119, 158 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes allend angesehen worden. 1 Im Rentenvertheilungsverfahren unterliegen die Vertheilungsunterlagen (Arbeitsbescheinigungen ꝛc.) im allgemeinen einer freien Prüfung des Rechnungs⸗ bureaus. Dagegen ist eine Nachprüfung der mate⸗ riellen Rechtmäßigkeit des Rentenanspruchs im
Rentenpertheilungsverfahren ausgeschlossen.
Der General⸗Lieutenant von Alberti, Kommandeur der Division, ist mit Urlaub hier eingetroffen.
Der General⸗Lieutenant Graf Finck von Finckenstein, Kommandeur der 17. Division, hat Berlin wieder verlassen.
Der Königlich rumänische Gesandte am hiesigen Aller⸗ höchsten Hofe Ghika hat Berlin mit Urlaub verlassen. Während seiner Abwesenheit fungiert der Legations⸗Rath Cuciurano als Geschäftsträger.
Laut telegraphischer Meldung an das Ober⸗Kommando der Marine ist S. M. Schulschiff „Nixe“ am 2. Februar in Bermudas eingetroffen und will heute, am 5. Februar, die Heimreise nach Plymouth fortsetzen. 6 “
Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog hat sich der „Th. C.“ zufolge nach Freiburg im Breisgau begeben, um der Beisetzung seines ehemaligen Erziehers, des Wirklichen Geheimen Raths Dr. von Wardenburg, der am Freitag daselbst gestorben ist, beizuwohnen. Herr von Wardenburg ist auch in weiteren Areisen bekannt durch die hervorragende Thätigkeit, die er im Dienst der freiwilligen Krankenpflege während des Krieges von 1870/71 in Frankreich entwickelt hat.
Der Landtag hat die Vorlage der Regierung über die Maßnahmen zur Bekämpfung der Futternoth ein⸗ stimmig genehmigt. Eine Erweiterung erhielt die Vorlage insofern, als die Regierung ermächtigt wurde, zur Deckung von Verlusten, die ohne Verschuldung der Gemeinden eintreten, Beiträge bis zur Hälfte der Höhe der Verluste, jedoch nicht über den Gesammtbetrag von 30 000 ℳ, zu ge⸗ währen. Der Abg. von Helldorff⸗Schwerstedt dankte der Regierung für ihre Hilfe, indem er zugleich die Erwartung aussprach, daß sie auch ferner ihren “ a die Nothstände noch steigen dürften
Oesterreich⸗Ungarn.
Der Kaiser ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Abend von Budapest nach Wien zurückgekehrt. Auf der Rückfahrt hat der Kaiser dem Erzherzog und der Erzherzogin Joseph August in Preßburg einen Besuch abgestattet.
Das Wahlkomité des böhmischen konservativen Großgrundbesitzes räth in einem Aufrufe an die Wähler von dem Beitritt zu der Gruppe des nationalen Großgrund⸗ besitzes ab, da diese Gruppe die Grundanschauungen der kon⸗ servativen Partei, namentlich deren religiöse Ueberzeugung nicht berücksichtige und in ihrem Aufrufe der Sorge um den Bestand und die Kräftigung der Gesammt⸗Monarchie nicht gedenke. Der Beitritt zu jener Gruppe würde den konser⸗ vativen Großgrundbesitz schwächen, den Gegnern der konser⸗ vativen Partei nützen und der böhmischen Nation keinen Vor⸗ theil bringen. 8
In dem Omladinaprozeß wurden vorgestern die Zeugen über die Straßenexcesse, über den Vortrag, der gegen das Kapital, den Großgrundbesitz und die Geistlichkeit auf⸗ reizte und über die nicht wiederzugebenden Aeußerungen und Thaten in Luzec, bei denen Sokol belastet ist, vernommen. Das Protokoll des nach London geflüchteten Uhrmachers Hoch betrifft eine aufrührerische Rede. Heute wird das Zeugen⸗ verhör fortgesetzt werden.
Frankreich.
Der Präsident Carnot leidet einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge seit Mittwoch wiederum an rheumatischen Schmerzen und ist genöthigt, das Zimmer zu hüten. Dem vorgestrigen Ministerrath, der sich mit der Erledigung der Angelegenheiten beschäftigte, wohnte der Präͤsident nicht bei.
6 Die Zollkommission der Deputirtenkammer sprach sich am Sonnabend in einem Beschluß für eine Erhöhung des Zolls auf Mehl um % des gegenwärtigen Zolls aus.
Wie verlautet, hat der Marine⸗Minister infolge eines persönlichen Zwischenfalls zwischen dem Admiral Gervais und dem Deputirten Guieysse in der Sitzung der außer⸗ parlamentarischen Marine⸗Untersuchungskommission vom Freitag beschlossen, den Admiral Gervais in der Kommission durch den Souschef des Generalstabs der Marine zu ersetzen.
Durch eine den Zeitungen von der „Agence Havas“ zu⸗ gegangene Mittheilung werden die Behauptungen, daß Cor⸗ nelius Herz wichtige Aktenstücke besitze, und daß die Regie⸗ rung Schritte gethan habe, um deren Veröffentlichung zu ver⸗ hindern, als jeder Grundlage entbehrend bezeichnet.
Die Hinrichtung Vaillant's ist gestern nach einem Besuche seines Vertheidigers Labori bei dem Präsidenten Carnot beschlossen worden. Die Nachricht wurde erst spät Abends bekannt. Seit Mitternacht strömte die Menge nach der Place de la Roquette, wo die Hinrichtung heute früh 7 Uhr 15 Minuten stattfand. Vaillant starb mit dem Rufe: „Tod der bürgerlichen Gesellschaft! Es lebe die Anar iel Zur Aufrechterhaltung der Ordnung waren umfassende Maß⸗ regeln getroffen. Mehrere Kompagnien republikanischer Garde sowie 500 Polizisten bildeten eine Kette um den Platz. Zwischen⸗ fälle kamen nicht vor.
Rußland.
Am Geburtsfeste Seiner Majestät des Deutschen Kaisers, des Chefs des St. Petersburger Grenadier⸗Regi⸗ ments, hatte der Regiments⸗Kommandeur aus Warschau, dem Garnisonsort des Regiments, Seiner Majestät telegraphisch einen Glückwunsch übersandt, auf den der „St. Petersb. Ztg.“ zufolge nachstehende telegraphische Antwort erfolgte:
„Dem ausgezeichneten Regiment der St. Petersburger Grenadiere König Friedrich Wilhelm III. sende Ich Meinen wärmsten Dank für die Mir durch den Kommandeur übermittelten wohlgemeinten Glück⸗ wünsche zu Meinem Geburtsfeste. Wilhelm R.“
Zwischen Rußland und Griechenland haben, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg erfährt, Verhandlungen behufs Abschlusses eines Handelsvertrages begonnen. — Die „Mosk. Wed.“ erfahren, daß demnächst zwischen Ruß⸗ land und Dänemark ein Handelsvertrag auf Grund⸗ lage des Prinzips der Meistbegünstigung abgeschlossen werden soll.
Italien.
Der aus Gibellina gebürtige Soldat Mariano ist, wie „W. T. B“ aus Palermo meldet, am Sonnabend vom Kriegs⸗ gericht wegen Theilnahme an den Unruhen in Gibellina zu 20 Jahren Militärgefängniß und Tragung der Gerichtskosten verurtheilt worden. . —
Das am Sonnabend in Rom verbreitete Gerücht von einer bedenklichen Erkrankung des Papstes wird von der „Agenzia Stefani“ für vollkommen unbegründet erklärt. Der Papst befinde sich sehr wohl. 8
Der Kardinal Serafini ist am Freitag gestorben.
Spanien.
Aus Mazagan wird gemeldet, daß der Marschall Mar⸗ tinez Campos am 28. Januar in Marakesch angekommen sei und am 31. Januar mit dem Sultan zusammentreffen sollte. Der Marschall hatte mit dem Großvezier eine zwei⸗ stündige Unterredung. — Nach Meldungen aus Melilla wären daselbst 500 Reiter als Avantgarde einer größeren Armee eingerückt. Man glaube, daß der Sultan einen Zug zur Beitreibung der an Spanien zu entrichtenden Kriegs⸗ entschädigung unternehmen wolle.
Dem „Temps“ wird aus Madrid gemeldet, der Sultan von Marokko wolle an Spanien nur 10 Millionen Pesetas Kriegsentschädigung ohne Garantie bezahlen, weil sein im September vorigen Jahres gegen die Befestigungsarbeiten von Sidi⸗Guariach erhobener Protest spanischerseits unbeachtet ge⸗ blieben sei. 8 G
Portugal.
Zwischen der Regierung und den Kaufleuten ist nach einer Meldung des „W. T. B.“ in Betreff der Gewerbesteuer eine Einigung erzielt worden. — Wie gerüchtweise verlautet, sind die Wahlen zur Deputirtenkammer 25. Februar festgesetzt.
1.“ Bulgarien. Der,‚„Politischen Correspondenz“ wird aus Sofia gemeldet, daß der Ministerrath die Einsetzung eines Zentralcomités für die Spendensammlung zur Errichtung des Denkmals für den Grafen Hartenau beschlossen habe. Zum Präsidenten des Zentralcomités sei der Unterrichts⸗Minister Zivkow er⸗ nannt worden.
Amerika.
Wie der „Times“ aus Rio de Janeiro unter dem 30. Januar gemeldet wird, haben sich die fremden Diplomaten in einer Konferenz in einer der Anerkennung der Auf⸗ ständischen als kriegführender Partei günstigen Weise geäußert; der Vertreter der Vereinigten Staaten hat dem⸗ gegenüber eine ablehnende Haltung eingenommen. Die Ge⸗ sandten haben ihren Regierungen telegraphisch angerathen, beide Parteien als kriegführende anzuerkennen.
Nach einer Depesche des „New⸗York Herald“ aus Monte⸗ video von vorgestern ist er Transportdampfer „Itaipu“, der kürzlich von Montevideo abgegangen war, in der Nähe von Bahia von einem Kreuzer der Aufstän⸗ dischen genommen worden. An Bord des „Itaipu“ befand sich der Admiral Gonsalvez, der im Begriff stand, den Oberbefehl über das Nordgeschwader der Regie⸗ rung zu übernehmen. — In New⸗York ist am Sonnabend aus Rio de Janeiro die Nachricht eingetroffen, daß die Re⸗ gierungstruppen bei Curitiba geschlagen worden und daß in der Schlacht 200 Mann gefallen seien. Der Admiral de Mello habe eine Abtheilung von 1000 Mann nach einem Ort im Südwesten von Curitiba gesandt.
In Paris eingetroffenen Nachrichten aus Buen os Aires zufolge haben in Argentinien die Radikalen bei den Wahlen zum Kongreß gesiegt.
Nach einer Meldung aus Santiago de Chile hätten ehemalige Offiziere Balmaceda's die Kaserne der Artillerie angegriffen, seien aber zurückgeschlagen worden; fünf Personen seien getödtet und zahlreiche Verhaftungen vor⸗ genommen worden.
Afrika.
Der bisherige deutsche General⸗Konsul in Kairo Graf von Leyden ist nach einer Meldung des „W. T. B.“ vor⸗ gestern von dort abgereist. ö“
Australien. 5 8
Nach einer dem „Reuter'schen Bureau“ über Auckland
aus Samoa zugegangenen Meldung vom 27. v. M.
habe Malietoa Maßregeln zur Unterwerfung der aufstän⸗
dischen Häuptlinge ergriffen. Man glaube, daß die Beendigung des Kriegs nahe bevorstehe.
Parlamentarische Nachrichten.
Der heutigen 41. Sitzung des Deutschen Reichsta g 8 wohnten der Reichskanzler Graf von Caprivi sowie die Staatssekretäre Dr. von Boetticher und Freiherr von Marschall bei.
(Rp.) hat
Der Abg. Freiherr von Unruhe⸗Bomst sein Mandat niedergelegt. 3 .
Auf der Sg steht die zweite Berathung des 1.. 32 28 ts⸗Etats für 1894/95, welche beginnt mit dem Etat des Reichskanzlers und der Reichskanzlei.
Beim Gehalt des Reichskanzlers fragt der
Abg. Friedberg (nl.), ob die verbündeten Regierungen es mit den Interessen des Reichs für vereinbar halten, daß ein Bundesfürst des Deutschen Reichs Angehöriger eines fremden Staats ist. Ich muß gegen die immerhin mögliche Auffassung Verwahrung einlegen, als ob meine Anfrage irgend welche Spitze gegen die vg. Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs von Sachsen⸗ Coburg und Gotha hat. Die Ffage ist für uns rein prinzipiell. Angesichts der über allem Zweifel stehenden Loyalität Seiner König⸗ lichen Hoheit des Herzogs ist die Frage vollkommen objektiv zu beurtheilen. Es handelt sich nicht um eine staatsrechtliche Frage; nach Reichsrecht ist derjenige Bundesfürst, der nach der Erb⸗ folgeordnung eines Einzelstaats dazu berufen ist. Etwas Anderes ist es, ob ein solcher Zustand, daß ein deutscher Bundesfürst Unterthan eines auswärtigen Staats ist, erwünscht und mit den Interessen des Deutschen Reichs vereinbar erscheint. In weiten Kreisen der Bevölkerung ist man überzeugt, daß dieser Zustand auch mit de — 8 1“ “ 8
auf den
beantragt, das
88
deutschen Nationalgefühl nicht verträglich ist und daß dem ein Ende dadurch gemacht werden könnte, daß der Herzog aus dem englischen Unterthanenverband austritt. Daß es nicht geschehen, hat vielfach be⸗ rechtigte Mißstimmung hervorgerufen. Träger der Reichsgewalt sind die verbündeten Regierungen, und jeder deutsche Bundesfürst ist ein integrierender Faktor der Souveränetät des Reichs. Die Souveränetät ist eine ausschließende Eigenschaft, man kann sie oder nicht be⸗ sitzen, und sicher besitzt sie der nicht, der einen Befehl von einem auswärtigen Staate empfangen kann. Die Doppelstellung Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs von Sachsen⸗Coburg und Gotha hat auch schon Folgen nach sich gezogen, die für das deutsche Nationalgefühl verletzend sind. Im englischen Parlament hat man darüber debattiert und hat dargethan, daß die englischen Steuerzahler nicht verpflichtet seien, zum Unterhalt eines deutschen Bundesfürsten beizutragen. All das legt den Wunsch nahe, daß der Herzog die Konsequenz seiner Thronbesteigung zieht; denn man kann mit Recht verlangen, daß ein deutscher Bundesfürst Deutscher ist und sonst nichts. Die Sache hat Interesse über Sachsen⸗Coburg und Gotha hinaus. Es ist allerdings ein weitverbreiteter Irrthum, daß der Herzog nicht der deutschen Nationalität angehört; im Gegentheil, nach dieser Seite bietet die Thronbesteigung in Sachsen⸗Coburg und Gotha nicht die mindesten Bedenken. Zwar ist seinerzeit der Prinz⸗Gemahl Albert durch Naturalisationsakte in den englischen Staats⸗ verband aufgenommen worden, er hat aber sein deutsches Unterthanenverhältniß dadurch nicht verloren, und es ist kein Zweifel, daß auch seine Rechtsnachfolger Deutsche sind. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß in Zukunft einmal der Fall eintritt, daß ein früher deutsches Fürstengeschlecht, das längst aus dem deutschen Unterthanenverbande ausgeschieden ist, in einem deutschen Bundesstaat zur Thronbesteigung gelangt. Dadurch wird gewissermaßen ein Faktor der Fremdherrschaft in Deutsch⸗ land eingeführt. Daß unsere Reichsverfassung diesen Fall nicht vorgesehen hat und darüber keine Bestimmung ge⸗ troffen hat, erscheint mir als eine bedauerliche Lücke. Ich frage des⸗ halb zweitens, ob die verbündeten Regierungen geneigt sind, Sorge dafür zu tragen, daß diese Lücke ausgefüllt wird. .
(Schluß des Blattes.)
— Dem Reichstag ist der Entwurf eines Ge⸗ setzes, betreff1endd den Schutz der Brieftauben und den Brieftaubenverkehr im Kriege, vorgelegt worden.
§ 1. Die Vorschriften der Landesgesetze, nach welchen das Recht, Tauben zu halten, beschränkt ist, und nach welchen im Freien be⸗ troffene Tauben der freien Zueignung unterliegen, finden auf Militär⸗ brieftauben keine Anwendung. Dasselbe gilt von landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen Tauben, die in ein fremdes Taubenhaus übergehen, dem Eigenthümer des letzteren gehören.
§ 2. Insoweit auf Grund landesgesetzlicher Bestimmungen Sperr⸗ zeiten für den Taubenflug bestehen, finden dieselben auf Militärbrief⸗ tauben keine Anwendung.
§ 3. Als Militärbrieftauben im Sinne dieses Gesetzes gelten Brieftauben, welche der Militär⸗(Marine⸗) Verwaltung gehören oder derselben gemäß den von ihr erlassenen Vorschriften zur Verfügung gestellt und welche mit dem vorgeschriebenen Stempel versehen sind.
§ 4. Für den Fall eines Krieges kann durch Kaiserliche Ver⸗ ordnung bestimmt werden, daß alle gesetzlichen Vorschriften, welche das Tödten und Einfangen fremder Tauben gestatten, für das Reichs⸗ gebiet oder einzelne Theile desselben außer Kraft treten, sowie daß die Verwendung von Tauben zur Beförderung von Nachrichten ohne Genehmigung der Militärbehörde mit Gefängniß bis zu drei Mo⸗ naten zu bestrafen ist.
In der Begründung heißt es:
8 8. 8 - 11“1“ 1““ Wiederholt haben die Vereine von Brieftaubenliebhabern Klage
darüber geführt, daß die über das Halten und Fangen von Tauben zur Zeit bestehenden landesgesetzlichen Vorschriften den auf Züchtung und Ausbildung von Brieftauben gerichteten Bestrebungen nicht überall einen genügenden Schutz bieten. Die Berechtigung der erhobenen Klagen ist nicht in Abrede zu stellen. Zunächst wird das Recht zum Halten von Brieftauben in unerwünschter Weise eingeschränkt durch die in dem Preußischen Allgemeinen Landrecht (Theil I. Tit. 9 §§ 111 bis 113) und der Gesetzgebung einiger kleinerer Bundesstaaten enthaltenen Vorschrift nach welcher die Berechtigung zum Halten von Tauben an die Voraussetzung eines gewissen landwirthschaftlichen geknüpft ist. Ferner wird die Ausbildung der Brieftauben dadurch erschwert, daß zum Schutz der Felder während der Saat⸗ und Erntezeit fast überall in Deutsch⸗ land Sperrzeiten für den Taubenflug eingeführt sind. Endlich giebt die im Gebiet des französischen Rechts geltende Bestimmung, wonach die in ein fremdes Taubenhaus übergehenden, freiwillig dort ver⸗ bleibenden Tauben Eigenthum des Besitzers des Taubenhauses werden, dazu Veranlassung, daß gerade die besonders werthvollen Brieftauben häufig in mißbräuchlicher Weise angelockt und weggefangen werden. Eine dem Bedürfniß einer erfolgreichen Brieftaubenzucht entsprechende Regelung des Gegenstandes erscheint umsomehr geboten, als neuerdings seitens der Militär⸗und Marineverwaltung auf die Verwendung von Brief⸗ tauben zum Zweck des Nachrichtenwesens im Kriege Bedacht genommen worden ist. Zur Zeit sind nicht nur in den größeren Waffenplätzen Brieftaubenstationen eingerichtet, sondern es S auch die Vereine
von Brieftaubenliebhabern vielfach sich verpflichtet, ihre Tauben auf
den von der Militär⸗ und Marineverwaltung gewünschten Flugrichtungen auszubilden und ihr im Kriegsfall zur Verfügung zu stellen. Mit Rücksicht darauf, daß Brieftauben von Tauben anderer Art, insbesondere im Fluge, schwer zu unterscheiden sind, würden die Brieftauben den wirksamsten Schutz erhalten, wenn die Aufhebung aller gesetzlichen Vorschriften, welche das Tödten oder Ein⸗ fangen fremder Tauben gestatten, in Aussicht genommen werden könnte. Ein solches Vorgehen erscheint jedoch vom Stand⸗ punkt der landwirthschaftlichen Interessen “ Die auf Landesrecht beruhenden Beschränkungen der Taubenhaltung und des Taubenflugs sind auf den thatsächlichen Verhältnissen auf⸗ gebaut, haben sich nach dem vorhandenen Bedürfniß weiter entwickelt und entsprechen auch jetzt noch dem landwirth⸗ schaftlichen Interesse. Das Bedürfniß nach derartigen Vorschriften ist, dem jetzigen intensiveren landwirthschaftlichen und gärtnerischen Be⸗ triebe entsprechend, sogar in steigendem Maße vorhanden. Kann somit die Herbeiführung eines besonderen Schutzes nur für Brieftauben in Aussicht genommen werden, so empfiehlt es sich sügleich um auf die Besitzer von Brieftauben zu Gunsten der militärischen Interessen ein⸗ zuwirken, diesen Schutz auf Militär⸗Brieftauben, d. h. solche Brieftauben zu beschränken, welche der Militär⸗ (Marine⸗) Verwal⸗ fung e oder derselben für den Kriegsfall zur Verfügung ge⸗ ellt sind.
— Die Kommission des Reichstags für den Gesetzentwurf wegen Abänderung des Reichs⸗Stempelabgabengesetzes berieth nach dem Bericht der „Nat.⸗Ztg.“ im weiteren Verlauf der Sitzung am Sonnabend die Nr. 2 des Art. 1 der Novelle zum Stempel⸗ steneresch⸗ welche § 12 Abs. 2 und 3 folgendermaßen formulieren will: „Wird bei Kommissionsgeschäften für einen auswärtigen Kom⸗ mittenten, welcher seinerseits als Kommissionär eines Dritten handelt, die Schlußnote mit dem Zusatz „in Kommission“ ausgestellt, so bleibt das Abwickelungsgeschäft zwischen ihm und seinen Kommittenten von der Abgabe befreit, wenn er die Schlußnote mit dem Vermerk versieht, daß sich eine versteuerte, über denselben Betrag oder dieselbe Menge und denselben Preis lautende Schlußnote mit Au bezeichnender Nummer in seinen Händen befindet. Umfaßt eine Schlußnote ein 2 eschäft und gleichzeitig ein zu einer späteren Zeit zu erfüllendes Rü hangeschüft über Effekten oder Waaren derselben Art und in demselben Betrage, beziehungsweise derselben Menge (Report⸗, Deport⸗, Kostgeschäft), so ist die Aufgabe nur für das dem Werthe nach höhere dieser beiden Geschäfte zu berechnen.“ — Hierzu liegt eine große Anzahl von ee e sise d0 vor. Der Abg. Träger (fr. Volksp.)
ort „auswärtigen“ vor * zu streichen. 8 1“ “
8 11“ 8 “
— Der Abg. Freiherr von Buol (Zentr.) wendet sich gegen diesen Antrag, ebenso Reichsbankdirektor Müller und Abg. Gamp, worauf schließlich der Abg. Träger seinen Antrag zurückzieht. — Der Abg. Graf von Arnim *) beantragt, den ganzen Absatz von den Worten „Umfaßt eine Schlußnote“ an zu streichen. — Bei der Abstimmung wird der Antrag Arnim gegen vier Stimmen abgelehnt. — Abg. Dr. Friedberg (nl.) bean⸗ tragt sodann, im § 12 statt der Worte „Effekten und Waaren“ zu setzen: „im Tarif Nr. 4 bezeichnete Gegenstände“. Dieser Antrag wird einstimmig angenommen. Ebenso der ganze § 12. — Abg. Träger beantragt nunmehr, dem § 12 folgenden Zusatz anzufügen: „Uneigentliche Leihgeschäfte, d. h. solche, bei denen der Empfänger be⸗ fugt ist, an Stelle der empfangenen Gegenstände andere Gegenstände gleicher Art zurückzugeben, sowie Fzunschoeschäfte, werden nicht als abgabepflichtige Anschaffungsgeschäfte angesehen, wenn dieselben ohne Ausbedingung eines Leihgeldes, Entgelts, Auf⸗ eldes oder einer sonstigen Leistung abgeschlossen werden.“ Kach kurzer Berathung wird der Antrag Träger abgelehnt. — § 18 wird in der von der Regierung vorgeschl agenen Fassung, wie folgt, angenommen: „Wer den Vorschriften im § 10 Abs. 1 und 2, § 11 Abs. 1 und 2 und § 14 zuwiderhandelt, oder eine Schlußnote wahr⸗ heitswidrig mit dem im § 12 Abs. 2 bezeichneten Vermerk versieht, 2 eine Geldstrafe verwirkt, welche dem fünfzigfachen Betrage der interzogenen Abgabe gleichkommt, mindestens aber 20 ℳ beträgt.“ — Der Abg. Graf v. Arnim 2 beantragt, folgenden Abs. 2 anzufügen: „Wer in einer Abrechnung Stempelbeträge in Anrechnung bringt, ohne daß dieselben in Gemäßheit der Vorschriften dieses Gesetzes zu verwenden waren, hat eine Geldstrafe verwirkt, welche dem fünfzig⸗ fachen Betrage des zu Unrecht in Rechnung gestellten Stempelbetrags gleichkommt, mindestens aber 30 ℳ beträgt.“ 11“ gießt jedoch vorläufig seinen Antrag zurück, nachdem ihn der Staats⸗ sekretär Dr. Graf von Posadowsky für überflüssig erklärt hat, b ihn aber in zweiter Lesung in veränderter Fassung wieder, auf⸗ nehmen.
Bei der heutigen Fortsetzung der Berathung stand der neu vor⸗ geschlagene Abs. 2 des § 38 zur Verhandlung, welcher lautet: „Die Landesregierungen bestimmen höhere Beamte, welche die Schriftstücke der öffentlichen und der von den Aktiengesell⸗ schaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, eingetragenen Genossenschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung betriebenen Bank⸗, Kredit⸗, Versicherungs⸗ und Transport⸗ anstalten, sowie der zur Erleichterung der Liquidation von Zeit⸗ eschäften bestimmten Anstalten (Liguidationsbureaux u. s. w.) bezüg⸗ ich der Abgabenentrichtung nach näherer Vorschrift des Bundesraths zu prüfen haben. Die Steuerdirektivbehörden können in ein⸗ zelnen Fällen anordnen, daß auch bei anderen “ welche abgabepflichtige Geschäfte der in Nr. 4 des Tarifs bezeichneten Art (Kauf⸗ und sonstige Anschaffungsgeschäfte) gewerbsmäßig betreiben oder vermitteln, eine Prüfung der Abgabenentrichtung durch höhere Beamte vorzunehmen ist.’ — Der Abg. Schneider (frs. Volksp.) ist der Meinung, daß eine schärfere Kontrole als bisher kaum erforder⸗ lich sein dürfte, und beantragt, die eingetragenen Genossenschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung von der Kontrole auszunehmen. Der Abg. Gamp (Rp.) beantragt folgende Fassung: „Die Steuer⸗ direktionsbehörden können bei solchen Personen, welche wiederholt wegen Abgabenentziehung bestraft worden sind, eine Prüfung der Ab⸗ gabenentrichtung durch höhere Beamte anordnen, wenn diese Personen abgabepflichtige Geschäfte der in Nr. 4 des Tarifs bezeichneten Art ge⸗ werbsmäßig betreiben oder vermitteln. Der Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsky vertritt die Fassung der Regierungsvorlage und betont, daß die Revision nur durch höhere Beamte vorzunehmen ist. Die
kontrolierenden Beamten würden wohl fast niemals Geschäftsgeheim⸗
nisse verrathen, dazu seien sie zu gewissenhaft. Der Abg. Richter (frs. Volksp.) weist darauf hin, daß man mit der bisherigen Kon⸗ trole recht gut ausgekommen sei. Darauf beantragt der Abg. Gamp, im bestehenden Gesetz hinter den Worten „bezügliche Schrift⸗ stücke“ hinzuzufügen: innerhalb eines Jahres von Ausstellung der betreffenden Schriftstücke abe, ferner den § 13 wie folgt zu fassen:
Die Schlußnoten sind, nach der Zeitfolge numeriert, von den in §38
bezeichneten Personen fünf Jahre, von anderen Personen ein Jahr
lang aufzubewahren.“ — Bei der Abstimmung wird der Antrag
Schneider auf Ausschluß der Genossenschaften von der Kontrole angenommen; der Schlußsatz der Regierungsvorlage auf Kon⸗ trole von einzelnen Banquiers wird abgelehnt; der Antrag Gamp fällt mit Stimmengleichheit. — Die 2 erathungen der Kommission werden morgen fortgesetzt.
— Die Wahlprüfungskommission des Reichstags
beantragt, den Beschluß üͤber die Gültigkeit der Wahl des Abg⸗ Will (dkons.) im 1. Wahlkreise Stolp⸗Lauenburg des Regierungs⸗
bezirks Köslin bis zum Eingang weiterer Ermittelungen auszusetzen.
— Auf der Tagesordnung der morgigen 10. Plenarsitzung des Hauses der Abgeordneten steht als einziger Gegenstand die erste Berathung des Gesetzentwurfs über die Landwirth⸗ schaftskammern.
Kunst und Wissenschaft. u“
ꝛAn dem heutigen Tage (5. Februar) sind hundert Jahre ver⸗ flossen, seitdem König Friedrich Wilhelm II. das Patent wegen Publikation des neuen Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten erlassen hat. Das Patent lautet in seiner Einleitung:
„Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen u. s. w. thun kund und fügen hiermit Jedermann zu wissen: Nachdem Wir die bereits unterm 20. März 1791 vorläufig
bekannt gemachte Gesetzsammlung für Unsere Staaten einer nochmaligen Revision zu unterziehen für gut gefunden haben und dieselbe nunmehr dergestalt eingerichtet ist, daß Wir durch ihre wirkliche Einführung Unsere landesväterliche Intention n jeder Rücksicht zu erreichen Uns versichert halten können, so haben
8 Wir resolvieret, besagte Gesetzsammlung in dieser ihrer tetzigen Gestalt
und mit den darin gemachten Verbesserungen unter dem Titel „All⸗
gemeines Landrecht für die preußischen Staaten“ hierdurch anderweit vublizieren zu lassen, in Unsern gesammten Landen wirklich einzuführen nd diesem allgemeinen Landrechte vom 1. Junius 1794 an volle Gesetzeskraft beizulegen; also, daß nach diesem benannten Tage das⸗ elbe bei Vollziehung und Beurtheilung aller rechtlichen Handlungen nd deren Folgen, sowie bei Entscheidung der sich ereignenden Rechts⸗
streitigkeiten zum Grunde gelegt werden soll. (Hierauf folgen die äheren Bestimmungen unter den Nummern I bis XVIII.)
So geschehen Berlin, den 5. Februar 1794.
(L. S.) Friedrich Wilhelm. 1“ 8 Carmer.
In der Königlichen National⸗Galerie ist gestern üim zweiten Corneliussaale eine Ausstellung von Aqua⸗ bellen aus dem Besitz der National⸗Galerie eröffnet worden.
usgelegt ist insbesondere ein großer Theil der von dem verstor⸗ benen Dr. Theodor Wagener der Königlichen Sammlung
L.— Kunstgeschichtliche Gesellschaft. . Monats⸗St 8 ic, e 2 Kaiserhof. Geheimer ierungs⸗Rat Direktor bei den Königlichen Museen
Wilhelm Bode theilte zunächft mit, daß jüngsthin ein Dürerbild deutschem tbesitz von der Verwaltung der Londoner National
Nach der an den
Gallery käuflich erworben wurde. Es ist das bekannte Selbstbildniß des
Meisters aus der ehemaligen Sammlung Felix in Leipzig, ein Jugendwerk, das leider durch Restaurierung sehr gelitten hat. Dieser Umstand bewog die Verwaltung der Berliner Galerie bei dem außerokdentlich hohen Preis (etwa 120 000 ℳ) dazu, von dem Ankauf des Bildes abzusehen. — Weiterhin sprach der Geheime Regierungs⸗Rath Dr. Bode über: „Kunstsammlungen im Privatbesitz in den Vereinigten Staaten von Nord⸗Amerika.“ Alle sind sie sehr jungen Datums, sie reichen in ihrer Entstehung nicht über zehn Jahre zurück. Als älterer Sammler ragt bloß Mr. Quiney Shaw zu Boston hervor,
der bereits in den fünfziger und sechziger Jahren, mit nicht sehr be⸗
deutendem Aufwand, aber von richtigem Verständniß geleitet, die Werke eines Millet, Rousseau, Daubigny, Corot u. s. w. zu sammeln begann. Er besitzt heute die gewählteste Privatsammlung Amerikas und die werthvollste Sammlung für moderne französische Malerei überhaupt. Von Millet's Kunst bekommt man erst einen ausreichen⸗ den Seeis⸗ wenn man diese Sammlung gesehen hat; erst so lernt man seine Vielseitigkeit bewundern. Von Werken älterer Kunst dieser Sammlung sei besonders eine interessante Thon⸗Porträtbüste von der Hand des Verrscchio hervorgehoben. Sie zeigt uns Lorenzo dei Medici im Alter von 17—18 Jahren. Die bekannten, mit den Jahren und durch Krankheit bis zur Unschönheit verhärteten Züge — wie sie namentlich die Berliner Büste aufweist — haben hier einer damit seltsam kontrastierenden Jugendanmuth Platz gemacht. Von Bostoner Privatsammlungen behandelte der Vortragende noch die Sammlung des Mr. Frederick Ames, um sodann, auf die New⸗Yorker Sammlun⸗ gen übergehend, namentlich die acht Rembrandt's der Sammlung Havemeyer hervorzuheben. Fernere Privatsammlungen New⸗Yorks sind die des Mr. Stewart Smith, Mr. Jesup, Mr. Beers, Mr. Hoe, Mr. Chase. In 3 sah der Vortragende die Kunstschätze des Mr. . Mr. Ryerson, Mr. Ellesworth und die Sammlung des Mr. Jerkes, die wiederum vier bedeutende Rembrandt's besitzt. In Montreal besuchte der Vortragende die Sammlungen des Mr. George Drummond und des R. B. Angus. Der Bestand an Ge⸗ mälden und Bildwerken älterer Kunst, sowie an Werken moderner französischer Malerei in allen diesen Sammlungen muß, nach den Ausführungen des Redners, als ein quantitativ wie qualitativ höchst hervorragender bezeichnet werden.
In derselben Si ung hielt der Geheime Regierungs⸗Rath, Direktor des Königlichen Kupserstichkabineis Dr. Friedrich Lippmann einen Vortrag: „Ueber einen deutschen Stecher des 15. Jahr⸗ hunderts, den sogenannten Meister des Amsterdamer Kabinets.“ Der namenlose Meister jener äußerst seltenen Blätter, von denen sich die Hauptmasse (80 Stück) seit 1806 im Rijks⸗Prenten⸗ Kabinet zu Amsterdam befindet, und der von diesem Auf ewahrungs⸗ orte seine Bezeichnung erhalten hat, bietet eines der größten Räthsel der Kunstgeschichte des 15. Jahrhunderts dar. Weder sein Name, noch der Ort seiner Thätigkeit ist uns bekannt. Wir besitzen von ihm 89 Stiche, eine im Berliner Königlichen Kupferstichkabinet befindliche Fendxcichacus und ein dem Fürsten Truchseß Waldburg⸗Wolfegg ge⸗
örendes Buch, das sogenannte „Mittelalterliche Hausbuch“. Letzteres wurde in lithographischer Nachbildung von der Verwaltung des Germanischen Museums herausgegeben, die Stiche aber und die Zeichnung liegen nunmehr getreu reproduziert vor in einer Sonder⸗ publikation der „Internationalen Chalkographischen Gesellschaft“ von 1893 — 1894. Der beigegebene Text rührt von Professor Dr. Max Lehrs her, läßt aber die Frage nach der Persönlichkeit des Meisters, als unlösbar, auf sich beruhen. Geheimer Regierungs⸗Rath Dr. Lipp⸗ mann unternahm es nun, der Lösung des Räthsels um einen Schritt näher zu kommen. Der Meister gehört nicht, wie man ehedem, durch den Aufbewahrungsort seiner Stiche verleitet, wohl meinte, nach Hol⸗ land; er ist vielmehr, wie schon Harzen vermuthete, ein Oberdeutscher und gehört speziell der schwäbischen Schule an. Man hat ihn mit Bartholomgeus Zeitbloom zu identifizieren versucht, man fühlte sich bei seinen Arbeiten an Schongauer gemahnt. Die Blätter sind mit ungemeiner Leichtigkeit und Feinheit entworfen, entfalten eine Fülle von Humor, weisen aber daneben auch Ernst und tragische Kraft der Komposition auf. Das letztere ist namentlich der Fall auf dem Stiche: „Die drei Todten und die drei Lebenden“, einem der be⸗ deutendsten Blätter des 15. Jahrhunderts. Der Vortragende glaubt,
dieses Stecherwerk Hans Holbein dem Aelteren zuschreiben zu sollen.
Diese Ansicht des Vortragenden, die hier zum ersten Mal öffentlich ausgesprochen wurde, hat, bei privater Mittheilung, vielfach Beistim⸗ mung gefunden. Ueber Hans Holbein den Aelteren wissen wir aller⸗ dings nur wenig. Er wurde 1460 geboren und starb 1524, wuchs auf in den spätgothischen Traditionen der oberdeutschen Schule und entwickelte sich zu einem Künstler der Renaissance. Das Hauptwerk dieser seiner späteren Epoche ist der Sebastian⸗Altar in München. Holbein der Aeltere muß mehrfach Reisen emacht haben. Er hatte in seinem Leben viel mit materieller Noth zu kämpfen. Uns inter⸗ essiert hier nur seine frühe Epoche, denn nur dieser könnten die in Rede stehenden Blätter angehören. Einen Maler in seinen Stichen wiederzuerkennen bietet an sich große Schwierigkeiten. Schwieriger noch wird die Sache, wenn, wie hier, auch an Gemälde⸗Vergleichungsmaterial nur wenig vorliegt und wenn zu berücksichtigen ist, daß bei den Bildern zum theil die Arbeit von Gesellenhänden anzunehmen sein wird. Trotz⸗ dem — so meinte der Vortragende — sind Analogien zwischen den Stichen des Meisters vom Amsterdamer Kabinet und den frühen Ge⸗ mälden Hans Holbein's des Aelteren herauszufinden. Wenn man sich diese Blätter fest einprägt und vergleicht mit dem, was uns an Bil⸗ dern von Holbein dem Aelteren erhalten ist, so bestärkt sich in uns die Meinung von der Identität des Urhebers dieser Werke. Einzelne vollständige Uebereinstimmungen würden noch nicht viel beweisen, so .B., wenn wir einen Kopf eines Skizzenbuchblattes in Basel ganz unverändert auf einem Blatte des Amsterdamer Kabinets wiederfinden. Hier könnte ja an eine einfache Kopie gedacht werden. Das Haupt⸗ gewicht ist vielmehr zu legen auf die kleinen charakteristischen Merk⸗ male, welche der Vortragende an der Hand der ausgelegten Repro⸗ duktionen im einzelnen nachwies. Aufmerksam machte er auch auf den Umstand, daß Künstler gern ihren sigchen Kopf zum Modell für die Köpfe ihrer gemalten Gestalten nehmen. Holbein'’s des Aelteren Bildniß weist nun eine eigenthümliche Bildung des Bartes, der Stirn, der Nase auf, welche Merkmale wir bei den Köpfen auf den Stichen des Amsterdamer Kabinets Holbein wird die leicht mit der Schneidenadel anf weiches Kupfer hingeworfenen Stiche wohl mehr nur als Versuche betrachtet haben. Sie müssen alle einer ganz kleinen Epoche seines Lebens angehören, da sie in der Technik keinerlei Entwickelung erkennen lassen. Die so ungemein zart geschnittenen weichen Platten hielten nur wenige Drucke aus. Daher erklärt sich die geringe Anzahl der erhaltenen Abdrücke, daher wohl auch der Umstand, daß der Künstler mit der Arbeit bald aufhörte: er wird eben, bei seiner mangelhaften Kenntniß des technischen Ver⸗ fahrens, nicht auf seine Rechnung gekommen sein. Trotzdem waren die Blätter im 15. Jahrhundert durchaus nicht so unbekannt. Israel van Meckenen und der Meister B S haben sie mehrfach kopiert. Ihr Einfluß zeigt sich noch bei Schongauer und selbst bei Dürer. Israel van Meckenen kopierte auch Gemälde des rälteren Holbein, und so fände sich auch in dieser Thatsache eine indirekte Bestätigung unserer Hypothese. Mehrere der Blätter erscheinen uns wie Vorahnungen der Todtentanzdarstellungen Hans Holbein'’s des Jüngeren.
Herr Direttorial⸗Affistent Dr. Jaro Springer legte von neuen literarischen Erscheinungen vor: K. Lange und F. Fuhse, Dürer's Schriftlicher Nachlaß. Halle a. S. 1893. — Henri Hymans, Lucas Vorstermann. Brurelles 1893. — St. Beißel, Vatikanische Minia⸗ turen. Freiburg i. Br. 1893.
— Die Großherzoglich sächsische Staatsregierung hatte durch die unter Mitwirkung der Physikalisch⸗technischen ö1 erfolgte Er⸗ richtung einer Thermometer⸗Prüfungsanstalt in Ilmenau den Interessen der Wissenschaft, für die Präzisions⸗Instrumente dieser Art von der lerrösten Bedeutung sind, erheblichen, lebhaft aner⸗ kannten Vorschub geleistet. Ebenso willkommen wird eine weitere Maßnahme der Regierung sein, nämlich die Errichtung einer Lehr⸗ lingswerkstätte und Fachschule für E Arbeiten in Ilmenau in Verbindu⸗ g. mit jener Anstalt. Landtag des Großherzogthums gelangten
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8* Vorlage sollen, soweit die Kosten nicht durch die Ueber⸗ schüsse der Prüfungsanstalt gedeckt werden, 6000 ℳ jährlich für diese Fachschule aus Staatsmitteln verwendet werden. Zweck der Schule ist zunächst, Fürsorge zu treffen, 8 der Thermometer⸗Prü⸗ fungsanstalt der nöthige Bestand an technisch geschulten und ausge⸗ bildeten Arbeitern zur Verfügung steht, dann aber auch die Sicherung eines tüchtigen Arbeiterstammes der thüringischen Glasinstrumenten⸗ Fabrikation überhaupt.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
8 3 Spanien. Herkünfte aus der Umgegend von Namur unterliegen in spanischen Häfen einer mindestens dreitägigen Beobachtung, wenn sie mit reinen Attesten ankommen. Enthalten jedoch die Atteste Bemerkungen über einen vorgekommenen Cholerafall, so tritt Quarantäne ein. *
Schweden. Durch Bekanntmachung des Königlich schwedischen Komme Kollegiums vom 1. d. M. sind die belgischen Provinzen Namur und Limburg für choleraverseucht erklärt worden.
Norwegen. .
Die von dem Königlich norwegischen Justiz⸗ und Polizei⸗Departe⸗ ment am 1. September v. J. erlassenen Bestimmungen, betreffend die Meldungspflicht der Reisenden in Norwegen, sind unter dem 31. v. M. außer Kraft gesetzt worden. (Vergl. „R.Anz.“ Nr. 216 vom 8. September 1893.)
“ sFWmeetinten.
Die für Herkünfte aus europäischen Häfen noch bestehende Quarantäne ist durch Dekret des Präsidenten der Republik vom 19. Dezember 1893 aufgehoben worden. (Vgl. „R.⸗Anz.“ Nr 236
vom 2. Oktober 1893.) 1“ ustralien.
Die für Herkünfte aus den europäischen Häfen in Neu⸗Süd⸗ Wales angeordnete Quarantäne ist durch Verordnungen vom 19. und 27. Dezember 1893 aufgehoben worden. (Vgl. „R.⸗Anz.“ Nr. 279 vom 21. November 1893.)
Handel und Gewerbe.
Der Zentralausschuß der Reichsbank versammelte sich heute Vormittag 10 Uhr im Reichsbankgebäude. Nach dem Vortrage des “ Reichsbank⸗Präsidenten, Wirk⸗ lichen Geheimen Raths Dr. Koch hat sich die Lage der Bank ungemein gekräftigt. Während die Anlage seit dem 6. Januar d. J. um 9, seit dem 31. Dezember v. J. um 188 Millionen ge⸗ fallen ist und zwischen 26 und 40 Millionen weniger beträgt als in den 4 Vorjahren, ist das Metall seit dem 6. Ja⸗ nuar d. J. um 71, seit dem 31. Dezember v. J. um 82 Millionen, das fremde Geld um 77 bezw. 35 Millionen, die steuerfreie Notenreserve um 194 bezw. 245 Millionen gestiegen. Der Börsendiskont ist seit dem 18. v. M. stetig im Fallen und in Berlin und Hamburg um volle 2 Proz. niedriger als der Bankdiskont. Nachdem auch die Bank von England noch ihren Zinsfuß von 3 auf 21 ½ Proz. ermäßigt hat, besteht nach Ansicht der Reichsbank⸗ verwaltung kein genügender Grund, den Diskont von 4 Proz. noch länger aufrecht zu erhalten, zumal im Februar eine weitere Besserung der Lage der Reichsbank zu er⸗ warten ist. Allerdings Bsind die fremden Wechsel⸗ kurse gestiegen, blieben indessen doch nicht unerheblich vom Goldpunkt entfernt, und es ist von einem Goldexport nichts zu bemerken gewesen. Der hiernach beabsichtigten Ermäßigung des Diskonts und. des Lombardzinsfußes um ein volles Pro⸗ zent wurde von keiner Seite widersprochen. Etwas Weiteres war nicht zu verhandeln.
Theater und Musik.
Königliches Schauspielhaus.
Hans von Gumppenberg's einaktige Komödie „Die Minnekönigin“ und Emil Gött'’s Lustsviel „Verbotene Früchte“, das einem Zwischenspiel des Cervantes nachgearbeitet ist, erlebten am Sonnabend ihre von Erfolg gekrönte erste Aufführung. Die Welt der strittigen Meinungen, der literarischen Fehden, der morali⸗ schen und ästhetischen Zwistigkeiten versinkt hinter dem romantischen Bilde des Minnehofes in der Auvergne, dem die schöne Gräfin Repanse vorsteht. In schüchternem Keime nur zeigt sich der Widerstreit zwischen dem unschönen Naturalismus und der schönen Form. Bohemund von Stauff, der sonderbare Schwärmer, der in seinem Minneritterkostüm, schön wie ein junger Held, die Frauenherzen lockt, entstellt sich bis zur Häßlichkeit, um zu erfahren, ob die schöne Repanse sein schönes Aeußere oder sein inneres Selbst liebt. Die Schöne hat aber den Schelm im Nacken und tritt ihrem Geliebten ebenso vernach⸗ lässigt, derb und unschön in Kleidung, Wort und Geberde gegenüber, sodaß dem philosophischen Zweifler graut und er nach der schönen Form, der anmuthigen Bewegung sehnsuchtsvoll seufzt. Diese einfache Lebensweisheit, daß der Mensch die schöne Seele auch gern in schöner äußerer Gewandung erscheinen sieht, drückt der Verfasser in zierlichen und feinsinnigen Versen aus, denen es nicht an Humor und Witz gebricht. Zu den weltbewegenden Werken gehört die kleine Komödie nicht, aber in ihrer Zierlichkeit, Heiterkeit und Anspruchslosigkeit unterhält sie und ruft echten Froh⸗ sinn wach. Frau von Hochenburger als Minnekönigin war voll schwärmerischer Anmuth in ihrem königlichen Gewand und voll derber Neckerei in ihrem unverfälschten Naturkostim. Den jungen Wage⸗ muth, der sich freiwillig der äußeren Anmuth begiebt, spielte Herr Matkowsky mit komischen Pathos.
Einen derberen Ton voll Scherz und Fröhlichkeit schlug das zweite Lustspiel „Verbotene Früchte“ an. Die lustige Idee des Cervantes, in der wir ein junges, von einem eifersüchtigen Gatten grundlos geplagtes Weib, nach verbotenen Früchten lüstern, galante Händel anknüpfen sehen, die durch die vorzeitige Heimkehr des Gatten glücklich unterbrochen werden, ist von Emil Gött zu einem wirklichen Lustspiel geschickt erweitert worden. Der Aufbau der Handlung ist mit dramatischem Geschick durch⸗ geführt, die Charaktere sind kräftig gezeichnet, der zeigt rische und Lebendigkeit. Die scherzhaften Einfälle und lustigen Situationen folgen sich schnell und erhalten die Zuschauer durch ihre kecke ö in fröhlicher Stimmung, die nur im dritten und letzten Akt etwas nachläßt, als ein fahrender Schüler die beinabe tragisch abschließende Zwistigkeit der beiden Gatten durch ein ernstes Gleichniß friedlich löst. Trotz der französischen Namen der handelnden Personen — das Stück spielt in der Champagne — und der deutschen Bearbeitung, macht das Lustspiel einen echt spanischen Eindruck. Die Charaktere tragen alle das humoristische Wahrzeichen des Cervantes; jeder führt mit komischer Grandezza eine lächerliche Seite seiner ungeschminkten, rein menschlichen Natur vor: sowohl der eifersüchtige Ehemann, der seiner Meinung nach gar nicht eifersüchtig ist, wie die leichtherzige und 2. ehrbare Frau, und ihre verliebte Zofe. Die beiden heimlichen Verehrer, der geckenhaft tänzelnde Edelmann und der bramarbasierende Soldat, der jeden nackten Degen fürchtet, kommen in mannigfach veränderter Gestalt in Lustspielen italienischen und spanischen Ursprungs vor. Der muthwillige Geist, der die Fäden der 11“” leitet, ist hier der fahrende Schüler Robert Schwarz dessen jugendlicher Uebermuth im Spiel der Frau Conrad heiter und sonnig in die Erscheinung trat. Fräulein Lindner sprach warmherzig, mi Anmuth in der zärtlichen Empfindung und im losen Scherz; als geputztes Herrlein girrte Herr Hertzer (Junker Jules) in schmachtenden Tönen, und Herr Vollmer (Kapitän Gaspard) rollte die Augen ebenso fürchterlich wie die kraftvollen Konsonanten seiner pathetischen Rede. Die Eifersucht des Ehemanns, dem die Adern in wildem