wurden, sind folgende Resolutionen gefaßt worden: 1) Die Stundung oder unpünktliche Zahlung der in Krankheitsfällen aus Gemeinde⸗ mitteln bezahlten Kurkosten entzieht das Wahlrecht nicht; vielmehr wird die Berechtigung zum Wählen erst durch Erlaß oder durch fest⸗ estellte Uneinziehbarkeit dieser Kosten aufgehoben. Die Versamm⸗ ung ersucht den Magistrat, bei Aufstellung der Wählerlisten den vor⸗ stehenden Hügfesen entsprechend verfahren zu wollen. 2) Der Magistrat wird ersucht, Maßnahmen zu treffen, daß bei Verausgabung von Büchern aus den Volksbibliotheken, insbesondere bei Einforderung von Bürg⸗ schaftsscheinen für dieselben Erleichterungen eintreten. Beim Etat des Fachschulwesens ist die Tischlerschule von der Stadt neu übernommen worden. Nach den Bestimmungen für dieselbe soll das Kuratorium aus Mitgliedern der Innung gebildet werden. Der Ausschuß hat diese Bestimmung dahin abgeändert, daß das Kuratorium zur Hälfte aus Innungsmitgliedern, zur anderen Hälfte aus Mitgliedern, welche von der Gewerbe⸗Deputation gewählt werden, zusammengesetzt sein soll. Beim Etat der Hochbauverwaltung ist die erste Baurate für den Bau der X. höheren Bürgerschule, Auguststraße 21, mit 15 000 ℳ neu zum Etat gebracht worden, da hierfür das Projekt der Versammlung bereits vorliegt; dagegen sind die für den Neubau der XI. Realschule (an der Urbanstraße) eingesetzten 150 000 ℳ ge⸗ strichen worden mit Rücksicht darauf, daß ein Grundstück für das Projekt noch nicht zur Verfügung steht. — Die für die Ueberführung des Gewächshauses vom Rieselgut Gütergotz nach dem Treptower
ark in den Etat eingestellte Summe von 10 000 ℳ hat der Aus⸗
chuß gestrichen.
Die Wiederkehr jener ernsten Märztage, welche vor sechs Jahren dem deutschen Volk seinen greisen Heldenkaiser nahmen, erweckt von neuem die Erinnerung an jene Zeit, wo Hunderttausende von Deutschen sich nach dem alten Gotteshaus im Herzen von Berlin drängten, um noch einmal ihren dort aufgebahrten geliebten Herrscher zu sehen. Der Dom, in welchem sich jene bedeutsamen Scenen ereigneten, ist jetzt vom Erdboden verschwunden, jedoch die Quadern, auf welchen der Sarkophag Kaiser Wilhelm’'s I. stand, wurden in Gedenk⸗ steine verwandelt. Die Huld Seiner Majestät des Kaisers ertheilte einer in unserer Stadt sehr segensreich wirkenden Anstalt, der „Heimath für junge Mädchen und “ gebildeter Stände“ das Recht, aus jenen Quadern
riefbeschwerer zu fertigen und diese zum Besten der „Heimath“ zu verkaufen. Das schwer zu bearbeitende Material erlaubte kein schnelles Anfertigen; und so konnten nicht immer alle Forderungen nach Gedenksteinen befriedigt werden. Jetzt sind bei den bekannten Firmen, welche den Verkauf der Denksteine in gütiger Weise übernommen haben, noch einige Hundert von den letzten dieser Brief⸗ beschwerer vorräthig, und angesichts der jetzigen Gedenktage sowie der nahenden Konfirmationen werden uns gewiß manche unserer Leser für diesen Hinweis dankbar sein; denn neben der Erwerbung eines historisch werthvollen Steins fördert man ein Werk der Nächstenliebe. Die Gedenksteine bestehen aus poliertem Marmor oder schwedischem Kalkstein, sie tragen eingraviert die vergoldete Inschrift „Aus dem Dom zu Berlin. 1747—1892.“ und auf der Rückseite den Stempel „Mit Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers und Königs“. Jeder Stein ist in einem Holzkistchen postfertig verpackt und dem⸗ selben das „Lied der Domsteine“ von E. von Wildenbruch sowie ein Bild des Domes beigefügt. Der Preis mit Verpackung beträgt 10 ℳ
Ueber einen Unglücksfall, der sich gestern früh auf der Stadtbahn ereignete und bei welchem fünf Männer sofort getödtet wurden, ein sechster lebensgefährlich verwundet worden ist, entnehmen wir der „Nat.⸗Z.“ nachstehenden Bericht: Am Savigny⸗Platz, zwischen den Haltestellen Charlottenburg und Zoologischer Garten, befinden sich 4 Gleise, und zwar eins für die Fern⸗ und Vorortzüge der Richtung Charlottenburg — Zoologischer Garten, ein zweites für dieselbe Art von Zügen der entgegengesetzten Richtung, ein drittes für Stadtbahnzüge von Charlottenburg und ein viertes für solche nach Charlottenburg. Gestern Morgen um 7 ½ Uhr hatte eine Kolonne von acht Arbeitern auf dem zweiten Gleise zu thun. Sieben von ihnen unterstopften Schienen und Schwellen, der achte war mit einem Horn ausgerüstet, um beim Heranbrausen der Züge Warnungszeichen ertönen zu lassen. Um 7 Uhr 6 Minuten fuhr nun auf dem ersten Gleise der
Vorortzug nach
rkner von Charlottenburg ab. Als er den Savigny⸗Platz überfuhr, ließ der Maschinenführer Dampf ab. Dieser sowohl, wie der Rauch aus dem Schornstein senkten sich zur Erde, sodaß die acht Arbeiter völlig in eine Dampfwolke gehüllt waren und der Aufseher das Heranfahren anderer Züge nicht wahr⸗ nehmen konnte. Nun waren sechs Arbeiter dem ausströmenden heißen Dampf dadurch ausgewichen, daß sie auf das dritte (Stadt⸗ bahn⸗) Gleise übergetreten waren. Der Hornist war aber in der Rauchwolke geblieben und konnte den von Charlottenburg nach Stralau⸗Rummelsburg sich bewegenden Zug nicht bemerken. Als dieser an ihm vorbeisauste, hörte er ein Knistern und Knattern, als wenn die Räder über dürre Baumzweige hinweggingen. In diesem Augenblick kreuzte ein dritter Zug nach Westend die Stelle. Als sich der auf der Strecke lagernde Rauch verzogen hatte, zeigte sich ein schreckliches Bild. Im dritten Gleise lagen fünf fürchterlich verstümmelte Leichen. Dem einen war der Kopf abgetrennt, einem anderen Arme und Beine abgefahren, mehrere waren völlig zermalmt. Zwischen dem zweiten und dritten Gleise lag der 31 Jahre alte Arbeiter Richard Kappel aus der Thurmstraße 12 zu Berlin, der Lebenszeichen von sich gab und vom sofort unterrichteten vierten Charlottenburger Polizei⸗Revier nach dem dortigen Krankenhause gebracht wurde. Nach einer späteren Meldung sollen seine Verletzungen nicht lebensgefährlicher Natur sein. Todt sind der 68 Jahre alte Arbeiter Eduard Schulz, Ackerstraße 132, der 25jährige Reinhold Gohlke aus Charlottenburg, Nettelbeckstraße 24, der 34jährige Arbeiter Otto Schmidt, Krummestraße 26 zu Char⸗ lottenburg, der 46 Jahre alte Arbeiter von Kotzkorowsky aus der Birkenstraße 70 und der 21jährige Arbeiter Franz Brossart, Lehrterstraße 14/15. Die zerstreut umherliegenden Körpertheile wurden zusammengetragen und theils mit Decken, theils mit Kies überdeckt, um dadurch den vorüberfahrenden Reisenden den schaurigen Anhlick einigermaßen zu entziehen. Da der W“ zur Fortschaffung der Körpertheile nicht ausreichte, so wurde ein großer Möbelwagen zur Stelle geschafft. Auf diesem standen fünf Särge, in welche die Opfer der Katastrophe gebettet wurden. Etwa um 9 Uhr setzte sich der Zug nach dem Friedhof in Westend in Bewegung, wo die Särge in der Leichenhalle vorläufig Aufstellung fanden. Eine genaue Untersuchung ist bereits eingeleitet. — Wie das Königliche Eisenbahn⸗Betriebsamt (Stadt⸗ und Ringbahn) der „N. A. Z.“ mittheilt, ist das Unglück dadurch herbeigeführt, daß die Arbeiter dem von Charlottenburg um 7 Uhr 11 Minuten abgefahrenen Zug AI. auf Ferngleis Charlotten⸗ burg — Zoologischer Garten ausgewichen und bestimmungswidrig statt nach der Bahnkante in das Stadtgleis Charlottenburg — Zoologischer Garten übergetreten sind. Infolge des Dampfes der Maschine haben sie den auf diesem Gleise von Charlottenburg kom⸗ menden Südringzug 1215 nicht rechtzeitig wahrgenommen und wurden von ihm überfahren. Die Untersuchung ist indeß noch nicht abgeschlossen, und es steht noch nicht fest, ob auch einem Dritten eine Schuld beizumessen ist. Der Staatsanwaltschaft beim Landgericht II ist Anzeige erstattet. Wie ein Berichterstatter dem⸗ selben Blatt meldet, spielten sich vor dem Charlottenburger Leichen⸗ schauhause gestern Mittag ergreifende Scenen ab. Die Angehörigen der Verunglückten waren hier erschienen, um ihre Männer bezw. Väter zu rekognoszieren. Dies war durch die entsetzliche Verstümme⸗ lung der Leichen nahezu unmöglich und konnte nur durch einzelne Theile von Kleidungsstücken überhaupt noch bewerkstelligt werden. Auf den Antrag der Direktion der Berliner Pferde⸗Eisenbahn⸗ gesellschaft (J. Lestmann u. Comp. in Charlottenburg) hat die städtische Bau⸗Deputation in ihrer jüngsten Sitzung beschlossen, bei den Gemeindebehörden die grundsätzliche Zustimmung zu dem von der Gesellschaft vorgelegten Projekt zum Bau einer neuen Pferde⸗ bahnlinie von der Paulstraße über die Luther⸗Brücke durch die Bellevue⸗Allee, über den Kemperplatz durch die Bellevuestraße, über den Potsdamerplatz, durch die Königgrätzerstraße (unter Benutzung der Gleise der G Berliner Pferde⸗Eisenbahngesellschaft) und Zimmer⸗ straße bis zu ihrem Endpunkte an der Lindenstraße zu beantragen.
In der Urania wird morgen, Abends 7 ½ Uhr, Herr Geheimer Regierungs⸗Rath, Professor Dr. W. Foerster, Direktor der Berliner
*
Sternwarte, seinen im Abonnements⸗Zyklus hervorragender Gelehrten gehaltenen Vortrag über „Die Bewohnbarkeit der Himmelskörper“ wiederholen. Am Donnerstag Abend hält Herr P. Spies zu
ersten Mal den seit längerer Zeit vorbereiteten Experimental⸗Vortrag
„Ueber die magnetische Kraft“.
Im Verlag von Alexius Kießling in Berlin SW., Kleinbeeren straße 26, erschien soeben in 7. Auflage: Kießling’s Neue e Plan von Berlin und den nächstgelegenen Ortschaften in
aßstabe 1: 15 000, mit Angabe der Weichbildgrenze, des Bebauungs plans, der Straßen⸗ und Häusernumerierung, der Postbezirke, de vollständigen Pferdeeisenbahn⸗ und Dampfbahnnetzes, sowie der Stadt und Ringbahn⸗Linie, nach amtlichen Mittheilungen. In sauberen fünffarbigen Druck und kartonniert 2 ℳ, elegant gebunden 2 ½ ℳ, au Leinwand gezogen und gebunden 4 ℳ, vierfarbig kartonniert 1 ½ ℳ dreifarbig kartonniert 1 ℳ. — Diese neue Auflage des Kießling'schen Plans ist bis auf die neueste Zeit berichtigt und ergänzt worden und zeichnet sich durch große Uebersichtlichkeit und geschmackvollen Farben druck vortheikhaft aus. .
Posen. Die unmittelbar an die Stadt Posen grenzende Land⸗ gemeinde Jersitz mit einer Einwohnerzahl von 11 700 Seelen hat seit dem 1. Dezember 1893 eine bisher vorzüglich funktionierende Straßenbeleuchtung eingerichtet. Ihrem Beispiel ist die Ge⸗ meinde St. Lazarus, gleichfalls ein Vorort Posens, gefolgt, welche in wenigen Wochen eine öffentliche elektrische Beleuchtung, verbunden mit einer Quellwasser⸗Hochleitung, eröffnen wird. Eine gleiche kom⸗ binierte Anlage wird in dem dritten Vororte Posens, der Landgemeinde
Wilna geplant.
Köln, 5. März. Wie der „Köln. Ztg.“ aus Trier gemeldet wird, ist der Kommandeur der 16. Kavallerie⸗Brigade, Oberst von
Voigt auf dem Euerner Exerzierplatz mit dem Pferde gestürzt und
hat sich dabei schwere Verletzungen zugezogen.
Bochum, 6. März. saach einer Meldung der Rhein⸗ Westf. Ztg.“ wurden in der Nacht vom Sonntag zum Montag an verschiedenen Stellen der Stadt Dynamit⸗Attentate verübt. Der Urheber ist in der Person eines 25 jährigen, aus Düssel⸗ dorf gebürtigen, seit längerer Zeit von einer bena barten Zeche ent⸗ lassenen Bergmanns entdeckt worden, welcher bei seiner Verhaftung noch acht schußfertige Dynamitpatronen in der Tasche trug. Eine weitere Mittheilung des „W. T. B.“ besagt: Im ganzen sind sieben Dynamitpatronen aufgefunden worden. Als Thäter ist gestern Abend der Bergmann Pfeiffer aus Düsseldorf verhaftet worden. Dieser ha auf der Zeche „Carolinenglück“, woselbst er früher begg. war 37 Dynamitpatronen entwendet. Er gestand ein, seine eigentliche Absicht se gewesen, das neue Landrathsamt in die Luft zu sprengen. Außer au dem Flur des Landrathsamts wurde auch vor der Wohnung des Polizeisergeanten Bennewitz eine Dynamitpatrone zur Explosion gebracht, wodurch mehrere Fensterscheiben zertrümmert wurden. Ferner wurden an der Treppe des Rathhauskellers und vor dem katholischen Waisenhause je eine, im Briefkasten des Postgebäudes zwei aufgefunden. — Wie dem „Bochumer Anzeiger mitgetheilt wird, soll in der vergangenen Nacht auch in Hamme eine Explosion stattgefunden haben.
Leipzig. Der Verband der Elektrotechniker Deutsch lands wird seine zweite ordentliche Jahresversammlung in der Zei vom 8. bis 10. Juni in Leipzig abhalten. Die Tagesordnung wir demnächst bekannt gemacht; es wird jedoch schon jetzt mitgetheilt, daß Herr Gisbert Kapp, der bekannte Elektrotechniker, welcher zur Zei in England lebt und als General⸗Sekretär des Verbandes in Aus sicht genommen ist, einen Vortrag halten wird. Die Leipziger Elektrotechnische Gesellschaft und der Leipziger Elektrotechnische Vere ind zu einem Festausschuß zusammengetreten, der das Festprogramm in nächster Zeit veröffentlichen wird.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)
Wetterbe
e. 8 ——
8
icht vom 6. März,
Morgens.
1
Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressp. —
red. in Millim. S
Temperatur in 0 Celsius 50 C. = 40R.
Belmullet.. Aberdeen .. Christiansund Kopenhagen. Stockholm . 1 .
t. Petersbg. Moskau ...
758 739 742² 748 752 756 760 760
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heiter
Cork, Queens⸗ town.. Cherbourg
winemünde Neufahrwasser Memel ...
Pi 1““ “ Karlsruhe .. Wiesbaden. München .. Chemnitz .. Berlin .... “ Breslau ... Ile d'Aix .. 875 ö Frest . ¹) Dunst. Regen.
766 v
4) Nachts 6) Gestern Graupeln.
759 758 749 745 749 753 756 754 761 753 762 759 763 759 756 765 771
763 764
²) Nachts Regen. Regen. 2 Nachts h
Regen und Graupeln.
Uebersicht der Witterung.
Ein tiefes barometrisches Minimum von 735 mm, ostwärts fortschreitend, liegt über der nördlichen Nordsee und veranlaßt stürmische westliche und nordwestliche Winde über den Britischen Inseln und stark auffrischende und südwestliche Winde im vestlichen Deutsch über 770 mm, ist der Luftdruck über Südwest⸗ rankreich. In Deutschland ist bei ziemlich starker uftbewegung aus vorwiegend südlicher und südwest⸗ licher Richtung das Wetter trübe, regnerisch und durchschnittlich etwas kälter; am meisten Regen ist in den nordwestlichen Gebietstheilen gefallen; im Binnenlande fanden vielfach Nachtfröste statt. Im nordwestlichen und zentralen Rußland ist wieder Kälte eingetreten;
ziemlich strenge — 28 ½ Grad
wolkig Regen halb bed. bedeckt2) bedeckt bedeckt³²) wolkig¹) bedeckt bedeckt Regen bedecki6) bedeckt?) heiter bedeckt Schnees) wolkenlos wolkig bedeckt wolkenlos bedeckt
³) Nachmittags Schnee. 8) Gestern
— —8 ObobeE SD S
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ASSIö–e*=eS=I=2
O.
7) Früh Schnee.
etwa
and. Am höchsten,
rchangelsk meldet
Theater⸗Anzeigen.
Königliche Schanspiele. Mittwoch: Opern⸗ haus. 59. Vorstellung. Die Medici. Historische e in 4 Akten, Dichtung und Musik von R. Leoncavallo. Uebersetzung von Emil Taubert. Tanz von Emil Graeb. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Sucher. Anfang 7 ½ Uhr.
Schauspielhaus. 66. Vorstellung. Neu einstudiert: Die Hermannsschlacht. Ein Drama in 5 Auf⸗ zügen von Heinrich von Kleist. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 ½ Uhr.
Donnerstag: Opernhaus. 60. Vorstellung. In deutscher Sprache. Falstaff. Lyrische Komödie in 3 Akten von e Verdi. Text von Arrigo Boito, deutsch von Max Kalbeck. — Slavische Brautwerbung. Tanzbild von Emil Graeb. Musik komponiert und arrangiert von P. Hertel. Anfang 7 ½ Uhr.
Schauspielhaus. 67. Vorstellung. Faust von Wolfgang von Goethe. Der Tragödie erster Theil. Die zur Sbhs gehörende Musik von Anton G adziwill und von Peter Joseph von indpaintner. Anfang 7 Uhr.
Deutsches Theater. Mittwoch: Zum 50. M. Der Herr Senator. Anfang 7 ½ Uhr. Donnerstag: Der Herr Senator.
Freitag: Der Talisman.
Berliner Theater. Mittwoch:
Narziß.
Anfang 7 ½ Uhr.
Donnerstag: Ein Tropfen Gift. 1 Freitag: 28. Abonnements⸗Vorstellung. König Richard III. (Ludwig Barnay.)
Lessing⸗Theater. Mittwoch u. folgende Tage: Madame Sans⸗Gene.
Wallner-Theater. Mittwoch: Maner⸗ blümchen. (Letzte Wiederholung).
Friedrich Wilhelmstüdtisches Theater. Chausseestraße 25.
Mittwoch: Brautjagd. Operette in 3 Akten von Hermann Hirschel. Musik von Franz von Suppé. . Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent:
eerr Kapellmeister Federmann. Anfang 7 ½ Uhr.
Donnerstag: Brautjagd.
Residenz⸗-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg. Mittwoch: Zum 16. Male. Der Masken⸗ ball (Veglione). Schwank in drei Akten von Alexandre Bisson und Albert Caré. Deutsch von Benno Jacobson. Regie: Hermann Haack. —
Deutsche Seewarte.
Vorher: Vermischte Anzeigen. Schwank in
[1 Akt, nach dem Französischen des R. Dreyfuß, von Marximilian Bern.
Anfang 7 ½ Uhr. Donnerstag und folg. Tage: Dieselbe Vorstellung.
Neues Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg. Mittwoch: Z. 21. Male. A Basso Porto. Scenen aus dem neapolitan. Volksleben in 3 Akten von Goffredo Cognetti. Deutsch von Emil Dürer. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. — Vorher: Lolotte. Schwank in 1 Akt von H. Meilhac und Ludwig Halevy. Deutsch von Josef Grünstein.
Anfang 7 ½ Uhr. Donnerstag: Zum 1. Male. Marguerite Bernard.
Schauspiel in 4 Akten von Fred. Carmon. Deutsch von Paul Block. h
Niktoria-Thegter. Belle⸗Alliancestraße 78. Mittwoch: Mit vollständig neuer Ausstattung. Der Südstern. Ausstattungsstück mit Gesang und großem Ballet. Anfang 7 ½ Uhr.
Theater Unter den Linden. Mittwoch: Der Obersteiger. Anfang 7 ½ Uhr.
Adoluh Ernst⸗Theater. Auf Wunsch Seiner
Königlichen Hoheit des Herzogs Alfred von Sachsen⸗
Coburg⸗Gotha findet am Mittwoch eine Aufführung
von Charley’s Tante mit den Mitgliedern des
Adolph Ernst⸗Theaters im Hof⸗Theater zu Gotha statt. Die Vorstellung fällt daher an diesem Tage hier aus.
Der Billet⸗Vorverkauf zu den nächstfolgenden Tagen findet ununterbrochen von Vormittags 10 Uhr ab an der Theaterkasse statt.
Donnerstag: Charley’s Tante. Vorher: Die Bajazzix. 1
Bentral-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Mittwoch: Zum 2. Male. Novität! Ein ge⸗ sunder Junge. Posse mit Gesang und Tanz von Jean Kren. Musik von Julius Einödshofer. An⸗ fang 7 ½ Uhr.
Donnerstag: Ein gesunder Junge.
Konzerte.
8
6
Konzert-Ha Konzert. Ouv. „Der schwarze Domino“ von Auber. „Santa Chiara“ von L. H. z. S. „Frau Meisterin“ von Suppé. „Unser Liebling“, Walzer von Loepke. Polonaise von Stör. Phantasie aus „Der Prophet“ von Meyerbeer. I. Ung. Rhapsodie f. d. Violine von Hauser (Herr Neumann). „Deine blauen Augen“
für Piston von Bohm (Herr Werner
Berlin: —
ns6⁰. Mittwoch: Karl Meyder⸗
Sing-Akademie. Mittwoch, Abends 7 ½ Uhr: III. Abonnements⸗Konzert. Flor. Zajic u. Heinr. Grünfeld, unter güt. Mitwirkung der Konzertsängerin Fräulein Clara Polscher aus Leipzig.
Zirkus Renz (Karlstraße). Mittwoch, Abends 7 ¼ Uhr: Auf auf zur fröhlichen Jagd. Par⸗ forece⸗ und Kaskadenritt. Ballet von 100 Damen. Meute von 40 Hunden. Außerdem: der dfterecgec⸗ Hengst Blondel, vorgeführt von Herrn R. Renz; Mikado und der Steiger Solon, geritten von Frau Renz⸗Stark; das Schulpferd Kandelaber, geritten von Herrn Ernst Renz; die ikarischen Spiele in der Luft, ausgeführt von der Troupe Daineff; die hervorragenden Handakrobaten Gebr. Detroit; Mr. Lavater Lee ꝛc. 1 3
Donnerstag: Auf auf zur fröhlichen Jagd.
˙˙—˙,,‧, Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Margot Becker mit Hrn. Lieut. Alfred Schroeder (Stralsund). — Frl. Käthe Hoppenrath mit Hrn. A8 Georg Fritze (Lankow —Dammen, Kreis Stolp). — Frl. Gertrud von Heineccius mit Hrn. Prem.⸗Lieut. Ludwig Holtz (Rastatt).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Grafen von Schwerin (Potsdam). — Eine Tochter: Hrn. Ritter⸗ gutsbesitzer Bernhard Frhrn. von Minnigerode (Silkerode⸗Allerberg). — Hrn. Gymnasiallehrer Dr. F. Schwarz (Rostock).
Gestorben: Hr. Ober⸗Regierungs⸗Rath a. D. Wilhelm Dietlein (Wiesbaden). — Hrn. von Weiher⸗Gr. Boschpol Sohn Georg (Hohenhonnef am Rhein). — Hr. Superintendent Hermann Schrecker (Seehausen i. A.). — Fr. Auguste von Engelbrecht, geb. von Vietsch (Düsseldorf). — Hr. Lieut. a. D. Georg von Livonius (Goldau). — Hr. Ober⸗Forstmeister Matthias Karl August Friedrich Wellenberg (Marienwerder). — Hr. Lieut. a. D. Oscar von Kleist (Görlitz). — Hr. Oberst⸗ Lieut. z. D. Carl Ludwig Friese (Königsberg i. Pr.).
Redakteur: Dr. H. Klee, Direktor.
Verlag der Expedition (Scholz).
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlogs⸗
Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.
Acht Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage),
lichen Anzeigers (Kommanditgesellschaften auf
Aktien und Aktiengesellschaften) für die Woche Februar bis 3. März 1894.
sowie die Inhaltsangabe zu Nr. 6 des öffent⸗
auch zur Geltung bringen
Er ste Beilage 8. s⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Dienstag, den 6. März
63. Sitzung vom Montag, 5. März
Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits in der Nummer vom Montag berichtet . vX Hie 1 be kurz erwähnte Rede, mit welcher der Königlich preußische Kriegs⸗Minister Bronsart von Schellendorff, bei Fortsetzung der zweiten Berathung des Militär⸗Etats, über das Kapitel „Militär⸗Justiz⸗ wesen“ auf die Ausführungen der Abgg. Bebel und Lenz⸗ mann vom Sonnabend antwortete, hat folgenden Wortlaut.
Königlich preußischer Bevollmächtigter sr Kriegs⸗Minister schs rt von Eürchtühker zun 8 1“u“
Meine Herren! Ich habe nach der persönlichen Bemerkung des Herrn Abg. Lenzmann am Sonnabend nicht wieder das Wort er⸗ beten, um nicht die Diskussion von neuem zu eröffnen. Ich hatte den Eindruck, daß das hohe Haus befriedigt war, und ich war es auch. Ich benutze diese Gelegenheit, die erste, die sich mir bietet, um dem Herrn Abg. Lenzmann es auszudrücken, daß ich nicht im ent⸗ ferntesten die Absicht hatte, ihn irgendwie zu kränken. Ich thue das um so lieber, als er mir selbst in liebenswürdigster Weise zu er⸗ kennen gab, daß auch seinerseits nicht im entferntesten daran gedacht war, mir irgend etwas Böses sagen zu wollen.
Ich bemerke nur beiläufig: Die Tonart in Moll ist mir lieber als die in Dur, weil ich in ersterer immer den Eindruck habe, mich leichter mit jemand in ernsten Dingen verständigen zu können. Ich
habe das namentlich in der Kommission erfahren, da ist es mir allerdings auch passiert, daß ich erfahren mußte, daß man selbst mit den sanftesten Mollaccorden einem Fraktionsbeschluß gegenüber machtlos ist. Das ficht mich aber nicht an.
Ich komme nun zunächst zurück auf den Rest der Rede des Herrn Abg. Bebel und ich muß da noch einmal eingehen auf den Fall Kirchhoff, den ich eingehend bereits beleuchtet habe.
Zunächst, meine Herren, ist am Sonnabend unmittelbar nach der Sitzung hier im Hause die Frage aufgeworfen: Wie ist es denn überhaupt möglich gewesen, daß eine solche Notiz, wie sie im „Berliner Tageblatt“ stand, überhaupt darin erscheinen konnte? Die Antwort ist sehr einfach zu geben: Ein erbärmlicher Mensch, der
sich auch andere Verfehlungen hatte zu Schulden kommen lassen, er⸗ fand die Geschichte und verbreitete sie in seinen Kreisen. Da kam sie auch an das „Berliner Tageblatt“. Hinterher hat der Mann vor Gericht einfach eingestanden, daß er die ganze Geschichte erfunden, daß sie erlogen und erstunken war. (Hört, hört!) Das ist doch empörend, meine Herren, und da werden Sie sich doch nicht darüber wundern, wenn ich einmal erregt bin. Wenn der Herr Abg. Bebel z. B. sagt, ich lasse es dahingestellt, ob es wahr oder nicht wahr ist — der Herr Abg. Bebel hat es nicht gewußt, und nun er es weiß, wird er es auch wohl nicht mehr sagen. Aber ich sage nur, wenn ich einmal erregt bin, können sich die Herren nicht darüber wundern.
Der Herr Abgeordnete hat es dann abfällig kritisiert, daß von Allerhöchster Stelle dem General Kirchhoff mildernde Umstände zuge⸗ billigt sind. Meine Herren, das Recht der Begnadigung und der Ver⸗ leihung von Dekorationen ist ein souveränes Recht Seiner Majestät des Königs von Preußen, über das hier im hohen Hause keine Kontrole geübt werden darf. Wenn es trotzdem geschieht, wenn unter dem Schutz der Redefreiheit darüber gesprochen wird, meine Herren, dann protestiere ch dagegen, als gegen einen Eingriff in die Rechte der Krone Preußens. Bravo! rechts.) Meine Herren, man beruft sich sehr oft auf die öffentliche Meinung; ich berufe mich auf das öffentliche Gewissen. Ich behaupte, daß in diesem Prozeß, wenn er vor einem Geschworenen⸗ gerichte verhandelt wäre, der Herr General Kirchhoff freigesprochen wäre (sehr richtig! rechts), und ganz sicher, wenn er die Freude gehabt hätte, vertheidigt zu werden, z. B. von dem Herrn Abg. Träger oder dem Herrn Abg. Munckel, — dann wäre er zweifellos freigesprochen worden. (Heiterkeit rechts, Unruhe links.) Meine Herren, wir durften das garnicht. Er ist nach Gesetz und Recht verurtheilt, und darum bitte ich Sie, meine Herren, schelten Sie nicht zu viel auf unser allerdings reformbedürf⸗ tiges Verfahren. Vor allen Dingen bitte ich Sie, meine Herren von der sozialdemokratischen Seite, tasten Sie nicht das Recht der Krone an, Gnade zu üben! Sie können garnicht wissen, meine Herren, ob Sie es nicht selbst dermaleinst dankbar empfinden werden, wenn dann das Recht der Krone, Gnade zu üben, noch besteht. (Lebhafte
Bewegung. Bravo! rechts.) Der Herr Abg. Bebel ist nachher in seiner Rede zurückgekommen auf die Militär⸗Strafprozeßordnung. Er hat gesagt — das war ungefähr der Sinn seiner Worte — der gute; Eindruck, den ich bisher auf ihn gemacht hätte, wäre durch meine Aeußerungen über den Gegenstand erschüttert. Nun, meine Herren, ich muß Trost in der Erkenntniß suchen, daß einige von den Herren wieder mit meinen Aeußerungen zufrieden gewesen sind. (Bravo! rechts.) Es Allen recht zu machen, das betrachte ich auch nicht als meine Aufgabe; der Eine oder Andere wird doch nicht zufrieden sein. Dann hat der Herr Abg. Bebel sich auch verbreitet über das Beschwerderecht; da verwahre ich mich vorweg dagegen, daß, wenn das Beschwerderecht geändert werden sollte, und etwa gar in nächster Zeit, es dann nicht geschieht auf Anregung des Herrn Abg. Bebel. Derselbe nimmt einen Standpunkt ein, auf den ich mich nicht stellen, selbst nicht einmal vorübergehend stellen kann. Er nimmt an, daß die Soldaten, welche Zeugen einer Mißhandlung gewesen seien, vor Gericht die Wahrheit verschweigen und die Unwahrheit sagen werden aus Furcht, nachher es eingetränkt zu bekommen. Meine Herren T 8 einen Meineid leisten; der Herr Abg. Bebel, sage „ kennt unsere Einrichtungen wieder ni . liebe unserer Soldaten. 8 vII1XA“ Ueber die Frage, wie jemand, wenn er sich mißhandelt fühlt. sich zu verhalten hat, hat der Herr Abg. Bebel auch unrichtige An⸗ gaben oder wenigstens Angaben gemacht, bei denen er sich irrt. Es steht dem Mann frei, sich zu beschweren; er kann die Beschwerde Aber das ist doch ein seh
schied, wenn Sie sagen: der Mann wird bestraft, sowie er sich beschwert, und er wird bestraft, wenn er sich nicht beschwert! — Ja, Heer Bebel, Sie haben es so ausgedrückt; Sie haben gesagt, wenn er sich nicht beschwert wegen erlittener Mißhandlungen, so wird er bestraft, und er wird auch im anderen Falle bestraft, wenn er sich be⸗ schwert; denn bei den erlittenen Mißhandlungen, meint er, passiert es jedesmal, daß die Sache so und so hingestellt wird, die Zeugen sagen falsch aus; schließlich ist der Kläger derjenige, der verurtheilt wird, weil er die Unwahrheit gesagt hat. Ich will auf die Sache jetzt nicht weiter eingehen; ich komme vielleicht darauf noch einmal zurück.
Der Herr Abgeordnete hat sodann die Frage der Mißhand⸗ lungen besprochen und eine ganze Reihe Fälle angeführt. Diese Mißhandlungen werden nicht ressortmäßig im Kriegs⸗Ministerium erledigt, sondern bei den Kommandobehörden und den ordentlichen Gerichten; der Herr Abgeordnete kann nicht von mir verlangen, daß ich mir bereits sämmtliche Akten darüber hätte kommen lassen, um sie darauf hin zu studieren, in wie weit die Angaben, die er hier gemacht hat, richtig, übertrieben oder entstellt sind; natürlich nicht vom Herrn Abg. Bebel, sondern von denen, die ihn mit den Nachrichten versehen haben. Ja, meine Herren, ich kann mir von der Erörterung solcher Spezialfälle hier überhaupt keinen Nutzen versprechen. (Sehr richtig! rechts.) Ich will das auch gleich an einem Beispiel erläutern. Nehmen Sie z. B. den Fall Frey. Der Herr Abg. Bebel hat selbst am Sonnabend in sehr dankenswerther Weise erklärt, daß er sich geirrt hat. Ich finde aber doch, daß diese Erklärung etwas spät abgegeben ist. (Sehr richtig! rechts.) Der Hauptmann Frey war durch die Darlegung des Herrn Abg. Bebel doch sehr schwer angegriffen. Nun bin ich ganz fest davon überzeugt, daß im gewöhnlichen Leben der Abg. Bebel, der für Höflichkeit ein so feines Verständniß hat, jeden, dem er unabsichtlich weh gethan hat, sofort um Verzeihung bitten würde. Ich habe nicht erfahren, daß er dies dem Herrn Hauptmann Frey gegenüber gethan hätte. Der Herr Abg. Bebel hat nachher hier er⸗ klärt, daß es sich bei der ganzen Sache um ein Mißverständniß handelt. Er hat gesagt, er sei mystifiziert. „Mystifiziert“ finde ich eigentlich sehr zart ausgedrückt; denn, wenn jemand eine Mittheilung bekommt, wie sie Herr Abg. Bebel von einem Schreiber erhielt, wenn jemand darin nicht bloß die Unwahrheit schreibt, sondern einen ehrenwerthen Offizier auf das allerschwerste verleumdet, dann, glaube ich, könnte man sich auch anders ausdrücken und auf gut deutsch sagen: „gröblich belogen“; aber ich will zugeben, man kann auch sagen „mystifiziert“. (Heiterkeit.) Nun habe ich hier vor mir den steno⸗ graphischen Bericht und auch die Aussagen des Herrn Abg. Bebel vor Gericht. Da hat nun der Herr Abg. Bebel hier gesagt:
Im übrigen muß ich bemerken, daß die Thatsachen wohl nach den Militärakten sich so darstellen, wie sie der Herr Kriegs⸗ Minister angab, daß aber nach den Mittheilungen, die darüber in die Oeffentlichkeit durch die Zeitungen gelangt sind, und nach den Nachrichten, die mir von Personen zugegangen sind, die an den Vorgängen direkt betheiligt waren, die Sache sich wesentlich anders darstellt.
In der Aussage, die Herr Abg. Bebel später vor Gericht machte, lauten die Worte etwas anders; kurz, es deckt sich nicht ganz genau, was hier im Reichstag gesprochen wurde und was er später sagte. Ich brauche die Aussagen wohl nicht vorzulesen; es ist auch vollständig ausreichend, daß der Herr Abgeordnete erklärt, es hat ein Mißverständniß seinerseits vorgelegen, und er hat nicht sagen wollen, was er wirklich gesagt hat, und das finde ich in der Hitze der Debatte begreiflich und erklärlich. Ich frage nur: wer hat von dieser Erörterung des ganzen Falles einen Nutzen ge⸗ habt? 1) Das hohe Haus hat sich am 10. und 21. März v. J. Wund am 3. März d. J., sowie am heutigen Tage mit der Sache beschäftigt. Ich hoffe, für diese Session ist die Sache erledigt. 2) Der Hauptmann Frey ist sehr schwer verleumdet und angegriffen worden. Die Mittheilung hat in tausend Blättern gestanden, sie ist
und ein großer Theil hat es geglaubt, jedenfalls bis zum Sonnabend⸗ glaubt es aber vielleicht auch heute noch. Angenehm ist das für den Offizier nicht gewesen. Mein Herr Amtsvorgänger, der General von Kaltenborn, hat es hinnehmen müssen, daß seine amtlichen Angaben angezweifelt wurden. Lieb wird es ihm auch nicht gewesen sein ⸗ Der Herr Abg. Bebel hat die ganze Sache zurückgenommen, angenehm wird es ihm ebenfalls nicht gewesen sein, und ich, meine Herren, ich muß die ganze Geschichte hier zu Ende führen. Vergnügen habe ich auch nicht davon. (Heiterkeit. Sehr gut! rechts.) Nun frage ich die Herren ganz höflich: wer hat denn Nutzen von der Sache ge⸗ habt? Niemand! Das hohe Haus, der Hauptmann Frey, der frühere Kriegs⸗Minister? Der Herr Abg. Bebel und ich, wir haben die Geschichte ausbaden müssen.
Nun muß ich sagen, bei den Mißhandlungen kann es sich doch wirklich nur darum handeln, zu fragen, wie denkt die Militärver⸗ waltung darüber. Es handelt sich hier um Verbrechen und Ver⸗ gehen, die auch anderwärts bestraft werden, die man zu vermeiden und abzuwenden sucht. Da kann ich nur sagen, daß die höheren Kommandobehörden und ich persönlich nicht nur, sondern auch alle unsere Offiziere auf dem Standpunkt stehen, daß die Mißhandlungen auf das allerschärfste zu verurtheilen sind. Denn der Mißhandelte ist immer ein Wehrloser; wir bestrafen deshalb auch die Mißhand⸗ lungen strenger, als es in analogen Fällen von den Zivilgerichten geschieht, und wir verschärfen diese Strafen noch durch eine ganze An⸗ zahl von Disziplinarmaßregeln, unter denen neuerdings die Beseitigung des Angeschuldigten mit die gebrauchteste ist. Das ist unter Umständen eine sehr harte Strafe, denn der Betreffende verliert gleichzeitig die partiell bereits erworbenen Ansprüche auf Zivilversorgung. Das ist uns aber ganz gleichgültig, wir wollen die Mißhandlungen ausrotten, denn Seine Majestät befiehlt es und da weedea wir es auch thun. Es ist ja richtig, die Zahl der Mißhandelten ist immer noch für mein Ge⸗ fühl eine viel zu große; aber ich will doch einige Zahlen anführen,
daß die Bestrebungen, dem
von Hunderttausenden von Lesern gelesen und weiter verbreitet; ja,
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Uebel zu steuern, nicht ganz ohne Erfolg geblieben sind. Wir haben im Jahre 1830 nach Prozenten 1,41, 1891 1,28, 1892 1,28, 1893 1,14. Es ist also ein stetes Fallen doch wahrzunehmen. Nun, meine Herren, aus dieser erfreulichen Thatsache glaube ich doch den Schluß ziehen zu dürfen, daß es uns möglich sein wird, die Zahl weiter herabzudrücken. Daß wir auf Null kommen werden, das kann ich natürlich nicht verbürgen. Ich würde aber die Garantie dafür übernehmen, wenn einer von den Herren mir ein Mittel angeben könnte, wie man den Gefreiten vor der Beförderung zum Unteroffizier daraufhin prüfen könnte, ob er befähigt ist, bei der Verwendung in diesem Verhältniß Mißbrauch von seiner Gewalt zu machen. Meine Herren, wer das Mittel erfände, würde in kurzer Zeit ein reicher Mann werden; es würde in den ersten drei Tagen vergriffen sein, namentlich unsere Kompagnie⸗ Schwadrons⸗ und Batteriechefs würden sich darum reißen, denn gerade diese Herren leiden am meisten darunter und empfinden es am schmerzlichsten, wenn sie sich in der Wahl einer Person getäuscht haben. Bedenken Sie, meine Herren, daß es sehr viele Menschen giebt, deren angeborene oder anerzogene Rohheit, deren gewaltthätiger Sinn lange verborgen bleibt und immer erst zum Ausdruck kommt wenn ihre Rechte und Freiheiten vermehrt werden. (Lebhafte 8 stimmung rechts.) Das müssen Sie bedenken und das werden die Herren selbst schon erfahren haben bei anderen Gelegenheiten. Uebrigens war es mir so, als ob der Herr Abg. Bebel dem Gedanken Aus⸗ druck geben wollte — ich kann mich in der Beziehung aber geirrt haben, dann bitte ich um Entschuldigung —, als gäbe es immer noch Einige, die den Unteroffizieren vorgesetzt sind, die annehmen, daß die Mißhandlung ein legitimes Ausbildungsmittel sei. Meine Herren, das würde gegen die gesunde Logik, gegen den Menschenverstand verstoßen. Wir verfolgen bei der Ausbildung nicht nur das Ziel, den Mann technisch zum guten Schützen, zum guten Reiter auszubilden, sondern auch zum ehr⸗ liebenden braven Soldaten zu machen, und wenn er diese guten Eigen⸗ schaften mitbringt, wollen wir diese im Soldatenstande noch weiter fördern. Wir verlangen von dem Soldaten, daß er wirklich bereit sei jeden Augenblick das Leben zu lassen für König und Vaterland, bem Vorgesetzten überall zu folgen und ihn nicht zu verlassen in Noth und Gefahr, stets bestrebt zu bleiben, dem Feinde immer nur das Weiße vom Auge und nie den Rücken zu zeigen; er soll unentwegt und fest bleiben gegenüber den Verlockungen derer, die die bestehende Gesellschaftsordnung beseitigen, Thron und Vaterland umstoßen wollen (Beifall rechts); er soll fest und unentwegt bleiben gegenüber den Verlockungen, namentlich einer Partei, natürlich außerhalb des Hauses die sich nicht entblödet, den Soldaten zum Bruch des Fahneneides aufzufordern. Diesen Forderungen entsprechen und diesen Verlockungen widerstehen nur ehrliebende Soldaten. Wir würden gegen uns selbst wirken, wenn wir nicht danach trachteten, ehrliebende Soldaten zu erziehen. Nur verkommene, heruntergekommene Soldaten, auch “ Mißhandlung vielleicht das Ehrgefühl ausgetrieben ist, fallen jener Partei in die Hände, von der i f
habe. (Sehr richtig! rechts.) 8
Nun, meine Herren, ich will die Armee gar nicht mit einer Werkstatt oder Fabrik oder irgend einem anderen Betriebe vergleichen; aber das werden mir die Herren von der Sozialdemokratie, die das praktische Leben nach dieser Richtung hin kennen, zugeben: kommt es dort nicht auch vor, daß Leute, die die Gewalt haben, Mißbrauch da⸗ mit treiben? (Sehr richtig! rechts.) Das ist zwar aufs äußerste zu beklagen. Wir wollen es jedoch ändern und werden es ändern, und die Mißhandlungen werden in der Armee zurückgehen; und das ist die Hauptsache.
Außerdem bedenken Sie und vergessen Sie nicht, daß wir auch gewisse Schwierigkeiten zu bekämpfen haben, die Ihnen vielleicht un⸗ bekannt sind. Ich möchte nur hinweisen auf ein paar Zahlen ich meine die Verrohungsstatistik. Wir sind seit dem Jahre 1882 bis 1890 in Bezug auf einfache Körperverletzung — immer auf 100 000 der Bevölkerung — von 36 auf 44 gestiegen; wir sind in Bezug auf gefährliche Körperverletzungen von 84 bis auf 124 ge⸗ stiegen und, was Sachbeschädigung anbetrifft, von 25 auf 28. Ich fühle mich gar nicht berufen, hier zu erörtern, worauf diese Zu⸗ nahme der Verrohung zurückzuführen ist; aber ich möchte doch das Eine hervorheben: wir müssen mit diesen Zahlen im prozentualen Ver⸗ hältniß rechnen, auch bei dem jungen Zuwachs, den wir alljährlich be⸗ kommen und aus dem wir nur wählen können.
Dann hat schließlich der Herr Abg. Bebel sich noch über die Selbstmorde verbreitet und diese in Verbindung mit der Soldaten⸗ mißhandlung gebracht. Ja, nen ist diese Behauptung nicht, und si ist namentlich häufig schon von sozialdemokratischer Seite aufgestell worden, aber irrthümlich.
Der Herr Abgeordnete hat sich bei der Gelegenheit auf die An
gaben einer Arbeit berufen, die kürzlich über die Selbstmorde in de
Armee erschien und, auf streng wissenschaftlichem Boden stehend, den Gegenstand auch vom ärztlichen Standpunkt aus beleuchtet und be
trachtet hat. Da ist es mir wirklich ein Räthsel, wie der Herr Abgeordnete die Schlüsse ziehen konnte, die er hier vortrug. Von dem Erscheinen der Broschüre an habe ich noch keinen Menschen gefunden, der nicht gerade das Gegentheil von dem gefolgert hätte, was der Herr Abgeordnete Bebel sagt. Er ist da, glaube ich, in einem Punkte in einem Irrthum. Er sagt: Euere Angaben sind falsch, total falsch; er sagt, wir hätten in den Angaben eigentlich eine wissentliche Täuschung publiziert. Ja, das finde ich nicht
schön. (Heiterkeit) Die Selbstmorde in der Armee werden ganz anders untersucht als die in der bürgerlichen Be⸗ völkerung; jeder Selbstmord wird gerichtlich genau unter⸗ sucht auf die Motive, die dem Selbstmord zu Grunde gelegen haben; es werden die Zeugen, das heißt die, welche Auskunft geben
können über die vermuthlichen Motive, gerichtlich vernommen, und es wird über jeden Fall ein Aktenstück angelegt. Das geht in das General⸗Auditoriat, welches die Sache eingehend prüft und, wenn noch irgend ein Zweifel ist, neue Erhebungen vornimmt. Nun weiß
ich nicht, wie der Herr Abg. Bebel da glaubt, daß wir dabei falsche