auseinander. Beschlossen wurde, daß die Unterhalts⸗ pflicht nicht mit dem Tode des Verpflichteten erlöschen soll, der Berechtigte sich aber die Herabsetzung der Unterhalts⸗ rente bis auf die Hälfte der Einkünfte des bei dem Tode vor⸗ handenen Vermögens des Verpflichteten gefallen lassen muß (ogl. Preuß. A. L.⸗R. II, 1 § 806). Im übrigen soll nach dem Tode des Verpflichteten die Unterhaltspflicht von der Leistungsfähigkeit desjenigen, gegen den der Anspruch erhoben wird, nicht abhängig, auch eine später eintretende Erhöhung oder Verminderung der Einkünfte des beim Tode vorhandenen Vermögens des Verpflichteten auf den Umfang der Unter⸗ haltsrente ohne Einfluß sein.
Die Bestimmungen des Entwurfs über die Gewährung des Unterhalts durch die Entrichtung einer Geldrente und über deren Vorauszahlung (§ 1454 verb. mit § 1491 Abs. 1, 3) “ keine Anfechtung. Hinzugefügt wurde aber, daß der Berechtigte statt der Rente eine “ in Kapital verlangen kann, wenn ein wichtiger Grund vor⸗ liegt. Ob und in welcher Art und für welchen Betrag der Verpflichtete Sicherheit zu leisten hat, soll sich nach den .8. tänden des Falls bestimmen (vgl. § 766 Abs. 2, 3 des
ntw. II.).
— die Uebertragung der für die Unterhaltspflicht der Verwandten geltenden Vorschriften des § 1481 Abs. 2, des § 1484 Satz 1, der §§ 1487, 1488, des § 1490 Abs. 1 und der §§ 1492, 1494 auf die Unterhaltspflicht des geschiedenen unschuldigen Ehegatten erhob sich kein Widerspruch, ebenso⸗ wenig gegen die Vorschrift, daß die Unterhaltspflicht mit dem Tode und mit der Wiederverheirathung des Berechtigten erlischt (§ 1454 Abs. 1 verb. mit § 1496). Auch die Be⸗ stimmungen des § 1454 Abs. 2 über die Einwirkung des ehe⸗ lichen Güterrechts auf die Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten, wenn dieser eine neue Ehe eingeht, wurden sachlich nicht beanstandet.
Für den Fall, wenn der nach 8 1454 einem geschiedenen Ehegatten zustehende Unterhaltsanspruch mit dem Unter⸗ haltsanspruch eines späteren Ehegatten des Verpflichteten oder mit dem Unterhaltsanspruch von Verwandten zusammentrifft bestimmt der § 1483 Abs. 3, daß der geschiedene Ehegatte dem späteren Ehegatten und den minderjährigen unverheiratheten Kindern des Verpflichteten nachsteht, allen übrigen Verwandten aber vorgeht. Diese Bestimmung wurde mit der Abweichung genehmigt, daß der geschiedene Ehegatte dem späteren Ehe⸗ gatten und den minderjährigen unverheiratheten Kindern des Verpflichteten gleichstehen soll.
Einvernehmen bestand, daß, wenn die Che wegen Geistes⸗ krankheit eines Ehegatten geschieden worden ist, ihm der andere Ehegatte den Unterhalt in gleicher Weise zu gewähren habe, wie nach den zu § 1454 und zu § 1483 Abs. 3 gefaßten Beschlüssen der schuldige Ehegatte dem schuldlosen Ehegatten.
Im Anschluß an die Bestimmungen des § 1454 war ferner von einer Seite angeregt, dem § 1258 die Vor⸗ schrift hinzuzufügen, daß, wenn bei der Eheschließung die Nichtigkeit der Ehe beiden Ehegatten un⸗ bekannt gewesen, nach erfolgter Auflösung oder Nichtig⸗ keitserklärung der Ehe jeder Ehegatte dem anderen gegen⸗ über zur Unterhaltsgewährung nach Maßgabe des §, 1454 verpflichtet sein sorulle. Der Anregung wurde jedoch keine Folge gegeben. Dagegen fand ein Antrag, die Vor⸗ schriften des § 1454 auf den Fall auszudehnen, wenn ein Ehegatte, der nach der Todeserklärung des anderen Ehegatten sich wiederverheirathet hat, von dem zu § 1464 beschlossenen Anfechtungsrecht Gebrauch macht, die Zustimmung der Mehrheit. In einem solchen Falle soll danach der die neue Ehe anfechtende Ehegatte verpflichtet sein, dem anderen Ehegatten der neuen Ehe nach § 1454 den Unterhalt zu gewähren, sofern nicht der lettere bei der Eheschließung wußte, daß der für todt erklärte Ehegatte die Todeserklärung überlebt habe.
Die Kommission ging sodann zur Berathung des von dem Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und ehelichen Kindern handelnden dritten Titels (§§ 1497 bis 1561) über.
Die §§ 1497 bis 1500 enthalten allgemeine Vor⸗ schriften. Gegen den § 1497, wonach das eheliche Kind den Familiennamen des Vaters theilt, erhob sich kein Widerspruch. Dagegen wurde der § 1498, der zum besondern Ausdruck bringt, daß das Kind seinen Eltern, so lange es unter ihrer Erziehungsgewalt steht oder von ihnen in ihrem Hausstande unterhalten wird, kindlichen Gehorsam schuldig ist, gestrichen. Die Vorschriften des § 1499 über die Ver⸗ pflichtung des Kindes zu Dienstleistungen in dem Hauswesen und in dem Gewerbe der Eltern, so lange es dem Hausstand der Eltern angehört und entweder unter ihrer Erziehungsgewalt steht oder von ihnen unterhalten wird, gelangten sachlich nach dem Entwurf zur Annahme. Der von einer Seite beantragte Zusatz, daß die Eltern, so lange das Kind ihrem Hausstand angehört und unter ihrer Erziehungsgewalt steht, Dienste des Kindes, die seinen Kräften und seiner Lebens⸗ stellung entsprechen, auch einem Dritten überlassen können, fand keine Billigung; ebensowenig der damit im Zusammen⸗ hang stehende Antrag, als § 1508a zu bestimmen, baß, wenn von dem Inhaber der elterlichen Gewalt einem Kinde gegenüber,
welches das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat, die Erlaubniß, mit
Verlassen des elterlichen Hausstandes in Dienst oder in Arbeit zu treten, ohne zureichenden Grund verweigert oder die er⸗ theilte Erlaubniß ohne zureichenden Grund zurückgenommen oder beschränkt wird, diese Erlaubniß durch das Vormund⸗ schaftsgericht ergänzt werden kann. Dagegen wurde als § 1499 a die Vorschrift beschlossen, daß, wenn das Kind nach Beendigung der elterlichen Gewalt dem Hausstande seiner Eltern angehört und etwas aus seinem Vermögen zur Bestreitung der Kosten des Hausstandes verwendet oder den Eltern zur Verwendung für diesen Zweck überlassen hat, im Zweifel anzunehmen ist, es habe die Absicht, Ersatz zu verlangen, gefehlt. Ferner soll als § 1499 b die Vorschrift auf⸗ genommen werden, daß, wenn ein nach Beendigung der elterlichen Gewalt dem Hausstande des Vaters angehörendes Kind sein Vermögen in der Verwaltung des Vaters beläßt oder dem letzteren später die Verwaltung dieses Vermögens einräumt, der Vater, sofern das Kind nicht ein anderes bestimmt hat, die Einkünfte des Vermögens, die er während der Dauer seiner Verwaltung bezieht, nach freiem Ermessen verwenden kann, soweit sie nicht zur Bestreitung der Kosten einer ordnungsmäßigen Verwaltung und zur Erfüllung solcher Verpflichtungen des Kindes erforderlich sind, die aus den Einkünften bestritten zu werden pflegen. Das gleiche Recht soll der Mutter zustehen, wenn das Kind ihrem Hausstande angehört. Ein Antrag, dem Vater sowie der Mutter das be⸗ eichnete Recht auch gegen den Willen des Kindes zu gewähren, so lange es in dem elterlichen Hausstande verbleibt und von
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dem Vater oder der Mutter unterhalten wird, fand nicht die Zustimmung der Mehrheit.
Die von der Ausstattung der Kinder “ Vorschriften des § 1500 hatten bereits früher bei elegenheit der Berathung der fortgesetzten Gütergemeinschaft ihre Er⸗ ledigung gefunden.
Die §§ 1501 bis 1561 regeln die elterliche Gewalt. Der Entwurf geht davon aus, daß das Kind, so lange es minderjährig ist, unter elterlicher Gewalt steht. Die elterliche Gewalt steht den Eltern gemeinschaftlich zu; bei Lebzeiten des Vaters wird sie indessen von dem Vater und nur während seiner Verhinderung in den gesetzli bestimmten Fällen von der Mutter ausgeübt. a dem Tode des Vaters steht sie der Mutter zu (§ 1501). Gegen diesen Standpunkt des Entwurfs wurde von keiner Seite Widerspruch erhoben, insbesondere wurde die Beendigung der elterlichen Gewalt mit der Voll⸗ jährigkeit des Kindes sowie die elterliche Gewalt der Mutter Fücgecte 0 gebilligt. Ein Antrag: für den Fall, wenn bei em Eintritt der Volljährigkeit des Kindes die Vorqussetzungen vorliegen, unter denen eine Vormundschaft über dasselbe an⸗ zuordnen sein würde, dem Vormundschaftsgerichte die Befugniß zu geben, die Fortdauer der elterlichen Gewalt anzuordnen, sofern das Kind unverheirathet ist, fand nicht die Zustimmung der Kommission.
Auch die Vorschriften des § 1502, wonach die elterliche Gewalt das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen und dessen Vermögen zu ver⸗ walten, sowie das Recht der Nutznießung an diesem Vermögen begründet, gelangten sachlich nach dem Entwurf zur Annahme. Die Berathung des § 1503, der verschiedene, für die vormundschaftliche Verwaltung geltende Vorschriften auf die elter⸗ liche Gewalt überträgt, wurde bis zur nächsten Sitzung vertagt. Die Vorschriften der §§ 1504 bis 1506 über die elterliche Er⸗ ziehungsgewalt, über den Anspruch der Eltern⸗ auf Herausgabe des Kindes gegen Dritte, welche das Kind den Eltern widerrechtlich vorenthalten, sowie über den An⸗ theil der Mutter an der Sorge für die Person des Kindes neben dem Vater fanden in der Hauptsache Zu⸗ stimmung; die Bestimmung des § 1505 Abs. 2, daß zum Zwecke der Zurückführung eines flüchtigen Kindes polizeiliche Hilfe in Anspruch genommen werden könne, wurde jedoch, weil dem öffentlichen Rechte angehörend, gestrichen.
“ . 1““ v111“”] 16““ 8 General⸗Inspekteur des Militär⸗Erziehungs⸗ und Bildungswesens, General der Infanterie von Keßler hat Berlin verlassen.
Der Kaiserliche Gesandte am Königlich serbischen Hofe Freiherr von Waecker⸗Gotter hat einen ihm Allerhoͤchst bewilligten kurzen Urlaub angetreten. Während seiner Ab⸗ wesenheit fungiert der Legations⸗Sekretär Graf von Bern⸗ storff als Geschäftsträger.
Der Königliche Gesandte in Darmstadt Freiherr von Plessen ist vom Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.
Nachdem der bisherige Königlich württembergische Gesandte am hiesigen Allerhöchsten Hofe, Staatsrath von M oser von diesem Posten abberufen worden ist, fungiert bis auf weiteres, wie bisher, der württembergische Militärbevollmächtigte, Oberst und Flügel⸗Adjutant Freiherr von Watter als interimistischer Geschäftsträger. 1
Laut telegraphischer Meldung an das Ober⸗Kommando der Marine ist S. M. Kanonenboot „Iltis“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Graf von Baudissin, am 8. März in Hankow angekommen und beabsichtigt, am 20. d. M. nach Shanghai in See zu gehen. 8
“
Stettin, 9. März. In der gestrigen Sitzung des Provinzial⸗Landtags wurden zunächst Rechnungen dechargiert. Der Antrag der Kommission, den Fonds zur Unterstützung des Chaussee⸗ und Wegebaus für das Jahr 1894/95 von 400 000 ℳ um 50 000 ℳ zu erhöhen, wurde nach lebhafter Diskussion abgelehnt; dagegen soll der Pro⸗ vinzial⸗Ausschuß ersucht werden, für die Zukunft je nach dem Ergebniß einer Prüfung der Bedürfnißfrage eine größere Summe für den gedachten Zweck in den Etat einzustellen. Zur Wiederherstellung bezw. für den Ausbau der St. Marien⸗ kirche zu Bergen auf Rügen wurden 10 000 ℳ, zu dem Bau einer Nebenbahn Greifswald Grimmen — Triebsees 250 000 ℳ bewillligt.
In der heutigen Sitzung wurde zunähst die von dem Provinzial⸗Ausschuß beantragte Aufnahme einer Anleihe von 6 Millionen Mark zur Förderung des Baues von Kleinbahnen berathen. Die Kommission des Provinzial⸗Landtags hat die Aufnahme dieser Anleihe befürwortet, jedoch die Maßgabe hinsichtlich der Gewährung von Beihilfen hinzugefügt, daß höchstens 8000 ℳ Beihilfe für den Kilometer aus Provinzial⸗ mitteln zu gewähren, und daß ferner bei der Feststellung der Höhe dieser Betheiligung der Provinz seitens des Provinzial⸗ Ausschusses auf die dem Kreise vom Provinzialverbande bereits gewährten Mittel zu Kleinbahnbauten Rücksicht zu nehmen sei. Die Summe von 8000 ℳ für 1 km ist darnach berechnet, daß eine Spurbreite von 75 cm thunlich gefördert werden soll, daß die Kosten einer Kleinbahn der⸗ artiger Spurbreite pro Kilometer auf höchstens 25 000 ℳ be⸗ messen sino, und daß der Provinzialverband eine Beihilfe bis zu einem Drittel der Baukosten zu gewähren in die Lage ver⸗ setzt werden soll. Der Antrag der Kommission wurde angenommen, hinsichtlich der Höhe der aufzunehmenden Anleihe fast einstimmig; der hieran geknüpfte Antrag des Abgeordneten Stipanski: „Wenn Prioritäts ⸗ Aktien ausgegeben werden, hat der Provinzial⸗Ausschuß möglichst darauf zu sehen, daß die Hälfte der Betheiligung der Provinz in Prioritäts⸗Aktien angelegt werde“ wurde mit ge⸗ ringer Mehrheit angenommen. Den Antrag des Provinzial⸗ Ausschusses, den Kleinbahnfonds zunächst auf sechs Jahre mit einem jährlichen Zuschuß von 150 000 ℳ zu dotieren, hat sich die Kommission des Provinzial⸗Landtags nicht ang eeignet; die Kommission schlägt vielmehr vor, dem zunächst bereciheren Bedürfnisse entsprechend, nur 49 000 ℳ in den Etat 1894/95 einzustellen. Der Antrag des Provinzial⸗Ausschusses wurde aber angenommen. Der Etat für 1894/95 wurde södannn be⸗ rathen und festgestellt; alt des Landesraths Denhard
Großgrundbesitzes können solche
wird von 9000 ℳ auf 12 000 ℳ erhöht; im übrigen wurden keine wescetlichen Abweichungen von dem vorge egten Ent⸗ wurfe beschlossen. In dem festgestellten Etat befinden sich auch 1200 ℳ Antheil an der einem Provinzial⸗Konservator (zur Organisierung der Denkmalspflege in der Provinz) zu gewäh⸗ renden Remuneration. Hiermit war die Tagesor nnn. erledigt. 3 1 8 Der Königliche Kommissarius gab einen kurzen Rückblick über die Thätigkeit und Beschlüsse des diesjährigen Provinzial⸗ Landtags, sprach den Dank der Königlichen Staatsregierung für die durch diese Beschlüsse bekundete Fürsorge für die Interessen der Provinz aus und erklärte im Namen Seiner Majestät des Kaisers und Königs den 20. Pommerschen
Provinzial⸗Landtag für geschlossen. Die Versammlung trennte sich mit einem begeisterten Hoch ““ 8
*
auf Seine Majestät den Kaiser und König. Württemberg.
Die Kammer der Abgeordneten erledigte gestern die Generaldebatte des Pensionsgesetzes der Körper⸗ schaftsbeamten und beschloß mit 43 gegen 37 Stimmen in die Einzelberathung einzutreten. 8
Oldenburg.
(HI.) Der Landtag ist gestern nach Erledid ung sämmt⸗ licher Vorlagen durch den vsttengen des Staats⸗Mintgeeriumne⸗ Minister Jansen mit folgender Rede geschlossen worden:
Meine hochgeehrten Herren!
Nachdem Ihre umfassenden Arbeiten nunmehr zum Abschluß ge⸗ langt sind, bin ich beauftragt, Ihnen den Dank Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs für die aufopfernde und mühevolle Thätigkeit auszusprechen, welche Sie während einer un ewöhnlich langen Session den mannigfachen an Sie herangetretenen ufgaben gewidmet haben.
Neben der Feststellung des Staatshaushalts und der Sicher⸗ stellung des weiteren Ausbaues des Oldenburgischen Eifenbahnnetzes ist unter den Ergebnissen der Session vor allem herauszuheben die Revision der Gehaltsregulative, welche bei der verwickelten und schwieri⸗ gen Art der Aufgabe Ihre Arbeit und Hingebung in besonderem Maße in Anspruch genommen hat, und durch deren Abschluß eine feste Grundlage der Verhältnisse des Staatsdienstes auf allen Gebieten desselben für hoffentlich viele Jahre geschaffen worden ist.
Unter den wichtigeren Aufgaben, welche Sie im übrigen be⸗ schäftigt haben, und die durch Ihre Berathungen ihrer Lösung ent⸗ gegengeführt worden sind, ist insbesondere der Abschluß der Kommunal⸗ Steuergesetzgebung und die Revision der Wegeordnung für das Herzogthum zu erwähnen. Außerdem sind zahlreiche andere, den Interessen des Landes dienende Vorlagen in erfreulichem, bewährten Einvernehmen zwischen Staatsregierung und Landtag erledigt, sodaß auch Sie, meine Herren, mit Befriedigung auf die hinter uns liegende dreimonatliche Session zurückblicken dürfen!
Im Namen Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs erkläre ich nunmehr den XXV. Landtag des Großherzogthums für geschlossen! Anhalt.
Der Landtag nahm in seiner gestrigen Sitzung den Gesetzentwurf wegen Abänderung einzelner Bestimmungen des Berggesetzes vom 30. April 1875 in dritter Lesung nach den Beschlüssen der zweiten Lesung ohne Debatte an und er⸗ ledigte sodann in zweiter Lesung den Gesetzentwurf über die anderweite Feststellung des Diensteinkommens der Ver⸗ waltungs⸗Beamten und der Justiz⸗Beamten sowie den Entwurf über die anderweite Feststellung des Dienstein⸗ kommens der Richter und den Normal⸗Besoldungs⸗ Tarif nach den Vorschlägen der Kommission in zweiter Lesung. Schwarzburg⸗Sondershausen.
Zur Hebung des durch die Futternoth erheblich zurück⸗ gegangenen Viehbestandes nach einem einheitlichen Ziel hat Seine Durchlaucht der Fürst dem Ministerium die Summe von 10 000 ℳ auszahlen lassen, die unter allmählicher Ver⸗ ausgabung von Zinsen und Kapital in diesem Sinne zur Ver⸗ wendung kommen sollen. 3
8
Reuß j. L.
Der Landtag hat in seiner gestrigen Sitzung einen Antrag der Abgg. Oberländer und Gewofen auf Vorlegung eines Gesetzes, das im Hinblick auf die Gefahr der Aufhebung des Jesuitengesetzes das Fürstenthum vor der Niederlassung dieses Ordens schützen soll, einstimmig angenommen.
Elsaß⸗Lothringen.
In der Sitzung des Landesausschusses vom 8. d. M. erklärte bei der zweiten Lesung des Etals der Verwaltu ng des Innern, und zwar bei der Position für Verbreitung amtlicher Mittheilungen, der Unter⸗Staatssekretär von Köller, daß in diesem Jahre eine Mehrforderung für diesen Titel nicht eingebracht worden sei, weil aus den Ersparnissen früherer Jahre die Kosten gedeckt werden könnten. Er erinnerte dabei an den vorjährigen Abstrich und erklärte, daß, wenn die zu Gebote stehenden Fonds erschöpft sein würden, wiederum eine Mehrforderung gestellt werden müsse. Der Etat, soweit er zur Berathung stand, wurde hierauf unverändert angenommen.
Oesterreich⸗Ungarn. C111X“
Die von der Regierung ausgearbeiteten Grundzüge der Wahlreform, die als Grundlage für die Besprechungen mit den koalierten Klubs dienen sollen, bestimmen, wie „W. T. B.“ meldet, Folgendes: An den zur Zeit bestehenden Wähler⸗ klassen soll weder bezüglich der Vertheilung der Mandate noch
bezüglich der Erfordernisse des Wahlrechts eine Aenderung Platz greifen. Die Ausdehnung des Wahlrechts soll durch Schaffung einer neuen Wählerklasse stattfinden. In dieser Wählerklasse ist wahlberechtigt jeder 24 jährige eigenberech⸗ tigte österreichische, vom Wahlrechte nicht ausgeschlossene Staats⸗ bürger, welcher vor der Wahlausschreibung bereits sechs Monate im Wahlbezirke wohnhaft war und' entweder ein öffentliches Ober⸗Gymnasium oder eine Ober⸗Realschule oder eine diesen gleichgestellte Lehranstalt erfolgreich absolviert, oder die Begünstigung des Einjährig⸗Freiwilligen⸗Rechts erlangt, oder eine gewerbliche Unterrichtsanstalt, deren Zeugniß den Nachweis der Befähigung für das handwerksmäßige Gewerbe ersetzt, erfolgreich zurückgelegt, oder eine vom Staat oder vom Lande erhaltene oder subventionierte Ackerbauschule erfolgreich besucht
und einer Krankenkasse als versicherungspflichtiges Mitglied mindestens zwei Jahre ununterbrochen angehört, oder seit zwei entrichtet hat. Aktiv dienende deftziere Militär⸗Geistliche, Gagisten, Personen der bewaffneten Macht sowie der
Jahren eine landesfürstliche direkte Steuer
des Mannschaftsstandes 1 Gendarmerie — die zeitlich beurlaubten inbegriffen — sind weder wählbar noch wahlberechtigt. In der ersonen das Wahlrecht, wenn ihnen vermöge Grundbesitzes zukommt, nur durch Bevoll⸗
mächtigte ausüben.
ählerklasse des
Von der Wählbarkeit sind nebst den obigen auch alle in dauernder oder zeitlich aktiver Dienst⸗ leistung be ndlichen Beamten der bewaffneten Macht 85 schlossen. Die Zahl der Mandate der neuen Wählerklasse wird auf 43 festgesetzt und zwar für Böhmen 7 Landgemeinde⸗ und 3 Stadtpahlbezirte, für egser 9 Landgemeinde⸗ und ein Stadtwahlbezirk, für Niederösterreich ein Landgemeinde⸗ und 3 Stadtwahlbezirke, für Mähren 3 Landgemeinde⸗ und ein Stadtwahlbezir! mit je einem Mandat. Steiermark und Tirol erhalten je 2, die übrigen Länder je ein neues Mandat. Direkte Wahlen der neuen Wählerklasse in den bisherigen Landgemeinde⸗ und nichtstädtischen Wahlbezirken sind dort in Aussicht zu nehmen, wo dies die Landes esetz⸗ gebung als zulässig erkennt. Für die direkten Wahlen wären in den Wahlbezirken der Landgemeinden und der neuen Wählerklasse kleinere Wahlkreise für je 4000 Seelen zu bilden, bezw. kleinere Gemeinden bis zu dieser Seelenzahl zusammenzuziehen und ““ Gemeinden zu theilen. Jeder Wahlkreis hat seinen auf administrativem Wege zu bestimmen⸗ den Wahlort. Der Landes esesgebung bleibt es vorbehalten, hinsichtlich der Bildung dieser kleineren Wahlkreise und hin⸗ sichtlich der Wahlorte andere Bestimmungen zu treffen. In jedem Wahlorte werden die Stimmen gezählt. Das Amt des Wahlkommissars in den Wahlkreisen sol zum Ehrenamt er⸗ klärt werden, zu dessen Annahme Jedermann verpflichtet ist. Im österreichischen Abgeordnetenhause legte die Regierung gestern das Budgetprovisorium für die Monate April und Mai vor. Der Abg. Bianchini richtete eine Anfrage an die Regierung über die Verhandlungen mit Frankreich wegen Herabsetzung des Zolls auf den Im⸗ port von französischen Weinen. Nach kurzer Debatte nahm das Haus sodann den Gesetzentwurf über die provisorische Regelung der Handelsbeziehungen mit Rußland in allen Lesungen an. Im Laufe der Debatte erklärte der Abg. Freiherr von Morsey, seine Partei werde für die Handels⸗ verträge nur unter der Bedingung stimmen, daß mit Rumänien und Rußland keine Veterinär⸗Konventionen abgeschlossen werden. In dem Polenklub brachte gestern der Abg. Lewicki die Selbst morde von Soldaten zur Sprache, die in der letten Zeit mehrfach in der Garnison zu Przemysl vor⸗ gekommen seien, und bemerkte, nach seinen Informationen trefe nicht die Offiziere, sondern Unteroffiziere resp. Gefreite die Schuld an denselben. Der Polenklub beschloß, eine Depu⸗ tation in dieser Angelegenheit an den Kriegs⸗Minister zu ent⸗ senden. — Der Obmann des Polenklubs Benoë ist gestern Nachmittag gestorben. 8 Der fortschrittliche Parteiverband des Ge⸗ meinderaths erklärte sich in einer gestern abgehaltenen Sitzung ohne Debatte mit 70 von 71 Stimmen für die Wahl des Vize⸗Bürgermeisters Nichter zum Bürgermeister. Die Wahl Richter's ist somit gesichert. “
11 Großbritannien und Irland. . englische Gesandte in Teheran Sir F. Lascelles ist, wie „W. T. B.“ aus London erfährt, zum Botschafter in St. Petersburg ernannt worden.
Die Besserung im Befinden Gladstone's macht gute
Fortschritte. Frankreich.
Der Prinz von Wales hat sich, wie „W. T. B.“ meldet, gestern von Cannes nach Mentone begeben, um dem Kaiser und der Kaiserin von Oesterreich einen Besuch abzustatten. 8
Die Armeekommission hat, wie die „Köln. Ztg.“ er⸗ fährt, den Antrag angenommen, die für die Hilfsdienste der Armee vorgesehenen Leute, die bis jetzt nur in Kriegszeiten einberufen werden konnten, in zwei Klassen einzutheilen, und zwar in solche, die in Friedens⸗ zeiten als Nicht⸗Kombattanten zum Dienst heranzuziehen seien, und solche, die nur in Kriegszeiten Dienst thun sorullen. Der Kriegs⸗Minister General Merceier habe bereits erklärt, daß zur Ausführung dieses Beschlusses kein b nothwendig sei. Man könne ihn durch einfache Verfügung au dem Verwaltungswege in Kraft setzen. Zweck der Ein⸗ berufung der Nicht⸗Kombattanten in Friedenszeiten ist, die Zahl der Kombattanten, von denen bis jetzt ein ganz beträchtlicher Theil für die Hilfsdienste verwandt wird, zu vermehren. Ein anderer vom Deputirten Montfort ge⸗ stellter Antrag verlangt, die mit dem neuen Militärgesetz ab⸗ geschaffte Wiederanwerbung von Mannschaften wieder einzu⸗ führen, damit jedes Regiment eine gewisse Anzahl alter Sol⸗ daten besitze. 1
6 Kardinal⸗Erzbischof von Rouen Thomas ist gestern gestorben.
Gestern Vormittag wurden in Paris neun Anarchisten verhaftet, darunter ein Italiener Namens Maglia
Italien. v “ “ 8 .“ Deputirtenkammer ertheilte gestern, wie „W. T. B.“ meldet, mit großer Mehrheit die Ermächtigung zur gerichtlichen Verfolgung des Deputirten de Felice Giuffrida wegen Verschwörung gegen die Sicherheit des Staats und Aufreizung zum Bürgerkriege. Die Regierung wurde ermächtigt, de Felice Giuffrida in Haft zu belassen. Seitens der Quästur wird die gestern gemeldete Dar⸗ stellung des Attentats 8 der Piazza del Monte Citorio für unrichtig erklärt. Nach den übereinstimmenden Aussagen der vernommenen Zeugen sei die Holzschachtel an dem Kammer⸗ gebäude niedergelegt, aber niemandem übergeben worden. Weitere Verhaftungen hätten nicht stattgefunden. Die Bombe habe aus einer Petroleumkassette bestanden, die sich in der Holzschachtel befunden habe. Der Explosionsstoff sei noch nicht festgestellt worden, doch habe er jeden⸗ falls nicht nur aus Schießpulver bestanden. Von den infolge des Attentats verhafteten Personen sind drei wieder freigelassen worden. Die gerichtliche Untersuchung dauert fort. Der Zu⸗ stand von zwei Verwundeten hatte sich gestern Morgen ver⸗ schlimmert; die anderen Verwundeten befinden sich dagegen besser. Der Thatort wird vom Publikum viel besucht. Der Kardinal Ricci ist gestern gestorben.
1 Spanien.
Sagasta konferierte nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Madrid gestern mit dem Präsidenten beider Kammern und mit mehreren Ministern des zurücktretenden Kabinets, unter anderem mit Gamazo.
e Der „Imparcia!l“ spricht den Wunsch aus, daß bei der Bildung eines neuen Kabinets einige neue Elemente in as Kabinet aufgenommen würden, die ihm neues Blut zuzu⸗ füͤhr geeignet seien. Das Blatt hofft, der Schatz⸗Minister
Gamazo werde das Portefeuille des Schatzes behalten. Pa Correspondencia“ sagt, wenn Gamazo aus Besorfgniß, von seinen Kollegen in jedem Augenblick die eben über⸗ wundenen Schwierigkeiten wieder aufgeworfen zu sehen, in das Kabinet nicht eintreten sollte, so würde die Krisis eine ganz ausnahmsweise Bedeutung annehmwen. 8
Niederlande.
Die Zweite Kammer nahm, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, gestern ein Amendement des Abg. de Mayier zu dem Hauptartikel des Wahlreform⸗Gesetz entwurfs an, worin als Bedingung der Ausübung des Wahl⸗ rechts ein gewisser Steueranschlag festgesetzt war. Der⸗ Minister des Innern Dr. Tak van Poortvliet zog infolge dessen den Gesetzentwurf zurück. Die Kammer vertagte sich hierauf kurze Zeit. Nach Wiederaufnahme der Sitzung theilte der Präsident mit, die Regierung halte es nicht für nothwendig, jetzt weitere Gesetzentwürfe zu berathen, gleichviel ob in Plenar⸗ oder Ausschußsitzungen. Die Kammer v ertagte sich darauf auf unbestimmte Zeit. Die Auflösung der Kammer ist wahrscheinlich.
Rumänien.
Die Deputirtenkammer genehmigte dem „W. T. B.“ zufolge gestern die Budgets der Staatsschulden, der öffent⸗ lichen Arbeiten, der Domänen, des Innern und des Aus⸗ wärtigen. Die Abstimmung über das Gesammtbudget wurde wegen Beschlußunfähigkeit auf heute vertagt.
Schweden und Norwegen.
In der gestrigen Sitzung des Storthing beantragte nach einem Telegramm des „W. T. B.“ aus Christiania der Abg. Ullmann eine Tagesordnung, worin es heißt: in dem Schweigen der Thronrede über die Fragen, um derentwillen das Ministerium die Regierung übernommen habe, sehe das Storthing einen neuen Beweis von dem Mangel an Fähigkeit und gutem Willen der Regierung, diese Fragen zu lösen, die Selbständigkeit des Reichs zu behaupten und sein Wohl zu sühe und beschließe, daß der offene Brief des Königs mit der Rede dem Protokoll beigelegt werden soll.. 8
Amerika. 8
Nach einer Fs dung der New⸗Yorker „World“ aus Rio de Janeiro vom 8. d. M. kreuzen alle dort stationierten Kriegsschiffe, mit Ausnahme der amerikanischen, außerhalb der Bucht von Rio, um dem gelben Fieber hu entgehen. Das Schiff der Aufständischen „Victoria“ soll auf einen eng⸗ lischen Remorqueur geschossen und einen Mann von dessen Besatzung gefangen genommen haben.
Die Wahlen zum chilenischen Kongreß sind nach einer Meldung des Reuter'schen Bureaus aus Valparaiso be⸗ endet. Der neue Senat ist aus 21 Liberalen und 11 Konser⸗ vativen zusammengesetzt. In der Kammer gewinnen Liberale und Konservative 28 Sitze, die Balmacedisten 22, die Radikalen 6.
Asien.
Nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ aus Kalkutta wäre die Expedition gegen den feindlichen Aborstamm, wie Berichte von Eingeborenen besagten, nach zweitägigem Kampf zum Rückzug gezwungen worden. Eine Abtheilung von drengig Mann unter Führung eines britischen Offiziers solle niedergemetzelt sein. Verstärkungen seien abgegangen.
1 Afrika.
Nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ aus Kairo wird der Khedive voraussichtlich im Anfang des Monats Juni nach der Schweiz reisen, um dort sechs Wochen zu bleiben und alsdann gleich wieder nach Egypten zuruͤck⸗ zukehren. 1 b
Ueber die Veranlassung zu dem in Nr. 58 d. Bl. gemeldeten Zusammenstoß zwischen den Engländern und Portu⸗ giesen erfährt das „Reuter'sche Bureau“, daß die Mozambique⸗ Gesellschaft von der Transkontinentalen Telegraphen⸗Gesellschaft eine Geldentschädigung habe erhalten wollen. Da die Telegraphen⸗ Gesellschaft sich nicht dazu verstanden habe, so sei es zunächst zu kleinlichen Chikanen gekommen. Die britischen Kanonenboote „Mosquito“ und „Herald“ hätten z. B. wo anders hinsegeln müssen, um h und Kohlen zu bekommen. Die un⸗ mittelbare Ursache des Konflikts sei der Umstand gewesen, daß zwei Schüsse vom portugiesischen Fort zur Warnung gefallen seien. Darauf seien zwei portugiesische Boote vom Fort nach dem anderen Ufer des Flusses ge⸗ rudert, und deren Bemannung 1 begonnen, die Telegraphenpfähle aus der Erde zu graben. Der Befehlshaber des britischen Kanonenboots „Mosquito“ habe darauf den Kommandanten des Forts benachrichtigt, daß er das Feuer beginnen würde, falls die Portugiesen fortfahren würden, der Legung des Telegraphen Hindernisse zu bereiten.
. Parlamentarische Nachrichten.
Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tags befinden sich in der Ersten, die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Herrenhauses und des Hauses der Abgeordneten in der Zweiten Beilage.
— Der heutigen 68. Sitzung des Reichstags wohnten der Reichskanzler Graf von Caprivi, die Staats⸗ sekretäre Dr. von Boetticher und Freiherr von Marschall, der Königlich preußische Minister für Handel und Gewerbe von Berlepsch und der Königlich preußische Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden bei. Der Abg. von Koscielski (Pole) hat sein Mandat niedergelegt.
In erster und zweiter Berathung erledigte der Reichstag den Gesetzentwurf, betreffend die Verlängerung des Handels⸗ provisoriums zwischen dem Reich und Spanien.
Darauf folgt die zweite Berathung des Handels⸗ und Schiffahrtsvertrags zwischen dem Reich und Rußland.
Vor dem Eintritt in die Verhandlung spricht der
Abg. Freiherr von Manteuffel (dkons.) namens der kon⸗ servativen Partei das Bedauern aus, daß über einen so wichtigen Vertrag ein schriftlicher Bericht nicht erstattet worden ist. Ein An⸗ trag der Konservativen in der Kommission auf Erstattung eines schriftlichen Berichts blieb in der Minorität. Nun ist doch sonderbar: beim österreichischen Handelsvertrag wurde überhaupt keine
Kommissionsberathung beschlossen, für die drei sogenannten kleinen
Handelsverträge wurde Kommissionsberathung und schriftlicher Bericht für nothwendig erachtet, und für den schwerwiegenden russischen Handels⸗ vertrag lehnt man schriftlichen Bericht ab! Das gr- im Lande den Eindruck machen, als wenn dieser Vertrag der a ergleichgültigste von allen jenen Verträgen ist! Abg. Rickert (fr. Vg.): Die ganze Erwerbswelt in Deutschland sieht diesem wichtigen Werk mit Spannung entgegen: sie würde Verluste erleiden, wenn der Vertrag nicht bis zum 20. Mä
zu stande käme, jeder Tag und jede Woche ist hier von Wichtigkeit. Deßhalb haben wir es für unsere Lich; gehalten, das Werk vor Ostern zu Ende zu bringen. Die Gegner haben in der Kommission nicht einen einzigen neuen Grund vorgebracht und wir haben uns bereit er⸗ klärt, in Tages⸗ und Abendsitzungen zu verhandeln. Nur einmal wurde von mir ein Antrag auf der Diskussion gestellt, aber sofort auf den Widerspruch der Rechten zurückgezogen. Es würden drei, vier, ja fünf Wochen verloren gehen, wenn schriftlicher Bericht beschlossen worden wäre. Wir sind auch jetzt bereit, in Tages⸗ und Abendsitzungen so lange sprechen zu lassen, wie Sie wollen; aber der Vertrag muß am 20. März in Kraft treten.
Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Auch meine Partei hätte eine schriftlichen Bericht gern gesehen, wir wollten aber vor Ostern ferti werden. Ein Herr der Rechten wollte den schriftlichen Bericht bis Sonnabend, den 10. März, erstattet wissen. Das war aber nur auf Kosten der Gründlichkeit des Berichts möglich und würde das Zu⸗ standekommen des Vertrags um mindestens 14 Tage verzögert haben.
Abg. Dr. Hammacher (nl.), als Vorsitzender der Kommission, bestätigt, daß den Gegnern des Vertrags in der Diskussion der weitest Spielraum gewährt worden ist. Wenn die Gegner einen schriftliche Bericht für nothwendig halten, so können sie ja noch heute einen solchen Antrag stellen. 1 8
Abg. Freiherr von Manteuffel (dkons.): Das thun wir nich weil die Majorität des Hauses doch gegen uns entscheiden würde. Die Freunde des Vertrags haben sich in der Kommission so gut wie gar nicht an der Diskussion betheiligt, sie vermochten eben keine Gründe für ihre Haltung vorzubringen. Nur damit dies dokumentier haben wir besonderen Werth auf einen schriftlichen Bericht gelegt. 8 Abg. Dr. Hammacher (nl.): Ich muß der Kritik der Kom⸗ missionsverhandlungen seitens des Abg. Freiherrn von Manteuffel ent⸗ schieden entgegentreten. Auch die Freunde des Vertrags haben in der Kommission ihre Gründe ausgiebig zum Ausdruck gebracht. Die Be⸗ sorgniß des Abg. Freiherrn von Manteuffel, er werde mit einem Antrag auf Zurückverweisung an die Kommission behufs schriftlicher Berichterstattung in der Minorität bleiben, beweist nur, daß die Kommission in voller Uebereinstimmung mit der Mehrheit des Reichs⸗ 81 den Beschluß gefaßt hat, die schriftliche Berichterstattung ab⸗ zulehnen.
Dearauf beginnt die zweite Berathung. Berichterstatter ist der Abg. Möller inl.).
Zur Debatte steht zunächst der Art. 1 und die Bemerkung des Schlußprotokolls dazu. Nach Art. 1 sollen die Angehörigen eines der beiden vertragschließenden Theile im Gebiet des andern die gleichen Rechte genießen, wie die Inländer, und keine höheren Abgaben zahlen. Der zweite Absatz lautet:
„Es herrscht jedoch darüber Einverständniß, daß durch die vor stehenden Bestimmungen die besonderen Gesetze, Erlasse und Ver⸗ ordnungen auf dem Gebiete des Handels, der Gewerbe und der Polizei nicht hberührt werden, welche in jedem der beiden vertrag⸗ schließenden Länder gelten oder gelten werden und auf alle Aus⸗ länder Anwendung finden.“
Nach dem Schlußprotokoll sollen im Paßwesen die An Fehörichen beider Theile wie die der meistbegünstigten Nation
ehandelt werden. 8
Abg. Dr. Hasse (nl.) wünscht, daß die Vertreter der verbündeten Regierungen über die Bedeutung dieses Artikels dieselbe Erklärung ab⸗ geben möchten wie in der Kommission. Besonders müßte aufgeklärt werden, was unter „Polizei“ im zweiten Absatz zu verstehen ist, und ob die Regierung durch diesen Artikel unsere autonome Gesetzgebung gebunden hat, sodaß sie gegenüber den Anträgen, welche dem Reichstag vorliegen, wonach die Einwanderung russischer Juden verboten werden soll, erklären könnte, wir sind durch den Vertrag gebunden, solche Einwanderung zu dulden. Die Thatsache, daß früher alljährlich 50 bis 70 000 Personen über die Grenze kamen, theils in Deutschland blieben, theils wieder zurückgewiesen wurden, war keine erfreuliche. Es ist ja jetzt eine Beschränkung darin eingetreten. Man hat früher gemeint, daß die Sachsengängerei die Ursache dieser Einwanderung sei; die Untersuchung des Vereins für Sozialpolitik, welche Professor Weber⸗Berlin bearbeitet hat, hat aber ergeben, daß nur, wenn die russischen Arbeiter einwandern, die deutschen Arbeiter auf die Sachsengängerei sich begeben. Die Einwande⸗ rung ist also die Ursache, nicht die Wirkung der Sachsengängerei. Deshalb sollte man die Einwanderung aufheben und nicht beleben. Wir hätten gewünscht, daß wir nur die handelspolitischen Bestim⸗ mungen anzunehmen gehabt hätten, für welche überwiegende Gründe shte den. Wir befinden uns aber, und zwar nicht bloß die⸗ jenigen meiner Freunde, welche von ihren ländlichen Wählern gedrängt werden, gegen den Handelsvertrag zu stimmen, sondern die meisten meiner Freunde nicht in einer frohen Stimmung. Da ich das Wort einmal habe, will ich die Regierung bitten, die Aufhebung der Staffeltarife nicht erst am 1. September, sondern schon am 1. August eintreten zu lassen. 8 b6
Bei Schluß des Blattes nimmt der Reichskanzler Graf von Caprivi das Wort. Wir werden diese Rede am Montag im Wortlaut mittheilen.
— In der heutigen 33. Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Staats⸗Minister Dr. Bosse mit Kommissarien beiwohnte, wurde die zweite Berathung des Etats des Ministe riums der geistlichen ꝛc. An⸗ gelegenheiten bei dem Kapitel „Elementarschulen“ weiter fortgesetzt. 8 3
An den Titel „Besoldungen für 254 Kreis⸗Schulinspektoren“ knüpfte sich eine längere Debatte, über welche wir in der Montags⸗Nummer ausführlich berichten werden. (Schluß des Blättes.)
— Die Wahlprüfungskommission des Reichstags beantragt, die Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl des Abg. von Gerlach (dkons.) im dritten Wahlkreise des Regierungsbezirks Köslin (Köslin, Kolberg, Körlin und Bublitz) bis zum Eingang weiterer Ermittelungen auszusetzen.
Von den Abgg. Auer (Soz.) u. Gen. ist im Reichstage folgende Resolution zur zweiten Berathung des Entwurfs eines Ge⸗ setzes, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts⸗Etats für das Etatsjahr 1894/95 (Kap. 1 Tit. 5 b der Einnahmen), eingebracht: Der Reichstag wolle beschließen: den Herrn Reichskanzler zu er⸗ suchen, nach jeder Neubemessung der Jahresmengen an Branntwein, die die eiazelnen Brennereien während der Kon⸗ tingentsperiode zum niedrigeren Satz der Verbrauchsabgabe herstellen dürfen, spätestens bis zum Schluß des Betriebsjahres dem Reichstag ein ds Steuerdirektivbezirken und für jeden Steuerdirektivbezirk nach der Höhe des Kontingents geordnetes Verzeichniß der in § 2 Alinea 4 des Gesetzes, betreffend die Besteuerung des Branntweins, näher be⸗ zeichneten Brennereien vorzulegen, deren Kontingent mindestens 200 hl beträgt, unter Angabe von Namen und Wohnsitz des Unternehmers jeder Brennerei, die nach ihrer Eigenschaft als landwirthschaftliche oder gewerbliche aufzuführen ist. v1 “