1894 / 60 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 10 Mar 1894 18:00:01 GMT) scan diff

seien für eine Zulage, auf die sie einen Anspruch hätten, die ihnen aber nicht gewährt worden sei. Noch immer stehe die Zahlung der Staatszuschüsse für diese Anstalt aus.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath 88n Die Erledigung der Angelegenheit hat sich für die Schulen des Regierungsbezirks Danzig allerdings verspätet; die Anweisung der Zuschüßse wird aber schon in den nächsten Wochen oder Tagen erfolgen und dann selbstverständlich auch die Nachzahlung derselben seit dem 1. April 1893.

Abg. Krah (fr. kons.) vertritt nochmals den Wunsch der Lehrer in Neumünster, entgegen den Ausführungen des Re⸗ ierungskommissars, und hält es auch im Interesse der Stadt selbst für nothwendig, an der Anstalt die Dienstalterszulagen einzuführen. 1 .Abg. Groth (nl.) ist der Ansicht, daß die Entscheidung darüber, was für die Interessen der Stadt Neumünster erforderlich sei, derselben füglich überlassen bleiben könne.

Der Titel wird genehmigt.

Den Fonds von 50 000 zu Stipendien und 11 für Schüler deutscher ““ an höheren Lehranstalten in Westpreußen, Posen und Oppeln wünscht 3

Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole) beseitigt und die Etats⸗ summe mit dem Fonds von 22 097 zu Stipendien und Unter⸗ stützungen für würdige und bedürftige Schüler von Gymnasien und Realgymnasien vereinigt zu sehen.

Der Antrag wird abgelehnt und beide Titel werden gesondert bewilligt, ebenso der Rest des Kapitels.

Es folgt das Ausgabekapitel „Elementarunterrichts⸗ wesen“, 63 398 480

Referent Abg. Dr. Weber⸗Halberstadt (nl.) weist darauf hin, daß die Beseitigung der Hilfslehrerstellen an den Seminaren in Aussicht genommen sei. Die Budgetkommission habe sich sehr ein⸗ ehend mit der Prüfung der Gehälter für die Seminarlehrer be⸗ schäftigt; es sei auch eine einigermaßen wohlwollende Erklärung für die Zukunft abgegeben worden, wenn auch gegenwärtig nichts für diese Lehrer geschehen könne.

Abg. Böttinger (nl.) bedauert letzteres lebhaft; schon im vorigen Jahre seien bei den Lehrern Hoffnungen erweckt worden, die jetzt wieder nicht in Erfüllung gingen. Der ordentliche Seminarlehrer habe nur 1800 Anfangsgehalt, sodaß die Besetzung der ordent⸗ lichen Seminarlehrerstellen mit Schwierigkeiten verbunden sei. Thue man auch jetzt nichts, so werde diese Schwierigkeit noch größer werden. Unter dieser Sachlage müsse der Staat erheblich leiden; er stehe vor der Gefahr eines dauernden Wechsels an einer Stelle, wo gerade Kon⸗ tinuität die Grundlage eines erfolgreichen und ersprießlichen Unterrichts sei. Mit der Anerkennung der Leistungen der Seminarlehrer sei ihnen nicht gedient. Die Seminarlehrer hätten das Recht, ihre Wünsche dem Landtage vorzutragen, und der Landtag müsse sie in ihrem Bestreben unterstützen. Auch die ungünstige Finanzlage des Staats könne für diese dringende Angelegenheit nicht ins Feld ge⸗ führt werden. Man müsse das Anfangsgehalt auf 2000 festsetzen und dang in dreijährigen Steigerungen von je 200 zum Höchst⸗ gehalt von 3600 fortschreiten. 8

Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Germar: Die Gehaltsaufbesserung ist für eine Reihe anderer Kategorien ebenso dringlich wie für die Seminarlehrer; wie die anderen, werden auch diese Beamten warten müssen, bis die Finanzlage sich gebessert hat. Um die Wechselbezie⸗

hungen zwischen dem Seminar und der Volksschule zu erleichtern, sollen nur solche Lehrer zum Seminardienst herangezogen werden, welche schon eine reichere Erfahrung im Volksschuldienste erworben haben. Zu diesem Zweck ist eben die Beseitigung der vorhandenen Hilfslehrerstellen an den Seminaren in Aussicht genommen, so daß die Volksschullehrer sofort in ordentliche Lehrerstellen an den Semi⸗ naren einrücken können. Damit wird auch für die Seminarlehrer ein Fortschritt gemacht. 8 1 Abg. Neubauer (Pole) verlangt die Einführung des polnischen Sprechunterrichts für die Kandidaten des Lehramts und für die An⸗ ehörigen der Präparandenanstalten Westpreußens. Außerdem beklagt sich Redner über die Zurückweisung von polnischen Zöglingen von dem Seminar in Tuchel und verlangt für die Provinz ein viertes katho⸗ lisches Seminar. .

Ministerial⸗Direktor Dr. Kügler: Wenn der Minister neuerdings für Oberschlesien angeordnet hat, daß nur solche Lehrer aufgenommen werden sollen, welche des Polnischen mächtig sind, so gab dazu der Mangel an solchen Kräften Veranlassung. In Westpreußen ist ein solcher Mangel bis jetzt nicht zu bemerken gewesen. In Tuchel war eine Ueberfüllung eingetreten. In Westpreußen soll ein viertes Seminar nur deshalb begründet werden, um drei an den bestehenden drei Seminaren eingerichtete höchst störende Nebenkurse zusammen⸗ zuziehen. Eine vermehrte Ausbildung seminaristischer Lehrer wird dadurch nicht herbeigeführt. Aus bloßer Parität könne man nicht auch gleichzeitig ein viertes katholisches Seminar errichten. 8

Abg. Rickert (frs. Vg.) bittet den Minister um Auskunft, wie

r über die Einführung des hauswirthschaftlichen Unterrichts, nament⸗ lich in den Lehrplan der Lehrerinnenseminare, denke. In England habe man damit sehr viel weiter gehende Versuche gemacht, und es würde erwünscht sein, durch einen Bericht vom Ministerium darüber Aufklärung zu erhalten. In Cassel seien auf diesem Gebiet besonders erfreuliche Resultate erzielt worden Die praktische Aus⸗ bildung unserer Hausfrauen schon in der Schule sei mehr denn je eine Nothwendigkeit. Auch eine gute Buchführung könnte den Töchtern des Volks nicht schaden.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Die Voraussetzung des Herrn Abg. Rickert, daß

zu der Einführung des Haushaltungsunterrichts und überhaupt der ganzen Frage gegenüber eine freundliche Stellung einnehme, ist voll⸗ kommen zutreffend. Wir befinden uns mit diesem Unterricht gegen⸗ wärtig noch im Stadium des Versuchs. Es bestehen zwei große Richtungen: die eine Richtung will den Haushaltungsunterricht ein⸗ fügen in die eigentliche Volksschule, und die andere Richtung hält es, nament⸗ lich unseren deutschen Verhältnissen gegenüber, für angemessen, wenn man den Haushaltungsunterricht gewissermaßen als einen Fortbildungsunter⸗

icht an die Volksschule anschließt. Dann kann man es auch mehr

em freien Ermessen überlassen. Im allgemeinen scheint zur Zeit diese zweite Richtung weit zu überwiegen. Bei mir überwiegt sie

eshalb wenigstens noch zur Zeit, weil ich erst für unsere Volksschule

as tägliche Brot beschaffen möchte, ehe ich so weit gehe, solche neuen

inrichtungen einzuführen. Ja, meine Herren, so lange wir noch 13 789 Schulen haben, von denen ich zugeben muß: sie sind überfüllt,

ämlich 39,69 % aller unserer Volksschulen, so lange kann ich in großem Umfange solche Neuerungen, die sehr kostspielig sind und die doch auch nach manchen Richtungen noch sehr fraglich sind, nicht wohl unternehmen. Wohl aber kann ich die Augen aufmachen, kann überall, wo Anfänge derartiger Einrichtungen sind, auch dafür besorgt sein, daß diese Versuche fortgesetzt werden, und daß dabei Erfahrungen gemacht werden, um demnächst, wenn wir einmal weiterkommen mit unserem gesammten Schulwesen, auch diese Sachen von Staatswegen in die Hand zu nehmen. Ich bin auch gern bereit, über die englischen Verhältnisse, soweit es mir mög⸗ lich ist, mich informieren zu lassen und selbst Schritte zu thun, um diese Informationen einzuziehen. Aber ich hoffe, Herr Abg. Rickert wird mit mir darin einverstanden sein, daß ich zunächst einmal unsere überfüllten Schulen im Auge haben und das Nothwendige thun muß, ehe ich an diese Ausgestaltung, die über das Nothwendige hinausgeht, in großem Umfange herantrete.

Befunlüch, polnisch sprechende Seminarlehrer einzustellen, Gebrauch gemacht werden solle.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich habe den Wortlaut meiner neulichen Er⸗ klärung über die Frage, inwieweit in den oberschlesischen Seminaren dafür gesorgt werden soll, daß utraquistische Lehrer vorhanden sind, nicht zur Hand. Gemeint ist die Sache so, wie mein Herr Kommissar es vorhin auseinandergesetzt hat. Wir hatten es war darüber gerade von geistlicher Seite geklagt worden in Oberschlesien einen Mangel an solchen Seminaristen, die überhaupt polnisch verstehen, und ich habe darauf die Seminare angewiesen, so viele utraquistische, des Polnischen mächtige Zöglinge in die Seminare aufzunehmen, daß wir Lehrer ausbilden können, die auf der untersten Stufe den Religions⸗ unterricht mit Erfolg polnisch ertheilen können.

Abg. Szmula (Zentr.): Es muß doch aber auch ei nj 11A4“ 19 08 drs acisten a8 dach b8“ .“

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Ich will dem Herrn Abgeordneten nur erwidern: es ist doch viele Jahre in Oberschlesien so gegangen, daß der polnische Religions⸗ unterricht auf der Unterstufe von solchen Lehrern ertheilt ist, die im Seminar besonderen Unterricht in der polnischen Sprache nicht empfangen haben. Es hat sich also gar kein Bedürfniß dafür herausgestellt, im Seminar besonderen Sprachunterricht für die Seminaristen zu ertheilen, und doch sind sie fähig und tüchtig gewesen, diesen polnischen Religionsunterricht in den Schulen zu ertheilen. Ich halte das auch für sehr gut möglich; wenn sie des Deutschen und des Polnischen vollkommen mächtig sind und den Religionslehrstoff in deutscher Sprache sich angeeignet haben, dann müssen sie auch im stande sein, diesen Unterricht in polnischer Sprache zu ertheilen. Ich kann also zur Zeit ein weitergehendes Bedürfniß, als ich es zu be⸗ friedigen mich bereit erklärt habe, nicht anerkennen.

Abg. Szmula (Zentr.): Der Unterricht sei allerdings auf der polnisch ertheilt worden, aber er habe nur geringe Früchte etragen. b Die Forderungen für die Seminare und Präpa⸗ randenanstalten werden bewilligt.

Bei den Ausgaben für die Schulaufsicht (73 Schul⸗ räthe u. s. w.) empfiehlt

Abg. Dauzenberg (Zentr.) eine Dezentralisation der Schul⸗ aufsicht, deren Wirkungskreis jetzt ein räumlich sehr ausgedehnter sei, und die Beseitigung des Territorialsystems, nach dem sämmtliche Schulen eines und desselben Kreises ohne Rücksicht auf die Konfession einem und demselben Rath übertragen würden. Diesen Ueberrest der Kulturkampfzeit sollte man doch endlich vertilgen. Bei der Be⸗ setzung der Schulrathsstellen sei auch die wünschenswerthe Parität nicht gewahrt. Redner beschwert sich ferner über eine Verfügung der Regierung in Düsseldorf, wonach am Tage des „ewigen Gebets“ den Schulen untersagt worden sei, den Unterricht ausfallen zu lassen. Inzwischen sei allerdings durch Ministerialerlaß für den Niederrhein der Fortfall des Unterrichts an diesem großen Feiertage angeordnet worden. Sei diese Verfügung eine ganz allgemein erlassene, so würde der Minister den Dank der katholischen Kirche verdient haben.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Ja, meine Herren, auf die direkte Frage muß ich ja antworten. Ich kann aber diese Frage, ob es gerecht und billig sei, daß, da alle Oberinstanzen mit protestantischen Beamten besetzt seien, nunmehr in den nachfolgenden Instanzen, namentlich in der Regierungsinstanz, in denjenigen Bezirken, wo die katholischen Einwohner überwiegen, die Leitung der Geschäfte einem Katholiken anvertraut werden müsse, nicht unbedingt bejahen. Wir haben Fälle genug, in denen auch der einer anderen Konfessson angehörige leitende Beamte in tadelloser Weise und zur vollkommenen Zufriedenheit auch der katholischen Bevölkerung die Geschäfte leitet. Ich kann aber dem Herrn Abgeordneten versichern, daß, wenn wir tüchtige, für diese Stellen geeignete katholische Beamte für derartige Bezirke finden, wir sie mit Freuden nehmen werden. Ich bin erst kürzlich in der Lage gewesen, mit dem Herrn Minister des Innern einig darüber zu sein, daß wir in einen überwiegend katholischen Bezirk einen Ober⸗ Regierungs⸗Rath katholischer Konfession schicken wollten; als wir anfragten, sagte uns der Betreffende ein richtiger Katholik, ein tüchtiger, bewährter Beamter —: es thut mir leid, ich will nicht Ober⸗Regierungs⸗Rath werden; kurz, er lehnte ab. Das ist seine Sache; der eine interessiert sich mehr für diese, der andere mehr für jene Seite des öffentlichen Lebens. Kurz, wir haben aber in diesem Fall, da die Besetzung schnell erfolgen mußte, keinen anderen geeigneten Katholiken finden können und haben einen evangelischen Beamten hin⸗ schicken müssen. Dergleichen kann sehr leicht vorkommen. Aber ich möchte auch davor warnen, zu glauben, daß bei der heutigen Zu⸗ spitzung der Verhältnisse, die vielleicht schärfer ist, als es nöthig wäre, durchaus nur durch eine scharfe und schärfste Scheidung nach Konfessionen in dem Beamtenthum ein normaler Zustand herbeigeführt werden könne. Das preußische Beamtenthum in seinem ihm angeborenen und anerzogenen Gerechtigkeitssinne wird von den Herren nach dieser Richtung hin ganz entschieden unterschätzt. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, meine katholischen Herren Referenten in Schul⸗ sachen müssen, wenn sie hinaus kommen ins Land, da wir nicht so viele Referenten anstellen können, nach Konfessionen eine absolute Scheidung eintreten zu lassen, auch evangelische Schulen revidieren, und sie machen das vortrefflich, ohne jeden Anstoß. Ich habe nie die geringste Klage darüber gehört, es ist auch nie ein Konflikt vorgekommen. Nicht einmal in der Zeit des aller⸗ schärfsten Kulturkampfes ist ein solcher Konflikt entstanden, wenn einer der evangelischen Referenten aus dem Ministerium katho⸗ lische Schulen revidiert hat. Daß wir im allgemeinen lieber in den überwiegend katholischen Bezirken katholische Schulräthe haben, in den überwiegend evangelischen evangelische, das versteht sich von selbst. Nun frage ich Sie aber: wie soll man das mit absoluter Sicherheit und Schärfe durchführen? Ich habe hier einen Regierungsbezirk, in dem befinden sich im ganzen 2 katholische Schulen; da kann ich doch keinen katholischen Schulrath anstellen. Ich habe hier einen anderen, darin befinden sich 10 katholische Schulen, da ist es auch nicht möglich; wieder einen anderen, darin sind 17, wieder einen anderen, darin sind 8, noch einer, darin sind 8 katholische Schulen, dann wieder einen mit 2 katholischen Schulen, und einen mit 3 katholischen Schulen. Da kann man unmöglich katholische Schulräthe schaffen. Das ist offenbar nicht thunlich. Wenn Sie einen tuͤchtigen, taktvollen Schulrath haben, mag er evangelisch oder katholisch sein, so muß man an ihn die Anforderung stellen können, daß er auch in einer seiner Konfession nicht angehörenden Schule einen verständigen Einfluß üben kann. Er muß soviel Takt haben, und er muß soviel Verständniß haben auch für die andere Kon⸗

Szmula (Zentr.) fragt, wie weit in Oberschlesien von der

fession, daß er da die Konflikte zu vermeiden weiß; und die Erfahnmd

lehrt, daß das geht, und daß das toto die geschieht.

Ich will nur noch dem Herrn Abg. Dauzenberg gegenüber hervor⸗ heben, daß er in sehr ansprechender Weise ich habe ihm ja auch soweit zugestimmt, daß gewisse Gedanken von ihm prinzipiell garnicht zu bestreiten sind, darin begegnen wir uns die Sache angeregt hat Uebrigens darf ich bemerken, daß wir doch auch katholische Geistliche in der That zu Schulräthen ernannt haben; selbst im Laufe der letzten beiden Jahre ist in zwei Regierungsbezirken je ein katholischer Geist. licher zum Schulrath ernannt worden.

Meine Herren, es besteht bei uns das Bestreben, gerecht und billig diese Dinge zu behandeln und sie nicht auf die Schärfe des Messers und nicht auf die äußerste Schärfe der Konfessionalität zu stellen; wir wollen nicht die andere Konfession verletzen. Aber das prinzipiell mit absoluter Scheidung durch den ganzen Staat durchzu⸗ führen, das geht über die Kräfte der Regierung hinaus und würde auch Kosten verursachen, die in der That, wie ich glaube, doch nicht im richtigen Verhältniß stehen würden zu dem Zweck, der damit er⸗ reicht werden sollte und könnte. (Sehr richtig! rechts.)

Abg. Freiherr von Loë (Zentr.) führt Beschwerde w ei Miße bgs der gesetzlichen 8998 2 fücrt dicwerde wegen 86 Volksschule durch einen rheinischen Lokal⸗Schulinspektor. Derselbe habe 13 jährige vollständig reife Schüler, Knaben und Mädchen, ein weiteres Jahr in der Schule sitzen lassen und dadurch die Eltern ihres gesetzlichen Rechts beraubt und sie wirthschaftlich schwer ge⸗ chädigt. Die bezügliche Forderung der Regierung stehe mit dem Gesetz direkt im Widerspruch.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Die Frage, die der Herr Abg. Freiherr von Lo6 eben behandelt hat, hat das hohe Haus schon seit einer Reihe von Jahren immer wieder beschäftigt, und ich möchte nicht gerade in die tiefsten Tiefen der Sache eingehen. Das will ich dem Herrn Abg. Freiherrn von Loë ausdrücklich antworten, daß ich die Kabinetsordre vom Jahre 1825 noch als zu Recht bestehend anerkenne. Aber um die Auslegung, um die Tragweite dieser Kabinetsordre handelt es sich, und darüber gehen die Ansichten, die Rechtsauffassungen aus⸗ einander. Der Herr Abg. Freiherr von Los nimmt einfach an, daß, wenn der geistliche Schulinspektor, der Seelsorger, dem Kinde die nöthige Fähigkeit zuspricht, das Kind nach dem Sinne und der Absicht der Kabinetsordre auch schon vor Vollendung des achten Schuljahres oder des vierzehnten Lebensjahres aus der Schule entlassen werden muß. Die andere Rechtsansicht, die meines Wissens auch i der Rechtsprechung vertreten ist, und die namentlich konsequent von der Schulverwaltung aufrecht erhalten ist seit dem Jahre 1825 bit auf eine ganz kleine Lücke im Jahre 1869, diese andere Rechtsansicht sagt: nein, damit können wir uns nicht einverstanden erklären. Denn nach der Absicht der Kabinetsordre vom Jahre 1825 kann das gar nicht gemeint sein. Die Absicht der Kabinetsordre vom Jahre 1825 ist die gewesen, der zu frühen Entlassung der Kinder aus der Schule entgegenzutreten und dafür zu sorgen, daß der geistliche Schulinspektor die Kinder solange wenigstens in der Schule halten sollte, daß sie nicht ohne die allernöthigste Vorbildung in das Leben hinaus geschickt werden sollen. Das ist nach unserer und nach der Auffassung der Re⸗ gierung der Sinn und der Zweck der Kabinetsordre vom Jahre 1825 gewesen. Nun bin ich aber nicht willens, mich mit der konstanten Praxis der gesammten Unterrichts⸗ verwaltung in Preußen seit dem Jahre 1825 in Widerspruch zu setzen. Ich kann das auch nicht, weil nach meiner Rechtsauffassung die Schulpflicht in Preußen, in den altländischen Provinzen acht Jahre dauern soll nach dem Landrecht. Ich werde dahin wirken und muß dahin wirken, daß wir unter diesen gesetzlichen Zeitraum nicht wesentlich zurückgehen; denn wenn wir das thun, gefährden wir in der That den Bildungsstand unserer Volksschulen. Da ich das nicht will, bin ich genöthigt, obwohl mir dieser Widerspruch des Herrn Freiherrn von Loë keineswegs angenehm ist, so bin ich genöthigt, auch gegen diesen Widerspruch an den Ansichten der Staatsregierung und der Unterrichtsverwaltung, wie sie sie bisher durchgeführt hat, festzuhalten. (Bravo!)

Abg. Dauzenberg (Zentr.): Es ist uns keineswegs angenehm, diese Klagen und Beschwerden vorzubringen; wir bringen auch keine unbegründeten Klagen vor, sondern belegen unsere Beschwerden mit Zahlen und statistischen Beweisen. Dagegen verhalte sich die protestan⸗ tische Mehrheit des Hauses stumm.

Abg. Schmitz⸗Erkelenz (Zentr.) vermag der Auffassung des Kultus⸗Ministers nicht beizutreten, daß neben der Kabinetsordre auch die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts bestehen und bestehen könnten. Die Entscheidung liege bei der Kabinetsordre allein, und sie lege es in die Hand der Regierung, einen gewissen Spielraum walten zu lassen und entsprechende Anweisungen zu ertheilen. Diese Anweisung sei nicht im Sinne der betheiligten Bevölkerung erfolgt.

Abg Freiherr von Loë (Zentr.) schließt sich diesen Ausführungen an, spricht aber die Hoffnung aus, daß der Minister in dem von ihm schon so oft bewährten Gerechtigkeitsgefühl den Beschwerden der Betroffenen doch endlich abhelfen werde.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Ich glaube kaum, daß im Lande es als der allgemeine Wunsch der Bevölkerung anerkannt werden würde, wenn ich dem Wunsche des Herrn Freiherrn von Loë entsprechen würde. Die Unterrichtsver⸗ waltung kann, wenn auch die Schullast hier und da schwer empfunden werden möchte, unmöglich die Bahn verlassen, die sie nach dieser Richtung hin nun seit beinahe einem Jahrhundert verfolgt hat. Ich will mich nur darauf berufen, daß einer der Ihrigen, der Ministerial⸗ Rath Beckedorff, ein treuer und edler Katholik, über diese Frage gerade in Preußen sich einmal ausgesprochen hat. Damals hatte der Magistrat von Berlin darauf gedrungen, daß arme Kinder nicht sechs bis sieben Jahre in die Schule zu gehen brauchen, um die für sie nöthigen Elementarkenntnisse zu erlangen. Darauf sagt Beckedorff im ersten Band seiner Jahrbücher Folgendes:

„Diese Schule für diese Kinder es handelte sich um so⸗ genannte Armenschulen hat eine weit höhere Bestimmung, als jene sogenannten Elementarkenntnisse nothdürftig mitzutheilen. In ihr soll. das Kind, das in der Regel unter unglücklichen und höchst nachtheiligen Verhältnissen, oft in gänzlicher Ver⸗ wahrlosung, bis dahin aufgewachsen ist, seine ganze Richtung für die Zeit seines Lebens und zugleich für die Ewigkeit erhalten. Ihm soll Ordnung, Regelmäßigkeit, Gehorsam, Sitt⸗ samkeit, anständiges Betragen, Fleiß und Ausdauer angewöhnt und zugleich der Sinn und Entschluß für diese Tugenden beigebracht; vor allen Dingen soll es mit seinen höchsten Pflichten und Verhält⸗ nissen und deren letzter Quelle gründlich, vollständig und sicher be⸗ kannt und vertraut gemacht werden. Wenn auch alle übrigen Kennt⸗ nisse und Fertigkeiten in wenigen Jahren oder Monaten erworben

werden könnten, so würde doch weder jene Gewöhnung an ein gesetz⸗ mäßiges Betragen in so kurzer Zeit bewerkstelligt, noch auch eine auf klarer und gewisser Erkenntniß ruhende Gesinnung der Gottes⸗ furcht und Sittlichkeit hervorgerufen werden können.“

Ja, meine Herren, der Herr Freiherr von Loë wird mit mir darin einverstanden sein: es giebt ideale Güter, die die Schule dem Volk und seinen Kindern, auch den armen Kindern, übermitteln soll, und diese Güter können durch wirthschaftliche Vortheile nicht aufge⸗

wogen werden. Abg. Freiherr von Los: Die Schule soll doch auch erziehen; ird sie dieser Aufgabe etwa gerecht, wenn sie völlig reife Kinder dac ein ganzes Jahr in der Schule beläßt, wo sie nichts mehr

nnen? lernen enarite- wird bewilligt und um 4 ¼ Uhr die Fortsetzung

der Berathung auf Sonnabend 11 Uhr vertagt.

Statistik und Volkswirthschaft.

. Deutsch⸗russischer Handelsvertrag Aus Meiningen wird der „Köln. Ztg.“ telegraphiert, daß die

dortige Handels⸗ und Gewerbekammer eine entschiedene

Erklärung zu Gunsten des deutsch⸗russischen Handelsvertrags ange⸗

nommen hat.

ie ersten Ergebnisse der Statistik der Wahlen zum f der Abgeordneten im Jahre 1893. (Aus der „Statistischen Korrespondenz.“) tatistische Nachrichten über die Ergebnisse der preußischen Land⸗ 8 zwar sowohl der Urwahlen wie der Wahlen der Ab⸗ geordneten, sind in größerer oder geringerer Ausführlichkeit vorhanden für die Jahre 1849, 1855, 1858, 1861, 1862, 1863, 1866, 1867, 1888 und 1893. Veröffentlichungen jener Ergebnisse liegen für die Jahre 1861 63 und 1866 in der „Zeitschrift des Statistischen Bureaus“ vor. Die Bearbeitung der Statistik für das Jahr 1893 ist so weit gefördert, daß sie einen Ueberblick der Hauptergebnisse der Urwahlen, zunächst bezüglich der Vertheilung des Wahlrechts auf die drei Ab⸗ theilungen, somtie f Reihe von Vergleichungen mit den früheren ängen gestattet. 1 1 EeE“ der Urwähler stieg, zum theil vermöge der Erweiterungen des Staatsgebiets, in der Zeit von 1849 bis 1893 insgesammt von 3 255 703 auf 5 989 538. Auf die drei Abthei⸗ lungen vertheilte sich die Gesammtzahl der Urwähler derart, daß auf die 1849 1855 1858 1861 1862 1863 1866 1867 1888 1893 I. Abth. 4,72 5,02 4,80 4,73 4,65 4,46 4,20 4,28 3,62 3,52 II. 12,59 13,86 13,42 13,49 13,36 12,78 12,34 12,18 10,82 12,06 III. 82,69 81,09 81,78 81,77 81,98 82,76 83,45 83,54 85,56 84,42 Prozent sämmtlicher Urwähler entfielen. Der Antheil der ersten Ab⸗ theilung verkleinerte sich hiernach ziemlich regelmäßig, im ganzen um etwa ein Viertel seiner ursprünglichen Größe. Anders ist die Entwickelung bei der II. Abtheilung; hier wird nach wiederholtem Auf⸗ und Nieder⸗ schwanken der Tiefpunkt 1888 erreicht, während sich 1893 wieder ein erhebliches Ansteigen ergiebt, sodaß auch die Summe beider Ab⸗ theilungen mit 15,58 % zwar geringer ist als 1849 mit 17,31 %, aber höher als 1888 mit 14,44 %. Die Aussicht, in eine der beiden bevorzugten Abtheilungen zu gelangen, ist also 1893 größer gewesen als 1888. Bekanntlich fürchtete man vielfach das Gegentheil, da die Ermäßigungen, welche die Gesetzgebung von 1891 den kleinen Ein⸗ kommen⸗ und Gewerbesteuerzahlern, sowie die Mehrbelastungen, welche sie den großen brachte, an und für sich dazu führen mußten, die An⸗ zahl der Urwähler, welche das erste und zweite Steuerdrittel auf⸗ bringen, zu vermindern und der Erfolg der gesetzlich dagegen vorgesehenen Gegenwirkungen noch zweifelhaft war. Die letzteren bestehen bekanntlich abgesehen von der Verweisung aller zu einer Staatssteuer nicht veranlagten Urwähler in die III. Abtheilung, der sie ohnehin fast durchweg schon angehörten, in der Einstellung eines fingierten Satzes von 3 bei jedem nicht zur Staats⸗Einkommensteuer veranlagten Urwähler sowie in der Bil⸗ dung der Abtheilungen durchweg nach Urwahlbezirken, wodurch der Druck der Steuersumme besonders reicher Urwähler, der sich sonst auf eine ganze Stadt erstreckte, auf den betreffenden Urwahlbezirk beschränkt worden ist. Es zeigt sich jetzt, daß diese Mittel zwar nicht ein weiteres Einschrumpfen der Urwählerzahl der I. Abtheilung, wohl aber derjenigen der beiden ersten Abtheilungen zusammen verhindert haben. Dabei ist die Wirkung in den Städten eine ganz andere gewesen als auf dem flachen Lande. Es umfaßte nämlich in den Städten auf dem Lande 1888 1893 1888 1893 Abtheilung. .. 9 H. 188 b Prozent der Urwähler. Von den beiden oben genannten Hauptmitteln gegen das Zusammenschmelzen der I. und II. Abtheilung ist das eine, nämlich die Bildung der Abtheilungen nach Urwahlbezirken, für das Land fast ohne praktische Bedeutung, da hier die Zahl der Gemeinden, welche in Urwahlbezirke getheilt sind, eine geringe ist und in den Ge⸗ meinden mit weniger als 1750 Einwohnern, soweit sie mit anderen zu einem Urwahlbezirke vereinigt wurden, schon vorher die Abtheilungen für den ganzen Urwahlbezirk, nicht gemeindeweise gebildet wurden. Das andere Mittel, nämlich die erwähnte Einsetzung eines Steuerbetrags von 3 ℳ, hat aber auf dem Lande stärker gewirkt als in den Städten beide zusammen; denn auf dem Lande sind jetzt die erste und zweite Abtheilung stärker, in den Städten beide schwächer besetzt als früher. Die Erklärung liegt in der ungleich geringeren Steuerkraft des platten Landes, bei welcher eine Zuschreibung von je 3 eine ganz andere Rolle spielt als in den Städten, die außerdem an den Verschiebungen in der Vertheilung ber. Csttee und Gewerbesteuer weit stärker als das platte Land etheiligt sind. „Das Gewicht des Wahlrechts eines Urwählers der drei Ab⸗ theilungen richtet sich aber keineswegs allein nach der Menge der⸗ jenigen Personen, mit welchen er es zu theilen hat. Nicht einmal für die Urwahlen trifft dies zu. Sind in einem Bezirk 5 Urwähler erster und 10 zweiter, dagegen 85 dritter Abtheilung vorhanden, so hat darum nicht ohne weiteres jeder Urwähler erster Abtheilung doppelt so viel für die Wahl des Wahlmanns zu bedeuten als jeder der zweiten und dieser mal so viel als jeder der dritten Abtheilung. Sind nämlich 4 Wahlmänner zu wählen was sich bekanntlich nach der Seelenzahl des Urwahlbezirks richtet —, so wählen die 10 Urwähler der zweiten Abtheilung 2 Wahlmänner, die 5 der ersten nur einen; die Stimme des Urwählers II. Abtheilung wiegt also genau soviel wie die des Urwählers I. Abtheilung. Sind 5 Wahlmänner zu wählen, so entfällt umgekehrt auf die 10 Wähler II. Abtheilung nur ein Wahlmann, auf die b der ersten dagegen deren zwei, d. h. eine Stimme der J. Abtheilung wiegt viermal so schwer als eine der fweiten. So große Verschiebungen sind möglich, ohne daß er Prozentantheil beider Abtheilungen an der Gesammtzahl der Ürwähler sich änderte. Thatsächlich sind nun im Ge⸗ sammtstaat unter 24 130 Urwahlbezirken 4977 mit je vier, mit je fünf Wahlmännern ermittelt worden. Mit anderen Worten, die zweite Abtheilung hat in rund tausend Fällen öfter vor den beiden andern einen Wahlmann voraus erhalten als umgekehrt. Hieraus folgt eine nicht unwesentliche Verstärkung fün das Wahlrecht des Mittelstandes, welcher im allgemeinen die II. Abtheilung bildet. Aber sie gilt wieder nur für das platte Land. Die Städte allein haben 810 mal Urwahlbezirke mit 4, dagegen 848 mal solche mit 5 Wahlmännern gebildet. Das Land zeichnet sich also, soweit Ve die Urwahlen in Zetracht kommen, sowohl durch eine stärkere 8 bsetung der ersten beiden Abtheilungen wie durch ein Uebergewicht 19. Peise lung über die I. bei der Vertheilung der Wahlmänner en Städten aus.

Bezeichnender noch für die Vertheilung des politischen Einflusses, als die Ziffern über den Antheil der einzelnen Abtheilungen an der Gesammtzahl der Urwähler, sind aus den bereits angedeuteten Grün⸗ den diejenigen über das Verhältniß zwischen der Zahl der Ur⸗ wähler zu derjenigen der Wahlmänner. Es kommen auf je einen Wahlmann Urwähler: .

in der Abtheilung I. 8. II

im Gesammtstaat 5,77 9,25 138,38

in den Städten 4,30 15,24 138,17

auf dem Lande 6,78 21,89 138,52. Bei diesen Ziffern kommt auch diejenige Verschiedenheit zur Geltung, welche aus der Bildung von Urwahlbezirken mit 4 oder 5 Wahl⸗ männern und der damit verbundenen Bevorzugung der zweiten bezw. der ersten und dritten Abtheilung entspringt. Das Ergebniß ist aber auch hier, daß der Urwähler 1. und II. Abtheilung seinen Einfluß auf das Ergebniß der Urwahlen auf dem Lande mit viel mehr Mit⸗ bewerbern zu theilen hat als in den Städten. In der III. Abtheilung entfällt in den Städten fast genau die gleiche Zahl von Urwählern auf einen Wahlmann wie auf dem platten Lande.

Werfen wir nun nach einen Blick auf die Gestaltung des Wahl⸗ rechts, sowie seine Verschiebung von 1888 bis 1893 in den einzelnen Provinzen und Regierungsbezirken, so zeigen sich, je nach⸗ dem der ländliche oder städtisch⸗ industrielle Charakter vorwiegt, ähnliche Erscheinungen wie beim Gesammtstaat. Weitaus die schwächste Besetzung der beiden ersten Abtheilungen zusammen, sowie der I. Abtheilung allein weist Berlin auf, nämlich 1888 1,9 bezw. 8,1, 1893 nur noch 1,7 bezw. 8,16 % der Urwähler. Unter 3 % blieb die I. Abtheilung weiter 1893 in den Bezirken Stralsund, Breslau, Magdeburg und Düsseldorf, während sie in Oppeln, Erfurt, Stade, Osnabrück und Aurich über 4, in Cassel, Wiesbaden, Koblenz und Trier über 5 % hinausging und in Sigmaringen 8,02 % erreichte. Die II. Abtheilung schwankt von 8,16 in Berlin bis zu 19,11 % in Sigmaringen, wo es hiernach verhältnißmäßig fast ebensoviel Ur⸗ wähler erster wie in Berlin zweiter Abtheilung gab. Betrachten wir Stadt und Land für sich, so bewegen sich die Antheile

der I. Abtheilung

in den Städten von 1,70 (Berlin) bis 4,62 (Sigmaringen),

auf dem Lande von 2,37 (Stralsund) bis 8,38 (Sigmaringen), der II. Abtheilung

in den Städten von 8,16 (Berlin) bis 13,28 (Sigmaringen),

auf dem Lande von 8,66 (Magdeburg) bis 19,73 (Sigmaringen) Prozent. Von der allgemeinen Regel, daß die ersten beiden Ab⸗ theilungen auf dem Lande stärker als in den Städten besetzt sind, machen übrigens bei der IJ. und II. Abtheilung die Bezirke Pots⸗ dam, Stralsund und Merseburg, bei der I. allein auch die Bezirke Marienwerder, Stettin, Köslin und Bromberg, bei der II. allein Magdeburg und Osnabrück eine Ausnahme. Gegen 1888 hat der Antheil der I. Abtheilung in den städtischen Gebieten sämmtlicher Regierungsbezirke abgenommen, dagegen in den ländlichen mit Aus⸗ nahme von Potsdam, Frankfurt, Stettin, Stralsund, Magdeburg, Merseburg, Schleswig, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Stade, Minden, Arnsberg, Düsseldorf, Köln und Sigmaringen zugenommen; die zweite weist mit unerheblichen Ausnahmen überall auf dem Lande, nicht aber in den Städten, eine Steigerung ihres Prozent⸗ antheiles auf. 8 1616“

Im großen und ganzen kann man sagen, daß äußerlich für die Zeit von 1888 bis 1893 die geringfügige Verengerung des Zutritts zur ersten Abtheilung durch eine ziemlich beträchtliche Erweiterung des Zutritts zur zweiten ausgeglichen ist.

Zum Schluß soll hier noch ein Blick auf die Gestaltung des Wahlrechts in den Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern geworfen werden, in denen vorzugsweise viele große Einkommen und Gewerbebetriebe steuerpflichtig sind und demgemäß auf die Vertheilung des Wahlrechts einwirken. Die Vergleichung mit früheren Jahren läßt sich bei dem gegenwärtigen Stande der Arbeiten noch nicht durch⸗ führen; aber schon die Ergebnisse für 1893 allein sind recht bezeich⸗ nend. In den 205 Städten dieser Art, welche im Staatsgebiet überhaupt vorhandeu waren und 8 297 000 Einwohner ( nach der Auf⸗ nahme von 1890) zählten, entfielen von den 1 672 817 Urwählern

auf die I. Abtheilung 40 063 = 2,39 % der Gesammtzahl

9 II. 82 150 234 5 82

111 1 482 520 = 88,62 Die beiden ersten Abtheilungen waren also hier noch erheblich schwächer besetzt als bei den Städten im ganzen, und zwar im all⸗ gemeinen bei den größten Städten noch schwächer als bei den übrigen. Betrachten wir die 16 preußischen Städte mit mehr als 100 000 Ein⸗ wohnern für sich allein, so ergiebt sich, daß in Prozenten der Wähler⸗

ahl umfaßten

1 6 die I. Abth. die II. Abth. die III. Abth. 98,38688383Z“ 1,70 8,16 90,14 Breslau 89,36 öC1111“ 9,62 rankfurt a. M.. 2,89 I 87,55 v“ 3,09 87,47 Fönigsberg i. Pr. .. 2,02 26 90,71 Düsseldorf . . 1111“ 90,39 8768ZZöö“ 915 8 18.39:13 13 4G4 O031Z1“ 2,64 ;88 Slbeise 2,29 769 890,09 ö1111“ . 89,50

82 11ν 0 O+ 1717145 90,60 eb,“ 2,26 89,08 1,70 92,03 11“X“ 88,99.

In dem Antheil der I. Abtheilung gingen also nur Frankfurt a. M. und Hannover, in der zweiten keine einzige der Großstädte über den Durchschnitt sämmtlicher Städte des Staatsgebiets hinaus.

Von den allgemeinen Durchschnitten weichen nun aber die Ergeb⸗ nisse einzelner Städte sehr weit ab. In denjenigen mit mehr als 10 000 Einwohnern umfaßte die I. Abtheilung

über 4 über 3 über 2 über 1 bis 4 % bis 3 % bis 2 % 65 105 26 die II. Abtheilung mehr über über über über über über über 999 9 8 7 6 9 15 bis 15 bis 12 bis 10 bis 9 bis 8 bis 7 bis 6 F v % in 8 19 48 51 52 16 14 2 die III. Abtheilung 8 1 mehr über über über über über über über über 82 Is „89 88 8'ö'ö88ööööööö8

als bis bis bis bis bis bis bis bis un

90 90 89 88 9 86 9 9 68 8.8

% /%o 9% % o % 0 0 e unte 8

inss 1115 8 87 Gsd

Die Höchstbeträge hatten bei der IJ. Abtheilung unter jenen Städten Lehe mit 4,94, Wilhelmshaven mit 4,84, Torgau mit 4,74 %, bei der II. Oberhausen mit 16,19, Bochum mit 15,83, Lehe mit 15,71, bei der III. Burtscheid mit 92,90, Düren mit 92,64, Eupen mit 92,42 %. Die Mindestbeträge zeigten in der I. Abtheilung Schwelm mit 1,24, Burtscheid mit 1,30, Eupen mit 1,34 %, in der II. Burt⸗ scheid mit 5,79, Düren mit 5,93, Waldenburg i. Schl. mit 6,20 %, in der III. Lehe mit 79,35, Oberhausen mit 80,12 und Höhscheid mit 80,63 %. Die schwächste Besetzung der I. und II. g zeigt sich also nicht in Großstädten, sondern in industriellen Mittcekstädten, namentlich am Rhein.

. S““

Städten,

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 25. Februar bis inkl. 3. März cr. zur Anmeldung gekommen: 968 Lebendgeborene, 237 Eheschließungen, 27 Todtgeborene, 555 Sterbefälle.

Kunst und Wissenschaft.

Der Wiederherstellungbau des Schlosses zu Marien⸗ burg ist durch die Ausführung des Verbindungsganges vom Hoch⸗ schloß nach dem Herrendansk und der Wehrgänge auf der Westmauer zu einem gewissen äußern Abschluß der Süd⸗ und Westseite gediehen. Die Ausschmückung der Säle im Südflügel und in den Kreuzgängen, Schlafsälen und in der Kirche ist fast beendet und findet im Laufe des Frühjahrs seinen Abschluß. Der Ausbau des ehemaligen Post⸗ schuppens im Vorschloß zur vorläufigen Aufstellung der ehemaligen Blell'schen Waffensammlung ist beendet und seinem Zweck übergeben.

Schulwesen.

Die staatliche Fortbildungsschule in Danzig entwickelt sich Sie wird in diesem von 937 Schülern n denen 370

erfreulich. gegen 850 im Vorjahre besucht, Unterricht theilnehmen. 8

freiwillig a

Literatur.

1 Uhnterhaltung.

Die „Deutsche Revue über das gesammte nationale Leben der Gegenwart, herausgegeben von Richard Fleischer“ (bisher in Breslau erschienen) wird vom April ab an die Deutsche Verlags⸗ Anstalt in Stuttgart übergehen. Tendenz und Erscheinungsweise bleiben unverändert. Im nächsten Quartal sollen u. a. zur Ver⸗ öffentlichung gelangen: „Crispi bei Bismarck“, Aufzeichnungen eines hervorragenden Mitarbeiters und Reisebegleiters des italienischen Minister⸗Präsidenten über dessen Aufenthalt und Beziehungen zu Friedrichsruh; ferner die Memoiren des Abgeordneten von Unruh, Reiseschilderungen des Prinzen Bernhard von Sachsen⸗Weimar, Er⸗ innerungsblätter von Johanna Kinkel, eine Abhandlung des Freiherrn A. E. Nordenskjöld über Nansen's neueste Nordpolfahrt, eine „skeptische Betrachtung der Geschichte’ von dem Freiherrn Christian Friedrich von Stockmar u. s. w.

Das Märzheft der „Deutschen Rundschau“ bringt den Schluß der von Jacob Baechtold mitgetheilten Briefe Gottfried Keller's, die noch den Aufenthalt des Dichters in Berlin behandeln und die wichtigsten Aufschlüsse über sein inneres Wesen über seine dichterischen Pläne und deren Ausführung geben. Ferner bringt das Heft einen neuen Abschnitt der „Betrachtungen eines in Deutschland reisenden Deutschen“ von P. D. Fischer: frisch und an⸗ regend geschrieben, voll guter Laune und tiefer Kenntniß der ein⸗ schlägigen Verhältnisse, so schildert uns der Verfasser bald diesen, bald jenen Theil unseres Vaterlandes, das er auf zahlreichen dienstlichen Reisen, die er in seiner hohen amtlichen Stellung unternommen, auf das genaueste kennen und schätzen lernte. Niemand wird diese fesselnden „Betrachtungen“ ohne Genuß und ohne Belehrung lesen. Be⸗ handelt der Schluß des Gustav Cohn’schen Aufsatzes: „Die Börsen⸗ reform im Deutschen Reich“ ein aktuelles Thema, soführt uns Hermann Grimm „FErinnerungen und Ausblicke“ vor, die sich zum theil mit der Vergangenheit beschäftigen und uns unter anderem in feiner Stimmungsmalerei persönliche Begegnungen des bedeutenden Gelehrten mit Kaiser Wilhelm I. und dessen Gemahlin Kaiserin Augusta wieder⸗ geben. Eine ausgezeichnete Uebersicht der in den letzten Jahren unter⸗ nommenen „Deutschen Ausgrabungen im Orient“ liefert Professor Georg Steindorff, der Nachfolger auf dem Lehrstuhle Georg Ebers' in Leipzig. Trotz der Kürze seines Aufsatzes peiß uns Steindorff ein anschauliches Bild der Resultate jener wissenschaftlichen Forschungen zu geben, die dem Deutschen Reich zur höchsten Ehre gereichen. Den schönwissen⸗ schaftlichen Theil im Heft vertritt der Schluß des Emil Marriot'schen Romans: „Caritas“. Wie gewöhnlich schließen die „Politische“ und eine „Literarische Rundschau“ das Märzheft ab. 1“

Nr. 2644 der „Illustrierten Zeitung“ vom 3. März (Verlag von J. J. Weber in Leipzig) enthält u. a. folgende Ab⸗ bildungen: Der Besuch des Deutschen Kaisers in Friedrichsruh am 19. Februar. 5 Abbild. Originalzeichnungen von E. Limmer: Fürst

Bismarck, den Zug des Kaisers erwartend. Die Begrüßung an der Haltestelle vor dem Schloß. Der Kaiser verläßt am Abend gegen 9 Uhr das Schloß. Die Illumination von Specht's Landhaus. Unterhaltung im Salon der Fürstin. Kaiser Wilhelm auf dem Jubiläumsschiff König Wilhelm“ in Wilhelmshaven am 20. Februar. Nach einer Moment⸗ photographie gezeichnet von W. Stöwer. Das Leichenbegängniß der bei der Katastrophe auf dem Panzerschiff „Brandenburg“ Ver⸗ unglückten in Kiel am 20. Februar, 8Z von Fritz Stoltenberg. Das gemeinsame Grab der bei der Katastrophe auf dem Panzerschiff „Brandenburg“ Verunglückten in Kiel, Original⸗ zeichnung von Fritz Stoltenberg. Das deutsche Panzerschiff „Branden⸗ burg“. Nr. 2645 der „Illustrierten Zeitung“ vom 10. März enthält u. a. folgende Abbildungen: Die deutsche Kaiserfamilie. Lord Rosebery, der neue englische Premier⸗Minister. Bilder aus Abbazia, dem Aufenthaltsort der deutschen Kaiserfamilie. 4. Ab⸗ bildungen: Villa Amalia, die Wohnung der Deutschen Kaiserin. Villa Angiolina, die Wohnung der Kaiserlichen Kinder. Hotel Quarnero und die Strandpromenade. Gesammtansicht von Abbazia.

Die neue Lieferungsausgabe des bei J. J. Weber in Leipzig verlegten „Universal⸗Lexikons der Kochkunst“ (fünfte Auf⸗ lage, P. d. L. je 1 20 ₰) ist bis zum 6. Heft gediehen und damit der erste Band abgeschlossen. Er enthält in der alphabetisch geordneten Folge die Rezepte mit den Buchstaben A bis K. Auf das vortreffliche Werk, das auf der internationalen Ausstellung für das Rothe Kreuz in Leipzig 1892 mit der goldenen Medaille ausgezeichnet wurde, sei hiermit nochmals hingewiesen. Es ist die vollständigste Jastronomische Eneyklopädie, welche existiert, und giebt über alle von der bürgerlich einfachsten wie von der feinsten und vornehmsten Küche geforderten Speisen, Backwerke zꝛc. und deren Zu⸗ bereitung gründliche Auskunft. Eine interessante Zugabe bilden die zum theil künstlerisch ausgestatteten „historis en Menus“, von denen in der neuen Auflage bisher sechs erschienen sind, nämlich das Menu des

runkmahls zur Feier der Vermählung der Prinzessin Margarethe von Prun en mit dem Prinzen Friedrich Karl von Hessen (23. Januar 1893) mit Zeichnung von E. Döpler d. J., das Menu des letzten Festmahls Kaiser Wilhelm's I. (am 19. Februar 1888), sowie die Speisekarten von Galadiners bei dem Großherzog von Oldenburg, der Königin von Großbritannien und Irland, bei dem König von Sachsen zur Wettinfeier und bei dem Prinzen Heinrich (nicht „Friedrich“, wie es in der Unterschrift heißt) von Preußen zur Feier der Taufe des Prinzen Waldemar im Schlosse zu Kiel. Das Buch soll (in 12 Lieferungen) bis zum August d. J. vollständig vorliegen. 8

In dem nächsten Heft der ‚Romanwelt“ (Stuttgart, Verlag der Buchhandlung J. G. Cotta, Nachfolger) beginnt ein Roman von dem berühmten russischen Maler W. W. Wereschagin, betitelt „Der Kriegskorrespondent“. Der Künstler, dessen originelle und packende Kriegsbilder in beiden Hemisphären Aufsehen erregt haben, bleibt mithin auch als Dichter auf dem ihm vertrauten Gebiet der Kriegsschilderungen. Im Rahmen des letzten russisch⸗türkischen Krieges, den Wereschagin selbst mitgemacht hat, schildert er eine er⸗ greifende Liebesgeschichte. Der Roman erscheint zu gleicher Zeit im russischen Original (in einer Moskauer Monatsschrift) wie in der deutschen Uebersetzung, welche Eugen Zabel besorgt hat. 8

Das Märzheft der neuen Monatsschrift „Die Frau“

Verlag von W. Moeser Hofbuchhandlung, Berlin) wird durch einen Beitrag von Bertha von Suttner über „Damenstifte“ eröffnet. Professor Dr. Max Haushofer ist mit einem Essay über „Zerrüttete Ehen“ vertreten, Frau Dr. Gnauck⸗Kühne mit einem Artikel über „Religiosität und Frauenfrage.’“ Beachtenswerth ist ein Beitrag aus den „Tiefen der Frauenwelt“, welcher die Lage der Weberinnen in Sachsen, Thüringen und Schlesien schildert. Weiter enthält das Heft die Reichstagsrede des Abgeordneten Prinzen zu Schoenaich⸗Carolath über die „Aerztinnenfrage“, sodann einen lehrreichen Artikel über die „musikalische Rusbildung der Frau“ von Professor Heinrich Ehrlich, eine Schilderung der Thätigkeit des badischen Frauenvereins und seiner Protektorin der Großherzogin Luise von Baden, deren Bildniß bei⸗

gefügt ist. Der Unterhaltungstheil bringt eine Skizze der amerikani⸗