1894 / 61 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 12 Mar 1894 18:00:01 GMT) scan diff

ferenz theil für Baden: Ministerial⸗Direktor im Mi⸗ nistertium des Innern Dr. Schenkel, Baudirektor Honsell und Rhein⸗Bauinspektor Ober⸗Ingenieur Fieser⸗Mannheim; 5* Wuͤrttemberg: Präsident von Rüdinger und Regierungs⸗

ath Haag (beide im Ministerium des Innern), Ministerial⸗ Rath Zeller vom Finanz⸗Ministerium und Baurath Schaal; Hessen: Geheimer Rath von Werner, Ober⸗Regierungs⸗

ath Imroth und Wasser⸗Bauinspektor Reinhart. Ferner waren Vertreter der Kettenschleppschiffahrt für den Neckar und Schiffahrtsbetheiligte aus den drei Staatsgebieten zur Aus⸗ kunftertheilung herangezogen.

Baden.

In dem Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Groß⸗ herzogs ist, wie die „Karlsr. Ztg.“ erfährt, insofern eine erfreuliche Be serung eingetreten, als die Fieberbewegungen, die vom 2. d. M. an den vorhandenen Bronchialkatarrh be⸗ leiteten, in den letzten Tagen nicht mehr auftraten. Seine önigliche Hoheit konnte am Freitag schon für einige kurze Stunden das Bett verlassen, und es ist nunmehr wohl einer ferneren ungestörten EEEö zu sehen. Die immer noch heftigen und angreifenden Hustenanfälle be⸗ dingen aber gleichwohl für die nächstfolgende Zeit fortgesetzte Schonung und möglichste Enthaltung von allen 85 Die Nachrichten aus Rom über den Gesundheitszustand Ihrer Königlichen Hoheit der Kronprinzessin von Schweden und Norwegen lauten jetzt günstiger; seitdem Höchstdieselbe täglich ausfahren kann, hat die Kräftigung wesentlich zuge⸗ nommen und das Gesammtbefinden ist erheblich besser ge⸗

worden. Hessen. Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Heinrich von Preußen trifft nach der „Darmst. Ztg.“ heute zum Besuch des Großherzoglichen Hofes in Darmstadt ein. Sachsen⸗Meiningen.

Dem Landtag des Herzogthums ist der Entwurf zu einem Gesetz, betreffend einen Nachtrag zum Berggesetz vom 17. April 1868, nebst Begründung zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung zugegangen, wonach die Aufsuchung und Gewinnung von Steinsalz, von Kali⸗ und Magnesia⸗Salzen und von Soolquellen unbeschadet wohlerworbener Rechte fortan nur dem Staat zustehen foll, und Schürfarbeiten auf die erwähnten Mineralien nur insoweit eine Wirkung haben würden, als sie bereits vor dem 14. d. M. begonnen worden sind.

RNeuß j. L. Der Landtag ist vorgestern nach Erledigung der von der Regierung eingebrachten Vorlagen durch den Staats⸗ Minister Dr. Vollert geschlossen worden.

Elsaß⸗Lothringen. Ihre Majestät die Kaiserin hat, wie die „Straßb. Pe "meldet, das Protektorat über das elsaß⸗lothringische ehrerinnenheim in Straßburg übernommen und genehmigt, daß das Heim den Namen „Auguste Victoria⸗Stift“

führe

Oesterreich⸗Ungarn.

Der Budgetausschuß des österreichischen Ab⸗ geordnetenhauses nahm, wie „W. T. B.“ berichtet, vorgestern den Voranschlag des Ministeriums des Innern an. Im Laufe der Debatte erklärte der Minister des

mnern Marquis Bacquehem, die Regierung habe ch nicht leichten Herzens zur Verhängung des Aus⸗ nahmezustandes in Prag entschlossen und würde den⸗ elben gern aufheben, wenn ernste Bürgschaften für eine ent⸗ chiedene Besserung der 1““ in Prag geboten würden. Der Minister bezweifelte jedoch, ob in den bisher beobachteten dortigen Vorkommnissen solche Bürgschaften gelegen seien. erner erklärte der Minister, es sei nothwendig, die Schiff⸗ ahrt auf der Moldau von dem Wasserstande unobhänggs zu machen, was durch die Kanalisierung der Flußstrecke rag Aussig erzielt werden könne. Eine bestimmte Stellungnahme der Regierung sei erst möglich, wenn die von der Statthalterei verlangten Behelfe vorlägen und die Rentabilität des Projekts geprüft sein werde. Der Valuta⸗Ausschuß nahm in der Spezialdebatte unverändert die ersten vier Artikel des Gee ertteürs betref⸗ fend die Einlösung von 200 Millionen Staatsnoten, an. Im Laufe der Debatte trat der Finanz⸗Minister Dr. von Plener dem Antrage, nur 100 Millionen einzulösen, ent⸗ gegen, da das zur Ausführung des Regierungsprogramms erforderliche Geld 11”S. vorhanden sei.

In Abbazia fand gestern ein Festmahl der deutschen und österreichischen Sih eee statt. Den ersten Toast brachte der Kurvorsteher, Oberst Wachter auf Seine Majestät den Deutschen Kaiser aus; der Kommandant des deutschen Schulschiffes „Moltke“, Kapitän zur See Koch erwiderte mit einem Toast auf Seine Majestät den Kaiser Franz Joseph. ach den Trinksprüchen wurden von der Militärkapelle die deutsche und die österreichische Nationalhymne gespielt. Das zahlreich erschienene Publikum stimmte jubelnd in die Hochrufe ein und hörte die National⸗ hymnen stehend an. Im Verlaufe des ücegts wurden mehrere herzliche Trinksprüche auf die gegenseitige Freundschaft und Kameradschaft ausgebracht. 1

Großbritannien und Irland.

In dem Befinden des deutschen Botschafters Grafen von Hatzfeldt, der das Bett wegen eines Bronchitis⸗Anfalles Feen muß, ist dem „W. T. B.“ zufolge am Sonnabend eine

esserung eingetreten.

Das konservative Unterhaus⸗Mitglied James Theobald ist infolge eines Unfalls auf der Eisenbahn am Sonnabend

estorben. Frankreich.

Der Minister⸗Präsident Casimir Périer ist, wie „W. T. B.“ meldet, seit gestern durch eine leichte Unpäßlichkeit gezwungen, das Zimmer zu hüten.

In dem am Sonnabend abgehaltenen Ministerrath er⸗ klärte der Justiz⸗Minister Dubost, die Gerüchte, daß die Anarchisten von Kapitalisten und Priestern Unterstützungen erhalten hätten, seien unbegründet.

Der Kriegs⸗Minister, General Merceier wird der Deputirtenkammer einen Gesetzentwurf vorlegen, wonach zwei Regimenter Pontonniere abgeschafft und die Arbeiten derselben den Genietruppen übertragen werden sollen; durch

diese Maßregel soll die Errichtung von 28 berittenen Batterien ermöglicht werden. 1 In der vorgestrigen Sitzung der Deputirtenkammer brachte der Deputirte Mas einen Antrag auf Aufhebung des Zolls auf Weine und Cidres ein und verlangte die Dringlichkeit ür seinen Antrag. Der Minister⸗Präsident Casimir Pöérier machte darauf aufmerksam, die Dringlichkeit sei unnöthig, da die Regierung einen dementsprechenden Gesetzentwurf vorbereite. Die Dringlichkeit wurde mit 272 gegen 204 Stimmen beschlossen. Im weiteren Verlauf der Sitzung brachte der Deputirte Ricard eine Interpellation ein über die beabsichtigten Eisenbahntarife, die dazu bestimmt sein ollen, den Transport von Weinen aus dem Süd⸗Osten nach aris zu begünstigen. Der Deputirte Salis beantragte eine agesordnung, worin die Regierung aufgefordert wird, die Einheitlichkeit der anzustreben. Der Arbeits⸗ Minister Jonnart bekämpfte diese Tagesordnung, da eine Reform der Tarife ein Defizit im Budget herbeiführen würde, und verlangte die einfache Tagesordnung, welche mit 327 gegen 214 Stimmen angenommen wurde. Der Deputirte Baudry

d'Asson richtete eine Interpellation an die Regierung über das Dekret, durch welches das Rechnungswesen der Kirchen worden ist; er halte dieses Dekret für beunruhigend und ersuche um dessen säte bes Zefe

Der Unterrichts⸗ Minister Spuller rechtfertigte die Gese et des Dekrets und fügte hinzu, die Regierung werde das eseß mit unver⸗ änderlicher Mäßigung zur Anwendung bringen. Der Minister verlangte schließlich die einfache Tagesordnung, die auch durch Aufheben der Hände angenommen wurde.

Am Sonnabend früh wurden in Paris sechs und gestern früh fünf Anarchisten verhaftet, darunter der Italiener Gregor Recco. Im Kohlenbassin von Décaze⸗ ville wurden gestern bei mehreren Anarchisten Haus⸗ suchungen vorgenommen.

Rußland.

In dem Befinden des Ministers von Giers ist, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg erfährt, eine weitere Besse⸗ rung eingetreten.

Zur Feststellung der Beziehungen der Reichskontrole zu den Eisenbahnen in kommerziellen und administrativen Fragen ist eine Kommission mit sehr weitgehendem Pro⸗ gramm ernannt worden, deren Präsident Wyschnegradski ist. Mitglieder sind die Gehilfen des Finanz⸗Ministers, des Reichs⸗Kontroleurs und des Ministers der Verkehrswege. Die Kommission wird die Eisenbahnen bereisen, um am Orte der Untersuchungen die Entscheidungen auszuführen..

Italien.

Bei Beginn der vorgestrigen Sitzung der Deputirten⸗ kammer wollte, wie . T. B.“ berichtet, ein pensionierter Elementarschullehrer aus Ferrara Namens Forti die öffent⸗ liche Tribüne betreten und unter dem Vorwand einer Er⸗ kältung seinen Ueberzieher anbehalten. Die Thürhüter ver⸗ weigerten ihm den Eintritt und fanden, als sie seine Kleider untersuchten, in den Taschen Steine vor. Forti erklärte, er habe diese Steine in der Nähe der Trajanssäule als Andenken gesammelt und wolle ihr Gewicht berechnen. Forti wurde verhaftet und auf das Hauptpolizeibureau geführt, später aber wieder auf freien Fuß gesetzt, da es sich heraus⸗ stellte, daß er geistesgestört sei. G

Spanien.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Madrid ver⸗ laute daselbst, Sagasta hoffe das Kabinet heute vollständig konstituiert zu haben. Wie man annehme, werde Gullon, der Gouverneur der Bank von Spanien, das Finanzportefeuille, Moret das Aeußere, Admiral Pasquin die Marine und Capdepon das Innere übernehmen.

Der Alkalde und der Sakristan des Dorfes Fuen⸗ terrobollo wurden am Freitag durch die Explosion einer von unbekannten Individuen in verbrecherischer Absicht ge⸗ legten Dynam itpatrone verwundet und sind in der folgenden Nacht gestorben.

Niederlande.

Die Konvention mit Preußen über die Korrektion

der Alten Yssel ist laut Meldung des „W. T. B.“ am Sonnabend im Haag unterzeichnet worden.

Rumänien. 8

Der Senat hat, nach einer Meldung des „W. T. B.“, in seiner vorgestrigen Sitzung die Handelskonvention mit Belgien einstimmig angenommen.

Hie Liberalen hielten gestern in Bukarest eine öffent⸗ liche Versammlung ab, wobei es zu lärmenden Scenen kam. Zwei Polizeikommissare wurden mißhandelt, zwei Bürger verwundet. Bei dem Versuch, auf den Straßen zu de⸗ monstrieren, wurden die Versammelten zerstreut.

Serbien.

Der Minister⸗Präsident Simic wird einer Meldung des „W. T. B.“ aus Belgrad zufolge nach Ueberreichung seines Ebberufungsschreibens an den König von Italien eine Audienz beim Papst erbitten, da die serbische Regierung ein Konkordat mit der Kurie in der Weise wie Montenegro zu vereinbaren gedenkt.

Schweden und Norwegen.

Der schwedische Reichstag hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ den Antrag, wonach die Getreidezölle auf den Zollbetrag von 1892 erhöht werden sollten, abgelehnt.

Der Storthing hat das vom Abg. Ullmann bean⸗ tragte Tadelsvotum gegen die Regierung (siehe die vor⸗ gestrige Nummer d. Bl.) mit 62 gegen 49 Stimmen angenommen

Amerika.

In New⸗York explodierte nach einer Meldung des „W. T. B.“ in der Nacht zum Sonntag vor einem Wirths⸗ hause im italienischen Viertel eine Bombe, ohne jemanden zu verletzen. Sämmtliche Fensterscheiben der benachbarten Häuser zersprangen. Von dem Thäter fehlt jede Spur.

Wie eine Depesche aus Kingston auf Jamaika meldet, hat ein haltisches Kriegsschiff eine mit Kriegsmunition für die Insurgenten auf Haiti beladene Nacht weggenommen und nach dem Hafen von Halti gebracht, wo die gesammte Bemannung auf Befehl des Generals Hyppolyte erschossen wurde.

Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aus Rio de Janeiro von vorgestern gemeldet, daß die Regierungsdampfer „Nictheroy“, „Aurora“ und „Destroyer“ sowie drei Torpedo⸗ boote gestern Vormittag im Ha 8. von Rio de Janeir o eingetroffen und bei dem Fort Sao Paulo vor Anker

““

legt wird, angenommen.

gegangen seien. Die Regierungskreuzer „Amerika“

hätten außerhalb des Hafens 18 n obachtende Stellung inne; alle Schiffe seien kampfbereit. Aus Rio Grande do Sul wird semeldet, daß General Salgado sich von den Aufständischen losgesagt und ungefähr tausend Soldaten entlassen habe. ““

Asien.

0 1

8 Deer gesetzgebende Rath hat, wie das „Reuter'sche Bureau“ us Kalkutta meldet, die neue Tarifvorla 58 düre dh⸗

auch auf Silber ein fünfprozentiger Eäntugro ge⸗

Die Annahme dieser Vorlage, fuͤgt das genannte Bureau hinzu, sei insofern von besonderer Be⸗ deutung, als sie in ganz Indien dem heftigsten Widers ruch begegnet sei, weil sie Großbritannien zum Nachtheil Inbiach durch die Zollbefreiun 85 Manchesterwaaren beguͤnstige. Die Vorlage sei nur mit Hilfe der Stimmen der offiziellen Raths⸗ mitglieder durchgegangen.

In Kalkutta eingetroffene briefliche Berichte vom 8. d. M. besagen, daß die britische Kolonne unter Führung des Kapitäns Maxwell, deren Schicksal Beunruhigung eingeflößt hatte, wohlbehalten drei Tagemärsche von Sadiya eingetroffen sei, nachdem sie Membu, ein Abordorf, genommen und nieder⸗ gebrannt habe.

Afrika.

Dem „Reuter’schen Bureau“ wird aus Bathurst ge⸗ meldet, daß am Freitag Marinesoldaten gelandet und auf Gonjor, die Feste Fodi Silah's, marschiert seien, diese aber veglaßsen gefunden hätten. Fodi Silah befinde sich in Garnyang. Die westindischen Truppen seien am Sonnabend gegen ihn vor⸗ gerückt. Gonjor sei in Brand gesteckt worden. Der Krieg gelte als beendet. .

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die Sonnabend⸗Sitzung des

Reichstags sowie der Bericht über die Sonnabend⸗Sitzung

des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen 69. Sitzung des Reichstags, welcher der Reichskanzler Graf von Caprivi, die Staats⸗ sekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Marschall und Dr. Graf von Posadowsky, der Königlich preußische Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch, der Königlich preußische Minister für vancnseicschaft Domänen und Forsten von Heyden und der Königlich preußische Ge⸗ sandte in Hamburg von Thielmann beiwohnten, wurde zuerst in dritter Lesung die Verlängerung des Handels⸗ provisoriums mit Spanien genehmigt und sodann die zweite Berathung des deutsch⸗russischen Handelsver⸗ trags fortgesetzt, und zwar beim Art. 19, welcher lautet:

„Die beiden vertragschließenden Theile behalten sich das Recht vor, ihre Eisenbahntransporttarife nach eigenem Ermessen zu be⸗ stimmen. Jedoch soll weder hinsichtlich der Beförderungspreise noch hinsichtlich der Zeit und Art der Abfertigung den Be⸗ wohnern der Gebiete der vertragschließenden Theile ein Unter⸗ schied gemacht werden. Insbesondere sollen für die von Rußland nach einer deutschen Station oder durch Deutschland be⸗ förderten Gütertransporte auf den deutschen Bahnen keine höheren Tarife angewendet werden, als für gleichartige deutsche oder ausländische Erzeugnisse in derselben Richtung und auf derselben Verkehrsstrecke erhoben werden. Das Gleiche soll auf den russischen Bahnen für Gütersendungen aus Deutschland gelten, welche nach einer russischen Station oder durch Rußland befördert werden.“

Im Schlußprotokoll wird zu Art. 19 bemerkt: „Die vertrag⸗ schließenden Theile werden einander im Eisenbahntarifwesen, ins⸗ besondere durch Herstellung direkter Frachttarife, thunlichst unterstützen. Namentlich sollen letztere nach Danzig, Königsberg und Memel ein⸗ geführt werden. Zugleich sollen die Frachtsätze für die im russischen Eisenbahntarif zum Getreide gerechneten Artikel, sowie für Flachs und Hanf von den russischen Aufgabestationen bis zu den erwähnten Häfen nach denjenigen Bestimmungen gebildet und unter die am Transport betheiligten deutschen und russi⸗ schen Bahnen vertheilt werden, welche für die nach Libau und Riga führenden russischen Eisenbahnen jetzt in Kraft sind oder treten werden. Die außer den Frachtsätzen erhobenen Zuschläge (Nebengebühren) sollen in gleicher Weise gebildet und der Betrag der⸗ selben nach den russischen Vorschriften unter die betheiligten Linien vertheilt werden, wobei man darüber einverstanden ist, daß nur eine einzige Grenzgebühr, die den russischen und den deutschen zur Grenze führenden Bahnen zu gleichen Theilen zufällt, erhoben werden darf. Diese Verpflichtung bezieht sich nur auf die beiderseitigen Staatsbahnen; doch werden die beiden Regierungen dahin zu wirken suchen, daß die Privatbahnen bei der Tarifbildung und Frachtvertheilung auf ihren Linien die gleichen Grundsätze anwenden. Sollten sich jedoch trotzdem die am Verkehr in einer der bezeichneten Richtungen betheiligten Privatbahnen diesen Grundsätzen der Tarifbildung und Vertheilung nicht unterwerfen, so sollen diese Grundsätze auch für die Staats⸗ bahnen nicht mehr bindend sein. Die bestehenden besonderen Bestim⸗ mungen zur Regelung des Wettbewerbs zwischen Königsberg und Danzig bleiben in Kraft.“

Abg. Graf Mirbach (dkons.) bedauert, daß über diese Tarif⸗ frage kein schriftlicher Bericht vorliegt. Die Frage ist außerordentlich klar geworden durch die Kommissionsberathung, und schon deshalb war die Kommissionsberathung erforderlich. Es ist in der Kommission zugegeben, daß thatsächlich der Staat sich eines Theils seiner Hoheitsrechte in Bezug auf die Tarifbildung begiebt. Es ist aber dankbar anzuerkennen, daß den Städten Danzig und Königsberg diese Ausnahmetarife erhalten sind, wenigstens in Bezug auf die Relation zu Libau und Riga. Bedauerlich ist aber, daß durch die Verabredung des Artikels 19 eine weitere Ausdehnung der Konkurrenz Ruß⸗ lands auf dem Gebiete des Getreidehandels begünstigt wird. In der Kommission sei beantragt worden, die Bedingung der Ausfuhr über das Meer in den Nrt. 19 aufzunehmen; die Kommission hat das aber abgelehnt. Besonders werden die Danziger und Königs⸗ berger Mühlen sich freuen, aber die anderen Mühlen Ost⸗ und West⸗ preußens werden sich darüber nicht freuen. Es zeigt sich hier wieder das Bestreben, die Bevölkerung immer mehr in die Hauptzentren des Verkehrs zu drängen. Bedenklich ist es, daß man Oesterreich und Rußland die Gütertarife in vollem Umfang konzediert hat. Wir sind in der Lage, von Rußland das Gleiche zu verlangen. Aber das ist sehr wenig. Cs giebt in Rußland Export⸗ und Importtarife, und Rußland exportiert sehr viel mehr, als Deutschland dorthin exportiert. Der Kohlenexport aus Oberschlesien wird nicht erheblich werden: die kushte Kohlen. werke verstehen die Sache schon zu machen. Sie erhalten bei Be⸗ nutzung von hundert Wagen auf einmal eine Reexpeditionsgebühr: das ist eine erhebliche Prämie; aber wenn die deutschen Kohlen⸗ importeure kommen, dann sind die 100 Wagen eben, nicht der Daß die Handelsvertragspolitik bedenkliche Folgen haben wird, sowoh in politischer wie in finanzieller Beziehung, habe ich schon mehrfach ausgeführt. Das letztere hat der heeugische Finanz⸗ Minister Dr. Miquel zugestanden. Der Abg. Richter hat e agt, daß 1 Aufhebung der Staffeltarife für den 1 mehr bedeute, als J. Aufhebung des Identitätsnachweises; die Aufhebung der Stafe würde die, Wirkung des russischen Handels⸗

tarife ganze

Bahnen anders als auf den preußischen

Danach kann er also nicht viel werth sein. Die sen und Freiherr von Stumm führten aus, daß ohne Aufhebung der Staffeltarife eine Mehrheit für den Vertrag nicht efunden werden könne. Der Abg. Dr. Lieber proklamierte acht Fige vorher, ehe das preußische Staats⸗Ministerium sich mit der Frage beschäftigt hatte, ganz kategorisch: die Staffeltarife werden aufgehoben werden. ie Reichs⸗Zolleinnahmen und die preußischen Eisenbahn einnahmen werden durch die neueste Zollpolitik geschädigt. Besonders eifrig hat sich die bayerische Kammer mit den preußischen Staffeltarifen beschäftigt, während in Bayern erhebliche öö“ bestehen für die Ausfuhr von Bier, Zement, Chlorkalk, Steinkohlentheer, Malzträber, Holz und Steine, und es bestehen große Erleichterungen für die Durch⸗ fuhr österreichischen Getreides. In Bayern bestehen große zollfreie Läger, in welchen die Getreidemassen ein Jahr lang zinsfrei lagern, und es steht den Lägern frei, das Getreide in Bayern abzusetzen oder mit der Prämie der Reexpeditionsgebühr weiter nach Rheinland zu verfrachten. lso die Bayern denken über die Vasfssanäh gungen auf ihren eigenen Bahnen. Da muß das 1 Kammer befremdend wirken. Die preußische Regierung sollte doch diese Staffeltarife bekämpfen im preußischen Interesse. Deutschland als geschlossenes Ganze soll im Wettbewerbe mit andern Staaten seine Kräfte frei ent⸗ falten; das kann es aber nur, wenn es die Tarife auf weite Ent⸗ fernungen verbilligt. Denn worunter leidet z. B. der Osten? Dort sind noch große. Holzvorräthe vorhanden, die wegen des weiten Trans⸗ ports nicht lohnend verwendet werden können. Ich verurtheile die Handelsverträge politisch wesentlich von dem Gesichtspunkte aus, daß man die landwirthschaftlichen Zölle nach oben bindet in einem Augen⸗ blick, wo uns die auswärtige Konkurrenz verderblich wird; ich ver⸗ urtheile diese Politik aber auch deswegen, weil Deutschland sein Eisenbahntarifsystem bindet anderen Staaten gegenüber, sodaß es nicht im stande ist, dasselbe zu reformieren. Die Politik des Deutschen Reichs hat Preußen gezwungen, sein Eisenbahntarifsystem zurück⸗ zuschrauben. Ich sehe darin nicht eine Dissonanz zwischen Preußen und Deutschland; bei der Bedeutung Preußens für Deutschland konnte die Handelsvertragspolitik nur inauguriert werden in Ueber⸗ einstimmung der preußischen Staatsmänner mit denen des Reichs. Man kann einem C ja jede Selbständigkeit der Meinung absprechen. Aber die Logik gebietet, daß, was im Reich geschieht, voll⸗ ständig den Ansichten der preußischen Regierung entspricht; deshalb danke ich dem preußischen Finanz⸗Minister Dr. Miauek für seine An⸗ erkennung der Handelsvertragspolitik. 6 Reglerungskommissar, Königlich preußischer Gesandter von Thiel⸗ mann: Die Staffeltarife haben mit dem Art. 19 nichts zu schaffen, denn die Staffeltarife in e sollen aufgehoben werden, nicht weil wir einen Vertrag mit Rußland abschließen wollen, sondern weil sie keigaet sind, einen großen Theil des deutschen Vaterlandes wirthschaftlich zu schädigen. Der Vorwurf des Abg. Grafen Mirbach, daß Deutschland sich verpflichtet hat, seine Eise nbahntarife den russischen Waaren zu gute kommen zu lassen, richtet sich in erster Stelle nicht gegen die jetzige Festerang. sondern gegen das preußische Ministerium Mhentäaßige welches 1857 mit Rußland und bereits 1853 mit Oesterreich einen Eisenbahnvertrag abgeschlossen hat, welcher die gleichen Grundsätze zum Ausdruck bringt. Redner geht sodann auf die weiteren Einwendungen des Abg. Grafen Mirbach ein. Er weist namentlich darauf hin, daß durch Art. 19 des Schluß⸗ protokolls die Garantie geboten sei, daß auch die Privatbahnen der beiden Staaten bei der Tarifbildung und Frachtvertheilung die gleichen Grundsätze anwenden wie die Staatsbahnen, widrigenfalls diese Grundsätze auch für die Staatsbahnen nicht mehr bindend sein sollen. Wenn gesagt worden sei, an der Hand einer Denkschrift des russischen Finanz⸗Ministers Witte, daß die Beförderung des russischen Getreides über Danzig oder Königsberg so sehr im russischen Interesse läge, daß selbst ohne eine solche Bestimmung im Protokoll ein groß er Theil des russischen Getreides jeder Zeit über Königsberg und Danzig werde verfrachtet werden, so könne er nur wiederholen, daß die Schiffsfrachten einer Berechnung für längere Zeit nicht zu Grunde gelegt werden können.

(Schluß des Blattes.)

Der heutigen 34. diß z des Haus A geordneten wohnte der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegen⸗ heiten Dr. Bosse bei.

Vor Eintritt in die Tagesordnung nahmen folgende Ab⸗

geordnete das Wort zu Bemerkungen: Abg Dr. Schultz⸗Bochum (nl.): Seine neuliche Behauptung, in Stehle und Gelsenkirchen befänden sich unter den Stadtverordneten keine evangelischen, sei ein Irrthum. In Stehle seien von 18 Stadt⸗ verordneten 2 evangelisch, in Gelsenkirchen von 27 Stadtverordneten 4 evangelisch.

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Meine neuliche Behauptung, die Universität Heidelberg verlange in der philosophischen und juristischen Fakultät keine Doktordissertation, ist bezüglich der ersten Fakultät irthümlich; die philosophische Fakultät verlangt sowohl die Disser⸗ tation als auch die Drucklegung derselben.

Abg. von Gliszezynski⸗Costau (Zentr.): Herr von Heydebrand hat vorgestern das Zentrum ermahnt, sich in seinen Klagen zu be⸗ schränken. Wir in der Minderheit erfüllen mit unseren Beschwerden nur unsere Pflicht. Es ist früher nicht in so ausreichendem Maße geschehen, weil wir die neuen Berhärttniss sich erst konsolidieren lassen wollten. Diese Rücksicht ist jetzt fortgefallen, und wir glauben nur unser Recht wahrzunehmen, wenn wir unsere Beschwerden vorbringen.

Darauf wird die zweite Berathung des Etats des Ministe riums der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten, und zwar des Kapitels „Elementarschulwesen“, weiter

fortgesetzt.

Abg. Brandenburg (Zentr.) beschwert sich, daß in Osnabrück

vinh geschichtliches Lehrbuch eingeführt sei, welches die Parität nicht re.

Der Regieru ngskommissar erwidert, daß dies wahrscheinlich auf einem Jerthum beruhe, da bei der Prüfung der Lehrbücher solche, die auf einem einseitigen Standpunkt stehen, ausgeschlossen würden.

Abg. Jansen (SZentr.) beklagt die Verhältnisse der Lehrer speziell in der Provinz Schlesien und wünscht, daß den Lehrern dort das Gehalt nicht vierteljährlich, sondern monatlich praenumerando

ezahlt werde oder daß ihnen Vorschüsse gewährt würden. Ein Bolksschulgesetz sei wegen der Haltung der Konservativen nicht möglich, die Lehrerverhältnisse müßten aber verbessert werden.

Minister der geistlichen ꝛc. An elegenheiten Dr. Bosse: Im

erwaltungswege lassen sich diese Verhältnisse nicht bessern. Vor⸗ schußzahlungen würden allen finanziellen Grundsätzen des Staats widersprechen. Beim Lehrerbesoldungsgesetz werden hoffentlich auch diese Verhältnisse verbessert werden können.

Abg. Motty (Pole) wünscht energische Remedur gegen Miß⸗ handlungen ver Schüler durch Lehrer. Solche Lehrer sollte man ver⸗ setzen oder absetzen; vielleicht könnten 89 auch eine gute Verwendung in Deutsch⸗Afrika finden. erartige Beschwerden kämen namentlich aus den polnischen Landestheilen.

„Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse: Gegen sa strenge Behandlung der Schüler bestehen Verfügungen, die aufs lthengfte befolgt werden müssen. Die Lehrer in den polnischen Landes⸗ 1 sind besser, als sie von polnischer Seite immer dargestellt Pesc. Jede Strafe, die ein deutscher Lehrer über einen Schüler herhängt, wird immer als aus nationalen Gründen hervorgegangen auf⸗ gefaßt. Daß wir nur wenige polnische Lehrer haben, ist Schuld der polnischen Presse, welche immer vor dem Eintritt in den Lehrerberuf gewarnt hat. Wir haben es mit deutschen Kindern zu thun; die gerwaltung hat dafür zu sorgen, daß sie deutsch bleiben. doch Abg. Dr. Gerlich (fr. kons.): Die katholischen Geistlichen sollten de einmal dafür eintreten, daß den Kindern ihr Deutschthum ge⸗ ahrt bleibe. Die polnische Agitation für Einführung des polnischen prachunterricht D isi

beseitigen. be von Bennj

Auftreten der bayerischen

Die Polen sollten nicht immer die Regierung weiter drängen, sondern erst einmal sehen, wie weit sie mit den bisherigen Konzessionen kommen; vielleicht können ihnen später neu⸗ Conzessionen gemacht werden. Herrn Sieg sekundiere ich in der Klage über die Schullasten. Mit dem Geschenk der Grundsteuer ist auch in Westpreußen nicht viel zu machen. Aber bei der fortgesetzten Steigerung unseres Etats kann man dem Staat nicht alles aufbürden. Die Gemeinden müssen selbst eintreten, jedoch dürfen wir nicht die Gemeinden allein zu Gunsten der Lehrer überlasten.

8 Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse: Das Lehrerbesoldungsgesetz wird alle solche Uebelstände hoffentlich beseitigen. Die Verhältnisse in Westoreußen sind allerdings nicht so, daß die Lehrer mit ihrem Gehalt auskommen. Ein Lehrer war thatsächlich nicht im stande, seinen zerrissenen Rock durch einen neuen zu 85 Das Nothwendig e muß Preußen für seine Lehrer thun, die keine über⸗ triebenen Ansprüche erheben. Ich h

mir bei meinen Bemühungen, dioch

(Schluß des Blattes.)

In der Budgetkommission des Reichstags wurden heute zunächst die fortdauernden Ausgaben vom Etat für das Reichs⸗ chatzamt, die Ueberweisungen und die einmaligen Ausgaben ge⸗ nehmigt, ebenso vom Etat für die Justizverwaltung das Extra⸗ ordinarium und der Etat der Reichsschuld. Bei letzterem wurden von den ausgesetzten 1 530 000 zur Verzinsung der Mittel, welche zur Deckung einmaliger Ausgaben auf Grund von 1. durch Ausgabe von Schatzanweisungen auf⸗ genommen werden, 530 000 gestrichen. Hierauf stand vom Etat des Reichsamts des Innern der zurückgestellte Tit.7 des Kap. 3 der einmaligen Ausgaben Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I. zur Berathung. Abg. Graf Limburg⸗ Stirum (dkons.) beantragte, die Position, wie folgt, zu fassen: „Ein⸗ malige Bewilligung von 4 000 000 zur Gerashes eines Reiter⸗ standbildes des Kaisers Wilhelm I. in Berlin: 1. Rate 1 100 000 ℳ“ Ferner beantragt der Graf Limburg folgende Resolution:

offe, daß die Volksvertretung erhältnisse zu bessern, helfen wird.

„Der Reichstag erklärt, daß die Bewilligung des Tit. 7 Kap. 3 der

einmaligen Ausgaben im ordentlichen Etat des Reichsamts des Innern in der Voraussetzung erfolgt, daß weitere Anforderungen aus Reichs⸗ mitteln außer den im Etat für 1894/95 enthaltenen für Zwecke des Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm I. nicht gestellt werden.“ Bei der Abstimmung wird die erste Rate von 1 100 000 einstimmig angenommen, der Antrag Limburg (4 Millionen Mark) wird mit 19 gegen 8 Stimmen (Frei⸗ sinn, Sozialdemokraten und d. Reformp.) genehmigt, die Resolution des Abg. Grafen Limburg mit 16 gegen 11 Stimmen abgelehnt. Hierauf werden noch die Reste des Etats, welche der Kommission überwiesen sind, genehmigt und schließlich das Etatsgesetz und das Anleihegesetz, womit die Budgetkommission ihre Aufgabe zum Ab⸗ schluß gebracht hat.

Die Wahlprüfungskommission des Reichstags beantragt, die Wahl des Abg. Preiß (b. k. F.) im dritten Wahlkrelse der Reichslande Elsaß⸗Lothringen für gültig zu erklären.

Dem Hause der Abgeordneten ist folgender Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aufhebung derim Geltungsbereich des Rheinischen Rechts bestehenden Vorschriften über die in die Geburtsregister einzutragenden Vornamen, zugegangen:

§ 1. Die Vorschriften des Art. 1 des Gesetzes vom 11. Germinal XI (1. April 1803) und des Art. 23 des Bergischen Dekrets vom 12. No⸗ vember 1809 über die in die Geburtsregister einzutragenden Vornamen werden aufgehoben.

§ 2. Dieses Gesetz tritt an dem Tage seiner Verkündung in Kraft.

Die Begründung lautet: Während abgesehen von dem Geltungsbereich des Rheinischen Rechts in der ganzen preußischen Monarchie das Recht der Eltern, die von ihnen für ihre Kinder ge⸗ wählten Vornamen in die Geburtsregister eintragen zu lassen, nur insoweit beschränkt ist, als der Natur der Sache nach unanständige oder sonst anstößige Vornamen von der Eintragung in die Geburts⸗ 1 ausgeschlossen sind, gelten in dem vorbezeichneten Rechts⸗ gebiete besondere, aus der Zeit der Fremdherrschaft stammende Vor⸗ schriften, welche für die linksrheinischen Theile dieses Gebiets in dem Art. 1 des Gesetzes vom 11. Germinal XI (I. April 1803) und für die rechtsrheinischen Theile in dem Art. 23 des Bergischen Dekrets, betreffend die Anwendung des code Napoléon, vom 12. No⸗ vember 1809 enthalten sind.

„Niach diesen beiden inhaltlich gleichlautenden Gesetzesvorschriften dürfen von den Standesbeamten nur solche Vornamen in die Geburts⸗ register eingetragen werden, welche in den verschiedenen Kalendern vorkommen oder aus der alten Geschichte bekannt sind. Es sollte dadurch der sich damals I kundgebenden Neigung entgegen⸗ getesten werden, den Kindern als Vornamen die Namen von Personen

eizulegen, welche zur Zeit der französischen Revolution eine Rolle gespielt hatten (Robespierre, Danton ꝛc.), oder als Vornamen Begriffsbezeichnungen zu wählen, die an jene Zeit erinnerten (6galité, fraternité ꝛc.)

Wenngleich hiernach der Entstehungsgrund und Zweck jener Gesetzesvorschriften inzwischen längst in Wegfall gekommen ist, so la doch bisher ein äußerer Anlaß, dieselben aufzuheben, nicht vor, da sich aus ihnen, anscheinend infolge ihrer laxen Anwendung, Mißstände für die Praxis nicht ergeben hatten. In neuester Zeit sind jedoch wieder⸗ holt Fälle vorgekommen, in denen rheinische Standesbeamte auf Grund einer strengen Auslegung der fraglichen Bestimmungen, ins⸗ besondere des darin gebrauchten Ausdrucks „alte Geschichte“ es ab⸗ gelehnt haben, allgemein gebräuchliche und beliebte Vornamen, wie Emma, Erna, Else, Hans, Kurt, Hellmuth, in die Geburtsregister einzutragen. Um ähnlichen, mit den Volksanschauungen nicht verein⸗ baren Vorkommnissen vorzubeugen, erscheint es angezeigt, jene Vor⸗ schriften, für deren Aufrechterhaltung ein praktisches Bedürfniß nicht vorliegt, zu beseitigen.

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Der § 5 der Baupolizeiordnung für die Um⸗ gebungen Berlins vom 5. Dezember 1892 soll, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, IV. Senats, vom 13. Januar 1894, indem er die sogenannte landhausmäßige Bebauung ge⸗ wisser Umgebungen von Berlin vorschreibt, der Abwendung sanitärer Gefahren und der Sorge für Leben und Gesundheit dienen; er bewegt sich demnach innerhalb der Zuständigkeit der Polizei⸗ behörde und ist rechtsgültig. Die gedachte Baupolizei⸗ ordnung ist auch deshalb, weil sie für die anderen Theile des Bezirks, für welchen sie erlassen ist, von der im

5 vorgesehenen beschränkenden Bebauungsart absieht, nicht als rechtswidrig zu erachten. In dem zum Grunde liegenden Fall war die für mehrere an der Mittelstraße in ve neu aufzuführende Gebäude von den Grundstückseigenthümern nachgesuchte Bauerlaubniß vom Amtsvorsteher versagt worden, weil die Bauprojekte den Be⸗ he des § 5 der Baupolizeiordnung vom 5. Dezember 1892 nicht entsprachen und die betreffenden Grundstücke zu denen gehören, für welche der § 5 eine landhausmäßige Bebauung vorschreibt. Die von den Grundstückseigenthümern wider den Amtsvorsteher erhobene Klage machte unter anderem geltend, baß die Bestimmungen des § 5 der Baupolizeiordnung auf die Beschaffung efecänzer illen⸗ viertel berechnet seien und daß ein Recht auf Erlaß solcher Be⸗ stimmungen, als in das Gebiet der Wohlfahrtspolizei fallend, nur dem Staat, niemals aber der in ihrem Wirkungskreis durch das Allg. L.⸗R. 5⁷ Tit. 17 Th. II. bzw. das Ges. v. 11. März 1850 beschränkten Polizei zustehe. Die Klage wurde sowohl vom Kreis⸗

ausschuß als auch vom Bezirksausschuß abgewiesen, und auf die

Revision der Kläger bestätigte das Ober⸗Verwaltungsgericht die Vorentscheidungen,

indem es begründend ausführte:

„„Was die von den Revisionsklägern gegen die im § 5 der Bau⸗ vom 5. Dezember 1892 enthaltenen Bestimmungen übe „landhausmäßige Bebauung“ erhobenen Angriffe betrifft, so komm es nicht darauf an, jede einzelne Bestimmung des § hier auf ihre Rechtsgültigkeit zu prüfen. Wenn selbst sich einzelne Vorschriften darunter finden sollten, welche polizeirechtlich si wären, so würde, insoweit sie nicht das Motch ür den Erla der Baupolizeiordnung in deren Gesammtheit berühren, die Ungültig keit der betreffenden einzelnen Bestimmungen weder den Bestand der gesammten Beaupolizeiordnung oder des die n1rctans 8 mäßige Bebauung“ betr. G 5 als Ganzes, noch den der einzelnen darin enthaltenen, dem Polizeirecht nicht widerfprechenden Bestimmungen alterieren. Im vorliegenden Fall ist nicht erkennbar, daß zur Ab⸗ lehnung des klägerischen Baugesuchs solche Bestimmungen des § 5, über deren Rechtsgültigkeit Zweifel zu erheben wären, in Betrach gekommen snd. 1

ie Vorschriften über die landhausmäßige Bebauung gewisser Umgebungen von Berlin sind hervorgegangen aus der Fürsotge fün 6 Beseitigung der Gefahren, welche aus dem gedrängten Zusammen bauen, aus dem hierdurch verursachten Mangel an Luft und Lich sowie aus der gesundheitsschädlichen Einwirkung zahlreicher gewerb⸗ licher Einrichtungen und Betriebe für viele Bewohner sich ergeber Die Verordnung ist für die Umgebungen von Berlin erlassen. Di betheiligten Behörden standen dabei vor der Thatsache, daß die Häusermassen vom Mittelpunkt der Stadt aus immer weiter in die Umgebungen hinaus vorgeschoben werden, und es mußte ihnen die Erwägung nahe liegen, daß bei der Freigabe der Bebauung nach den für Berlin selbst geltenden Normen in den gesammten Um⸗ gebungen immer größere Menschenmengen eng zusammengedrängt werden würden, und so die mit solcher Zusammenhäufung für die Gesundheit der Bewohner verbundenen Gefahren nicht nur in der Stadt Berlin selbst, sondern auch für die Vororte wachsen müßten. Eines der Mittel, um diesen Gefahren entgegenzuwirken, ist die land⸗ hausmäßige Bebauung, die der § 5 a. a. O. einführt, um den Zu tritt der nöthigen gesunden Luft auch in die geschlossenen und höher bebauten Bezirke zu sichern.

Daß bei einer zu solchem Zwecke für einen umfangreichen Bezirk vorzunehmenden, mit manchen durch den berechtigten Zweck gebotenen Einschränkungen der Baufreiheit verbundenen Organisation des Bau wesens diese sich als nothwendig ergebenden Einschränkungen nich überall gleichmäßig zu vertheilen, daß vielmehr gewisse Ungleichheiten zu statuieren sind, liegt in der Natur der Dinge .. Es giebt keine positive Rechtsnorm, welche dazu nöthigte, alle baupolizei⸗ lichen Gebote oder Verbote nur derartig zu erlassen, daß durch sie alle Bewohner oder Grundstücke ein und desselben Polizei⸗ bezirks in ganz gleicher Weise und in gleichem Maße betroffen würden. Es giebt daher auch kaum eine Baupolizeiordnung für ein größeres Gemeinwesen, die nicht, sei es in allgemeinen Bestimmungen, sei es in dem Institut der Dispense, den unerläßlichen Ausgleich berechtigte disparater Interessen in einer verschiedenen Behandlung von Grund stücken und Personen suchen müßte 8

Kunst und Wissenschaft.

Der Verein für deutsches Kunstgewerbe veranstalte am nächsten Mittwoch einen Fachabend für Juweliere und Gold schmiede, an welchem die Herren E. Friedeberg und L. Schluttig übe Edelsteine und Perlen und über Goldschmiedetechnik sprechen werden Gleichzeitig wird sich der Verein mit der Frage des gewerbliche Sonntagsunterrichts beschäftigen. Die b findet statt im großen Saale des Architektenhauses, 8 ½ Uhr Abends. 1

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßzregeln. 1

Türkei.

Zufolge Beschlusses des internationalen Gesundheitsrathes in Konstantinopel haben sich Herkünfte von Tripolis (Afrika) seit dem 16. v. M. einer 24 stündigen Beobachtungsquarantäne in einem mit Sanitätsarzt versehenen Hafen zu unterwerfen.

ö Schweden.

Durch Bekanntmachung des Königlich schwedischen Kommerz⸗ Kollegiums vom 7. d. M. ist Rußland, mit Ausnahme der Gouverne ments Wolhynien, Kowno, Plotzk und Tschernigow (vergl. „R.⸗A. Nr. 300 vom 16. Dezember v. J.), sowie ferner die belgische Provin Limburg (vergl. „R.⸗A.“ Nr. 31 vom 5. v. M.) für rein von Choler erklärt worden.

Uruguay.

Durch Verordnung der Regierung zu Montevideo vom 12. v. M

nd die Häfen von Italien und Santa Cruz de Teneriffe (Kanarisch nseln) für rein von Cholera erklärt worden. (Vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 213 vom 5. September 93 und Nr. 9 vom 11. Januar d. J.)

Handel und Gewerbe.

Im Reichsbankgebäude fand heute Vormittag 10 Uhr eine Sitzung des Zentralausschusses statt. An die Darstellung der Lage der Reichsbank knüpfte der Vorsitzende, Präsident des Reichsbank⸗Direktoriums, Wirkliche Geheime Rath Dr. Koch einige Bemerkungen. Danach hat sich zwar die Anlage gegen den 15. Februar d. J. um 17, gegen den 7. März v. J. um 39 Millionen gesteigert. Aber auch das Metall hat gegen den 15. Februar d. J. um 7 Millionen, das Gold um 2 Millionen zuge⸗ nommen. Letzteres beträgt 92 Millionen mehr als Ende 1893 und nur 8 Millionen weniger als am 7. März 1893; der starke Abfluß vom Herbst vorigen Jahres ist also wieder eingeholt. Die fremden Gelder sind um 31 Millionen stärker als am 15. Fe⸗ bruar d. J., die Ueberdeckung der Noten um 17 Millionen, und beide haben inzwischen noch weitere vG gemacht, obwohl die Anlage etwas gestiegen ist. Eine Aenderung des Diskontosatzes wird nicht beabsichtigt. Nachdem noch die Wahlen der Deputirten des Zentralausschusses und deren Stellvertreter sowie die Ergänzungswahlen fuür die Bezirks⸗ ausschüsse bei den Reichsbank⸗Hauptstellen vorgenommen worden waren, wurde die Sitzung geschlossen.

Verdingungen im Auslaude.

1“ Spanien.

16. April, 3 Uhr. Junta del puerti de Barcelona: Lieferung eines Schwimmdocks. System Clark u. Stanfield von 6000 t Trag⸗ fähigkeit. Kaution 20 000 Pesetas. Näheres in spanischer Sprache beim „Reichs⸗Anzeiger“. Bedingnißheft in spanischer Sprache zu be⸗ ziehen von der Secretaria de la Junta, Casa Lonja Barcelona.

1 1 Dänemark. b

24. März, 12 Uhr. Hafenverwaltung (Havneforvalt ningens Contoir, Toldboden), Kopenhagen: Aufführung eines Zollhauses im hiesigen Freihafen.

27. März, 12 Uhr, ebenda: Ausführung der Maurerarbeit ꝛc. eines Packhauses im hiesigen Freihafen.

Zu beiden Submissionen. Bedingungen und Zeichnungen erhältlich (wochentäglich 11 1) an Ort und Stelle gegen Hinter⸗ legung von 50 Kronen, die bei Einreichung eines Angebots und Rückgabe der Bedingungen ꝛc. zurückerstattet werden.

gypten. 8 24. März. Direktor der Kunst⸗ und Gewerbeschule Kairo: Lieferung eines Jahresbedarfs an Werkzeugen und Maschinen. 1. April. Zolldirektion Alexandrien: Bau einer Taback⸗ niederlage; höchster Kostenansatz 20 000 egypt. Pfd. (etwa 417 000 ℳ).

9. April. Eisenbahnverwaltung Kairo: Lieferung von 2200 Kubikfuß amerikanischem Eichenholz.

Näheres in französisch che beim „Reichs⸗Anzeiger“.