recht des Reichstags zu gewährleisten; ferner muß endli 1 tilgung im Reich in Angriff genommen werden. Wir wollen auf een Weg eintreten für die Bedürfnisse des Reichs, aber wir fordern zugleich die Berü Fäieer.e der Vorschläge, welche wir bezüg⸗ lich der Steuern gemacht haben. Damit werden wir am besten den Versprechungen, die wir den Wählern gemacht haben, und dem Ver⸗ trauen auf die Versprechungen gerecht, die uns die verbündeten Regierungen durch den Mund des Reichskanzlers gemacht haben.
Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Der preußische Finanz⸗Minister Dr. Miquel hat angekündigt, daß die Vorlage immer wiederkehren würde, bis sie angenommen sei. em gegenüber erkläre ich nochmals
für unsere Partei, daß wir die Franckenstein'sche Klausel, die damit eingeleitete Politik vertheidigen und uns jedem Versuch der Be⸗ seitigung als entschlossene Gegner entgegensetzen werden. Für Einzellandtage ist es ja ungeheuer leicht, eine solche Vorlage zu befürworten, da sie von derselben lediglich Vortheile haben würden, nämlich eine feste Rente ohne eine Spur von der Verantwortlichkeit der⸗ jenigen Stelle, welche diese Rente fließen macht. Breite Volksmassen sollen die Weinsteuer verlangt haben, das sind solche Volksklassen, welche weder Wein bauen, nas; trinken; denn die breiten Volksmassen trinken eben keinen Wein. Im preußischen Abgeordnetenhause hat man als Grund für diese Vorlage die finanzielle Noth der Einzel⸗ staaten hervorgehoben. Woher kommt denn diese Nothlage der Einzel⸗ staaten? Doch nur von den großen Militärausgaben, welche die Mehr⸗ überweisungen vollständig aufgezehrt haben. Warum wurde diese Nothlage nicht ebenso hervorgehoben, als die Militärvorlage dem Reichstag zugemuthet wurde? Damals aber liehen der Finanz⸗ Minister und der Reichs⸗Schatzsekretär sich nicht sehen; heute sind sie da, während der Reichskanzler höchstens für eine halbe Stunde herkommt, ohne sich an der Debatte zu betheiligen, und so thut, als ob die Beschaffung der Deckung für diese schwere, auf seine Autorität durchgesetzte Mehrbelastung ihn nichts anginge. Wenn es recht war, Ueberweisungen nach Kopfzahl zu vertheilen, dann dürfen sich die zur Zahlung der Matrikularbeiträge verpflichteten Leute auch nicht beklagen. Wenn der Reichstag jetzt die eigenen Einnahmen ichs nicht wesentlich erhöht, stehen wir in Preußen, nach
dem Ausspruch des preußischen Finanz⸗Ministers, vor einer unver⸗ meidlichen Steigerung der Matrikularumlagen. Es besteht hier eine Mehrheit, welche bereit ist, die eigenen Einnahmen des Reichs um 30 bis 35 Millionen zu erhöhen. Ist diese Vermehrung etwa eine wesentliche! Die Frage ist also nur die, ob die orausgesagte Kalamität eintritt, wenn nicht mehr als diese
5 Millionen bewilligt werden. Man hat schon darauf hingewiesen, aß am Etat erhebliche Abstriche gemacht werden können und müssen, wodurch wenigstens der Ueberschuß der Matrikularbeiträge egen die Ueberweisungen weggeschafft werden könnte und der Etat in Balanz ohne thatsächliche S von Matrikularbeiträgen gebracht werden würde. Wir wissen ferner, daß die zukünftige Gestaltung der Reichseinnahmen erheblich günstiger sein wird; der frühere Staats⸗ ekretär Freiherr von Maltzahn berechnete, daß das Mehr der eigenen Einnahmen des Reichs in der fünfjährigen Periode bis 1899 um 4 Millionen steigen würde. Die Schwierigkeit der Balancierung er Etats der Einzelstaaten wird durch diese Momente doch ganz erheb⸗ ich herabgemindert. Was nützt uns übrigens ein erträgliches Ver⸗ hältniß zwischen Reich und Einzelstaaten, wenn es erkauft werden soll durch neue Steuern, welche weite Volkskreise als unerträglich zurück⸗ weisen? Aus schwerwiegenden sozialpolitischen Erwägungen haben wir uns entschlossen, diese Steuern abzulehnen. Es handelt sich also nicht um bereite Mittel, sondern diese könnten nur ge⸗ wonnen werden aus Steuern, welche gleichzeitig keine Aussicht haben, durchzudringen. Die indirekten Steuern sind von 1872 bis heute von 240 auf 680 Millionen gestiegen und b jetzt die Summe aller direkten Steuern in sämmtlichen Einzelstaaten. Für Preußen wenigstens kann diese Behauptung mit Sicherheit aufgestellt werden, und dann gilt sie auch für die anderen Staaten. Wir können also nicht neue indirekte Steuern im Reich machen, so lange nicht die direkten entsprechend in den Einzelstaaten durchgängig aus⸗ gebildet worden sind. Die Besteuerung der breiten Volksmassen durch indirekte Steuern muß doch im richtigen Verhältniß zur Besteuerung der mittleren und oberen Klassen durch die direkten Steuern stehen. Ich lehne es ab, neue indirekte Steuern zu dem Zweck zu bewilligen, Erhöhungen der direkten Steuern in den Einzelstaaten zu ver⸗ meiden. Wir werden im Gegentheil im preußischen Abgeordnetenhause als unsere Pflicht anerkennen, dem preußischen Finanz⸗Minister in dieser Beziehung entgegenzukommen. Erfreulicherweise schreckt ja auch die Landwirthschaft nach dem Zeugniß des Abg. von Kardorff nicht vor einer Erhöhung der direkten Steuern zurück; ich nehme an, daß der Abg. von Kardorff in diesem Falle die gesammte Land⸗ wirthschaft vertreten hat. Für die finanzielle Kalamität, die sich aus der Bewilligung der Militärvorlage 9 lehnen wir jede Ver⸗ antwortung ab. Warum hat man diese düstere Schilderung nicht im Bundesrath vorgetragen, als es sich um die Heeresverstärkung handelte? Aus keinem anderen Grund haben doch wir die Vorlage abgelehnt, als weil wir die Finanzen des Reichs als so ungünstig 2 wie sie jetzt auch von den Finanz⸗Ministern angesehen werden. Die Ausbildung der indirekten Steuern in den übrigen vaäischer Ländern wird uns immer als Vorbild hingestellt. Die Verhältnisse dieser Länder sind finanziell und sozialpolitisch nicht derart, daß wir sie auf unser Vaterland übertragen zu sehen wünschen könnten. Es ist Zeit, Halt zu machen auf dem Gebiet der indirekten Steuern, auf dem Gebiet des Militär⸗ und Marine⸗Etats! In diesem Kampf wünschen wir die Hilfe der Finanz⸗Minister der Einzelstaaten nicht zu entbehren. Wenn erst in den Einzel⸗Landtagen die Vermehrung der direkten Steuern von Ihnen angeregt werden muß, wird man Ihnen doch endlich energischer zu Leibe gehen, und Ihnen vorhalten: Warum habt Ihr uns nicht die Steigerung der Militär⸗ und Marinelasten erspart? In diesem Sinne kann ich nicht wünschen, die Unterstützung der Finanz⸗ Minister der Einzel⸗Landtage zu entbehren. Dann erst wird die Aera der Sparsamkeit wirklich Thatsache werden. Die Finanzreform soll auf fünf Jahre erfolgen, die neuen Steuern sollen dauernd sein. Gedenkt man etwa, die neuen Steuern nach fünf Jahren wieder ab⸗ zuschaffen? Das ist doch nicht gemeint! Mit einer solchen Reform wäre also so wie so nichts anzufangen; soll sie erfolgen, so muß sie in Formen erfolgen, die die Gewähr der Dauer in sich tragen. Der Ausgleichungsfonds würde sehr bald seiner eigenthümlichen Bedeutung entzogen werden. Wenn wir aber schon Geld haben, ist es doch vorzuziehen, daß es in den Einzelstaaten angelegt, als daß es in den Spartopf des Reichs gelegt wird. Nimmt der Reichstag die Vorlage an, dann wird das Reich alle seine späteren Bedürfnisse aus indirekten Steuern zu decken haben, und wie schwer wird es schon jetzt, die Erweiterung der indirekten Steuern durchzusetzen!
Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Je länger ich den Debatten des hohen Hauses folge, desto mehr kommt mir der Satz aus einem bekannten Liede in Erinnerung: Rechter Hand, linker Hand, beides vertauscht! (Heit erkeit.) Der Herr Abg. Richter, früher ein Gegner der Franckenstein'schen Klausel, heute ein begeisterter Verehrer derselben, Herr Dr. Lieber
grundsätzlich mit der Finanzreform einverstanden, weil er richtiger Weise darin die einzige mögliche Erhaltung der Franckenstein'schen Klausel sieht, Herr Dr. Bachem heute im geraden Gegensatz gegen die Bestrebungen seiner Partei von der Begründung des Deutschen Reichs ab begeistert sich für die Matrikularumlagen und deren Steigerung, während die Franckenstein'sche Klausel gerade den Zweck hatte, die Ueberweisungen stets über den Matrikularumlagen zu er⸗ halten. (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, das Zentrum hat immer pflegsam und schonend der Einzelstaaten gedacht und ihre Existenzfähigkeit nach Kräften gegen eine übermäßige Entwickelung des Einheitsgedankens zu vertreten gesucht. Wie kommt nun Herr
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3 europäischen
8. 1“ 8.8 1“ Dr. Bachem dazu, zu sagen, die zukünftige Entwickelung muß die indirekten Steuern unbedingt schließen, wir müssen alle weiteren Aus⸗ gaben in Zukunft decken durch direkte Steuern; er wird mir zugeben, daß dabei der Gedanke ihm nicht vorschwebte, daß das direkte Reichssteuern sein sollten, er will die zweifellos auch noch weiter wachsenden Ausgaben, wie es doch in jedem Staatskörper un⸗ vermeidlich ist, decken durch Zuschläge auf die direkten Steuern der Einzelstaaten. Was heißt das? Wenn die einzige Steuer⸗ quelle, die bisher den Einzelstaaten verblieben ist und in den Staaten schon bedeutend herangezogen ist, dienen soll nach der ganzen Konstruktion unseres deutschen Staatswesens zur Befriedigung der Bedürfnisse der Einzelstaaten selbst, — nun in Zukunft die ganzen wachsenden Ausgaben des Reichs auch noch auf sich nehmen soll, was bleibt denn davon noch den Einzelstaaten über? Ich möchte wirklich die Herren vom Zentrum bitten, zu überlegen, ob sie glauben können, mit solchen Vorschlägen noch innerhalb der stetig bisher be⸗ folgten Politik des Zentrums selbst zu bleiben. Ich brauche nicht zu wiederholen, was die nothwendige Folge sein würde, die Matrikular⸗ umlagen in der Weise zu steigern. Herr Dr. Bachem sagt, wenn Ihr mir einwendet, die Matrikularumlagen sind Kopfsteuern ungerechter Art, weil sie die schwächeren Schultern viel stärker belasten wie die reicheren im Reich, dann erwiderte ich Ihnen, das wäre dann ja auch bei den Ueberweisungen der Fall gewesen. Gewiß, meine Herren, nur mit dem großen Unterschied, der doch im Sinne des Herrn Dr. Bachem selbst liegen muß, daß dabei die Armen begünstigt und die reicheren Schultern herangezogen werden (sehr richtig! rechts und aus der Mitte.), während eine Steigerung der Matrikularumlagen die ärmeren Schultern stärker belastet.
Herr Dr. Bachem sagte, lwir wollen vorläufig noch ein gewisses Quantum indirekter Steuer bewilligen, und wir glauben, daß wir damit die Folgen der außerordentlichen Steigerungen der Reichs⸗ ansgaben infolge der Militärvorlage im wesentlichen decken können; es wird gelingen, 15 Millionen an den Ausgaben des diesjährigen Etats zu streichen. Nun, meine Herren, ich glaube nicht, daß das gelingen wird, gewiß nicht auf die Dauer; wenn Sie heute noth⸗ wendige Bedürfnisse des Reichs nicht befriedigen, morgen werden Sie sich selbst dazu veranlaßt sehen. In diesem Etat stecken keine 15 Millionen, die Sie streichen können. Am leichtesten ist allerdings der Weg, den die Herren auch schon beschritten haben, was meines Wissens kaum jemals in einem Parlament vorgekommen ist, daß man ganz einfach Mehreinnahmen einstellt, z. B. bei der Postverwaltung. Die schwankenden Einnahmen einer solchen Betriebsverwaltung richtig zu kalkulieren und einigermaßen sichere Grundlagen für die Veran⸗ lagung zu gewinnen, ist das schwerste selbst für diejenigen, die mitten in dieser Verwaltung stehen und die langjährige Erfahrung auf diesem Gebiet gemacht haben und alle Einzelheiten kennen. Mit welcher Sicherheit kann die Budgetkommission des Reichstags einfach sagen, wir behaupten, der Herr Staatssekretär für die Postverwaltung wird im kommenden Jahre 3 Millionen mehr haben. Meine Herren, auf die Weise mache ich mich anheischig, das ganze Defizit wegzurechnen. (Heiterkeit.)
Nun liegt aber die Sache doch anders. Selbst heute übersteigen in diesem Etat die Matrikularumlagen die Ueberweisungen schon um 53 Millionen. Wir wissen aus dem Inhalt der Militärvorlage sicher, daß schon hieraus allein in wenigen Jahren das Ueberwiegen der Ma⸗“ trikularumlagen über die Ueberweisungen mindestens 60 Millionen betragen muß. Dabei rechne ich alle anderen Ausgaben des Reichs, auch solche, die auf Gesetzen beruhen, noch garnicht, berücksichtige nicht diejenigen, die Sie auf die Dauer nicht werden vermeiden können, z. B. die Aufbesserung der Gehälter, die Sie hier schon selbst verlangt haben, die Mehrbelastung für die Invaliden u. s. w. Auch der Reichstag hat genug auf Ausgabenvermehrung gedrängt, nicht bloß die Einzel⸗Landtage haben das gethan; und ich habe längst die Ueberzeugung, daß gegenüber den ungeheuer wachsenden Bedürfnissen und Kulturaufgaben die Landtage gewiß nicht diejenigen sind, die in sich die Garantie einer sparsamen Verwaltung übernehmen können. Wenn die preußische Regierung alle diejenigen Ausgaben hätte machen wollen, die der Landtag jahraus jahrein von ihr verlangte, so würde das Defizit dort noch ganz anders aussehen. Die Finanz⸗Minister haben nicht immer nur gegen die Ressorts zu kämpfen, sondern auch gegen die Landtage selbst. Früher vor 30, 40 Jahren war die Tradition eine ganz andere, sie existiert nicht mehr. Ich kann daher nach der Richtung weder in den Landtagen noch im Reichstag eine genügende Garantie finden. Die Garantie können Sie nur finden, wenn Sie solche organische Einrichtungen machen, an die alle Staats⸗ und Vertretungskörper gebunden sind, wo es gar nicht mehr auf die größere oder geringere Energie des einzelnen Finanz⸗ Ministers und auf die größere oder geringere Lust, nach Mehrausgaben zu dringen, seitens des einzelnen Abgeordneten ankommt. Diese Vor⸗ lage macht diesen Versuch. Der Herr Abg. Dr. Bachem hat mir das Zeugniß freundlichst ausgestellt, daß ich sparsam zu verwalten suche. Gewiß, meine Herren, was will denn aber das sagen, die zeitige kurze Existenz eines sparsamen Finanz⸗Ministers, der heute da ist und morgen nicht mehr da ist, gegenüber organischen Institutionen, die von Dauer sind! Auf den einzelnen Menschen kann man sich überhaupt nicht verlassen, die Instruktionen sind viel wichtiger als der einzelne Mann!
Meine Herren, der Herr Abg. Dr. Bachem meinte, es sei zweifellos, daß alle indirekten Steuern die unteren Volksklassen mehr belasten und alle direkten Steuern die oberen. Ich habe diesen Satz schon früher bestritten und bleibe dabei stehen. Wir haben z. B. in Preußen jetzt eine Einkommensteuerveranlagung, die so strenge ist, wie sie über⸗ haupt sein kann. Ich wüßte nicht, wo wir noch schärfere Kontrol⸗ maßregeln hernehmen sollten, und tagtäglich greifen mich die Blätter fast aller Parteien an, daß man in dieser Beziehung in der Ver⸗ waltung zu weit ginge, um das wirkliche Einkommen zu er⸗ mitteln; und doch kann ich Ihnen sagen, daß der Eindruck einer wirklich durchgreifend gleichmäßigen Heranziehung nach Maß⸗ gabe der wirklichen Leistungsfähigkeiten der einzelnen nicht entfernt für diejenigen vorhanden ist, welche die tägliche Praxis kennen. Glauben Sie doch nicht, daß Sie bloß mit dem Schiboleth auf dem Papier der gleichmäßigen Heranziehung des Einkommens nach seiner Höhe diese Frage lösen! Indirekte Steuern sind häufig viel gleichmäßiger in ihrer Wirkung..(Zurufe links) — ja, Herr Abg. Richter, dann studieren Sie doch die Nationalökonomie. (Zurufe.) Ich glaube, die ganze Wissenschaft steht auf diesem Boden. Mit diesem Schiboleth: die indirekten Steuern treffen die unteren Klassen, direkte die oberen — kommt man nicht durch, es kommt in jedem
8 Ich kann mir sehr wohl indirekte Steuern denken, zu welchen †½ B.
die Luxussteuern gehören, die im Gegentheil die höheren Klassen viel schärfer heranziehen als die unteren Klassen.
Also mit diesem einfachen Schiboleth kommt man über die Frage einer richtigen Vertheilung der Lasten nicht hinweg.
Nun möchte ich aber noch ein Zweites sagen, um mich selbst in dieser Beziehung zu reservieren. Meine Herren, wenn wir einen Ein⸗ heitsstaat hätten in Deutschland, dann würde ich wahrscheinlich auch eine andere Art der Vertheilung der Lasten vorgeschlagen haben; das sage ich ganz offen. Aber wir haben keinen Einheitsstaat, und die Herren drüben (nach links) wollen ihn ja am allerwenigsten. Da liegt die Frage einer Vertheilung zwischen Reich und Einzelstaaten in Be⸗ ziehung auf direkte und indirekte Steuern ganz anders, als wenn man gleichmäßig, ohne die verschiedenartigen Verhältnisse und die Lage derselben in den einzelnen Staaten zu berücksichtigen, lediglich nach steuertechnischen Gesichtspunkten verfahren könnte, das ist aber in unserem deutschen Föderativstaat nicht möglich. Giebt es denn irgend einen anderen Föderativstaat — sehen Sie doch einmal nach Amerika und der Schweiz —, wo man willkürlich einfach den Steuerpflichtigen beim Kopf nimmt und sagt, er soll so und soviel indirekte und direkte Steuern bezahlen? Da denkt man gar nicht daran!
Ich habe schon früher ausgeführt, was denn das für ein sonder⸗ bares Staatswesen auf die Dauer werden würde, welches zwar Aus⸗ gaben bewilligt, aber um die Einnahmen sich nicht kümmert! Ich habe darauf hingewiesen, wohin das Schwanken der Anforderungen an die Einzelstaaten führen muß, wenn sie auch zu leisten haben, abe nicht wissen, wieviel, in welcher Zeit. Die schwankenden Ueberweisungen meine Herren, halte ich für meine Person garnicht für ein Glück der einzelnen Staaten. (Sehr richtig! rechts.) Wir haben in Preußen die lex Huene, welche auch so eine schwankende Ueberweisung war, beseitigt, weil wir die Gefahr für die Selbstverwaltung und für eine geordnete sparsame Verwaltung in den Kreisen sahen. Genau so liegt die Sach hier. Ich wünsche garnicht, daß die einzelnen Staaten unbegrenzte und schwankende Ueberweisungen bekommen; mein ganzes Finanzsystem geht dahin, Stabilität in die Finanzen, soweit irgend möglich, zu bringen Das ist die erste Voraussetzung einer ordnungsmäßigen Finanz verwaltung! 1
Wenn das Schwanken bei den Ueberweisungen schon bedenklich ist, so ist es doch noch viel bedenklicher bei den Matrikularumlagen, bei den Leistungen. Wie wäre da eine verständige Finanzverwaltung denkbar, namentlich wenn Sie diese Matrikularumlagen erheben wolle nach den bestehenden Steuersystemen der Einzelstaaten! Wenn Sie das aber nicht wollen, dann müssen Sie den einzelnen Staaten auch ein bestimmtes Steuersystem bei den direkten Steuern auferlegen; mi einem Wort: Sie kommen von einem Schritt zum andern, um di Einzelstaaten mehr und mehr zu mediatisieren.
Ist denn die Elastizität der Finanzen der Einzelstaaten so groß, daß sie ganz in der Balance ihrer Einnahmen und Ausgaben bleiben können, trotzdem das Reich jedes Jahr verschiedene Anforderungen an sie stellt, und trotzdem nur die einzige Steuerquelle, die schon durch ihre eigenen Ausgaben und Bedürfnisse belegt ist, die direkte Steue geblieben ist? Ich möchte wohl sehen, wie das möglich ist. Danach sind die Steuerquellen der einzelnen Staaten schon viel zu sehr be⸗ schränkt; sie haben genug mit sich zu thun und freuen sich, wenn die direkten Steuern für die eigenen Bedürfnisse ausreichen. 1 sollen sie noch die unsicheren und schwankenden, von den Beschlüssen eines anderen Staatskörpers abhängenden Ausgaben auch auf dieselben Steuerquellen nehmen. Ich glaube wirklich, wenn Sie objektiv und ruhig die Entwicklung, die sich nach einem solchen System ergeben würde, erwägen, so können Sie kaum bei solchen Vorschlägen stehe bleiben.
Der Herr Abg. Dr. Bachem hat die Frage aufgeworfen, ob sich nicht das Verhältniß der indirekten Steuern zu den direkten zum Nachtheil der letzteren in den letzten Jahren verkehrt habe. Ich gebe ihm zu, daß im Reich die indirekten Steuern in den letzten Jahren außerordentlich stark gewachsen sind; aber ich bestreite, daß wir das Verhältniß überschritten haben, welches in den übrigen Kulturstaaten besteht. Ich habe Ihnen ja in dieser Beziehung bereits die genauen Zahlen gegeben, die auf der sorgfältigsten Berechnung beruhen. Herr Dr. Bachem hat lediglich Frankreich und Italien genannt; ich würd nie eine derartige Ueberspannung der indirekten Steuern vorschlagen, wie sie namentlich in Frankreich noch schlimmer als in Italien besteht; aber ich habe auch die anderen Staaten genannt, England beispiels⸗ weise, an dessen Grenze wir noch nicht angelangt sind.
Er hat die außerordentliche Steigerung der direkten Steuern in den meisten deutschen Staaten vergessen, namentlich auch in Preußen auf dem Gebiet aller derjenigen Körper, die unter dem Staatskörper stehen, — der Provinzial⸗, Kreis⸗, Kommunal⸗, Kirchen⸗, Schulabgaben, die in Preußen fast ausschließlich auf direkten Steuern beruhen. Wenn ich alle zusammennehme, so glaube ich, daß wir in Preußen wenigstens leider in den direkten Steuern haben so weiter fortschreiten müssen, daß wir mit der Entwicklung der indirekten Steuern im Reich gleichen Schritt gehalten haben. 1b
Aber ich gehe noch weiter. Sie wissen doch selbst, daß diese außerordentliche Steigerung der Ausgaben im Reich wesentlich aus einer rapiden Umgestaltung unseres ganzen Heerwesens hervorgegangen ist. Wir haben in dieser Beziehung doch wohl jetzt im wesentlichen das Ende erreicht. (Na, na!l links.) Diese Vorlage, die wir Ihnen hier gemacht haben, giebt Ihnen die Handhabe, die Grenze selbst zu bestimmen in viel leichterer Weise, als das heute der Fall ist.
Was nun die Einzelanführungen betrifft in Bezug auf die preußi⸗
denn es könnte so scheinen, als handle es sich hier eigentlich um ein Finanzbedürfniß Preußens, und als hätte die ganze Sache den Zweck, das preußische Defizit zu decken. Herr Abg. Richter ist ja auch im Landtag, und ich möchte ihm vorschlagen, sich in die Budgetkommission
des Landtags wählen zu lassen; da werden wir dann mit ihm diese Frage gründlicher erörtern können, als hier im Plenum einer Ver⸗ sammlung, die zum großen Theil die Details der preußischen Finanzen 8 nicht kennt. Ich will alfo hierüber nichts Näheres sagen; ich möchte aber darauf hinweisen, daß in Bayern die Lage ganz ähnlich ist, daß man auch dort, wenn hier die Deckung der Militärausgaben nicht statt⸗ findet, vor einem Defizit von etwa 9 Millionen steht. Der Herr Schatzsekretär zu meiner Seite hat Ihnen eine Reihe anderer Staaten
in gleicher Lage genannt. Wir ersehen dasselbe sogar von einem der 1 reichsten Länder Deutschlands, Braunschweig, aus der Rede des dortigen Minister⸗Präsidenten. Heute steht ein Telegramm in der Zeitung, wo
Fall auf die Beschaffenheit der direkten und indirekten Steuern an.
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schen Finanzen, so möchte ich darauf absichtlich nicht näher eingehen;
die Rede des Statthalters in Elsaß⸗Lothringen an den Landese
8 8 1“
ausschuß mitgetheilt wird, in welcher direkt ausgesprochen wird: wir
werden eine Reihe nothwendiger und nützlicher Dinge unterlassen
müssen, wenn wir gezwungen werden, eine so gesteigerte Matrikular⸗
umlage zu zahlen. In Baden hat der Minister schon ausdrücklich eine erhebliche Verschärfung der Einkommensteuer angekündigt.
Es handelt sich hier also nicht um Preußen allein, sondern um
alle deutschen Staaten ohne Ausnahme. Wir in Preußen verlangen
in dieser Beziehung nicht den geringsten Vorzug; wir wollen so
behandelt werden, wie alle anderen Staaten.
Aber, wenn wir einmal diese Ausgaben auf die Einzelstaaten
werfen wollen, so wird doch die Erfahrung trotz unseres gegenwärtigen
Defizits zeigen, daß ein so großer Staat wie Preußen schließlich noch eine größere Elastizität besitzt, naturgemäß, sich aus den durch die Ab⸗ lehnung der Steuervorlagen hier im Reichstag entstandenen Finanz⸗
schwierigkeiten herauszuwickeln, als eine große Anzahl kleinerer
Staaten in Deutschland. Ich bin überzeugt, namentlich wenn ich von
dem freundlichen Anerbieten des verehrten Herrn Redners, in Preußen bereit zu sein, die erforderliche Erhöhung der direkten Steuern ein⸗ treten zu lassen, Gebrauch mache und von einer Reihe anderer Mög⸗ lichkeiten, die Einnahmen in Preußen zu vermehren, Gebrauch mache, daß schließlich Preußen es mindestens ebenso leicht sein würde, die finanziellen Schwierigkeiten zu überwinden, als allen übrigen Staaten,
daß aber viele kleinere Staaten diese Elastizität in dieser Beziehung nicht besitzen. (Sehr wahr!) — Meine Herren, sowohl Herr Dr. Lieber als Herr Dr. Bachem
haben gemeint, jedenfalls wäre die Beschränkung dieser Reform⸗
vorlage auf fünf Jahre nicht acceptabel; denn die Steuern würden weiter laufen und der übrige Inhalt würde verschwinden. Was könnte denn in diesem Falle nun passieren für das Reich?
Wenn die Sache so käme, dann würde das Reich die Franckenstein'sche
Klausel unbeschränkt wieder haben, und die Ueberweisungen und die Matvrikularumlagen würden sich wieder genau so gestalten wie jetzt. Wenn der jetzige Zustand also idealisiert wird, nun, dann können ja die Herren den Ablauf dieser fünf Jahre nur mit Sehnsucht erwarten, 8 ein Nachtheil kann für ihre Auffassung daraus nicht entstehen. Aber, ich glaube, daß die verbündeten Regierungen auch in Beziehung auf die Dauer mit sich reden lassen würden, darauf würden die Wünsche des Reichstags jedenfalls eine große Einwirkung üben können. Denn wir sind sicher, daß für die Einzelstaaten eine feste dauernde Rente doch wahrscheinlich ein sehr gutes Geschäft sein würde; ein besseres,
als wenn sie diese Rente nur auf fünf Jahre genießen, weil wir uns
darüber ganz klar sind, im Gegensatz zu den Herren drüben, daß, wie sparsam man auch verwalten wird, wie vorsichtig die Ausgaben auch emessen werden, welche Energie die Herren vom Reichstag auch ent⸗ ickeln werden, wie in allen Großstaaten der Welt die Ausgaben stärker wachsen werden als die Einnahmen. Ich will auf die Rechnung, die man damals von der einen Seite gemacht und von iten derjenigen Herren, die sich jetzt darauf stützen, als ganz haltlos Ich bin sicher, ich kenne keinen
ne
bekämpft hat, gar nicht eingehen.
Großstaat der ganzen Welt, wo es anders ist, daß bei den fort⸗
schreitenden unabweisbaren Bedürfnissen großer Staatskörper, wenn ich selbst die Militär⸗ und Marineausgaben ganz bei Seite lasse, die Ausgaben rascher wachsen als die Einnahmen. Wenn wir also auf die Dauer diese Rente gesichert hätten, würden wir vom rein finanziellen Standpunkte aus bei der Sache kein Bedenken haben. Aber es wäre doch nicht richtig; denn es ist für beide Theile besser, sowohl für den Reichstag als für die verbündeten Regierungen, Er⸗ fahrungen zu sammeln, ehe man sich definitiv entschließt. Man wird nach fünf Jahren den Erfolg dieser neuen Einrichtung übersehen können, und dann wird es richtig sein, auf die Dauer ein solches organisches
Gesetz zu machen.
Ich möchte also davon abrathen, daß Sie hier einen solchen Vorschlag durchzuführen suchen. Ich glaube, es ist vorsichtiger und zweckmäßiger, nicht gleich für die Dauer sich zu binden, weder für die Bundesregierungen noch für die Herren vom Reichstag, sondern erst einmal eine Zeit lang Erfahrungen zu sammeln und dann einen festen definitiven Beschluß zu fassen.
Der eigentliche Grund des ganzen Widerstandes — und das schien mir auch aus der Rede des Herrn Abg. Dr. Bachem hervor⸗ zugehen, der ja auch Sätze ausgesprochen hat, wo er eine gewisse Ge⸗ neigtheit zu einer solchen neuen Ordnung zwischen Reich und Einzel⸗ staaten andeutete, — das Wesen des ganzen Widerstandes besteht darin, daß Sie die Steuern nicht bewilligen wollen, deswegen taugt auch die Reformvorlage nichts. Nun will ich einmal ein sehr hartes Wort aussprechen — ich bin überzeugt, das Wort wird mir lange nachgesprochen werden —: Wer unser Finanzwesen in Deutschland in den letzten 20 Jahren beobachtet, und die ganze Fortentwickelung von Einnahmen und Ausgaben einer genauen Erwägung unterzogen hat, im Reich sowohl wie in den Einzelstaaten, wenigstens in vielen Einzelstaaten — von allen will ich es nicht behaupten —, kann der Wahr⸗ heit des Satzes sich nicht entziehen, daß unsere Einnahmen auch an Steuern in einem nicht richtigen Verhältniß geblieben sind zu den Ausgaben, zu denen wir entweder genöthigt waren oder die wir uns erlauben zu können glaubten. Das ist die eigentliche Finanzlage in Deutschland. (Sehr richtig!) Kalkuliert man genau, auch in den Betriebsverwaltungen, so muß man sagen, daß eine solche Finanz⸗ politik, wie wir sie in den letzten Jahren im Reich sowohl als in den Einzelstaaten geführt haben, auf die Dauer zu Bruche gehen muß, und wer wirklich entschlossen ist, die glorreichen Traditionen unserer deutschen Finanzen von alter Zeit her aufrecht zu erhalten auch in der Zukunft, der braucht daher nicht zu ängstlich zu sein, die Einnahmen mäßigen Weise den gestiegenen Ausgaben nachkommen zu assen.
Aehnliche Sätze habe ich schon früher behauptet, und auf das Reich, glaube ich, passen sie am allermeisten. Denn ich bleibe dabei stehen: Die Schuldenlast des Reichs, namentlich für Ausgaben, die keine Rente wieder bringen — in Preußen liegt die Sache ganz anders; da sind die 6 Milliarden Schulden Schulden für rentable Unternehmungen, für die Eisenbahnen kontrahiert; aber hier sind die Schulden gemacht für Zwecke, die eine unmittelbare Verzinsung der gemachten Ausgaben gar nicht in Aussicht stellen — in einer solchen kurzen Zeit die Schuldenlast des Reiches auf 2 Milliarden zu steigern, ohne nur entfernt an eine Deckung zu denken, das ist keine richtige Finanzpolitik, die auf die Dauer Stand hält. (Sehr richtig!)
1 Hier machen wir den ersten kleinen Anfang mit einer Schulden⸗ tilgung, in der Hoffnung, daß man die Nothwendigkeit der Schulden⸗ tilgung immer deutlicher erkennen wird und daher auch immer mehr bereit sein wird, die erforderlichen, dazu nothwendigen Einnahmen zu
bewilligen. Aber daß wir vor der Gefahr ständen, Steuern im Vor⸗ rath zu bewilligen, wie da behauptet worden ist, unnöthige Steuern, die gar keine rechte Verwendung haben, davon sind wir sehr weit entfernt. (Bravo!) 1 Füenet wird Vertagung beschlossen. Schluß 5 ½ Uhr. 11“ 5
“ 7. Sitzung vom 30. Januar 1894.
Wir tragen zunächst den Wortlaut der bereits in der Dienstag⸗Nummer auszugsweise “ Reden der Staats⸗ Minister von Heyden und Dr. Bosse nach. Bei der zweiten Berathung des Staatshaushalts⸗Etats für 1894/95 und zwar des Etats der Domänen nimmt na dem Abg. Sieg (nl.) das Wort der 8 8
Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden:
Spezielle Angaben über diejenigen Fälle, wo bei Domänen⸗Neu⸗ verpachtungen erhebliche Ausgaben für Bauten in Betracht gezogen sind, kann ich in diesem Augenblick nicht machen. Bei der Ausführung von Bauten wird selbstverständlich auf die Bedürfnisse und Ver⸗ schiedenheiten der einzelnen Landestheile Rücksicht genommen. Es be⸗ stehen Normalanschläge für einzelne Provinzen; es wird aber in jedem einzelnen Baufall mit dem Domänenpächter verhandelt, und es kann allen berechtigten Wünschen Rechnung getragen werden.
Wenn es aufgefallen ist, daß bei einigen Neuverpachtungen große Summen für Neubauten in Aussicht genommen sind und anscheinend ein gewisser Vorwurf — wenigstens habe ich ihn herausgefühlt — gegen die Domänenverwaltung erhoben ist, daß während der laufenden Pachtperiode nicht genügende Aufmerksamkeit auf die Instandhaltung der Baulichkeiten gerichtet worden ist, so erlaube ich mir demgegen⸗ über darauf aufmerksam zu machen, daß namentlich, soweit Fachwerks⸗ bauten in Frage stehen, es ja in der Natur der Sache liegt, daß der⸗ artige Gebäude sich mit der Zeit abnutzen; ist nun ein Vorwerk mit gleich alten Fachwerksgebäuden, wie es vielfach geschehen sein wird, ausgestattet, so wird sich auch die Gesammtheit der Gebäude, wenn nicht einmal ein Brand hinzugekommen ist, gleichmäßig abnutzen. Sind aber derartige Gebäude schon schlecht, und befindet sich vielleicht ein Domänenpächter in schwierigen Verhältnissen, daß man sieht, er hat Noth, sich zu halten, dann ist es naturgemäß, daß man ihn nicht noch mit erheblichen Bauverpflichtungen in der laufenden Pachtperiode be⸗ lastet, um nicht dadurch den Zusammenbruch herbeizuführen. Ob eine derartige Rücksichtnahme in den gerade in Frage stehenden Fällen stattgefunden hat, weiß ich nicht. 8
Es ist von anderer Seite angeregt, ob sich nicht die Verhältnisse des Domänen⸗Feuerschadenfonds umgestalten ließen. Ich bemerke dem Herrn Vorvorredner gegenüber zunächst, daß hier ja gar keine Ver⸗ sicherung in Frage steht, sondern Verpachtungsbedingungen vorliegen, die dem Domänenpächter, wenn er in die Pacht eintritt, dahin bekannt sind, daß die Beiträge nicht berechnet werden nach dem Jetztwerthe der Gebäude, sondern nach dem Neubauwerthe. Nun ist zu meinem Bedauern das richtig, daß in den letzten Jahren erhöhte Beiträge haben eingezogen werden müssen. Aber gleichartige Ver⸗ hältnisse finden wir auch bei anderen, namentlich den öffentlichen Feuersozietäten. Wenn der Herr Vorredner sagte, es sei in einzelnen Fällen bis zu 6 ℳ pro Mille von dem Werthe des Gebäudes er⸗ hoben worden, so bemerke ich, daß nach der mir vorliegenden Nach⸗ weisung in dem letzten Jahre neben dem ordentlichen Beitrag noch ¼ desselben erhoben ist. Der ordentliche Beitrag beträgt in der III. Klasse pro Mille 3 ℳ Das Doppelte würde sein 6 ℳ Es ist aber nur 4 erhoben worden, also weniger. An sich sind die Beiträge bei dem Domänen⸗Feuerschadenfonds nicht übertrieben hoch. In den letzten Jahren waren aber die Schäden überaus hoch, sodaß erhöhte Beiträge ausgeschrieben werden mußten. In diesem Jahre sind bis jetzt die Schäden im Verhältniß zu den früheren Jahren geringfügig gewesen, sodaß sie in den ersten drei Quartalen knapp die Hälfte gegenüber dem Vorjahr betragen haben. Also wird auch hier eine Aenderung zum bessern für die Folge zu erwarten sein. In den Provinzen Brandenburg und Pommern haben auch die öffent⸗ lichen Sozietäten hohe Beiträge erheben müssen.
Wenn nun der Herr Vorredner gewünscht hat, es möge eine Ab⸗ änderung bezüglich Aufhebung des ganzen Domänen⸗Feuerschadenfonds eintreten, so kann ich in dieser Beziehung keine ihn beruhigende ⸗ Erklärung abgeben. Diese Einrichtung besteht nicht erst seit 1885, sondern bereits seit 1826. Sie ist 1885 nur auf einige weitere Pro⸗ vinzen ausgedehnt worden, sodaß sie heute die Gesammtheit der alten Provinzen umfaßt. Es schweben aber Erwägungen darüber, ob man die Domänenpächter etwas günstiger stellen kann. Die Ermittelungen in dieser Angelegenheit sind noch nicht abgeschlossen; aber an dem Prinzip des ganzen Domänen⸗Feuerschadenfonds wird festgehalten werden müssen.
Dem Abg. Freiherrn von Hammerstein (kons.) er⸗ widert der
Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden:
Der Herr Vorredner hat bereits erwähnt, daß er die Güte ge⸗ habt hat, mir vor einiger Zeit eine Denkschrift des Herrn Karl August Westphal aus Stolp über die Bernsteinindustrie zu überreichen. Diese Denkschrift enthielt verschiedenes: eine Darstellung des ganzen Verkehrs mit Bernstein, über die Thätigkeit der Firma Stantien u. Becker und auch sehr schwere Angriffe gegen eine Reihe von Beamten. Ich habe Veranlassung genommen, sofort Ermittlungen be⸗ züglich der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der in der Denkschrift enthaltenen Daten einzuleiten. Ich bemerke, daß eine Ver⸗ feindung zwischen den Verfassern und der Firma Stantien u. Becker besteht, und daß vielfache Beschwerden uns bereits seit Jahren beschäftigen, ohne daß bisher viel dabei herausgekommen ist. Nach⸗ dem ich jetzt erfahren habe, daß die Denkschrift nicht bloß mir über⸗ reicht ist — wobei ich nicht wußte, ob ich berechtigt war, einen weiter⸗ gehenden Gebrauch zu machen —, sondern auch unter den Mitgliedern des Hauses vertheilt ist, werde ich, abgesehen von den meinerseits ein⸗ geleiteten, noch nicht abgeschlossenen Erörterungen, Veranlassung nehmen, die Sache der Staatsanwaltschaft zu übergeben, um auf dem Wege der gerichtlichen Verhandlung den Werth oder Unwerth der einzelnen Behauptungen durch eidliche Vernehmung klarzustellen.
Zur Sache selbst, bezüglich des Bernsteinregals, von dem gesagt
wird, es sei in der Hand von Stantien u. Becker zum Privatmonopol
geworden, was ich ja in gewissem Umfange anerkennen muß, bemerke ich Folgendes.
Der Bernstein wird vorzugsweise gefunden in Preußen, im Re⸗ gierungsbezirk Königsberg. Das Verhältniß besteht hier dahin, daß der Staat nicht etwa seinerseits da, wo er Lust hat, nach Bernstein graben kann, sondern daß der einzelne Grundbesitzer, auf dessen Grund un Boden sich der Bernstein findet, den Bernstein nur gewinnen darf wenn der Staat ihm das erlaubt, und er dem Staat die dafür geforderte Abgabe giebt, während ein beliebiger Dritter kein Recht hat, etwa seinerseits ein Bernsteinwerk auf fremdem Grund und Boden anzulegen. Nun Paben Stantien u. Becker dasjenige Terrain eigenthümlich erworben, welches bis jetzt als der beste Fundort von Bernstein bekannt ist. Die Firma bezahlt allein für das Recht, auf ihrem eigenen Grund und Boden den Bernstein ge⸗ winnen zu dürfen, die Summe von 52 000 ℳ pro Morgen. Es ist von anderer Seite an die Regierung der Wunsch herangetreten, auch Bergbau auf Bernstein einrichten zu dürfen. Dem gegenüber hat sich die Regierung nicht ablehnend verhalten. Aber diese Anträge sind nicht weiter verfolgt und jedenfalls bisher nicht ernsthaft gewesen. Wenn von irgend einer Seite das Verlangen oder der Wunsch an uns herantritt, ein anderes Bergwerk zu eröffnen, so wird die Staatsregierung dem gar nicht entgegentreten, naturgemäß unter dem Vorbehalt, daß auch dort für die Ausübung dieses Rechts eine angemessene Entschädigung gegeben wird. Von einer submissionsweisen Vergebung oder Aus⸗ beutung des Bernsteinregals kann unter diesen Umständen nicht wohl die Rede sein.
Nun ist eine andere Nutzung des Bersteinregals erwähnt, durch Baggerung, welche früher bei Schwarzenort stattgefunden hat. Die Firma Stantien u. Becker, welche auf Grund eines früheren Vertrags 200 000 ℳ jährlich gab, hat diesen Betrieb als nicht mehr lohnend eingestellt. Es hat eine öffentliche Ausschreibung, wenn ich nicht irre, zweimal, stattgefunden, es ist aber kein einziger Bewerber erschienen und thatsächlich bisher eine neue Offerte an uns nicht herangetreten. 8
Es hat früher noch eine dritte Gewinnungsart des Bern⸗ steins stattgefunden, die Taucherei am Strande vor Palmnicken. Dieselbe war auch von der Firma Steantien u. Becker eingeführt und in die Hand genommen, sie ist aber aufgegeben worden vom Fiskus um deswillen, weil die vierte Gewinnungsart, das Lesen des Bernsteins auf dem Strande, welches einzelnen Adjazenten längs ihres Strandes zusteht, geschädigt wurde, und Beschwerden laut wurden, daß diese Gerechtigkeit durch die Taucherei der Firma Stantien u. Becker benachtheiligt würde. Also lediglich⸗ im Interesse der kleinen Interessenten an der Bernsteingewinnung ist fis⸗ kalischerseits auf die Gewinnung durch Taucherei verzichtet worden.
Nun die Geschäftsführung der Firma Stantien und Becker und die Frage, oh der Verwaltung eine Einwirkung bezüglich des Verkaufs von Bernstein zusteht. Der Vertrag mit dieser Firma läuft bis zum b. Jahre 1901 und in demselben sind der Regierung keine Handhaben gegeben, um die Firma zu zwingen, Kaufleuten, welche Bernstein be⸗ dürfen, diesen zu einem bestimmten Preise zu verkaufen. Da können wir nichts machen.
Einen Zwang, unterschiedslos jedem Bernstein verkaufen zu müssen, kann die Staatsregierung auf die Firma zur Zeit nicht ausüben, und ich glaube auch kaum, daß man dies je zum Gegenstand eines Vertrags wird machen können.
Die Staatsregierung verkennt in keiner Weise, daß die Verhält⸗ nisse, wie sie jetzt bestehen, zu Angriffen Veranlassung bieten und nicht befriedigen, weil thatsächlich ein Monopol der Firma besteht. Aber man wolle auch nicht vergessen, daß allein durch die Thätigkeit dieser Firma der Ertrag des Bernsteinregals, welcher bis zum Jahre 1861 27 000 ℳ jährlich betrug, auf einen jährlichen Ertrag von 700 000 ℳ gehoben worden ist.
Im weiteren Verlauf der Debatte bemerkt der Minister für Landwirthschaft ꝛec. von Heyden noch:
Ich erlaubte mir bereits, im Eingang meiner Darlegung zu be⸗ merken, daß ich bezüglich des Inhalts der ganzen Denkschrift ein⸗ gehende Untersuchungen eingeleitet habe, die aber noch zu keinem end⸗ gültigen Abschluß gekommen sind, und daß ich deshalb über die Richtigkeit der einzelnen Angaben in der Denkschrift keine Erklärung abgeben kann. Selbstverständlich ist die weitere Verfolgung des Er⸗ gebnisses dieser Ermittelungen nicht abhängig von dem Ausfall eines Strafprozesses wegen für jetzt unerwiesener Beschuldigungen gegen Beamte. .
Bei der dann folgenden ersten Berathung des Gesetzent⸗ wurfs, betreffend das Ruhegehalt der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen nichtstaatlichen mittleren Schulen und die Fürsorge für ihre Hinterbliebenen, erklärt der
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:
Meine Herren! Ich freue mich, daß diese Vorlage von den Herren Vorrednern und — wie ich annehmen darf — auch im ganzen Hause eine sympathische Zustimmung gefunden hat. Wenn ich auch nicht durch die formalen Zusagen meiner Herren Amtsvorgänger un⸗ mittelbar gebunden war, so sind doch für mich ausschlaggebend gewesen für die Inangriffnahme der Ausführung der offenbar auf diesem Gebiet reformbedürftigen Gesetzgebung die wiederholten Resolutionen, wodurch auf Grund von Petitionen die Staatsregierung sowohl von diesem hohen Hause, wie vom Herrenhause aus ersucht worden ist, endlich einmal auf diesem Gebiet vorzugehen.
Ich bin dankbar, wenn die Vorlage der Unterrichtskommission überwiesen werden wird, und ich könnte mich darauf beschränken, in der Kommission demnächst die Einzelheiten der Vorlage näher zu erörtern. Ich möchte nur noch einen Punkt hervorheben, den auch der Herr Vorredner eben erwähnt hat, das ist nämlich die Frage, warum wir denn nicht gleichzeitig an die Regelung der Besoldungsfrage für diese Lehrer an den mittleren Schulen herangetreten sind. Ich will mich dabei nicht in erster Linie auf die augenblickliche Finanzlage zurückziehen, die ja allerdings dabei wesentlich in Betracht kommen wird, sondern ich wollte mir nur gestatten, darauf aufmerksam zu machen, daß wir im § 1 der Vorlage durch eine negative Begriffs⸗ bestimmung der mittleren Schulen einen möglichst weiten Kreis dieser Anstalten zusammengefaßt haben. Dadurch, daß dieses geschehen ist, und daß der Begriff der mittleren Schulen — allerdings nur für dieses Gesetz und seine Anwendung — in dieser negativen Weise bestimmt worden ist, hat sich ganz von selbst das Resultat er⸗ geben, daß wir eine ganze Reihe ganz verschiedener, innerlich und äußerlich disparater Schularten in diesem Gesetzentwurf haben
gleichmäßig behandeln müssen. Demnach haben wir es hier also zu
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