möchte also auch dieses Prinzip des Herrn Grafen Arnim nicht für
die verbündeten Regierungen und für die Reichsregierung acceptieren.
Nun noch eine Bemerkung wegen des Vorhersehens der Meuterei! Das, was der Herr Graf hier aus den Berichten des Herrn Leist zitiert hat, ist ganz richtig. Es ist aber die Frage, ob die Motive, die hier angegeben werden — und das läßt auch die Fassung zweifel⸗ haft — nicht Motive ex post sind: Motive, die man sich klar ge⸗ macht hat, die man zusammensucht, nachdem das Unglück geschehen ist; oder ob man in der That schon lange vorher diese Motive sich zu eigen gemacht hat, — und das letztere möchte ich eben deshalb bestreiten, weil der Herr Kanzler Leist nichts gethan hat, um die Häuser zu besetzen. Aber was mir noch ein stärkerer Beweis zu sein scheint, daß er nicht ernstlich an Meuterei geglaubt hat, ist das, daß er die „Hyäne“ fortfahren ließ. Wenn der Herr an eine Meuterei glaubte, so war doch nichts natürlicher, als daß er die einzige sichere Kraft zurückbehielt. Statt dessen hat er der „Hyäne“ erlaubt, fortzufahren. Ich bin also in meiner Ueberzeugung davon, daß die Motive der Meuterei dem Kanzler Leist und seiner Umgebung nicht lange vorher gegenwärtig gewesen sind, durch das, was der Herr Vorredner gesagt hat, nicht erschüttert worden.
Abg. Beckh (fr. Volksp.): Daß die Vorgänge in Kamerun einen Mißerfolg darstellen, hat bereits die Presse hervorgehoben. Das Kolonialamt hat diese Vorgänge durch eine rosenrothe Brille an⸗ gesehen, während dieselben doch eine dunkle Färbung haben. Die „Vossische Zeitung“ hat bereits vor einiger Zeit in scharfer Weise das Urtheil abgegeben, daß man in Kolonialkreisen unzufrieden mit der Verwaltung in Kamerun, und daß deren Sündenregister groß sei. Ein Erlaß über das Honneurmachen ist vordem in Ostafrika bereits in Kamerun ergangen durch den Kanzler Wehlau. Volkamer war sich allerdings der Gefahren bewußt, denen er entgegenging, aber er konnte nicht annehmen, daß man ihn mit seiner Aus⸗ rüstung so lange allein lassen würde. In längstens drei Monaten war ihm das S einer Expedition in Aussicht ge⸗ stellt. Aber man hat fast ein Jahr vorübergehen lassen. Allein auch so hätte man durch Boten sich mit Herrn Volkamer in Verbindung setzen können, da die Entfernung nur 200 — 250 km betrug. Das Gouvernement war thatsächlich schon im August 1892 davon unter⸗ richtet, daß Volkamer ungenügend mit Munition versehen war; das geht aus der amtlichen „Kolonial⸗Zeitung“ hervor. Ebenso ist es mit der Verrflegung sehr schlecht gehalten worden, wie der Bericht des Chefs Ramsay beweist. Es ist auch die Geschichte mit dem Tagebuch nicht genau aufgeklärt. Warum wird das Stationstagebuch nicht an den Tag gebracht? Die Familie hat wegen der Herausgabe sonar die Klage erhoben. Nach der Ansicht des Dirigenten der Kolonialabtheilung Dr. Kayser ist für eine Expedition nach Balinga kein Bedürfniß gewesen; die Offiziere sagen das Gegentheil. Daß alles seitens des Gouvernements geschehen sei, kann hiernach nicht behauptet werden. Das Kolonialamt trifft allerdings bloß der Vor⸗ wurf der Fahrlässigkeit. . “
Abg. Bebel (Soz.): Ich habe nicht behauptet, daß die von mir gerügten mharh. in Liberia der deutschen Regierung zur Last fallen: ich habe nur verlangt, daß die deutsche Regierung ihren Einfluß auf⸗ biete, um die Wiederkehr solcher Dinge zu verhindern. Zu meinen Ausführungen über die christliche Kulturmission habe ich allerdings ein solches Recht gehabt. Seit Jahren wird hier die Kolonialpolitik mit der christlichen Kultur motiviert. Da haben wir denn einige Mittel dieser christlichen Kultur auf den Tisch des Hauses niedergelegt. Wir sind es nicht, die diese Mittel gebrauchen. Sie aber betrachten sich als die Träger der christlichen Kultur und des christlichen
Glaubens, deshalb haben wir auch das Recht, die Mittel, die Sie dabei benutzen, zu kritisieren. Der Abg. Dr. Lieber hat gegen
den „Vorwärts“ polemisiert wegen des Ehni'schen Antrags. Indem das Zentrum gegen diesen Antrag stimmte, hat es kundgethan, daß es nicht nach christlichen Grundsätzen, sondern nach wirthschaft⸗ lichen Rücksichten entscheidet. Weil die Haussklaverei dort vorerst noch nothwendig ist, lassen Sie sie zu, obgleich Ihr Christenthum Sie zu Feinden der Sklaverei in jeder Gestalt und zu jeder Zeit machen muß. Alle Ihre christlichen Bestrebungen werden an den thatsächlichen ökonomischen Verhältnissen in Afrika scheitern, so habe ich schon 1891 hier ausgeführt. Das Christenthum ist keineswegs von allem Anfang bereit gewesen, die Sklaverei abzuschaffen, wie es stets ausgezeichnet verstanden hat, sich den jeweiligen Kulturzuständen anzubequemen. Noch im zehnten Jahrhundert sind in Rom unter den Augen des Papstes Sklavenmärkte abgehalten worden. Döllinger, der Ihnen ja sehr nahe steht, hat seinerzeit erklärt, daß für Afrika nicht das Christenthum, sondern der Muhammedanismus eigentlich das Passende sei. Und im Orient ist doch auch nicht durch Zufall der letztere zur Herrschaft gelangt. Das Christenthum hat, als die Sklaverei nicht mehr ging, auch die Hörigkeit vertheidigt, wie der Bauernkrieg beweist. Luther hat sich ganz in demselben Sinne geäußert. Erst im 18. Jahrhundert ist es zu Verträgen gekommen, welche die Ab⸗ schaffung der Sklaverei in den Kolonien in Aussicht nahmen. Noch in den sechziger Jahren sind protestantische und katholische Geistlichkeit eifrig gegen die Abschaffung der Sklaverei in Amerika aufgetreten. Und hat nicht in dem gut katholischen Staate Brasilien die Sklaverei bis vor wenigen Jahren bestanden? Das Christenthum hat es also dech wirklich stets meisterlich verstanden, sich allen wirthschaftlichen Zuständen anzupassen; es wird sich vielleicht auch einmal mit der Sozialdemokratie abfinden. Gerade die Feinde jedes Fort⸗ schritts sind leider auf Seiten der Kirche vertreten. Wer trat denn für die Prügel⸗ und Lattenstrafe bei Berathung der lex Heinze ein? Es waren die Konserrativen und das Zentrum. Wenn heute die christlichen Prediger, wie der Bruder des Abg. Schall, dazu kommen, wenigstens einigermaßen auf die Beseitigung des Elends der unteren Volksschichten hinzuarbeiten, so haben wir das nur der Agitation der Sozialdemokraten zu verdanken. (Präsident von Levetzow bittet den Redner, nicht so weit abzuschweifen.) Der Abg. Schall und seine Freunde waren bis vor kurzem die entschiedensten Feinde der deutschen Einheit. Der Abg. Schall lehnt es ab, von Erfolgen mit Emphase zu sprechen, trägt uns aber den einen Fall, den einen Neger, den er gewonnen hat, mit einer Emphase vor, als ob er auf tausend solcher schwarzen Unteroffiziere blicken könnte. Von der Baseler Mission hat ein Geistlicher selbst geäußert, daß die Mis⸗ sionare selten auf der Höhe der Bildung ständen, die für den Verkehr und die Erziehung dieser Völkerschaften erforderlich sei. In seiner ganzen Rede hat der Abg. Schall nicht ein Wort der Verurtheilung für die Mißhandlungen der Dahomeweiber gehabt. Abg. Schall (dkons.): Wenn dort Scheußlichkeiten vorgekommen werden wir sie noch anders verurtheilen, als die Herren da ; unsere christliche Theilnahme steht thurmhoch über Ihrer Gleichheit und Brüderlichkeit. Luther's ganzes Lebenswerk ist darauf gerichtet gewesen, jedem Christenmenschen zur Freiheit zu verhelfen; ihm den Vorwurf machen, daß er die Sklaverei dulden konnte, kann nur jemand, der ihn nicht kennt. Das Christenthum hat stets die Beseitigung der Sklaverei erstrebt. Die verrotteten Zustände des Heidenthums sind erst durch das Christenthum fortgeschafft worden. Haben sich protestantische Stimmen für die Beibehaltung der Skla⸗ verei in Nord⸗Amerika ausgesprochen, so ist das doch nicht aus christ⸗ lichen, sondern aus politischen Rücksichten geschehen. Haupt⸗ mann Morgen hat sich ausdrücklich dahin ausgesprochen, daß nur durch das Christenthum der Schwarze zum Menschen erzogen werden könne, und der Hauptmann Morgen steht an Autorität doch höher als der Abg. Bebel. Pastor Schall in Bahrdorf theilt mit mir nur den Namen und die Liebe zu der Aufgabe, das Loos der arbeitenden ss verbessern. Von seiner schwärmerischen Vorliebe für Unterhandlungen mit den Sozialdemokraten ist er längst gekommen; er hat mir selbst gesagt, als er aus einer sozial⸗ okratischen Versammlung kam: Ich bin in einer Pesthöhle ge⸗ wesen! Unsere Partei als nicht national gesinnt hinzustellen, ist doch vergebliche Müähe. “ 8 “
Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Der Abg. Bebel hat sich in einer ganzen Reihe von Angriffen auf das Christenthum ergangen, die er aus dem Schatz seiner geschichtlichen Kenntniß geschöpft hat. Die Größe des Christenthums, die ideale Erhabenheit des Christenthums bei seinem Gange durch die Weltgeschichte können Sie nicht verstehen. Sie klammern sich an Menschlichkeiten, an Schattenseiten aus der
Zeschichte des Christenthums und geben das für Geschichte aus. Die ganze alte Kultur bot Julianus Apostata gegen die junge Kultur des Christenthums auf, und da sagt der Abg. Bebel, die christliche Religion sei durch die Kulturentwickelung geschaffen.
Abg Bebel (Soz.): Die zitierten Aussprüche Luther's habe ich wörflich seinen Schriften entnommen. Das Römische Reich hatte in seiner Kultur denjenigen Fäulnißgrad erreicht, der nothwendig war, um die christliche Kultur zur Geltung kommen zu lassen, und die leitenden Grundsätze des Christenthums sind schon Jahrhunderte vorher von Sokrates, Plato u. s. w. verkündet worden. Das Christenthum ist seiner Lehre nach allerdings ein Feind der Sklaverei und jeder menschlichen Unterdrückung; aber die Kirche hat es stets verstanden, sich mit den jeweiligen Zuständen abzufinden, und darauf allein kommt es an. Die Vertreter des Christenthums, repräsentiert durch die Kirche, haben allezeit ihre Grundsätze preisgegeben, wenn es ihren Interessen, ihrer Herrschaft, ihren Vortheilen entsprach.
Damit schließt die Diskussion. Die Ausgaben für das 8“ Kamerun werden bewilligt.
Bei dem Spezial⸗Etat für Togo (Einnahmen und Aus⸗ gaben 186 000 ℳ) ermahnt
Präsident von Lepetzow die Mitglieder, in den weiteren Er⸗ örterungen nicht zu sehr ins allgemeine abzuschweifen. Man habe viel über christliche und heidnische Kultur, über Luther und Julianus Apostata, über Liberia und den nordamerikanischen Freiheitskrieg ge⸗ hört; es sei an der Zeit, jetzt zum Kolonial⸗Etat zurückzukehren.
Der Etat für Togo wird ohne Debatte bewilligt.
Bei dem Etat für das südwestafrikanische Schutz⸗ gebiet, welcher in Einnahme und Ausgabe mit 1 027 000 ℳ balanciert und einen Reichszuschuß von 1 000 000 ℳ (bisher 267 300 ℳ) erfordert, geht der
Abg. Dr. Hammacher (nl.) sehr ausführlich auf die jüngsten Vorgänge in dieser Kolonie ein. Die Entwickelung der Kolonie habe sich in der ersprießlichsten Weise gestaltet, alles schien vortrefflich zu gehen, als plötzlich die neuesten Vorgänge den ganzen bisher erreichten Erfola in Frage gestellt haben. Trotz der Erstürmung von Hoornkrans sei Hendrik Witboy nicht nur nicht geschwächt, sondern habe Zeit und Mittel gefunden, die Niederlassung bei Kubub zu überfallen und die Besitzung des unglücklichen Deutschen Herrmann zu zerstören. Tro aller Vorstellungen Herrmann's und der Südwestafrikanischen Kolonial⸗ gesellschaft weigerte sich der Major von Frangois, auch nur das kleinste Detachement zu Hilfe zu schicken. Der Kommandeur habe sich nicht nur über die Stärke Hendrik's getäuscht, sondern auch über die ganze militärische Lage der Kolonie, obwohl schon seit 1892 unausgesetzt die Forderungen Herrmann's erhoben wurden. Jetzt sei der Schaden da, jetzt stehe fest, daß Herr von Frangois nicht der richtige Mann am richtigen Platz set; trotz aller Vertheidigungs⸗ heache welche der Reichskanzler schon gestern gemacht habe, kommt Redner mit der Budgetkommission zu dem Schluß: Herr von François muß abberufen werden!
Abg. Bebel (Soz.): Lüderitz⸗Land ist zu weiter nichts als zu einer kleinen Viehzuchtkolonie geeignet. Die Denkschrift hält zwar auch landwirthschaftliche Betriebe für möglich; aber im drastischen Widerspruch mit der dortigen Schilderung steht diejenige, welche der Reichskanzler Graf von Caprivi am Sonnabend von dieser Kolonie gab. Nach seiner Schilderung muß jeder Wagen mit 15 Ochsen be⸗ spannt sein, um in dem Sand vorwärts bewegt zu werden; Wasser fehlt überall, sodaß künstliche Zisternen angelegt werden müssen. Die Anlage, welche Herrmann betrieb, ist ihm nur durch sehr erhebliche Reichsmittel möglich geworden; es ist Täuschung, zu glauben, daß ohne weiteres ahnliche landwirth⸗ schaftliche Betriebe in derselben Weise ins Leben gerufen werden könnten. Die einzelnen Ansiedlungen werden immer sehr weit aus⸗ einanderliegen, und ihr Schutz wird stets ungeheure Kosten erfordern. Seit 1879 hören wir hier im Reichstage, die deutsche Landwirthschaft könne unter der Konkurrenz des Auslandes nicht mehr bestehen; man will die Einführung eines Wollzolls u. dergl. Nun kann in Lüderitz⸗ Land nur die Schafzucht Aussicht auf Erfolg haben. Tritt dieser Erfolg ein, dann werden doch unsere Agrarier um so heftiger nach dem Wollzoll schreien. Was ist denn das für eine sonderbare Politik? Mit jeder Vermehrung des Angebots der Wolle müssen doch die Klagen über die Konkurrenz immer lauter werden. Diesen Widerspruch können Sie nicht lösen. Bei der Ein⸗ nahme von Hoornkrans ist eine ganz ungewöhnlich große Zahl von Frauen und Kindern unter den Getödteten gefunden worden, und es ist behauptet worden, daß die Schutztruppe sie niedergemetzelt habe. Ich wünsche Aufklärung darüber, wie es sich mit dieser Behauptung verhält. Die Kolonialpolitik in diesem Gebiete leidet an völliger Erfolglosigkeit. Seit Jahren ist unsererseits darauf hingewiesen worden, daß die Kosten für dasselbe immer größer werden müssen. Die topographischen Verhältnisse sind für uns außerordentlich un⸗ günstige. Wir werden gegen diesen Etat stimmen.
Abg. Graf Arnim (Rp.) ist ganz entgegengesetzter Ansicht. Südwest⸗Afrika sei eine unserer besseren Kolonien, eine unserer Zu⸗ kunftskolonien. Redner fragt, ob es richtig war, vor drei Jahren den Krieg gegen Hendrik Witboy zu beginnen, wenn man den Krieg für so aussichtslos hielt, wie es der Reichskanzler vor drei Jahren dar⸗ stellte. Nach jedem Erfolg habe sich Herr von Frangois nach Wind⸗ hoek rückwärts konzentriert. Man müsse dezentralisieren, die Schutz⸗ truppe theilen. Der Ueberfall von Kubub wäre vermieden worden, wenn man auch nur dreißig Mann detachiert hätte. Hauptsache aber sei, die Schutztruppe beritten zu machen. Ein oder zwei tüchtige Kavallerie⸗Offiziere müßten zur Führung hinausgeschickt werden.
Regierungskommissar, Dirigent der Kolonial⸗Abtheilung, Wirk⸗ licher Geheimer Legations⸗Rath Dr. Kayser: Es ist nicht richtig, daß der Major von Frangois nicht an Waffen und Truppen erhalten hat, was er verlangt hat. Wenn er keinen Erfolg gehabt hat, so ist doch noch nicht erwiesen, ob ein Anderer einen besseren Erfolg gehabt hätte, und ob ein besserer Erfolg unter den obwaltenden Umständen überhaupt bis jetzt möglich gewesen wäre. Wir können das noch nicht so weit übersehen, um uns ein abschließendes Urtheil darüber zu machen, ob den Major von Frangois ein Verschulden trifft und ob eine Aenderunz nach dieser Richtung nothwendig ist. Weil uns aber sonst die Sache in hohem Grade unerwünscht war und von verschiedenen Seiten Klagen darüber geführt wurden, hat der Reichskanzler Ende vorigen Jahres einen Militär nach Südwest⸗Afrika geschickt, um sich einen Bericht namentlich über die militärischen Verhältnisse zu verschaffen und darnach seine Maßnahmen zu treffen. Im übrigen beziehe ich mich auf die Auseinandersetzungen des Reichskanzlers über die Art der Kriegführung in Südwest⸗Afrika. Darauf dürfen wir nicht zu großen Werth legen, daß inzwischen mehrere Monate oder eine längere Zeit verstrichen sind. In Afrika ist die Zeit kein so werthvoller Faktor wie in Europa. Man lebt dort viel langsamer; das ergiebt sich schon aus den mangelhaften Verkehrsmitteln. Was uns monatelang scheint, ist in Afrika noch kein in Betracht zu ziehender Zeitraum. Ich warne vor solchen Uebertreibungen, daß in Süd⸗Afrika anarchistische Verhältnisse bestehen, und daß Hendrik Witboy Herr des Landes sei. Das ist nicht der Fall. Ich habe erst kürzlich zwei Herren, von denen der eine zwei, der andere fünf Jahre in Südwest⸗Afrika sich aufgehalten hat, gesprochen und dabei nicht den Eindruck erhalten, als 8 Witboy Herr von Südwest⸗Afrika sei. Die Ausführungen des Reichskanzlers über das Verhalten des Majors von Frangeis sind theilweise mißverstanden worden. Er hat keines⸗ wegs die Niederwerfung des Witboy’'schen Aufstandes als aussichtslos bezeichnet, sondern nur auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, die es verhindern, des Mannes Herr zu werden, und darauf, daß dazu längere Zeit gehören wird. Der Reichskanzler hat sich auch durchaus nicht in seinen Schilderungen mit der Denkschrift in Widerspruch ge⸗
setzt. Redner erwidert nun auf die Ausführungen des Abg. Bebel und nimmt die deutschen Soldaten gegen den Vorwurf in Schat, daß sie die eingeborenen Frauen barbarisch behandelt hätten.
Abg. Dr. von Cuny (nl.) hält es für ausgemacht, daß die süd⸗ westafrikanische die einzige Kolonie ist, nach der eine deutsche Aus⸗ wanderung möglich ist und wo die deutsche Ansiedelung Früchte tragen kann. 8 11“ .
Der Etat für das südwestafrikanische Schutzgebiet wird genehmigt, ebenso der Reichszuschuß und die aus Reichsmitteln zu zahlenden Ausgaben für die Verwaltung der sämmtlichen Schutzgebiete. Damit ist der Etat des Auswärtigen Amts erledigt. 8 Scchluß 5 ½ Uhr. “
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Haus der Abgeordneten.
8 19. Sitzung vom 20. Februar 1894 Die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufsuchung und Gewinnung der Kali⸗ und Mag⸗ nesiasalze, leitet der Handels⸗Minister Freiherr von Berlepsch mit der folgenden, im Anfangsbericht der Dienstags⸗Nummer d. Bl. nur auszugsweise mitgetheilten Rede ein.
Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:
Meine Herren! Im vergangenen Jahre habe ich infolge einer direkten Anregung, die seitens des Herrn Dr. Schultz⸗Lupitz an mich erging, die Verpflichtung anerkannt, nach Möglichkeit dafür Sorge zu tragen, daß der Landwirthschaft die Kalisalze zu einem billigen Preise zugeführt werden, und ich habe mich weiter bereit erklärt, in eine Er⸗ wägung über die Frage einzutreten, ob die Sicherung unserer Kalisalz⸗ lagerstätten vor Wasserzuflüssen und die Sicherung einer leichten Zu⸗ gänglichmachung unserer Kalisalze an die Landwirthschaft am besten durch die Aufhebung der Bergbaufreiheit auf die Kalisalze herbeizu⸗ führen sei.
In Bezug auf die erste Zusage darf ich mich im Laufe des ver⸗ gangenen Jahres wohl einigen Erfolges rühmen. Im Mai 1893 hat in dankenswerthester Weise das Syndikat der vereinigten Kaliwerke in Staßfurt beschlossen, für den Konsum unserer östlichen Provinzen Staffelpreise einzuführen, und zwar der Art, daß bei einer Entfernun von 400 km von Staßfurt ab für je 20 km eine Ermäßigung der Grund⸗ preise für die Rohsalze von 1 ₰, für die Fabrikate von 2 ₰ eintritt. Diese Preisermäßigung hat durch eine Maßnahme des Ministers der öffentlichen Arbeiten eine dankenswerthe Verstärkung erfahren, indem er eine Frachtermäßigung, die mit steigender Entfernung wächst, ein⸗ treten ließ: eine Frachtermäßigung, die bei einer Entfernung von über 50 km etwa 22 % der bisherigen Frachtpreise bedeutet und die sich bei einer Entfernung von 400 km auf etwa 29 % und bei einer Ent⸗ fernung von 600 km auf etwa 31 % steigert. Sodann haben die vereinigten Kaliwerke im September des vorigen Jahres beschlossen, den⸗ jenigen ländlicher Bezirken, die durch die Dürre in einen Nothstand versetzt worden waren, weitere Preisermäßigungen zu gewähren. Diese Preisermäßigungen betragen von 15 ₰ an für den Doppelzentne Karnallit und 30 ₰ für den Doppelzentner Kainit; und endlich ist es in der jüngsten Zeit gelungen, einen Vertragsabschluß zwischen den Kaliwerken und der deutschen Landwirthschaftsgesellschaft fertig zu stellen, der zur gegenseitigen Befriedigung bis zum Schlusse des Jahres 1898 der deutschen Landwirthschaft und den Land⸗ wirthen, die durch sie ihre Kalisalze beziehen, den Fortbezug der Düngersalze zu einem angemessenen Preise gewährleistet. Außerhalb der Landwirthschaftsgesellschaft stehende Vereine und Genossenschaften landwirthschaftlicher Art sind ebenfalls mit den Kaliwerken bereits i Verhandlungen getreten über den Bezug ihrer Salze, respektive sind solche Verträge auch mit ihnen zum Abschluß gelangt.
Was nun die zweite Anregung des Herrn Abg. Schultz⸗Lupitz betrifft, die Anregung nämlich, die Bergbaufreiheit für Kalisalze auf⸗ zuheben, so war meine Antwort, die ich im vorigen Jahre gab, in so fern nicht ganz korrekt, als ich nicht erst im vorigen Jahre in diese Erwägungen eingetreten bin, sondern schon viel früher. Ich war dazu geführt worden durch das Studium der Akten, durch eine Besichtigung an Ort und Stelle und nicht zum wenigsten durch die Verhandlun⸗ gen des Abgeordnetenhauses, namentlich diejenigen vom Jahre 1890, die damals in der einstimmig vom Hause angenomme⸗ nen Resolution gipfelten: die Staatsregierung aufzufordern, dafür Sorge zu tragen, daß die Kalisalzlagerstätten vor Wasserzuflüssen gesichert würden. Der Antragsteller der Resolution, der Herr Abg. Schultz⸗Lupitz, hatte damals dieser Resolution die Worte hinzugefügt: „wenn nöthig, auf gesetzlichem Wege.“ Sie wurden mit seiner Zustimmung gestrichen, nicht weil man prinzipiell gegen eine gesetzliche Regelung der Frage war, sondern weil man
er Staatsregierung die Prüfung der Frage zuweisen wollte, ob die
Sicherung der Lagerstätten der Kalisalze nur auf gesetzlichem Wege in hinreichendem Maße zu erreichen sei. Meine Herren, die Prüfung dieser Frage hat stattgefunden. Sie hat, wie Sie aus der Vorlage ersehen, uns zu der Antwort geführt: Die Sicherung der Kalisalz⸗ Lagerstätten vor Wasserzuflüssen, die Sicherung einer wirthschaft⸗ lichen Ausnutzung unserer Kalisalze, welche zum Zweck hat die dauernde Gewährung billiger und reiner Düngesalze an die Landwirth⸗ schaft und an die heimische Industrie, ist nur im Wege der Gesetz⸗ gebung in ausreichendem Maße zu erreichen.
So ist es denn, meine Herren, nach eingehenden und langen Er⸗ wägungen des in technischer und in rechtlicher Beziehung recht schwierigen Gegenstandes zur“ Vorlage des Gesetzentwurfs an Sie gekommen. Ich darf wohl annehmen, daß die Motive in ausführlicher und erschöpfender Weise Ihnen die Gründe darstellen, welche die Regierung veranlaßt haben, den Gesetz⸗ entwurf vorzulegen. Ich beschränke mich deshalb im gegenwärtigen Augenblick auf die Hervorhebung einiger Hauptmomente, und schicke vor allen Dingen voraus, daß die Vorlage des Gesetzentwurfs nicht in fiskalischen, sondern ausschließlich in volkswirthschaftlichen Rück⸗ sichten ihre Begründung findet. Von einet Bereicherung des Fiskus kann auch in der That bei diesem Gesetzentwurf kaum die Rede sein, wenigstens für eine Reihe von Jahren nicht, wenn Sie sich vergegen⸗ wärtigen, daß von den großen Salzlagerstätten, die wir überhaupt in Preußen besitzen, ein sehr erheblicher Theil Privaten gehört, und daß diese Privaten auch nach Erlaß des Gesetzes, und zwar bei verstärkter Förderung in der Lage sein werden, neben dem Fiskus ihre Produktion beizubehalten und zu vermehren. Für den Fiskus kann es sich also, mindestens für längere Jahre, nur um die Ersparniß eines Theiles der Bohrkosten handeln, die heute verwendet
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worden sind, um die Konkurrenten aus dem Felde zu schlagen; während derjenige Theil der Bohrkosten, der verwendet werden muß, um die Mächtigkeit und die Ausdehnung der Lagerstätten zu ergründen, für die Zukunft nicht wird erspart werden können. Also um die siskali⸗ schen Interessen handelt es sich im vorliegenden Falle nicht. Die Staatsregierung ist aber der Meinung, daß es sich um die Wahrung eines der Nation gehörigen Schatzes handelt; daß es sich darum handelt, diesen uns von der Natur geschenkten Schatz in einer Weise zu verwalten, daß er vorwiegend der heimischen Industrie, der hei⸗ mischen Landwirthschaft, der vaterländischen produktiven Thätigkeit zu gute kommt.
Nun, meine Herren, kann ich nicht verkennen, daß sich gegen das Gesetz erhebliche Bedenken erheben lassen, und diese Bedenken habe ich mir im Laufe der Berathung des Gesetzentwurfs häufig genug selbst vorgelegt. Das erste Bedenken liegt in der Abschaffung des Systems der Bergwerksfreiheit auf einem so wichtigen Gebiet, wie dem der Kalisalze. Ich habe mich nicht leichten Herzens dazu entschlossen. Ich mußte mir vergegenwärtigen, daß das System des Berggesetzes von 1865 die Entwickelung unseres heimischen Bergbaues in un⸗ geahnter Weise gefördert hat, daß dieses System der ungehinderten Initiative der Privatindustrie, des Ueberlassens des Bergbaues an die freie Thätigkeit der Technik und Wissenschaft, die in ihrer Ver⸗ einigung ganz besonders in unserem Vaterlande mehr als in anderen Ländern zu einer hohen Blüthe der Industrie geführt haben, den nationalen Wohlstand in einer außerordentlichen Weise gefördert und gehoben hat. Man wird sich bedenken müssen, dieses System zu beseitigen, wenn nicht zwingende Gründe dafür sprechen, Gründe, welche ihre Wurzeln in einem zwingenden, öffentlichen, nicht in einem fiskalischen Interesse haben. Diese Gründe aber liegen nach Ansicht der Staatsregierung bez. der Kalisalze vor. Sie sind in den Motiven in erschöpfender Weise dargelegt.
Das zweite Bedenken, was vorliegt, liegt in dem Schaffen eines Monopols zu Gunsten des Fiskus und einer beschränkten Anzahl von Privatwerken. Staatsmonopole haben immer ihre bedenkliche Seiten, in diesem Falle schwinden sie erheblich; denn, meine Herren, nach wie vor und für lange Zeit wird eine große Reihe sehr potenter Prirat⸗ unternehmungen neben dem Fiskus bestehen bleiben, und die Kon⸗ kurrenz dieser Betriebe wird die sfiskalische Verwaltung nöthigen,
dahin zu streben, das Produkt zu vervollkommnen und zu verbilligen.
Es ist bekannt, daß neben dem Fiskus heute in Preußen sechs große Privatwerke Kalisalze fördern und Produkte aus Kalisalzen her⸗ stellen, und außer den preußischen Werken noch eine Anzahl von Werken in nichtpreußischen deutschen Staaten bestehen: in Anhalt, Braunschweig, Mecklenburg — in Sondershausen. Die außerhalb Preußens liegenden Werke werden, selbst wenn einmal, was noch sehr lange Jahre dauern wird, unsere preußischen Werke nicht mehr fördern sollten, die Konkurrenz aufrecht erhalten und die preußische Berg⸗ verwaltung, wie gesagt, nöthigen, ihrerseits alle Sorgfalt darauf zu verwenden, daß die Technik nicht stehen bleibt, sondern wie die der Privatwerke sich im beständigen Fortschreiten befindet. Andererseits werden aber auch die Privatwerke durch den Umstand, daß der Fiskus sich mit ihnen in diese Monopolstellung theilt, ver⸗ hindert werden, selbst wenn sie wollten, eine ungebührliche Preis⸗ steigerung eintreten zu lassen. Ich sage absichtlich: selbst wenn sie wollten; denn die bisherigen Erfahrungen berechtigen nicht zu der Annahme, die Privatwerke wollten die Kaliprodukte in ungebührlicher Weise vertheuern. Es können aber im Laufe der Zeit Veränderungen in dieser Beziehung eintreten, und deshalb halte ich es für nothwendig, den Satz aufzustellen, daß, selbst wenn die Privatwerke eine Preis⸗ vertheuerung in unbilliger, wirthschaftlich unbegründeter Weise ein⸗ treten lassen wollten, sie dazu nach Lage der Verhältnisse nicht im stande sind. Schon heute produziert der preußische Fiskus einen sehr erheblichen Theil der Gesammtproduktion — es sind etwa , heute schon besitzt er den bei weitem größten Theil aller gemutheten und verliehenen Kalisalzfelder, und wenn das Gesetz zu stande kommt, so wird er in der Lage sein, zu jeder Zeit und an jedem ihm geeignet erscheinenden Ort einen neuen Betrieb z eröffnen. So wird er unzweifelhaft in der Lage sein, die Bedürf⸗ nisse der heimischen Industrie und der Landwirthschaft allein ohne Mitwirkung der Privatwerke zu befriedigen. Die Salzlagerstellen, wie wir sie heute in fiskalischem Besitz haben, betragen nach einer überschlägigen Berechnung, die selbstverständlich auf absolute Sicherheit keinen Anspruch machen kann, etwa 82 Milliarden Zentner Kalisalze. Bei dem Stand der heutigen Förderung würde dieser Vorrath, der
ch in fiskalischem Besitz befindet, etwa 2000 Jahre ausreichen, wenn selbst eine sehr erhebliche Steigerung der Pyoduktion eintritt; wenn sie, wie ich hoffe, sich auf das Drei⸗ oder Vierfache steigert, was im Interesse der Landwirthschaft nur gehofft werden kann, so werden immer noch Hunderte, ja, ich glaube ruhig behaupten zu können, immer noch 2000 Jahre verlaufen, ehe die Salze erschöpft sind, weil diese 82 Milliarden Zentner nur in den bereits gemutheten und verliehenen Feldern liegen, während es ganz außer Zweifel steht, daß außerhalb derselben noch große Mengen Kalisalze anstehen, die bisher noch nicht erbohrt und auf ihre Mächtigkeit untersucht sind.
Also, meine Herren, der Fiskus — oder die preußische Staats⸗ regierung, das Wort paßt hier besser — wird immer in der Lage sein, es zu verhindern, daß die Preise der Kalisalze in einem Maße erhöht werden, welche den Bezug, die wirthschaftliche Verwendung derselben für die Landwirthschaft zund Industrie unmöglich machen; und daß sie die Absicht hat, nöthigenfalls das auch zu thun, das, meine Herren, werden sie aus der Fassung der Motive ganz unzwei⸗ deutig erkennen müssen, und um diese Motive in ihrer Wirkung noch zu verstärken, erkläre ich wiederholt ausdrücklich, daß nicht fiskalische, sondern lediglich wirthschaftliche Gründe zur Vorlage dieses Gesetz⸗ entwurfs geführt haben: die Absicht, einen uns von der Natur ge⸗ schenkten unermeßlichen Schatz, der unserem Vaterlande einen sehr er⸗ heblichen Vorsprung vor dem Auslande gewährt, zu wahren vor Ver⸗ derben und vor unwirthschaftlicher Ausnutzung und ihn der heimischen Landwirthschaft und Industrie zu gute kommen zu lassen.
Selbstverständlich ist es, daß nicht Ansprüche erhoben werden, die dem Fiskus und den jetzt noch betheiligten Privatwerken das Erzielen eines angemessenen Gewinns unmöglich machen. Es wird kein ver⸗ ständiger Mann beanspruchen, daß man weiter geht. So wird es bei richtiger Handhabung der Verhältnisse sehr wohl möglich sein, alle Interessen zu wahren, und dabei wird man noch den nicht zu unter⸗ schätzenden Vortheil gewinnen, einer nicht unerheblichen Zahl von Arbeitern, die sich heute schon in Preußen auf etwa 5000 Personen beziffert, dauernd lohnenden Verdienst zu sichern. Wie besorgt wir
.
gewesen sind, die Wirkung des Monopols nicht umnöthig auszudehnen,
das wollen Sie aus dem Umstand ersehen, daß wir uns darauf be⸗
schränkt haben, Ihnen die Aufhebung der Bergbaufreiheit nur für
Kalisalze vorzuschlagen, die Steinsalze und Soolquellen aber heraus⸗
zulassen, obwohl die Einbeziehung der letzteren in das Gesetz die Aus⸗
führung erheblich erleichtert hätte. 1
Meine Herren, es handelt sich in der Vorlage, wie sie Ihrer
Berathung unterliegt, um ein rein wirthschaftliches Gesetz. Die Re⸗ gierung ist bestrebt gewesen, erworbene Rechte zu schonen; es handelt
sich für sie darum, den Kalisalzschatz, der insbesondere für die Land⸗
wirthschaft von der allerhöchsten Bedeutung ist, für alle Zukunft zu
sichern und zu wahren. Daß Bedenken gegen das Gesetz erhoben
werden können, stelle ich nicht in Abrede; wir werden bemüht sein, sie im Plenum und in der Kommission zu zerstreuen und alles das
klar zu stellen, was etwa noch dunkel sein könnte. Wir werden dabei gestützt werden von der festen Ueberzeugung, daß es sich bei Vorlage dieses Gesetzes um ein für das Gedeihen des Nationalwohlstandes verdienstliches Werk handelt. (Lebhafter Beifall.)
Abg. Gothein (frs. Vg.): Die Regierung möge die besten Absichten haben, aber es fragt sich doch, ob der Schutz nur auf diese Weise zu erreichen ist. Ob Deutschland allein im Besitze von Kali⸗ lagerstätten ist, ist sehr zweifelhaft. Die Aufsuchung der Kali⸗ lagerstätten und die Aufschließung derselben hat gewisse Gefahren. Einige Ereignisse in der Provinz Sachsen haben das erwiesen. Ein einmal ersoffenes Kalibergwerk ist nicht wieder zu erschließen. Aber sind die Gefahren nicht ebenso groß beim Staatsbergbau? Haben nicht die anhaltischen Kaliwerke —schlechte Einfälle’ geha t? Der Privatmann hat doch auch ein Interesse an dem Schutze seines Berg⸗ baues, und der Staatsbergbau giebt nicht mehr Garantie gegen Wasserdurchbrüche. Der Königliche Bergwerksdirektor wird, wenn er etwas versieht, höchstens versetzt; der Privatdirektor kommt aber um Lohn und Brot. Die Bohrlöcher sollen fest abgeschlossen werden; aber das gelingt nur in den seltensten Fällen. Die Begründung meint, wenn die Bergwerke näher an einander rücken, dann könnte durch einen Fehler bei einem Werke das ganze Revier zum Ersaufen kommen. Dagegen lassen sich doch bergpolizeiliche Schutzmaßregeln anordnen, und eine fortdauernde Beaufsichtigung der Bergwerke könnte Fehler schnell entdecken und beseitigen. Bei der Eisenbahnverstaat⸗ lichung wurde auch feierlich verkündet, daß kein fiskalisches Interesse dabei maßgebend sein solle, die Frachten sollten ermäßigt werden u. s. w. Aber der Fiskus hat die Einnahmen aus den Eisenbahnen für die Staatsszwecke verwendet; die Frachtsätze sind die alten geblieben. Die ebhrliche Absicht der Regierung war damals eben so gut vorhanden wie jetzt. Aber wer das erlebt hat, der muß sich sagen: Auf die Brücke können wir nicht noch einmal treten; auch hier wird eine fiskalische Ausbeutung eintreten. Ohne die Freiheit des Bergbaues wären wir noch nicht so weit mit der Industrie wie heute. Wir fürchten, daß der Kalisalz⸗ bergbau thatsächlich so eingeschränkt werden wird, daß er den Be⸗ dürfnissen des Vaterlandes nicht mehr entspricht. Daß die Privat⸗ besitzer von Kaliwerken ins Ausland billiger verkaufen sollten, ist doch nicht anzunehmen. Das mögen wohl große Eisenindustrielle thun, welche durch einen Schutzzoll höhere Preise im Inlande haben; aber für Kali besteht ja ein Schutzzoll nicht. Bedauerlich ist, daß 1867 das Berggesetz nicht auch für die Salze in Hannover eingeführt wurde. Jetzt soll die geltende Bestimmung umgestoßen werden ohne jede Entschädigung für die Grundbesitzer. Die Grundbesitzer sind jetzt meist sehr ungehalten darüber, wenn sie bei Mutung neuer Bergwerke ver⸗ nehmen, daß das Bergwerkseigenthum unter ihrem Grund und Boden ihnen nicht gehöre. Ohne Entschädigung wollen ja nicht einmal die Sozialdemokraten das Eigenthum wegnehmen; sie wollen Genußscheine dafür ausstellen. Das Interesse der Landwirthschaft geht dahin, daß sie billige Kalisalze bekommt. Die Konkurrenz der Bergbaufreiheit auf anderen Gebieten hat nicht dazu geführt, daß die Arbeitslöhne ge⸗ sunken sind; sie sind gestiegen. Deshalb sollten die Landwirthe im eigenen Interesse das Monopol verwerfen und für die freie Konkurrenz eintreten.
Abg. Freiherr von Eynatten (Zentr.) spricht seine Befrie⸗ digung über die Vorlage aus, weil sie geeignet sei, einem bedenk⸗ lichen Raubbau entgegenzutreten, namentlich da die Bildung neuer Bergwerksgesellschaften die Aufrechterhaltung des Syndikats immer schwieriger macht. Aber ein absolutes Monopol für Kalisalze wäre nicht zu billigen. Indeß es beständen einmal noch mehrere Privat⸗ kaliwerfe, und der Staat werde doch vielleicht in die Lage kommen, eine stärkere Ausbeute zu betreiben, und zwar aus finanziellen Grün⸗ den. Besonders bedenklich sei die Vorlage für die Provinz Han⸗ nover, die man am liebsten aus der Vorlage ausschließen sollte. Sollte sich ergeben, daß die Nachtheile der Vorlage die Vortheile überwiegen, so sollte man bei Ablehnung der Vorlage wenigstens dahin wirken, daß die Ausbeute der Kalisalze und namentlich die Ausfuhr derselben eingeschränkt werde.
Abg. Brandenburg (Zentr.): In Hannover hat ein Regal für diese Salze nicht bestanden und durch unvordenkliches Herkommen konnte sich ein solches nicht ausbilden, weil die Salze früher für völlig werthlos galten. Bedenklich ist die Vorlage, weil sie das Monopol mit sich bringt, und man sieht ja neben dem Handels⸗ Minister auch den Herrn Finanz⸗Minister am Tische der Regierung. Das ist bedenklich; denn bei knappen Zeiten wird der Finanz⸗Minister wohl die Preise erhöhen. In der Provinz Hannover hatte der Grundeigenthümer Anspruch auf die Salze. Jetzt soll ein erworbenes Recht nur anerkannt werden, wenn vor dem 8. Februar die Schür⸗ fungen Erfolg gehabt haben. Sonst werden nur die Schürfungskosten ersetzt; dadurch werden auch wohlerworbene Rechte Dritter verletzt. Deshalb widerspricht das Gesetz der Verfassung. Redner hofft, daß für Hannover wenigstens eine Entschädigung in das Gesetz werde eingeschaltet werden.
Abg. von Kölichen (kons.) begrüßt namens seiner Freunde die Vorlage mit Freuden, weil dadurch ein Raubbau verhindert werde. Wenn die Zahl der Werke sich vermehre, wenn Aktiengesellschaften gebildet und deren Aktien an der Börse Spielpapiere würden, dann liege die Gefahr nahe, daß die werthvollen Salze in das Ausland exportiert würden, wodurch die ausländische Landwirthschaft gestärkt werde. Gegen den Export, fährt Redner fort, konnte man sich früher durch Ausfuhrzölle schützen, die aber jetzt nicht mehr zulässig sind. Manche Bedenken sind gegen die Vorlage geltend zu machen; aber ein volles Monopol, wie es Herr Schultz⸗Lupitz für nothwendig hielt, wird nicht geschaffen; es ist auch nicht nothwendig, namentlich wenn der Staat sich so viel wie möglich an der Produktion betheiligt, um bei Steigerungsgelüsten der Privatbergwerke auf die Preise drücken zu können. Um dem Landtage eine Einwirkung zu sichern, soll in der Kommission beantragt werden, daß dem Landtage alljährlich eine Denk⸗ schrift über Produktion ꝛc. vorgelegt werden soll, damit er kontrolieren kann, ob die Preise zu hoch sind oder nicht.
Abg. Dr. Schultz⸗Bochum (nl.) hält einen so tiefen Eingriff in die Bergbaufreiheit nur dann für berechtigt, wenn überwiegende Gründe des öffentlichen Interesses dafür sprechen. Man sagt, führt der Redner aus, die Ausfuhr schädige die deutsche Landwirthschaft. Die Ausfuhr geht aber von den fiskalischen Werken auch aus. Um sie zu verhindern, hätte man Ausfuhrverbote oder Ausfuhrzölle leichter durchführen können, als ein Monopol. Aber man klagt eher über einen Mangel als über einen Ueberfluß an solchen Salzen. Die Aufschließung neuer Werke wird die Produktion heben, während die Vorschläge der Regierung jede neue Aufschließung verhindern. Ge⸗ fahren, welche der Privatbergbau in Bezug 83 Wasserdurchbrüche, Entstehung von Schlotten ꝛc. mit sich bringt, können durch bergpolizei⸗ liche Vorschriften, wie sie auch schon erlassen sind, verhütet werden. Daß das Syndikat gerade niedrige Preise halten sollte, ist nicht an⸗ zunehmen. Redner beantragt, die Vorlage einer Kommission von 14 Mitgliedern zu überweisen. 1
Abg. Im Walle (Zentr.) ist, wie das ganze Zentrum, ein Gegner
von Monopolen; aber hier lägen die Gefahren eines solchen in nebel⸗
grauer Ferne; es gelte nur, einen Schatz des Bergbaues der Landwirth⸗ schaft zu sichern. Ohne Einführung einer Entschädigung für bestehende z. B. in der Provinz Hannover sei die Vorlage nicht an⸗ nehmbar.
Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Beriepsch:
Meine Herren! Die Einwendungen, die gegen das Gesetz bisher erhoben sind, haben sich wesentlich nach zwei Richtungen hin bewegt: die eine Richtung trifft die Bedenken, die darin liegen, daß man die Privatindustrie von der Theilnahme am Kalibergbau ausschließt; die anderen Bedenken bezogen sich wesentlich auf die Verhältnisse in der Provinz Hannover. .
In erster Beziehuns, meine Herren, muß ich mich doch dagegen verwahren, daß in den Motiven in irgend einer Weise ein Vorwurf gegen die Privatindustrie ausgesprochen wäre, — auch kein versteckter. Meine Herren, es ist ausdrücklich anerkannt worden, daß es dem Zusammenschluß der Privatwerke und der fis⸗ kalischen in dem Syndikat gelungen ist, eine sachgemäße Ver⸗ waltung des Kalisalzbergbaus herbeizufübren, und wiederholt ist darauf hingewiesen worden, daß es dem verständigen Verhalten des Syndikats gelungen ist, die Ansprüche der Landwirthschaft auf einem
näßigen, den Verhältnissen entsprechenden Preis zu befriedigen.
Meine Herren, die Gefahren, die ich aus der schrankenlosen Konkurrenz der Priyatindustrie hergeleitet habe, beziehen sich nur auf den Zustand, der eintreten wird, wenn in Zukunft nicht dafür gesorgt wird, daß der Bergbau sich in gewissen Grenzen hält; wenn in Zu⸗ kunft die Zahl der Werke ins Maßlose gesteigert wird. Also, ein Vorwurf gegen die Privatindustrie liegt meines Erachtens in keiner Weise in den Motiven des Gesetzentwurfs vor.
Der Herr Abg. Gothein hat die Frage aufgeworfen: Giebt ein Königlicher Bergwerks⸗Direktor irgend mehr Garantie als ein Privat⸗ bergwerks⸗Direktor? — Ganz sicher nicht, meine Herren; es fällt mir nicht ein, so etwas zu behaupten, und wenn er die Güte gehabt hätte, die Motive näher anzusehen, so würde er gefunden haben, daß diese Behauptung auch dort nicht aufgestellt worden ist. Es ist hingewiesen worden auf die große Gefahr, welche durch jede Vermehrungevon Bohr⸗ löchern, ganz besonders aber von Schachtanlagen bezüglich der Wasser⸗ zuflüsse entsteht, in ihr ist der wesentlichste Grund für die Vorlegung des Gesetzes zu suchen.
Von einer Behauptung, daß die Technik der Privatindustrie nicht dasselbe leiste, wie die der Staatsindustrie, findet sich in den Motiven nicht ein Wort. Wenn der Herr Abg.⸗Schultz (Bochum) der Mei⸗ nung ist, daß man einverstanden sein könne mit einem Staatsmonopol welches die Privatindustrie ganz beseitigt, so stellt er sich meines Erachtens prinzipiell genau auf denselben Standpunkt, auf dem wir stehen; er geht sogar noch etwas weiter. Er kann dann doch nicht mehr behaupten, daß die Einführung eines beschränkten Monopols einen Vorwurf gegen die Privatindustrie bedeute.
Im Laufe der Diskussion ist wiederholt darauf verwiesen worden, daß das, was das Gesetz wolle, durch ein Ausfuhrverbot zu erreichen sei. Ja, möglich ist es zweifellos, durch ein Ausfuhrverbot eine Ein⸗ schränkung des Konsums herbeizuführen; aber für einen zweckmäßigen Weg, für einen unseren Nationalwohlstand fördernden Weg würde ich ein allgemeines Ausfuhrverbot unserer Kalisalze nicht halten. Dazu liegt auch keine Veranlassung vor. Der Karnallit liegt in so un⸗ erschöpflichem Maße in unserem Boden, daß es ganz unbedenklich ist, von dem Karnallit einen Theil ins Ausland abzusetzen und Geld dafür zu holen; ja, ich bin sogar der Ansicht, daß ein Vorzug darin liegt, daß wir den Rohstoff, den wir allein haben, ins Aus⸗ land absetzen gegenüber den großen Mengen von Rohstoffen, die wir vom Auslande kaufen müssen. Wir müssen dankbar sein, daß wir hier ein Monopol haben wie annähernd die Amerikaner beispielsweise das Baumwollen⸗Monopol. Für Kainit liegt die Frage allerdings anders, und es wird sich fragen, ob man nicht im Laufe der Zeit, wenn die Exportmenge von Kainit bedenklich groß wird, an ein Aus⸗ fuhrverbot für Kainit zu denken hat. (Hört! hört!) Für jetzt würde ich nicht dazu rathen; wir haben in der Zukunft jeden Augenblick Zeit, den entsprechenden Antrag beim Reich zu stellen. Zur Zeit liegt es so, daß die Ausfuhr von Kainit ins Ausland jähr⸗ lich zurückgeht, und die Ausfuhr von Fabrikaten ins Ausland fort⸗ gesetzt steigt, während es sich im Inlande fast umgekehrt verhält. Im Inlande steigt der Konsum von Kainit; der Konsum von Fabrikaten zwar auch, aber leider in viel schwächerem Verhältniß. An Kainit wurden ausgeführt nach Nord⸗Amerika 1889 716 600 Meterzentner; 1892 nur 635 412 Meterzentner, wogegen an Kalifabrikaten und zwar
n Chlorkalium ausgeführt wurden in das Ausland 1889 353 300 und 1892 435 389 Meterzentner. Dieser Rückgang resp. Zugang liegt in der Natur der Dinge, weil der Kaligebalt im Kainit um das Vier⸗ bis Fünffache hinter dem im Chlorkalium zurücksteht und demnach die Frachtkosten für letzteren sich erheblich billiger stellen. Eine Gefahr liegt hiernach meines Erachtens zunächst nicht vor; ich glaube, das Verhältniß wird sich noch verstärken. Die Ausfuhr von Kainit ganz einzustellen, hat deswegen Bedenken, weil Kainit der beste Pionier für den Gebrauch von Kali überhaupt ist. Die Landwirthschaft braucht ersteres zunächst am liebsten, und erst nachdem sie die Erfahrungen am Kainit gemacht hat, welch hohen Werth die Kalidüngung hat, gewinnt der Gebrauch von Kali eine große Ausdehnung. Ich wiederhole: sollte die Ausfuhr des Kainits ins Ausland bedenkliche Dimensionen an⸗ nehmen, so würde nach meinem Ermessen nichts im Wege stehen, durch ein Ausfuhrverbot oder ein beschränktes Ausfuhrverbot den da⸗ durch entstehenden Gefahren entgegenzutreten.
Die Bedenken, die bezüglich der Provinz Hannover erhoben sind, kann ich nicht ganz zurückweisen. Ich habe sie mir vorgehalten und mich gefragt, ob es gerathen und angängig sei, die Aufhebung der Bergbaufreiheit auch für die Provinz Hannover festzusetzen. Von der praktischen Seite war das ausschlaggebende Moment das, daß, wenn in Hannover die Bergbaufreiheit bestehen bleibt, die ganze sehr leb⸗ hafte Spekulation sich mit aller Gewalt dorthin werfen, Bohrversuche über Bohrversuche anstellen wird, und daß die Zerstörung der Salz⸗ lagerstätten dort viel drohender als bisher werden wird. Ob Kali⸗ salzlagerstätten in Hannover außer den aufgeschlossenen noch vor⸗ handen sind, kann niemand mit Sicherheit sagen; wir kennen es in abbauwürdiger Menge nur in Vienenburg und dessen nächster Umgebung. Neuerdings wird behauptet, daß noch an anderen Stellen abbau⸗ würdige Funde in der Provinz Hannover gemacht seien. Ob diese Behauptungen zutreffend sind, muß ich bezweifeln. Dagegen hat man im Braunschweigischen sehr erhebliche Aufschlüsse gemacht.
Bezüglich der rechtlichen Seite der Frage kann ich dem Heern
Abg. Brandenburg in keiner Weise zugeben, daß es sich hier um eine