1894 / 61 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 12 Mar 1894 18:00:01 GMT) scan diff

zwungene Aufhebung der Staffeltarife; namentlich Schlesien habe als Mittelglied zwischen dem Nordosten und Süden keinen Vortheil, weder von der Aufhebung der Staffeltarife, noch von der des Iden⸗ titätsnachweises. Wenn die Aufhebung des letzteren ein Sprung ins Dunkle ist, dann muß es mit dem . sehr schlecht be⸗ stellt sein, daß man, um seine ädigungen auszugleichen, einen solchen Sprung ins Dunkle macht.

Reichskanzler Graf von Caprivi:

Meine Herren! Der Herr Abgeordnete hat die Aeußerung gethan, das Reich wolle Preußen zwingen, die Staffeltarife aufzuheben. Woher der Herr Abgeordnete diese Ansicht hat, ist mir unbekannt. Ich habe es zum ersten Mal von ihm selbst gehört. Ich muß sie als vollkommen irrig bezeichnen und in ihrer Tendenz auf das schärfste zurückweisen.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Wir haben dem Fürsten Bismarck zugestimmt, wenn seine Vorschläge unseren Grundsätzen entsprachen; wir haben ihm widersprochen, wenn sie unseren Grundsätzen wider⸗ sprachen. Der Präsident brauchte nicht erst durch Zwischenrufe darauf aufmerksam gemacht zu werden, daß die Redner bei der Sache bleiben sollen. Es bestand allgemeines Einverständniß darüber, daß die all⸗ gemeine Diskussion bei diesem Art. 1 nicht stattfinden sollte; deswegen wollten wir dem Abg. von Liebermann auch das Privileg nicht gönnen, seine Rede, weil er sie im Konzept nun einmal vor sich hatte, bei dieser Gelegenheit herzusagen.

Abg. Ulrich (Soz.): Der Zwischenrufer, der „Die sieben Steif⸗ leinenen!“ gerufen hat, war ich. Ich hatte umsomehr Veranlassung dazu, als ich den Abg. von Liebermann in einer Versammlung, die ganz in derselben Weise wie heute hier an die sieben Steifleinenen gemahnte, habe auftreten sehen.

Abg. Schall (dkons.): Wir können es mit unserem christlichen Gewissen nicht vereinbaren, daß das jüdische Element in der Oeffent⸗ lichkeit, in Handel und Verkehr, in der Presse und Rechtsprechung überwiegt. Das wollen wir nicht dulden, namentlich wenn wir sehen, wie unsere christlichen Brüder in den russischen Provinzen verfolgt werden um ihres Glaubens willen, Katholiken und Lutheraner. Es hätte doch wohl möglich sein müssen, neben dem materiellen Interesse auch auf diese religiösen und sittlichen Interessen Rücksicht zu nehmen. Des⸗ wegen werde ich sowohl aus agrarischen als aus christlichen Bedenken gegen den Handelsvertrag stimmen.

Abg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.): Ich kann auch ohne Konzept sprechen, das sollte der Abg. Richter doch wissen. Wenn der Abg. Ulrich Werth darauf gelegt hat, daß er als Zwischen⸗ rufer bekannt wird, weil er mich in einer Versammlung habe auf⸗ treten sehen wie einen Steifleinenen, so muß ich sagen: das ist nicht gut möglich. Er hat der Versammlung garnicht beiwohnen können, weil er gleich zu Anfang, als wir ein Hoch auf den Kaiser und er auf die internationale Sozialdemokratie ausbrachten, auf meine Anregung aus der Versammlung entfernt wurde.

Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Zentr.) bedauert, daß hier in solcher Weise gegen eine einzelne Glaubensgenossenschaft Angriffe erichtet worden sind; dazu sei die Sache doch viel zu ernst. Der Ansicht des Abg. Richter, daß die Aufhebung oder Beibehaltung der Staffeltarife für den Westen eine Frage von untergeordneter Be⸗ deutung sei, widerspricht Redner entschieden. Kein vernünftiger Landwirth wünsche die Fortdauer, auch die Industrie wolle sie be⸗ seitigen, weil sie ungleiche Produktionsbedingungen schaffe. 1879 seien die gemeinsamen Interessen von Landwirthschaft und Industrie in richtiger Weise geordnet worden, diesen Gesichtspunkt habe man nicht immer im Auge behalten, und eine Abweichung von dem damals als richtig Erkannten sei auch die Einführung der Staffeltarife gewesen. Ohne Aufhebung der Staffeltarife würde Redner nicht für den Handelsvertrag stimmen können. Ueberhaupt solle man sich bei allen diesen Fragen leiten lassen von dem gemeinsamen Wohl von Handel und Industrie.

Abg. Ulrich (Soz.) meint, daß Abg. von Liebermann es verstanden habe, in der Versammlung in Offenbach weidlich zu schimpfen; als er aber darauf die Antwort erhalten sollte, habe er sich hinter die Polizei verkrochen.

Abg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.): Ich habe mich noch niemals hinter die Polizei oder hinter jemand anders

versteckt.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Die Hroninken Rheinland und Westfalen sind so dicht bevölkert, daß die Hälfte der Bewohner Hun⸗ gers sterben müßte, wenn sie von ihrer eigenen Landwirthschaft ernährt werden sollte. Die beiden Provinzen brauchen also Importe. Aller⸗ dings ist infolge der industriellen Entwickelung der Arbeitslohn und der Werth des Grund und Bodens höher als im Osten; aber die Pelse sind auch um 30 durchschnittlich auf die Tonne höher. enn die Staffeltarife überhaupt aufgehoben würden, würde niemand un⸗ glücklicher sein als der Westen, der ohne die Staffeltarife für Kohlen und Industrieprodukte garnicht auskommen kann. Staffeltarife für Kartoffeln bestehen seit längerer Zeit, ohne daß sie von den Land⸗ wirthen im Westen angefochten sind; auch die Staffeltarife für stoffe werden von den Landwirthen des Westens nicht bekämpft. Jeder Einwirkung der Regierung ist der Tarif der Wasserwege ent⸗ zogen, der viel billiger als irgend ein Eisenbahntarif ist. Es ist ein Unrecht gegenüber den Landschaften, welche nicht an Wasserstraßen liegen, daß man die Staffeltarife aufhebt, während man noch im vorigen Jahre seitens des Ministeriums dieselben als etwas Ausge⸗ zeichnetes darstellte. Millionen Einnahmen sind fortgestrichen, ohne daß der Landtag Gelegenheit gehabt hat, sich darüber zu äußern.

Abg. Holtz (Rp.) freut sich, daß der Abg. Richter einmal für die Interessen des Ostens eingetreten ist; er (Redner) selbst kommt aber nicht zur Annahme, sondern aus wirthschaftlichen Gründen zur Ablehnung des Vertrages, nicht aus den Gründen, welche die Antisemiten vorgebracht haben. b

Abg. von Kardorff (Rp.): Ich habe dem Fürsten Bismarck lebhaft Opposition gemacht, als er sich auf dem freihändlerischen Gebiet bewegte, wie unsere jetzige Regierung. Gerade das Bestehen der Meistbegünstigungstlausel hat ihn dahin geführt, keine länger dauernden Handelsverträge abzuschließen.

Abg. Graf Mirbach (dkons.) erklärt, daß er erst bei Art. 19 auf die Frage der Staffeltarife eingehen werde.

Damit schließt die Debatte. 8

In namentlicher Abstimmung wird darauf Art. 1 mit 200 gegen 146 Stimmen angenommen.

Die Art. 2, 3 und 4 werden ohne Debatte genehmigt. Nach Art. 5 sollen keine Ein⸗ und Ausfuhrverbote erlassen, auch die freie Durchfuhr nicht verboten werden; Ausnahmen sind nur zugelassen für Gegenstände eines Staatsmonopols oder für gewisse Erzeugnisse aus Rücksichten auf die Gesund⸗ heit und die öffentliche Sicherheit oder „aus anderen schwer⸗ wiegenden Gründen“. 1

Abg. Freiherr von Hammerstein (dkons.) weist darauf hin, daß in der Kommission nicht gesagt worden sei, welches die schwer⸗ wiegenden Gründe sein sollen. 1

Regierungskommissar, preußischer Gesandter von Thielmann erklärt, daß diese Bestimmung aus speziellem Interesse für die deutsche Landwirthschaft aufgenommen sei auf Wunsch der deutschen Regie⸗ rung. Es sollen dadurch Schädigungen von Deutschland ferngehalten werden, welche Epidemien und Viehseuchen zu verursachen im stande sind. Von Rußland uns gegenüber wird die Maßregel nicht er⸗ griffen werden, um die deusschen Manufakturerzeugnisse von der Ein⸗ fuhr nach Rußland fern zu halten. Sonst könnte man mit Retorsions⸗ maßregeln antworten. 8

Abg. von Staudy (dkons.) bedauert, daß von deutscher Seite die Vorschrift beantragt fei; Deutschland wird dieselbe loyal ausführen, aber von Rußland sei das zweifelhaft. Auffallend sei es, daß im Augenblick des Vertragsabschlusses schon von Retorsionsmaßregeln gesprochen werde. 1 1 .

Abg. Dr. Hammacher (nl.): Bei einem solchen Vertrags⸗ abschlusse müsse man von beiden Seiten loyale Ausführung voraussetzen.

Die Art. 6 und 7 (letzterer enthält in der Anlage die beiden Konventionaltarife) werden ausgesetzt; die Art. 8 bis 18 werden ohne Debatte genehmigt. Darauf wird die weitere Berathung gegen 5 Uhr bis Montag 12 Uhr vertagt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

33. Sitzung vom 10. März 1894.

Der Sitzung wohnen der Minister der geistlichen ꝛc. An⸗ gelegenheiten Dr. Bosse und Kommissarien bei.

Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Berathung des Etats des Ministeriums der geist⸗ lichen ꝛc. Angelegenheiten.

Bei dem Kapitel „Elementarschulwesen“, Ditel „Besoldungen für 254 Kreis⸗Schulinspektoren“, beschwert sich

Abg. Dasbach (Zentr.) darüber, daß ein Kreis⸗Schulinspektor im Kreise Braunsberg, im Widerspruch mit der wohlwollenden Er⸗ klärung des Ministers vom vorigen Jahre, der Bildung eines katho⸗ lischen Lehrervereins hindernd in den Weg getreten sei. Redner bringt ferner den von dem Abg. von Czarlinski früher dem Kultus⸗ Ministerium unterbreiteten Fall eines Lehrers in Löbau zur Sprache, der seine Schüler beschimpft, mit der Reitpeitsche geschlagen habe und noch immer nicht versetzt sei. Die Uebertragung von Lokalschul⸗ inspektionen an katholische Pfarrer im Verhältniß zur Zahl der katholischen Schüler lasse noch immer zu wünschen übrig. Man habe sogar Altkatholiken mit der Inspektion betraut.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich bin weit entfernt, dem Herrn Abg. Dasbach, wie er sich ausgedrückt hat, die muthwillige Sucht zu imputieren, so⸗ viel Beschwerden, wie möglich, hier vorzubringen; aber ich möchte den Herrn Abgeordneten fragen, wie soll ich es anfangen, auf diese vielen einzelnen und Spezialbeschwerden, die hier vorgebracht werden, zu ant⸗ worten. Es ist ja ganz unmöglich, hier eine Antwort auf alle diese Einzelheiten zu geben. Wenn ich hier in diese Spezialfälle eintreten wollte, meine Herren, so müßte ich auch die Gründe hier entwickeln, die in einzelnen Fällen dafür sprechen, daß eine bestimmte Person mit einem bestimmten Amt nicht betraut werden kann. Ich vermeide das aufs sorgfältigste, weil ich Bedenken habe, vor der Landesvertretung und vor dem Lande solche höchstpersönlichen Dinge, die auch für den Betroffenen nicht angenehm sein können, welche vielmehr unter Um⸗ ständen sehr unangenehm werden können, hier zu erörtern, und ich glaube, daß ich hiermit im Interesse der Betroffenen handle, nicht aber gegen dieselben.

Der Herr Abg. Dasbach hat gesagt, man müsse die Betroffenen oder die Beschuldigten auch hören das thun wir, aber warum kommen denn diese Herren nicht selbst? Die katholischen Pfarrer, denen in ganz vereinzelten Fällen ich kann Ihnen die Zahlen hier angeben die Lokal⸗Schulinspektion nicht anvertraut ist sie sind ja alle des Schreibens kundig —, warum kommen sie denn nicht an mich heran? Dann kann ich sie und die betreffende Regierung hören, die es bis dahin nicht für angemessen erachtet hat, ihnen Lokal⸗Schul⸗ inspektionen anzuvertrauen. Nun mache ich darauf aufmerksam, der Herr Abg. Dasbach hat gesagt, ein Schulinspektor habe sich in schroffer Form gegen einen katholischen Lehrerverein ausgesprochen, und hier möchte ich eine ausdrückliche Direktive und zwar eine amtliche Direktive erlassen, daß das nicht geschehen solle. Ja, meine Herren, erstens mache ich darauf aufmerksam, daß, als die Sache hier von Herrn Freiherrn von Heereman zur Sprache gebracht wurde, ich gesagt habe, daß meine Aeußerungen hier in diesem hohen Hause vollständig genügten, um den Behörden im Lande zu zeigen, wie ich in Bezug auf die katholischen Lehrervereine stehe. Ich will ihnen dasselbe Recht einräumen, wie den anderen Lehrervereinen. Das ist keine private Aeußerung; wenn ich hier spreche, spreche ich ja nicht zu meinem Vergnügen, sondern das sind recht eigentlich amtliche Aeußerungen, die in alle Kreise der Behörden und des Landes hinaus⸗ gehen. Ehe ich aber in diesem Falle in Bezug auf die Kreis⸗Schul⸗ inspektoren alles das thue, wovon der Herr Abg. Dasbach ge⸗ redet hat, muß ich doch wissen, wie die Sache liegt. Hier muß ich den andern Theil hören. Damit, daß hier auf Grund einer einseitigen Zeitungsinformation die Sache vor dem hohen Hause verhandelt wird, ist sie noch nicht abgethan. Hier hat doch der Mann Anspruch darauf, daß er von mir zunächst amtlich gehört werden muß, darauf kann ich also beim besten Willen nicht eingehen. (Bravol rechts.)

Nun kommt es ja in einzelnen Fällen vor, daß die Verhältnisse es nicht zulassen, die Lokal⸗Schulinspektion dem betreffenden Geistlichen zu übertragen. Wir haben katholische geistliche Orts⸗Schulinspektoren in 6968 Schulen, und schon diese Zahl beweist, daß es sich hier nur um eine ganz verschwindende Anzahl weniger Fälle handeln kann. Das ist auch der Fall; denn im Regierungsbezirk Trier waren im Jahre 1891 noch 135 solche Fälle vorhanden, im Jahre 1892 noch 101, im Jahre 1893 noch 80 und im Jahre 1894 sind es noch 60 Fälle, in denen die Behörden, die Regierungen nicht in der Lage gewesen sind, die Ortsschulaufsicht den katholischen Pfarrern zu übertragen. Bei diesen sechzig Fällen muß man immer noch einrechnen, daß stets eine gewisse Zahl von Pfarrern vakant ist. Wo es sich um weite Entfernungen handelt, wo daraus Unbequemlichkeiten für die Gemeinden, die Schulen, die Kinder hervorgehen, kann ich nur den Schulen, den Gemeinden anheim⸗ zeben, daß sie sich an uns wenden mögen. Dann wird eine Prüfung eintreten, und es werden solche Unzuträglichkeiten, wie sie hier zur Sprache gebracht sind, abgestellt werden.

Ganz ähnlich geht es mit den anderen Fällen, die der Herr Abg. Dasbach hier zur Sprache gebracht hat. Er hat gesagt, in Mayen sei ein altkatholischer Kreis⸗Schulinspektor. Ich bemerke, daß mir angezeigt worden ist, daß er am 1. Februar 1889 aus dem altkatholischen Ver⸗ bande förmlich ausgeschieden ist. Aber, meine Herren, ich habe die altkatholischen Kreis⸗Schulinspektoren vorgefunden; das sind zum theil, soviel ich weiß, alle durchaus gewissenhafte Männer. Nun möge mir Herr Abg. Dasbach sagen: wohin soll ich die Leute versetzen, was soll ich mit ihnen anfangen? Ich kann sie doch nicht todt schlagen! (Heiterkeit links.) Nein, meine Herren, mit diesen Spezialbeschwerden, ohne daß die Leute vorher zehört sind, ist, glaube ich, außerodentlich wenig gethan. Ich werde dankbar sein, wenn die Herren zu mir kommen, wenn sie sich an mich wenden; wenn ich in die Lage gebracht werde, den einzelnen Fall zu prüfen, dann werde ich Abhilfe schaffen, wenn die Verhältnisse es nothwendig machen, soweit es in meinen Kräften steht. Aber was soll aus unseren Kultusdebatten werden, wenn wir in dieser Weise jeden einzelnen Spezialfall hier vorbringen! (Lebhafter Beifalll’) * 6

Abg. Dauzenberg (Zentr.) setzt die Beschwerd 8 Dasbach fort und bedauert namentlich, daß den Aüechen de be. die Kreis⸗Schulinspektion systematisch entzogen werde. Das Bern

zwischen Kirche und Schule müsse immer enger geknüpft,

dürfe nicht außer Auge gelassen werden, daß die Erziehung ber Ki die Hauptsache sei. hung der Kinder

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich habe mit Betrübniß von dem Herrn Abg Dauzenberg die Meinung vernommen, daß im vorigen Jahre, als 8 dieselbe Angelegenheit hier zur Sprache gebracht hat, ich einer meritorischen Antwort auf diese Frage ausgewichen sei. Ich kann das nicht zugeben. Ich habe mich im vorigen Jahre auf den Minister von Ladenberg berufen, habe ihn als eine gewiß unverdächtige Autorität dafür angeführt, daß die ganze Frage der Kreis⸗Schul⸗ inspektion im Hauptamt und Nebenamt nicht eine Kulturkampffrage nicht eine Frage der Parität ist, sondern daß sie wesentlich eine schultechnische Frage ist, und auf diesem Standpunkt stehe ich auch noch heute. Sie ist in der Hauptsache eine schultechnische Frage und muß aus dem Gesichtspunkt der Interessen der Schule gelöst werden. Von diesem Gesichtspunkt aus habe ich neulich ausdrücklich gesagt, als von dieser Seite hier zu meiner Rechten die Frage bei der Generaldebatte zur Sprache gebracht wurde, daß die Kreis⸗Schul⸗ inspektion im Hauptamt für die preußische Unterrichtsverwaltung seit langen Jahren das allmählich zu erreichende Ziel überall da ist, wo sich die nebenamtliche Kreis⸗Schulinspektion als ausreichend nicht erweist. Von dieser Erklärung, glaube ich, habe ich keinen Anlaß irgend etwas zurückzunehmen.

Freilich, meine Herren, hat darin der Abg. Dauzenberg ganz Recht: man kann eine solche Frage des Schulinteresses, wie bei uns die Dinge liegen, nicht loslösen von den religiösen Interessen. Es muß die Unterrichtsverwaltung das religiöse fund auch das kirchliche Inter⸗ esse bei der Lösung dieser Frage mit berücksichtigen, und das soll auch rechtschaffen auf paritätischen Grundlagen geschehen.

Meine Herren, es ist gesagt worden: ja, warum habt ihr denn nun überhaupt diese Kreis⸗Schulinspektion im Hauptamt im weessent⸗ lichen nur in katholischen Landestheilen eingeführt? Ich kann das nicht einmal zugeben, daß das der Fall sei, obwohl es scheinbar so aussieht. Unter Kreis⸗Schulinspektoren im Hauptamt stehen zur Zeit 4879 evangelische, 9319 katholische Schulen (hört! hört! im Zentrum), 140 jüdische und 567 paritätische. Nun ist die Zahl von 9319 katholischen Schulen ja sehr viel größer, als die der evangelischen. Das liegt aber, von anderen Verhältnissen abgesehen, wesentlich daran, daß zu diesen katholischen Schulen die Schulen in den polnischen Landestheilen gehören. Daß wir da einen gewissen Grund haben, auf eine ganz besonders exakte Schulaufsicht zu dringen, das brauche ich weiter nicht auszuführen; das kann ich hier wohl sagen, ohne irgend jemand zu verletzen. (Sehr richtig.)

Auch darin irrt der Herr Abg. Dauzenberg, wenn er im vorigen Jahre gemeint hat, man könnte ja jedem Kreis⸗Schulinspektor im Nebenamt ungefähr 100 Schulen oder auch etwa zehn weniger anver⸗ trauen. Nicht einmal dem Kreis⸗Schulinspektor im Hauptam können Sie 100 Schulen unterstellen. Das kann der Mann im Durchschnitt nicht leisten, wenn er die Schule so revidieren und unter seiner Leitung behalten soll, wie es nothwendig ist. Im Durchschnitt haben unsere hauptamtlichen Kreis⸗Schul⸗ inspektoren jeder 58 Schulen. Nun ist es zweifellos, daß die haupt⸗ amtlichen Kreis⸗Schulinspektoren sehr viel öfter in die Schule kommen, als durchschnittlich die Kreis⸗Schulinspektoren im Nebenamt. Es hat solche nebenamtlichen Kreis⸗Schulinspektoren gegeben, die nicht einmal ein einziges Mal jährlich in jede Schule gekommen sind, die ihnen an⸗ vertraut war. Da haben wir allerdings eingreifen müssen, und das hat uns zum theil dahin geführt, ihnen die Kreis⸗Schulaufsicht ab⸗ zunehmen. Da haben wir die Nothwendigkeit anerkannt, daß eine hauptamtliche Kreis⸗Schulinspektion eingerichtet werden mußte.

Ich will nicht, daß das einige Band zwischen Schule und Kirche gewaltsam zerrissen werde. Ich kann aber auch nicht in allen Fällen dieses Band mit einem äußern Zwang herstellen da, wo ich ein⸗ sehe, daß es auf Widerstand stößt, und daß die Interessen der Schulen es nicht möglich machen, überall den Pfarrer als solchen, als Kreis⸗ Schulinspektor festzuhalten.

Was in der Rheinprovinz die Maßregeln betreffs der Rektoren anbelangt, so mache ich darauf aufmerksam, daß diese ja nur zunächst auf die großen Städte sich beziehen und jedenfalls nur auf die größeren Schulkörper; wo wir Rektoren und Hauptlehrer haben, dort wollen wir ihnen die Funktion der örtlichen Schulaufsicht anvertrauen, und wir befinden uns auch dabei in Uebereinstimmung mit den Grundsätzen der Instruktion von 1811 über die städtische Schuldeputation, wo dieser Gedanke schon unzweideutig niedergelegt worden ist. Ich hebe hervor, daß die Verwirklichung dieses Gedankens uns wesentlich von geistlicher Seite nahegelegt worden ist, und zwar um deswillen, weil die Geistlichen in den großen Städten gesagt haben: Unter den heutigen Verhältnissen, wo wir unsere ganze Kraft auch auf die sozialen Mißstände richten müssen, wo unsere Gemeinden so außerordentlich schwer zu pastorieren sind, können wir, wenn wir gewissenhafte Leute bleiben wollen, die Schul⸗ aufsicht nicht mehr in dem Umfang und mit der Intensität wahr⸗ nehmen, wie es unsere Pflicht erheischt. Nehmen Sie uns die Last ab! Und wir nahmen sie ihnen ab; wir haben aber dafür gesorgt, daß die Geistlichen in den Schulvorstand kommen und dort bleiben, und als Mitglieder des Schulvorstands werden sie nach wie vor den Lehrern gegenüber eine durchaus angemessene Stellung haben. Die Behauptung, daß der Geistliche „Untergebener“ des Lehrers ist das wird der Abg. Dauzenberg selbst zugestehen —, das ist ein Superlativ, von dem in Wirklichkeit nach meiner Ueberzeugung garnicht die Rede sein kann. Nein, meine Herren, ich glaube, daß wir in Bezug auf die Schulaufsicht im wesent⸗ lichen auf dem richtigen Wege sind. Wir gehen langsam vor; wir gehen nur da vor, wo das Bedürfniß hervortritt, da aber auch mit aller Sicherheit, daß wir wirkliche Schulinteressen hier wahrnehmen, und daß wir auf diesem Wege auch dazu kommen, sie richtig wahr⸗ zunehmen; freilich gehört dazu die richtige Auswahl der Personen⸗ Wir suchen uns die richtigen Personen, wo wir sie bekommen können, und wenn wir so wenige katholische Schulinspektoren im Hauptamt bekommen können, wenn wir da auf Widerstand gestoßen sind, so liegt das zum theil varan, daß gerade von geistlich⸗katholischer Seite dieses ganze wichtige, in seiner Art gegenüber unserer Jugend heilige Amt der hauptamtlichen Kreisschulaufsicht mit mißtrauischen Augen angesehen wird, und daß ein großer Theil gerade der Herren, die dazu

geeignet wären, Bedenken tragen, sich diesem Mißtrauen auszusetzen. Das ist wenigstens der Eindruck, den ich gehabt habe. Ich kann ja nicht in jedem einzelnen Falle dafür einstehen, welches die Motive der Ablehnung gewesen sind, aber ich bin überzeugt, daß jenes Mißtrauen mit dazu beiträgt. Je mehr wir korrekte, tüchtige katho⸗ lische Geistliche und Schulmänner in diese Fachschulaufsicht hinein⸗ bekommen, desto mehr werden die Klagen auch auf geistlich⸗katholischer Seite verstummen. Man wird sehen, daß auch mit der Kreis⸗Schul⸗ inspektion im Hauptamt sich sehr gute, auch für den kirchlichen Frieden sehr heilsame Ergebnisse erzielen lassen. (Bravo! rechts.)

Abg. Stanke (Zentr.) bringt ebenfalls eine Reihe von Be⸗ schwerden vor über Fälle, wo in rein katholischen Orten kein katho⸗ lischer Schulinspektor fungiere.

Ministerial⸗Direktor Dr. Kügler: Diese sich auf die zwei⸗ sprachigen Landestheile beziehenden Wünsche können wir nicht berück⸗ sichtigen, weil dort die Geistlichen überhaupt der Ansicht sind, daß die preußische Schulverwaltung auf einem falschen Wege sei. Solchen Männern können wir die Schulaufsicht nicht übertragen.

Abg. Mooren (Zentr.) klagt über einige Fälle von Drang⸗ salierung katholischer Lehrer durch Regierungs⸗Schulräthe. Auch den katholischen Lehrervereinen mache man die Existenzberechtigung streitig.

Abg. Knebel (nl.) wünscht, daß die Volksschule nicht nur eine Vorschule für die spätere Erwerbung fernerer Kenntnisse sei, sondern eine in sich selbst durchaus abgerundete Bildung gewähre, die dem größten Theil des Volkes für seine Erwerbsverhältnisse nutzbringende Kenntnisse verschaffe. Der Verein gegen den Wucher an der Saar habe eine einfache Anleitung über die Buchführung für kleine Land⸗ wirthe herausgegeben, aber die meisten Leute hätten nicht die nöthige Bildung, um diese Anleitung zu verstehen. Die Bevölkerung müsse in der Volksschule wenigstens dahin gebracht werden, über ihre einfachen häuslichen Geschäfte Buch zu führen und eine Vermögensaufstellung zu machen. Wenn die Leute mit ihren Geldgeschäften nicht mehr auf die Unterstützung Anderer angewiesen seien, würden sie am besten vor Wucherern bewahrt.

Abg. Dr. Porsch (Zentr.) unterstützt die Beschwerden seiner Freunde über die Kreis⸗Schulinspektion und die Behandlung der Fratfschen Lehrervereine. In Oberschlesien würden katholische Geist⸗ liche zur Kreis⸗Schulinspektion uüͤberhaupt gar nicht zugelassen. Zu Lokal⸗Schulinspektoren nehme man dort auch keine Geistlichen, sondern Förster, Aerzte ꝛc.; darum habe die Schulaufsicht mit Recht von vornherein den Verdacht der Katholiken erweckt, daß man die Schulaufsicht überhaupt von der Kirche trennen wolle. Wenn man die Geistlichen von der Schulaufsicht ausschließe, weil sie die preußische Schulpolitik mißbilligen, so müßte man auch die Regierungsbeamten absetzen, welche die jetzige Wirthschaftspolitik nicht mitmachen wollen. Nicht nur in zweisprachigen Landestheilen schließe man aus solchem Grunde die katholischen Geistlichen von der Schulaufsicht aus, son⸗ dern auch in rein preußischen Provinzen. Der Ministerial⸗Direktor habe auf diese Klagen nur sehr kurz geantwortet.

Ministerial⸗Direktor Dr. Kügler: Ich habe mich kurz gefaßt, weil ich im Interesse des Hauses bei der Geschäftslage kurz sein zu sollen glaubte. Redner giebt dann eine eingehende Darstellung der Kreis⸗ und Lokal⸗Schulinspektion im Regierungsbezirk Oppeln, zum Beweise, daß die Lokal⸗Schulinspektion immer mehr in die Hände der katholischen Geistlichen gelegt werde. Die Regierung mache sehr gern von der Mitwirkung der Geistlichen Gebrauch, aber nur solcher, die auf dem Boden der preußischen Schulverwaltung stehen. Auch die Anklagen bezüglich der Behandlung der katholischen Lehrervereine seien durchaus unbegründet.

Abg. Seyffardt⸗Magdeburg (nl.) vertheidigt die Kreis⸗Schul⸗ inspektoren gegen die Vorwürfe der Zentrumsredner. Den Kreis⸗ Schulinspektoren im Hauptamt sei es wesentlich zu verdanken, daß sich das allgemeine Niveau der Schulbildung gehoben habe, was auch der katholischen Bevölkerung zum Nutzen gereiche.

Abg. von Czarlinski (Pole) beschwert sich über Vernach⸗ lässigung der polnischen Sprache in den Schulen der Landestheile mit gemischter Zunge.

Abg. Neubauer (Pole) wünscht die Anstellung einer größeren Anzahl katholischer Kreis⸗Schulinspektoren in Westpreußen.

Ministerial⸗Direktor Dr. Kügler: Wir haben früher nicht die genügende Anzahl geeigneter Kräfte gehabt, sind aber immer bestrebt gewesen, diesen Wunsch zu erfüllen, und haben auch schon Fortschritte in dieser Richtung gemacht. 1

Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Mooren (Zentr.), Dauzenberg (Zentr.) und Neubauer (Pole) werden die Ausgaben für die Schulaufsicht bewilligt.

Bei den Positionen für die höheren Mädchenschulen wird der Antrag des Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole): die Forderung von 80 000 „zur Förderung des deutschen höheren Mädchenschulwesens in Westpreußen, Posen und Oppeln“ als besonderen Titel zu streichen, abgelehnt.

Bei den Positionen für die Volksschulen erklärt Geh. Ober⸗Finanz⸗Rath Germar, daß nach der Ansicht des sinanz Ministers die Zuschüsse an Gemeinden nicht nach formalen Regeln gegeben werden könnten, daß vielmehr in jedem Falle die Leistungsfähigkeit der Gemeinden geprüft werden solle.

„Abg. Bartmer inl.) dankt dem Minister für die neuliche Er⸗ klärung, daß ein Lehrerbesoldungsgesetz in Vorbereitung sei, und be⸗ schwert sich über eine Anordnung des Provinzialraths von Hannover bezüglich der Gehaltsregelung für die Lehrer.

Ministerial⸗Direktor Dr. Kügler theilt mit, daß gegen die Entsche dung des Provinzialraths Klage erhoben worden sei, die jetzt beim Ober⸗Verwaltungsgericht schwebe. 1 Abg. Willebrand (Gentr.) beschwert sich darüber, daß Lehrern in Münster auf dem Disziplinarwege die Ausübung der Jagd ver⸗ boten und ihnen der Jagdschein entzogen worden sei. Das sei eine Zurücksetzung der Lehrer gegenüber allen anderen Beamten.

Abg. Wolezyk (Zentr.) bemängelt, daß den Lehrern das Ein⸗ kommen aus einem Kirchenamt bei der Festsetzung ihres Gehalts angerechnet werde. Organisten, Küster ꝛc. müßten behalten, was sie sich durch persönliche Dienstleistung für die Kirche verdienten. Redner wünscht ferner die Gestattung des polnischen Kirchenliedes beim Ge⸗ sangunterricht und Förderung des polnischen Sprachunterrichts.

Wj Abg. Sieg (nl.) beschwert sich über die Verfügung des Kultus⸗ Ministers an die Regierungs⸗Präsidenten, möglichst die Einführung des Normal⸗Etats in den Volksschulen zu veranlassen. Die Re⸗ gierungs⸗Präsidenten gingen damit ziemlich scharf vor, unter Hinweis darauf, daß den Gemeinden ja die Grundsteuer überwiesen sei. Aber ei der Steuerreform sei an doch schon übergenug genommen worden. Gerade seine Heimath, Westpreußen, leide unter der Steuer⸗ reform und der Wirthschaftspolitik; dazu komme jetzt der russische Handelsvertrag über die Staffeltarife dürfe man hier ja nicht Es sei garnicht so erforderlich, den Lehrern die höberen Gehälter des Normal⸗Etats zu geben. Der Minister sollte mehr für die Schulen flüssig machen, da die Gemeinden den ormal⸗Etat aus Mangel an Geld nicht einführen könnten. Abg. Sten gel (fr. kons.) erinnert den Vorredner daran, daß

der Finanz⸗Minister nicht mehr Mittel bewilligen könne, und führt aecs über, die Verwendung der Dispositionsfonds des Ministers erfol 8 Volksschulen, welche nach ganz mechanischen Gesichtspunkten 1 h Rücksicht auf die verschiedene Leistungsfähigkeit der Vemeinden. säcungen für ihre Schulen erhalten, widerspreche sogar den Vor⸗ Lehrerb solb Verfassung. Deshalb sei wenigstens die Vorlegung eines dungsgesetzes dringend wünschenswerth, wenn ein Schul⸗ ionsgesetz zur Zeit nicht möglich sei.

*

Daß auch leistungsfähige Gemeinden staatliche Unter⸗

„Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Die Leistungen des Staats für die Volksschule sind immerfort gestiegen; der Staat ist jetzt an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit angekommen. Eine gesetzliche Regelung ist also erforderlich, aber nur im Wege des Volksschulgesetzes, nicht allein eines Schuldotationsgesetzes. Das Zentrum sollte doch der Geschäftslage Rechnung tragen und sich in seinen Beschwerden etwas beschränken. Niemand wolle einen neuen Kulturkampf, und das Zentrum müsse doch anerkennen, daß der Minister sich bemühe, den Wünschen der Katholiken möglichst zu entsprechen.

Darauf wird um 4 ½¼ Uhr die Berathung auf Montag, 11 Uhr, vertagt.

Statistik und Volkswirthschaft.

Seeverkehr in den deutschen Hafenplätzen.

eber den Seeverkehr in den deutschen Hafenplätzen in den Jahren 1883 bis 1892 bringt das 8 1894 der Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs eine Reihe von Zusammenstellungen. Hiernach sind in diesen Häfen (das deutsche Küstengebiet als ein Ganzes betrachtet) im Jahre 1883: 113 966 Schiffe mit einem Nettoraumgehalt von 18 858 548 Register⸗ öö 1892: L Schiffe mit 28 296 357 Register⸗Tons zu Handelszwecken ein⸗ und ausgegangen, woraus sich eine Zunahme der Schiffszahl um 17 542 Echüfe = 15,4 % 168 gehalts um 9 437 809 Register⸗Tons = 50 % ergiebt. Der Gesammt⸗ verkehr der ein⸗ und ausgelaufenen Schiffe bezifferte sich im Ostsee⸗ gebiet 1883 auf 53 324 Schiffe mit 8 062 942 Register⸗Tons, 1892 auf 56 737 Schiffe mit 10 296 917 Register⸗Tons, im Nordsee gebiet 1883 auf 61 661 Schiffe mit 10 797 382 Register⸗Tons, 1892 auf 75 034 Schiffe mit 18 083 692 Register⸗Tons. Der Segelschiffs⸗ verkehr hat in der Zeit von 1883 bis 1892 im Ostseegebiet um 6818 Schiffe (20,2 %) und 525 488 Register⸗Tons (24,9 %) abgenommen, im Nordseegebiet steht einer Abnahme der Schiffszahl um 1720 (3,8 %) eine Steigerung des Raumgehalts um 223 818 Register⸗Tons (7,5 %) gegenüber, und im gesammten deutschen Küstengebiet ist sowohl die Zahl der angekommenen und abgegangenen Segelschiffe (um 7574 = 9,7 %) als auch ihre Ladefähigkeit (um 303 470 Register⸗Tons = 6,0 %) zurückgegangen. Der Da mpfschiffsverkehr hat während des genannten Zeitraums in allen Gebieten eine Steigerung erfahren, welche für das Ostseegebiet 10 231 Schiffe (52,5 %) und 2 759 463 Register⸗Tons (46,3 %), für das Nordseegebiet 15 093 Schiffe (93,8 %) und 7 062 492 Register⸗Tons (90,3 %) und für das ganze deutsche Küsten⸗ gebiet 25 116 Schiffe (70,6 %) und 9 741 279 Register⸗Tons (70,7 %) beträgt. Von den angekommenen und abgegangenen Schiffen fuhren im Jahre 1883: 83 383 mit 9 091 179 Register⸗Tons, im Jahre 1892: 97 099 mit 14 863 650 Register Tons unter deutscher Flagge, während in ersterem Jahre 30 583 Schiffe mit 9 767 369 Register⸗Tons, in letzterem 34 409 Schiffe mit 13 432 707 Register⸗Tons unter fremder Flagge im deutschen Küstengebiet ein⸗ und ausliesen. Die Schiffe deutscher Flagge waren im Jahre 1883 der Zahl nach mit 73,2 %, dem Raumgehalt nach mit 48,2 %, im Jahre 1892 mit 73,8 % und 52,5 % also etwas lebhafter am Seeverkehr des Deutschen Reichs betheiligt, während die Betheiligung der Schiffe fremder Flaggen am Seeverkehr von 26,8 % und 51,8 % im Jahre 1883 auf 26,2 % und 47,5 % in 1892 zurückgegangen ist. Im Verkehr mit deutschen Häfen sind im Jahre 1883: 65 792 Schiffe mit 3 126 160 Register⸗Tons, im Jahre 1892: 81 280 Schiffe mit 5 890 485 Register⸗Tons im Küstengebiet des Deutschen Reichs angekommen und abgegangen; davon entfielen der Schiffszahl nach im Jahre 1883: 97,7 % auf deutsche, 2,3 % auf fremde, im Jahre 1892: 95,3 % auf deutsche, 4,7 % auf fremde Schiffe, während der Lade⸗ fähigkeit nach Schiffe deutscher Flagge 1883 mit 89,2 %, 1892 mit 87,9 %, Schiffe fremder Flagge 1883 mit 10,8 % und 1892 mit 12,1 % an diesem Verkehr betheiligt waren. Es ist also den fremden Schiffen gelungen, im deutschen Küstenverkehr einen wenn auch nur kleinen Fortschritt auf Kosten der deutschen Schiffe zu machen. Im Verkehr mit außerdeutschen europäischen Häfen gingen im deutschen Küstengebiet im Jahre 1883: 44 541 Schiffe mit 12 226 719 Register⸗Tons, 1892: 46 217 Schiffe mit 15 898 977 Register⸗Tons ein und aus. Diesen Verkehr vermittelten im Jahre 1883 deutsche Schiffe zu 38,4 % und 32,5 %, fremde Schiffe zu 61,6 % und 67,5 %, im Jahre 1892 erstere Schiffe zu 37,4 % und 32,9 %, 2 Schiffe zu 62,6 % und 67,1 %; eine nennenswerthe Aenderung hat also im Laufe des Zeitraums 1883/92 in dem gegenseitigen Verhältniß der Flaggen nicht stattgefunden. Der Verkehr mit außereuropäischen Häfen belief sich 1883 auf 3633 Schiffe mit 3 505 669 Register⸗ Tons, 1892 auf 4011 Schiffe mit 6 506 895 Register⸗Tons; davon nahmen Schiffe deutscher Flagge 1883: 53,7 % und 66,4 %, 1892 59,0 % und 68,6 %, Schiffe fremder Flagge in ersterem Jahre 46,3 % und 33,6 %, in letzterem Jahre 41,0 % und 31,4 % in An⸗ spruch. Es hat sich also die Betheiligung der deutschen Schiffe an diesem Verkehr seit 1883 etwas gehoben.

Zur Arbeiterbewegung. 8

In Leipzig verhandelte, wie die „Lpz. Z.“ berichtet, am letzten Donnerstag eine Versammlung der Steinmetzgehilfen über Angelegenheiten des Lohntarifs und beschloß, die Namen solcher Arbeitgeber, die ihre Arbeiter nach niedrigeren Sätzen, als denen des zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vereinbarten Tarifs bezahlen, zu veröffentlichen.

Aus Freiburg i. B. wird dem „Vorwärts“ berichtet, die dortige Firma Rumöller u. Co. habe die bei ihr beschäftigten Schneider entlassen, weil sie in einer Versammlung über Mängel in diesem Geschäft berathen und für den deutschen Schneiderverband agitiert hätten. Ueber die Firma wurde die Sperre verhängt.

Aus Wien wird dem „Vorwärts“ gemeldet, daß in den dortigen Lampenfabriken von Ditmar und Gebrüder Brünner sämmtliche Arbeiter und Arbeiterinnen, etwa 1200 an Zahl, sich im Ausstande befinden. Bei der Firma Bacher u. Co. in Meidling⸗Wien wurden, wie ferner berichtet wird, ein Arbeiter und eine Arbeiterin „gemaßregelt. Sämmtliche Arbeiter, 43 Männer und 55 Frauen, legten darauf die Arbeit nieder.

In der ersten steiermärkischen Pferdegeschirr⸗ und Lederwaaren⸗Fabrik zu Graz wurden sieben Arbeiter angeblich wegen ihrer Thätigkeit im Fachverein entlassen. Den übrigen Arbeitern wurde das gleiche Schicksal in Aussicht gestellt, falls sie nicht aus dem Fachverein austreten; da diese nicht gewillt sind, dem nachzukommen, wird es wahrscheinlich zum Strike kommen. Die Kleidermacher Bozens verlangen Einführung eines Tagelohns mit bestimmtem Minimal⸗Lohnsatz und zehnstündige Arbeitszeit.

In Zürich stehen die Bauarbeiter Maurer, Maler, Gipser, Spengler, Zimmerleute, Schlosser ꝛc. in einer Lohn⸗ bewegung; sie fordern zum theil den Neunstundentag, zum theil den Zehn⸗ stundentag und 50 Cts. Stundenlohn. Die betheiligte Arbeiterzahl beträgt 5000 6000. Der Berner „Bund“ berichtet zu dieser Lohnbewegung unter dem 8. d. M., die Züricher Malermeister hätten in einer von 59 Meistern besuchten Versammlung beschlossen, die Forderung der Gehilfen um Einführung der neun⸗ stündigen Arbeitszeit und Minimallohn von 50 Cts. per Stunde abzulehnen, dagegen die Erhöhung von 20 % für Nachtarbeit und 50 % für Sonntagsarbeit zu bewilligen, Vom 10. d. M. wird weiter mitgetheilt, daß die Maler⸗ und Gipser⸗ gehilfen, infolge der Ablehnung ihrer Forderungen durch die Meister, vom heutigen Montag ab die Arbeit einstellen.

In Bern haben, wie der „Vorwärts“ berichtet, die Maler und Gipser mit 74 gegen 62 Stimmen beschlossen, falls die Geschäfts⸗ inhaber ihre Forderungen auf Arbeitsverkürzung und Lohnerhöhung ablehnen, in den Ausstand einzutreten. 8

2 Handel und Gewerbe.

Die belgische Regierung hat die Einfuhr von Schafen aus Deutschland und Luxemburg über Bleyberg in die Schlachthäuser von Brüssel und Cureghem⸗Anderlecht wieder gestattet. (Vgl. „R.⸗A.“ Nr. 46 vom 22. v. M.)

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks

an der Ruhr und in Oberschlesien.

An der Ruhr sind am 10. d. M. gestellt 11 586, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

„In Oberschlesien sind am 9. d. M. gestellt 3650, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. 3 Zwangs⸗Versteigerungen. Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin stand am 10. März das Grundstück, in der Danzigerstraße belegen, dem Maurermeister Rudolf Stach gehörig, zur Versteigerung; Fläche 7,84 a; eeG 500 ℳ; für das Meistgebot von 167 200 wurde der Schlächtermeister W. Getschmann, Weißenburger⸗ straße 25, Ersteher. 8 Beim Königlichen Amtsgericht II Berlin stand das im Grundbuche von Hohen⸗Schönhausen Band 8 Nr. 231 auf den Namen des Gärtnereibesitzers Paul Richard zu Berlin einge tragene, im Gemeindebezirk Hohen⸗Schönhausen belegene Gru stück zur Versteigerung; Fläche 6 ha 16 a 78 qm; Mindestgebot 1036 ℳ; für das Meistgebot von 100 000 wurde der Maurer⸗ meister Andreas Stieber zu Berlin, Brücken⸗Allee 6 Ersteher. Aufgehoben wurde das Verfahren versteigerung wegen der nachbenannten Grundstücke: Zu Weißensee, Charlottenburgerstr. 150 belegen, dem Restaurateur K. Abel gehörig. Die Termine am 18. und 20. Mai d. J. fallen fort. Grundstück zu Lübars belegen, dem Redakteur Aug. Rete⸗ meyer gehörig.

Berlin, 10. März. (Wochenbericht für Stärke⸗ Stärkefabrikate und Hülsenfrüchte von Max Sa bersky.) la. Kartoffelmehl 15 15 ½ ℳ, la. Kartoffelstärke 15 15 ½ ℳ, Ila. Kartoffelstärke und ⸗Mehl 11 ½ - 13 ½ ℳ, feuchte Kartoffelstärke 8L Berlin 7,500 ℳ, Frankfurter Syrupfabriken zahlen nach

Verkmeister's Bericht fr. Fabrik 7 ℳ, gelber Syrup 17 17 ½ ℳ, Kap.⸗Syrup 18 18 ½ ℳ, Kap.⸗Export 19. 19 ½ ℳ, Kartoffelzucker gelber 17 17 ½ ℳ, do. Kap. 18 18 ½ ℳ, Rum⸗Couleur 33 34 ℳ, Bier⸗Couleur 32 —34 ℳ, Dertrin, gelb und weiß, Ia. 22 23 ℳ, do. sekunda 20 —21 ℳ, Weizenstärke (kleinst.) 26 27 ℳ,

Weizenstärke graßst 35 36 ℳ, Hallesche und Schlesische 36 37 ℳ, Reisstärke (Strahlen) 48 49 ℳ, do. (Stücken) 46 47 ℳ, Maisstärke 30 32 ℳ, Schabestärke 28 39 ℳ, Viktoria⸗Erbsen 17 21 ℳ, Kocherbsen 17 20 grüne Erbsen 17 20 ℳ, Futtererbsen 14 ½ 15 ½ ℳ, inländische weiße Bohnen 14 16 ℳ, weiße Flachbohnen 18 20 ℳ, ungarische Bohnen 14 15 ℳ, galizische und russische Bohnen 13 14 ℳ, große Linsen 30 38 ℳ, mittel Linsen 20 30 ℳ, kleine Linsen 14 20 ℳ, Mohn, blauer 44 50 nom., do weißer 90 100 nom., Hirse, weiße 20 22 ℳ, gelber Senf 36 44 ℳ, Hanfkörner 18 bis 20 ℳ, Buchweizen 13 ½ 15 ℳ, Wicken 18 20 ℳ, Pferdebohnen 13 ½ 15 ℳ, Leinsaat 23 25 ℳ, Mais loko 11 ½ 12 per 100 kg, Kümmel 30 36 ℳ, Leinkuchen 7½¼ —8 ℳ, Rapskuchen 7 —7 ¾ ℳ, Roggenkleie 4 4 ¾½ ℳ, Weizenkleie 4 ½ 5 ℳ, pa. helle Biertreber 28 30 % 5 ½ —86 ℳ, pa. Getreideschlempe 31 33 % 6 ½ 7 ℳ, pa. Maisschlempe 40 42 % 6 ¾ —7 ¼ ℳ, Malzkeime 5 5 ½ per Zentner. (Alles ab Bahn Berlin bei Partien von mindestens 10 000 kg.)

Der Verwaltungsrath der Preußischen Central⸗Boden⸗ credit⸗Actiengesellschaft hielt am Sonnabend zur Feststellung des Jahres⸗Abschlusses eine Sitzung ab. Der Bestand an Hypotheken und Kommunal⸗Darlehnen betrug Ende 1893 421 465 725 und der der umlaufenden Pfandbriefe und Kommunal⸗Obligationer 401 717 050 %ℳ Die Darlehne haben 1893 um rund 42 Millionen und die umlaufenden Kommunal⸗Obligationen und Pfandbriefe un rund 34 Millionen Mark zugenommen. Der Verwaltungsrath hat be⸗ schlossen, der Generalversammlung vorzuschlagen, für 1893 wieder wie für 1892 eine Dividende von 9 ½ % zu vertheilen. Geschieht dies, so werden die Reserven sich um rund 334 000 erhöhen und sich auf 3 793 815 stellen. Der Pensionsfonds Ende 1893 ab mit 600 000 Die Generalversammlung wird auf den 12. April ein⸗ berufen werden und vom 24. März ab der Jahresbericht zur Ver⸗ theilung gelangen. 8

Der Aufsichtsrath der „Union“ Baugesellschaft auf Aktien in Berlin hat nach Vorlegung der Bilanz für 1893 be⸗ schlossen, nach reichlichen Abschreibungen die Vertheilung einer Divi⸗ dende von 6 % gegen 5 ½ % im Jahre 1892 der Generalversammlung in Vorschlag zu bringen. An Bauausführungen wurde im Jahre 1893 ein nicht unbeträchtlicher Gewinn erzielt, der erst im Jahre 1894 zur Verrechnung gelangen wird.

Die Hauptversammlung der Leipziger Kredit⸗ und Sparbank beschloß, 6 ½ % Dividende zu vertheilen, die sofort zahlbar ist.

Die Einnahmen der Lübeck⸗Büchener Eisenbahn betrugen im Monat Februar 1894 nach vorläufiger Feststellung 300 808 gPgen 276 203 im Februar 1893, mithin mehr 24 605 Die Gesammteinnahmen vom 1. Januar bis ultimo Februar 1894 betrugen nach vorläufiger Feststellung 603 124 gegen 543 946 im Vor⸗

jahre, mithin mehr 59 178

Magdeburg, 10. März. (W. T. B.) Zuckerbericht. Kornzucker exkl., von 92 % —,—, neue 13,85, Kornzucker exkl. 88 % Rendement 13,15, neue 13,25, Nachprodukte exkl., 75 % Rende⸗ ment 10,55. Ruhig. Brotraffinade I. —,—, Brotraffinade II. —,—, Gem. Raffinade mit Faß —,—, Gem. Melis I., mit Faß —,—. Ruhig. Rohzucker. I. Produkt Transito f. a. B. Hamburg pr. März 12,92 ½ bez., 12,97 ½ Br., pr. April 12,82 ½ Gd., 12,87 ½ Br., . 12,87 bez., 12,90 Br., pr. Juni 12,90 Gd., 12,95 Br. Still.

Leipzig, 10. März. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata Grundmuster B. per März 3,35 ℳ, per April 3,37 ½ ℳ, per Mai 3,40 ℳ, per Juni 3,45 ℳ, per Juli 3,47 ½ ℳ%, per August 3,50 ℳ, per September 3,52 ½ ℳ, per Oktober 3,55 ℳ, per November 3,57 ½ ℳ, per Dezember 3,57 ½ ℳ, per Januar Umsatz 10 000 kg.

Mannheim, 10. März. (W. T. B.) Produktenmarkt. Weizen pr. März 14,70, pr. Mai 14,65, pr. Juli 14,70, Roggen pr. März 12,70, pr. Mai 12,80, pr. Juli 12,85. Hafer per März 13,90, pr. Mai 13,90, pr. Juli 13,75. Mais pr. März 10,95, pr. Mai 10,65, pr. Juli 10,60.

Mannheim, 12. März. (W. T. B.) Der „N. Bad. Landesz.“ zufolge übernimmt die Pfälzische Bank das Bankgeschäft Dacqué in Neustadt und wird es unter demnächstiger Erhöhung ihres Aktienkapitals weiterführen.

Bremen, 10. März. (W. T. B.) Börsen⸗Schlußbericht. Raffiniertes Petroleum. (Offizielle Notierung der Bremer Petroleum⸗ Börse.) Ruhig. Loko 4,85 Br. Baumwolle. Schwach. Upland middling, loko 39 3. Schmalz. Matt. Wilcox 38 ½ ₰, Armour shield 38 4, Cudahy 39 ₰, Fairbanks 33 ½ ₰. Speck.

lau. Short clear middl. loko 34 ½. Taback. Umsatz: 3000 Packen Ss Felix, 38 Seronen Carmen, 36 Faß Virginy, 15 000 Seronen Yara.

Wien, 10. März. (W. T. B.) Das Konsortium Wiener⸗ Unionbank und Bankhaus Mendelssohn u. Co. in Berlin beschloß, 20 Millionen der übernommenen vierprozentigen Obligationen der Wiener Verkehrs⸗Anleihe zur öffentlichen Subskription aufzulegen. Die Subskription erfolgt nur im Inland.

Pest, 10. März. (W. T. B.) Produktenmarkt. Weizen ruhig, per Frühjahr 7,25 Gd., 7,26 Br., pr. Herbst 7,48 Gd., 7,49 Br. Hafer pr. Frühjahr 6,96 Gd., 6,98 Br. Mais pr. I Gd., 4,91 Br. Kohlraps pr. August⸗September 2, —12, 1D. ““ 1 8 1u“ 1