EAAdeaseraaceeakeeeene
worden.
Bayern.
Aus Anlaß des Geburtstags Seiner Königlichen Hoheit des Prinz⸗Regenten fand bereits vorgestern bei 8r stdemselben Familientafel statt. Am Abend brachten sodann die Musikkorps der sämmtlichen in München garnisonierenden Regimenter dem Prinz⸗Regenten eine musikalische Ovation dar. Gestern Morgen um 6 Uhr fand von der Hauptwache aus ” Wecken statt, gleichzeitig wurden auf Oberwiesenfeld 85 alutschüssegelöst. Sämmtliche Palais der Königlichen Prinzen, der Gesandtschaften, alle Staats⸗ und städtischen Gebäude, zahlreiche Privatgebäude hatten Flaggenschmuck angelegt. m 81⁄½ Uhr fuhren die Mitglieder der Familie des hohen Jubilars zur Königlichen Residenz zum Glückwunsch; das militärische Haus brachte um 10 ½ Uhr, hierauf der Stadt⸗ kommandant Freiherr von Steinling namens der Garnison die Glückwünsche dar. In allen Pfarrkirchen der Haupt⸗ stadt wurden um 8 Uhr Festgottesdienste abgehalten, um 10 Uhr fanden solche in der St. Cajetans⸗Hofkirche, in der St. Michaelshofkirche und in der protestantischen St. Matthäuskirche statt. Dem ersteren wohnten die Prinzessinnen bei, dem Gottesdienst in der Michaelshof⸗ kirche die Königlichen Prinzen und die Garnison, dem Gottesdienst in der protestantischen Kirche Staatswürden⸗ träger, Landtagsabgeordnete u. s. w. Zu dem um 11 Uhr abgehaltenen Hochamt im Dome hatten sich das diplo⸗ matische Korps, die obersten Hofchargen, Staatsbeamte, Landtagsabgeordnete u. s. w. eingefunden. Nach dem Hochamt in der St. Michaels⸗Hofkirche nahm Seine König⸗ liche Hoheit der Prinz Ludwig die Parade über die Gar⸗ nison ab. Am Nachmittag fanden in sämmtlichen Offiziers⸗ kasinos Festtafeln statt, denen Mitglieder des Aller⸗ höchsten Hauses beiwohnten. So war der Prinz Lud⸗ wig mit den Prinzen Karl und Franz bei der Fest⸗ tafel in der Kriegsschule erschienen, der Prinz Leopold beim 3. Feld⸗Artillerie⸗Regiment, der Prinz Ludwig Ferdinand beim Infanterie⸗Leib⸗Regiment, die Prinzen Rupprecht und Alfons beim 1. Schweren Reiter⸗Regiment. Am Abend wurde wiederum auf Oberwiesenfeld Salut gefeuert.
Württemberg.
Die Regierung hat, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, dem Landtag eine weitere Vorlage über die Bekämpfung des landwirthschaftlichen Nothstandes zugehen lassen, laut deren der Ausfall an Rauhfutter fast 11,3 Millionen Doppel⸗ zentner und der dadurch verursachte Rückgang des Hornviehs volle 20 Proz. beträgt. Mit den schon verausgabten Summen sollen etwa 3 Millionen Mark vom Staat aufgewendet werden. Bei Darlehen soll eine Verzinsung von nur 1 Proz. in Ansatz kommen. Eine weitere Vorlage betrifft Vorschriften über die Volksschule, wodurch die Möglichkeit der Auf⸗ hebung des Volksschulgeldes geschaffen und der Wirthshaus⸗ besuch der Sonntagsschüler unter 16 Jahren mit Strafe be⸗
ht wird. Braunschweig.
Seine Hoheit der Herzog von Sachsen⸗Al ist in Begleitung des Hauptmanns von Sydow gestern Nach⸗ mittag zu mehrtägigem Besuch in Braunschweig eingetroffen.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.
Seine Königliche Hoheit der Herzog und Ihre Kaiser⸗ iche Hoheit die Herzogin sowie Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzessinnen Victoria, Alex andra und Beatrice sind, wie die „Cob. Ztg.“ meldet, gestern aus Gotha wieder
Coburg eingetroffen.
“ Oesterreich⸗Ungarn. 18 Der Kaiser wird am 17. d. M. Morgens 6 Uhr wieder in Wien eintreffen. Jeder Empfang ist dankend abgelehnt
Das Wiener ,‚Fremdenblatt“ begrüßt in sympathischer Verehrung Ihre Majestät die Kaiserin Auguste Liktoria auf österreichischem Boden und weist auf die innige sympathische Verehrung der Bevölkerung Oesterreich⸗-Ungarns für den Kaiser Wilhelm II. und die eutsche Kaiserfamilie hin. Die kürzlich bei dem Bankett
in Abbazia zwischen deutschen und österreichisch⸗ungarischen
zffizieren ausgetauschten Versicherungen treuer Kameradschaft nd Waffenbrüderschaft bildeten eine neue Bekräftigung für ie in der Volksseele wurzelnden freundschaftlichen Be⸗ iehungen beider Reiche und fänden einen lebhaften Widerhall in allen Theilen Oesterreich⸗Ungarns. Ferner weist as „Fremdenblatt“ auf die zwischen beiden Herrscherfamilien
bestehenden herzlichen Beziehungen hin, denen es gewiß nicht
in letzter Linie zu danken sei, daß gerade Oesterreichs Riviera zum Kuraufenthalt der Deutschen Kaiserin ge⸗ wählt wurde. An den vermuthlich beabsichtigten Be⸗ such des Kaisers von Oesterreich bei dem Deutschen Kaiserpaar in Abbazia knüpft das Blatt die Bemerkung, es fef keineswegs eines neuen Be⸗ weises für die Herzlichkeit und Aufrichtigkeit des Freundschafts⸗ bundes der beiden mitteleuropäischen Großmächte; trotzdem be⸗ grüße man immer wieder mit erneuter Freude jedes Symptom des in segensreicher Kraft bewährten Bruderbundes.
Einem Communiqué der E11 Deutschen Linken zufolge beschloß der Klub, wie „W. T. B.“ meldet, mit allen gegen eine Stimme, der von seinem Vorstand in der Konferenz der Klub⸗Obmänner mit der Regierung abgegebenen Zustimmung zu der Wahlreform, und zwar zu Punkt 1 (an den zur Zeit bestehenden Wählerklassen soll weder bezüglich der Vertheilung der Mandate noch bezüglich der Wahlrechts⸗ erfordernisse eine Aenderung Platz ““ zu Punkt 2 (die “ des Wahlrechts soll durch Schaffung einer neuen Wählerklasse stattfinden) und zu Punkt 5 (direkte Wahlen in den bisherigen Landgemeinde⸗Wahlbezirken und in den nichtstädtischen Wahlbezirken der neuen Wählerklasse sind dort in Aussicht zu nehmen, wo dies durch die Landesgesetz⸗ gebung als zulässig erkannt wird), vollständig beizustimmen, und erklärte sich unter Betonung der dringenden Nothwendigkeit der Fehegefhen bereit, die eingeleitete Aktion der Regierung auf der Basis der von seinem Vorstande acceptierten Grund⸗
sätze zu “
In der gestrigen Sitzung des österreichischen Abge⸗ ordnetenhauses beantragte der Abg. ““ (Jungczeche) die Eröffnung einer Debatte über die in der letzten Sitzung von dem Minister des Innern mitgetheilten Gründe der Nicht⸗ gestattung eines böhmischen Arb ins in Wien und brachte
ervereins
dabei heftige Angriffe gegen die Regierung vor. Der Antrag wurde abgelehnt. (Lärm bei den Füehcecben Der Vor⸗ sitzende rief die Abgeordneten Vasaty und Breznowski wegen ungebührlicher Zurufe zur Ordnung. Vor Schluß der Sitzung beantwortete der Minister⸗Präsident Fürst Windisch⸗ grätz eine Interpellation des Abg. Bianchini und erklärte: die vor etwa vierzehn Tagen aus serbischen Quellen ver⸗ breiteten Nachrichten, daß zwei Armee⸗Korps gegen Serbien mobilisiert würden, beruhten ausschließlich au Erfindung. Sie seien sofort überallhin dementiert worden und dürften schon seit dem 6. März außer dem Interpellanten niemandem Anlaß zu irgend welcher Beunruhigung gegeben haben. Ebenso ge⸗ hörten die widersinnigen Gerüchte in das Reich der Ersindung, die, an einen mißverstandenen Artikel eines englischen Blatts an⸗ knüpfend, von Gefahren für die Integrität des Königreichs Serbien zu erzählen gewußt hätten. Es liege für das öster⸗ reichisch⸗ungarische Kabinet kein Grund vor, von seiner vertrags⸗ treuen, für Serbien wohlwollenden Politik künftig abzuweichen. Die Fragepunkte der Interpellation seien somit ganz gegen⸗ standslos, weil ihre Voraussetzung jeder thatsächlichen Be⸗ gründung entbehre. Der Minister⸗Präsident legte dann unter lebhaftem Beifall entschiedene Verwahrung gegen die von dem Interpellanten gebrauchte Bezeichnung des Dreizehnten Armee⸗Korps als „kroatische Truppen“ ein. Das österreichisch⸗ ügariich Heer und alle seine Theile seien eine einheitliche, geschlossene Macht unter dem Befehl des obersten Kriegsherrn, die keine anderen Rücksichten, als die des Allerhöchsten Dienstes kenne. Es hieße die schuldige Achtung vor den österreichisch⸗ungarischen Truppen verletzen, wollte man nationale Momente dort vermuthen, wo sie weder zu suchen, noch zu finden seien.
Im ungarischen Unterhause lehnten gestern bei der Berathung der Vorlage über die provisorische Regelung der Handelsbeziehungen mit Rußland mehrere Redner der Oppositionspartei die Vorlage ab unter dem Hinweis auf die Schädigung der ungarischen Landwirthschaft durch die letzten Handelsverträge. Der Handels⸗Minister von Lukacs erklärte, es handle sich um eine provisorische Rege⸗ lung, die unerläßlich sei, damit Rußland die ungarischen Herkünfte nicht ungünstiger behandle als diejenigen anderer Staaten. Ferner vertheidigte der Minister die Regierung gegen den Vorwurf, daß sie die Landwirth⸗ schaft mangelhaft schütze; sie behalte die Forderungen der Landwirthschaft stets im Auge. Ebenso wies der Minister den Vorwurf als unberechtigt zurück, als ob die Verträge nur der österreichischen Industrie zu gute kämen. Im Laufe der Debatte erklärte der Mirister⸗Präͤsident Dr. Wekerle: die Vorlage sei nicht von dem Gesichtspunkte aus, der Regierung ein Vertrauenszeichen geben zu wollen, zu beurtheilen. Es handle sich nur um die Wahrung der wirthschaftlichen Inter⸗ essen Ungarns, und es sei nicht angezeigt, inmitten der Ver⸗ handlungen einen die Lage erschwerenden Zollkrieg herauf zu be⸗ schwören; von einer der Zölle für die Produkte der Landwirthschaft sei keine Rede; das stete Zunehmen des Exports der österreichischen Industrie nach Rußland sei auch ein vitales Interesse Ungarns, weil dadurch die ungarischen Produkte auf den österreichischen Markt rechnen könnten und Ungarn in der Vergangenheit nicht Krisen ausgesetzt gewesen sei, die bei einem separaten Zollgebiet auch für Ungarn eingetreten sein würden. Schließlich wurde die Vorlage mit großer Majorität an⸗ genommen.
Da der Erste Vize⸗Bürgermeister von Wien Richter die Annahme der Kandidatur für den Bürgermeisterposten definitiv abgelehnt hat, ist von dem fortschrittlichen Parteiverbande der Btheit Vize⸗Bürgermeister Gruehl als Kandidat aufgestellt worden.
Nach einer Meldung aus Abbazia ist daselbst gestern der Statthalter Rinaldini aus Triest eingetroffen. Gleich nach seiner Ankunft empfing er den Kommandanten des deutschen Schulschiffs „Moltke“, Kapitän z. S. Koch und den Kurvorsteher Oberst Wachter. Am Nachmittag begab sich der Statthalter in Begleitung des Bezirke⸗ Hauptmanns Fabiani und des Präsidial⸗Sekretärs Dr. Pipitz an Bord des deutschen Schulschiffs „Moltke“, um den Besuch des Kapitän z. S. Koch zu erwidern. Beim Verlassen des Schiffs wurden die üblichen Salutschüsse abgegeben.
Großbritannien und Irland.
Die Thronrede, mit der gestern die neue Parlaments⸗ session eröffnet wurde, hebt, wie „W. T. B.“ berichtet, her⸗ vor, daß die Beziehungen Großbritanniens zu den auswär⸗ tigen Mächten fortgesetzt freundschaftlich und befriedigend seien. Die Verhandlungen zwischen der britischen Regierung und der des Kaisers von Rußland zur Regelung der Grenzfragen in Zentral⸗Asien schritten im Geiste gegenseitigen Vertrauens und Wohlwollens, der jede Hoffnung eines baldigen billigen Aus⸗ gleichs gewähre, fort. Zwei mit beklagenswerthem Menschen⸗ verluste verbundene Zusammenstöße mit französischen Kolonial⸗ truppen hätten in West⸗Afrika stattgefunden. Die Königin erwarte das Ergebniß der bezüglichen Untersuchung im vollen Vertrauen, daß die Vorfälle mit der zwei großen Nationen ziemenden Ruhe und Würde untersucht werden würden. Ferner dürfe das erfolgreiche Ergebniß des in der Beringsmeer⸗Frage eingesetzten Schieds⸗ gerichts hervorgehoben werden, sowie der Abschluß der Konvention mit China zur Regulierung der Grenze von Birma. Der dem Parlament zugehende Etat werde volle und angemessene Fürsorge für die Keichsvertheidigung treffen. Es werden sodann eine Vorlage über die Unterstützung der ausgewiesenen irischen Pächter, sowie eine solche über Maß⸗ regeln zur Förderung der Einigung in Streitigkeiten zwischen Arbeitern und Arbeitgebern angekündigt. Die Homerulefrage wird nicht erwähnt.
Das Oberhaus nahm noch gestern nach zweistündiger Debatte eine Antwort⸗Adresse an die Königin an. Im Laufe der Debatte erklärte der Marquis von Salisbury, die Regierung sollte die Homerulefrage vor den Wählern zum Austrag bringen, sie jedoch nicht mit anderen Fragen ver⸗ quicken, damit die Entscheidung der englischen Wähler klar bleibe.. Der Earl Rosebery gab dann, ebenso wie Lord Salisbury, seiner hohen Anerkennung für Gladstone, als den größten Führer, den je die Partei gehabt habe, Ausdruck. Was die auswaͤrtige Politik anlange, so 1g Frankreich versprochen, Chantaboon zu räumen, sobald Siam die Artikel des mit Frankreich abgeschlossenen Vertrags ausgeführt habe. Bezüglich des Matabelelandes habe die Regierung keine weiteren Mittheilungen zu machen. Die Regelung der 16. Land betreffenden Fragen beschäftige egenwärtig den Minister der Kolonien. Die Lage in Egypten sr ruhig, das Land erfreue sich eines sichtlichen Wohlstandes.
Gewisse Zwischenfälle, die während der verflossenen 14 Monate
sich zugetragen, hätten England Anlaß gegeben, die Dauer⸗ haftigkeit der Institutionen, die es dort errichtet habe, anzu⸗ wefsen Sie würden einer sorgfältigen Ueberwachung seitens nglands auf einige Zeit hinaus bedürfen; aber soweit er sehe, habe England zu Besorgnissen keine Veranlassung. Zur inneren Politik übergehend, erklärte Lord Rosebery, die Fer ierung werde alsbald eine Vorlage zur Erweiterung der Be⸗ ugnisse des Londoner Grafschaftsrathes einbringen. Was die irische Frage anlange, so habe die Regierung keinen Grund ihr aus dem Wege zu gehen. Homerule sei in der Thronrede nicht erwähnt, weil die Regierung in der gegenwärtigen Session keine Vorlage darüber einzubringen beabsichtige damit das Oberhaus sie wieder mit großer Majorität verwerfe. Lord Rosebery fuhr sodann fort: „Auf die Frage, weshalb wir nicht an das Land appellieren, erwidere ich: wir werden einen solchen Appell nicht fürchten, wenn wir die Zeit dafür für gekommen erachten. Aber wir wollen der erblichen Kammer nie das Recht zugestehen, eine Auflösung zu erzwingen.“ Lord Beaconsfield habe im Jahre 1844 gesagt daß die in Irland bestehenden Uebelstände in anderen Ländern durch Revolutionen beseitigt würden; in England aber sollte es die Aufgabe der Regierung sein, sie durch eine entsprechende Politik aus der Welt zu schaffen. Lord Beaconsfield habe hinzu⸗ gefügt, in fünfzig Jahren lasse sich ein zufriedenes Irland schaffen.
ie fünfzig Jahre seien jetzt verflossen, aber die Zufriedenheit Ir⸗ lands sei nicht näher gerückt. Seit achtzehn Monaten herrsche zwar eine größere Zufriedenheit, aber nicht infolge des Baues leichter Eisenbahnen und anderer Abhilfsmittel, sondern infolge der Hoffnung, daß die liberale Partei eine Gewähr dafür sei, daß Irland eine Selbstverwaltun hinsichtlich rein lokaler Angelegenheiten erhalten werde, sowet dies mit der Ober⸗ hoheit des Reichsparlaments verträglich sei. Indem er Lord Salisbury's Behauptung zugebe, daß, bevor Homerule ge⸗ währt werde, England, als das überwiegende Glied, von der Gerechtigkeit der Homerule überzeugt sein müsse, glaube er, diese Ueberzeugung hänge nur von Irlands Verhalten ab, und wenn die Regierung England von der Fortdauer gesunder Zustände in Irland überzeuge, so werde sie dadurch England zur Homerule bekehren. Irland werde nie zufrieden sein, ehe es nicht Homerule erhalte, die auch nöthig sei, um die irischen Brüder in Amerika zufrieden u stellen. Endlich sei die Dezentralisierung im höchsten Vnteresse des Reichs erforderlich; eventuell werde man Schott⸗ land und Wales: wenn auch nicht in demselben Maße, so doch in derselben Weise Homerule gewähren müssen.
Im Unterhause gedachte in der Adreßdebatte der Kanzler der Schatzkammer Sir W. Harcourt, wie alle übrigen Redner, in warmen Worten des zurückgetretenen Premier⸗Ministers Gladstone und erklärte sodann, die in der Thronrede aufgeführten Bills seien Vorlagen, welche die Re⸗ gierung durchführen wolle, wenn nicht in diesem, dann doch in dem nächsten oder dem darauf folgenden Jahre. Die Regierung werde an das Land appellieren, sobald sie ihren ganzen Plan vor⸗ gelegt habe und in den Stand gesetzt sei, ein Urtheil über das Ver⸗ fahren beider Parteien des Unterhauses und über das Verfahren des Oberhauses zu gewinnen. So lange die Regierung die Unter⸗ stützung der Majorität des Unterhauses finde, werde sie mit ihren Vorlagen fortfahren. Er hoffe, das Haus werde am Dienstag die Adreßdebatte beendigen, am Donnerstag mit der Berathung der Finanzfragen beginnen und diese bis zum Donnerstag der nächsten Woche, dem darauf folgenden Sonn⸗ abend und dem Ostermontag fortführen. Im weitern Verlauf der Sitzung wurde ein Amendement Howard Vincent's, worin beklagt wird, daß keine Vorschläge über die Nothlage des Handels und der Landwirthschaft gemacht seien, mit 192 gegen 86 Stimmen verworfen. Der Präsident des Handelsamts Mundella erklärte, die Nothlage der Landwirthschaft sei in Deutschland und Frankreich ebenso groß wie in England. Der Schutzzoll sei kein geeignetes Mittel, der Nothlage in Handel und Industrie abzuhelfen. Die Einwanderung aus dem Ausland schädige die englischen Arbeiter nicht.
In einer gestern im Auswärtigen Amt unter dem Vorsitz
Lord Rosebery s abgehaltenen Versammlung der libe⸗ ralen Partei hielt dieser eine Rede, worin er hervorhob,
daß das neue Ministerium keinen Wechsel in der Politik, b
sondern nur einen Wechsel der Personen bedeute. Die Ehre Englands und der europäische Friede würden von der gegenwärtigen Regierung gewahrt werden. Der Premier⸗Minister führte weiter AEE ein unbedingter Anhänger von Homerule für Ir⸗ land, an die sich die liberale Partei durch Bande der Chre ebunden erachte. Ebenso stehe er ganz auf dem Boden der klärungen, die Gladstone in seiner letzten Parlamentsrede gegen das Haus der Lords abgegeben habe. Die Verfassung des letzteren sei schon bisher eine Anomalie gewesen und sei eine Gefahr für das Land geworden, seit das Oberhaus nur noch eine Versammlung von Tories sei, die dem Haupt der konservativen Partei gehorchten. Die Regierung werde kein Mittel aus dem Auge heheg um dem Lande auf verfassungsmäßigem Wege von dieser Anomalie und dieser Gefahr Kenntniß zu geben. Die erste Vorlage, die dem Hause der Gemeinen unterbreitet werden solle, sei die Trennung der anglikanischen Kirche in Wales vom Staät. Die Londoner Handelskammer hat im Namen des indischen Handels Lord Rosebery eine Petition überreicht, worin die Regierung ersucht wird, sich mit den anderen Re⸗ Ferußgen wegen Einberufung einer neuen internationalen Münzkonferenz ins Einvernehmen zu setzen.
Frankreich.
Der Präsident Carnot hat dem „W. T. B.“ zufolge an den Kaiser von Rußland anläßlich dessen Geburtsfestes folgendes Telegramm gerichtet:
„Ich fühle mich gedrungen, Eurer Majestät unsere aufrichtigsten und herzlichsten Wünsche anläßlich Ihres Geburtsfestes auszudrücken und theilzunehmen an den Bezeugungen der Ergebenheit, welche Ihnen an dem heutigen Tage entgegengebracht werden.“
Der Kaiser erwiderte:
„Für den Beweis Ihrer freundschaftlichen Gesinnung, welchen Sie mir anläßlich meines Geburtsfestes zugehen ließen, danke ich Ihnen herzlichst.“
Die Kronprinzessin⸗Wittwe Erzherzogin Stephanie von Oesterreich, Höchstwelche sich mehrere Tage im strengsten Inkognito in Tunis aufgehalten hatte, hat sich gestern von dort nach Algier begeben. “
Das Behinden es Minister⸗Präsidenten Casimir G hat sich so weit gebessert, daß er der gestrigen
itzung der Deputirtenkammer wieder beiwohnen konnte. Die Deputirtenkammer genehmigte gestern die Dring⸗ lichkeit für zwei Gesetzesvorlagen, durch welche die Veröffent⸗
lichung der Untersuchung und der Verhandlungen in Anar⸗
istenprozessen verhindert werden soll. Darauf wurde in die Verhandlung über die Zulassung des Antrags des Deputirten
ourgeois auf Revision der Verfassung eingetreten. Der Bericht der Kommission spricht sich gegen die Zulassung aus. Der Deputirte Bourgeois trat für die Revision ein. Der Deputirte Goblet betonte unter dem Beifall der äußersten Linken ebenfalls die Nothwendigkeit der Revision, die von zahlreichen Deputirten befürwortet würde. Die Konstitution von 1875 sei orleanistisch. Die Hoheitsrechte des Präsidenten der Re⸗ publik und das Veto des Senats, wodurch demokratische Re⸗ formen verhindert würden, müßten 858 werden. Nach einer Erwiderung des Abg. Deschanel wurde die Fortsetzung der Berathung auf heute vertagt.
Gestern früh wurden in Paris wiederum vier A
archisten verhaftet. XXX“
Rußland.
Der Reichsrath hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus St. Petersburg gestern den deutsch⸗russischen Handelsvertrag in Berathung genommen.
8 Italien. In der Deputirtenkammer erklärte gestern, wie
„W. T. B.“ erfährt, der Finanz⸗Minister Sonnino in Beant⸗
Fohtun einer bezüglichen Anfrage, die genaue Ziffer der Kosten der Repressionsmaßregeln in Massa⸗Carrara könne er nicht angeben; er sei aber der Meinung, daß sie ins⸗ gesammt den Betrag von 2 Millionen Lire erreichen würden.
Die Nachricht des „Mémorial diplomatique“, wonach an⸗ geblich der italienische Generalstab der na t ang den Plan für neue Befestigungsbauten in den Alpen und an der Küste vorgelegt hätte, die noch in diesem Jahre begonnen werden sollten und 150 Millionen Kosten verursachen würden, ist, wie die „Agenzia Stefani“ meldet, durchaus unbe⸗ gründet. 3
Der päpstliche Thron⸗Assistent Fürst Colonna ist ge⸗ storben. Spanien. 1
Das neue Kabinet ist dem „W. T. B.“ zufolge wie folgt zusammengesetzt: Sagasta Präsidium, Amos Sal⸗ gegenwärtiger Direktor der Taback⸗ Kompagnie, Finanzen, Aguilera, gegenwärtiger Gouverneur von Madrid, Inneres, Groizard Arbeiten. Die Minister Capdepon, 11u.“ und Pasquin behalten ihre Porte⸗ feuilles.
16 Belgien.
Der belgische Gesandte am spanischen Hofe de Bounder e Merlsbroeck ist zum Gesandten im Vatikan er⸗
nannt worden.
Rumänien. “ In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer
kündigte, wie „W. T. B.“ meldet, der liberale Abgeordnete
Fleva eine Interpellation über die vorgestrigen Demon⸗ strationen an, bei denen es angeblich zu Blutvergießen ge⸗ kommen sei. Bei der hierauf folgenden Berathung des Kriegs⸗ budgets erklärte Fleva, daß die Liberalen jede Summe für die Armee, die unter dem konservativen Regime nur dazu diene, das Volk zu tödten, verweigerten. Im weiteren Verlauf seiner Rede be⸗ diente sich Fleva aufrührerischer Ausdrücke, indem er das Volk gegen die Behörden aufwiegelte. Der Minister⸗Präsident Ca⸗ targi erklärte unter anhaltendem Beifall des Hauses, die Sprache Fleva's beweise, daß die Armee vorgestern ihre flicht gethan habe; sie werde ihre Pflicht auch in Zukunft er⸗ füllen. Nachdem eine Anzahl von Offtzieren, deren Entlassung bereits angenommen worden sei, an den gestrigen Demon⸗ strationen theilgenommen hätten, hätte eine große Mehrheit anderer Offiziere, die nicht unter dem Verdachte stehen wollten, Politik zu treiben oder als politische Werkzeuge zu dienen, ihre Demission zurückgezogen. Es sei zu hoffen, daß alle übrigen diesem Beispiele folgen würden. Die Kammer geneh⸗ migte schließlich das Kriegsbudget sowie das Budget des öffent⸗ lichen Unterrichts. Serbien.
M““ Die Nachricht, daß im Innern Serbiens mehrere Dynamit⸗
attentate vorgekommen seien, wird dem „W. T. B.“ vollständig unbegründet bezeichnet.
Schweden und Norwegen.
Beide Kammern des Reichstags nahmen, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern den Antrag der Budgetkommission an, an die Regierung eine Anfrage wegen der Opportunität der Anlegung eines Freihafens in Schweden zu richten.
Amerika.
Jsohn Mulligan ist zum General⸗Konsul der Ver⸗ einigten Staaten in Apia ernannt worden.
Wie die „Agenzia Stefani“ aus Rio de Janeiro meldet, hat die brasilianische Regierung am Sonntag den Mitgliedern des diplomatischen Korps mitgetheilt, daß nach Ablauf von 48 Stunden, von Mittag ab gerechnet, ie militärischen Operationen gegen die Aufständi⸗ chen in der Bai von Rio de Janeiro beginnen würden. Ein Dekret der Regierung fordert die Einwohner auf, die Stadt zu heerscsn da die Forts das Bombardement auf das Insurgentengeschwader, das Fort Villegaignon und die Cobrasinseln beginnen müßten. Die Schiffe Peixoto's näher⸗ ten sich der Stadt. — Nach Mittheilungen, die dem Staats⸗ departement der Vereinigten Staaten aus Rio de Janeiro zu⸗ gegangen sind, hätte sich Admiral da Gama an Bord eines portugiesischen ücpiffe⸗ begeben und dem Marschall Peixoto mitgetheilt, er und seine Angehörigen seien bereit, sich zu ergeben, d daß ihnen E zugesagt werde. — Dem Staatssekretär Gresham in Wa V heute zugegangene Meldungen besagen, daß die Revolution in
rasilien für beendet gelte. M Nach zwölftägigem ahlkampf ist, wie „W. T. B.“ aus
ontevideo meldet, Ellauri mit 45 Stimmen zum
räsidenten von Uruguay gewählt worden, nachdem indmensoro seine Kandidatur zurückgezogen hatte. Ellauri hat indessen die Stelle nicht angenommen.
—
Parlamentarische Nachrichten. 8
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des steichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden in der Ersten Beilage. 1 6
— In der heutigen 70. Sitzung des Reichstags, welcher der Reichskanzler Graf von Caprivi sowie die Staatssekretäre Dr. von Boetticher und Freiherr von Marschall beiwohnten, bemerkt vor dem Eintritt in die Tagesordnung der
Präsident von Levetzow: Meine Dispositionen bezüglich der noch vor der Osterpause zu erledigenden Geschäfte sind folgende: Ich hoffe, daß heute event. unter Zuhilfenahme einer he ie die zweite Lesung des russischen Handelsvertrags beendigt wird. Morgen, Mittwoch: Rest des Etats und dritte Lesung des Identitätsnachweises. Donnerstag: Dritte Lesung des Etats event. unter Zuhilfenahme einer Abendsitzung. Freitag und event. Sonnabend: Dritte Berathung des russischen Handelsvertrags.
Darauf wurde die zweite Berathung des Handels⸗ und Schiffahrtsvertrags zwischen dem Reich und Ruß⸗ land fortgesetzt, und zwar bei dem deutschen Tarif. In Nr. 8 ist Flachs als zollfrei aufgeführt, in Nr. 9 sind die, ollsätze für Weizen und Roggen auf 3,50 ℳ, für Hafer auf 2,80, für auf 2 ℳ, für Hülsenfrüchte auf 1,50 ℳ estgesetzt.
18 Abgg. Dr. von Frege Ceönße und Genossen bean⸗ tragen, die Zollsätze für Weizen und Roggen auf 5 ℳ, für Haser auf 4 ℳ zu
Abg. von Staudy (dkons.): Es handelt sich hier um eine Position, welche recht deutlich zeigt, wie die Landwirthschaft benach⸗ theiligt wird, namentlich bezüglich des Roggens. Es ist unrichtig, daß Deutschland den Roggen, den es braucht, nicht selbst bauen könnte; es ist unrichtig, daß Roggen einen Weltmarkt hat; gerade deshalb ist die Zollherabsetzung für diese Getreideart besonders bedenk⸗ lich und wird noch bedenklicher durch die Annahme des Art. 19 bezüglich der Eisenbahntarife. Wird unser Antrag angenommen, dann ist allerdings eine Wiederaufnahme der Verhand ungen mit Ruß⸗ land nothwendig. Wir sind uns dieser Verantwortung vollkommen bewußt, wir wissen, daß es sich hierbei um das Wohl des gesammten deutschen Vaterlandes handelt. Ueber die Lage der Landwirthschaft im Osten haben der Abg. Dr. von Bennigsen und der preußische Finanz⸗Minister sich geäußert. Wenn etwas bei den Debatten der letzten Tage angenehm berührt hat, so ist es das, daß die Kampfesweise uns gegenüber etwas erträglicher geworden ist. Bei den Handelsverträgen ist immer nur für die Industrie gesorgt; die Landwirthschaft muß die Kosten bezahlen, und zwar nicht bloß beim Getreide, sondern auch beim Vieh und beim Holz. Man spricht davon, daß Deutschland ein Industriestaat sei oder sein werde. Aber die Landwirthschaft ist für Deutschland von viel größerer Bedeutung als die Industrie. Sie ist noch ausdehnungsfähig, und namentlich die kleinen Leute im Osten können, wenn ihnen nur die Mittel zur Verfügung gestellt werden, das Vierfache von dem bauen, was sie jetzt erzeugen. Es wird gesagt, da vom Weltmarkt das Ge⸗ treide mit 3,50 ℳ Zoll eingeht, nützt ein Differentialzoll gegen Ruß⸗ land nichts, wie ja schon jetzt der Kampfzoll von 7,50 ℳ nichts ge⸗ nützt habe. Das letztere haben wir auch niemals erwartet. Eine Schädigung der deutschen Landwirthschaft wird eintreten, weil Ruß⸗ land direkt importieren kann, und zwar billig, weil es billiger arbeitet als Deutschland. Ist denn der Weltmarktpreis überall maßgebend? Kann man sich nicht Geschäfte denken, die vollständig E11” sind? Ich bestreite aber, daß der Roggen über⸗ haupt ein Weltmarktartikel ist. Bei der Verhandlung des rumänischen Handelsvertrags ist das in der Kommission ausdrücklich anerkannt worden von den Rednern, welche meinten, daß der rumänische E“ den russischen nicht bedinge. Rußland hat die
öglichkeit, direkt mit billigen Tarifen nach Königsberg und Danzig zu importieren, und wenn das Getreide dort auf den Weltmarkt tritt, muß es eine Einwirkung auf den Preis ausüben. Es wird nicht blos transitieren, sondern es wird im Lande bleiben. Es wird sich in Danzig und Königsberg eine Mühlenindustrie bilden, und sie wird das billige russische Getreide dem theuren deutschen vorziehen. Wie man da noch bestreiten kann, daß die Handels⸗ verträge der Landwirthschaft schaden, ist unbegreiflich. Die Industrie hat einen Vortheil von den Handelsverträgen; aber es haben doch nicht alle Landestheile einen Vortheil von der Industrie. Für den Schutz der nationalen Arbeit sind wir immer eingetreten; aber die Landwirthschaft dürfen wir nicht ruinieren lassen, denn sonst ruinieren wir auch die Industrie und den Staat. Der Bund der Landwirthe soll die Land⸗ wirthschaft schützen, und wenn der Abg. von Ploetz auch überall sonst lebhaften Angriffen begegnet, so genießt er doch unter uns die höchste Achtung für alles das, was er für die Landwirthschaft gethan hat. Wenn der russische Vertrag angenommen wird, dann wird eine Ver⸗ stimmung zwischen Landwirthschaft und Industrie eintreten. Der Abg. Freiherr von Stumm hat allerdings früher gesagt, daß er der Landwirthschaft den Vortritt lasse, daß er für den hg Handels⸗ vertrag nur stimmen werde, wenn genügende Kompensationen gewährt werden. Wo sind die Kompensationen? Man will einen Gegensatz konstruieren zwischen der Landwirthschaft östlich und westlich der Elbe. Aber beide landwirthschaftlichen Gebiete haben voll⸗ kommen übereinstimmende Interessen und man sollte sich hüten, es so darzustellen, als ob Ostelbien ein Parasit am Körper des deutschen Staats sei. Wie kann man behaupten, daß keine Schädigungen ein⸗ treten für die Landwirthschaft, während man doch gleichzeitig allerlei Ausgleichungen sucht; sie sind freilich nicht wirksam, denn die Auf⸗ hebung des Identitätsnachweises und die der Staffeltarife heben sich gegenseitig auf. Die Polen stimmen allerdings für die Handelsvertragspolitik; das ist im Interesse der Landestheile, in welchen sie wohnen, ein verhängnißvoller Schritt. Eine industrielle Entwicklung im Osten ist nicht gut möglich. Wir haben nur die Zuckerindustrie, und auch dieser wird demnächst der Schutz entzogen werden, den sie jetzt noch genießt, und was wird dann aus dem Osten? Dann wird er eine Wüste. Jetzt schon laufen die Bauern von ihren Höfen weg, ohne erst die Zwangsversteigerung ab⸗ zuwarten. Wir hoffen, daß Sie unsern Antrag annehmen. Wenn der Vertrag ohne diesen Antrag durchgeht, dann halte ich ihn für ein nationales Unglück. 8
Bei Schluß des Blattes erhält der Abg. Graf Arnim (Rp.) das Wort.
— Das Haus der Abgeordneten setzte in seiner heutigen 35. Seeng welcher der Staats⸗Minister Dr. Bosse “ die zweite Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten bei dem Kapitel „Kultus und Unterricht gemeinsam“ weiter fort.
Zur Verbesserung der äußeren Lage der Geistlichen aller Bekenntnisse werden 5 474 300 ℳ gefordert.
Nach einem Vermerk im Etat ist dieser Fonds bestimmt, das Jahreseinkommen der bereits fünf Jahre in einem kirch⸗ lichen Amt in Prbn gen befindlichen evangelischen Geistlichen auf 2400 ℳ und das der katholischen auf 1800 ℳ zu erhöhen, sodann Alterszulagen an Pfarrer zu gewähren, und zwar so, daß das Einkommen der evangelischen Geistlichen nach je weiteren 5 Dienstjahren um je ℳ bis zum Höchstbetrage von 3600 ℳ, das der katholischen Geistlichen um je 150 ℳ bis höchstens 2400 ℳ steigt. Die Dienstzeit in einem 11 Schulamt in Preußen sol der Dienstzeit im kirchlichen Amt gleich geachtet werden.
Die Abgg. von der Acht (Zentr.) u. Genossen beantragen, die gesperrt gedruckten Worte zu ersetzen durch die Worte: „um je 225 ℳ bis höchstens 2700 ℳ“ und ferner hin uzufe en, daß auch die in anderen deutschen Bundesstaaten im 18 oder Kirchenamt zugebrachte Dienstzeit angerechnet werde.
Die Abgg. von Strombeck (Zentr.) u. Genossen be⸗ antragen, die Missionspfarrer den katholischen Pfarrern hierbei gleichzustellen.
Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.) beantragt, hinter „in Preußen“, einzuschalten: „oder oweit katholische Pfarrer in Betracht kommen, in einer preußischen Diszese innerhalb Deutschlands.“
Abg. von Strombeck (Zentr.) wünscht, da dieser Titel in mehrere verschiedene Titel zerlegt werde, da er ver chiedene Aufgaben umfasse. Es ruhen ihm, so führt Redner aus, rechtliche Ver⸗ pflichtungen und dem Ermessen der Regierung unterliegende Verwen⸗ dungen, wie die Dienstalterszulagen. Eigentlich wünschten wir die völlige finanzielle Unabhängigkeit der Kirche vom Staat, aber angesichts der Nothlage der Geistlichen ist eine staatliche Hilfe nöthig. Zur Begründung meines Antrags könnte ich eine Stunde ge⸗ brauchen, nehme aber auf die Geschäftslage Rücksicht. Bei Ent⸗ stehung des Vermerks hat man die Missonspfarrer nicht etwa ausschließen wollen, man hat damals nur nicht an sie gedacht. Nach meinem Antrag würden auch die den katholischen Pfarrern beigegebenen Kapläne unter diesen Titel fallen, welche dieselbe Stellung haben, wie die Zweiten und Dritten Prediger der evangelischen Kirche. Für die Missionspfarrer besteht dasselbe Bedürfniß wie für die Pfarrer. Die Regierung hat selbst einmal anerkannt, daß die Missionspfarrer eine bessere Dotation bekommen müßten. Gegen die Einbeziehung der Missionspfarrer wendet man ein, daß dieselben jeder Zeit vom Bischof absetzbar seien. Das ist praktisch unerheblich.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse: Wir kommen den Wünschen der katholischen Bevölkerung gern entgegen, aber dieser Titel ist schon früher um 800 000 ℳ erhöht worden, wovon 380 000 ℳ auf die Katholiken und nur 20 000 ℳ auf die Evangelischen fallen. Es ist mir peinlich, hier immer aufzuzählen, was alles für die katholische Kirche schon geschehen ist. Die Trennung des Titels will ich gern erwägen, aber anders die Zuschüsse zu be⸗ messen, ist nicht möglich. Das Durchschnittsbedürfniß ist bei katholischen und evangelischen Pfarrern verschieden wegen des Zölibats. Die richtige Paritat ist die, welche diese Verschiedenheit berücksichtigt. Bei den ervangelischen Geistlichen steigen die Bedürfnisse stärker; denn kleine Kinder kleine Sorgen, große Kinder große Sorgen. Die Missionspfarrer können wir nicht einbeziehen; die Missionspfarreien sind keine Pfarreien, keine festen Gestaltungen, sondern nur provisorische Nothbehelfe; auch sind die Missionspfarrer stets amovibel. Es widerspräche der Tendenz des Titels, wollte man dieselben darin einbegreifen. Ich bitte also, die Anträge abzulehnen.
Abg. Brandenburg (Zentr.): Wir müssen grundsätzlich an der gleichen Behandlung zwischen katholischen und evangelische Geistlichen festhalten, wollen durch unsere Anträge ab nur statt des Gehaltsunterschieds von einem Drittel frühere Verhältniß von drei zu vier wieder herstellen. Für den Antrag Schmidt spricht, daß einige Diözesen über die preußische Grenze hinausreichen. Bei den Lehrern rechnet man die Dienstzeit in einem kirchlichen Amt mit; mithin müssen umgekeh die Geistlichen ebenso behandelt werden; die Dienstzeit im Schulam muß ihnen angerechnet werden.
Nach längerer Debatte, über deren weiteren V morgen ausführlich berichten werden, werden Anträge gegen die Stimmen des Zentrums und der Polen abgelehnt. Der Titel und der Vermerk werden unverändert bewilligt, ebenso der Rest des Kapitels.
Bei Schluß des Blattes steht das Kapitel „Medizinalwesen“ zur Berathung.
— In der Kommission des Reichstags zur Berathung des Gesetzentwurfs wegen Abänderung des Reichs⸗Stempelabgaben⸗ gelehes wurde hettes nach vierzehntägiger Pause die Berathung der Novelle zum Stempelabgabengesetz wieder aufgenommen. Zur Ve⸗ handlung steht die Pos. 6 des Tarifs, wonach Quittungen, die im Inlande ausgestellt oder ausgehändigt werden, bei einem Betrage von mehr als 20 ℳ einer Steuer von 10 ₰ unterliegen sollen. Befreit sollen sein: 1) Quittungen, aus denen sich ergiebt, daß die Gö der Geldsumme behufs Begründung einer Verbindlich⸗
eit zur Rückzahlung oder Wiederauszahlung erfolgt ist, ohne daß die⸗ selbe auf verwandtschaftlichen Beziehungen oder auf Freigebigkeit beruht; 2) Quittungen, die im inneren Verkehr eines und desselben Kassenwesens oder Geschäftsbetriebes oder im Verkehr der Kassen des Reichs und der Bundesstaaten untereinander ausgestellt werden; 3) Quit⸗ tungen über Zahlung von Zinsen der Anlehen des Reichs oder eines Bundesstaats; 4) Quittungen auf mit einem Reichsstempel versehenen Schriftstücken über darauf bezügliche Zahlungen; 5) Quittungen über die auf einer Zwangsverpflichtung des öffentlichen Rechts beruhenden Zahlungen (Steuern Gebühren, Strafgelder u. s. w.); 6) Quittunge über Gehalts⸗ und sonstige oder Pensionen der Reichs⸗ und Staatsbeamten, der Beamten im Gemeinde⸗, Kirchen⸗ und Schul⸗ dienst oder im Dienste einer landesherrlichen Haus, oder Hof⸗ verwaltung und der Millitärpersonen, sowie ihrer Hinter⸗ bliebenen; 7) Quittungen über Lohn⸗ und Gehaltsbezüge solcher Personen, die zu einer der nach dem Gesetz, betreffend die Invaliditäts⸗ und Altersversicherung, vom 22. Juni 1889 versicherungs⸗ pflichtigen Klassen gehören; 8) Quittungen über Rückzahlungen aus E“ sowie über Unterstützungen, Krunkerzgelder, Beerdigungs⸗ kosten, Wittwen⸗ und Waisengelder und ähnliche Zahlungen aus öffent⸗ lichen oder privaten, nicht auf den Gewinn der Unternehmer berechneten Kassen und Anstalten. — Abg. v. d. Gröben (dkons.) beantragt dagegen folgende Bestimmungen: 1) Von allen im Deutschen Reich erfolgenden Verkäufen und zu geschäftlichen Umsätzen, sei es auf Rohprodukte oder Fabrikate, erhebt das Reich eine Abgabe von ½ pro Tausend vom — Werth. 2) Für einen jeden geschaftlichen Umsatz, welcher mehr als 20 ℳ beträgt, ist dem Käufer eine Nota auszustellen und solche mit einer Stempelmarke in Höhe des zu ent⸗ richtenden Umsatzsteuerbetrages zu bekleben. 3) Die Stempel⸗ marke ist durch Ausfüllung des Datums (ähnlich der Wechselstempel⸗ marke) zu entwerthen. 4) Alle Beträge von 20 bis 100 ℳ unter⸗ liegen einer Steuer von 5 ₰; jede angefangenen weiteren 100 ℳ werden mit weiteren 5 ₰ besteuert. Jedes Tausend trägt also 50 ₰ Steuer. 5) Kein Verkauf über 20 ℳ verpflichtet zur Zahlung, wenn nicht eine mit der nöthigen Stempelmarke versehene Nota beigegeben wird. 6) Keine Faktura hat irgend einen rechts⸗ verbindlichen Werth, wenn nicht die gesetzliche Umsatzsteuer in vor⸗ geschriebener Form entrichtet ist. 7) Wer gegen die 2 estimmung in Nr. 2 verstößt, verfällt in eine Strafe gleich dem zehnfachen Werth der hinterzogenen Steuer. 8) Von der Entrichtung der Umsatzsteuer sind befreit: a. Alle diejenigen welche durch die Börsen⸗ steuer in irgend einer Form und Höhe bereits betroffen (be⸗ steuert) sind. b. Alle Wechsel und Umsätze, welche lediglich Geld⸗ übermittelungen zum Zwecke haben. c. Alle von Deutschland nach dem Auslande erfolgenden geschäftlichen Umsätze. d. Alle diejenigen Umsätze, welche lediglich den Transit⸗ resp. Durchgangs⸗ verkehr des Auslandes betreffen. e. Die Erzeugnisse der Landwirth⸗ schaft, soweit dieselben durch den Produzenten verkauft werden. — Nach längerer Debatte zieht der Abg. v. d. Gröben angesichts der Stimmung der Mehrheit der Kommission seinen Antrag zurück. Bei der Abstimmung wird zunächst ein Antrag Leuß (b. k. F.) auf Einführung einer progressiven Steuer abgelehnt. Demnächst wird mit großer Mehrheit die in der Regierungsvorlage vor⸗ geschlagene Besteuerung der Quittungen, der Checks und Giroanweisungen und der Frachtpapiere abgelehnt.
— Die Wahlprüfungskommission des Reichstag beantragt, den Beschluße über die Wahl des Abg. Möller (nl.) im VI. Wabhlkreise des Regierungsbezirks Arnsberg bis zum ingang weiterer Ermittelungen auszusetzen.
— Auf der Tagesordnung für die 9. Plenarsitzung des Herrenhauses am Donnerstag, 15. März, Vormittags 11 Uhr, steht als einziger Gegenstand der Bericht der IX. Kommission über den Entwurf eines Gesetzes zur Abänderung und Er⸗
änzung der Gesetze vom 25. Mai 1874, betreffend die evange⸗ klische Kirchengemeinde⸗ und Synodal⸗Ordnung vom