zeit unter der Buchdru Die älteste Anwendung solcher Holzformen als Patrizen oder Modell reicht ins Alterthum zurück. Ihre Verwendung in E Absich zum Abdruck auf Papier ist eine Erfindung des fünfzehnten Jahr hunderts und steht in enger Beziehung zum Buchdruck. Blockbücher zeigen uns den Holzschnitt mit den Buchstaben des Textes aus einem Stuͤck Felesnettern Ihre Dienste hat die Holzschneidekun der Buchausschmückung i ien i 1 1 und diese innige Verbindung von Buchdruck und Holzschnitt giebt die
Möglichkeit, namentlich in älterer Zeit, die Entwickelung des letzteren zu
datieren und zu lokalisieren. Deshalb sind die Holzschnitte der so
Inkunabeldrucke das werthvollste Material zur Geschichte der Techni
Wir sehen, wie anfangs, als Ersatz der die Handschrift schmückende Miniatur, die auf Bemalung berechnete einfache Umrißzeichnung de Formschnitts die allgemein übliche ist. Besonders Oberitalien bewahr in der ““ lange diese Tradition. 8 i
die Entwickelung der Miniaturmalerei am Ausgang des Mittelalter zur schraffierten Federzeichuung führte, zeigt auch in seinen frühesten Holzschnitten schon die Vorliebe innerhalb der Umrißlinien. Den eigentlich
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der Technik bildet unser Altmeister Dürer aus, dem in dem Form⸗
schneider Hisranee⸗ Andrege eine vortrefflich geschulte aus führende Kr
ders, der die vom Zeichner auf dem Holzstock mit der gerissene Zeichnungsvorlage mit dem Schneidemesser heraushebt, (s. der
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presse genommen wurden.
Die sogenannten
für Schraffierungen klassischen Stil
aft zur Seite stand. Um die Bedeutung des Formschnei⸗ Feder vor⸗