1894 / 54 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 03 Mar 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Bedenken ergeben; ich will aber die Sache sehr gern noch einmal erwägen und erkenne das vollkommen an. Es liegt auch, um das vorweg zu nehmen, im allgemeinen auf dem Weg, den ich einzuschlagen gezwungen bin. Ich kann, wie Herr Rickert es ausführt, jetzt kein allgemeines Schulgesetz vor⸗ legen, möchte aber sehr gern als Vorbereitung für die demnächstige

Publikation unseres Schulrechts, zu der es doch einmal kommen muß, den Weg so gut pflastern, wie ich es kann, dadurch, daß ich einzelne Fragen, die besonders der Regelung bedürfen, herausnehme und durch Einzelgesetz zu regeln suche. Ich habe das ja im vorigen Jahre ver⸗ sucht; ich habe damals kein Glück gehabt, wenigstens nur in einem sehr beschränkten Maße. Ich bin ja auch für das Wenige dankbar, aber ich werde diesen Weg nicht aufgeben, und ich will auch gar kein Hehl daraus machen, daß ich auch die Frage eines Schuldotations⸗ gesetzes ernstlich erwäge.

Nun ist es aber eine eigene Sache: was versteht man unter Schuldotation? Und es könnte in das Schuldotationsgesetz sehr leicht die Frage hineinkommen, die gerade dadurch, daß sie sich hin⸗ überspielen läßt in die konfessionellen und internen Fragen der Schule,

as, was wir durch das Dotationsgesetz für die Lehrer erreichen wollen, erschweren oder unmöglich machen würde. Ich gehe damit um ich will das ganz offen aussprechen —, ein Lehrerbesoldungsgesetz zu machen. Das ist nicht etwas Verschiedenes von dem Dotationsgesetz und läßt sich von diesen internen Fragen vollständig trennen. Dieses Gesetz ist noch in seinen ersten Anfängen, in dem Entwurf, und ich kann deshalb über die Richtung, in der es sich bewegen soll, jetzt keine näheren Andeutungen machen; ich würde mich dabei festlegen und will das nicht thun, ohne daß diese wichtige Sache sehr gründlich und sehr ernstlich durchberathen ist. Ich möchte allerdings den etwas sehr bunten Zustand, der jetzt auf dem Gebiet der Lehrer⸗ besoldungen besteht, zu einem gewissen Ausgleich bringen.

Ich will bei der Gelegenheit gleich erwähnen das wird uns vielleicht im Laufe der Etatsberathung manche weitere Auseinander⸗ setzung ersparen —, daß unsere vorjährigen Verhandlungen nach einer Richtung hin doch einen gewissen Erfolg gehabt haben: ich bin mit einzelnen Verbesserungen der Lehrerbesoldungen da, wo sie besonders nöthig waren, weiter gekommen, ganz erheblich weiter gekommen, und ich muß auch den Beschlußbehörden das Zeugniß aus⸗ stellen, daß sie sich sehr viel freundlicher und entgegenkommender gezeigt haben, als das früher der Fall gewesen ist. Dadurch ist ein besserer Zustand angebahnt, aber es ist auch in vieler Beziehung eine sehr große Ungleichheit eingetreten, und da muß in irgend einer Weise ein Ausgleich herbeigeführt werden. Ich hoffe, daß es mir vielleicht ge⸗ lingen wird, mit einem Lehrerbesoldungsgesetz die Sache zu machen, und ich würde dabei namentlich das Ziel verfolgen, daß ich einen Theil meiner sogenannten großen Dispositionsfonds hier festlege und damit ein für alle Mal aus meiner Disposition herausgebe; denn diese Disposition ist für mich nichts weniger als angenehm; dieses ewige Wirthschaften mit diesen Fonds ist, wenn die Leistungsfähigkeit einzelner Gemeinden sich einmal ändert, unbequem für die Gemeinden, unbequem für die Unterrichtsverwaltung, und wenn ich den Weg, den ich im Auge habe, gangbar finde, hoffe ich, daß wir auf diesem Ge⸗ biet ein gutes Stück weiterkommen.

Nun will ich auf die Polenfrage nicht noch einmal eingehen; ich glaube, darüber habe ich alles gesagt, was gesagt werden kann.

Dagegen liegt es mir sehr daran, den Herrn Abg. Rickert zu be⸗ ruhigen in Bezug auf die Maßnahmen, die ich bezüglich der Rektoren getroffen habe. Da geht er nun zunächst von einer falschen Auffassung aus; ich habe den Dispens nicht erst eingeführt; der Dispens bestand bereits. Es steht schon in der Verordnung von 1872 ausdrücklich: daß

Geistliche, Lehrer, Kandidaten der Theologie oder Philologie,

welche in eins der in § 1 bezeichneten Aemter berufen werden das ist also in öffentlichen Schuldienst u. s. w.

auf Grund anderweitig nachgewiesener Thätigkeit mit Genehmigung

des Provinzial⸗Schulkollegiums von der vorgängigen Prüfung für

Mittelschullehrer entbunden werden können. Also die Dispensationsbefugniß besteht bereits. Es ist auch von dieser Dispensation vom Mittelschullehrereramen nur in sehr geringem Grade Gebrauch gemacht worden, in verschwindend geringerem Grade; denn es haben im vergangenen Jahre 11 Theologen das Rektorexamen gemacht, ohne die Mittelschullehrerprüfung vorher bestanden zu haben, immer aber auf Grund des Nachweises vorhergegangenen praktischen Dienstes und erworbener Tüchtigkeit. Es muß auch in der Rektor⸗ prüfung, wenn der zu Prüfende von der Mittelschullehrerprüfung ent⸗ bunden gewesen ist, ausdrücklich auf seine praktische Erfahrung und auch auf die positiven Kenntnisse innerhalb des Lehrplans der Anstalt, an die der Betreffende berufen werden soll, Rücksicht genommen werden. Es sind auch Mißstände aus der Sache bisher garnicht zu Tage getreten. Nun glaube ich aber, daß der Herr Abg. Rickert doch darin irrt, wenn er glaubt, daß die jetzigen Zustände den seminaristisch gebildeten Lehrern nach irgend einer Richtung hin das niederdrückende Gefühl bereiten könnten, daß ihnen die höheren leiten⸗ den Stellen vorenthalten werden.

Ich möchte die ganzen Tabellen, die ich hier habe ich habe die Sache zusammenstellen lassen nicht vorlesen; es ist ein miß⸗ liches Ding, hier solche Zahlenreihen zu Gehör zu bringen. Ich will nur Folgendes hervorheben: 46 von unseren Seminar⸗Oberlehrern sind seminaristisch gebildet; das ist mehr als ein Drittel von allen; wir haben drei seminaristisch gebildete Regierungs⸗ und Schulräthe, und ein vierter, den ich eben habe berufen wollen, hat es abgelehnt; er schreibt mir: ich will viel lieber Kreis⸗Schulinspektor bleiben, denn ich fühle mich in dem Amt wohl und bitte, mich mit der höheren Stellung als Provinzial⸗Schulrath zu verschonen. Ich habe es dem Mann hoch angerechnet; er steht in einer segensreichen Wirksamkeit. Ich werde deshalb auf das Amt Rücksicht nehmen und werde sehr gern einen seminaristisch gebildeten Mann nehmen, wenn ich ihn finde. Ich muß mir natürlich die Freiheit vorbehalten, nur solche zu be⸗ fördern, die tüchtig sind; sind sie das aber, dann sollen sie auch alles erreichen können, was Schulmännern möglich ist. (Bravo!) Damit bin ich ganz einverstanden. Ich brauche deshalb jetzt auf die Schul⸗ vorstände und die Schuldeputationen garnicht einzugehen. Ich wünsche in der That, daß auch Lehrer ihnen angehören.

Nun haben wir 1350 Rektoren überhaupt. Von diesen 1350 Rektoren sind 163 Theologen und 1045 sind seminaristisch ge⸗ bildet. Ich glaube also wirklich, die seminaristisch gebildeten Lehrer haben sich garnicht zu beklagen, und daß muß man auf der anderen Seite, wenn man gerecht sein will, auch anerkennen. Wir haben unter den Theologenraußerordentlich tüchtige Leute, die sich für den

Schuldienst eignen, und wenn solche pädagogisch und für den Schul⸗

dienst besonders begabte Leute in den Schuldienst hinein⸗ treten wollen als in ihren Lebensberuf, dann wollen wir sie nicht zurückweisen, sondern froh sein, wenn wir sie bekommen. Ebenso ist es mit der Kreis⸗Schulaufsicht. Im ganzen geht ja das Ziel der Kreis⸗Schulaufsicht dahin, gesonderte pädagogisch ausgebildete Berufskreis⸗Schulinspektoren da zu bekommen, wo sie irgend nöthig sind. Das ist die Tendenz der Entwickelung; nur nicht da, wo wir durchaus tüchtige Kreis⸗Schulinspektoren im Nebenamt haben, die alles thun, was sie thun müssen und was wir verlangen müssen. Ich habe eine große Anzahl solcher Leute, Geistliche, die alle Anerkennung und Achtung verdienen, die ihr Amt pöllig aus⸗ füllen, und daß ich diese Leute lediglich um des Prinzips willen be⸗ seitigen und dafür mit einem Schlage überall die hauptamtliche Schul⸗ inspektion einführen sollte, das würde ich schon aus finanziellen Gründen nicht thun können; ich würde dazu nicht die Zustimmung der Finanz⸗ verwaltung finden, aber ich sehe auch keine innerlichen Gründe dafür. Ich will auf dem Wege, den wir jetzt gehen, überall da, wo es ge⸗ rathen ist und sich machen läßt, die Kreis⸗Schulinspektoren im Neben⸗ amt einführen, ich will ruhig auf diesem Wege weiterschreiten, und daß ich dabei die seminaristisch gebildeten Lehrer berücksichtigen werde, darüber kann kein Zweifel sein.

Nun bleibt mir nur noch übrig die Frage der Schulpflicht und ihrer Dauer. Ja, ich kann nichts Anderes sagen, als was ich gestern gesagt habe, und was sich aus meinem Dementi im „Reichs⸗Anzeiger“ ergiebt. Wenn Herr Rickert von der Regierung in Liegnitz gesprochen hat, so hat sie allerdings auch eine ähnliche Ver⸗ fügung erlassen, die aber nicht diesen Hinweis enthielt, daß die Eltern veranlaßt oder inspiriert werden sollten, ihre Kinder schon vor dem sechsten Jahre in die Schule zu schicken, sondern diese Verfügung enthielt nichts als was wir in den alten bestehenden Verfügungen bereits finden. Es ist also auch nicht der geringste Grund zu einer Be⸗ unruhigung vorhanden; es soll bei den bestehenden Bestimmungen bleiben, bei der achtjährigen Schulpflicht, und ich mache nur darauf aufmerksam, daß der Schulanfang auf den 1. April fällt, und daß da für gewisse Fälle eine Entscheidung über die Zeit zu treffen ist, die sich mit der acht⸗ jährigen Schulzeit nicht deckt. Das wird von der Reife des Kindes abhängen. Mehr kann ich nicht thun; denn das ist der jetzige ge⸗ setzliche Zustand und ich führe ihn so loyal aus, wie es irgend möglich ist.

88 v. Eynern (nl.): Unerwartet hat man hier eine Kultur⸗

kampfdebatte insceniert. Herr Bachem unterbreitete der Regierung die Handelsobjekte für den russischen Handelsvertrag ꝛc. Daraufhin dürfen wir nicht schweigend verharren. Die meisten vorgebrachten Dinge kann der Kultus⸗Minister gar nicht allein regeln; das Zentrum sollte entsprechende Anträge einbringen, so z. B. bezüglich der Kirch⸗ hofsfrage, bezüglich des Altkatholikengesetzes ꝛc. Die Frage der Alterszulagen für die Geistlichen evangelischer und katholischer Kon⸗ fession hängt mit dem Zölibat der letzteren zusammen, das wir nicht aus der Welt schaffen können. Die Bewilligung für den Berliner Dom hängt mit der Kirchennoth nicht zusammen, deshalb liegt kein Anlaß vor, katholische Kirchen in Berlin zu bauen. Ebenso steht es mit der katholischen Universitäat. Die Polen verlangen ja viel⸗ leicht, nachdem sie einen polnischen Erzbischof haben, auch eine polnische Universität. Gegen solche Forderungen würde sich ein lebhafterer Sturm als gegen das Schulgesetz erheben, denn der Staat würde damit selbst als Kulturträger sich absetzen. Ueber die Zahl der Katholiken in den höheren Beamtenstellen hat der Minister schon das Nöthige esagt und darauf hingewiesen, daß hierbei der Zufall eine große Rolle spielt. Eine Absicht bezüglich der Konfession scheint mir nicht vorzuliegen, wohl aber sind manchmal politische Rücksichten maßgebend ewesen; denn das Zentrum hat ja „undeutsche Zwecke“ oft genug verfolgt: o lautet das Urtheil des rheinischen Adels aus dem Februar 1887. Die Kompensationen, die das Zentrum für die Wiederherstellung der katholischen Abtheilung bieten wird, werden ja wohl sehr bedeutend sein. Fürst Bismarck hob diese Abtheilung auf, weil sie einen Staat im Staate bildete und statt der Rechte des Königs und des Staates die des Papstes wahrnahm. Die Erfüllung der Wünsche des würde nicht eine gedeihliche Entwickelung des Landes her⸗ beiführen. 3

Abg. Neubauer (Pole) verlangt für Westpreußen dieselben Maßregeln, die der Minister für Posen in Aussicht genommen habe; denn so wie jetzt könne es mit dem Religionsunterricht nicht weiter gehen; jetzt müsse die Kirche das nachholen, was die Schule im Religionsunterricht in polnischer Sprache versäumt habe.

Minister der geistlichen ꝛec. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Ja, meine Herren, ich kann doch den Wünschen des Herrn Abg. Neubauer gegenüber nicht in Aussicht stellen, daß wir ähnliche Maß⸗ regeln, wie ich sie gestern für Posen angekündigt habe, nun auch für Westpreußen einführen. Die Verhältnisse liegen dort vollkommen anders. Wir haben in Westpreußen keinen polnischen Privatunterricht wie in Posen, wir haben in Westpreußen auf der Ober⸗ und Mittel⸗ stufe keinen polnischen Religionsunterricht. Und wenn auch der Herr Abg. Neubauer über die Erfolge des geklagt hat, so kann ich doch versichern, daß unsere Behörden ein⸗ stimmig darin sind, daß die Erfolge des deutschen Religionsunterrichts in Westpreußen sehr gute sind. (Widerspruch bei den Polen.) Das kann für mich als den Chef der Schulverwaltung allein maßgebend sein, und ich finde darum keinen Anlaß, gleich auf diese erste Rekrimination, auf die man ja gefaßt sein mußte, einzugehen, und bin nicht in der Lage, in Aussicht zu stellen, daß wir für Westpreußen ähnliche Maßnahmen treffen.

Abg. Stöcker (kons.): Abgesehen von dem Verständniß des Religionsunterrichts, soll die Schule die Kinder zum Gebrauch der deutschen Sprache anhalten. Bedenklicher scheint die Maßregel aus schultechnischen Gründen, weil viele Kinder nicht einmal bei einer Sprache das Schulziel erreichen können. Politisch und national be⸗ denklich ist es, daß gerade in diesen Dingen so schnell ein System⸗ wechsel eintritt. Das ruft eine Unsicherheit im Volksleben hervor, die ein Mangel des deutschen Staatslebens 18 werden droht, namentlich bei dem allgemeinen Wahlrecht. Daß wir zu dem Erlaß des früheren Ministers über den Privatunterricht geschwiegen haben, ist richtig; der Minister kam aus Posen und bei seiner Kenntniß der Verhältnisse glaubten wir ihm folgen zu können; wir halten den Privatunterricht für das Bessere. Denn Kinder können schließlich nur in einer Sprache unterrichtet werden. Die Kinder sind Preußen, müssen also Deutsch lernen. Wenn sie Polnisch lernen sollen, muß das dem Privatunterricht überlassen werden. Wenn man das Sperr⸗ geldergesetz eine Demüthigung des Staates nennt, so könnte das nur von der ersten Vorlage gelten; die Vorlage, wie sie hier gestaltet wurde, war nur eine Demüthigung der liberalen Gesetzgebung, die noch öfter solche Demüthigung verdient. Zu einem bloßen Schul⸗ dotationsgesetz können wir uns nicht entschließen. Wir verlangen ein ganzes Schulgesetz, um den umstürzenden Tendenzen entgegenzu⸗ treten. Die Lage ist niemals so günstig gewesen wie jetzt. Auf anderen Grundlagen als der Zedlitz'sche Entwurf kann ein Schulgesetz nicht aufgebaut werden. Der Sturm, der sich dagegen erhoben hat, war gemacht, und viele, die sich daran betheiligt haben, bedauern das jetzt wegen der unheilvollen Folgen. Ein Lehrerbesoldungsgesetz kann nicht gemacht werden, ohne daß die Theilnahme der Gemeinden

Religionsunterrichts

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an dem Schulwesen geregelt wird. Der Minister sollte noch diese Legislaturperiode benutzen, um ein Schulgesetz einzubringen; wir werden ihn unterstützen. Den Lehrern soll ihr Recht werden; aber die Lehrer, die den Sturm gegen das Schulgesetz zum theil geleitet haben, können sich nicht beschweren, daß ihnen nicht geholfen ist. Daß auch Volksschul⸗ lehrer zu Kreis⸗Schulinspektoren berufen werden, ist zu billigen; aber die Geistlichen sind nicht ohne weiteres als ne zu betrachten, denn sie haben oft genug im Schuldienst gestanden. Die Kreis⸗ Schulinspektion nur den Fachmännern zu übertragen, dazu fehlt es jetzt an Geld. Wenn die Lehrer in die Schulvorstände eintreten sollen, so wäre das für Berlin besonders nothwendig; aber Berlin macht gerade eine Ausnahme. Bezüglich der Parität scheint mir die Re⸗ gierung den richtigen Weg innegehalten zu haben, da auch Klagen von evangelischer Seite vorliegen. Vier Botschafter von acht, sowie der Statthalter von Elsaß⸗Lothringen sind Katholiken. Aber eine neue katholische Abtheilung wollen wir unter keinen Umständen; denn das würde die evangelischen Beamten dem Ruf der Unfähigkeit, den Katholiken gerecht zu werden, aussetzen. Redner dankt dem Minister für die Berücksichtigung der Wünsche der Generalsynode und bittet um die Ausdehnung der Predigerseminare, damit die Geistlichen mit guter praktischer Vorbildung ins Amt kämen.

Minister der geistlichen ꝛec. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! In dem Punkt der Predigerseminare bin ich mit dem Herrn Abg. Stöcker vollkommen einverstanden. Ich werde das, was auf diesem Gebiet unter den jetzigen Verhältnissen erreichbar ist, nach wie vor erstreben. Ich habe mich im vorigen Jahre darüber ausgesprochen, und ich habe auch nicht nachgelassen, dieses Ziel weiter zu verfolgen.

Ich bin auch Herrn Abg. Stöcker sehr dankbar dafür, daß er mir,

in Aussicht gestellt hat, wenn ich einmal ein Schulgesetz vorlegen würde, so würde er es unterstützen. Ich werde die sachliche Unter⸗ stützung für das Schulgesetz, wenn ich dazu kommen würde, es vor⸗ zulegen, dankbar nehmen, wo ich sie bekomme. Daß ich aber zur Zeit nicht in der Lage bin, ein Schulgesetz vorzulegen, das, glaube ich, weiß Herr Stöcker genau so gut, wie ich es weiß und wie Sie es wissen.

Nun, meine Herren, würde ich kaum Anlaß gehabt haben, die Berathung mit diesen Bemerkungen aufzuhalten, wenn ich nicht ge⸗ nöthigt wäre, die Bedenken, die der Herr Abg. Stöcker, wenn auch in wohlwollender Weise, gegen ldie Maßregel in Bezug auf den pol⸗ nischen Schreib⸗ und Leseunterricht ausgesprochen hat, nicht unwider⸗ sprochen zu lassen. Es könnten dadurch doch ganz falsche Auffassungen im Lande entstehen. Er hat in erster Linie gesagt, er habe schul⸗ technische Bedenken dagegen, weil es unmöglich sei, in einer Schule in zwei Sprachen mit Erfolg zu unterrichten. Ja, meine Herren, der Herr Abg. Stöcker hat im Eingang seiner Rede ausdrücklich hervor⸗ gehoben, auch er erkenne es als nothwendig an, daß die Schüler in religiöser Beziehung, soweit sie den Religionsunterricht polnisch em⸗ pfangen, so viel lernen müssen, daß sie diesen Religionsunterricht ver⸗ stehen. Um diese Frage handelt es sich aber; und wenn Herr Abg. Stöcker die Güte gehabt hätte, meinen Ausführungen gestern und heute zu folgen, so hätten wir über diesen Punkt keinen Zweifel.

Nun sind aber die Kinder gerade in Bezug auf die Belastung mit einem doppelsprachigen Unterricht in sehr viel größerem Maße durch den bisherigen Privatunterricht bedrückt worden, als durch die Maßregel, die ich jetzt einführen will. Ich will gerade das herbei⸗ führen, daß die Kinder nur zu einer bestimmten Zeit und nur in einem kontrolierbaren und geringen Maßstabe soviel Polnisch lernen, als für ihr religiöses Leben nöthig ist. Diese Zwiespaltigkeit in der Volksschule wurde durch den Privatunterricht dadurch herbeigeführt, daß die Kinder von der Unterstufe an in den Privatunterricht neben dem deutschen Unterricht mit dem polnischen Unterricht belastet waren. Das wird jetzt wegfallen. Darin gebe ich dem Herrn Abg. Stöcker vollkommen Recht: das Kind auf der Unterstufe kann nicht zwei⸗ sprachig überhaupt den Unterricht anfangen; aber das Kind, das zu Hause vollständig polnisch sprechen kann, kann sehr wohl, wenn es im Deutschen so weit ist, daß es sich auszudrücken und zu verstehen weiß, sehr wohl polnisch lesen und polnisch schreiben lernen, um den memorierten Stoff in den Religionsstunden so weit verstehen zu können, daß es die Aufgabe, die es dort bekommt, zu Hause zu erledigen vermag. Also diesen schultechnischen Einwand kann ich nicht als berechtigt an⸗ erkennen, und um so weniger, als alle schultechnischen Sachverständigen, die darüber gehört sind, einstimmig erklärt haben, daß unser ganzer bisheriger Unterricht, unser deutsches Unterrichtswesen, unsere deutsche Unterrichtssprache in der Provinz Posen in keiner Weise dadurch alteriert werde. Ist das aber richtig, so ist dieser schultechnische Ein⸗ wand vollkommen hinfällig.

Damit hängt aber zusammen, daß auch der zweite, sehr viel schwerere Einwand nicht begründet ist, den der Herr Abg. Stöcker er⸗ hoben hat, nämlich daß hier ein Systemwechsel der Staatsregierung vorliege. Nein, meine Herren, es liegt nicht ein Systemwechsel vor, sondern es liegt ein konsequentes Vorwärtsschreiten auf einem einmal beschrittenen Wege vor. Wir hatten dieses Vorwärtsschreiten unter⸗ brochen durch die Konzession des polnischen Privatunterrichts, weil wir uns davon versprochen haben, daß die Sache gute Früchte tragen würde. Wir haben uns überzeugt: der polnische Privatunterricht hat nicht gute Früchte getragen, hat sich nicht bewährt, er hat gerade dazu beigetragen, unser jetziges System zu durchbrechen und die Lehrer und ebenso die Kinder in einer Weise zu belasten, daß die Ziele, die wir uns in Bezug auf unsern Unterricht gestellt haben, nicht erreicht werden konnten. Deshalb sind wir diesen Weg gegangen und habe ich diesen Weg in Aussicht genommen, den ich Ihnen gestern des näheren dargelegt habe. Gegen diesen Ein⸗ wand des Systemwechsels der Staatsregierung verwahre ich mich wenigstens auf diesem Gebiet. Möge es der Herr Abg. Stöcker ver⸗ antworten, wenn er im allgemeinen der Staatsregierung vorwirft, daß sie unter einem fortwährenden Systemwechsel stehe. Ich habe davon bis jetzt nichts bemerkt, und ich bin daran unbetheiligt, und das kann ich sagen, daß ich hier einen Systemwechsel nicht vorgenommen habe und auch nicht vornehmen werde. (Lebhaftes Bravo.)

Abg. Dr. Por entr.): Auf de f dem der Zepgi sche 2e he Sentr).. 899 lag 1 vnfh gen. das U enthielt nicht alles, was wir wünschten, aber vieles Gute. Wenn es dem Minister gelingen sollte, ein Gesetz wieder vorzulegen, wird er die Unterstützung nicht, wo er sie findet, sondern daher nehmen müssen, wo der Zedlitz'sche Entwurf sie gefunden hat. Ein Schuldotationsgesetz halten wir nicht für möglich; man spricht von einem Schullehrerbesoldungsgesetz. Wir werden es einer wohlwollenden Prüfung unterziehen, da für die Lehrer etwas geschehen muß. Nach dem großen Menu unserer Wünsche, welches ich in voriger Session vorlegte, konnte Herr von Cyner wohl kaum erwarten, daß wir nunmehr vollständig befriedigt sind.

Das Menu besteht noch vollkommen; nur bezüglich des Vorsitzes ir der Kirchenvertretung ist unser Wunsch erfüllt worden.

Die Konzession

in der Sprachenfrage bedauere ich nicht, wie Graf Limburg, sondern ich bedauere nur, daß sie nur in Posen erfolgen soll. Mit Dingen, die am anderen Ende der Leipzigerstraße verhandelt werden, hat diese Kon⸗ zession nichts zu thun; sie ist früher schon vom Minister angedeutet worden, und mir schien es damals, als wenn auch Herr Stöcker dem Minister zustimmte. Die Kinder sollen in erster Linie christlich unterrichtet werden, also zunächst in der Muttersprache; dann folgt erst der Unterricht in der deutschen Sprache. Unsicherheit und Systemwechsel sind nur durch den von uns für ganz unbegründet erachteten Polenfeldzug veranlaßt worden Nicht bloß das Vorhandensein eines olnischen Hrebannaterrchten ist maßgebend für die neue Maßregel, ondern die Rücksicht auf den Unterricht überhaupt, die auch in Westpreußen und in Oberschlesien maßgebend sein sollte. Daß die Staatsbehörden eine Revision des Kirchenvermögenverwaltungs⸗ Gesehe⸗ nicht für nothwendig halten, war vorauszusehen. Aber wie haben sich die Bischöfe und die Kirchenvorstände, die befragt worden sind, geäußert? Wir wissen, daß man in allen katholischen Kreisen eine Reform wünscht. Wir würden, wenn nicht die Bischöfe mit dem Gesetze zufrieden sind, unsererseits eine Aenderung vorschlagen. Redner bespricht dann die Handhabung des Ordens⸗ esetzes. Besonders auch für die Seelsorge der Sachsengänger seien Grvensleute zweckmäßig zu verwenden. Daß die Thätigkeit derselben Anlaß zu konfessioneller Zwietracht gegeben, sei nicht bekannt geworden. Das Wohlwollen des Ministers, fährt der Redner fort, muß anerkannt werden; er hat nur das Gesetz angewandt, aber solche Gesetze sind doch nicht für die Ewigkeit; man sollte sie den veränderten Verhält⸗ nissen entsprechend umändern. Jesuiten hat man das Halten von sozialpolitischen Vorträgen verboten, während man sozialdemokratische Agitatoren unbehindert ließ. Im vorigen Jahrhundert wurde bekannt⸗ lich der Jesuitenorden durch päpstliches Breve aufgehoben. Friedrich der Große aber setzte es beim Papst durch, daß die Jesuiten als Geist⸗ liche in Schlesien wirken durften, nur eine Ordensthätigkeit war ihnen untersagt. Könnte nicht ähnlich auch heute verfahren werden? Die Wiedereinrichtung einer katholischen Abtheilung würde durchaus zu einer Desorganisation des Ministeriums nicht führen. Wir erkennen die wohl⸗ wollende Verwaltung des Ministers an; aber die katholischen Räthe haben doch oft einen schweren und peinlichen Stand gegenüber dem evangelischen Ministerial⸗Direktor, Unter⸗Staatssekretär und Minister. In Bayern und Oesterreich sind für die evangelische, in Württem⸗ berg für die katholische Minderheit diese Dinge gesetzlich oder sogar verfassungsmäßig geordnet. Die Aeußerung des Fürsten Bismarck über die katholische Abtheilung ist von dem früheren Kultus⸗Minister von Mühler entschieden zurückgewiesen worden. Die Frage der ist nicht erst seit heute, sondern schon seit Jahren auf der agesordnung und wird nicht wieder verschwinden. Der Ton unserer Reden ist milder als die Anklagen, die draußen im Lande erhoben werden. Die schlechte Aussicht auf Avancement hält viele Katholiken von dem Betreten der Beamtenkarrièöre ab. Hoffentlich dient die Diskussion zur Beruhigung, denn eigentlich hat keiner der Redner einer imparitätischen Behandlung das Wort geredet. Das jetzige Verfahren müsse Mißtrauen bei der katholischen Bevölkerung hervorrufen zum Schaden des Staatslebens. Um 4 ½ Uhr wird die weitere Berathung auf Sonn⸗ abend 11 Uhr vertagt.

Steatistik und Volkswirthschaft.

Zum deutsch⸗russischen Handelsvertrag.

Der Magistrat der Stadt Berlin hat, wie die Blätter melden, beschlossen, die von der Stadtverordneten⸗Versamm⸗ lung angenommene Erklärung über den russisch⸗ deutschen Handelsvertrag (vgl. Nr. 47 d. Bl.) dem Reichstag mit dem Hinzufügen zu übermitteln: der Magistrat spreche die Ueber⸗ zeugung aus, daß gerade in unserer gewerbfleißigen Stadt Handel und Industrie nur gedeihen können, wenn feste Vertragsverhältnisse mit den anderen, namentlich mit den benachbarten Staaten, den Unter⸗ nehmungen einen festen Boden verleihen. Der Magistrat bittet des⸗ halb den Reichstag, er wolle dem vom Bundesrath vorgelegten deutsch⸗ russischen Handelsvertrag seine Zustimmung ertheilen.

Aus Mittelfranken wird der „Frkf. Z.“ geschrieben: Der Landwirthschaftliche Bezirksverein Hersbruck bedauert zwar die Ungleichheit des deutschen und russischen Hopfenzolls, erklärte jedoch in seiner letzten Wanderversammlung, daß diese Thatsache keinen Anlaß geben könne, gegen den Handelsvertrag Stellung zu nehmen; es sei erfreulich, daß der Vectrag der Industrie eine bessere Zukunft

ne, durch welche wiederum die Landwirthschaft gewinnen werde

Auswärtiger Handel im Januar. 8

Das vom Kaiserlichen Statistischen Amt herausgegebene Januar⸗ heft der monatlichen Nachweise über den auswärtigen Handel des deutschen Zollgebiets schließt ab, wie schon kurz in Nr. 49 d. Bl. erwähnt, mit einer Einfuhr von 22 198 068 (100 kg) im Januar gegen 19 088 642 (100 kg) des Vorjahrmonats, also um 3 109 426 (100 kg) oder 16,3 % mehr. Die Ausfuhr in diesem Monat dagegen ist von 13 788 751 (100 kg) auf 16 423 110 (100 kg) oder 19,1 % gestiegen und beträgt 2 634 359 (100 kg) mehr als im Januar des Vorjahres.

Bei der Einfuhr sind 540 (100 kg) Edelmetalle, auch gemünzt und bei der Ausfuhr 442 (100 kg) solcher Edelmetalle mit inbegriffen, sodaß für die übrigen Artikel bei der Einfuhr 22 197 528 (100 kg) und bei der Ausfuhr 16 422 668 (100 kg) verbleiben.

Bemerkenswerth ist vor allem die Mehr⸗Einfuhr von Ge⸗ treide und Rohmaterialien für die Industrie.

Eingeführt wurden im Januar

1893 1894 .567 499 (100 kg) 729 317 (100 kg) 11““ 222 892 105 343 566 Gerste .610 940 268 030 Mais. . . . 332 028 770 065 Rohbaumwolle .233 311 314 242 Flachs. . 135 883 184 207 6 32 836 49 349 Heede..

an Weizen Roggen. Hafer.

I“ 26 383 Rohschafwolle 168 709 173 893 Eisenerzen . 740 837 837 662 Blei⸗und Kupfer⸗ 855666 38 181 . 1 Die Mehr⸗Einfuhr erklärt sich zum theil aus dem vermehrten Bedarf wie bei Gerste, Hafer und Mais wegen der Knappheit des Viehfutter⸗Materials, zum anderen theil auch daraus, daß im Januar des vorigen Jahres wegen des damals herrschenden strengen Frostes der Schiffahrtsverkehr erheblich eingeschränkt war. Bei der Mehr⸗Ausfuhr ist vor allem die Eisen⸗Industrie hervorragend betheiligt. öJ b8 Ausgeführt wurden im Januar: 16 X““ Roheisen 40 230 (100 kg) 107 612 (100 kg) Eck⸗ und Winkeleisen 41 334 61 246 Eisenbahnlaschen . . 16 404 28 786 Eisenbahnschienen. 47 434 72 513 groben Eisenwaaren. 59 454 73 246 Röhren, geschmiedet ꝛc. 12 563 1 Aüsendrahbe; 8. 8 3 174 560 8 uch die Chemikalien⸗ und Droguen⸗Industrie hat einen beträcht⸗ lichen Antheil an der Mehr⸗Ausfuhr. h Der Mühlenlager⸗Verkehr mit Getreide und Oelsämereien, 56 als Ein⸗ und Ausgang im Spezialhandel mit angeschrieben wird nd bisher nur durch Noten gekennzeichnet war, ist nunmehr in einer elbständigen Nachweisung dargestellt, sodaß die im Januar 1894 er⸗ olgte Anschreibung der verschiedenen Getreidearten und Oelsämereien, ausgeschieden nach den Zollsätzen, auf Mühlenkonto und die in dem⸗

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selben Zeitraum erfolgte Ausfuhr der aus den begünstigten Mühlen⸗ Etablissements ausgeführten Fabrikate, wie Weizen⸗ und Roggenmehl, Grütze, Mohnöl, Rüböl, Sesamöl ꝛc. der Menge nach zu ersehen sind. Es ergiebt sich hieraus, daß allein 32 953 (100 kg) Weizenmehl und 33 031 (100 kg) Roggenmehl ausgeführt wurden, welchen Mengen 43 937 (100 kg) Weizen und 50 816 (100 kg) Roggen entsprechen.

Bewegung der Bevpölkerung in Deutschland und 1 1 Frankreich.

Die Nachweise über die Bewegung der Bevölkerung im Jahre 1892 nebst den Hauptzahlen aus den Vorjahren sind für das Deutsche Reich Ende Februar d. J. vom Kaiserlichen Statistischen Amt im ersten Heft des Jahrgangs 1894 seiner Vierteljahrshefte und für Frankreich in Nr. 45 des amtlichen Journals der Französischen Republik veröffentlicht worden. Danach haben im Jahre 1892 statt⸗ gefunden:

Deutschem Neich Fraltreich v Deutschen Rei Frankrei Geeen. 1116“ 290 319 eburten 1 95 971 855 847 Sterbefälle J ohne Todtgeburten 1 211 429 875 888. „Im Deutschen Reich betrug die natürliche Vermehrung der Be⸗ völkerung durch mehr Geborene als Gestorbene 584 569, während in Frankreich eine Verminderung um 20 041 durch das Uebergewicht der Sterbefälle über die Geburten eingetreten ist. Auf 1000 Einwohner

kamen in den Jahren 1892 1891 1890 1889

Eheschließungen. Deutsches Reich. 7,9 8,0 8,0 8 8,0 Frankreich . .. 7,4 7,0 71 Geborene (ohne Todtgeborene). Deutsches Reich. 37,0 35,7 36,4 36,6 Frankreich.. 22,6 21,9 23,0 23,1 b Gestorbene (ohne Todtgeborene). Deutsches Reich. 23,4 24,3 23,7 23,8 Fec 212 22,9 22,9 20,8 Mehr Geborene als Gestorbene. Deutsches Reich . 13,6 11,4 12,7 12,8 Frankreich 0,5 0,3 1,0 2,2 1,2

Die geringe Höhe der Geburtenziffer und den hieraus folgenden Ueberschuß der Sterbefälle in den letzten drei Jahren erklärt der französische Bericht aus den Nachwirkungen der Jahre 1870 und 1871, in denen 50 000 Eheschließungen und 100 000 Geburten weniger, 600 000 Sterbefälle mehr als in normalen Jahren gefunden haben.

Großhandelspreise wichtiger Waaren. 1

Das erste Vierteljahrsheft zur Statistit des Deutschen Reichs, Jahrgang 1894, enthält eine Zusammenstellung der Großhandelspreise wichtiger Waaren an deutschen Plätzen im Sen 1893 und in den 15 Jahren 1879 bis 1893. Die Nachweise erstrecken sich auf 37 Waaren aus den Gruppen: eeeguntt⸗ der Landwirthschaft und der ihr verwandten Industrien (Mehl⸗, Zucker⸗, Spiritus⸗ und Rüböl⸗ gewinnung), Kolonialwaaren, Rohstoffe der Lederindustrie, Rohstoffe und Halbfabrikate der Textilindustrie, Rohstoffe des Bergbaues Wir begnügen uns damit, die Preise für einige wenige wichtigere Waaren zu verzeichnen.

„Der Durchschnittspreis für Roggen stellt sich im Jahre 1893 für Berlin 133,65 Im Osten ist er erheblich niedriger: in Danzig 123,39 ℳ, in Breslau 126,26 ℳ, in Königsberg 120,44 ℳ, in Posen 123,88 ℳ, in Stettin 131,22 ℳ; im Westen und Süden erheblich höher, in Frankfurt a. M. 146,71 ℳ, in Köln 152,38 ℳ, in Mannheim 154,63 ℳ, in München 145,13 Zwischen dem Preise in Königs⸗ berg (120,44 ℳ) und dem Preise in Mannheim (154,63 ℳ) besteht ein Unterschied von 34,19 ℳ, also nahezu in voller Höhe des Zolls.

ür Weizen beträgt der Durchschnittspreis in Berlin 151,54 Im Osten ist er erheblich niedriger: in Danzig unverzollt 125,78 ℳ, in Breslau 141,98 ℳ, in Königsberg 142,96 ℳ, in Posen 145,10 ℳ, in Stettin 149,83 ℳ; im Westen und Süden erheblich höher: in Frankfurt a. M. 163,38 ℳ, in Köln 164,17 ℳ, in Mannheim 178,54 ℳ, in Lindau 205,50 ℳ, in München 173,96 Läßt man den Danziger unverzollten Weizen außer Betracht, so besteht zwischen dem niedrigsten und höchsten Preise (Breslau 141,98 und Lindau 700780 2 eine Differenz von 63,52 ℳ, also weit mehr als der Zoll⸗ atz beträgt.

Ziehen wir zur Vergleichung mit den 14 Vorjahren den Berliner Preis heran, so bleibt der Durchschnittspreis von Roggen (133,65 ℳ) hinter den Jahren 1880, 1881, 1882, 1883, 1884, 1885, 1888 (wo er indeß nur 134,46 betrug), 1889, 1890, 1891 und 1892 zurück. Niedrigere Preise hatten nur die Jahre 1879 mit 132,81 ℳ, 1886 mit 130,59 und 1887 mit 120,88 Den höchsten Preisstand errang der Roggen mit 211,23 im Jahre 1891, dann mit 195,18 im Jahre 1881 und mit 187,89 im Jahre 1880.

Der Weizenpreis, der 1893 im Durchschnitt 151,54 be⸗ trug, war nur im Jahre 1886 mit 151,32 etwas geringer; den Höchststand erreichte er im Jahre 1891 mit 224,21 und im Jahre 1881 mit 219,46

Der Haferpreis mit 157,02 im Jahre 1893 ist ein hoher und wird nur vom Jahre 1890 mit 157,79 übertroffen.

Von den Viehpreisen ist hervorzuheben: Rinder 99,49 (für 100 kg) im Jahre 1893; höchster Preis im Jahre 1891: 110,93 ℳ, niedrigster im Jahre 1888: 90,06 Schweine: 108,97 im Jahre 1893; höchster Preis im Jahre 1890: 115,68 ℳ, niedrigster im Jahre 1888: 85,80

Die Preise für Rohzucker sind stark zurückgegangen; 1881 betrugen sie in Magdeburg 65,69 für 100 kg, 1891: 35,88 ℳ, 18 31,08 ℳ; Raffinade 1881: 81,81 ℳ, 1891: 56,94 ℳ, 1893: 57,63

Wolle (norddeutsche Schäferei) kostete in Berlin im Jahre 1880 355 für 100 kg; der Preis ist anhaltend gesunken und betrug im Jahre 1893 232,17 Baumwolle 1880: 132,58 ℳ, 1892: 80,02 ℳ, 1893: 87,95 8

Deutsches Roheisen 1880 für 1000 kg in Breslau (Puddel⸗ eisen) 66,75 ℳ, 1892: 48,88 ℳ, 1893: 50,21 Englisches Roheisen (beste schottische Gießerei Nr. 1) in Berlin 1880: 87,29 ℳ, 1892: 73,46 ℳ, 1893: 74,83

Kupfer (Mansfelder) in Berlin für 100 kg 1880: 149,08 ℳ, 1892: 107,35 ℳ, 1893: 101,58

Deutsche Steinkohle, westfälische, in Berlin für 100 kg 1880: 18,53 ℳ, 1890: 24,04 ℳ, 1892: 21,25 ℳ, 1893: 20,67

8 8.

Die Verbreitung des amerikanischen und russischen Petroleums und die Petroleumpreise.

Dem belgischen „Bulletin du Musée Commercial“ vom 20. Ja⸗ nuar d. J. entnehmen wir die folgenden neuesten Angaben über die Ver breitung des öö und russischen Petroleums in ver⸗ schiedenen Ländern. Von dem Gesammtverbrauch an Petroleum waren

amerikanischen russischen Ursprungs

S . Belgien und 4““ Oesterreich⸗Ungarn .. . 4“*“ panien und Portugal.. 1AAA*“ roßbritannien und Irland. 4*4*“ 24* 1““ Von dem Gesammtverbrauch der Erde an Petroleum entfallen 58,3 % auf amerikanisches und 41,7 % auf russisches Erdöl.

8

Der Preis amerikanischen Petroleums hat in den letzten 10 Jahren einen nicht unbeträchtlichen Rückgang erfahren, wie folgende, den Veröffentlichungen des Statistischen Bureaus zu Washington ent⸗ nommenen Zahlen beweisen. Der durchschnittliche Preis einer Gallone (= 4,5436 1) raffinierten Petroleums von 70 Grad Abel stellte sich in New⸗York im Jahre auf Cents im Jahre .“ 1888 1889 1890 1891

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Ueberseeische Auswanderung.

Ddie Zahl der über deutsche Häfen, Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam im Jahre 1893 ausgewanderten Deutschen betrug nach dem Ersten Vierteljahrsheft zur Statistik des Deutschen Reichs

84 458 gegen

112 208 im Jahre 1892,

115 392 1891,

91 925 180

90 259 1889,

98515 . 8 Von den 84 458 im Jahre 1893 ausgewanderten Deutsche gingen 75 102 nach den Vereinigten Staaten von Nord⸗Amerika, 6136 nach Britisch⸗Nordamerika, 1169 nach Brasilien, 1058 nach anderen Theilen von Amerika, 586 nach Afrika, 146 nach Asien, 261 nach Australien Das stärkste Kontingent der Auswanderer stellte im Königreich Preußen wiederum Westpreußen, indem hier von 100 000 Einwohnern 459 über See auswanderten; aber im Vergleich zu den Vorjahren wo 933 bezw. 1094 in den Jahren 1892 und 1891 aus Westpreußen auswanderten, hat sich die Zahl doch erheblich vermindert. Die Provinz Posen lieferte auf 100 000 Einwohner 434 Auswanderer Pommern 389. Das stärkste Kontingent im ganzen Reich stellte im Jahre 1893 Bremen mit 515.

Zur Arbeiterbewegung.

In Frankfurt a. M., Nordhausen, Fürstenwalde und Greiz stehen einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge Lohn⸗ bewegungen der Maler, Lackierer, Anstreicher u. s. w. bevor.

Hier in Berlin wurde nach demselben Blatt den Arbeitern von O. Titel's Kunsttöpferei⸗Aktiengesellschaft zum 1. März eine Lohnkürzung um 10 % angekündigt. Die Arbeiter traten mit den Arbeitgebern in Unterhandlungen, die noch nicht beendet sind.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 18. Februar bis inkl. 24. Februar ecr. zur Anmeldung gekommen: 981 Lebendgeborene, 218 Eheschließungen, 31 Todtgeborene, 545 Sterbefälle. 1 . v1“

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Handel und Gewerbe.

Bei den Abrechnungsstellen der Reichsbank wurden im Monat Februar 1 2293 832 600 abgerechnet gegen 1 575 202 100 im Januar d. J., 1 383 425 900 im Februar 1893, 1 551 116 700 im Februar 1892 und 1 272 983 100 im Februar 1891.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks

an der Ruhr und in Oberschlesien.

An der Ruhr sind am 2. d. M. gestellt 10 709, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

In Oberschlesien sind am 1. d. M. gestellt 3310, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. 8

Berlin, 2. März. Amtliche Preisfeststellung für Butter, Käse und Schmalz. Butter. (Preise im Berliner Großhandel zum Wochendurchschnitt per komptant.) per 50 kg. Hof⸗ und Genossenschafts⸗Butter la. 112 ℳ, II a. 105 ℳ, III a. —,—, do. abfallende 100 ℳ, Land⸗, Preußische 90 93 ℳ, Netzbrücher 90 93 ℳ, Pommersche 90 93 ℳ, Polnische —,— ℳ, Baverische Sennbutter 98 100 ℳ, do. Landbutter 88 90 ℳ, Schlesische 90 93 ℳ, Galizische 80 85 ℳ, Margarine 36— 68 Käse: Schweizer, Emmenthaler 87 90 ℳ, Bayerischer 60 68 ℳ, Ost⸗ und Westpreußischer Ia. 68 75 ℳ, do. II a. 58 62 ℳ, Holländer 83 88 ℳ, Limburger 39 42 ℳ, ean. käse Ta. 23 28 ℳ, do. II a. 12 15 Schmalz: Prima Western 17 % Tara 46 47 ℳ, reines, in Deutschland raffiniert 48 ℳ, do. Berliner Bratenschmalz 50 51 Fett, in Amerika raffiniert 40 41 ℳ, do. in Deutschland raffiniert 37 38 Tendenz: Butter: ruhig. Schmalz: unverändert.

Dem Aufsichtsrath der Chemischen Fabrik auf Aktien (vorm. E. Schering) wurde heute vom Vorstand die von den Revisoren geprüfte Bilanz für 1893 vorgelegt. Der Aufsichtsrath beschloß, der am 20. März d. J. stattfindenden Generalversammlung eine Dividende von 19 % gegen 20 % für 1892 in Vorschlag zu bringen.

In der gestrigen gemeinsamen Si ung des Aufsichtsraths und des Vorstandes der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktien⸗Gesellschaft wurde beschlossen, von der Vertheilung einer Dividende für das verflossene Geschäftsjahr Abstand zu nehmen. Aus dem Abschluß der Gesellschaft ist zu erwähnen: Der Gewinn der transatlantischen febet etrug im Vorjahre 3 498 904 und ist in diesem Jahre fast gleich groß. Dagegen hat eine höhere Be⸗ lastung des Assekuranz⸗Kontos üniesabe Die Abschreibungen auf Dampfschiffe betrugen im Vorjahre 3 864 122 Der dies⸗ 1essig⸗ Reingewinn von 4 Millionen Mark wird gänzlich zu Abschreibungen verwendet. Die Packetfahrt hat in den sieben Jahren von 1886 bis einschließlich 1892 9 ½ Millionen Mark an Dividende

vertheilt und in dem gleichen Zeitraum für Abschreibungen aus ihrem

Betriebsgewinn mehr als 21 Millionen verwendet. Sie hat ferner in diesen Jahren die Summe von 43 Millionen Mark für Neu⸗ bauten u. a. verausgabt. Das Aktienkapital wurde um 15 Millionen, das Prioritätskapital um 10 Millionen Mark erhöht, von welch letzteren 1 ½ Millionen wieder getilgt worden sind.

Magdeburg, 2. März. (W. T. B.) Zuckerbericht. Kornzucker exkl., von 92 % —,—, neue 13,65, Kornzucker exkl. 88 % Rendement 12,85, neue 13,05, Nachprodukte exkl., 75 % Rende⸗ ment 10,40. Ruhig. Brotraffinade 1. 26,00, Brotraffinade II. 25,75, Gem. Raffinade mit Faß 26,25, Gem. Melis I., mit Faß 24,75. Ruhig. Preise nominell. Rohzucker. I. Produkt Transito f. a. B. Hamburg pr. März 12,72 ½ Gd., 12,75 Br., pr. April 12,70 bez., 12,72 ½ Br., per Mai 12,72 ½ bez., 12,75 Br., pr. Juni 12,77 ½ Gd., 8 Ruhig, stetig. Wochenumsatz im Rohzuckergeschäft 178 v.

Leipzig, 2. März. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata Grundmuster B. per März 3,35 ℳ, per April 3,37 ½ ℳ, per Mai 3,40 ℳ, per Juni 3,45 ℳ, per Jult 3,47 ½ ℳ, per August 3,50 ℳ, per September 3,52 ½ ℳ, per Oktober 3,55 ℳ, per November 3,57 ½ ℳ, per Dezember 3,57 ½ ℳ, per Januar

Umsatz 40 000 kg.

Bremen, 2. März. (W. T. B.) Börsen⸗Schlußbericht. Raffiniertes Petroleum. (Offizielle Notierung der Bremer Petroleum⸗ Börse.) Still. Loko 4,85 Br. Baumwolle. Anziehend. Upland middling, loko 39 ₰4. Schmalz. Matt. Wilcox 39 ½ ₰, Armour 1 39 ₰, Cudahy 40. 45 Fairbanks 34 cb Speck. Kuhig. Short elear middl. loko 35 ½. Wolle. Umsatz: 230 Ballen.

London, 2. März. (W. T. B.) Wollaukti Bei gute Betheiligung Preise unverändert.

An der Küste 2 W