1894 / 59 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 09 Mar 1894 18:00:01 GMT) scan diff

auf das bereitwilligste entgegenkommt, wie es auch bisher der Fall gewesen ist.

Was zunächst die Vorbereitung katholischer Angehöriger der Marine am Tage vor der Ableistung des Eides in einer katholischen Kirche betrifft, so ist uns von marinekirchlicher Seite ein gleiches Bedürfniß noch nicht mitgetheilt worden. Wir haben also bis dahin noch keine Veranlassung gehabt, diesen Dingen näher zu treten. Ich kann hier nur konstatieren, daß die Vorbereitung der Leute auf das feierlichste in der Garnisonkirche in Kiel und Wilhelmshaven erfolgt, die freilich Simultankirchen sind. Was nun das zweite anlangt, so werden die katholischen Mannschaften in die Kirche geführt nach Maßgabe der Möglichkeit. Ich kann kon⸗ statieren, daß meines Wissens die katholischen Mannschaften öfter als alle vier Wochen in die Kirche geführt werden.

Hinsichtlich der Sorge für den Gottesdienst der an Bord der Schiffe eingeschifften Katholiken kann ich aus der Instruktion für die Kommandanten mittheilen, daß auf Schiffen, wo sich kein Pfarrer be⸗ findet, den Mannschaften so oft wie möglich Gelegenheit gegeben werden soll, die Kirchen ihrer Konfession zu besuchen. Dasselbe gilt natürlich auch für die Schiffe, auf denen ein evangelischer Pfarrer eingeschifft ist. Auch dort werden die katholischen Mannschaften, so oft sich die Gelegenheit bietet, des Sonntags in die Kirche geschickt. Es ist ja manchmal mit Schwierigkeiten verknüpft, wenn die Schiffe weit vom Lande abliegen; bei ungünstigem Wetter und sonstigen ungünstigen Verhältnissen ist eine Entsendung von Mannschaften natürlich nicht angängig. Aber wenn es irgend angeht, geschieht es, und die Kom⸗ mandanten haben ein sehr wesentliches Interesse daran, dieses kirch⸗ liche Bedürfniß der Mannschaften zu befriedigen.

Was den Religionsunterricht der katholischen Schiffsjungen betrifft, so ist es in der That bei der geringen Anzahl von Schiffsjungen es handelt sich um 65 auf zwei großen Schiffen nicht möglich, einen katholischen Pfarrer mit an Bord zu geben. Aber wir werden von seiten der Marineverwaltung alles thun, um der Anregung des Herrn Abgeordneten Lingens zu folgen, den Schiffsjungen während ihres Aufenthalts im Kieler Hafen seitens des katholischen Pfarrers Unter⸗ richt ertheilen zu lassen.

Hinsichtlich der Frage bezüglich der gemischten Ehen, so hat sie Herr Abgeordneter Lingens schon selbst beantwortet.

Abg. Dr. Müller⸗Sagan (frs. Volksp.) weist darauf hin, daß der „Reichs⸗Anzeiger“, ehe noch die Untersuchung abgeschlossen war, schon mit seinem Urtheil bei der Hand war; der Artikel hat aber, statt zu beruhigen, nur große Beunruhigung hervorgerufen; denn es chien so, als ob die Probefahrten dazu benutzt würden, um die

eistungsfähigkeit der Maschinen gleichsam an dem Schiffspersonal zu

erproben. Dazu ist uns das Leben jedes Schiffsjungen zu lieb. Der Staatssekretär hat ja auch erklärt, daß alle Theile geprüft werden, daß also die Erklärung des „Reichs⸗Anzeigers“ falsch war. Die Thatsache aber ist hseht worden, daß es an dem nöthigen Beaufsichtigungspersonal für Schiffsbauten gefehlt hat. Die Mehrheit der Kommission ist zu der Ueberzeugung ge⸗ kommen, daß es besser gewesen wäre, man hätte nicht so viel Schiffe zu gleicher Zeit gebaut. Ich will mein Urtheil über das Unglück auf der „Brandenburg“ bis zu beendeter Untersuchung zurückstellen, aber ich bitte auch, die Konsequenzen zu ziehen und die Neubauten der Marine so lange zurückzustellen.

Die Budgetkommission hat die Mehrforderungen für Bureaubeamte gestrichen; es werden dadurch im ganzen über

26 000 erspart.

Staatssekretär Hollmann: 1 Gestatten Sie mir, noch einige befürwortende Worte für diese

Forderung an Sie zu richten. Die Bewilligung dieses Personals ist für eine ordnungsmäßige Geschäftsführung im Ober⸗Kommando von größter Bedeutung. Es haben sich im letzten Jahre die Geschäfte dieser obersten Behörde sehr erweitert durch Admiralstabsarbeiten, die in einem Umfang in Angriff genommen sind, wie es früher nicht der Fall war, hauptsächlich infolge der in jedem Herbst stattfindenden Manöver. Die Erfahrungen aus diesen Manövern werden in der Admiralstabs⸗Abtheilung bearbeitet und verwerthet. Die Reichs⸗ Marineverwaltung hat ein großes Interesse daran, daß das Unter⸗ personal, welches zu diesem Zweck gefordert wird, nicht zum Abstrich kommt.

Das Haus tritt dem Kommissionsantrag bei.

Die Kapitel: Reichs⸗Marineamt, Seewarte, Stations⸗ Intendanturen, Rechtspflege und Seelsorge werden ohne Debatte bewilligt. Beim Kapitel: Geldverpflegung werden

1441 abgestrichen. ““

Beim Kapitel „Betrieb der Flotte“ sind folgende Abstriche von der Budgetkommission beantragt: 84 520 Fütagen, 330 310 für Schiffsverpflegung, 173 030 für

etriebsmaterialien und 5920 verschiedene Ausgaben, zu⸗ sammen 593 780

Abg. Richter (fr. Volksp.): Ich habe den Eindruck in der Kommission gehabt, daß das Zentrum in diesem Jahre der Marine gegenüber sich freigebiger erwiesen hat, als es in der Sache und bei der gegenwärtigen Finanzlage erechtfertigt ist. Ich muß daher im Plenum unseren Antrag aufnehmen, 1 Million mehr abzusetzen, als die Kommission Ihnen vorschlägt. Im ganzen betra⸗ gen die Kosten der Indienststellung in diesem Jahre 2 131 000 mehr als nach dem Etat des vorigen Jahres. Wenn wir also 1 500 000 absetzen, so ist dieser Etat immer noch 631 000 besser gestellt als der des vorigen Jahres. Der Abstrich des vorigen Jahres betrug 600 000 Es wird also durch unseren Antrag das⸗ jenige Maß von Indienststellung ermöglicht, das im laufenden Etats⸗ jahr von der Regierung gefordert war. Von einer Erschütterung der Grundlagen der Indienststellung kann mithin keine Rede sein. Aller⸗ dings ist eine planmäßige Vermehrung des Personals vorgesehen, der Kommissionsantrag aber greift gewissermaßen der Personalvermehrung noch vor. Im neuen Jahr soll die südamerikanische Station etatsmäßig mit einem Schiff des Kreuzer⸗Geschwaders besetzt werden. Das ist nicht nöthig. Ferner ist es möglich, die ostafrikanische Station mit einem, statt mit zwei Schiffen zu besetzen, da, nachdem der Sultan von Sansibar seine Souverainität eingebüßt hat, der Grund dafür fortgefallen ist. In diesem Jahre sollen zum ersten Mal der Panzerflotte auch zwei Kreuzer beigegeben werden durch Indienst⸗ stellung während des ganzen Jahres. Warum soll schon in diesem Jahre damit begonnen werden? Wenn zu einer außerordentlichen Uebung mit einer Besatzung aus dem Beurlaubtenstande mehrere

anzerschiffe für zwei Monate in Dienst gestellt werden müssen, o muß dafür die normale Indienststellung beschränkt werden. Die Kaiseryacht „Hohenzollern“ braucht nicht das ganze Jahr hindurch in Dienst gestellt zu sein, was täglich 1000 kostet; würde deren Indienststellung auf 4 Monate beschränkt, so würden 240 000 erspart werden. Auch nach dem Abstrich werden immer noch 600 000 mehr für Indienststellung bewilligt als im Vorjahre. Das Or⸗ dinarium der Marine it in den letzten 4 Jahren von 41 auf 51 Millionen gewachsen. Bei so erheblicher Steigerung haben wir alle Ursache, zu sparen und wollen deshalb nicht nur 500 000, sondern 1 500 000 abstreichen.

Abg. Dr. Bachem (Zentr.) verwahrt das Zentrum gegen den Vorwurf, daß es zu freigebig gewesen wäre. Es habe im Ordinarium

1“ 8

struktionszeichner

erheblich abgestrichen und im Extraordinarium über 3 Millionen abgesetzt. Weltere Ersparnisse wären sehr angenehm, wenn sie ohne Schädigung des Dienstes möglich wären. Aber bei stärkeren Abstrichen würden namentlich der auswärtige Dienst und die Ausbildung leiden.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Die Abstriche im Extraordinarium bedeuten nicht viel; es ist nur gestrichen, was an weiteren Raten nicht in diesem, sondern erst im nächsten Jahre zahlbar wird. Dagegen sind für Neubauten die ersten Raten bewilligt und damit die Ver⸗ pflichtung zur Bewilligung von 39 Millionen Mark übernommen worden. Dagegen müßte man in erster Linie vorgehen. Die Be⸗ schränkung der Indiensthaltung läßt sich durchführen, ohne an dem eigentlichen Grundplan der Indiensthaltung selbst zu rütteln.

Staatssekretär Hollmann:

Den außerordentlich sachgemäßen und gründlichen Ausführungen des Herrn Referenten hätte ich eigentlich nichts hinzuzufügen. Was ich in der Kommission für diesen Betrag vorgebracht habe, hat der Herr Referent erschöpfend dargestellt. Ich muß indeß nochmals die Bitte der Marine aussprechen, nicht den Abstrich von 500 000 in diesem Kapitel zu machen.

Die Reichs⸗Marineverwaltung wird in einer großen Verlegenheit sein, an welcher Stelle sie diesen Abstrich vornehmen soll. Im allge⸗ meinen ist ja hier im Hause zugestanden worden, daß die Forderungen hinsichtlich der Zahl der in Dienst zu haltenden Schiffe nicht zu weit gehen. Ich wüßte auch nicht, an welcher Stelle wir streichen sollten. Nehmen wir zunächst die heimische Schlacht⸗ und Kreuzerflotte und die Torpedoflottille, die zusammenzufassen sind, weil sie zusammengehören, so stehen wir hier strikt auf dem Boden der Denkschrift von 1892, die seiner Zeit in Vorschlag brachte, die Hälfte der vorhandenen Kriegsschlacht⸗ schiffe in Dienst zn halten. Da nun augenblicklich 20 Panzerschiffe vorhanden sind einschließlich der Panzerschiffe vierter Klasse, der früheren Panzerschiffe, so würden wir zehn Schiffe in Dienst zu halten haben.

Dann, meine Herren, handelt es sich um die Indiensthaltung einer Reserve⸗Division für zwei Monate. Es ist beabsichtigt, die Probe auf das Exempel zu machen und in Erfahrung zu bringen, ob der Vorschlag, den wir gemacht haben, ein guter ist, nämlich aus einer Schiffsbesatzung im Falle eines Krieges zwei zu bilden durch Beigesellung der entsprechenden Reservemannschaften, also hier würde schwerlich eine Abkürzung vorzunehmen sein. Auch die Torpedoboots⸗ flottille nimmt voll in Anspruch, was hier gefordert wird.

Was nun die Ausbildung betrifft, so ist allseitig zugestanden: da dürfen wir nicht kürzen, wenn nicht die Güte unserer Besatzung darunter leiden soll. Und der auswärtige Dienst; ja, auch da haben wir nicht mehr gefordert als in früheren Jahren. Was in einzelnen Monaten mehr erscheint, kommt lediglich auf die Ablösung, und es tritt noch hinzu der Kreuzer für die amerikanischen Gewässer, eine Station, die bis dahin von einem detachierten Schiff des Kreuzer⸗ geschwaders besetzt worden ist.

Also summa summarum: ich bitte um Bewilligung der vollen Summe.

Der Antrag Richter wird abgelehnt und der Antrag der Kommission angenommen.

Beim Kapitel „Naturalverpflegung“ wird infolge der Ab⸗ striche beim vorigen Kapitel für die Verpflegung der Mann⸗ schaften am Lande ein Betrag von 51 050 mehr angesetzt.

Die Kapitel „Bekleidung“, „Garnisonverwaltungs⸗ und Serviswesen“, „Wohnungsgeldzuschuß“, „Sanitätswesen“, „Reise⸗, Marsch⸗ und Frachtkosten“ und „Bildungswesen“ werden ohne Debatte genehmigt.

Beim Kapitel „Instandhaltung der Flotte und der Werft⸗

anlagen“ empfiehlt der

Abg. Dr. Kruse (nl.) für die Werftbeamten die Einführung der Dienstalterszulagen, namentlich für die Werkmeister; ferner bittet er, die Werft⸗Sekretäre den Intendantur⸗Sekretären gleichzustellen.

Staatssekretär Hollmann:

Wenn ich mit der letzten Beamtenkategorie, den Marine⸗Zahl⸗ meistern anfangen darf, so haben dieselben, wenn ich recht verstanden habe, den Wunsch, in dem Dienstaltersstufensystem verbessert zu werden. Die Marine⸗Zahlmeister sind bisher durch die Vergrößerung der Marine außerordentlich gut gestellt gewesen; sie haben bei der Vermehrung des Personals sehr große Sprünge gemacht. Innerhalb von sieben Jahren hat eine Vermehrung von 42 auf 72, also um 30 Stellen stattgefunden, auch ist das Durchschnittsgehalt um 200 erhöht worden, außerdem sind 7 Ober⸗Zahlmeisterstellen mit einem Gehalt von 4500 geschaffen worden. Also Vermehrungen, Erhöhungen und neue Stellen haben in der letzten Zeit dem Zahlmeisterpersonal außer⸗ ordentlich günstige Aussichten eröffnet. Diese haben nun in den letzten Jahren etwas abgenommen, und mit der Einführung des Dienstaltersstufensystems wird naturgemäß dieser Vortheil dem Zahl⸗ meisterpersonal für die Zukunft abgeschnitten. Aber sie haben nach Ansicht der Reichs⸗Marineverwaltung durchaus keinen Grund zu einer Klage; denn sie werden auf Jahre hinaus noch ein höheres Gehalt beziehen, als ihnen bei ihrem Alter nach dem Dienstalters⸗ stufenssstem zukommt. Die Marineverwaltung ist infolge dessen nicht in der Lage, ohne weiteres hier eine Besserung zuzusagen; sie wird, wenn die Verhältnisse sich ändern, natürlich auch diese Wünsche in gebührende Rücksicht nehmen und die Erfüllung derselben anstreben.

Was nun das Werftverwaltungspersonal anbetrifft, so haben die Werftverwaltungs⸗Sekretäre in der That bisher mit den Intendantur⸗ Sekretären dasselbe Durchschnittsgehalt gehabt; es bestand nur der Unterschied, daß das Maximalgehalt der Werftverwaltungs⸗Sekretäre um 300 gegen das Gehalt der Intendantur⸗Sekre⸗ täre zurückblieb. Nunmehr, wo das Dienstaltersstufensystem in Anwendung kommt, wird dieser Unterschied in der That schwerwiegender für die Verwaltungs⸗Sekretäre; sie stehen nunmehr gegen die Intendantur⸗Sekretäre um ein bedeutendes zurück. Die Marineverwaltung wird das Bestreben haben, mit der Reichs⸗ Finanzverwaltung sich auseinander zu setzen, um die hier ausgesprochenen Wünsche ihrer Erfüllung entgegenzubringen.

Dann die Konstruktionszeichner! Diese mit den Werftbetriebs⸗Sekretären und finden, daß sie in der Behandlung zurückgesetzt worden sind. Diese Kon⸗ kommen mit einem Durchschnittsalter von ungefähr 30 Jahren zur Anstellung und erreichen ungefähr mit dem 55. Lebensjahre in dem Dienstaltersstufensystem das Höchst⸗ einkommen. Die Werftbetriebs⸗Sekretäre sind Leute, die sich ergänzen aus den Militäranwärtern. Sie kommen in sehr viel späterer Zeit zu einer Anstellung als Sekretariats⸗Assistenten bezw. als Werft⸗ schreiber. Es bedarf einer längeren Zeit, bis sie zum Sekretär befördert werden. Um zu bewirken, daß sie in einer

vergleichen sich

das Höchstgehalt erreichen, bedarf es natürlich für die Betriebs Sekretäre der Festsetzung eines kürzeren Zeitraums zur Erreichung des Höchstgehalts wie für die Konstruktionszeichner. Also im all⸗ gemeinen kann die Marineverwaltung ein unbilliges Vorgehen in dieser Richtung nicht anerkennen.

Was nun die Werftbootsleute betrifft, so handelt es sich bei denen nicht um Verbesserung des Diensteinkommens, sondern sie haben den Wunsch ausgedrückt, aus der Klasse der Unterbeamten heraus in diejenige der Subalternbeamten hinein zu gelangen. Dieses ist auch der Marineverwaltung von ihnen nahegelegt und wir haben versucht, den Wünschen gerecht zu werden. Es ist aber bisher in den Verhandlungen mit den übrigen Ressorts des Reichs nicht gelungen, aus den einfachen Gründen, weil man fürchtet, daß es ein Präzedenzfall werde, und, wenn dieses zugestanden wird, noch andere Kategorien denselben Wunsch äußern würden. Also zunächst kann ich auch hier eine Erfüllung der Wünsche nicht zusagen, werde aber die im allgemeinen anerkannten Wünsche beherzigen und das Meinige dazu thun, um sie der Erfüllung entgegen zu führen.

Was nun die Werkmeister anlangt, die auf den Werften angestellt sind, so wachsen sie aus den Werkführern heraus und sind eine Vor⸗ stufe für die Obermeister. Für die Beförderung zum Obermeister bedarf es selbstverständlich einer besonderen Qualifikation und es kommt dann ungefähr das 47. Lebensjahr in Betracht. Diejenigen Werkmeister nun, welche wegen mangelnder Qualifikation nicht zu Obermeistern befördert werden können, werden nach 15 Jahren, das ist um die Mitte der fünfziger Jahre, das höchste Gehalt ihrer Charge erreichen. Auf sie finden lediglich dieselben Grundsätze An⸗ wendung, wie für die übrigen Beamten. Auch für sie ist die Mitte der fünfziger Jahre dasjenige Alter, welches zur Erreichung des Höchst⸗ gehalts nothwendig ist. Was die Wünsche dieser Werkmeister betrifft, in eine höhere Gehaltsklasse versetzt zu werden, so kann dem nur näher getreten werden bei einer allgemeinen Einkommensverbesserung der Beamten, und wenn dieselben wünschen, als Subalternbeamte anerkannt zu werden, so liegt auch hier, wie bei den Werftbootsleuten,

schwere wird.

Kapitel „Waffenwesen“ und „Befestigungen“.

Beim Kapitel „TDorpedowerkstatt“ beschwert sich der

Abg. Legien (Soz.) über die Drangsalierung der Vertreter der Arbeiterausschüsse durch den Direktor und über die zwangsweise En⸗ führung von Kantinen, Konsumvereinen, Zwangskassen ꝛc.

Staatssekretär Hollmann:

Meine Herren! Das war ein ganzes Bündel von Klagen. Bis dahin ist mir von all' dem, was der Herr Abgeordnete hier zur Sprache gebracht hat, nichts bekannt geworden. (Lachen bei den Sozialdemo⸗ kraten.) Ja, meine Herren, ich kann nichts Anderes sagen. Aber selbst wenn mir viel oder alles davon bekannt geworden wäre, hätte ich doch eine andere Auffassung von der Sache, wie der Herr Abgeordnete, und ich werde unter keinen Umständen darüber bin ich ganz sicher, obgleich ich mir natürlich Informationen über diese Gravamina einholen werde, unter keinen Umständen deß bin ich ganz sicher hier eingreifen. Meine Herren, Sie sprachen davon, daß die Staats⸗ anstalten Musteranstalten sein sollen. Ich kann Ihnen die Zusicherung geben, wenn eine Staatsanstalt eine Musteranstalt ist, dann ist es gerade nach unserer Auffassung die Torpedowerkstätte. Gerade der Direktor dieser Anstalt ist anerkanntermaßen ein ganz außerordentlich befähigter Mann nach dieser Richtung; er steht in dem Ruf, daß er mit großer Einsicht einen Betrieb leiten kann und dabei gerade die Arbeiterwohlfahrt durchaus im Herzen trägt. Ich bin erstaunt darüber, daß Arbeiter der Torpedowerkstätte diese Klagen beim Herrn Abgeordneten angebracht haben. Ich habe jederzeit, wenn ich dorthin gekommen bin und ich komme jedes Jahr hin —, den Eindruck mitgenommen, daß es den Arbeitern in jeder Beziehung ganz vor⸗ züglich geht, und daß auch alle Arbeiter zufrieden sind. Ich wüßte auch nicht, warum sie nicht zufrieden sein sollten; denn dieser Direktor der Werkstätte benutzt seine ganze freie Zeit dazu, um gerade die Wohl⸗ fahrt der Arbeiter zu fördern. Sie werden gerade in Friedrichsort eine Reihe von Einrichtungen finden, die nicht etwa den Zweck haben der Ausbeutung oder der Willkür, sondern lediglich des Wohls der Arbeiter. Aus den hier vorgebrachten Klagen ist ja wiederholt hervor⸗ gegangen, daß man dem Direktor eine Willkür zur Last legt, eine schlechte Behandlung der Arbeiter, daß er diejenigen Arbeiter, die ihm nicht zu willen sind, drangsaliert. Er soll sogar nach Ihrer Dar⸗ stellung so weit gehen, daß er Frauen schlecht behandelt; davon, deß können Sie sich versichert halten, kann gar keine Rede sein. Wenn der Fall so liegt, wie der Herr Abgeordnete es dargelegt hat, so bin ich nicht einen Augenblick zweifelhaft, hätte der Torpedo⸗Direktor das Interesse dieser Frau nach jeder Richtung wahrgenommen. Wie gesagt: der Fall ist mir nicht bekannt, aber ich lege Verwahrung da⸗ gegen ein, daß gegen die Torpedowerkstätte, wie sie mit allen ihren Einrichtungen dasteht, Klagen vorgebracht werden können, daß man die Arbeiter drückt. Im Gegentheil: sie hebt das Wohl der Arbeiter, wo sie kann, und gerade für diese Wohlfahrtseinrichtungen ist sie eine Musteranstalt.

Die übrigen Ausgaben des Ordinariums werden ohne

Debatte bewilligt. 1 8 Von den einmaligen Ausgaben hat die Kommission

gestrichen: 2 Millionen Mark von den Ausgaben zur artille⸗ ristischen Ausrüstung von 4 Panzerschiffen, 400 000 von den Ausgaben für Bescaffung von Geschützen für die Be⸗ festigungen ber unteren Elbe, und 666 600 Zuschuß sun den einmaligen Ausgaben (Anleihe); ferner sind gestrichen 1 000 000 zum Bau eines großen Trockendocks bei der Werft zu Kiel. 16

Die Abstimmung über die drei Titel: Panzerschiff „Ersatz Preußen“ und Kreuzer „Ersatz Leipzig“ je 1 000 000 und Aviso „Ersatz Falke“ 1 200 000 wird auf Antrag der Abgg. Richter u. Gen. ausgesetzt.

Schluß gegen 6 Uhr.

Preußischer Landtag. Herrenhaus. 7. Sitzung vom 8. März 1894.

Im weiteren Verlauf der Sitzung (s. den Anfangsberich in der Donnerstags⸗Nummer d. Bl.) gelangt die Petitio

24 jährigen Gesammtdienstzeit od gegen das 8 Lebensjahr C11“ 1““ 8 E“ 114“ I11““ 88,

des Rentiers C. Ba imgart in Hannov d Genossen um v“ 8

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die Schwierigkeit vor, daß noch andere Kategorien mit denselben Wünschen kommen und deren Erfüllung dann in der That eine set

Das Kapitel wird bewilligt, ebenso ohne Debatte die

die Konservativen ist der Grund für diesen Zusammenschluß der katho⸗

Abänderung der hannoverschen Städteordnung zur Berathung.

1 Die Kommission für kommunale Angelegenheiten (Bericht⸗ erstatter: Ober⸗Bürgermeister Struckmann⸗Hildesheim)

Uebergang zur Tagesordnung.

Graf zu Inn⸗ und Knyphausen hält die hannoversche Städteordnung für ein noli me tangere. Ueber die Aenderung einzelner Bestimmungen ließe sich zwar reden, indessen seien diese Wünsche nicht von solcher Bedeutung, um deshalb eine Revision der hannoverschen Städteordnung vornehmen zu müssen.

Ober⸗Bürgermeister Dr. Möllmann: Die hannoversche Städte⸗ ordnung habe zwar nicht in allen Punkten berechtigte Eigenthümlich⸗ eiten vor der preußischen Städteordnung, in Hannover bestehe jedoch irgends die Neigung, die preußische Städteordnung einzuführen. In diesem Sinne habe sich auch der Städtetag in Hildesheim aus⸗ gesprochen. Jetzt schon eine Aenderung der hannoverschen Städte⸗ rdnung vorzunehmen, dazu liege keine Veranlassung vor. Er könne eshalb auch nur bitten, über die Petition zur Tagesordnung über⸗

8 beschließt nach dem Antrage der Kommission. Der Bericht der Kommission für Handels⸗ und Gewerbe⸗ angelegenheiten über die Nachrichten von der Verwal⸗ tung der preußischen Staats⸗Bergwerke, Hütten und Salinen während des Etätsjahres 1892/93 wird durch Kenntnißnahme erledigt.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Der Präsident hatte ursprünglich die Absicht, die Novelle zu dem Gesetz über die Kirchenverfassuna und Syno⸗ dalordnung auf die Tagesordnung für Freitag zu jetzen. Da aber die Kommission schriftlichen Bericht beschlossen hat, so behält er sich vor, die Vorlage am nächsten Donnerstag zur Berathung zu stellen, da es erwünscht sei, sie noch vor Ostern an das Haus der Abgeordneten gelangen zu lassen.

Schluß 21 ½ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr.

Haus der Abgeordneten. 31. Sitzung vom 8. März 1894.

8

In der fortgesetzten zweiten Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen ec. Angelegenheiten, und zwar bei dem Kapitel „Universitäten“ (s. den Anfangs⸗ bericht in der Donnerstags⸗Nummer d. Bl.), hatte der Abg. Dr. Eckels sein Bedauern darüber ausgesprochen, daß die akademische Jugend die Universitäten der großen Städte be⸗ vorzuge. Der Wortlaut der Rede, mit welcher der Staats⸗ Minister Dr. Bosse darauf erwiderte, war folgender:

Minister der geistlichen 2ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Die Thatsache, daß auch die Studenten dem Zuge der Zeit nach den großen Städten folgen, macht uns schwere Sorgen genug; der Herr Vorredner hat darin vollkommen Recht gehabt, und ich kann die Anregung dieser Frage nur mit Dank be⸗ grüßen. Aber eins möchte ich doch hervorheben. Mechanisch läßt ssch diese ganze Sache nicht lösen; soweit sie sich mechanisch lösen läßt, geschieht es schon durch die Beschränktheit der Räume, die auch in großen Städten nicht zu umgehen ist. Dadurch wird schon von selbst ein gewisser numerus clausus geschaffen, und deshalb werden immer gewisse Uebelstände bei einer zu großen Zahl von Studenten an ein und derselben Universität bestehen bleiben, die sich nicht beseitigen lassen. Unsere Bestrebungen, Abhilfe zu schaffen, gehen dahin, daß wir bei den kleinen Universitäten möglichst muster⸗ gültige Institute und Einrichtungen herbeiführen, und in diesem Be⸗ streben stehe ich mitten inne und werde ich fortfahren und werde cs mir angelegen sein lassen, nach dieser Seite zu helfen, soweit ich es nur irgend kann. (Bravo!)

Bei der Forderung für die Universität BHonn nimmt nach dem Abg. Grafen Hoensbroech (Zentr.) (s. d. Anfangs⸗ bericht) das Wort der

Abg. Olzem (nl.): Ich ⸗kann die Anrede des Rektors der Bonner Universität an die katholischen Korporationen nur in vollem Maße billigen. Ichsbedauere nur, daß es nicht schon früher und nicht statt von einem Theologen von einem Juristen oder Mediziner geschehen ist. Der Minister sollte gegen alle konfessionellen studen⸗ tischen Verbindungen vorgehen, es wird durch dieselben nur der kon⸗ fesstonelle Friede gestört. Will etwa Herr Bachem auch katholische Regimenter und Bataillone? Es ist geradezu lächerlich, wenn die kat hbolischen Verbindungen, welche doch das Duell verwerfen, bei jeder Gelegenheit mit dem Schläger herumfuchteln. „Feinfühlig“ soll es von den katholischen Studenten sein, daß sie nicht an einem Kommers theilnehmen wollten, bei welchem ein Trinkpruch auf den Mitbegründer des Deutschen Reichs ausgebracht werden sollte! Und solche Studenten sollen später unsere Verwaltungsbeamten werden! Das wäre eine schöne Parität! Noch einmal: ich billige das Vorgehen des Rektors vollkommen.

„Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Hätten die katholischen Studenten die Bedeutung des diesmaligen Kaiser⸗Geburtstags in Rücksicht auf den Fürsten Bismarck vorausgesehen, so hätten sie sich gern an dem Kommers betheiligt. Aber erfahrungsmäßig werden die Bismarck⸗ und Sedan⸗Kommerse benutzt, um die Gefühle der Katholiken aufs tiefste zu verletzen, und deshalb war es in der That feinfühlig, daß die katholischen Studenten eine Theilnahme ablehnten. Wir halten die katholischen Studentenkorporationen im Gegensatz zu Herrn Olzem und dem Professor Camphausen nicht nur für existenzberechtigt, sondern für existenznothwendig. Konfessionelle Streitigkeiten sollen diese Kor⸗ porationen nicht befördern, sondern den Glauben ihrer Mitglieder stärken. Ich habe auch von konfessionellen Streitigkeiten an den Universitäten nichts bemerkt, auch nicht an solchen, die vor⸗ wiegend von evangelischen Studenten frequentiert werden. Auf anderen Universitäten, z. B. Greifswald, pflegen die Professoren sogar die katholischen Verbindungen zu besuchen. Man findet es lächerlich, daß die katholischen Studenten das Duell perhorreszieren und doch den Schläger handhaben. Warum trägt Herr Olzem, wenn er seine Uniform als Landgerichts⸗Rath anzieht, einen Degen? Als Richter muß 5 doch das Duell verwerfen. Wir müssen gegen die Beleidigung der acholischen Studenten durch den Rektor Camphausen entschieden pro⸗

Abg. Vopelius (fr. kons.): Wohin soll es führen, wenn unsere C—½ 8 7 ssücende schon feste Stellung in dem Kampf der Meinungen nehmen 9 Sie ist doch garnicht dazu befähigt. Professor Camphausen 8 . jedenfalls die Existenz besonderer evangelischer Verbindungen b mißzbilligen wie diejenige der besonderen katholischen Ver⸗

Abg. Nadbyl. (ZSentr.): Wenn die katholi S . Abg. N. tr.): holischen Studenten das Zedürfnih fühlen, sich mit einander zu verbinden und mit einander derundschaftlich zu verkehren, so kann das durch kein Universitätsstatut be werden. Gerade weil in sehr gemischten 1S. Ver ngft die größten Reibereien und Streitigkeiten aus konfessioneller ds 9 assung vorgekommen sind, haben sich die katholischen Studenten bgesondert. Gerade der Kulturkampf und seine Unterstützung durch

veehen Studenten gewesen. Ich bin ihnen dafür dankbar, denn gerade tudegehörigen dieser Vereinigungen sind die fleißigsten, tüchtigsten Zaterle 5* und Staatsbürger. Bisher ist es im ganzen deutschen merland gute Sitte gewesen, daß, wenn der Kaiser gefeiert wurde,

.

eine Provokation damit verbunden, und daran wollten sich die katho⸗ lischen Studenten nicht betheiligen. Die katholischen Studenten ver⸗ werfen prinzipiell das Duell, aber für das Vaterland schwingen sie den Degen, wenn es die Vertheidigung gilt, genau so ta fer wie irgend ein Mitglied eines Korps. Sie fürchten sich nicht etwa vor den Schlägern, sondern sie verwerfen das Duell, weil es die Kirche ver⸗ bietet, weil es der Staat verbietet und weil es eine Rohheit ist. Abg. von Eynern (nl.): Die Beschwerdekommission des Zentrums hat auch in diesem Jahre die Staubhäufchen aus allen HAüasrs zusammengetragen und bläst sie uns hier nun in solchen angen Reden ins Gesicht. Wir können 187. schließlich nichts weiter machen, als den Genuß der frischen Luft vorziehen, wenn wir mit solchen anderthalb Stunden langen Reden unterhalten werden. Was der Bonner Rektor gesagt hat, ist seine Privatansicht; das Zentrum behandelt sie aber in einer Weise, als ob die ganze Welt auf dem Spiele stände. Graf Hoensbroech reißt eine einzelne Aeußerung des Professors Camphausen aus dem Zusammenhang heraus und legt ihr damit einen ganz anderen Sinn unter. Die katholischen Studentenverbindungen erklärten dem Rektor, sie hätten an dem Kaiserkommers nicht theilnehmen können, weil auch ein Toast auf den Fürsten Bismarck ausgebracht werden sollte. Da mußte ein patriotisch gesinnter Mann wie Camphausen doch aufgebracht werden, wenn die 1 an diesem Hoch nicht theilnehmen wollten, obwohl doch Fürst Bismarck den höchsten Orden Seiner Heiligkeit des Papstes trägt. Da hat ihnen der Professor Camp⸗ hausen erwidert, daß er gegen katholische Theologenvereine, die ihre Wissenschaft pfle en wollten, nichts zu erinnern habe, daß er aber einseitig katholische Verbindungen nicht billigen könne. Die betreffenden Studenten haben auch gar kein Bewußtsein davon gehabt, daß sie beleidigt waren. Die katholischen Studentenvereine hielten ihren Kommers allein ab und der Rektor war bei demselben als Gast zu⸗ gegen. Erst acht Tage PFüter hat die katholische Aktionspartei in Bonn entdeckt, „daß es doch recht hübsch wäre, an diese Sache wieder einmal ein Stückchen Kulturkampf zu knüpfen, und so ist die Sache denn eingefädelt worden. Nicht die Wissenschaft fördern, sondern die Interessen der katholischen Kirche wahren wollen diese Vereinigungen; an einem Hoch auf den größten lebenden Staatsmann wollen sie nicht theilnehmen, und solche Leute soll der Staat nachher zu Verwaltungs⸗ beamten machen! Er würde sich ja damit selbst ins Gesicht schlagen.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Das Bedauern des Herrn Abg. Nadbyl, daß ich zu dieser Frage keine Stellung genommen habe, war, wie er sich wohl überzeugen wird, verfrüht. Ich habe zu der Frage Stellung ge⸗ nommen, schon ehe ich ahnen konnte, daß diese rein interne Univer⸗ sitätsangelegenheit (sehr richtig!) hier der Gegenstand einer so großen Debatte werden würde. Aber ich habe auch nicht daran gedacht, mich der Aufforderung, die hier von beiden Seiten ich darf ja hier von zwei Seiten des Hauses reden an mich ergangen ist, mich über ge⸗ wisse Punkte der Frage zu äußern, zu entziehen; ich habe nur erst einmal die Debatte ausklingen lassen wollen nach gewissen Seiten, und ich werde nun meine Auffassung der ganzen Sache mittheilen.

Zunächst muß ich vorausschicken, daß die Darstellung des That⸗ bestandes durch den Herrn Grafen Hoensbroech vollkommen richtig ist (hört, hört! im Zentrum) bis zu dem Augenblick, wo die Unterredung mit dem Rektor stattgefunden hat (große Heiterkeit); ich kann auch hinzufügen: im ganzen und großen einschließlich dieser Unterredung. (Aha! im Zentrum). Ich will nur etwas ergänzen; ich habe sie nicht zu berichtigen, ich will sie nur ergänzen.

Ich habe hier einen Bericht des Herrn Rektors Dr. Camphausen, worin er selbst den Wortlaut der von ihm gethanen Aeußerung mit⸗ theilt; und es ist wohl richtig und nachdem die Sache hier zur Sprache gekommen ist, glaube ich es auch dem Hause schuldig zu sein —, daß ich sie hier vorlese, mit Erlaubniß des Präsidenten. Er sagt:

Ich habe gesagt: Ich weiß nicht, worauf Sie Ihre Cxistenz⸗ berechtigung stützen wollen. Katholisch⸗theologische Vereine, die sich mit ihrer Fachwissenschaft beschäftigen, finde ich ganz in der Ordnung. Wenn sich aber Juristen und Mediziner zu farbentragenden Korporationen zusammenschließen, um energisch die Interessen der katholischen Kirche zu vertreten, so ist das ein Vorgehen, das auf evangelischer Seite ohne Analogie ist, ein Hinübertragen des kon⸗ fessionellen Gegensatzes auf ein Gebiet, wohin es nicht gehört. (Hört, hört! im Zentrum.) Wollten Sie im Interesse des konfessionellen Friedens handeln ich weiß natürlich, daß Sie meinem Rathe nicht folgen werden —, so müßte ich Ihnen geradezu rathen, daß Sie sich auflösen. Uebrigens kann ich Sie nicht als Vertreter der katholischen Studentenschaft Bonns anerkennen, da auf der anderen Seite auch sehr viele katholische Studierende sind. 8

Er fügt noch hinzu: Freundlich habe ich mit den 5 Studierenden gesprochen; von schwerer Beleidigung kann keine Rede sein.

Soweit die Unterredung, die am 20. Januar stattgefunden hat. Die Vertreter der katholischen Studentenverbindungen widersprachen dieser Auffassung des Herrn Rektors unverweilt; beleidigt schienen sie sich nicht dadurch gefühlt zu haben, denn sie luden bald darauf den Rektor zu ihrem Kommerse freundlichst ein. (Hört, hört!) Inzwischen aber bemächtigte sich die Presse der ganzen Sache. Am 3. Februar, also 14 Tage nach jener Unterredung, fanden sich darauf die Vertreter der katholischen Studentenverbindungen nochmals beim Rektor ein und überreichten ihm einen Protest, in welchem sie sich über die ihnen zugefügten Beleidigungen beschwerten. (Heiterkeit.) Der Rektor suchte ihnen darzulegen, daß er sie nicht beleidigt habe und nicht habe beleidigen wollen. Damit schloß diese zweite Unterredung. Die Presse fuhr aber fort, sich mit der Sache eifrig zu be⸗ schäftigen, und ein Blatt hat sich sogar bis zu dem An⸗ spruch verstiegen: „Die Absetzung des Rektors!“ zu verlangen. (Heiter⸗ keit.) Andererseits hat sich auch wieder die rheinische Gemüthlichkeit die Sache nicht entgehen lassen, und für den Kölner Karneval war das geflügelte Wort ausgegeben: Sind Sie existenzberechtigt? (Heiter⸗ keit.) Ich sage das nur, um die Bedeutung der ganzen Sache auf das gegebene Niveau zurückzuführen. Sie hat eine ernste Bedeutung ganz zweifellos, namentlich in dieser unserer Zeit; aber sie hat doch auch ihre humoristische Seite, und es ist dies charakteristisch dafür, wie im großen Publikum am Rhein die Sache aufgefaßt worden ist. Ich bemerke dazu noch: weitere Folgen hat die Sache überhaupt nicht gehabt; sowohl der allgemeine Studentenkommers wie der besondere Kommers der katholischen Studentenverbindungen ist ohne irgend ein verletzendes Wort verlaufen, eine Beschwerde ist weder an den Senat noch an den Kurator noch an den Unterrichts⸗Minister gelangt. Das ist der einfache Thatbestand, um den es sich handelt.

Nun, meine Herren, muß ich zunächst, wenn ich diesen That⸗ bestand würdigen will vom Gesichtspunkte der Unterrichtsverwaltung aus, hervorheben, daß die legale Existenz der katholischen Studenten⸗ verbindungen nicht bestritten werden kann. Der § 38 der Universitäts⸗

kein anderer M. gefeiert wurde; geschah das doch, so war stets

statuten, der Universitätsvorschriften, sagt ausdrücklicht.

allgemeinen Landesgesetzen.

In den allgemeinen Landesgesetzen ist aber die Bildung eine konfessionellen Studentenverbindung nicht untersagt. Es ist des halb die legale Existenz] dieser katholischen Studentenverbindung in Bonn außer jedem Zweifel, und es kann auch die Aeußerung de Herrn Rektors Dr. Camphausen garnicht so gemeint worden sein und so verstanden werden, als wenn die legale Existenz ihnen hätte abge⸗ sprochen werden sollen. (Sehr richtig! rechts und links.) Was er g sagt hat, ist das, daß er die innere Berechtigung, die Zweckmäßigkeit, die Einwirkung, die derartige Verbindungen auf das konfessionelle und auf das akademische Leben haben würden, in Zweifel gezogen hat. Er hat gewissermaßen, wenn ich so sagen soll, de lege ferenda gesprochen und hat gesagt, daß es nach seiner Ansicht besser sei, wenn keine konfessionellen Verbindungen bestehen. Nun, meine Herren, muß ich aber sagen, das ist eine Frage, über die die Ansichten, wie wir hier gesehen haben, sehr verschieden sind, sehr verschieden sein können und auch sehr ver⸗ schieden sein dürfen. Es ist nicht im Deutschen Reiche verboten, eine verschiedene Ansicht in dieser Frage zu haben und auszusprechen.

Ich mache ferner darauf aufmerksam, daß der Rektor nicht gesagt hat, daß die katholischen Verbindungen den konfessionellen Frieden ge⸗ stört hätten, sondern er hat nur in der Existenz der konfessionellen Verbindungen die Möglichkeit der Gefährdung des konfessionellen Friedens als nahegebracht hinstellen wollen. Das aber, meine Herren, ist ein großer Unterschied, und ich muß hier konstatieren, und konstatiere das gern, daß Thatsachen, aus denen sich ergäbe, die katholischen Studentenverbindungen hätten den konfessionellen Frieden gefährdet, zu meiner Kenntniß nicht gelangt sind.

Was dann ferner die Aeußerung des Rektors selbst betrifft, so nehme ich keinen Anstand, zu erklären: es wäre besser gewesen, wenn er sich auf den Gegenstand, um den es sich handelte, auf die Er⸗ theilung der Erlaubniß, beschränkt hätte, namentlich mit Rücksicht auf unsere heutige Zeit, auf die vorhandene Schärfung der konfessionellen Gegensätze. (Sehr richtig; im Zentrum.) Ich mache aber darauf aufmerksam, daß die Aeußerungen, die hierüber in die Presse gelangt sind, nicht einmal ganz korrekt in die Presse gelangt sind, umsomehr Widerspruch erfahren haben und erfahren mußten, als sie herrührten von einem hervorragenden evangelischen Theologen. Und ich mache ferner darauf aufmerksam, daß Sie doch auch das Verhältniß, in dem die akademischen Lehrer zu den Studenten stehen, nicht unterschätzen dürfen. Es ist eine solche Verhandlung, wenn die Studenten zum Rektor kommen, nicht ein diplo⸗ matisches Zwiegespräch, bei dem die Worte auf die Wagschale gelegt werden, sondern es waltet hier das Verhältniß von Kommilitonen ob. Auch die akademischen Lehrer bezeichnen sich je und je als die Kommilitonen der Studenten, und das hat seinen tiefen, seinen guten Grund; ich wünsche nicht, daß das jemals anders werde. Auch nach dieser Richtung hin wird man die Aeußerungen des Rektors zu würdigen haben. Dann aber kommt in der That viel, vielleicht alles darauf an, wie die Aeußerungen gefallen sind. (Sehr richtig!) C'est le ton qui fait la musique. Und das scheint mir außer allem Zweifel zu sein nach der Bezeugung des Rektors, der ein durchaus, wie auch die Herren anerkennen werden, wahrheitsliebender Mann ist, daß er in sehr freundlicher Weise mit den Studenten sich unterhalten hat. Es ist das auch nach der ganzen Persönlichkeit des Mannes ganz unzweifelhaft. Es wird das auch dadurch bestätigt, daß die Studenten zunächst ganz gewiß den Eindruck, so verletzt zu sein, wie sie nachher angenommen haben, nicht gehabt haben können; sonst würden sie schwerlich den Rektor zu ihrem Spezialkommers eingeladen haben.

Nun kommt ein Gesichtspunkt, den ich auch nicht außer Acht zu lassen bitte. In gewisser Weise haben sich die Studenten selbst Recht verschafft. Sie sind dem Rektor mit einem großen Freimuth gegen⸗ übergetreten, mit einem Freimuth, der in der That ein sehr starkes Vertrauen in das Wohlwollen und die Nachsicht des Herrn Rektors voraussetzt. Ich habe hier den Wortlaut, freilich aus der „Kölnischen Volkszeitung“, über das, was bei der Unterredung die Studenten dem Rektor gesagt haben. Sie sagen da:

Ob Magnificenz Einsehen hat für unsere Existenz und unsere Berechtigung, ist uns ziemlich gleichgültig.

(Lachen.)

Zudem ist hier nicht der Ort, um mit Magnificenz darüber zu streiten. Jedenfalls haben wir katholischen Korporationen Ein⸗ sehen genug für unsere Berechtigung, und das genügt für unsere Existenz.

Meine Herren, wenn man das beides unter demselben Gesichts⸗ punkt betrachtet, so möchte ich glauben, es ist hier wirklich eine Art Kompensation eingetreten (Heiterkeit), und diese Sache kann danach wohl ruhen bleiben.

Meeine Herren, ich wünsche stark den konfessionellen Frieden im Lande und namentlich auf den Universitäten. Ich habe keine Ver⸗ anlassung, jetzt nachträglich in diese Sache einzugreifen. Ich habe auch niemand verletzen wollen; ich habe nur zum Frieden sprechen wollen. Denn, meine Herren, es ist mein innigster Wunsch und ich hoffe, daß er in Erfüllung geht —, daß die rheinische Hochschule eine vorbildliche Stätte für das friedliche und freundliche Zusammen⸗ wirken der Blüthe aller Konfessionen sein und bleiben möge. (Bravo!)

Abg. Dr. Friedberg (nl.) protestiert gegen die Ausführungen der Abgg. Porsch und Nadbyl wegen des ismarck⸗Toastes. Fn einem Hoch auf den Nationalheros könne niemals eine Spitze gegen den Deutschen Kaiser liegen. Daß Professor Gneist 1875 den Käth liken den Rath gegeben habe, auszuwandern, sei unwahr; Gneist habe dies gerade als die Konsequenz der Auffassung des Zentrums dargestellt.

Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Herr Professor Jürgen Bon Mexyer hat in einer Streitschrift, die an den Mainzer Katholikenta anknüpft, selbst zugestanden, daß die Mehrzahl der Vertreter der deutschen Wissenschaft auf dem Standpunkte des christlichen Glauben nicht steht. Daß ein Toast auf den Begründer des Deutschen Reichs eine Beleidigung des Deutschen Kaisers sei, habe ich nicht gesagt etwas ganz Anderes war es aber, diese Toastfrage zu einer Zeit an zuregen, wo man darin eine Spitze finden konnte. Wir können die Augen nicht davor daß in dem reichen, ruhmvollen Leben des Fürsten Bismarck auch recht traurige Episoden vorkommen: die traurigste darunter ist diejenige des Kulturkampfes. Wie Herr von Eynern diesen Toast und die Besetzung der veenßischen Verwaltungs⸗ ämter zusammenbringt, ist doch nicht recht begreiflich. Der Patriotismus auch der katholischen Studenten hängt doch nicht von der Stellung zum Fürsten Bismarck ab. Wenn Herr von Eynern diesen Patrio⸗ tismus anzweifelt, so weise ich das als ehemaliges Mitglied und alter Herr einer solchen Korporation mit aller Entrüfteag zurück. Ich wiederhole, die Korporationen haben keinen anderen Zweck, als die wissenschaftlichen Studien auf dem Boden ihres Glaubens zu

machen. Beschwerden nach anderer Richtung hin sind dem Minister nicht zu Ohren gekommen. Die Verbindungen Unesin Dezennien lang;

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