1894 / 38 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 13 Feb 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Balken, oft zu mehreren zusammengebolzt, zerspellt und zersplittert wie Streichhölzer. Der Rendant der Kirche Herr Radcke, der aus dem der Kirche 15—7 Pfarrhause gerade in dem verhängnißvollen Augenblick heraustrat, als die Katastrophe erfolgte, wurde von einem herabstürzenden Balken schwer getroffen, sodaß ihm der Arm zerschmettert wurde und er auch sonstige Verletzungen am Kopf davontrug, denen er sogleich nach seiner Einlieferung in das städtische Krankenbaus erlegen ist. Da die Unfallstätte durch Balken⸗ unnd Steintrümmer unnahbar gemacht wurde, so ist bis zur Stunde außer den oben erwähnten Verwüstungen noch kein volles Bild über den ganzen Umfang der Zerstörung zu gewinnen. Schon jetzt steht aber fest, daß die den Kirchhof umgebenden Häuser mit ver⸗ hältnißmäßig geringen Beschädigungen davongekommen sind. Die starke eiserne Bewehrung der von der Breiten Straße aus zum Kirchplatz führenden Freitreppe wurde von den stürzenden Trümmern wie Draht zerrissen. Alsbald nach dem Bekanntwerden des Unglücks eilten die Schutzmannschaft und die Feuerwehr herbei, um die Zugänge zu der ÜUnfallstelle abzusperren. Eine solche Maßregel war um so dringender geboten, als sich die Unglücksbotschaft mit Windeseile bis in die fernsten Stadttheile verbreitete und nun Tausende zur Unfallstelle strömten.

Lübeck, 12. Februar. Seit gestern Abend wüthet, nach Mel⸗ dung des „W. T. B.“, ein Orkan mit fürchterlicher Gewalt. In der Stadt und Vorstadt sind viele Häuser abgedeckt und die Dächer sammt Ziegeln, Balken und Sparren straßenweit fortgeschleudert

worden. In dem hanseatischen Invalidenversicherungsgebäude, einem Neubau, stürzten sämmtliche Schornsteine ein und zertrümmerten mehrere Stadtwerke. In Ratzeburg warf der Sturm das Noth⸗Thurmdach zwischen die Gräber des Friedhofs; viele alte Bäume wurden ent⸗ wurzelt, der Pferdebahnbetrieb ist gestört. Abends hat der Sturm etwas nachgelassen.

Flensburg, 12. Februar. Der Sturm hat in der Provinz große Verheerungen angerichtet und viele Häuser abgedeckt. Auf Bahnhof Schleswig⸗Friedrichsberg wurde das Perrondach herabgerissen. In Sonderburg ist die Pontonbrücke beschädigt, der Wagenverkehr über dieselbe unterbrochen. Von Menschenverlusten verlautet bisher nichts.

Hamburg, 13. Februar. „H. T. B.“ berichtet: Hier wüthet seit gestern ein furchtbarer Orkan. Mannsdicke Bäume wurden entwurzelt, hunderte von Schornsteinen und ganze Häuser umgeweht und Dächer abgedeckt. Vier Menschen wurden getödtet und elf mehr oder minder schwer verwundet. Sechs Seeschiffe wurden von der Vertauung los⸗ gerissen und viele Fahrzeuge in Grund gebohrt. Acht mit Getreide und Harz beladene Oberländer⸗Kähne sind gesunken. In Altona wurde das Thurmkreuz der St. Johanniskirche abgeweht, es schlug durch das Kirchdach. Die Verwüstungen sind ganz enorm. Gestern

Abend ist das Elbufer überfluthet worden. Der höchste Wasser⸗ stand beträgt neun Meter über normaler Höhe. Wie dem „Hamb. Corr.“ berichtet wird, ist die Zahl der gesunkenen Fahrzeuge sehr groß und vermehrt sich noch fortwährend, da gegen 2 Uhr von einem Flauerwerden des Windes noch nichts zu bemerken war. Der Firma Heidmann in der Hafenstraße sind acht Schuten mit Kohlen gesunken. Am Steinhöft, an den Kajen, am Meßberg und an anderen Plätzen sind viele Fahrzeuge in die Tiefe gegangen. An den mit Stauholz, Planken und anderen fortgeschwvemmten Sachen bedeckten Ufern sind die Geschäfts⸗ leute der Wasserkante eifrig bemüht, ihre Jollen, die von den größeren Schiffen sehr leicht zerdrückt werden könnten, in Sicherheit zu bringen. Sehr arge Verwüstungen hat der Sturm zwischen den Seeschiffen angerichtet. Am Kirchenpauerquai ist der deutsche Dreimast⸗Schooner „Johann Adolph’“ gekentert. Dem Wacht⸗ mann gelang es, sich nebst einer Katze und einem Hund zu retten. Die an Steinwärder liegende Bark „Taurus“ hatte heute Morgen die Nothflagge gehißt. Das Schiff holte so stark über, daß sein Kentern jeden Augenblick zu erwarten war. Die englische Bark „Chipperkyle“ hat sich, dem Winde nachgebend, im Hansahafen auf „Ladv Palmer⸗ ston“ und „Amphitrite“ gelegt. wei Oberländer Kähne sind hierdurch gesunken. Stark bedrängt ist die Bark „Pows Castle“. Die norwegische Bark „Medbör“ hat den Besanmast verloren. Drei Dampfer von Kirsten sind hier ins Treiben gerathen. Im Kirchen⸗ pauerhafen kollidierte der norwegische Dreimast⸗Schooner, Viec⸗

toria“ mit dem deutschen Schiff „Panama“, wobei letzterem das Vordergeschirr zerstört worden ist. Der Viermast. Schooner „Galgate⸗ liegt quer im Segelschiffhafen und sperrt die Passage. Die Bark „Potrimpos“ konnte am Vormittag zum Verholen keine Schlepper bekommen, da die Inhaber der Bugsiergeschäfte ihre Dampfer nicht dem Ungewissen preisgeben wollen. Die Fahrt über den Strom ist fast mit Lebensgefahr verknüpft, weil der starke Wind die Dampfer gleich Nußschalen hin⸗ und herwirft. Weiter wird demselben Blatt ge⸗ meldet: Die orkanartigen Stürme der letzten Tage haben in den Waldungen der Umgegend, besonders im Sachsenwald viel Schaden angerichtet. Hundertjährige Bäume wurdenentwurzelt und niedergeworfen. Auch die jungen schlankgewachsenen Tannenbestände sind an manchen Stellen gebrochen, sodaß noch viel Windbruchholz zum Verkauf kommen wird. Eines so mächtigen Sturms, der auch auf den Dörfern an Gebäuden und Strohdächern viel Schaden gethan, weiß man sich seit vielen Jahren nicht zu erinnern. Der Sturm hat auch in Wandsbek und der Umgegend in letzter Nacht mehrfach Schadenangerichtet. In eir en Garten der Schillerftraße wurde eine hohe Planke umgeweht und am Jenfelderwege das Dach eines Hauses völlig abgedeckt. Die Be⸗ wohner des Hauses mußten dasselbe noch in der Nacht verlassen, da der strömende Regen alles durchnäßte. Ihr Hausgeräth brachten sie unter großen Schwierigkeiten anderweit ins Trockene. Unfälle ähnlicher Art sind auch in den benachbarten Dörfern vorgekommen. Cuxhaven, 12. Februar. Die englische Bark „Lake Simcoe“, nach London bestimmt, und der dänische Dreimast⸗ choner „Ellida“, nach Maracaibo bestimmt, sind dem „W. T. * zufolge beide heute Nacht nach den Nordergründen vertrieben und gestrandet. Die Mannschaft der „Ellida“, sieben Mann, sitzt in den Masten; der Verbleib der Mannschaft von „Lake Simcoe“ ist unbe⸗ kannt. Schlepper und Rettungsboote sind abgegangen.

Bremen, 12. Februar. Der seit mehreren Tagen herrschende starke Südwestwind artete heute Vormittag in einen heftigen Sturm aus und verursachte zahlreiche Beschädigungen an Dächern, Schorn⸗ steinen und Bäumen. Die Telegraphen⸗ und Telephon⸗ verbindungen wurden vielfach unterbrochen. Verluste an Menschen⸗ leben sind nicht zu beklagen.

Harburg, 12. Februar. Der „Hann. Cour.“ berichtet: Ein Sturm, wie er selten hier erlebt wurde, untermischt von heftigen Regen⸗ und Hagelschauern, erhob sich gestern gegen Abend und hielt die ganze Nacht hindurch und auch noch heute Morgen an. Der Schaden, den dieser an Häusern, Telegraphen und Bäumen angerichtet hat, dürfte kein geringer sein. Der Wasserstand der Elbe ist fort⸗ gesetzt sehr hoch. Die „Hohe Schaar“, eine nicht eingedeichte Elbinsel, ist vollständig unter Wasser gesetzt.

Rinteln, 12. Februar. In verflossener Nacht wurde auf der Stövesandt'schen Glasfabrik durch den orkanartig wüthenden Sturm ein neuerbauter Fabrikschornstein umgeworfen. Das Dach der „Linahütte“ ist zertrümmert, ein Arbeiter blieb todt, einer wurde so schwer verwundet, daß die Ueberführung ins Land⸗Krankenhaus nöthig war, und mehrere erlitten Quetschungen. Der Schaden ist ein bedeutender. 8

Lingen, 11. Februar. Vor einigen Tagen wurde ein langsames Fallen des Wasserstandes der Ems von der oberen Ems gemeldet. Der anhaltende, theilweise starke Regen hat aber wieder ein erheb⸗ liches Steigen des Stromes nach sich gezogen, sodaß nunmehr die angrenzenden Wiesen vollständig überfluthet sind. Einzelne Ortschaften und Bauerngehöfte in den Emsniederungen sind nur mehr auf Um⸗ wegen zu erreichen. Die fortwährenden Niederschläge, sowie der starke Wellenschlag, verursacht durch den tagelang währenden Sturm, lassen ein Schadhaftwerden der neu angeworfenen Böschung des Dortmund⸗ Emshäfen⸗Kanals befürchten.

Glückstadt, 12. Februar. Das hiesige Betriebsamt macht bekannt: die Strecke Stedesand Langenhorn ist wegen Hoch⸗ wassers unfahrbar. Die Züge von Süden fahren bis Langenhorn, von Norden bis Stedesand. 1

Penzlin, 13. Februar. Durch den Einsturz einer Scheune in Adamsdorf wurden zahlreiche Kinder verschüttet, von denen fünf todt, zwei schwer, die übrigen leicht verletzt unter den Trümmern aufgefunden wurden. Die Kinder sind alle im Alter von 10 bis 14 Jahren.

Düsseldorf, 12. Februar. Die Schiffbrücke kann der „Köln. Z.“ zufolge infolge des heftigen Sturmes nicht ausgefahren

werden. Eine große Anzahl von Schiffen wartet auf Durchlaß, der Verkehr stockt augenblicklich vollständig. Aachen, 12. Februar. Zwischen Morsbach und Kohlscheid ist der Bahnbetrieb wegen Dammrutschung eingestellt worden. Köln, 12. Februar. Seit gestern zieht ein starker, stoßweise auftretender Sturm auch über unsere Gegend. Besonders heftig wurde er in der vergangenen Nacht. Dachdeckungen, Bauzäune und Fenster haben hier und dort Schaden genommen. Die Baumanlagen der Ringstraße haben ebenfalls stellenweise stark gelitten. Dresden, 12. Februar. „W. T. B.“ meldet: Seit gestern herrscht hier orkanartiger Sturm mit Regenböen. Die Telephon⸗ verbindungen mit Berlin, Leipzig und fast sämmtlichen Orten von Sachsen sind unterbrochen. In Radeberg ist eine große Fabrikesse eingestürzt. Die Abendblätter bringen die Meldung von dem Einsturz des Gerüstes am Neubau der Altersversicherungsanstalt in der Dürerstraße, wobei zwei Arbeiter und zwar der eine der⸗ selben schwere innere Verletzungen erlitten haben sollen. An⸗ dauernd laufen Meldungen von weiteren Unfällen, Beschädigungen von Häusern und dabei zu Schaden gekommenen Personen ein. Posen, 12. Februar. Der „Voss. Z.“ wird telegraphiert: Seit heute Nachmittag wüthet hier ein furchtbarer Sturm, der in Stadt und Umgegend beträchtlichen Schaden anrichtet. In den Glacis vor der Stadt wurden zahlreiche Bäume abgebrochen oder entwurzelt. Auch die Fernsprechverbindung mit Berlin ist unterbrochen. ien, 12. Februar. Aus allen Theilen des Landes laufen bei dem „D. B. H.“ Meldungen von erheblichen Beschädigungen ein, die der seit drei Tagen wüthende orkanartige Sturm verursacht hat. Die meisten Eisenbahnzüge treffen in ihren Bestimmungsorten mit großen Verspätungen ein, die Telegraphen⸗ und Telephonleitungen sind vielfach vollständig gestört. Auch mehrere Unglücksfälle sind zu verzeichnen. Kopenhagen, 12. Februar. Wegen des herrschenden Orkans sind, wie „W. T. B.“ meldet, die Ueberfahrten von Gjedser nach Warnemünde eingestellt, bis sich das Wetter bessert. Korsör, 13. Februar. Der Postdampfer nach Kiel ist gestern Nachmittag 2 Uhr 30 Minuten, die Fähre nach Nyborg um 2 Uhr 50 Minuten abgegangen. Bei dem gestrigen Orkan wurde der Rad⸗ kasten des deutschen Postschiffes „Adler“ gegen das Bollwerk geschleudert und beschädigt. . Antwerpen, 12. Februar. In dem furchtbaren Sturm, der seit gestern hier wüthet, sind nach der „Köln. Ztg.“ der dänische Dreimastschuner „Mai“ und die englische Bark „Kingside“ ge⸗ scheitert. Die deutsche Bark „Hedwig“ wurde unter Verlust des Ankers nach Terneuzen geschleppt. 8 Verviers, 13. Februar. Eine furchtbare Feuersbrunst äscherte, wie „D. B. H.“ berichtet, in der verflossenen Nacht die roßen Webereien der Firma Dreze vollständig ein. Den aterialschaden schätzt man höher als 1 ½ Millionen Franks. Ueber 1000 Arbeiter sind infolge des großen Brandunglücks beschäftigungslos geworden.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Paris, 13. Februar. (W. T. B.) Der „Siscle“ weist in einem Artikel über das gestrige Attentat (siehe unter Frankreich) darauf hin, daß eine Anzahl Blätter für die Be⸗ gnadigung Vaillant's eingetreten seien und fragt, ob sie diese unheilvolle Komödie auch anläßlich Breton’'s anfangen würden. Jede Nachgiebigkeit und jede Schwäche gegen die Sozialisten, die ihren Absichten nach Complicen der Anarchisten seien, würde Verrath sein. Das „Journal des Débats“ er⸗ klärt, angesichts solcher Verbrechen brauche man andere Waffen, als die Gesetze böten. Es verlautet, man habe bei Breton, der vermuthlich Pariser ist, einen vergifteten Dolch gefunden.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

1“ t vom 13. Februar,

r Morgens. W 8

S.

In Scene

82* 82

m.

8

Stationen. Wetter. Gumppenberg.

Temperatur in 0 Celsius

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressp. red. in Mill

2 bedeckt

4 halb bed. 1 hbeiter

Belmullet .. Aberdeen.. Kopenhagen. Cork, Queens-

owomn .. Cherbourg Helder.... Sylt

Donnerstag:

——— S 5=8⸗ —9 Sf

NW

2 heiter 7 halb bed. WNW 4 wolkig WNW 3 halb bed. ¹) mburg.. WSW 6 halb bed. ²) Swinemünde SSW 6 wolkig*) Neufahrwasser W 5 bedeckt¹) Memel ... WNW Sbhalb bed. 5) Münster... SW 2 Schnee Karlsruhe .. SW A4Regens) Wiesbaden W 2 bedeckt) München .. W 5 bedeck 8) Chemnitz .. WSW 4 wolkig Berlin.... WNW ö5 bedeckt ö1“ W 3 bedeckt Breslau ... WSW 6 wolkenlos stil Regen

¹) Nachts böig. ²) Gestern schwerer Sturm. ³) Gestern zeitweise Böen mit Hagel, Schnee und Regen. ⁴) Nachts Sturm. ⁵) Nachts schwerer Sturm. ⁸) Gestern Vormittag Regen. ⁷) Nachts Regen. ³) Nachts Regen.

Uebersicht der Witterung.

Das barometrische Minimum, welches gestern über Südnorwegen lag, ist auf seiner Südseite, begleitet von schweren Sturmböen aus südwestlicher und west⸗ licher Richtung, ostwärts nach Rußland fortgeschritten und verursacht noch jetzt an der ostdeutschen Küste stürmische westliche Winde, zu Rügenwaldermünde Weststurm. Auf den Britischen Inseln ist das Barometer sehr stark gestiegen und sind nordwest⸗ liche Winde vorherrschend geworden, welche im Kanal steif, im übrigen meist nur mäßig auftreten. In Deutschland, wo allenthalben Niederschlag gefallen ist, ist bei durchschnittlich frischer westlicher Luft⸗ strömung das Wetter vorwiegend trübe und erbeblich kälter, indessen liegt die Temperatur daselbst noch überall über dem Mittelwerthe.

Deutsche Seewarte.

M Uos unpe MExaxeeMNNSr Kcssea. H KeTen, Sese ISeereerern veres. Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schanspiele. Mittwoch: Opern⸗

haus. 39. Vorstellung. Der fliegende Holländer

8

2

Felix

Senator. Donnerstag:

AÆAEFRFRcCRRcNRARNRF ShiE & S⸗ vv

22 to œ to Otoco- -

22ö2nnISAö=N

N 0

Gift.

Acosta.

Roth. 7 Uhr.

burg.

Schwank

Romantische Oper in 3 Akten von Richard Wagner. gesetzt vom Dirigent: Kapellmeister Weingartner. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. Komödie in 1 Aufzug von Hans von In Scene gesetzt von Ober⸗Regisseur

Neues Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗

r Zum ersten Male. Scenen aus dem neapolitanischen Volks⸗

Marx Grube. in 3 Aufzügen, nach einem Zwischenspiel des Cer⸗ vantes, von Emil Gött. Ober⸗Regisseur Max Grube. Opernhaus. Hochzeit des Figaro. von Wolfgang Amadeus Mozart. Text nach Beau⸗ marchais, von Lorenzo da Ponte. Knigge⸗Vulpius. Schauspielhaus. 46. Vorstellung. nachtstraum von William Shakespeare, übersetzt von August Wilhelm von Schlegel. endelssohn⸗Bartholdy. Graeb. Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater.

Anfang 7 Uhr.

Das erste Mittagessen. In

Das

Berlin 1893. Freitag: Der Herr Senator.

Berliner Theater. Mittwoch: Ein Tropfen Anfang 7 Uhr.

Donnerstag: Zum 1. Male. Timon von Athen. Freitag: 25. Abonnements⸗Vorstellung. (Ludwig Barnay.)

Lessing⸗Theater. Mittwoch: Ohne Geläut. Donnerstag: Madame Sans⸗Gene. 1 Freitag: Ohne Geläut.

Wallner⸗-Theater. Mittwoch: Heimath. Donnerstag: Mauerblümchen.

Friedrich⸗- Wilhelmstädtisches Theater.

Chausseestraße 25.

Mittwoch: Der ee See. rette in 3 Akten (nach einer ä

E. Schlack und L. Herrmann.

In Scene gesetzt von Julius Fritzsche.

Dirigent: Herr Kapellmeister Krones.

Freitag: Mit vollständig neuer Ausstattung. Zum 1. Male: Brautjagd. in H. Hirschel. Musik von Franz von Suppé.

Residenz⸗Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ Mittwoch: Zum 52. Male. gatte. (Le premier mari de France.)

in 3 Akten von Albin Valabréègue.

Vorher: Lolotte. Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Meilhac und Ludw. Halévy.

Donnerstag u. folg. Tage: 45. Vorstellung. Die Minne⸗ Schwank in 3 Akten von Bisson.

Verbotene Früchte. Lustspiel

burg. Mittwoch:

In Scene gesetzt vom Porto.

Anfang 7 Uhr. 40. Vorstellung. Die Komische Oper in 4 Akten Lautenburg. Ansang 7 ½ Uhr. Uebersetzung von Freitag: A Basso Porto. Ein Sommer⸗ Viktoria-Theater. Mittwoch:

Anfang 7 Uhr.

Musik von

Tanz von Emil

ö st Mittwoch: Der Herr 7 ½ Uhr.

Der Obersteiger. West und L. Held. 7 ½ Uhr.

Fest der Handwerker.

Charley’s Taute. Schwank

Brandon Thomas.

9 .“ Jacobson und Benno Jacobson.

Mittwoch: Zum 17. Male. Hierauf: Zum 53. Male.

7 ½ Uhr.

Wegen der auf Wunsch Ope⸗ teren Idee) von Musik von Louis

Schwank in 1 Akt von H. Anfang 7 ½ Uhr.

Dieselbe Vorstellung. In Vorbereitung: Der Maskenball (Veglione).

leben in 3 Akten von Goffredo Cognetti. von Emile Dürer. In Scene gesetzt von Sigmund

Donnerstag: A Basso Porto.

Belle⸗Alliancestraße 7/8. Nur noch wenige Aufführungen von Die Kinder des Kapitän Grant. stück mit großem Ballet in 12 Bildern.

Theater Unter den Linden. Operette in 3 Akten von M. Musik von C. Zeller. Anfang

Adolph Ernst⸗Theater. Mittwoch, 7½B Uhr:

on nas. Vorher: riel Parodistische Posse mit Gesang in 1 Akt von Ed.

Roth. In Scene gesetzt von Adolph Ernst. Donnerstag: Dieselbe Vorstellung.

Bentral⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Herr Conlisset. Schwank in 3 Akten von E. Blum und R. Toché. Berlin 1893. Revue in 2 Abtheilungen von L. Leipziger.

Seiner Majestät des Kaisers im Deutschen Theater stattfindenden Wieder⸗ holung der Meißner⸗Vorstellung, in welcher das ge⸗ sammte Personal des Zentral⸗Theaters die Revue Berlin 1893 zur Aufführung bringt, bleibt das Theater am Donnerstag geschlossen.

Saal Bechstein. Mittwoch, Abends 7 ½ Uhr: Klavier⸗Abend von Clotilde Kleeberg.

Birkus Renz (Karlstraße). Mittwoch, Abends 7 ¼ Uhr: Nur noch dreimal: Ein Künstlerfest. Außerdem: der ostpreußische Hengst Blondel und Monstre⸗Tableau von 60 Pferden, vorgef. v. Dir. Fr. Renz; das Schulpferd Prinz, geritten ve Herrn R. Renz; Cromwell und der Steiger Alex geritten von Frl. Oceana Renz; die Akrobaten auf dem Telephondraht Zalva, Espana u. Alvar; die Jongleurin zu Pferde Frl. Agnes; der urkomische Imitator⸗Clown Mr. Bbbs ꝛc.; die Gigerl zu Pferde, dargestellt von Mr. Fassio ꝛc.

Donnerstag: Zum vorletzten Male: Ein Künstlerfest.

A Basso Deutsch

Ausstattungs⸗

Anfang 8 8 Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Elisabeth von Blum mit Hrn⸗ Prem.⸗Lieut. von Wrisberg (Lüneburg). Frl. Anna von Breitenbauch mit Hrn. Rittergutsbesitzer Dr. Heinrich Crusius (Altenburg —Sahlis). Frl. Ella Paesler mit Hrn. Kapitän⸗Lieut. Fritz Sommerwerck (Berlin).

Verehelicht: Hr. Hugo von Gottberg mit Frl. Bertha von Zitzewitz (Klein⸗Dübsow). Hr. Pfarrer Johannes Grunwaldt mit Frl. Elisabeth Buggenhagen (Berlin Vielguth).

Musik von F Geboren: Ein Sohn: Hrn. Prem.⸗Lieut. Gebhard üusik von Franz] von Krosigk (Stendal). Hrn. Rittmeister Seiffert (Insterburg). Hrn. Frederick Frhrn. von Schröder (Hamburg). Eine Tochter: Hrn. Superintendent Petzholtz (Potsdam).

Gestorben: Fr. Gräfin Katharina Bninska, geb. von Taczanowska (Berlin’. Fr. Elisabeth von Pöppinghausen, geb. Freiin von Dücker (Stendal). Hr. Major a. D. Gustav von Reckow (Bär⸗ walde i. P.). Fr. General von Wohyna (Berlin). Hr. Ober⸗Regierungs⸗Rath a. D. Gustav Dodillet (Gut Sarken per Neuendorf,

29. Kreis Lock).

Mittwoch:

in 3 Akten von Die Bajazzi.

Anfang

Redakteur: Dr. H. Klee, Direktor.

Berlin: 5 Verlag der Expedition (Scholz).

——

Anfang

Operette in 3 Akten von

Konzert-fHaus. Konzert. Wagner⸗Feier. 3 Krausenstraße 48. Hotel⸗Gäste

Der Muster- Sing-Akademie.

aus Wiesbaden.

Konzerte.

Mittwoch: Karl Meyder⸗

otel Kölnischer Hof, aben freien Eintritt.

Mittwoch, Abends 8 Uhr: Konzert mit eigenen Kompositionen von Mar Reger

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlage⸗ Anstalt Berlin SW., Wilbelmstraße Nr. 32 Sieben Beilagen

(einschließlich Börsen⸗Beilage), sowie die Inhaltsangabe zu Nr. 6 des öffent⸗ lichen Anzeigers (Kommanditgefelschaftenae.

Aktien und Aktiengesellschaften) für die d vom 5. bis 10. Februnar 1894.

Deutscher Reichstag.

47. Sitzung vom Montag, 12. Februar, 1 Uhr.

Die Berathung des Etats der Post⸗ Telegraphenverwaltung wird fortgesetzt.

Ueber den Beginn der Berathung ist bereits in der Nummer vom Montag berichtet worden. Dem Abg. Dr. Lingens (Zentr.), der zunächst das Wort hatte und die Resolution der Abgg. Graf Hompesch u. Gen. (Zentr.) auf vermehrte Sonntags⸗ ruhe im Postdienst empfahl, antwortete der Staatssekretär Dr. von Stephan mit folgender Rede:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat die Einleitung zu seinen Ausführungen auf einen erhabenen Ton gestimmt; das hat in der That etwas Wohlthuendes in einer Zeit, wo wir so viele Proben von wildem Realismus und von rohem Naturalismus erleben. Ich bin weit davon entfernt, diesen er⸗ habenen Ton herabzustimmen; aber ich möchte doch eine Bemerkun

und

an die alttestamentarischen Zitate und die Konziliumbeschlüsse an⸗ knüpfen, die der Herr Abgeordnete im Anfang seiner Rede erwähnt

hat. Was er anführte, war das bekannte Gebot aus dem Alten Testament, welches ja absolut scharf und strikt lautet, ganz entsprechend der starren talmudischen Auffassung. Demgegenüber möchte ich daran erinnern, daß die neutestamentarische Auffassung im Sinne unseres Erlösers eine bei weitem mildere war; denn wenn der geehrte Ab⸗ geordnete, der doch genauer als ich in der Heiligen Schrift Bescheid weiß, das Evangelium Marci aufschlägt, im 2. Kavitel im 27. Vers, so wird er finden, daß es da heißt: Der Sabbath ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbaths willen; also eine von der alttalmudischen und alttestamentarischen außerordentlich abweichende Auffassung.

Wenn ich nun zur Sache selbst übergehe, dann möchte ich noch voranschicken, daß, wie Ihnen bekannt ist, im Reich Ermittelungen schweben, um die Ausführungsbestimmungen zu den in der Gewerbe⸗ ordnung und anderen allgemeinen Gesetzen enthaltenen Paragraphen über die Sonntagsheiligung festzusetzen. Es ist Ihnen ja neulich schon bei einer anderen Gelegenheit von meinem Herrn Kollegen, dem Staatssekretär des Innern auseinandergesetzt worden, wie umfassend diese Ermittelungen sind und wie sehr sie in Einzelheiten eingreifen, bei denen die allerverschiedensten Ansichten, die entgegenstehendsten Interessen zu berücksichtigen sind. Man wird erst abwarten müssen, wie die Klärung der Verhältnisse auf diesem allgemeinen Ge⸗ biete sich vollzieht, ehe eine einzelne Reichsverwaltung gewissermaßen vor die Front herausspringen kann mit einer Separatbestimmung, die mit den für das allgemeine Geschäftsleben bestehenden Anord⸗ nungen gar nicht übereinstimmt und daher für letzteres sehr erhebliche Verlegenheiten hervorrufen würde. Ich will gar nicht verreden, daß man diese Resolution in Erwägung nimmt; aber Sie werden unmöglich erwarten, daß wir, wenn diese ganze Materie vom allgemeinen Standpunkt des Gesetzgebers aus für die sämmtlichen Erwerbszweige der öffentlichen Verwaltung es kommt hier auch die Eisenbahn in Betracht behandelt wird, auf diesem Gebiete einseitig vorgehen können, so gern wir es möchten ich bin dem Herrn Vorredner dankbar, daß er unsere Bestrebungen in dieser Beziehung anerkannt hat.

Ich erwähnte eben die Eisenbahn. Der Herr Vorredner hat ein Beispiel angeführt Beispiele haben ja immer etwas sehr Schlagendes; exempla trahunt daß er nämlich bei der Durchfahrt durch Hannover auf dem Bahnhof die Perronwagen gesehen habe mit Packeten, die in den Zug geladen werden sollten, um weiterbefördert zu werden. Hat der geehrte Herr Vorredner denn nicht auch die Passagiere ge⸗ sehen, die dem Bahnhof zuströmten und auch befördert werden mußten? Das Passagiergut ist dabei auch in großer Zahl vertreten. Es ist aber eine große Anzahl von diesen Eisenbahnsendungen nicht so schleunig und dringend als die Sendungen, die auf der Post be⸗ fördert werden müssen.

Der Herr Abgeordnete hat dann gesagt, ob man nicht ähnlich wie in Belgien ein Doppelporto erheben könnte oder einfach Frei⸗ marken schaffen mit der Aufschrift: „ne pas livrer le dimanche“. In Belgien hat sich das nicht bewährt. Wir haben diese Sache verfolgt, dabei aber gefunden, daß sehr erhebliche Uebelstände damit verbunden sind sowohl für den Dienst mit der Aussonderung einer besonderen Kategorie aus der Unmasse von Sendungen, die Sonntags nicht zu bestellen sind, als auch hinsichtlich der Beschwerden des Publi⸗ kums. Bei jedem Briefe sind zwei Personen betheiligt, der Absender und der Empfänger. Es beschwert sich entweder der eine oder der andere; in den meisten Fällen beschweren sich alle beide, daß der Brief nicht pünktlich angekommen ist. Daran denkt keiner, daß es ein Aus⸗ nahmebrief ist, der am Sonntag nicht bestellt werden sollte.

b Der Vorredner hat ferner auf die Schweiz exemplifiziert. Soviel Wich unterrichtet bin, und ich bin ziemlich gut unterrichtet, besteht in der Schweiz eine einmalige Packetbestellung am Sonn⸗ tag Vormittag. Also dieses Beispiel dürfte wohl nicht passen, Er hat ferner gesagt, in den katholischen Ländern wäre es besenders empfindlich, wenn man des Sonntags Packetwagen herum⸗ fahren sähe. Ich möchte doch darauf aufmerksam machen, daß gerade in den hauptkatholischen Ländern fast gar keine Beschrän⸗ kungen des Sonntagsdienstes im Post⸗ und Telegraphenwesen be⸗ stehen, in Oesterreich einige; aber je katholischer, desto weniger finden Sie solche Beschränkungen der Sonntags⸗ It 8 1 EE1“ Iealhen bestehen gar keine.

Dann h 2 an mich gerichtet auf einem Gebiet, wo ich immer sehr empfindlich bin, nämlich auf dem Gebiet des internationalen Verkehrs. Er hat gemeint, wir sollten im Welt⸗ postverein dafür wirken, daß diese Bestimmungen für den Sonntagsdienst verallgemeinert würden. Zu dem Weltpost⸗ egr gehört eine Menge Länder mit anderen Glaubens⸗ 8 einen ganz anderen Sonntag haben, wie wir. g S für unseren Sabbath in epeuc⸗ nehmen, nehmen sowie die 1heg für ihren Sonntag in Anspruch, und die Türkei

brigen mohamedanischen Länder müssen den Freitag

8

Berlin, Dienstag, den 13. Februar

nzeiger und Königlich Preußi

bekommen. Es giebt auch Völker, die den Donnerstag als ihren heiligen Tag haben. Schließlich bleibt kein Tag übrig, wo der Dienst überhaupt versehen werden kann. Das geht also auch nicht.

Nun hat der Herr Abgeordnete und dafür bin ich ihm auch dankbar nach dem jetzigen Zustande gefragt. Da kann ich Ihnen mit den Zahlen, die wir schon, glaube ich, in der Budgetkommission gegeben haben, wieder dienen; aber ich will nur die Summe nehmen weil sie entscheidend ist:

Am 31. März 1892 war die Sonntagsruhe erreicht für 99,83 % des gesammten Betriebspersonals. Seit der Zeit ist man noch weiter in dieser Richtung vorgegangen, ganz entsprechend den Wünschen, die der Herr Abgeordnete mit einer bewundernswerthen und sehr an⸗ erkennenswerthen Konsequenz hier seit Jahren zum Ausdruck gebracht hat. Es ist uns also gelungen, bis zum 31. März des Jahres 1893, also ein Jahr später, diese Zahl der vom Sonntagsdienst befreiten Beamten auf 9988,100 % auszudehnen; es fehlt also nur noch 1,100 des ganzen Betriebspersonals. Das war im März 1893; seit der Zeit aber sind wieder elf Monate verflossen, und wir haben nicht aufgehört, die Sache weiter zu verfolgen. Während bis dahin noch auf je 10 000 Mann einer kam, der die Sonntagsruhe nicht hatte, sind wir jetzt so weit, daß auch dies durchgeführt ist, daß wir also zu unserer eigenen großen und im Interesse unserer Beamten ziemlich mit dieser 2 aßreger abgeschlossen baben. Ich glaube, man darf den jetzigen Zustand also wohl in jeder Beziehung als einen befriedigenden be⸗ zeichnen.

Nun steht in dem Antrag: es sollen die Weihnachtsfeiertage aus⸗

genommen werden; das haben die Herren Antragsteller nun schon ge⸗ fühlt, daß unter außergewöhnlichen Verhältnissen irgend eine Kon⸗ zession an den Verkehr gemacht werden muß. Was aber für die Weihnachtsfeiertage gilt, gilt ebenso für die Oster⸗ und Pfingstfeier⸗ tage, wo ganz ungewöhnlich viele und schnelle Versendungen vor⸗ kommen, um anderen eine Festfreude zu machen, und diese gehört do auch zur festlichen, feierlichen Stimmung. Namentlich auf das Land kommen viele Packete und umgekehrt werden viele vom Lande geschickt, be⸗ sonders an Soldaten, an die Söhne und Brüder, die sich unter den Waffen befinden. Gerade die Anzahl dieser Soldatenpackete ist von großer Be⸗ deutung: an solchen Tagen beläuft sich der Sonntags⸗Packetverkehr auf etwas über 300 000 Stück. Soll man alle diese Sachen liegen assen bis zum Montag? Dann wäre es unmöglich, am Montag den Dienst prompt und ordnungsmäßig auszuführen. Mit der Ein⸗ stellung von Aushelfern ist nichts zu machen, denn es müssen gelernte und geübte Beamte sein. Von den Ausgaben willl ich nicht sprechen, denn die kommen auf diesem Gebiet, namentlich nach den Anschauungen des Herrn Vorredners, garnicht in Betracht. Aber die Anhäufung für den Dienst, die Verschlechterung des Verkehrs, die allgemeinen Beschwerden, die daraus entstehen, wenn der Packetverkehr am Sonntag ganz aufhören sollte, bitte ich nicht zu unterschätzen Früge man die Handelskammern, die wir doch als die berechtigten Vertreter des Verkehrs ansehen, und über die hier vorgeschlagene Maßregel hören müssen, so bin ich überzeugt, die Antwort würde lauten, daß es unmöglich sei, den Dienst am Sonntag völlig einzu⸗ stellen und den ganzen Verkehr auf den Montag zu verlegen. Es klingt nun ganz harmlos und unverfänglich, wenn gesagt wird: man kann ja die Eilsendungen am Sonntag fortbestehen lassen; und das will ja der Herr Vorredner selber. geschieht, so müssen wir auch den Apparat von Beamten zur Stelle haben, es müssen Wagen da sein, nicht so viel natürlich, als wenn der ganze Packetverkehr vor sich geht, aber eine ganz erhebliche Anzahl; es müssen die Packkammern offen gehalten werden; kurz, wenn die Beamten einmal da sind, können sie auch den anderen Dienst besorgen.

Nun mache ich noch auf einen sehr wichtigen Punkt aufmerksam. Es ist immer gefährlich, privilegierte Sendungen zu schaffen; die Speku⸗ lanten würden sich sofort dieses Mittels bedienen und würden zum Nachtheil des Bauern, des kleinen Mannes und des allgemeinen Ver⸗ kehrs sofort die Packete, an denen ihnen gelegen ist, die ihre Handels⸗ geschäfte betreffen, per Eilsendung schicken, denn es kommt ihnen auf die paar Groschen mehr nicht an. Sie würden also durch diese Maßregel, ich wiederhole es, ein Privilegium schaffen die begüterten Klassen. Das überlegen Sie sich mehrmals, ehe Sie auf den Boden dieser Resolution treten. Ich halte es in unserer jetzigen Zeit für höchst bedenklich.

Endlich möchte ich noch darauf aufmerksam machen, daß Sie mit dieser Maßregel den Packetverkehr am Sonntag nicht todt machen, ich will sagen ersticken, zurückhalten für den Montag, nein, Sie treiben ihn einfach in die Hände der Privat⸗Postanstalten und Privatspediteure, die all' das besorgen würden, allerdings zum großen finanziellen Nach⸗ theil der Postverwaltung. Das ist doch auch ein wichtiger Punkt, den Sie bei einer so ernsten Sache überlegen müssen, ehe man auf solche Resolutionen, die unter dem erhabenen Gewande eines religiösen Kultus sich darstellen, eingeht.

Der letzte Punkt, den ich zur Sprache bringen könnte und damit dürfte wohl ziemlich alles erschöpft sein, was sich über den Gegenstand sagen läßt ist die Konkurrenz des Auslandes. in den ausländischen Staaten der Packetverkehr am Sonntag weiter⸗ geht und bei uns nicht, wenn alle Sendungen um 24 Stunden und länger zu Ostern und Pfingsten sind es 48 Stunden und es kommt ja der Charfreitag auch noch in Betracht verzögert werden, so ist das Ausland ja viel günstiger daran, und Sie unter⸗ stützen die Konkurrenz des Auslandes gegen unsere Industrie, auf der ohnehin schon die großen Lasten ruhen, die die sozkalpolitische Gesetzgebung auferlegt. Wollen Sie sich nach der Seite auch Gegner hervorrufen, dann bleiben Sie dabei; jedenfalls muß man solche sehr schwerwiegende Gesichtspunkte auf die andere Seite der Wagschale legen, ehe man seine Entscheidung trifft. G 8 Ich wiederhole also zum Schluß: Wir sind gern bereit, die Sache in Erwägung zu nehmen. Sie sehen aber, daß ihr ungeheure Schwierigkeiten entgegenstehen —; wir werden uns nicht grundsätzlich

Wenn das

13 5

Wenn.

2 2 oppositionell verhalten, aber Sie können es uns nicht übel nehmen, daß wir bei der Lage, in der sich die Sache befindet, Versprechungen und Zusicherungen jetzt nicht geben können. Wir müssen abwarten, was der Bundesrath mit dem hohen Reichstag über die Sonn ruhe in Bezug auf die allgemeinen Gebiete vereinbaren wird.

. Abg. Gescher (dkons.) tritt für den Antrag des Zentrums ein. Die Gegengründe des General⸗Postmeisters seien nicht stichhaltig. Wenn von Reichswegen die Einrichtung der Sonntagsruhe und der äußeren Heilighaltung des Sonntags getroffen sei, so möchten die Reichs⸗ und Staatsbetriebe mit gutem Beispiel vorangehen. In den Ländern des blühendsten Verkehrs, England und Nord⸗Amerika, sei kein Sonntagspostverkehr. Auch die Zollbeamten hielten doch Sonntags ihre Bureaux geschlossen. Den Briefverkehr des Sonntags he er gern noch weiter eingeschränkt, könne aber eine Unterlassung r Telegrammbestellung an Sonntagen nicht wünschen. Die Post⸗ rwaltung möge den Antrag in wohlwollende Erwägung nehmen. Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksv.): Der Vorschlag einer hten Bestellgebühr für Sonntagsbestellungen würde auf den Ver⸗ ganz außerordentlich nachtheilig wirken. Eine große Menge n Artikeln werden vor wie nach am Sonntag bestellt werden müssen; Betrieb als solcher würde auch bei einer solchen Einschränkung echt erhalten werden müssen. Wir sind unter diesen Umständen n den Antrag; jedenfalls hat er die Fassung nicht erhalten, die ns möglich machte, unserer Neigung, die Postbeamten an Sonntagen peiter zu entlasten, Raum zu geben.

8 Abg. Zimmermann (d. Refp.): Wir sind auch für den Antrag Hompesch und wünschten, derselbe ginge noch weiter. Die Briefträger haben vierzehnstündigen Dienst; einen ganz freien Sonntag haben die Briefträger nicht, mit einziger Ausnahme einiger Geld⸗ briefträger. In Dresden hat ein Briefträger vom 18. Dezember bis zum 27. Januar dienstplanmäßig keinen freien Sonntag oder Feiertag gehabt. Wie läßt sich dies in Uebereinstimmung bringen mit der Er⸗ klärung, daß die Beamten spätestens den dritten Sonntag frei⸗ haben? Die Arbeitswoche wird bei der Post berechnet zu sieben Arbeits⸗ tagen. Das findet man in keinem Verwaltungszweig, nirgends in der Privatthätigkeit. Wenigstens sollte man die Dienststunden am Sonntag verlegen. In Belgien ist der Nachmittagsdienst am Sonntag neuer⸗ dings aufgehoben. Was in diesem Industriestaat möglich war, muß auch bei uns durchführbar sein. Die bei uns dieserhalb angestellten Ermittelungen sollten doch zu einem baldigen Abschluß gebracht werden. Die Arbeiter und Dienstboten könnten ganz wohl am Sonnabend Abend oder Sonntag früh i respondenz und ihren sonstigen Verkehr mit der Post besorgen. In kaufmännischen Kreisen wünscht man die Verlegung des Sonntagsnachmittagdienstes auf die Mittagszeit von 11 bis 1 oder 12 bis 2 Uhr. Während zahlreiche Briefträger jahrzehntelang keinen freien Sonntag haben, wird anderen Beamten derselben Kategorie ein freier Sonntag nur nach absolviertem Nachtdienst gewährt; ein völlig werthloses Zugeständniß. Es scheins, als ob die Zentralbehörde das Beste wolle, aber die nachgeordneten Instanzen nicht genügend den Ver⸗ fügungen von oben nachkämen. Da müsse denn doch größere Energie von der Zentrale entwickelt werden. Die Unzufriedenheit der Post⸗ beamten ist keine künstlich gemachte. Der Staatssekretär Dr. von Stephan sagt: wenn wir den Sonntag als Feiertag festlegen, könnten auch die Nationen, welche andere Tage heilig halten, deren Anerken⸗ nung von uns verlangen, so die Israeliten die des Sabbaths. Wo ist denn der jüdische Staat, mit dem der Staatssekretär Dr. von Stephan einen Weltpostvertrag abgeschlossen hat?

Abg. Dr. Schaedler (Zentr.): Der Staatssekretär bezieht sich auf das Neue Testament und stellt das Alte Testament dem Talmud gleich. Unser Antrag steht gerade auf dem Boden des Neuen Testaments. Wenn man einseitig die Handelskammern befragte, wie der Staatssekretar anzudeuten scheint, dann würden wir überhaupt zu keiner Einschränkung kommen; aber das Volk besteht doch nicht bloß aus Handelskammern. Auch ich würde gern in der Richtung der Ein⸗ schränkung noch weiter gehen, bin aber im Augenblick damit zufrieden, wenn die Resolution angenommen wird. r Packetpostdienst macht sich am Sonntag am krassesten und endsten fühlbar, verletzt am allertiefsten das Volksgewissen. ie Staatsbetriebe müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Vor Meh ben, die die Erreichung dieses Zwecks verursachen würde, schrecke das Zentrum nicht zurück. Vor Jahren ist schon ein sehr freisinniger Mann, der verstorbene Abgeordnete für Hamburg, Dr. Rée, ganz im Sinne des Antrags und noch weit darüber hinaus für die Sonntags⸗ ruhe der Beamten, auch im Interesse der Angestellten in den Handels⸗ häusern, eingetreten. Ich hoffe, der Staatssekretär wird den Antrag nicht bloß in wohlwollende Erwägung nehmen, sondern ihn sobald als möglich zur Durchführung bringen.

Abwbg. Singer (Soz.): Wir sind hier nicht auf einem kirchlichen Konzil, sondern haben es lediglich mit der Anstrengung der Post⸗ beamten in ihrem Dienst zu thun. Es ist allerdings das Maß von siebzig Stunden Arbeitszeit in der Woche für die Postbeamten ein außerordentlich hohes. Voraussetzung für die strenge Sonntagsruhe der Post ist nur die strenge Durchführung der Sonntagsruhe in Handel und Gewerbe und in den anderen Staatsbetrieben. Wenn aber die Bestimmung über die Sonntagsruhe in Handel und In⸗ dustrie unter Mitwirkung der Behörden selbst immer mehr zerfetzt wird, wenn es noch immer nicht gelungen ist, die Sonntagsruhe für die Gewerbe durchzuführen, so heißt es doch das Pferd beim Schwanz aufzäumen, wenn man jetzt von der Postverwaltung die Durchführung der Sonntagsruhe für ihre Beamten verlangt. Den Vorschlag des Abg. Zimmermann auf Verlegung der Nachmittags⸗ schalterstunden halten wir für einen sachgemäßen. Es ist richtig, daß die kleinen Leute am Sonntag diese Schalterstunden von 5 bis 7 Uhr nicht nöthig haben; das Publikum wird sich gewöhnen, seine Geschäfte mit der Post zu einer Zeit vorzunehmen, daß den Postbeamten der freie Sonntag⸗Nachmittag gewährt werden kann. Wir werden für die Resolution stimmen, wenn sie auch nur ein schwacher Anfang der Bethätigung des Willens des Reichstags ist, die von der Postverwaltung angeführten Verkehrsrücksichten nicht entscheiden zu lassen. Auch bei der Einführung der Sonntagsruhe im Handelsgewerbe haben die Unternehmer, die Spekulanten großes Geschrei vollführt; heute spricht kein Mensch mehr davon, und so. wird es mit der Einführung der Sonntagsruhe für die Post⸗ beamten auch gehen. An der Resolution gefällt mir nicht, daß die Eilbestellung weiter zulässig sein soll; das ist nichts als eine Konzession an den Geldbeutel, die mich gerade vom Zentrum überrascht. Verständlicher wäre gewesen, wenn man die Zulässigkei

der Bestellung von Packeten mit leicht verderblichem Indalt ausge⸗ sprochen hätte. Glücklicherweise hat sich der Sonntag in Deutschland zu einem Tage der Ruhe, der Zerstreuung, Erholung herausgebilde

Aus diesem Gesichtspunkte muß für die Benutzung des Sonntags alles gethan werden, was möglich ist; es darf daher auch nicht daran gedacht werden, den Beamten in der Woche einen Feiertag zu geben; denn sie würden damit ausgeschlossen s Genusse des

2 F

4*

**

8 ϑ

32 822

8 —292 8 838 x☛

8 942 S 32 8

SSSExSE

—₰

g vi 8 sein vom Sonntags, wie er für alle übrigen Volkskreise den Ruhetag bildet Abg. von Staudy (dkons.) widerspricht der Auffassung, daß der Sonntag vor allem der Zers⸗ tag vor allem der Zerstreuung und dem Vergnügen gewidmet sein soll. Redner tritt ebenfalls für die Resolutio ein, erkennt aber an, daß bei der Höhe der Portosätze für Eilsendungen es leicht geschehen könnte, daß der wirthschaftlich Stärkere den Schwächeren schädigt. Es würde deshalb der Verwaltung anheim⸗

8