1894 / 40 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Feb 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Bcethoven's Rondo a capriccio sowie mehrere kleine Salon⸗ stücke von Dubois, Rubinstein und andern vortrug. Ihr perlendes Spiel, das sich besonders durch seinen reizvollen, fein⸗ schattierten Ausdruck lund ein schönes Piano auszeichnet, war von glänzender Wirkung. Nach rauschendem Beifall und Hervorruf ge⸗ währte die unermüdliche Künstlerin noch einige Zugaben. Das Publikum war sehr zahlreich erschienen.

Im Königlichen Opernhause werden morgen Ferd. Hummel's „Mara“, Mascagni's „Cavalleria rusticana“ unter Kapellmeister Dr. Muck's Leitung und das Ballet „Slavische Brautwerbung“ (Fräulein dell' Era) gegeben. 1

Im Königlichen Schauspielhause geht morgen „Vasanta⸗ sena“ (Damen von Hochenburger, Lindner, Herren Ludwig, Arndt, Klein, Hertzer) in Scene. 8 b

Im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater beginnt die morgige erste Aufführung der Suppé’schen Operette „Brautjagd“ bereits um 7 Uhr. Die reservierten Billets sind bis morgen Mittag 12 Uhr ab

Mannigfaltiges.

Zur Herstellung des Gleich gewichts im Stadthaushalts⸗ Etat für das Verwaltungsjahr 1894/95 wird es, nach der Feststellung durch das Magistrats⸗Kollegium, erforderlich, die Summe der Ge⸗ meinde⸗Einkommensteuer mit 23 254 000 in den Etat ein⸗ zusetzen. Im laufenden Jahre waren zu diesem Zwecke nur 19 560 000 erforderlich.

Der bekannte Wiener Geologe, Professor Dr. A. Penck hielt gestern Abend im wissenschaftlichen Theater der Urania einen ebenso fesselnden wie lehrreichen und verständlichen Vortrag „Ueber Berg⸗ und Felsformen“, worin er mit Hilfe zahlreicher nach Photographien angefertigter, vortrefflicher Lichtbilder Gebirgsformen aus den ver⸗ schiedensten Gegenden der Erde besprach und die Ursachen ihrer Ent⸗ stehung erklärte. Der Reichthum der Formen der Erdoberfläche, so etwa führte der Redner aus, läßt keine sichere Klassifizierung der Bergformen zu; auch Berge mit ausgesprochener, im Namen bezeichneter Form, wie das Wetterhorn und die Dent blanche, zeigen, wenn sie anstatt von der Nord⸗ bezw. Westseite, von Süden aus be⸗ trachtet werden, eine ganz andere als die im Namen angedeutete Form. Werthvoller und tiefer als die Betrachtung der Form an den Bodenerhebungen ist deshalb die Untersuchung ihrer Entstehung. Die Erdkruste ist keinen Augenblick in Ruhe. Sie biegt sich auf oder ist ruckweise beweglich. Zwei Ursachen sind es hauptsächlich, welche die Entstehung der Gebirge und ihre Umgestaltung hervorbringen. Die inneren (vulkanischen) endogenen Ursachen schaffen Blöcke, die äußeren, die exogenen schaffen die Skulpturen. Die erhabenen Formen, welche unsere Bewunderung in so hohem Grade erregen, sind nicht diejenigen, welche durch plötzliche Katastrophen entstanden sind, sondern diejenigen, welche im Laufe von Jahrhunderten besonders durch die Arbeit des rinnenden Wassers, den Einfluß des Windes, des Schnees, der Gletscher und der Lawinen hervorgebracht werden. Die aus verschiedenem Material und in mannigfacher Schichtung zu⸗ sammengesetzten Felsen widerstehen den sie bearbeitenden äußeren Ein⸗ flüssen in der verschiedensten Weise; das leichtere, durchlässige Mate⸗ rial wird zerstört, das widerstandsfähigere Material bleibt bestehen, und diesem Umstand verdanken wir die malerischen Formen, die uns in Bergen wie dem Popocatepetl, dem Kilimandjaro, den das Bose⸗ mitethal und die Schluchten am Kolorado einschließenden Felswänden, in den Karpathen und an anderen Stellen der Erde so großartig entgegentreten. So kommt es, daß man den Satz aufstellen kann: Die innere Struktur beeinflußt das Aeußere des Berges. Das an den Abhängen herabrinnende Wasser führt nun aber die aus dem weniger festen Material bestehenden Theile in der Form von Schlamm,

8

kleinen Steinchen u. s. w. weit fort in die Ebenen und noch weiter in das Meer und bildet so die sogenannten aufgeschütteten Theile der Erdoberfläche, die wie die Norddeutsche Ebene, die Umgebung von Berlin von geringerer Erhebung und daher auch weniger malerischem Eindruck sind. Zum Schluß erwähnte der Redner, daß man sich von allen Bergformen infolge der von den Gelehrten und Künstlern bisher ent⸗ worfenen Zeichnungen und Gemälde fast immer eine falsche Vorstellung gemacht habe. Wie man erst in neuerer Zeit durch die getreuen, auf photo⸗

aphischem Wege hervorgebrachten Abbildungen festgestellt habe, bätten sich die Reisenden sowohl wie die Künstler die Abhänge der Berge stets viel steiler vorgestellt, als sie in Wirklichkeit seien; selbst Alexander von Humboldt sei diesem Irrthum unterworfen gewesen. Die geringe Kenntniß über die Gebirgsformen in Künstlerkreisen sei nur damit zu erklären, daß in frühberen Zeiten die jetzt von uns als erhabene Naturbilder bewunderten Gegenden den Gelehrten und Künst⸗ lern mehr Grausen als Freude eingeflößt hätten. Wie kein Dichter des Alterthums jemals die Berge besungen habe, so habe auch kein Maler des Mittelalters oder der Renaissancezeit sich mit Darstellung von Bergformen beschäftigt; erst seit etwa hundert Jahren habe man angefangen, sich diesem Gegenstande künstlerisch zuzuwenden. Wenn der Arzt sich dem Studium der Anatomie widme, um die Entstehung des menschlichen Körpers, seine Zusammensetzung und Organisation sowie die auf ihn einwirkenden äußeren Einflüsse genau kennen zu lernen, so sei es für den Maler, der die Formen der Erdoberfläche in ihrer ganzen Wahrheit und Schönheit zur Darstellung bringen wolle, ebenso nöthig, daß er sich mit der Anatomie des Berges, den Ursachen seiner Entstehung und seiner Umgestaltung genau beschäftige.

Die Vogel⸗Ausstellung der „Aegintha“ ist gestern in dem Lichthofe und den Sälen des Grand Hötel Alexanderplatz eröffnet worden. Die Ausstellung ist von 70 Ausstellern beschickt; außer Berlin sind Aachen, Hamburg, Königsberg, Oschatz und einige kleinere Orte vertreten. Zumeist ist es Handelswaare, die aus⸗ gestellt ist. Die 548 Papageien sind bis auf wenige von drei Händlern ausgestellt. Die ausländischen Körnerfresser sind in nahezu 1000 Exemplaren von sieben Händlern zur Schau gebracht, die Liebhaber fehlen hier ganz. Beachtenswerth sind einige seltenere Bastarde, so von Rothkopf⸗Amandine aus Bandfink und von Bartfink aus japanischen Mövchen. Fremdländische Tauben sind in selteneren Arten ausgestellt, wie Nicobartäubchen, Schopfwachteltäubchen und Dolchstichtäubchen. Die Gruppen der heimischen Sänger sind reich beschickt und übersichtlich zusammengestellt; in ihnen liegt der Werth der ganzen Schau; der Zahl nach domi⸗ nieren naturgemäß die Gattungen der Sänger. Hübsche Kollektionen bieten auch die Familien der Timälien, Baum⸗ läufer, Lerchen, Stelzen, der Stare, Pirole, Raben, Würger und und Fliegenfänger. Interessant ist die Zusammenstellung eines Kuckucks und eines Kanarienweibchens⸗ der Kuckuck ist von dem Kanarien⸗ weibchen ausgebrütet und aufgefüttert und hat sich dabei selbst voll⸗ ständig an Mehlwürmer und Fleischnahrung gewöhnt. Vier vom Restaurateur Rausch ausgestellte Rebhühner sind von einer Haushenne aus⸗ gebrütet und in der Gefangenschaft aufgezogen. Mit seltsamen Exemplaren besetzt ist die Gattung der Strandläufer, auch ein seltener Regen⸗ pfeifer, ein Triel, ist ausgestellt. Preiskanarien werden nur in 11 Kollektionen vorgeführt. Verkaufskanarien sind dagegen 321. vorhanden, dazu kommen 10 Bastarde und Taubenkanarien. Sonst bietet die Schau noch eine sehr hübsche Eiersammlung, reiche Kollektionen ausgestopfter Vögel, viele Geräthe, Nistkästen, Futter⸗ proben u. dergl. Die Ausstellung bleibt bis zum Dienstag geöffnet.

„Auf, auf zur fröhlichen Jagd!“ ist der Titel des neuen Sport⸗ schaustücks, welches am Sonnabend im Zirkus Renz zur ersten Aufführung gelangt, und zu dessen wirkungsvoller Inscenierung Direktor Renz s Anschaffungen an Gespannen aller Art, Wagen⸗, Reitpferden und echten schottischen Hundemeuten, kurzum an einem

geschenkt hat.

Ja dapparat gemacht bat, wie man ihn sonft nur bei einer Hofjag zu seder Gelegenheit hat. Das prächtige „Künstlerfest“ geht demnach morgen zum letzten Mal in Szene.

Stettin, 14. Februar. Wie hoch sich der Schaden beläuft, welcher durch den Sturz des Thurms der Jakobikirche an dem Kirchendach und dem Gebäude überhaupt angerichtet worden, läßt sich zur Zeit noch nicht übersehen. Dagegen steht der Verlust fest, der durch den Herabsturz der Thurmspitze selbst erwachsen ist. Ihre Auf⸗ setzung hat einen Kostenaufwand von etwa 18 000 erfordert. Diese Kapital würde dem angesammelten Fonds für die Wiederherstellun des Thurms verloren gehen. Wie die „N. St. Z.“ indessen erfährt, hat Herr Karl Gerber, welcher für Wiederherstellung der Kirche scho zweimal Schenkungen im Gesammtbetrage von 91 000 gemacht hat, gestern dem Gemeinde⸗Kirchenrath angezeigt, daß er zur Ausgleichung des letzteren Verlustes eine weitere Schenkung vo 20 000 ℳ, welche sofort erhoben werden kann, zur Verfügung stell Der Gemeinde⸗Kirchenrath beschloß ferner, die Kosten für die Be erdigung des beim Sturz des Thurmes erschlagenen Kirchenrendante Radcke auf die Kirchenkasse zu übernehmen, indem er sich weiter Anträge, betreffend die Versorgung der Wittwe, bei der Gemeind vertretung vorbehielt.

Wittenberg, 13. Februar. Der „Köln. Z.“ wird geschrieben: Durch den Sturm sind die evangelische Stadtkirche und die wieder⸗ bergestellte Schloßkirche schwer beschädigt worden. In das mächtige Dach der Stadtkirche wurden große Löcher gerissen, die Notenbretter von den Galerien losgebrochen und ein seit vier Jahrhunderten auf dem Schulglockenthirm an der nordöstlichen Ecke der Kirche stehendes eisernes Kreuz herabgeschleudert. Noch schlimmer erging es der Schloßkirche. Auf dem Westgiebel der Kirch war als Uebergang von dem neuen prächtigen Thurm zum alte Schloß, der jetzigen Schloßkaserne, eine aus mit Maßwerk verbundenen Fialen bestehende Sandsteingalerie errichtet. Diese Galerie ist nicht mehr. Bald nach 2 Uhr warf der Orkan die Kreuzblume der einen Fiale und gleich darauf den größeren Theil der Galerie herab. D Trümmer, darunter Steine bis zu 7 Ztr. schwer, durchschlugen einen großen Theil des mit bunt glasierten Ziegeln eingedeckten Daches während die Hauptlast auf das Dach der Schloßkaserne fiel, dieses durchschlug und mit den Trümmern des Kasernendaches in die Mon⸗ tierungskammer der 1. Kompagnie des 20. Regiments stürzte. Kirchen⸗ dach, Kasernendach und Kammer bilden ein Bild wüster Zerstörung; der sofort abgesperrte Schloßplatz ist mit Dachsteintrümmern und Maßwerkstücken bedeckt. Das kostbare Deckengewölbe der Kirche und der Thurm sind unversehrt.

Boppard, 12. Februar. Gestern brach hier ein verheerendes Feuer aus, das erst gegen Morgen gelöscht werden konnte. Di Gasthöfe „Zum Hirsch“ und „Zum Schwanen“ (beide am Rhein g. legen), sowie zwölf andere Häaäuser sind eingeäschert worden. Ei Feuerwehrmann wurde durch eine einstürzende Wand verletzt.

Grevenstein. Hier ist die Anlage einer Wasserleitung in Ausführung begriffen; sie verdankt ihre Entstehung vorzugsweise dem hochherzigen Geschenk des in Amerika wohnenden Pastors Nagel, eines gebürtigen Grevensteiners, welcher zu diesem Zweck 11 000

New⸗York, 14. Februar. Aus Philadelphia wird dem „D. B. Hd.“ gemeldet, daß dort durch einen Erdrutsch dreißig Per⸗ sonen verschüttet wurden. Dreizehn Todte hat man bis jetzt unter den Erdmassen hervorgezogen. 8 v 8

1“

ge.)

Wetterberi

72

00 —2 —2, -n

R.

4 2 4

Bar. auf 0 Gr. essp. in 0 Celsius

u. d. Meere red. in Millim. Temperatur

5⁰0 C. 4⁰

Belmullet.. Aberdeen Christiansund Kopenhagen. Stockholm aparanda. St. Petersbg. Moskau .. Tork Queens⸗ EEEEE“ Cherbourg.

--. winemünde Neufahrwasser Memel ... ünster Karlsruhe. Wiesbaden

Chemnitz. Berlin... Breslau... Ile d'Air.. V

1I

8 ¹) Nachts leichter Aen. . . Leerees Nachts gen und Schnee. ) Nachts wenig Schlas ⁵) Reif, gestern Morgen Schnee. e) Gestern Regen, Graupel

666

9G ”6,ses,

S8 8

3

still bedeckt

9 3

b

4 wolkig

3 bedeckt

1 wolk enles

2halb bed. ¹)

4 bedeckt²)

4 wolkig)

2 wolkig¹)

1 wolkenlos

1 wolkig

3 beiter

2 wolkenl.)

2halb bed. wolkig

5 Schnee Schneree) halb bed.

4 Schnee

3 beiter

3 beiter

still wolkenlos

8867.

S Sts 9

83 8

8

—es;Ne

Zt G 988

8

92

GG

Ce tats

8

Ststs 8

9' & SSESSSbenndneneS

und Schneeschauer. 1 Uebersicht der Witterung.

Eine Zone hohen Luftdrucks erstreckt sich von der norwegischen See südwärts nach Südfrankreich und scheint sich langsam ostwärts fortzupflanzen. De⸗ pressionen liegen westlich von Irland und über Ruß⸗ land. Bei schwachen bis frischen, meist westlichen und nordwestlichen Winden und durchschnittlich nor⸗ malen Wärmeverhältnissen ist das Wetter in Deutsch⸗ land veränderlich; vielfach ist Regen oder Schnee in geringer Menge gefallen, gestern Nachmittag und in der Racht fanden an der Unterelbe und an der füd⸗ lichen Ostsee stellenweise Graupelböen statt. Ham⸗ burg hatte heute früh Gewitter. In Ost⸗ und Süd⸗ deutschland herrscht leichter Frost.

Deutsche Seewarte.

Theater⸗Anzeigen.

Asnigliche Schanspiele. Freutag: Orem⸗ baus. 41. Verstellung. Mara. Oper in 1 Akt von Ferdinand Hummel. Text von Axel Delmar.

b

In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Diri⸗ gent: Kapellmeister Dr. Muck. Slavische Brant⸗ werbung. Tanzbild von Emil Graeb. Musik kom⸗ poniert und arrangiert von P. Hertel. (Mit Ein⸗ lagen von J. Brahms.) Cavalleria rusti- cana. Oper in 1 g von Pietro Mascagni. Text nach dem gleichaamigen Volksstück von G. Verga. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Peölaf. Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. Anfang hbr.

Schauspielhaus. 47. Vorstellung. Basantasena. Drama in 5 Aufzügen von Emil Pohl, mit freier Benutzung der Dichtung des altindischen Königs Sudraka. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regissenur Mar Grube. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Opernhaus. Mit aufgehobenem Abonnement und unter Fortfall der permanent reservierten Plätze. Zum ersten Mal: Die Medici. Historische Handlung in 4 Akten, Dichtung und Musik von R. Leoncavallo. Uebersetzung von Emil Taubert. Tanz von Emil Graeb. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Anfang 7 ½ Uhr.

Erhöhte Preise: Fremden⸗ und Orchester⸗Loge 12 ℳ% Erster Rang Balkon und Loge, Parquet und Parquet⸗Loge 10 Zweiter Rang Pro⸗ sceniums⸗Loge 7 Zweiter Rang Balkon und Loge 6 Dritter Rang Balkon und Loge 4 Parterre und Amphitheater Sitzplatz 2 Amphi⸗ theater Stehplatz 1 Die Billets tragen die Bezeichnung: Reserve⸗Satz und den Datumstempel. Dienst⸗ und Freiplätze haben keine Gültigkeit.

Schauspielhaus. 48. Vorstellung. Die Jour⸗ nalisten. Lustspiel in 4 Aufzügen von Gustav Feeptag. (Adelheid Runeck: Frau Clara Mevyer,

hrenmitglied des Königlichen Schauspiels.) Letztes Auftreten in dieser Spielzeit. Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater.

Senator. Anfang 7 Uhr. Sonnabend: Der Herr Senator. Sonntag: Der Herr Seuator. Montag: Der Talisman.

Freitag:

Berliner Theater. Freitag: 25. Abonne⸗ ments⸗Vorstellung. Uriel Acosta. (Ludwig Barnavyv.)

Anfang 7 Uhr. Sonnabend: Aus eignem Recht.

Sonntag, Nochm. 2 ½⅞ Uhr: Dorf und Stadt, Abends 7 ½ Uhr: Timon von Athen.

Lesfing⸗Theater. Freitag: Ohne Geläut. Sonnabend, Sonntag: Madame Sans⸗Gene.

Wallner-Theater. Freitag: Heimath. Sonnabend, Sonntag: Der unglänbige Thomas. Unter vier Anugen.

Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25. Freitag: Mit neuer Ausstattung. Zum 1. Male: Brautjagd. Operette in 3 Akten (mit theilweiser

Die Kinder des Kapitäu

Benutzung Richard Genée’scher Texte) von Hermann Hirschel. Musik von Franz von Suppé. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Herr Kapell⸗ meister Federmann. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Die Brauntjagd.

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg. Freitag: Zum 54. Male. Der Muster⸗ gatte. (Le premier mari de France.) Schwank in 3 Akten von Albin Valabréègue. Vorher: Lolotte. Schwank in 1 Akt von H. Meilhac und Ludw. Halévy. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung. 8

Sonntag, Nachm. 2 ½ Uhr: Matinée. Zu Gunsten der Deutschen Schriftsteller⸗Genossenschaft. Gastspiel des K. K. Hofschauspielers Friedrich Mitterwurzer. Zum 1. Male. Verfehlter Beruf. Lustspiel in 3 Akten von Frdr. Dernburg und Eugen Zabel.

Abends 7 ½ Uhr: Letzte Sonntags⸗Vorstellung von Der Mustergatte.

Neues Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg. Freitag: A Basso Porto. Scenen aus dem neapolitanischen Volksleben in 3 Akten von Goffredo Cognetti. Deutsch von Emil Dürer. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Anfang 7 ½ Uhr. 8

Sonnabend: Veglione.

Sonntag: A Basso Porto.

7/8. Aufführungen von

ant. Ausstattungs⸗ Anfang

Viktoria-Thegter. Belle⸗Alliancestraße

Freitag: Nur noch wenige 3 großem Ballet in 12 Bildern. 7 ½ Uhr.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr, ermäßigte Preise: Lumpaci vagabundus, oder: Das lieder⸗ Hr Kleeblatt. Zauberposse mit Gesang und Ballet.

Theater AUnter den Linden. Freitag: Der Obersteiger. Operette in 3 Akten von M. 52 L. Held. Musik von C. Zeller. Anfang

½ Uhr.

Adolph Ernk⸗-Theater. Freitag, 7 ½ Uhr: Charley’s Taute. Schwank in 3 Akten von Brandon Thomas. Vorher: Die 43 verodifetsc. Posse mit Gesang in 1 Akt von Ed. Jacobson und Benno Jacobson. Musik von Franz Roth. In Scene gesetzt von Ad. Ernst.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Bentral⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Freitag: Zum 18. Male. Herr Coulisset. Schwank in 3 Akten von E. Blum und R. Toché. Hierauf: Zum 55. Male. Berlin 1893. Revue 9 R., e geheen von L. Leipziger. Anfang

r. Sonnabend⸗ Dieselbe Vorstellung.

Konzerte.

Konzert-Hans. Freitag, Abends 7 ½ Uhr: V. letztes populäres Orchester⸗Konzert (Beethoven⸗ Abend) von Prof. Waldemar Meyer. Dirigent: Prof. Reinh. L. Herman.

Billets à 3, 2 und 1 bei Bote u. Bock, im Bureau des Konzerthaufes und an der Abendkasse.

Sing-Akademir. Freitag, Abends 8 Uhr: Konzert von Bernhard Stavenhagen mit dem Ber⸗ liner Philhbarm. Orchester, sowie unter Mitwirkung von Frau Agnes Stavenhagen.

Saal Bechstein. Freitag, Abends II. Lieder⸗Abend des Tenoristen Henrik unter gef. Mitwirkung der Pianistin Eugenie Reinhold.

Birhus Renz (Karlstraße). Freitag, Abends 7 ¼ Uhr: Zum letzten Male: Ein Künstlerfest. Außerdem: Musterung der Neuerwerbungen für den Marstall; das Feuerpferd Elimar, vorgeführt von Frl. Oceana Renz; das Schulpferd Cyd, geritten von Herrn R. Renz; der urkomische Imitator⸗ Clown Mr. Ybbs; die Akrobaten auf dem Drabt⸗ seil Zalva, Espana u. Alvar; Mr. Lavater Lee c.

Sonnabend: Zum 1. Male: Auf auf zur fröh⸗ lichen Jagd. Original⸗Sportschaustück mit Parforce⸗ Ritt vom Direktor Fr. Renz.

Sonntag: Zwei Vorstellungen, Nachm. 4 Ukr (1 Kind frei) und Abends 7 ½ Uhr.

;EAAxExREU.x=cTIITEESH’YIeEeeA

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Virginie Freiin von Wöhrmann mit Hrn. Hauptmann Ee Otto Grafen von Holtzendorff (Wiesbaden Dresden). Frl. Wanda don Leipziger mit Hrn. Lieut. Carl von Roene (Köln Köln⸗Deutz). Frl. Else von Holleben mit Hrn. Prem.⸗Lieut. Hermann Frhrn. von der Heyden⸗Rynsch (Düsfeldorf).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. von Creytz (Bulitten Hrn. Pfarrer Schlemmer (Pfarrhaus Lottzschöß. Eine Ficer. Hrn. Marine⸗Baumeifter Schwar ing).

Hr. Direktions⸗Präsiden Karl Krahn (Charlottenburg), Hr. Genem.“ Lieut. z. D. Wilhelm Hugo Schmeltzer (Berlin⸗ Verw. Fr. General⸗Lieut. Emma von Alteg, geb. von Reuß (Freiburg i. Br.). Hr. Amtsgerichts⸗ Rath Carl Neukirchner (Brieg). Fr. Ritter⸗

Pauline Paschke, geb. Hanke Obe⸗ auche).

Redakteur: Dr. H. Klee, Direktor.

Berlin: Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und 2 Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr.

Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage)

28

chen Staats⸗Anzeiger. 1“ eEe.

Nachwe

isung

der Einnahme an Wechselstempelsteuer im Deutschen Reich für die Zeit vom 1. April 1893 bis zum Schluß des Monats Januar 1894.

————-:—sssnnö— 1. 2.

3. 4. 5. 8 6.

Einnahnne 1 1 im Monat in Ober⸗Postdirektions⸗Bezirke Januar

Hierzu Einnahme

Vormonaten

Einnahme in dem⸗ selben Zeitraum des Vorjahres

(Spalte 4)

In 1893/94 + mehr weniger

den Zusammen

I. Im Reichs⸗Postgebiet. Leeebö616ö6“; Gumbinnen .

Berlin.. otsdam. Frankfurt a. Stettin Köslin.. Fle Bromberg. Breslau Liegnitz.. Oppeln. Magdebur Halle a. Erfurt. Hannover Münster Minden Arnsberg Cassel .. rankfurt a. Köln. Aachen. Koblenz Düsseldorf. Trier Dresden Leipzig ..

) Karlsruhe.

) Konstanz Darmstadt. Schwerin i. M. Oldenburg Braunschweig Bremen 1

) Straßburg i. E.

40) Metz

0 00-2ODOSH 9n dO,—

—½

Im= HSOCOK

—6—ggboD9 do

129oboSene SsgwFSEGbO Gors

SO00 OCUI S0 do —— ————

0‿ 89

15 278 4 703 4 072 6 024

18 464

95 687

18 482

91 443 11.““ V 32 557 40 Danzig.. 16 1.“ 54 77 292 70 798 280 50 39 120 61 228 5 267 47 150 33 879 134 069 84 581 69 267 N5I

55 173 36 937 387 415 16 385 150 000 396 485 196 917 54 833 111 584 30 361 33 215 54 227 188 491 766 751 139 207 27 602

V

10 103 718 36 782 37 593 85 247 81 970 893 703 823 005 20 43 348 70 88 244 67 880 5 68 187 84 815 83 098 16 989 17 555 51 733 54 153 38 024 33 878 151 388 149 984 94 4599 96 317 77 891 74 964 141 718 138 462 97 150 93 398 112 168 115 737 78 998 75 237 92 937 93 970 31 737 30 626 65 520 60 968 158 690 158 980 63 102 63 515 329 321 317 153 154 856 154 874 62 720 61 016 41 741 41 340 435 203 415 324 18 346 18 861 168 012 159 694 444 527 437 985 226 276 216 906 62 342 67 338 126 863 122 655 35 065 33 904 37 288 36 114 60 251 62 037 206 955 188 378 862 439 800 542 157 689 * 158 667 30 890 34 395

105 738

IIIIIrHIlIITIArHIIITItl!

Summe I.. I. Baypern .. b b . 10 Württemberg. 23 435 20

393 224

526 381 557 5 34 185 160 8 218 585 1—

5 822 780 + 13 209 9 990

Ueberhaut 25 Berlin, im Februar 1894.

6 104 765 45

+ 229 235

Haupt⸗Buchhalterei des Reichs⸗Schatzamts. Biester. 88

Deeutscher Reichstag. 49. Sitzung vom Mittwoch, 14. Februar, 1 Uhr.

Die zweite Berathung der Anträge Gröber (Zentr.) und Rickert (fr. Vg.) auf Abänderung des Wahlgesetzes wird fortgesetzt. b

Im weiteren Lauf der Verhandlung, über deren Beginn bereits in der Nummer vom Mittwoch berichtet worden ist, erhält nach dem Abg. Auer zum § 11 b, welcher die Schaffung eines Isolierraums, in welchem der Wähler unbeachtet den Stimmzettel in den Umschlag legen kann, vorschreibt, das Wort der

Abg. Gröber (Zentr.): Mit den Umschlägen allein sei das Wahlgeheimniß nicht zu schützen; es würde mit ihnen derselbe Unfug wie jetzt mit den Stimmzetteln getrieben werden. Es sei im Jahre 1867 die württembergische Regierung selbst und nicht etwa ein radikaler Volksvertreter gewesen, die nicht bloß Umschläge, sondern auch einen Isolierraum für die württembergischen Landtagswahlen vorschlug; der Landtag habe aber den Isolierraum abgelehnt und nur die Um⸗ chläge angenommen. Später seien diese dann wieder abgeschafft worden, um mit dem Reichswahlgesetz in Uebereinstimmung zu kommen. Das Zentrum halte an dem Isolierraum fest, da es einen ne nicht einen nur vermeintlichen Schutz des Wahlgeheim⸗ nisses wolle.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.) erwidert dem Abg. Dr. von Mar⸗ quardsen, daß mit den Umschlägen allein nichts erreicht wird, wenn man nicht wisse, ob nicht vorher der Wähler einen bestimmten Zettel in den Umschlag zu thun gezwungen worden sei. So beschränkt werde doch 8 kein Wahlvorsteher sein, um nicht zu wissen, wie er den Verschlag einzurichten habe. Die zur Zeit der Wahlprüfungs⸗ kommission vorliegenden Wahlakten legten Zeugniß ab für die stete Wiederkehr der Wahlbeeinflussungen in denselben Wahlkreisen, nament⸗ Bereich der nationalliberalen Großindustrie in Rheinland und

alen.

„Abg. Dr. von Marquardsen (nl.): Daß der Wähler nach dem Vorschlag Bassermann den Wahlzettel im Wahllokal in den Um⸗ scII“ ’8 aessci soü, ist doch seiöstderstandtich. Der Sotschläg Küek, daß die Umschläge bei den Behörden von den Parteien entnommen ee sollen, paßt nur für Wahlen, für die die Parteien die Kan⸗ daten amtlich nominieren, wo Stimmzettel, die auf andere Namen auten, als sie die Parteien nominiert haben, ungültig sind.

.Abg. Dr. Barth (frs. Vg.): Durch die Umschläge allein würde lediglich der Glaube erweckt werden, als ob zur Wahrung des

ahlgeheimnisses etwas geschehen wäre.

d 1b wird in der vorgeschlagenen Fassung angenommen. er Antrag Bassermann ist damit erledigt. bi 5 § 11c soll die Wahlzeit von 10 Uhr Vormittags . (jetzt 6) Uhr Nachmittags dauern. Die Annahme er⸗ folgt ohne Diskussion. s 11 d enthält nach dem Vorschlage der Abgg. Gröber Wohl ickert die Neuerung, daß der Wähler selbst, nicht der hlvorsteher, den Umschlag in die Wahlurne legen soll.

1 Abg. Bassermann (nl.) will es bei der bisherigen Vorschrife belassen.

Abg. Gröber (Zentr.) plädiert für seinen Vorschlag, da man in der Vertrauensseligkeit den Wahlvorstehern gegenüber nicht zu weit gehen dürfe.

Abg. Dr. von Marquardsen inl.) glaubt, daß der Antrag⸗ steller in seinem Mißtrauen gegen die Wahlvorsteher zu weit geht, indem er sie sogar der Möglichkeit der zulässigen und berechtigten Kontrole beraube.

Abg. Dr. Rintelen (Zentr.) wendet dagegen ein, daß nach dem Verfahren vielfach ein Vorsteher durch das Befühlen der Zettel zu ermitteln wußte, wie dieser oder jener Wähler gewählt hatte. Solchen Eventualitäten solle vorgebeugt werden.

§ 11 G wird genehmigt.

Zu § 11e (Prüfung der Umschläge nach Schluß der Ver⸗ handlung und Feststellung des Resultats) liegt ein Antrag Casselmann vor, wonach von 7 Uhr ab nur Wähler zu⸗ gelassen werden sollen, welche vor 7 Uhr bereits im Wahl⸗ lokale anwesend waren.

Abg. Casselmann (fr. Volksp.) bedauert, daß man nicht dazu übergehen wolle, die Wahl am Sonntag vorzunehmen. Dafür habe man die Wahlzeit um eine Stunde verlängert. Im Interesse der räumlich sehr ausgedehnten oder unwegsamen Wahlkreise müsse aber wenigstens entsprechend seinem Antrage die Möglichkeit der Stimm⸗ abgabe ausgedehnt werden.

Abg. Auer (Soz.): Bezüglich des Schlusses der Wahlhandlung herrscht allerdings eine verschiedene Praxis. Das Wahlgesetz und das Reglement schreiben den Schluß der Stimmabgabe um 6 Uhr vor, trotzdem wird z. B. auch in Berlin anders verfahren. Für den Antrag Casselmann und gegen denselben sprechen zahlreiche Gründe, ich kann zur Zeit mich für ihn nicht entscheiden.

Abg. Dr. von Marquardsen (nl.) ist dem Antrage geneigt; die Entscheidung werde der dritten Lesung zu überlassen sein, wo auch auf die Verlängerung der Wahlzeit zurückzukommen sein werde.

Abg. Dr. Stephan⸗Beuthen (Zentr.) spricht sich auch für den Antrag aus, dessen endgültige Fassung der dritten Lesung vorbehalten bleiben könne. Der Antrag komme ei wirklichen Bedürfniß S

Abg. Zubeil (Soz.): Wir haben in der Fraktion zu dem Antrage noch nicht Stellung nehmen können. Es muß uns aber sehr daran liegen, daß die bis zum Schlusse der Wahlzeit im Wahllokal Erschienenen auch ihr Wahlrecht ausüben können; wir sind deshalb mit der Tendenz des Antrags einverstanden; die definitive Formu⸗ lierung sollte man bis zur dritten Lesung aussetzen.

Abg. Casselmann (fr. Volksp.) beklagt, daß auch die so werthvolle Verlängerung der Wahlzeit den Beifall des Abg. Dr. von Marquardsen nicht finde; hoffentlich werde letzterer bis zur dritten Lesung bekehrt sein. Im übrigen ist Redner über die sympathische Aufnahme seiner Anregung sehr erfreut und empfiehlt ihre Annahme, besonders noch mit dem Hinweis darauf, daß sie der bisherigen Willkür der Wahlvorsteher auf diesem Gebiet ein Ende bereiten würde.

Abg. Rickert (frs. Vg.) bittet den Antragsteller, den Antrag bis zur dritten Lesung zurückzuziehen. Schwierig bleibe die Frage, wie

es zu machen sei, die Oeffentlichkeit der Wahl aufrecht zu erhalten, wenn der Antrag in der vorgelegten Form zur Annahme gelangen sollte. Anderenfalls könne er dem Antrag nur mit Vorbehalt zustimmen.

Nachdem der Abg. Casselmann erklärt hat, zur Zurück⸗ nahme des Antrags keinen Grund zu haben, wird der §11 e mit diesem Antrag angenommen.

11f trifft Bestimmung darüber, welche Stimmzettel ungültig sind. Es soll hinzutreten die Vorschrift, daß dazu auch Stimmzettel gehören, die nicht in amtlich gestempeltem Umschlag oder in einem durch ein Kennzeichen auffällig ge⸗ machten Umschlag übergeben worden sind. Das letztere soll auch von den Stimmzetteln gelten.

Abg. Bassermann (nl.) beantragt, wie früher auch die Stimm⸗ zettel, die nicht von weißem Papier sind, für ungültig zu erklären.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.) will auch Stimmzettel, deren Gewicht und Größe von den amtlich festgestellten Gewichts⸗ oder Größebestimmungen erkennbar abweichen, für ungültig erklären.

Abg. Gröber (Zentr.)“ hält beide Anträge für überflüssig, da es jetzt nicht mehr heißen solle „mit einem äußeren Kennzeichen“, sondern nur „mit einem Kennzeichen“, womit beide besonderen Wünsche gedeckt würden.

§ 11 f wird unverändert angenommen, ebenso der Rest der Abänderungsanträge ohne Debatte.

Es folgt die erste Lesung des Antrags Schröder, be⸗ treffend die Abänderung des Art. 61 des Handelsgesetz⸗ buchs. Der Antrag bezweckt Neuordnung der Bestimmungen über die Kündigungsfrist und die Ausstellung der Zeugnisse. Die Kündigungsfrist soll, wo sie vertragsmäßig vereinbart ist, für beide Theile gleich und jede entgegenstehende Vereinbarung rechtsungültig sein. Beim Abgange sollen die Handlungs⸗ gehilfen ein Zeugniß über Art und Dauer ihrer Beschäftigung fordern können; auf ihr Verlangen soll dieses Zeugniß auch auf Führung und Leistungen ausgedehnt werden.

Antragsteller Abg. Schröder (frs. Vg.) empfiehlt den Antrag, der schon im vorigen Jahre als Antrag Goldschmidt freundlich auf⸗ genommen worden sei. Die vorgeschlagenen Aenderungen entsprächen dem allgemeinen Wunsche der Handlungsgehilfen. Da die Materie genügend erörtert sei, stehe der sofortigen Vornahme der zweiten Lesung

wohl nichts im Wege.

Abg. Singer (Soz.): Wir werden diesem. Wunsche keinen Widerspruch entgegensetzen. Für die Frage der Zeugnißausstellung ist es nicht mehr nöthig, noch weiter Worte zu verlieren. Das Wichtigere ist die Regelung der Kündigungsfrist. Die vielgerühmte Vertragsfreiheit des Handelsgesetzbuchs hat sich für die Mehrzahl der Handlungsgehilfen zu einer wahren Unfreiheit umgewandelt. Gewisse Geschäftsordnungen gewisser großer Firmen könnte man zutreffender mit dem Worte „Sklavenordnung“ bezeichnen. So behält sich eine der bekanntesten Firmen Leipzigs in ihrem Engagementsvertrag das Recht vor, jeden Tag zu kündigen, während der Kommis an die Frist des Handelsgesetzbuchs, also an die EF Kündi⸗ gung zum nächsten Quartalsersten gebunden ist. och schlimmer sind die Kontrakte, welche die Firma Rudolph Hertzog mit ihren Kommis abschließt. Es werden durch die Vertragsfreiheit die wirth⸗ schaftlich Schwachen willenlos in die Hand der wirthschaftlich Starken gegeben. Die kleine Verbesserung, die hier vorgeschlagen wird, trifft nicht das, um was es sich handelt; sie verhindert nicht, daß die Leute jeden Tag, jede Woche aufs Pflaster geworfen zu werden fürchten müssen. Der Kommis ist eben ökonomisch nicht in der Lage, seinen Willen zum Ausdruck bringen zu können. Die amtliche Enquête über die Verhältnisse in den Handelsgewerben hat sich auch auf diesen Punkt erstreckt; auf das Gutachten des Vereins der Berliner Indu⸗ striellen darf man aber nichts geben, wenn man wirklich an den schlimmen Zuständen etwas bessern will. Diese Herren betrachten einfach die Handlungsgehilfen als ein Stück Waare, das man zur Zeit starken Ge⸗ schäftsganges in großer Menge beschafft und nachher ebenso wieder in großen Mengen abschafft. Namentlich erkennt man den kapitalistischen Pferdefuß an jener Ausführung der Gutachten, die da sagt: Durch eine allgemeine Einführung der 4 wöchentlichen Minimal⸗Kündigungsfrist zwei Monate lang an ein untüchtiges Personal gefesselt zu sein, ist eine Zumuthung, die entschieden zurückgewiesen werden muß. Dabei ist in der Hälfte aller Geschäfte, welche der Verein befragt hat, die An⸗ stellung der Kommis bei vierwöchentlicher Kündigungsfrist Thatsache. Nach der aufgenommenen Statistik richten sich nur 37 % der Betriebe nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs. Eine Minimal⸗ kündigungsfrist von vier Wochen verlangen wir für die Angestellten der Handelsgeschäfte unter allen Umständen. Eine solche Kündigungsfrist kann auch den Unternehmern durchaus nicht schaden. Der Vorstand des deutschen Verbandes kaufmännischer Vereine tritt ebenfalls für diese Forderung ein; dazu treten sehr zahlreiche Petitionen von kauf⸗ männischen Vereinen u. dergl., welche theils die vier⸗, theils die sechs⸗ wöchentliche Kündigungsfrist fordern. Mit der Regelung der Frage kann bis zum Erlaß des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht gewartet werden; aber diese Regulierung kann nur darin bestehen, daß die vierwöchentliche Kündigungfrist als Minimum konzediert wird. Damit allein wird sich der Reichstag den Dank des Handlungsgehilfenstandes erwerben.

Abg. Träger (fr. Volksp.) hat für den Antrag Singer außer⸗ ordentlich viel Sympathie; sehr schwierig aber erscheine es, die vier⸗ wöchentliche Minimalkündigungsfrist organisch dem Handelsgesetzbuch einzuverleiben. Wie soll es in diesem Falle mit der vierwöchigen e gehalten werden? Eine bestimmte Erklärung über die Forderung läßt sich jedenfalls zur Zeit nicht abgeben.

Abg. Spahn (Zentr.) spricht sich für den Antrag Schröder aus,

mit der Modifikation, daß die Kündigung immer nur am Ersten jedes Monats ausgesprochen werden soll. Abg. Bassermann (nl.) ist mit seiner Partei ebenfalls mit der Tendenz des Antrags einverstanden und hat auch gegen Uebergang zur zweiten Lesung ohne Kommissionsberathung nichts einzuwenden. Die Anregung des Abg. Singer ist sehr beachtenswerth; das formale Prinzip der Vertragsfreiheit muß überall da weichen, wo die Praxis eine Benachtheiligung der wirthschaftlich Schwachen und infolge davon schwere Unzuträglichkeiten erkennen läßt. Ebenso muß den Handlungs⸗ gehilfen ein Klagerecht auf das Zeugniß eingeräumt werden.

In ähnlichem Sinne äußern sich die Abgg. Dr. von Buchka (dkons.) und Klemm⸗Dresden (d. Refp.).

Damit schließt die erste Berathung. fort in die zweite Berathung ein, beschließt aber, da änderungsvorschlag Singer vorliegt, die Vertagung.

Schluß 5 Uhr.

Das Haus tritt so⸗ ein Ab⸗

Preußischer Landtag.

Herrenhaus. M“““

(GSzung vom 14. Fesruart 1888

3u dem Anfangsbericht in der Mittwochs⸗Nummer d. Bl. ist noch Folgendes nachzutragen:

Der Präsident Fürst zu Stolberg⸗Wernigerode

theilt mit, daß in das Herrenhaus berufen sind der Herzog .