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zugeben sein, wenn sie auf den Antrag eingehen will, ein besonders ermäßigtes Eilporto festzusetzen, um die entgegenstehenden Interessen zu vereinigen. Die Angaben des Staatssekretärs, daß die Sonntags⸗ ruhe für die Beamten dergestalt geregelt sei, daß jeder bis auf Einen unter 10 000 entweder den dritten Sonntag frei gehabt, oder innerhalb drei Wochen von zwei Sonntagen jeden halben frei habe, entsprechen nach seiner Kenntniß der Dinge nicht den thatsächlichen Verhältnissen. Redner nimmt Bezug auf Petitionen aus der Graf⸗ schaft Mark, wo die Landbriefträger höchstens ein oder zwei Sonn⸗
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tage im ganzen Jahr frei hatten.
Staatssekretär Dr. von Stephan:
Ich will nur ein paar Angaben berichtigen, wenigstens dasjenige anführen, was von unserem Standpunkt zu sagen ist. In einer Ein⸗ gabe heißt es: ein Aushelfer habe so und so lange schon keinen freien Sonntag gehabt; ja, meine Herren, das sind eben die Aushelfer, welche für den Sonntag angenommen sind, um es zu ermöglichen, daß die Briefträger am Sonntag vom Dienst befreit werden.
Wenn ferner angeführt ist, die Postwagen, die Packetkarren rasselten am Sonntag durch die Straßen — ist das etwa bei den Droschken und Omnibussen nicht der Fall? Den ganzen Verkehr können Sie doch unter keinen Umständen verhindern.
Und was die Eingabe von dem evangelischen Verein betrifft, so zweifle ich nicht an der Richtigkeit der Quelle, die der Herr Ab⸗ geordnete angegeben hat, noch an der Zuverlässigkeit des evangelischen Vereins; aber er kann sich irren. Er sagt: die Briefträger laufen auf der Straße herum. Das sind aber nicht die Briefträger, die einen freien Sonntag haben, sondern die, deren freier Sonntag auf den dritten Sonntag fällt, die gerade den Dienst an dem betreffenden Sonntag machen, und selbstverständlich sieht man sie dann auf der Straße. Ebenso ist es mit den Aushelfern. Wenn jemand jeden Sonntag Dienst thun will, um etwas zu verdienen, so ist das doch seine Sache. Wir können ebensogut einen andern nehmen; aber der Mann will eben wegen des Erwerbs den Dienst freiwillig über⸗ nehmen, und daran werden Sie ihn doch nicht hindern wollen.
Abg. Kröber (südd. Volksp.): Ich stimme in dieser Frage mit dem Zentrum überein, wenn ich auch in den Motiven nicht ganz mit ihm übereinstimme. Ich überlasse es jedem, den Sonn⸗ tag nach seiner Fagon zu feiern. Ich spreche hier als Mitglied einer Handelskammer und als Kaufmann und möchte den Abg. Dr. Schaedler darauf aufmerksam machen, daß nicht die Kaufleute der großen Städte, sondern diejenigen der kleinen Städtchen von der Sonntagsruhe überhaupt nichts wissen wollen. Die Großkaufleute und Industriellen haben ihre Komtors an Sonntagen ohnehin geschlossen und senden keine ab. Ich persönlich hielt mein Komptor längst geschlossen,
evor das neue Gesetz kam; denn ich hatte in England und Amerika den Werth der Sonntagsruhe kennen gelernt. Die Annahme von Packeten am Sonntag möchte ich nicht ganz einschränken, weil nament⸗ lich Dienstboten, kleine Leute, Arbeiter bloß am Sonntag dazu kommen, ihre Packete auszutragen. Es kam mir hauptsächlich darauf an, fest⸗ zustellen, daß Handelsstand und Industrie keineswegs gegen die Sonntagsruhe sind. 8 . .“
Nachdem noch Abg. Gröber (Zentr.) für die Resolution eingetretenist und Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.) auf die Ausführungen des Abg. Singer erwidert hat, wird der Titel bewilligt und die Resolution angenommen.
Bei Titel 20 (Post⸗ und Telegraphenämter) ver⸗ langt der 8
Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.) eine genaue Uebersicht über die Vertheilung der einzelnen Gehaltsstufen von 3000 bis 5400 ℳ auf die Inhaber der sogenannten Militär⸗Postämter, welche ver⸗ forgungsberechtigten Offizieren vorbehalten sind. S—
Nach einer kurzen Erwiderung des Regierungskommissars, Direktors im Reichs⸗Postamt, Wirklichen Geheimen Raths Dr. Fif cher wird der Titel bewilligt.
uf eine Anfrage des Abg. Gröber (Zentr.) erwidert der
Regierungskommissar, Direktor im Reichs⸗ Postamt, Wirkliche Geheimer Rath Dr. Fischer, daß er eine Statistik über die hier in Rede stehenden Beamtenverhältnisse mit Sicherheit nicht in Aus⸗ sicht stellen könne. Die ganze Frage scheide aus der Welt von dem Moment ab, wo die Dienstaltersstufen zur Einführung kommen. Im übrigen eröffnete sich den Kassierern beim Uebergang in die v orstellen eine so günstige Perspektive, daß von unangenehmen
mpfindungen bei ihnen nicht die Rede sein könne.
Der Titel wird bewilligt. 1
Bei Titel 21 (Ober⸗Postsekretäre und Postsekre⸗ täre) fragt der 1
Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.), inwieweit die Ober⸗
ostsekretärstellen mit Beamten besetzt werden, welche aus dem
levenstande hervorgegangen sind, aber nicht die zweite Prüfung be⸗ standen haben, und setzt sodann seine am Sonnabend vom Wräsi⸗ denten unterbrochenen Ausführungen über die Behandlung des Post⸗ assistentenverbandes durch die Postverwaltung fort: Der Chef der Verwaltung habe das Recht der Beamten zur Unzufriedenheit an⸗ erkannt, aber das Recht, Unzufriedenheit zu erregen, bestritten. Nach zahlreichen Mittheilungen aus der Mitte dieser Beamtenklasse, auf deren Zuverlässigkeit man sich zunächst zu verlassen habe, müsse man zu der Auffassung gelangen, daß die Postassistenten versetzt, verschickt werden lediglich deshalb, weil sie sich an die Spitze der Bewegung stellen, ohne sich irgendwie dienstlich oder außerdienstlich vergangen zu haben. In dieser Weise vorzugehen, sollte die Verwaltung unter⸗ lassen, dann würde sie am meisten dazu beitragen, die Unzufrieden⸗ heit im Postassistentenverband zu verringern.
Abg. Singer (Soz.): Die Stellung der Verwaltung zum Assistentenverband hat trotz der vielfachen Erörterungen, welche diese Frage hier erfahren hat, immer noch keine Wandlung in dem Sinne wie wir es dringend gewünscht haben. Fortgesetzt sind Maß⸗ regelungen von Beamten erfolgt, weil sie zu dem Verbande in irgend ein Verhältniß getreten waren, und mit diesen Maßregelungen hat die Verwaltung nicht gekargt; sie hat sie damit begründet, daß die Betreffenden durch ihre Thätigkeit für den Verband im Dienst lasch geworden seien. Für Elsaß⸗Lothringen hat man die Begründung des Verbandes ganz besonders erschwert. In der Kommisfion ist aus⸗ geführt worden, man wolle ja keineswegs den Beamten den Eintritt zum Verbande verbieten, nur dürften sie in demselben nicht agitieren. Eine solche Ausführung ist ein Spiel mit Worten; thatsächlich kommt diese Stellungnahme der Verwaltung auf das Verbot des Ver⸗ bandes hinaus. Wenn man das Recht zur Unzufriedenheit zugesteht, so muß doch auch Grund zur Unzufriedenheit vorhanden sein. Wenn der Verband wirklich von 3000 auf 1500 Mitglieder zurück⸗ gegangen ist, so spräche das zwar für die Wirksamkeit der von der Verwaltung ergriffenen Maßregeln, wäre aber doch nur ein Pyrrhussieg. Mit vollem Unrecht hält die Ver⸗ waltung zwar alle Aeußerungen der Unzufriedenheit dieser Beamten gewaltsam zurück, aber sie erzieht sich dadurch auch Streber und Heuchler. Das Verhalten der Verwaltung in dieser Frage schädigt vor allem den Ruf Deutschlands in der Welt, daß in deutschen Landen Gleichheit aller vor dem Gesetz in staatsbürger⸗ licher Beziehung herrscht. Sonst ist die Verwaltung garnicht blöde, ihre Zwecke auch mit Hilfe des Assistentenverbandes zu verfolgen, so bei Kollekten, bei Demonstrationen und dergleichen. Nimmt sie den Verband aber hier in Anspruch, dann darf sie ihm auch nicht verwehren, seine eigenen Angelegenheiten wahrzunehmen; sie darf ihm nicht den Verzicht auf seine Feittaegelhen Rechte zumuthen. Was kann denn der einzelne Assistent, selbst wenn er in der Agitation übertreibt, der Verwaltung schaden? Warum belehrt denn die Verwaltung den Verband nicht, anstatt ihn immer und immer wieder nur zu strafen?
Die Reichspost tritt den Assistenten gegenüber als Polizei auf, sie be⸗
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nutzt ihre ökonomische Uebermacht, um den Verband zu ünterdrücken. kann das Deutsche Reich, das kann der Reichstag nicht dulden. Der Reichskanzler hat alle Veranlassung, dafür zu sorgen, daß die Post⸗ verwaltung in ihrer Geschäftsführung in Bahnen einlenke, welche auf Anstand und Gesetzlichkeit noch Anspruch machen können. Regierungskommissar, Direktor im Reichs⸗Postamt, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Fischer⸗ Ich muß gegen die Unterstellung, welche in den letzten Worten des Vorredners liegt, entschiedene Ver⸗ wahrung einlegen. Ich wiederhole auch diesmal: es ist uns nicht ein⸗ gefallen, den Assistenten die Ausübung ihrer staatsbürgerlichen Rechte irgendwie zu beschränken; es ist uns nicht eingefallen, den Assi⸗ stentenverband zu verbieten oder unseren Beamten zu verbieten, diesem Verein beizutreten. Nicht der Schatten eines Beweises ist für solche Behauptungen erbracht worden. Wir haben nur darauf aufmerksam gemacht, daß der Verein im Begriff war, finanzielle Unternehmungen einzugehen und sie inzwischen eingegangen hat, welche finanzielle Nach⸗ theile für die dabei betheiligten Beamten zur Folge gehabt haben. Das zu thun, waren wir durchaus berechtigt, ja verpflichtet, denn die Vereine befassen sich keineswegs mit wirthschaftlichen oder geselligen Zielen allein, sondern sie erstreben, wie aus ihren Preßäußerungen hervor⸗ geht, eine Aenderung der bestehenden Dienstordnung. Meinen Sie wirklich, daß es gerechtfertigt wäre, solchen Bestrebungen gegenüber einfach die Hände in den Schoß zu legen? Ich möchte den Teufel nicht an die Wand malen; aber wollen Sie es vielleicht erleben, wie man es in Italien und Spanien erlebt hat, wo die Beamten eines schönen Tages erklärten: wir wollen mal die Bedingungen vorschreiben, unter denen wir das Amt weiterführen; wo die Tele⸗ graphenbeamten sämmtlich ihre Arbeit einstellten? Ich habe ja das sichere Vertrauen, daß solche Dinge bei uns nicht vorkommen, und ich nehme mit der Leitung der Postverwaltung den Assistentenverband keineswegs so tragisch, wie man ihn hier zu nehmen scheint. Von Unterdrückung der Meinungsäußerung ist gar keine Rede. Di Herren kommen zusammen, sie reden was sie wollen und sie machen den Mund manchmal weit genug auf, sie drucken gut, mögen sie drucken. Innerhalb 4 Jahren ist eine einzige Entlassung eines Postassistenten erfolgt aus Anlaß nicht wegen der Zugehörigkeit zum Verbande, weil nämlich der Betreffende sich be⸗ harrlich des Ungehorsams gegen die vorgesetzte Behörde schuldig gemacht hat und davon nicht abzubringen war. Versetzungen sind allerdings aus Anlaß der Zugehörigkeit zum Verbande erfolgt. Manch⸗ mal liegt die Sache sehr einfach, z. B. in dem Falle des Postassistenten Dietrich. Ich habe hier den Bericht des vorgesetzten Ober⸗Post⸗ direktors. (Ruf bei den Sozialdemokraten: Vorgesetzten!) Ja, von wem denn sonst? (Erneute Zwischenrufe. Präsident von Levetzow ersucht, den Redner nicht zu unterbrechen.) Ich kann mich unmöglich auf den vom Abg. Singer angedeuteten Standpunkt stellen, daß die Postverwaltung sich jeder Maßnahmen gegen den Verband enthalten müsse, weil sie die Angeklagte sei. Wohin soll das führen? Wir bleiben doch vor allen Dingen ver⸗ antwortlich für die Aufrechthaltung der Ordnung. Nach dem Bericht wurde der Assistent Dietrich nur aus dienstlichen Gründen versetzt. In Schiltigheim waren entsprechend der Bedeutung des Amts vier Post⸗ beamte thätig, darunter zwei angestellte, und unter diesen Herr Dietrich. Durch Abtrennung zweier Orte, welche ein eigenes Postamt erhielten, verringerten sich die Geschäfte des Postamts in Schiltigheim, und es wäre unverantwortlich gewesen, daselbst noch weiter zwei angestellte Beamte zu behalten. Die Versetzung des Dietrich erfolgte nicht so⸗ fort nach Einrichtung des neuen Postamts, weil man vorläufig noch eine Arbeitskraft in Schiltigheim brauchte zur Bewältigung der durch die Neuordnung entstehenden Mehrarbeiten. In dem Postamt dagegen, in welches Dietrich versetzt wurde, war schon lange eine Veränderung der Personalverhältnisse geplant. Ich glaube, Sie werden sich durch diese einfache Darlegung der Verhältnisse überzeugen lassen, daß die einfachsten dienstlichen Gründe zur Versetzung des Dietrich vorgelegen haben. Man wirft uns vor, daß wir den Leuten nicht gestatten, zu agitieren. Mit Unrecht ist von dem Abg. Singer den Regierungs⸗ vertretern in der Kommission der Ausspruch in den Mund gelegt: Das Recht zur Unzufriedenheit habe jeder, aber nicht, sie auszusprechen. Die Aeußerung fiel in einem anderen Zusammenhange und lautete: Das Recht zur Un⸗ zufriedenheit habe Jeder, aber nicht das Recht, Unzufriedenheit zu erregen. Wir lassen nur die unerlaubte Agitation nicht durchgehen, und was wir darunter verstehen, mögen folgende beide Fälle illustrieren. Ein Beamter, welcher als Gehilfe des Amtsvorstehers eine Vertrauensstellung einnahm, hatte diese Stellung benutzt, um junge unerfahrene Beamte zu Mitgliedern des Verbandes zu pressen. Um sich nicht mit dem einflußreichen Mann zu verfeinden, ließen sich die Leute wider Willen zu Mitgliedern des Verbandes machen. Ja, es sind Fälle vorgekommen, wo aus der Verbandskasse das Eintrittsgeld für diese Mitglieder gezahlt wurde. Gegen den bezeich⸗ neten Mann sind wir durch Versetzung eingeschritten und dazu haben wir ein Recht. (Zustimmung rechts.) Ein zweiter Fall liegt folgendermaßen. Der Verband sendet in die Provinzen für das Kleidergeschäft Zuschneider. Es ist vorgekommen, daß der Ver⸗ trauensmann des Verbandes mit diesem Zuschneider die jungen Ge⸗ hilfen auf das Zimmer winkte, ja dieselben aus dem Bett herausholte, damit sie sich für die heilige Sache einen Ueberrock machen lassen sollten, den die Leute gar nicht brauchten, der viel theurer war, als er sein sollte, und schlechter. Das halte ich für unerlaubte Agi⸗ tation. Wenn wir in einem solchen Falle einschreiten, kann niemand sagen, daß wir etwas thun gegen Gesetz, Verfassung, Ord⸗ nung, Anstand. Ich möchte Sie bitten, diese Frage mehr von dem Standpunkt der Postverwaltung zu betrachten. Wir sind nicht solche Alba's, welche die Scheiterhaufen nur so rauchen lassen; die Sache wird auch weiter so nüchtern behandelt werden, wie bisher. Präsident von Levetzow: Ich habe mir das amtliche Stenogramm der Rede des Abg. Singer kommen lassen und ersehe, daß er der Postverwaltung den unverhüllten Vorwurf der Unanständig⸗ keit und Gesetzwidrigkeit gemacht hat. Ich rufe den Abg. Singer deswegen nachträglich zur Ordnung! bg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.): Der 87. der Debatte nöthigt mich, jetzt schon einzugreifen, obschon ich erst bei späteren Titeln das Wort ergreifen wollte. Ich bedauere sehr, daß die Abgg. Dr. Schoenlank und Singer hier so heftige Reden gegen die Postverwaltung gehalten haben; aber noch weit bedauerlicher ist es, daß diese Herren mit ihren Beschwerden fast durchweg Recht haben. Wenn der Abg. Dr. Schoenlank gesagt hat, wenn der Staatssekretär Dr. von Stephan aus Stolp heute Postassistent wäre, er würde der eifrigste Verbändler und der wüthendste Sozialdemokrat sein, so ist das nur zur ersten Hälfte vielleicht richtig; denn ein wüthender Sozialdemokrat würde er nicht sein, da der Verband aus königstreuen Beamten be⸗ steht, die sozialdemokratische Tendenzen weit von sich weisen. Ich bin sehr befremdet darüber, daß die mir von dem Direktor Dr. Fischer versprochene Untersuchung aller im vorigen Jahre von mir vorgeführten Fälle nicht eingetreten ist. Ich habe Fälle aufgeführt, wo es sich um eine Verletzung des Brief⸗ und Telegraphengeheimnisses handelte, ich bin auch für Bestrafung unerlaubter Agitationen; aber damm follte man auch gegen den Ober⸗Posidtrektor Griesbach ein⸗ schreiten, der den Postbeamten in einer schon nicht mehr schönen Weise das Kleidergeschäft von Eduard Sachs, einem Juden, aufgedrängt hat. Der Verband erstrebt mit Recht eine Aenderung dahin, daß die Assistenten auch zu Sekretärstellen aufrücken können. Nach meiner Anschauung ist übrigens nicht die Unzufriedenheit, son⸗ dern die Zufriedenheit die Quelle aller Kultur. Die Versetzung des Beamten Dietrich in Schiltigheim geht nach meinen In⸗ formationen doch auf die Thätigkeit dieses sehr tüchtigen Beamten bei dem Verbande zurück. In dem laufenden Jahre ist wiederum in einigen Fällen Mitgliedern des Verbandes gegenüber das Brief⸗ und Te “ verletzt worden, und damit wird auch eine Gesetzesverletzung begangen. (Redner 88. einige solcher Fälle ausführlich vor.) Ein Feeemreüe darf auch nach einem Geheim⸗ befehl die Verbandstage nicht besuchen; einer derselben wurde in olge eines Verstoßes gegen dieses ihm nicht bekannte geheime erbot als Postkassierer nicht bestätigt. Di Versetzungen innerhalb
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der Postverwaltung „im Interesse des Dienstes“ finden auch gar häufig,
theils als Maßregel gegen den Assistentenverband, theils als Maß⸗ regel gegen den Antisemitismus statt. Daß das Liebeswerben der Sozialdemokraten bei den Postbeamten Früchte trägt, glaube ich nicht; durch die Berührung mit den Abgg. Singer und Dr. Schoenlank werden diese Beamten doch alle zu Antisemiten gemacht, denn sie kennen nur zu gut den Spruch: Timeo Judaeos et dona ferentes!
Regierungs⸗Kommissar, Direktor im Reichs⸗Postamt, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Fischer: Die Vorsteher der Telegraphenämter müssen den Inhalt der Telegramme zur Vermeidung von Zeitverlust und zwecks Austaxierung kontrolieren. In dem einen Falle hat der Vorsteher unzweifelhaft seine Befugniß überschritten dadurch, daß er den Absender des Telegramms nachher zur Rede stellte. Er ist wegen dieses Uebergriffs von dem ihm vorgesetzten Ober⸗Postdirektor münd⸗ lich rektifiziert worden. In Halle liegt die Sache vermuthlich ähnlich, und wir sind gerne bereit, noch nachträglich eine Rektifikation ein⸗ treten zu lassen. Die angebliche Verletzung des Briefgeheimnisses in Straßburg hat sich auf Grund amtlicher Vernehmung als unwahr herausgestellt. Dasselbe gilt von den Mittheilungen aus Bruchsal. Es ist dort keinem Beamten wegen eines Todesfalles der Urlaub ver⸗ weigert worden. Der Vorredner hat dann noch behauptet, daß Ober⸗ Postdirektor Griesbach in Berlin und ein Ober⸗Postdirektor in Magde⸗ burg sich zu Agenten für jüdische Geschäftsleute hergegeben hätten. Ich bedauere, daß uns das Material nicht vorher zugänglich gemacht worden ist. In diesem Augenblick kann ich nur versprechen, daß die Fälle sorgfältig werden geprüft werden.
Abg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.) wird von der Bereitwilligkeit des Direktors Dr. Fischer gern Gebrauch machen.
Abg. Dr. Förster (d. Refp.) tritt für die Berechtigung 1 assistenten zum Aufrücken in die Postsekretärstellen ein. Aus den Maß⸗ regelungen wegen Zugehörigkeit zum A“ führt Redner den Fall an, daß der Heirathskonsens nur unter der Bedingung ertheilt werden sollte, daß der betreffende Heirathskandidat aus dem Verband ausscheide. Warum dulde man die Beamten⸗, die Offiziers⸗ vereine, die doch auch nur wirthschaftliche Ziele haben, die innerhalb ihrer Klassen genau dasselbe wollen, wie der Postassistentenverband? Es liege hier thatsächlich die Kürzung eines den Postassistenten zustehenden staatsbürgerlichen Rechts vor. Versetzungen von Breslau nach Köln, von Hagen nach Memel seien nichts Seltenes. Die Ertheilung des guten Raths, dem Postassistentenverband nicht bei⸗ zutreten, komme doch dem direkten Verbote gleich. Wenn es geheime Verbote nicht giebt, wie die Verwaltung behauptet, dann sollten doch einmal im „Amtsblatt der Postverwaltung“ die Ober⸗Post⸗ direktoren angewiesen werden, dem Koalitionsrecht der Postassistenten nichts in den Weg zu legen.
Abg. von Kardorff (Rp.): Es giebt gar keinen Beruf, wo ein junger Mann so schnell zu Brot kommt, wie in der Post⸗ verwaltung. Im Postassistentenverbande sind wohl so ziemlich alle Parteifarben vertreten; denn keine Partei kann ihn für sich in An⸗ spruch nehmen, nicht die sozialdemokratische, nicht die antisemitische. Die Assistenten können nicht zu Sekretären befördert werden, dagegen sträubt sich die Postverwaltung mit Recht. Ob vielleicht noch eine Zwischenstufe eingerichtet werden kann, will ich dahingestellt sein lassen; an den Gehaltsverhältnissen wird schwerlich etwas verändert werden können. Für die höhere Postverwaltung ist die Ablegung des Abiturientenexamens erforderlich. Diese Bedingung erfüllen die Post⸗ assistenten nicht. 1 Darauf wird ein Vertagungsantrag angenommen.
Schluß 5 ³¾ Uhr
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Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 14. Sitzung vom 12. Februar 1894.
Im weiteren Verlauf der ersten Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Erweiterung und Vervoll⸗ ständigung des Staatseisenbahnnetzes (s. den Anfangs⸗ bericht in der Montagsnummer d. Bl.) nimmt nach dem Abg. Mies (Zentr.) das Wort der
Abg. Linke (nl.). Redner führt aus, daß für Schlesien in Bezug auf, Eisenbahnen zu wenig geschehen sei; nur 3,9 % der Bahn⸗ länge der in den letzten zehn Jahren gebauten Strecken seien auf Schlesien entfallen, obgleich dieses mehr als 11 % des Staats darstelle. Er bittet ferner um eine baldige Aenderung des Enteignungs⸗ gesetzes und um eine bessere Verbindung des Riesengebirges mit Breslau, wofür sich alle Kreise Schlesiens interessierten; die Wünsche gingen dahin, daß die Linie Bolkenhain — Merzdorf an die Gebirgs⸗ bahn angeschlossen werde, sodaß ein Schnellzugverkehr eingeführt werden könne.
Abg. Sander⸗Elze (nl.) spricht seine Freude darüber aus, daß die ganze Summe für den Bau von Sekundärbahnen gefordert sei; die Summe hätte aber größer sein können, da man die Provinz Han⸗ nover wiederum nicht berücksichtigt habe. Das müsse Mißstimmung erregen. Redner empfiehlt eine Berücksichtigung des Kreises Nienburg an der Weser, ferner in seinem Wahlkreise die Linien Gandersheim — Bodenburg — Gronau —Elze mit einer Abzweigung von Bodenburg nach Düngen und Wispenstein — Düngen — Voldagsen, für welche die bethei⸗ ligten Kreise bereits Bewilligungen gemacht hätten.
Abg. Dr. Hartmann⸗Lübben (kons.) empfiehlt im Anschluß an die Bahn Königs⸗Wusterhausen — Beeskow die Bahn Beeskow — Lübben —Lübbenau — Ukro, deren Bau ein Konsortium habe übernehmen wollen, wenn die Linie bis Falkenberg hätte fortgeführt werden dürfen, was die Eisenbahnverwaltung nicht genehmigt habe.
APbbg. Broekmann (Zentr.) tritt für den Bau einer Bahn im Kreise Bitburg ein.
Abg. von Stülpnagel (kons.) bedauert die Verzögerung des
Baues der Bahn Jüterbog— Treuenbrietzen, der schon 1889 bewilligt worden sei, und empfiehlt die Fortsetzung der Bahn nach Brandenburg.
Abg. Hobrecht (nl.) bedauert, daß die ganze Gegend zwischen Weichsel und Oder in diesem Jahre nicht berücksichtigt worden sei. Man müsse die Beruhigung haben, daß die Bahnbauten fortgesetzt werden würden; das sei eine, wenn auch nicht rechtliche, so doch moralische Verpflichtung des Staats nach der Verstaatlichung der Eisenbahnen. Vom Staat dürfe man den Ausbau der Nebenbahnen
erwarten, welcher den Privatbahnen auferlegt gewesen. Solche An⸗
forderungen widersprächen nicht der Sparsamkeit, so lange nicht für
die aufzunehmenden Anleihen die Steuerzahler in Anspruch genommwen würden. Die zahlreichen Wünsche aus allen Kreisen bewiesen, um
welche wichtige Frage es sich bei den Nebenbahnen handele. Hier⸗
durch könne am ersten der Landwirthschaft geholfen werden und zwar
nicht vorübergehend, sondern dauernd. Abg. Rohde⸗Wachsdorf (kons.) fragt, weshalb die Linie Pretsch — Eilenburg, die im Jahre 1890 bewilligt sei, noch nicht gebaut worden. Ministerial⸗ und Ober⸗Baudirektor Schröder entschuldigt die Abwesenheit des Ministers der öffentlichen Arbeiten wegen Theilnahme an der Sitzung des Staats⸗Ministeriums und erklärt, daß der Bau der Linie jetzt angeordnet sei. 1 .X““ Abg. von Fappenrietr „Liebenau (kons.) bittet, da die Linie
Cassel — Volkmarsen wegen eines Tunnelbaus sich verzögern werde, wenigstens die Strecke Volkmarsen — Wolfhagen auszubauen. Abg. Beleites (nl.) empfiehlt die Fortführung der Linie Nakel — Konitz nach Norden, um eine Verbindung zwischen Schlesien und der Ostsee herzustellen. Kleinbahnen könnten dort nicht gebaut werden. Abg. Schwarze (Zentr.) empfiehlt die Aufschließung des Sauer⸗ landes durch Hestellung der Bahnen Frankenberg —Raumland, Soest e
— Brilon und Frankenberg — Korbach. ö
Abg. Dr. Porsch (Zentr.) spricht seine Freude über die Linie Glatz —Seitenberg aus, deren Bau beschleunigt werden sollte, um der Arbeitslosigkeit in der dortigen Gegend abzuhelfen. Die Bewohner von Glatz bedauerten die SIs gegelt en . und wünschten
die Anlegung einer besonder
Abg. Freiherr von Evnatten (Zentr.) empfiehlt den Bau einer Linie Heinsberg — Jülich.
Abg. Wellstein (Zentr.): Der Ausbau der Linie Adenau — Mayen habe zuerst als Nebenbahn erfolgen sollen; da aber die Ge⸗ meinden den Grund und Boden nicht hätten hergeben können, so habe man eine Schmalspurbahn bauen wollen, was aber nicht genehmigt worden sei. Dadurch seien die dabei engagierten Unternehmer geschä⸗ * worden. Als eine entgegenkommende Handhabung des Kleinbahn⸗ esetzes könne dies nicht angesehen werden. Jedenfalls sollte nun die
isenbahnverwaltung ihrerseits die Strecke schleunigst ausführen.
Abg. Menken (Zentr.) schließt sich diesen Ausführungen an.
Abg. Gorke (Zentr.) encpfiehlt den baldigen Ausbau der schon 1890 bewilligten Linie Kosel — Polnisch⸗Neukirch.
Abg. Szmula (Zentr.) befürwortet die Linie Neustadt —Gogolin.
Abg. von Unruh⸗Bromberg (frkons.) bemängelt die Hand⸗ habung des Kleinbahngesetzes, das nicht eine Vermehrung der Ein⸗ wirkung der Polizei, sondern eine Verminderung derselben herbeiführen sollte. Es liege die Gefahr nahe, daß die Sache zu schablonenhaft gehandhabt werde. Redner verweist auf ein Muster der Genehmigungs⸗ bedingungen, welches entschieden zu weit gehe. Der Minister sollte erklären, daß die in einer amtlichen Zeitschrift veröffentlichten Vor⸗ schriften nicht allgemein bindend sein sollen.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Die erbetene Erklärung will ich sehr gern ab⸗ geben; sie ist aber auch ganz selbstverständlich. Wer nur die erste Nummer der Zeitschrift für das Kleinbahnwesen gelesen hat, ins⸗ besondere die erste Abhandlung, in der die Aufgaben dieser Zeitschrift näher dargelegt worden sind, kann darüber garnicht im Unklaren sein, daß die Staatsregierung oder das Ministerium der öffentlichen Arbeiten nur für denjenigen Theil dieser Zeitschrift überhaupt eine Verantwortung übernimmt, die als amtliche Mittheilungen ge⸗ kennzeichnet sind. Es ist ausdrücklich gesagt, daß die Zeitschrift, das Organ für alle das Kleinbahnwesen betreffenden Veröffentlichungen, sich nicht darauf beschränken darf, das thatsächliche Material in dem bezeichneten Umfange zu bringen; seine Aufgabe ist es zugleich, die literarische Thätigkeit auf diesem Gebiet zu fördern, sowohl durch Uebernahme geeigneter Abhandlungen über diejenigen Fragen, deren Lösung für die Entwickelung des Kleinbahnwesens vornehmlich in Betracht kommt, als auch durch eine möglichst vollständige Uebersicht über das Thatsächliche.
Meine Herren, Sie werden sich alle erinnern, daß aus dem Hause früher wiederbolt darüber geklagt worden ist, daß nicht genügend freie Hand gelassen würde den Herren in meiner Verwal⸗ tung zur Betheiligung an der wissenschaftlichen Erörterung der jeweilig auftauchenden Fragen. Nun erscheinen in dieser Zeitschrift unter einem vollständig unverbindlichen Titel und voller Namensunterschrift derartige Aufsätze; es werden Vorschläge gemacht und Rathschläge ertheilt. Ich finde darin absolut nichts, was das Ministerium binden oder in eine schiefe Lage bringen könnte, vielmehr nur dankenswerthe Be⸗ lehrung und Anregung. Ob die Vorschläge zweckmäßig sind oder nicht, meine Herren, dafür kann der Minister nicht eintreten; es wird Aufgabe derjenigen Herren sein, die finden, daß diese Vorschläge in dieser oder jener Beziehung zu weit gehen, hier auf dem Tummel⸗ platze der Zeitschrift für Kleinbahnen die veröffentlichten Ansichten und Vorschläge zu bekämpfen. Im allgemeinen aber, glaube ich, werden die Herren alle mit mir einverstanden sein, daß es durchaus zweck⸗ mäßig ist, daß in der Zeitschrift für Kleinbahnen auch Sachver⸗ ständige aus der Verwaltung zum Worte kommen.
Meine Herren, ich möchte bei der Gelegenheit auf eine Ange⸗ legenheit zurückkommen, die sich leider in meiner Abwesenheit abgespielt hat. Der Herr Abg. Sander hat, wie mir mitgetheilt ist, bemängelt, daß die Nebenbahn Elze —Gandersheim und Bodenburg — Düngen nicht in die diesjährige Vorlage mit aufgenommen ist; er hat ins⸗ besondere bemängelt, daß der Herr Finanz⸗Minister nach seiner Auf⸗ fassung ein Hinderniß dadurch bereitet habe, daß er zu große An⸗ forderungen an den braunschweigischen Staat in Bezug auf die Bei⸗ hilfe zu diesen Bahnbau gestellt habe. Meine Herren, das thatsäch⸗ liche Verhältniß ist folgendes.
Die Vorarbeiten für die Bahn Elze — Bodenburg — Gandersheim und Bodenburg — Düngen sind allerdings fertiggestellt; es handelte sich darum, zunächst zu konstatieren, ob die betheiligten Kreise willens seien, den Grund und Boden für diese Bahn, wie üblich, ihrerseits zu stellen. Der zustimmende Beschluß, der nach sehr vielem Hin⸗ ind Herhandeln gefaßt worden ist, liegt seinem Datum nach später als der formale Abschluß dieser Vorlage. Also kann der Herr Abg. Sander aus diesem Umstande für die Regierung keinen Vorwurf herleiten.
Er kann aber ebensowenig daraus einen Vorwurf herleiten, daß nicht nur der Herr Finanz⸗Minister, sondern die preußische Staatsregierung als solche es für angezeigt gehalten hat, bei dem sehr lebhaften Interesse, welches nach unserer Auffassung der braunschweigische Staat an diesen beiden Linien hat, eine Beihilfe seitens des braun⸗ schweigischen Staats zu denselben zu beanspruchen. Der Beitrag, der von seiten der preußischen Saatsregierung als angemessen be⸗ trachtet wurde, war auf 500 000 ℳ beziffert.
Meine Herren, wenn Sie in der gegenwärtigen Vorlage die Bahn von Probstzella nach Wallendorf finden — es sind im ganzen, glaube ich, 16 km —, so werden Sie auch in der Denkschrift zu dieser Bahn die Ausführung finden, daß die meiningensche Regierung für diese kurze Strecke dem preußischen Staat eine Beihilfe von 750 000 ℳ giebt. Sie werden ferner finden, daß die lippesche Re⸗ gierung für die 5 km lange Linie von Schieder nach Blomberg sich zu einem Beitrage von 200 000 ℳ verstanden hat.
Meine Herren, nach dem Maßstabe dieser beiden Positionen gemessen, kann ich auch heute noch nicht einsehen, daß die Forderung, die an den braunschweigischen Staat gestellt worden ist, eine unver⸗ hältnißmäßige war; nichtsdestoweniger bin ich gern bereit, über die Frage des Beitrags des braunschweigischen Staats mit dem Ver⸗ treter der beaunschrmeigischen Regierung aufs Neue in Verhandlungen zu treten. Daß unter solchen Umständen die Bahn nicht in die dies⸗ lährige Vorlage gebracht werden konnte, halte ich für selbstverständ⸗ lich. Ich muß also derartige Schlußfolgerungen, wie sie der Herr Abg. Sander vorgebracht hat, zurückweisen.
Meine Herren, dann ist auch der Wunsch ausgedrückt worden, daß irgend eine Erklärung hier folgen möge über das Schicksal der Bahn Kosel— Polnisch⸗Neukirch. Die thatsächliche Lage ist folgende; Für die Linie Kosel — Polnisch⸗Neukirch sind die Vorarbeiten seiner Zeit -Eees worden und dann den betheiligten Kreisen unterbreitet, damit wnr 8 in die Lage kommen, sich zu entschließen, ob sie geneigt seien, 8 en Grund und Boden zu geben. Die Kreise glauben aber, das auf Grund der vorläufigen Vorarbeiten nicht thun zu können, weil sie nicht übersehen konnte stũ ü
würden. Weil es sich theilweise um werthvolle Wiesen und Acker⸗
grundstücke handelte, so war es allerdings vorherzusehen, daß es im Interesse der betreffenden Grunderwerbspflichtigen liegen würde, die Situation etwas näher zu übersehen. Daraufhin sind erst speziellere Vorarbeiten, namentlich für diejenigen Strecken angefertigt worden, um die es sich hauptsächlich handelt, und nun sind die Vorarbeiten, nachdem sie fertig geworden, den Kreisen wieder zur Beschlußfassung zugegangen. .
Außerdem waren sehr erhebliche Differenzen unter den Betheiligten vorhanden über die Linienführung. Die Stadt Kosel hatte ganz andere Wünsche als die anderen, und darüber haben sich die Ver⸗ handlungen auch über eine sehr geraume Zeit hinweggezogen — kurzum, es war absolut nicht möglich, den Bau der Bahn früher zu beginnen. Versprechungen für die Zukunft kann der Minister bekanntlich nicht machen; hoffen wir das Beste.
Abg. Engelsmann (nl.) empfiehlt die Verlängerung der Hunsrück⸗ bahn von Simmern nach Kastelaun einer⸗ und nach Hermeskeil andererseits.
Abg. von Berg (kons.) tritt für die Linien Gifhorn —Uelzen und eine Gabelung von Oebisfelde nach Wittingen ein.
Abg. Freiherr von Richthofen⸗Jauer (kons.) empfiehlt die Beschleunigung der Entscheidung über die Linie Bolkenhain — Merzdorf.
Abg. Thies (nl.) befürwortet den Bau der Allerthalbahn von Gifhorn oder Oebisfelde über Celle in der Richtung auf Verden.
Abg. Bunzen (frkons.) dankt der Regierung, daß sie für die Bahn nach Sonderburg sowohl die südliche Linie von Pattburg als auch die nördliche von Tingleff aus in Aussicht genommen habe. Außerdem bittet Redner um eine coulante Handhabung des Kleinbahngesetzes, namentlich auch bezüglich der Anschlüsse an die Eisenbahnen. Abg. van Vleuten (Gentr.) hält die Staatsbahnverwaltung für verpflichtet, die Verbindung der Linie Bonn — Euskirchen mit der Ahrthalbahn herzustellen.
Abg. von Veltheim (kons.) vermißt die Fürsorge für den Berliner Vorortverkehr, namentlich an der Nordbahn, der dadurch geschädigt sei, daß der Personenverkehr vom Stettiner Bahnhof nach dem Güterbahnhof der Nordbahn am Exerzierplatz an der einsamen Pappel verlegt worden. Die eingegangenen Petitionen seien im vorigen Jahre nicht zur Beschlußfassung gelangt. Jetzt seien die Petitionen wiederholt eingebracht, namentlich von Anwohnern der Linie Schönholz —-Kremmen. Redner bittet desbalb den Minister, den Verkehr nach dem Stettiner Bahnhof zurückzuverlegen.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Ich kann durchaus nicht verkennen, daß ein Theil der Klagen, welche aus den nördlichen Stadttheilen und aus den benachbarten Orten über die Mängel der Nordbahn⸗Station erhoben werden, berechtigt sind. Die Staatsregierung ist bereits seit geraumer Zeit mit dem Studium der überaus schwierigen und finanziell be⸗ deutungsvollen Frage beschäftigt, in welcher Weise den Uebelständen, die allmählich durch den ganz enormen Verkehrszuwachs entstanden sind, abgeholfen werden kann. —
Die Maßregel, welche der Herr Abg. von Veltheim beklagt, daß nämlich ein Theil der Nordbahnzüge vom Stettiner Bahnhof nach dem Nordbahnhof verwiesen worden ist, war eine absolute Nothwendigkeit geworden, weil in dem Stettiner Bahnhof so viel Verkehr sich zu⸗ sammengefunden hatte, daß es, wenn die Betriebssicherheit gewahrt bleiben sollte, so nicht weiter fortgehen konnte. Mit sehr schwerem Herzen haben wir uns entschlossen, einen Theil des Verkehrs aus dem Stettiner Bahnhof herauszulegen, und wir haben denjenigen Theil des Verkehrs aus dem Stettiner Bahnhof herausgelegt, von dem wir voraussetzen konnten, daß er diese Verkehrs⸗ erschwerung am ersten würde ertragen. Es war von vornherein klar, daß die durchgehenden Schnellzüge und auch der größere Theil der durchgehenden Personenzüge der alten Stammlinie in dem Stettiner Bahnhof bleiben mußten, und daß in der Hauptsache nur ein Theil des Vorortsverkehrs und zwar derjenige Theil des Vorortsverkehrs, der die schwächsten Ziffern nachweist, auf den Nordbahnhof zu verweisen war. Das ist geschehen. Fernerhin bleiben sehr erhebliche Klagen und Beschwerden bestehen, und es fand dann, wie Herr von Veltheim schon mitgetheilt hat, eine nochmalige Revision statt, die ja auch zur Folge hatte, daß wir theilweise Züge zwischen Nordbahnhof und Stettiner Bahnhof auswechselten, theilweise auch wieder mehr Züge in den Stettiner Bahn⸗ hof hineinbrachten, als das bisher der Fall gewesen war. Aber den Antrag, sämmtliche Züge wieder in den Stettiner Bahnhof hinein⸗ zunehmen, muß ich leider als eine vollständige Unmöglichkeit bezeichnen. Ich hoffe, daß die Vorarbeiten, welche zur Zeit über den endlichen Austrag dieser Frage schweben, so weit gefördert werden können, daß sie noch im Laufe dieses Jahres zu Entschlüssen bei der Staats⸗ regierung führen. Für die nächste Zukunft und namentlich noch während der Zeit, daß die Budgetkommission tagt, wird, glaube ich, es nicht möglich sein, schon irgend welche entscheidenden Beschlüsse dem hohen Hause zu unterbreiten.
Der Herr Abg. van Vleuten hat an mich eine Anfrage gerichtet und zwar dahin gehend, ob irgend welche Aussicht vorhanden sei, daß der neue Schutzhafen bei Oberwinter am Rhein mit der Eisenbahn verbunden werde. Meine Herren, die Frage tritt jetzt zum ersten Male an mich heran, und ich kann deshalb eine Antwort darauf heute nicht ertheilen; ich möchte jedoch so viel sagen, daß die Schwierigkeiten, die sich der Ausführung dieses Wunsches entgegenstellen, ziemlich er⸗ heblich sind, und infolge dessen die Kosten auch ziemlich bedeutende sein werden. Der Herr Abg. van Vleuten hat dann noch einmal darauf hingewiesen und seinerseits geglaubt, feststellen zu müssen, daß die Staatsregierung eine moralische und rechtliche Verpflichtung habe, die Fortsetzung der Bahn von Rheinbach bezw. Meckenheim nach Sinzig zu bauen. Meine Herren, über moralische Verpflichtungen läßt sich ja überhaupt streiten, eine juristische Verpflichtung kann die Staatsregierung nicht anerkennen.
Abg. von Tzschoppe (frkons.) bedauert, daß die Linie von Uelzen nach Wittingen mit Abzweigung nach Oebisfelde, die schon seit zwanzig Jahren geplant werde, in der Vorlage nicht enthalten
sei. Darunter leide die Landwirthschaft in der dortigen Gegend.
Abg. Dr. Irmer (kons.) führt aus, die Verlegung des Vorort⸗ verkehrs habe für die Entwickelung der Vororte eine soziale Be⸗ deutung. Redner fragt nach dem Schicksal der Bahn Lichtenberg-— Wriezen, und ob nicht bald ein Umbau des Bahnhofs Rirdorf er⸗ folgen könne, da dort ein Krawall vorgekommen sein solle.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Ich hätte dringend gewünscht, daß der Herr Abg. Irmer, ehe er dies gesagt, sich die Verhältnisse in Rixdorf persönlich angesehen hätte; dann würde er wahrscheinlich nicht zu dieser Anfrage gekommen sein. Er würde gesehen haben, daß wir dort im Umbau augenblick⸗ lich begriffen sind, und daß bei jedem Umbau, wenn innerhalb des Umbaues das Gebäude noch bewohnt werden und der Geschäftsbetrieb fortgeführt werden soll, sich Unbequemlichkeiten ergeben. notizen, die ich ja natürlicherweise auch gelesen habe,
denn so etwas wird zunächst immer dem Minister zugeschickt, bezogen sich darauf, daß angeblich zwei Unterbeamte sich etwas kräftig einigen Arbeitern gegenüber ausgedrückt hätten, infolge dessen eine kleine Schlägerei entstanden wäre. Die Sache ist sofort energisch gedämpft, und damit war der große Rixdorfer Krawall erledigt.
Meine Herren, der Bau der Linie Lichtenberg — Wriezen hat zu meinem lebhaften eigenen Bedauern bis jetzt noch nicht zur Ausführung gelangen können, weil die Erfüllung der Vorbedingungen immer noch in der Luft schwebt und der Bau nicht eher zur Ausführung kommen konnte, bis die vom Gesetz vorgeschriebene Grundlage auch wirklich vorhanden war. Es ist zu hoffen, daß die entgegenstehenden Hindernisse nunmehr weggeräumt sind; wir werden dann schon im eigensten dringenden Interesse der Ausführung der Bahn sobald als irgend möglich nahe treten.
Was nun die Verlegung des Vorortverkehrs anbetrifft, so ist es ja ohne Zweifel richtig und von vornherein zuzugeben, daß mit einer derartigen Verlegung von einem Punkte zum andern⸗ auch gewisse Verschiebungen in den Werthverhältnissen verbunden sind. Infolge dessen können in diesem Falle die Verschiebungen doch unmöglich sehr erhebliche gewesen sein. Ich bemerke dazu noch, daß mit der Verlegung des Vorortverkehrs auf die Nordbahnstationen der Vorortverkehr selber erheblich zugenommen hat, und zwar aus einem sehr einfachen naheliegenden Grunde. Es hat ja der große nördliche Stadtbezirk, der außerordentlich stark bevölkert ist, eine Station bekommen, deren unmittelbarer Nähe er sich bedienen kann, um Sonntags oder an sonstigen Tagen auch einmal an die frische Luft hinauszukommen; die Bevölkerung dieses Stadttheils mußte bish entweder auf die Ringbahn gehen oder auf einen Bahnhof, der in der Mitte der Stadt belegen ist. Daß aber gleichzeitig damit eine große Unbequemlichkeit, namentlich für die weiter gelegenen Orte, ich will mal sagen, Kremmen, Velten Tegel u. s. w. verbunden sind, unterliegt gar keinem Zweifel; es unterliegt auch gar keinem Zweifel, daß die gegenwärtigen Einrich⸗ tungen, wie sie auf dem Nordbahnhof bestehen, auf die Dauer nicht bestehen bleiben können; es wäre aber unwirthschaftlich, so lange die ganze Frage der künftigen Gestaltung der Bahnhöfe noch unentschieden“ ist, jetzt auf dem Nordbahnhof mehr zu thun, als unbedingt noth. wendig ist; das aber ist auch geschehen.
Abg. Hausmann (nl.) empfiehlt dringend die Herstellung der Linien Voldagsen —Salzhemmendorf —Wispenstein und von Hameln nach Bodenwerder, welche schon länger geplant sei als die un⸗ bedeutendere Linie Schieder — Blomberg.
Ab. Beinhauer (nl.) schließt sich den Ausführungen des Abg. von Pappenheim bezüglich der Linie Cassel — Volkmarsen an.
Abg. Frhr. von Los (Zentr.) stimmt dem Abg. Fritzen⸗Rees bei und empfiehlt dringend die Beseitigung der Staffeltarife, die bei Ab⸗ schluß des russischen Handelsvertrages und Aufhebung des Identitäts nachweises die Landwirthschaft schwer schädigen müßten.
Präsident von Köller bemerkt, daß dies nicht zur Sache gehört.
Die Vorlage wird darauf der Budgetkommission über⸗ wiesen. b
Schluß gegen 3 ³ Uhr.
11 Uhr.
Nächste Sitzung Mittwoch,
Nr. 6 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, herausgegebenim Ministeriumderöffentlichen Arbeiten, vom 10. Februar, hat folgenden Inhalt: Rund⸗Erlaß vom 26. Ja⸗ nuar 1894, betreffend die Bestimmungen über die Anstellung der Königl. Bauschreiber und technischen Sekretäre in der allgemeinen Staatsbauverwaltung. — Nichtamtliches: Doppelwohnhaus in der Kolonie Grunewald bei Berlin. — Ausblühungen des Mauerwerks. (Schluß.) — Die Tower⸗Brücke in London. — Vermischtes: Wett⸗ bewerb für die Erweiterung der Martin’schen Frauenklinik in Berlin und für ein Kreishaus in Rastenburg. — Evang. Kirche in Ober⸗ Bredow. — Die Zukunft der Fahrklassen auf den englischen Eis bahnen. — Eisenbahnunfälle im Staat New⸗York.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Hat ein Absonderungsberechtigter seine ganze Forderung im Konkursverfahren angemeldet, an dem Vergleichsverfahren theilgenommen und den auf seine ganze Forderung treffenden Theil⸗ betrag auf Grund des abgeschlossenen Zwangsvergleichs in Empfang genommen, so ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Zivil⸗ senats, vom 3. Oktober 1893, dadurch seine ganze Forderung getilgt und damit auch das zur Sicherheit derselben dienende Pfand⸗ recht erloschen.
— Nach §§ 773, 774 und 775 der Zivilprozeßordnung ist der Antrag auf Zwangsvollstreckung eines Urtheils zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen bei dem Prozeßgericht I. Instanz zu stellen. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, I. Zivilsenat, durch Beschluß vom 14. Oktober 1893 ausgesprochen, daß, falls das Prozeßgericht, I. Instanz, das Landgericht ist, der Schriftsatz, welcher den Antrag enthält, von einem bei dem Land⸗ gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein muß, widrigen⸗ falls er ohne materielle Entscheidung zurückzuweisen ist.
Statistik und Volkswirthschaft.
Zum deutsch⸗russischen Handelsvertrag.
Ostdeutsche Schiffseigner haben eine Petition an den Reichstag gerichtet, die mit der Bitte schließt, den deutsch⸗russischen Handelsvertrag zu genehmigen. der Petition wird auf die Nothlage hingewiesen, die im ostdeutschen Schiffahrtsgewerbe vor⸗ handen ist. Während auf den leistungsfähigeren und verkehrs⸗ reicheren westdeutschen Wasserstraßen die Schiffahrt naturgemäß sich dahin entwickelt habe, daß der Dampferbetrieb und die Ver⸗ wendung sehr großer tragfähiger Fahrzeuge die Kleinschiffahrt immer mehr zurückgedrängt habe und zurückdränge, seien derartige Be⸗ triebsänderungen bei den ganz anders gestalteten ostdeutschen Ver⸗ kehrsverhältnissen nicht wahrnehmbar. In den Gebieten der ostdeutschen Wasserstraßen, die in ihrer Leistungsfähigkeit denen des Westens weit nachstehen, sei nach wie vor die Kleinschiffahrt mit Fahrzeugen von 50 bis 200 Tons Tragfähigkeit vorherrschend geblieben. Ihr Bestand gründe sich aber nicht auf ein vorhandenes Verkehrsbedürfniß, sondern theilweise auf den Zuwachs aus den westlich gelegenen Wasserstraßen, aus denen die kleineren Fahrzeuge immer mehr nach dem Osten verdrängt werden. — Gegen⸗ über diesen, über Bedarf sich mehrenden Schiffsräumen sei aber der ostdeutsche Frachtenverkehr stetig und erheblich zurückgegangen, und die denfemaß sinkenden Frachtsätze hätten das ohnehin wenig ein⸗ trägliche, aber verantwortliche und mühevolle Gewerbe seit lange schon unlohnend gemacht. Die mißliche Lage sei in den letzten Jahren e-. durch ungünstige Wasserstände und Erhöhungen von Kanalabgaben und Arbeitslöhnen neben den steigenden Ausgaben für die Arbeiterversicherung verschärft worden⸗