1894 / 32 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 06 Feb 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Im Königlichen Opernhause wird morgen Wagner's „Walküre“ mit den Damen Sucher, Pierson, Rothauser, den Herren Stammer, Mödlinger unter Kapellmeister Sucher’'s Leitung gegeben. Im Königlichen Schauspielhause gelangt morgen „Die Minnekönigin“ (Fran von Hochenburger, Herren Matkowsky, Arndt) und „Verbotene Früchte“ (Frau Conrad, Lindner, Frau Schramm, Herren Vollmer, Keßler) zur Aufführung.

Im Berliner Theater muß die für morgen angesetzte Auf⸗ führung von „Nora“ auf einige Tage verschoben werden; dafür gehen Gustav Freytag's „Journalisten“ in Scene, und zwar beginnt die Vorstellung wegen der am Nachmittag stattfindenden Schüler⸗Auf⸗ führung von ichert's Schauspiel „Aus eignem Recht“ erst um 7 ½ Uhr. Das genannte Wichert'sche Stück gelangt auch am Donners⸗ tag Abend zur Darstellung.

Das fünfaktige Schauspiel von Fedor von Zobeltitz „Ohne Geläut“, das am Donnerstag im Lessing⸗Theater zur ersten Auf⸗ führung gelangt, spielt auf einem Rittergut in der Neumark und bringt eine Anzahl von märkischen Volkstypen auf die Bühne. Die Hauptrollen des Lebensbildes werden von den Herren Guthery, Reicher, Sauer, Waldow und Höcker, von den Damen Elsinger, Sydow und von Pöllnitz dargestellt.

Im Wallner⸗Theater werden die Gastvorstellungen des Lessing⸗ Theaters infolge der starken Theilnahme, die sie finden, von morgen an bis auf weiteres täglich stattfinden. Der Spielplan wird sich vor⸗ läufig aus dem Lustspiel „Mauerblümchen“ (in unveränderter Be⸗ setzung der Hauptrollen), Hermann Sudermann’'s Schauspiel „Heimath“ (mit Maria Reisenhofer als Magda) und dem Schwank „Der un⸗ gläubige Thomas“ der am Sonntag auf die Bühne des Wallner⸗Theaters übersiedelt.

Direktor Lautenburg hat für das Neue Theater das einaktige Schauspiel „Die Eule“ von dem norwegischen Dichter Gabriel Finne zur Aufführung angenommen. B

Fräulein Emily Martinsen, eine junge Sängerin aus Marchesi'scher Schule, wird in ihrem hiesigen Konzert am Donnerstag, Abends 7 ½ Uhr, im Saal Bechstein außer Liedern klassischer deut⸗ scher Komponisten eine Reihe von Gesängen Massenet’s, Thomé8, Gounod’'s und Chaminade’s zum Vortrag bringen. Der Königliche Kammermusiker Herr Hugo Dechert übernimmt die Mitwirkung mit einer Cello⸗Sonate von Corelli und kleineren Stücken von Hans Sitt und Popper. Im nächsten VIII. Philharmonischen Konzert unter Leitung

es General⸗Musikdirektors Ernst Schuch, am 19. d. M., gelangt als Novität das Vorspiel zu Eugen d'Albert's Oper „Der Rubin“ zur Aufführung.

Oer Tenorist Ben Davies von der Royal Opera in London, der in England sich eines bedeutenden Rufes erfreut, wird am 9. d. M. zum ersten Mal in Deutschland, und zwar in Elberfeld, am 10. d. M. in Berlin und am 11. d. M. in Leipzig auftreten. Außerdem wird er nur noch in Hamburg, Hannover, Frankfurt a. M., Stuttgart und Düsseldorf konzertieren, da er am 19. d. M. bereits wieder in England auftreten muß. Ben Davies singt in vier Sprachen: englisch, italienisch, französisch und deutsch. Er erhielt wiederholt glänzende Anträge von der Dücerktlon des Scala⸗Theaters in Mailand und für die Opernhäuser in Paris und New⸗York, welche er jedoch ablehnte.

Mannigfaltiges.

Ueber die letzte Fahrt des Ballons „Phönix“ am 2. v. M. entnimmt die „Nat.⸗Z.“ den Mittheilungen, welche einer der beiden Theilnehmer, Herr Berson, in der „Zeitschrift für Luftschiffahrt“ veröffentlicht, das Nachstehende: Es bestand die Absicht, auf alle Fälle wieder 4000 bis 5000 m zu erreichen. Der „Phönix“ stieg 9 ½¼ Uhr Morgens bei wolkenlosem Himmel und ziemlich böigem Südost⸗Wind auf, sodaß die Abfahrt nicht ganz leicht war. Rasch waren die ersten 1000 m erstiegen dabei hatten die beiden Insassen der Gondel, Premier⸗Lieutenant Groß und Berson, alsbald nach Verlassen der Erde die Empfindung, als wären sie in einen Backofen versetzt worden. Schon in wenigen hundert Metern drehte der Wind nach rechts und behielt dann die⸗ selbe Richtung. Bald war Neu⸗Brandenburg überflogen; zahllose gefrorene Seen, allen voran der größte norddeutsche Binnensee, die

Müritz, bezeichneten die mecklenburgische 12* In der Ferne erschien die Ostsee. Man erwog die Möglichkeit, die Ostsee an ihrer schmalsten Stelle zu überfliegen und auf den dänischen Inseln Falster eventuell Seeland zu landen. Aber die Geschwindigkeit betrug nur 40 km in der Stunde und bei der Kürze des Wintertags hätte ein Abschwenken des Windes um wenige Grade, um einen einzigen Kompaßstrich genügt, die Luftschiffer nach hereinbrechender Nacht über dem offenen Meere zwischen Seeland und Südschweden in eine recht prekäre Lage zu bringen. So mußten sie den interessanten Plan aufgeben und stiegen nun rasch höher, das Meer immer näher kam. Sack nach Sack flog über Bord, und kurz nach 1 Uhr erreichte der „Phönix“ mit 5015 m seine größte Höhe. Die ganze Ostsee von Fehmarn bis hin an die Bornholmer Gewässer sowie die Küstenlinien von Laaland, Falster und Möen mit ihren Meeresstraßen waren aus dieser Erhebung pracht⸗ voll sichtbar; wie eine Landkarte lag ganz Rügen rechts vom Ballon, und im fernsten Nordosten verrieth eine weißlichere Färbung des Horizonts den Verlauf von Schwedens Südküste. Rasch wurde der „Phönix“ von 5000 bis auf 300 m heruntergebracht, wobei zum ersten Mal eine 1v und zwar noch mehr nach rechts eintrat. Noch mußte die Bahn Rostock-—-Stralsund und ein Waldkomplex über⸗ flogen werden, noch gab es einen kurzen Kampf zwischen dem Ballon, der nicht herunter wollte, und seinem Führer, der herunter mußte, und nach flotter, doch kurzer und leichter Schleiffahrt über die glatte Schneefläche lag der Phönix auf der Erde, etwa 4 km von dem gefrorenen Saaler Bodden, einer breiten Haff⸗ bildung der Ostsee. Als hochinteressant stellten sich schon bei der ersten Sichtung die Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen heraus. ergab sich, wie schon angedeutet, eine ganz be⸗ deutende Zunahme der Temperatur nach oben, nämlich von 6 auf der Erde bis zu + 10 Grad in 700 m Höhe. Also um volle 16 Grad oder etwa 2 ½ für 100 m, und zwar anm stärksten in den untersten 200 bis 300 m. Von hier sank das Thermometer ziemlich gleichmäßig bis rund 2500 m Höhe, wo der Nullpunkt er⸗ reicht wurde, dann bis 4300 m um weitere 10 Grad in demselben Verhältniß, also durchaus nicht schnell; erst zwischen 4300 und 5000 m (— 15,3 ) ergab sich eine schnellere Abnahme. Es war also bis in sehr große Höhen hinauf die ganze Luftsäule abnorm hoch temperiert, und nur direkt über dem Erdboden machte sich infolge des wolkenlosen Himmels die Ausstrahlung in so hohem Maße geltend. Dieser Um⸗ stand und die ungemeine Trockenheit der ganzen Luftschicht deuten auf dynamische Entstehung der Wärme durch den absteigenden Luft⸗ strom in der Anticyclone, an deren Rande der Ballon sich befand. Das Maximum lag mit über 780 mitten über Centralrußland. Beim Phönix betrug der Luftdruck noch ungefähr 770 mm im Meeresniveau.

Einen Begriff von der Ausdehnung der Frauenarbeit im Froßsee Handelsgewerbe giebt die kleine Schrift „Zum 6. Fe⸗ ruar 1894“, ein aus Anlaß seines fünfjährigen Bestehens verfaßtes Erinnerungsblatt des Hilfsvereins für weibliche Angestellte (Berlin, Oberwasserstr. 10). Das Programm des Vereins, welches bezweckt, den großen Stand der Handlungsgehilfinnen in materieller und idealer Beziehung durch Krankenhilfe, Stellennachweis, Fort⸗ bildungsanstalten, Vorträge und zahlreiche andere Bildungs⸗ und Erholungsgelegenheiten zu heben, konnte von Jahr zu Jahr weiter ausgebaut und entfaltet werden. Namentlich das letztverflossene Ver⸗ einsjahr 1893 bezeichnet einen bedeutsamen Abschnitt in der Entwickelung des Hilfsvereins. Die veseeer. des Krankenkassenzwanges führte zur Errichtung einer eingeschriebenen freien Hilfskasse, und die Folge dieser heilsamen und bedeutungsvollen Wohlfahrtseinrichtung war das Anwachsen der Mitgliederzahl zu Anfang 1894 auf 6000 Ge⸗ hilfinnen, d. i. die Hälfte aller im Geschäftsleben Berlins thätigen weiblichen Angestellten. Gleichen Schritt mit dem Anwachsen der Mitgliederzahl hielt die Entwickelung der kaufmännischen Bildungsanstalten des Vereins, von denen die öö’. im letzten Semester von 120 Schülerinnen, die kaufmännische Fortbildungsanstalt von 270 Schülerinnen besucht wurde. Ebenso erfreute sich die Stellenvermittelung immer regerer Inanspruchnahme von seiten der Geschäftsinhaber, so daß im letzten Jahre mehr als 600 Stellen besetzt werden konnten. Auch mit der Gründung von Ferien⸗Kolonien für kranke und bedürftige Mitglieder des Vereins

wurde

Jahre ein erfolgreicher Anfang gemacht, der

im letzten 1. erweitert, ein billiger Mittagstisch eingerichtet,

Wohnungsnachweis u. s. w.

Potsdam, 1. Februar. Das Waisenamt der Klein⸗Glienicker Waisen⸗Versorgungsanstalt für die Provinz Brandenburg, gez. Iffland, macht Folgendes bekannt: Die Herren Mitglieder des Stiftungs⸗ Vereins der Klein⸗Glienicker Waisen⸗Versorgungs⸗ anstalt für die Provinz Brandenburg werden zu der auf Sonnabend, den 31. März 1894, Nachmittags 3 Uhr, im Saale der Anstalt zu Klein⸗Glienicke anberaumten statuta⸗ rischen Hauptversammlung ergebenst eingeladen. 1 üureh 1) Geschäfts⸗ und Erziehungsbericht für da rvom 1. April 1892

)Geschäf gjehungsbericht für das Jahr vom grhe Maärf 1863; 2) Rechnungslegung für dieselbe Periode und event. EE arge; eellung des Etats für das Ja Apri Decharge; 3) Feststellung des E f 8 Jahr vom Ende Mär 1895 4) Ergänzungswahlen für ausscheidende Mitglieder bezw. stellvertretende Mitglieder des Waisenamts.

Aachen. Die neuerbaute städtische Volksbadeanstalt ist im Dezember eröffnet worden. In derselben werden Brausebäder nach Belieben warm oder kalt in elf Zellen für Männer und in vier Zellen für Frauen gegen eine Vergütung von 10 abgegeben.

Kopenhagen, 5. Februar. Seine Majestät der Deutsche Kaiser hat laut Meldung des „W. T. B.“ durch den deutschen Ge⸗ sandten Freiherrn von den Brincken der Prinzessin Waldemar 500 für die Hinterbliebenen der verunglückten Fischer von West⸗ Jütland zustellen lassen.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene

8

Straßburg i. Els., 6. Februar. (W. T. B.) Dem gestrigen Ball bei dem Statthalter Fürsten zu Hohenlohe wohnte auch die Prinzessin von Montpensier bei, welche gegenwärtig hier weilt. Der Fürst geleitete die Prinzessin zur Tafel. An dem Ball nahmen 600 Personen theil. Paris, 6. Femce (W. T. B.) Nach Meldungen aus Tanger ist der Marschall Martinez Campos am 31. Ja⸗ nuar vom Sultan feierlich empfangen worden. Der Sultan hielt hierbei eine Ansprache, worin er erklärte, daß er die Riff⸗ Kabylen, die an der Störung der Freundschaft zwischen Spanien und Marokko schuld seien, auf das strengste bestrafen werde. Der Sultan erkannte an, daß Spanien mit Mäßigung und Klugheit gehandelt habe, und versprach, ein zufriedenstellendes Abkommen treffen zu wollen. Eine Privataudienz sollte am

3. Februar stattfinden. (W. T. B.) Hofrath, Professor

Abbazia, 6. Februar. Dr. Billroth ist gestorben.

Brüssel, 6. Februar. (W. T. B.) Gestern Abend fand anläßlich der Verlobung des Prinzen Karl von Hohen⸗ zollern mit der Prinzessin Josephine ein Diner bei dem Grafen von Flandern statt, woran auch der König theil⸗ nahm. Zur Rechten des Königs saßen die Gräfin von Flandern, Prinz Karl und Prinzessin Josephine, zur Linken die Prinzessin Clementine und der Graf von Flandern und dem König

egenüber die Königin und der Fürst von Hohenzollern. ußerdem wohnten dem Diner bei: die Präsidenten der Kammer und des Senats, der deutsche Gesandte Graf von Alvensleben, die Minister sowie eine große Anzahl anderer hoher Persönlichkeiten.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

om 6. Februar, Morgens.

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haus.

Stationen. Wetter. Sucher. königin. Gumppenberg.

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bedeckt bedeckt

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Aberdeen 750

Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schanspiele. Mittwoch: Opern⸗ 33. Vorstellung. von Richard Wagner. Regie: Herr Schmidt. Schauspielhaus. Komödie in 1 Aufzug von Hans von In Scene gesetzt von Ober⸗Re⸗ isseur Max Grube. ustspiel in 3 Aufzügen, nach einem Zwischenspiel

burg.

Die Walküre in 3 Akten Latte.

Dirigent: Kapellmeister Anfang 7 Uhr. Die Minne⸗

Vorher: Lolotte. und Halévy. Anfang 7 ½ Uhr.

38. Vorstellung. Donnerstag u. folg. Tage:

Verbotene Früchte. 1

Residenz⸗-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ Mittwoch: Zum 45. Male. (Le premier mari de France.) chwank in 3 Akten von Albin Valabrègue. Lustspiel in 1 Akt von Meilhac

Dieselbe Vorstellung. In Vorbereitung: Der Maskenball (Veglione). Schwank in 3 Akten von Alexandre Bisson.

Saal Bechstein. Mittwoch, Abends 7 Uhr:

Der Muster⸗ Lieder⸗Abend des Baritonisten August Hensel.

Sing-Akademie. Mittwoch, Abends 8 Uhr: II. Konzert der holländischen Sängerinnen Jeanette de Jong, Anna Corver, Marie Snvders.

Birkus Renz (Karlstraße). Mittwoch, Abends 7 ¼ Uhr: Auf Verlangen: Wiederholung der Parade⸗

Depeschen.

wolkig Nebel wolkenlos bedeckt

Schnee bedeckt

Regen bedeckt halb bed. Nebel Kebel¹) Nebel bedeckt²) wolkenlos

bedeckt wolkig Regens) bedeckt4) Schnees) wolkig bedeckts) Regen bedeckt Regen heiter heiter

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¹) Starker Nebel. ²) Nachts Reif. ³) Gestern und Nachts Regen. ⁴) Gestern und Nachts Regen. ⁵) Nachts Schnee. 6) Gestern Regen.

Uebersicht der Witterung.

Ein tiefes barometrisches Minimum unter 740 mm ist. nordwestlich von Schottland erschienen, auf den Britischen Inseln und Umgebung starke Südwest⸗ winde verursachend, deren Ausbreitung über unsere Küste wahrscheinlich ist. Am höchsten, über 775 mm, ist der Luftdruck über Südwest⸗Frankreich. Bei schwacher Luftbewegung aus vorwiegend südwestlicher bis nordwestlicher Richtuug ist das Wetter in 1⸗ land durchschnittlich kälter, trübe, im Nordwesten stark neblig; vielfach, insbesondere im Binnenlande, ist etwas Regen gefallen. In Nordwest⸗Rußland hat die Kälte erheblich zugenommen, dagegen in Mittel⸗Europa herrscht überall milde Witterung. h“ Deutsche Seewart

des Cervantes, von Emil Gött. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.

Donnerstag: Opernhaus. 34. Vorstellung. Die Zauberflöte. Oper in 2 Akten von Wolfgang Amadeus Mozart. Dichtung nach Karl Ludwig Giesecke, von Emanuel Schikaneder. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 39. Vorstellung. Donna Diana. Lustspiel in 5 Aufzügen, nach dem Spanischen des Don Augustin Moreto, von Karl August West. (Perin: Herr Adolf Müller vom Thalia⸗Theater in Hamburg, als Gast.) Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater. Mittwoch: Der Ta⸗

lisman. Donnerstag: Der Herr Senator. 8 Fretag, Wohlthätigkeits⸗Vorstellung. onnabend: Der Herr Senator.

Berliner Theater. Mittwoch, Abends 7 ½ Uhr: Die Journalisten.

Donnerstag: Aus eignem Recht.

Freitag: 24. Abonnements⸗Vorstellung. und Stadt.

Lessing⸗Theater. Mittwoch: Zum 25. Male: Madame Saus⸗Gene. Donnerstag: Zum 1. Male: Ohne Geläut. Seeg Madame Sans⸗Gene. onnabend: Ohne Geläut. Sonntag: Madame Sans⸗Géne.

Dorf

Wallner⸗-Theater. Mittwoch: Mauer⸗

blümchen. 18 Donnerstag: Heimath. (M. Reisenhofer.)

Friedrich⸗-Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25.

Mittwoch: Der Lientenant zur See. Operette

in 3 Akten (nach einer älteren Idee) von E. Schlack

und L. ann. Musik von Louis Roth. In

Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Herr

Umeister Federmann. Anfang 7 Uhr.

onnerstag: Der Lientenaut zur See.

Neues Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg. Mittwoch: g Sittenbild in 5 Akten von Alph. Daudet und A. Belot. Anfang 7 ½ Uhr.

Donnerstag und Freitag: Gisela. Schauspiel in 4 Akten von Else v. Schabelsky.

In Vorbereitung: A Basso Porto. Scenen aus dem neapolitanischen Volksleben von Gottfredo Cognetti.

Viktoria-Thegter. Belle⸗Alliancestraße 7/8. Mittwoch: Mit vollständig neuer Ausstattung. Vor⸗ letzte Woche. Die Kinder des Kapitän Grant. Ausstattungsstück mit großem Ballet in 12 Bildern. Anfang 7 ½ Uhr.

Theater Unter den Linden. Mittwoch: Der Obersteiger. Operette in 3 Akten von M. desthun L. Held. Musik von C. Zeller. Anfang ½ Uhr.

Adolph Ernst⸗Theater. Mittwoch, 7 ½ Uhr: Charley’'s Tante. Schwank in 3 Akten von Brandon Thomas. Vorher: Die Bajazzi. EIö“ Posse mit Gesang in 1 Akt von Ed.

acobson und Benno Jacobson. Musik von Franz Roth. In Seene gesetzt von Adolph Ernst.

Donnerstag: Dieselbe Vorstellung.

ZBentral⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Mittwoch: Zum 11. Male. Herr Coulisset. Schwank in 3 Akten von E. Blum und R. Toché. Hierauf: Zum 46. Male. Berlin 1893. Revue in von L. Leipziger. Anfang t Uhr. Donnerstag: Dieselbe Vorstellung.

Konzerte.

Konzert-Haus. Mittwoch: Karl Meyder⸗ Konzert. Ouv. „Leonore II.“ von Beethoven. „Das eherne Pferd“ von Auber. öee zum Tanz von Weber. Phantasie aus „Carmen“ von Bizet. ⸗osen aus dem Süden“, Walzer von Strauß. Phantasie aus „Traviata“ von Verdi. Souvenir de Bade für Violine von Leonard (Herr Carnier). „Aus der Jugendzeit“ für Piston von

Radecke (Herr Werner).

von Kaisers Geburtstag. Großes racht⸗Feuerwerk. Ferner: Gala⸗Festaufzug, aus⸗ geführt vom gesammten Pesjenal; der ostpr. Hengst Blondel und Monstre⸗Tableau von 60 Pferden

vorgeführt vom Direktor Fr. Renz; die Akrobaten

auf dem Drahtseil Zalva, Espana und Alvar ꝛc. Hir Schluß: Ein Künstlerfest. Ueberraschende icht⸗ und Wassereffekte. Neue Einlagen, u. A. Varotti, die kleinste Solotänzerin der elt. Donnerstag: Ein Künstlerfest.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Helene von Livonius mit Hrn. Walther von Heyden (Gumbinnen

annover).

Verehelicht: Hr. Prem.⸗Lieut. Hans von Schaewen mit Frl. Margarethe von Hoelzer (Berlin).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Pfarrer Roedenbeck (Klein⸗Glienicke). Hrn. Pastor Theodor Molsen (Kalkberge⸗Rüdersdorf). Eine Tochter: Hrn. Geh. Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. jur. Renvers (Berlin). Hrn. Frhrn. Kurt Schenk zu Schweinsberg (Cassel).

Gestorben: Hr. Pastor emer. Friedrich Retzius (Stettin). Verw, Frau Major Hulda von Schlichting, geb. von Uckermann (Deulowitz bei Guben). Fr. Louise von Schwerin, geb. von Arend (Kelmischkeiten). Hr. Geh. Medizinal⸗ Rath Dr. Carl Wenzel (Mainz).

Redakteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin: - . Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage), und eine Besondere Beilage,

sowie die Inhaltsangabe zu Nr. 6 des öffent⸗

lichen Anzeigers (Kommanditgesellschaften auf

Aktien und Aktiengesellschaften) für die Woche vom 29. Januar bis 3. Februar 1894.

Erste Beilage

deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen

Verlin, Dienstag, den 6. Februar

Staats

2

Deutscher Reichstag. 41. Sitzung vom Montag, 5. Februar, 1 Uhr.

Die zweite Berathung des Reichshaushalts⸗Etats für 1894/95 beginnt mit dem Etat des Reichskanzlers und

der Reichskanzlei. Ueber den Beginn der Verhandlung ist bereits in der

Nummer vom Montag berichtet worden. Auf die Anfrage des Abg. Dr. Friedberg (nl.), der zunächst das Wort beim Ge⸗ halt des Reichskanzlers hatte, über die Stellung Seiner König⸗ lichen Hoheit des Fecog⸗ von Sachsen⸗Coburg und Gotha zdum Königreich Großbritannien und Irland, antwortete der Reichskanzler Graf von Caprivi mit folgender Rede:

Der Herr Vorredner hat im letzten Theil seiner Rede eine prinzipielle Frage gestellt, dahin gehend, ob es überhaupt zulässig sei, daß ein Ausländer einen deutschen Thron besteige wenn ich ihn recht verstanden habe. Auf diese prinzipielle Frage einzugehen, liegt ein praktischer Grund zur Zeit nach keiner Richtung vor, und ich sehe auch nicht, woher in absehbarer Zeit ein Motiv kommen sollte, das uns nöthigte, uns mit dieser Frage zu beschäftigen. (Sehr richtig!)

Im übrigen liegt die Sache formal ganz klar. Es ist nach

Landes⸗ und Fürstenrecht zunächst zu entscheiden, ob die Thronfolge in einem einzelnen deutschen Lande in dieser oder jener Weise zu regeln ist. Ist sie dann geregelt, so präsentiert das Land oder sein neuer Souverän einen Bevollmächtigten zum Bundesrath, und es ist dann Sache des Bundesraths, zu entscheiden, ob dieser präsentierte Bevollmäch⸗ tigte dejure in der Lage ist, das Land zu vertreten. Das ist eine Auf⸗ fassung, die nicht erst jetzt angenommen, sondern die schon von meinem Herrn Amtsvorgänger in den Akten immer nur als theoretische Betrachtung möglicher künftiger Fälle niedergelegt worden ist. Ich glaube, ich kann es mir bei dieser Sachlage versagen, auf die prinzipielle Zukunftsfrage einzugehen; ich will aber noch ein paar Worte über die momentan akut gewesene Frage, die der Souveränetät im Herzogthum Coburg⸗Gotha, hinzufügen.

Es ist nach meinem Dafürhalten zweifellos und, wenn ich recht verstanden habe, auch von dem Herrn Vorredner nicht bestritten wor⸗ den, daß Seine Königliche Hoheit der Herzog von Coburg⸗Gotha zur Zeit rechtmäßiger Souverän des Landes ist. Wir können hier die Frage ganz bei Seite lassen, ob er einmal aufgehört hat, Deutscher zu sein; mit dem Augenblick aber, wo er rechtmäßiger Souverän von Coburg⸗Gotha geworden, liegt nicht der mindeste Zweifel docrüber vor, daß er jene Eigenschaft wiedererlangt hat.

Also erstens: er ist Deutscher. Zweitens ist zweifellos, daß er berechtigter Souverän von Coburg⸗Gotha ist. Die Eigenschaft eines deutschen Souveräns schließt aber eo ipso jede Abhängigkeit vom

Auslande aus (hört! hört! bei den Nationalliberalen), und es ist nicht

möglich, daß ein deutscher Souverän gleichzeitig Unterthan einer fremden Macht sein kann. (Hört! hört! bei den National⸗ liberalen) Mögen die Rechtsgelehrten diese Frage erörtern, wie sie wollen; ich behaupte: es ist nicht möglich. Denn wenn ich nur an den Fall eines Krieges zwischen Deutsch⸗ land und demjenigen Lande denke, dessen Unterthan der neue ouverän, um so zu sagen: im Nebenamt (Seiterkeit) sein sollte, so ergiebt sich die Unmöglichkeit von selbst. Er könnte ja von den Ge⸗ ichten des anderen Landes wegen Hochverrath belangt werden, wenn als deutscher Fürst an dem Kriege gegen das andere Land theil⸗ immt. (Sehr richtig!) Das ist thatsächlich unmöglich; und ich glaube, es ist nicht er⸗ orderlich, daß wir auch hierauf weiter eingehen. Nun ist der Herzog von Coburg⸗Gotha Deutscher, er ist Souverän, er kann nicht Unterthan einer anderen Macht sein. (Hört! hört!) Was kann uns nun noch zu Besorgnissen Anlaß geben? Seine Königliche Hoheit hat, als er den Thron bestieg, in der formalsten Weise im Beisein Seiner Majestät des Kaisers Schritte gethan, um zu erhärten, daß er willens ist, seinen Pflichten gegen Deutschland voll zu genügen. Nun ist in der öffentlichen Meinung und ich habe das auch bei dem Herrn Vorredner wohl durchklingen hören eingewandt vorden: ja, der hohe Herr hat aber gleichzeitig auch Pflichten gegen ngland. Wie weit diese Pflichten gegen England gehen, zu unter⸗ uchen, ist nicht unsere Sache; es giebt englische Auffassungen und Gesetze über eine doppelte Nationalität englischer Staatsbürger. Aber wir haben uns nur an das Faktum zu halten: Seine Königliche Hoheit ist Deutscher, hat die Pflichten eines Deutschen, hat die Rechte eines Deutschen: es ist seine Sache, seine früheren Beziehungen zu einer andern Nation und zu einem andern Staat so zu regeln, daß sie mit seinen Pflichten gegen Deutschland nicht in Kollision kommen können. (Hört! hört!) Und soweit ich gesehen habe und soweit meine Kenntniß reicht, hat Seine Königliche Hoheit den festen Wilen, seine Pflichten eben in dieser Weise zu regeln. (Hört! hört!)

Ist dies aber der Fall, so hat eine Einmischung unsererseits nicht allein kein praktisches Ziel was können wir für die Anschauungen der Engländer? wie können wir auf sie einwirken? —, sondern ich würde sogar befürchten, daß wir der freien Thätigkeit Seiner König⸗ lichen Hoheit des Herzogs von Coburg⸗Gotha hinderlich werden, Ven 8 uns mit diesem Gegenstand weiter beschäftigen. (Lebhafter

all.

Abg. Spahn (Gentr.) protestiert gegen die Ausführungen der 89. Dr. Friedberg; 8 sei nan dncsen ae eine Lücke 8 der reichs⸗ hens seeet man dahin kommen wollte, dann g veich 8. 8 b6 Ausnahmegesetzen in Bezug auf die Thron⸗ undesfürsten kommen.

Pabe 169. 6 Volksp.): Von einer nationalen Erregung liberalen Bisdeut 88 nanne c herenh e 8* Fhü ales SSahe hatzst an b ich über die Frage hin und her unter⸗ praktis Sach urch die Aeußerungen des Reichskanzlers

aktisch vollständig erledigt. Wir könnten uns in Deutschland glücklich

dßen, wenn wir keine ernsteren Fragen hätten als diese Quisquilien. Diese rein formale Frage ist kaum eine parlamentarische Behand⸗

lung werth. Abg. Dr. Friedberg (nl.): Wenn die Auffassung des Reichs⸗ kanzlers zuträfe, daß mit der Thronbesteigung zu fac 88 alle iche

pflichtungen gegen das frühere Heimathland aufhörten, so wäre ich

außerordentlich beruhigt. Die Frage ist nicht unbestritten, aber ich will sie nicht weiter verfolgen, sondern nur darauf hinweisen, daß in England selbst diese Auffassung nicht zu herrschen scheint. Im englischen Parlament hat der Premier⸗Minister auf die Anfrage, ob Seine Königliche Hoheit noch britischer Unterthan und Mitglied des Oberhauses sei, in ausweichender Form geantwortet. Wenn der Abg. Spahn gesagt hat, daß wir hier auf diesem Wege einen Eingriff in die Thronfolge in den Einzelstaaten machten, so muß ich da⸗ gegen im Namen meiner politischen Freunde die lebhafteste Ver⸗ wahrung einlegen. Aber es ist in Deutschland vorgekommen, daß der Thronbesteigung Hindernisse sich entgegenstellten; ich erinnere an Braunschweig. Wenn der Abg. Richter sagte, er habe in dieser Frage von einer nationalen Erregung nichts bemerkt, so freue ich mich, in diesem Falle wie in so vielen anderen von ihm abzuweichen und eine andere Auffassung zu haben darüber, was dem nationalen Gefühl der Deutschen entspricht. Eine weitere Stellungnahme zu dieser Frage behalten wir uns vor.

Herzoglicher Bevollmächtigter zum Bundesrath für Sachsen⸗ Coburg und Gotha, Staats⸗Minister Dr. von Bonin:

Meine Herren! Nach den Erörterungen, die stattgefunden haben, bleibt mir nur übrig, noch eine kurze Bemerkung zur Sache zu machen. Ich bin ermächtigt, namens der coburg⸗gothaischen Regierung zu er⸗ klären, wie es selbstverständlich ist, daß Seine Königliche Hoheit der Herzog von Sach enecbohern und Gotha als souveräner deutscher Bundesfürst in keinem Unterthanenverhältniß mehr steht und auch England gegenüber keinerlei Verpflichtungen hat, welche seiner jetzigen souveränen Stellung zuwiderlaufen könnten. (Bravo!)

Darauf wird das Gehalt des Reichskanzlers bewilligt, ebenso der Rest des Etats.

Es folgt der Etat des Reichsamts des Innern. Die Kommission hat die neue Stelle eines Direktors gestrichen.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.) beäntragt die Bewilligung derselben. Er weist besonders auf die Vermehrung der Aufgaben hin, welche dem Reichsamt des Innern durch die Bestimmungen über die Sonntagsruhe erwachsen sind; Aufgaben, denen das Reichsamt selbst mit Hilssarbeitern nicht habe genügen können.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Meine Herren! Auch ich möchte das hohe Haus so dringend wie freundlich bitten, diese zweite Direktorstelle, welche Ihre Budget⸗ kommission zu streichen beantragt hat, zu bewilligen. Die Geschäfts⸗ lage im Reichsamt des Innern ist in der That eine solche, daß nicht bloß nach meiner gewissenhaften Ueberzeugung, sondern auch nach der Ueberzeugung aller meiner Mitarbeiter und, wie ich glaube hinzufügen zu sollen, nach der Ueberzeugung derjenigen Beamten, welche aus der Stellung der Direktoren im Reichsamt des Innern in andere Stellungen übergegangen sind, eine Vermehrung der Kräfte durchaus unvermeidlich ist. Es ist nicht bloß das eine, was der Herr Abg. Freiherr von Stumm die Güte gehabt hat, anzuführen, nämlich die Durchführung des § 105 d der Novelle zur Gewerbeordnung, was eine solche Kräftevermehrung erforderlich macht; ich würde um einer einzelnen Aufgabe willen nicht den Muth gehabt haben, einen Antrag auf Kräftevermehrung zu stellen; denn man würde mir dann mit dem berechtigten Einwande gekommen sein: es handele sich hier um eine einzelne Aufgabe, die gehe vorüber, die Verzögerung, die etwa in deren Erledigung wegen nicht aus⸗ reichender Kräfte herbeigeführt wird, müssen wir über uns ergehen lassen, und man wird annehmen müssen, daß, wenn diese Aufgabe erledigt ist, der Personalbestand des Reichsamts des Innern wieder vollständig ausreicht. So liegt die Sache nicht.

Ich stehe jetzt nahezu vierzehn Jahre an der Spitze des Reichs⸗ amts des Innern, und seit meinem Eintritt ist die Zahl der höheren Stellen im Reichsamt des Innern nur um zwei vermehrt worden. Sehen Sie sich dieser Vermehrung gegenüber die kolossale Entwickelung des Ressorts an mit der Ausgestaltung der dem Reichsamt des Innern nachgeordneten Aemter, so müssen Sie schon aus dieser Entwickelung heraus zu dem sehr berechtigten Zweifel kommen, ob in der That mit der Beamtenzahl, die jetzt dem Reichs⸗ amt des Innern zur Disposition steht, künftig auszukommen ist. Ich habe leider die genauen Zahlen nicht zur Stelle, aber eine Zahl habe ich im Kopfe. Wenn ich Ihnen anführe, daß die Zahl der Beamten des ganzen Ressorts im Jahre 1881, soweit sich aus dem Reichs⸗ Handbuch entnehmen läßt, 300 und einige 40 betrug, und nach dem neuesten Reichs⸗Handbuch diese Beamtenziffer über 800 gegangen ist, so werden Sie mir zugeben müssen, daß schon die Bearbeitung derjenigen Geschäfte, welche sich auf die Verwaltung und die Personalien der nachgeordneten Aemter beziehen, eine ganz erhebliche Ausdehnung gewonnen hat.

Nun kommen aber noch weitere Gesichtspunkte von großer Be⸗ deutung hinzu. Wir sind mit der sozialpolitischen Gesetzgebung ins⸗ besondere, und auch mit der Entwickelung der übrigen Reichsinstitu⸗ tionen noch lange nicht auf dem Beharrungszustande angekommen. Ich verstehe ja den Standpunkt, der auch in der Budgetkommission vertreten worden ist, daß man sagt: wir machen ja viel zu viel Ge⸗ setze, und es ist ganz gut, wenn die Zentralbehörde des Reichs in Bezug auf ihre Produktivität einmal einhalten wollte, sich einmal in der Lage befände, nicht mehr so viel leisten zu können. Aber gegen⸗ über diesem Einwande ist es doch wohl berechtigt, daran zu erinnern, daß gerade der Reichstag es ist, der in Bezug auf die Entwicke⸗ lung unserer Einrichtungen und in Bezug auf die Ausgestaltung unserer Gesetzgebung mit Anträgen nicht allzu sparsam verfährt (sehr richtig!), und daß jahraus jahrein gerade ich und mein Ressort vom Reichstage gedrängt worden sind, aktiv zu werden. Es ist nun mit den vorhandenen Kräften absolut unmöglich, die Sachen so zu fördern, wie sie dem sachlichen Interesse gemäß und auch das gestehe ich ganz offen zu meiner eigenen Befriedigung gefördert werden müßten. Wir müssen mit Aufgaben, deren Lösung man berechtigter Weise von uns fordern kann, schneller vorangehen, und es kann niemand mehr beklagen wie ich, daß die Materie, von der der Herr Vorredner gesprochen hat, nicht schneller und nicht wirksamer hat gefördert werden können, als es bisher geschehen ist. Ich bin ja leider dadurch, daß der Reichstag vorhin so bereitwillig mein Ge⸗ halt ohne Diskussion bewilligt hat, außer Möglichkeit gesetzt, mich jetzt weiter über diesen Gegenstand zu verbreiten; aber vielleicht wird bei der dritten Lesung das Versäumte nachzuholen sein.

Meine Herren, wir brauchen eine Kräftevermehrung, und wenn

der Vorschlag gemacht worden ist, man möge sich doch mit Hilfs⸗ arbeitern behelfen, so hat der Abg. Herr Freiherr von Stumm durchaus Recht, wenn er darauf hinweist, daß auf diesem Gebiete mit Hilfsarbeitern ich will nicht sagen: absolut nichts zu mach ist, aber jedenfalls nicht eine so wirksame Hilfe geleistet werden kann, wie es durchaus nothwendig ist. Meine Herren, der nur vor⸗ übergehend beschäftigte, nicht eingearbeitete Hilfsarbeiter hat garnicht die Muße, hat garnicht die Neigung, er hat garnicht die Aussicht, sich so intensiv in die Dinge hineinzufinden, wie das geschehen muß, wenn man auf diesen schwierigen Gebieten, die dem Reichsamt des Innern zur Bearbeitung unterstellt sind, etwas Ersprießliches leisten will; und die Erfahrung hat gezeigt, daß man gerade guf diesem Gebiete sehr wohl daran thut, die Referate in eine feste Hand zu legen, in die Hand festangestellter Beamten, die es nun gewissermaßen als ihre Lebensaufgabe ansehen, ihre ganze Kraft der Lösung der be⸗ treffenden Aufgaben zu widmen. Also mit Hilfsarbeitern ist nichts zu machen. 1

Nun hat ja auch die Budgetkommission eigentlich das Bedürfniß anerkannt. Selbst diejenigen Herren, welche in der Budgetkommission gegen die Bewilligung des Direktors gestimmt haben, haben doch zu⸗ gegeben, daß eine Kräftevermehrung nothwendig ist, haben aber ge⸗ glaubt, das Geforderte zur Zeit ablehnen zu müssen: theils aus finanziellen Gründen und theils darum, weil sie der Meinung ge⸗ wesen sind, man möge doch zunächst einmal den Versuch mit der bloßen Bewilligung eines vortragenden Raths machen. Ich habe damals in der Budgetkommission, als die Alternative gestellt wurde: was ist besser, ein Direktor oder ein vortragender Rath vielleicht etwas leichtsinnigerweise die Aeußerung gethan: Ja, unter Umständen ist“ mir der vortragende Rath noch lieber als der Direktor. Hier wurde nun von den Herren, die sich von Sparsamkeitsrücksichten leiten lassen, eingehakt und gesagt: Also bewilligen wir den vortragenden Rath. Aber auch diese Herren sind geneigt gewesen, im nächsten Jahre den Direktor zu bewilligen. Nun, meine Herren, wenn Si im nächsten Jahre einen solchen Zukunftswechsel kann ich aber durchaus nicht acceptieren —, wenn Sie im nächsten Jahre den Direktor bewilligen wollen, dann, bitte ich, thun Sie es nur gleich; denn da spricht der Gesichtspunkt mit, den der Herr Abg. Freiherr von Stumm ausgesprochen hat: Wir sind außer stande, die Durch⸗ führung der Bestimmungen oder nur den Entwurf der Bestimmungen über die Sonntagsruhe in den Fabriken so schleunig zu fördern wenn uns nicht sofort die Kräftevermehrung zugestanden wird. Also meine Herren, wenn Sie diese Gründe gütigst durchdenken wollen und wenn Sie sich weiter überlegen wollen, daß eine so langjährige Erfahrung, wie sie mir zur Seite steht, dafür eintritt: die langjährige Erfahrung eines Mannes, der Ihnen noch niemals ein Pf für ein U gemacht hat dann, glaube ich, werden Sie zu der Ueberzeugung kommen: Es ist doch besser, jetzt gleich das zu bewilligen, was beantragt war.

Abg. Bebel (Soz.) spricht sich für die Bewilligung der neuen Direktorstelle aus. Die Hoffnung, daß die Fabrikinspektion einmal vom Reich in einer Zentralstelle vereinigt werden könne, werde sich ja nicht erfüllen. Aber es 1 het nothwendig, die Frage der Sonntagsruhe in den gewerblichen Betrieben zu ordnen. An diese Frage sei die Reichsregierung mit einer großen Gründlichkeit heran⸗ etreten. Freilich seien dabei nur die Unternehmerorganisationen efragt worden; Vertreter der Arbeitervereinigungen sind nicht hinzu⸗ gezogen worden. Bei der Untersuchung der Metallindustrie sind zwar zwei Parteigenossen zugezogen, aber vier Vertreter des Hirsch⸗ Duncker'schen Gewerkvereins. Besser wäre es aber gewesen, sämmtliche Fabrikinspektoren zu einer Konferenz nach Berlin zu berufen. Redner fragt, ob die Bestimmungen über die Sonntagsruhe in den gewerb⸗ lichen Betrieben noch in diesem Jahre in Kraft treten werden.

Staatssékretär Dr. von Boetticher:

Ich habe mich bereits vorhin dahin ausgesprochen, daß die Ver⸗ zögerung, die in der Erledigung dieser Aufgabe eingetreten ist, durch⸗ aus nicht meinen Wünschen entspricht, daß ich sie aber nicht habe ver⸗ meiden können ungeachtet aller von mir nach dieser Richtung auf⸗ gewendeten Bemühungen. Die Ursache der Verzögerung liegt in den ganz außerordentlichen Schwierigkeiten, die die Sache selbst mit sich bringt, und ich kann, nachdem ich zu wiederholten Malen mich speziell um den Fortgang der Arbeit bekümmert habe, das Urtheil meiner Herren nicht für unberechtigt halten, welche sagen, es ist kaum jemals der Verwaltung eine Aufgabe gestellt worden, die rücksichtlich der sie umgebenden Schwierigkeiten größer wäre als diese.

Meine Herren, der Herr Vorredner hat sich dahin ausgesprochen, daß es außerordentlich leicht sei, auf diesem Gebiet die gesetzgeberische Forderung zu erfüllen. Ja, leicht wäre es nur dann, wenn man es bei der generellen Vorschrift der Gewerbeordnungsnovelle belassen wollte, die dahin lautet: am Sonntag darf nicht gearbeitet werden; wenn man aber und der Gesetzgeber hat es gethan sich auf den Standpunkt stellt, daß Ausnahmen von dieser Vorschrift dahin zu⸗ gelassen werden sollen, daß für gewisse Betriebe unter gewissen Modali⸗ täten die Arbeit am Sonntag zulässig sein soll, so muß ganz natur⸗ gemäß eine sorgfältige Untersuchung darüber eintreten, was gegenüber dem gesetzgeberischen Hauptgedanken, daß die Sonntagsruhe in möglichst großem Umfang aufrecht erhalten werden soll, nothwendig sei, um den Bedürfnissen der Industrie und damit auch denen der arbeitenden Klassen denn beide divergieren in diesem Punkte nicht gerecht zu werden. Dazu ist aber weiter erforderlich, daß eine ganz sorgfältige Unter⸗ suchung darüber eintritt, was technisch nothwendig und was wirth schaftlich möglich sei. Der Herr Vorredner hat die Meinung aus gesprochen, es sei in der Sonntags⸗Enquste vom Jahre 1885 ein vollständig ausreichendes Material dafür vorhanden, um beurtheilen zu können, in welchem Umfang die Sonntagsarbeit zugelassen werden müsse. Ja, meine Herren, auf dieser Sonntags⸗ Enquste vom Jahre 1885 beruhen auch gerade die ersten Entwürfe zu den vom Bundesrath zu erlassenden Bestimmungen und die Denkschriften, die diesen Entwürfen beigegeben sind. Als aber das Reichsamt des Innern diese Entwürfe und Denkschriften an die einzelnen Regierungen versandte, da stellte sich aus den Gegen⸗ bemerkungen und Abänderungsvorschlägen, die gemacht wurden, sehr