Sachsen⸗Altenburg.
Das Befinden Seiner Durchlaucht des Prinzen Ernst hat sich, wie die „Magd. Ztg.“ erfährt, in der vergangenen Woche weiter gebessert; insbesondere konnte der Prinz seit Mittwoch täglich aus dem Bett in den Lehnstuhl gehoben wer⸗ den und darin längere Zeit sitzend verweilen. Die Bewegungen im kranken werden allmählich immer freier, die
chwellung des Beins ist so gut wie beseitigt.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.
Im Riesensaale des Herzoglichen Residenzschlosses in Coburg fand gestern Mittag die feierliche Eröffnung des gemeinschaftlichen Landtags der Herzogthümer Coburg und Gotha statt.
Seine Königliche Hoheit der Herzog hielt vom Thron aus folgende Ansprache:
Meine Herren Abgeordneten!
Zum ersten Male, seitdem Ich die Regierung Meines Landes übernommen habe, heiße Ich Sie persönlich willkommen.
Unter der Regierung Meines in Gott ruhenden Herrn Oheims haben alle Zweige des geistigen und wirthschaftlichen Lebens einen hocherfreulichen Aufschwung genommen. Ich hoffe, daß es auch Mir beschieden sein möge, unter verständnißvoller Mitwirkung der Landtage .“ des Landes und die Zufriedenheit der Bevölkerung zu mehren.
Die zur Vertheidigung des Reichs unbedingt erforderlichen Aus⸗ gaben haben eine erhebliche Verschlechterung der seither blühenden Finanzlage zur Folge gehabt; Ich hoffe aber bestimmt, daß es dem einmüthigen Zusammenwirken der verbündeten dentschen Regierungen gelingen werde, die für Reichszwecke erforderlichen Mittel aus den dem Reich überlassenen Einnahmequellen vollständig zu decken und die Einzelstaaten zur energischen Förderung der ihrer besonderen Fürsorge verbliebenen Kulturaufgaben zu befähigen.
Die Landwirthschaft befindet sich zufolge theilweiser Mißernte und außergewöhnlich niedriger Preise ihrer Hauptprodukte in schwieriger Lage; das Gedeihen dieses überaus wichtigen Erwerbszweiges wird Gegenstand Meiner besonderen Aufmerksamkeit sein.
Für dringend nöthig erachte ich die engere Verbindung beider Landestheile, die Ausdehnung des Kreises der gemeinschaftlichen An⸗ gelegenheiten und die Vereinfachung der Verwaltung. Die hierauf unablässig gerichteten Bestrebungen Meiner erlauchten Vorgänger in der Regierung werde Ich aufnehmen und fortsetzen; Ich bin fest über⸗ zeugt, daß dieselben dem wirklichen Interesse beider Herzogthümer entsprechen und durch deren Verhältniß zum Reich erfordert werden, hoffe auch, daß Sie sich von der Nothwendigkeit dieser Entwickelung Unseres Staatswesens überzeugen und Meine Regierung bei den darauf abzielenden Maßregeln kräftig unterstützen werden.
Außer Vorlagen von geringerer Bedeutung wird dem gemein⸗ schaftlichen Landtag, seinem Antrag entsprechend, ein Gesetzentwurf zu⸗ gehen, bestimmt, das Gebührenwesen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und inneren Verwaltung umfassend und einheitlich zu regeln, zugleich auch, soweit dies ohne allzu harten Druck der Bevölkerung möglich ist, den durch wachsende Ausgaben belasteten Staats⸗ und Kommunal⸗ kassen eine neue Einnahmequelle zuzuführen. Sie wollen diese Vor⸗ lage in Berathung nehmen, welche, wie Ich erwarte, zu voller Ver⸗ seesc ung mit Meiner Regierung führen wird. 1
i einem gedeihlichen Zusammenwirken wird es nie fehlen, wenn allerseits das Interesse Einzelner, auch einzelner Stände und Körper⸗ schaften dem gemeinschaftlichen und höheren des Staats und des Reichs untergeordnet wird; diese opferwillige und patriotische Ge⸗ Uämnüns glaube Ich bei einem jeden von Ihnen voraussetzen zu ürfen. Nach Beendigung der Thronrede brachte der Präsident des gemeinschaftlichen Landtags, Geheime Rath Berlet aus Gotha auf Seine Königliche Hoheit den Herzog ein Hoch aus, in welches die Versammlung begeistert einstimmte.
Der Staats⸗Minister von Strenge erklärte hierauf im Namen und Auftrag Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs den gemeinschaftlichen Landtag der Herzogthümer Coburg und Gotha und den Speziallandtag für Gotha für eröffnet. Seine Hoheit der Herzog von Sachsen⸗Altenburg ist am Sonntag von Coburg wieder abgereist.
Deutsche Kolonien,
Ueber den weiteren Verlauf der Expedition des Gou⸗ verneurs von Deutsch⸗Ostafrika Freiherrn von Schele hat der stellvertretende Gouverneur auf Grund ihm zugegangener, bis zum 25. Dezember 1893 reichender Nachrichten, dem „D. Kol.⸗Bl.“ zufolge, Nachstehendes berichtet:
Die Expedition hat die Gebiete der Mahenge und Mafiti durch⸗ zogen und glaubt durch Hinrichtung mehrerer der bedeutendsten Häupt⸗ linge, die dem Sklavenraub gewohnheitsmäßig oblagen, zum theil auch auf frischer That gefaßt wurden, die Macht und Raublust dieser Stämme endgültig gebrochen zu haben. Am oberen Ruaha wie auch am oberen Ulanga hat die Expedition ein dicht bevölkertes, rei angebautes, besonders fruchtbares Land gefunden, dessen Haupterzeugnisse Reis, Mtama, Mais, Taback und Kaut⸗ schuk bilden. Nach Unterdrückung der Raubzüge soll dort das Aufblühen eines fleißigen, Ackerbau treibenden Volks zu erwarten sein. Die Raubzüge dieser Stämme haben übrigens lediglich den
weck, Weiber und Sklaven zu stehlen, deren sie zur Bearbeitung der
elder bedürfen. Die Feldarbeit findet mit schweren Hacken in sorg⸗ ältigerer Weise als an der Küste statt; der Boden wird tiefer be⸗ arbeitet, und regelmäßige, erhöhte Beete werden auf den Feldern an⸗ geregtz. auch werden Wasserläufe häufig zur Berieselung nutzbar gemacht. Die Sklaverei ist auch bei diesen Stämmen eine durchaus milde. Die Sklaven werden gut behandelt und ernährt. Es ist ihnen völlig gleichgülrig, ob sie befreit werden oder nicht; arbeiten müßten sie zu Hause auch, Nahrung finden sie in der Gefangenschaft oft reichlicher als in ihrer Heimath, und Anhänglichkeit an Eltern, Geschwister oder Kinder kennen sie nicht.
Kiwanga, woher die letzten Nachrichten stammen, hat die Expe⸗ dition sehr gut aufgenommen. Sie befand sich dort etwa 10 bis 14 Tagereisen vom Nyassa entfernt. Von dort beabsichtigte Freiherr von Schele in der Nacht vom 25. zum 26. Dezember nach der Nord⸗ spitze des Sees aufzubrechen, um die Station Langenburg zu besichtigen und Einblick in die dortigen Verhältnisse zu gewinnen. Der Marsch führt mehrere Tage durch Uhehe, wobei etwa 50 Krieger des Kiwanga die Aufklärung übernehmen sollen. Der Rückweg ist einstweilen auf verselben Straße bis zu Kiwanga, von da über Schabruma nach der Küste bei Kiswere geplant.
Die Hitze wird als außerordentlich groß geschildert: mittlere Temperatur im Schatten 33 ½0 C.; bei einer Tiefe von einem Zoll unter der Erdoberfläche steigt die Temperatur auf 520, sodaß die Träger vielfach von Brandblasen an den Fußsohlen zu leiden hatten; bei Mondschein wurde deshalb vielfach Nachts marschiert. Besonders lästig soll ein sich oft bis zur Sturmstärke steigernder sehr heißer Wind gewesen sein, der einen feinen schwarzen Staub, von den Steppen⸗ bränden herrührend, mit sich führt und in die Poren der Haut eindringt. 8
Trotzdem ist der Gesundheitszustand unter den Europäern gut.
Wie der stellvertretende Gouverneur, Kanzler Leist be⸗ richtet, hat am 27. Januar die feierliche Enthüͤllung des auf der Joßplatte in Kamerun zum Andenken an den Königlich bayerischen Hauptmann Freiherrn von Graven⸗ reuth errichteten Denkmals in Gegenwart der Gou⸗ vernementsbeamten, des Landungskorbs S. M. S. „Hyäne“ sowie der deutschen Missionare und Kauf⸗
leute stattgefunden. Nachdem die Kapelle S. „Hyane“ einen Choral gespielt hatte, fiel nach einer kurzen Ansprache des stellvertretenden Gouverneurs die Hülle des Denkmals unter präsentiertem Gewehr und dreimaligem Salvenfeuer einer aus der Besatzung des Kriegsschiffs ge⸗ bildeten Ehrenkompagnie. Das von der Professor von Miller'schen Erzgießerei in München in Bronze ausgeführte Denkmal stellt einen ruhenden Löwen dar, der, in itzender Stellung mit erhobenem Kopfe in die Ferne blickend, mit den Vordertatzen die deutsche Kriegsflagge schützt. Das auf zwei Stufen sich erhebende Postament ist aus karrarischem Marmor hergestellt; an der Vorderseite befindet sich ein Bronze⸗ Medaillon mit dem wohlgetroffenen Bildniß des gefallenen
Helden. Die Gesammthöhe des weithin sichtbaren Denkmals
beträgt etwa 3,60 m. 1
Die Anlage einer Gesundheitsstation im Kamerun⸗ gebirge ist der Verwirklichung näher gerückt. Der Präfekt Vieter von der Mission der Pallotiner gedenkt noch in dieser Trockenzeit in Busa ein Sanatorium, zunächst für erholungs⸗ hedürftige Missionare, zu gründen. Auch die Baseler Mission scheint, neueren Nachrichten zufolge, ihre Bestrebungen, für ihre Missionare im Kamerun⸗ gebirge eine Erholungsstätte zu begründen, wieder aufgenommen zu haben. — Der Leiter der bekannten großen Kaffeeplantagen in San Thomé, Vize⸗Konsul Spengler, hat sich bereit erklärt, das Kamerungebirge behufs Untersuchung seiner Anbau⸗ fähigkeit zu besuchen. “
eennau
Oesterreich⸗Ungarn.
Bei der gestern vorgenommenen Wahl zum Reichsrath
88 Wien (Innere Stadt) wurde, wie „W. T. B.“ berichtet,
er Deutsch-liberale Noske mit 2173 Stimmen gewählt. Der Demokrat Ofner erhielt 1017, der Antisemit Rabenlechner 532 Stimmen.
Der jungczechische Reichsraths⸗ und Landtags⸗Abgeordnete Schwarz hielt in einer in Pilsen abgehaltenen Wähler⸗ versammlung eine Rede, worin er ausführte, die Koalitions⸗ regierung werde vermuthlich von langer Dauer sein. Es sei nicht leicht, einer solchen Regierung, deren Kassen intakt seien und deren Kriegsmacht von keiner Seite bedroht werde, Opposition zu machen. Die jungczechische Opposition müsse so eingerichtet sein, daß ein künftiges Kabinet auf die czechischen Ansprüche Rück⸗ sicht nehmen könne. Nachdem der Vorsitzende der Versamm⸗ lung Bürgermeister Petak erklärt hatte, mit prahlenden, drohenden Schlagworten werde der Nation nicht genützt, ihr fromme nur rechischaffene Arbeit, wurde eine Resolutdon im Sinne des Redners angenommen.
Großbritannien und Irland. „In der gestrigen Sitzung des Unterhauses theilte, wie
„W. T. B.“ berichtet, der Parlaments⸗Sekretär des Aus⸗
wärtigen Sir E. Grey auf eine Anfrage mit, die Wirkung des deutsch⸗russischen Handelsvertrags auf den eng⸗ lischen Handel werde in der am 15. d. M. erscheinenden Aus⸗ gabe des „Board of Trade⸗Journal“ dargelegt werden. Auf eine weitere Anregung erklärte Sir E. Grey, gegenwärtig sei kein englisches Kriegsschiff in Samoa. Der dortige englische Konsul habe am 22. v. M. telegraphisch gemeldet, daß Un⸗ ruhen stattgefunden hätten. Gleichzeitig habe aber der Konsul hinzugefügt, daß die Entsendung eines Kriegsschiffes nicht nöthig sei, da die Ruhe wiederhergestellt und der Abschluß eines befriedigenden Friedens gesichert sei. Im weiteren Ver⸗ laufe der Sitzung beantragte der Sekretär für Schottland Sir G. Trevelyan die Ernennung eines großen, aus sämmtlichen Abgeordneten Schottlands und fünfzehn anderen Abgeord⸗ neten bestehenden Ausschusses, dem alle Schottland aus⸗ schließlich betreffenden Vorlagen zur Spezialdebatte überwiesen werden sollten. Die Regierung betrachte diesen Antrag nicht als eine Parteisache, sondern als eine Maßregel zur Beschleu⸗ nigung der Geschäfte. Der Abg. Balfour bekaͤmpfte diesen Antrag, der die Gebräuche des Unterhauses umstürze und das Nationalitätsprinzip in die Zusammensetzung der großen Aus⸗ schüsse einführe. Er beantrage daher, in einem Unterantrage zu erklären, das Haus lehne die Vorlage, die nur auf einen Theil des Königreichs sich beziehe, ab, bis es Gelegenheit gehabt haben werde, einen allgemeinen, auf alle Theile des Vereinigten Königreichs sich erstreckenden Plan zu erwägen.
Rußland.
Nach einer Meldung der „Pol. Korresp.“ aus St. Peters⸗ burg ist die Vermählung der Großfürstin Penia Alexandrowna mit dem Großfürsten Alexander Michai⸗ lowitsch endgültig für den Monat Juni fesigesezt.
Wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg erfährt, ist gestern amtlich der Kaiserliche Befehl veröffentlicht worden, wonach gegenüber den österreich⸗ungarischen Boden⸗ und b11’““ die ermäßigten Tarifsätze angewendet werden, die durch die russisch⸗französische Konven⸗ tion vom 17. Juni 1893 und den russisch⸗deutschen Handels⸗ vertrag vom 10. Februar 1894 festgesetzt worden sind. Oesterreich⸗Ungarn wendet während des Provisoriums gegen⸗ über den russischen Boden⸗ und Industrie⸗Erzeugnissen die ermäßigten Zölle seiner Konventionaltarife an mit gegenseitig vereinbarten Ausnahmen, die sich nicht auf andere meist⸗ begünstigte Staaten beziehen.
Eine Verordnung des Finanz⸗Ministers hebt die obliga⸗
torische Forderung von Ursprungszeugnissen aller Im⸗
portwaaren seitens der Zollämter auf, mit Ausnahme der Ursprungszeugnisse für Arak, Rum ꝛc. (siehe Art. 27 des G für Wein in Flaschen, Fischkonserven, Blei in Rollen ꝛc. (siehe Art. 146 Punkt 2 des Zolltarifs) und für Zink.
Nach dem vorläufigen Reichskassenbericht pro 1893 be⸗ laufen sich die gesammten Einnahmen, ordentliche wie außer⸗ ordentliche, auf 1 220 500 000, die gesammten Ausgaben auf 1 055 900 000 Nubel. Der Ueberschuß beträgt mithin 164 600 000 Rubel. Die ordentlichen Einnahmen pro 1893 überstiegen diejenigen des Jahres 1892 um 67 700 000 Rubel.
Italien.
Die Deputirtenkammer trat gestern wieder zu einer Sitzung zusammen. Der Präsident widmete, dem „W. T. B.“ zufolge, Kossuth einen Nachruf und erhielt die Ermächtigung, dessen Hinterbliebenen das Beileid der Kammer auszu⸗ sprechen. Der Minister⸗Präsident Crispi legte einen Gesetz⸗ entwurf wegen mehrfacher Abänderungen der Gesetze über die politischen und Munizipalwahlen, sowie einen Gesetzentwurf über Explosivstoffe vor.
Der Papst empfin gestern den Kardinal Dunajewski in Audienz. “
8
schreitungen statt.
M. S. Spanien.
Der Ministerrath beschäftigte sich gestern, wie „W. T. B.“ meldet, mit der andalusischen Arbeiterfrage und beschloß die Ausführung öffentlicher Arbeiten in den Provinzen Cadix “ um den Arbeiterklassen Beschäftigung zu ver⸗
affen.
Es sind umfassende Vorsichtsmaßregeln getroffen, um die Sicherheit des Parlaments gegen anarchistische Um⸗ triebe zu schützen. b
In Madrid eingetroffenen Meldungen zufolge plünder⸗ ten am Sonntag ungefähr 1000 Arbeiter die Bäckereien in San Lucar; die Gendarmerie konnte nichts dagegen thun. Auch in Ecija (Provinz Sevilla) fanden Aus⸗
8 Belgien. Die Regierung hat, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, in einer bei
dem Minister⸗Präsidenten de Burlet abgehaltenen Versamm⸗
lung der Rechten die Mittheilung gemacht, daß sie den Gesetz⸗ entwurf über die verhältnißmäßige Vertretung zurückziehe und keine neue Vorlage einbringen werde, sodaß also für das Wahlgesetz das bisherige System der absoluten Mehrheit beibehalten bleibt. Die Regierung kündigte ferner an, daß die Kammersitzungen nicht länger als bis Mitte Juli dauern werden, daß sie, die Regierung, aber vorher noch die Einführung von Z Augenblick auf nicht als Nahrungsmittel dienende landwirth⸗ schaftliche Erzeugnisse, auf Hafer und Butter, beschränkt werden Im Einverständnisse mit der Rechten beschloß ferner ie Regierung, daß die Provinzialrathswahlen zwar noch in diesem Jahre stattfinden, aber unter Anwendung des bisherigen Wahlgesetzes abgehalten werden sollten, so zwar, daß man zur nämlichen Zeit, wo die 1 200 000 Wähler des erweiterten Stimmrechts die Abgeordneten und Senatoren erwählen würden, die 400 000 Zensuswähler und die 60 000 „Kapazitätswähler“ des Gesetzes vom Jahre 1883 zur Wahl der Provinzialräthe berufen werde, die dann ihrer⸗ seits, dem neuen Wahlgesetz zufolge, einen Theil der Senatoren. ernennen müssen. Diese Beschlüsse werden voraussichtlich den Hauptinhalt einer auf heute angekündigten Erklärung des neuen Ministeriums an die Kammer bilden, nach deren Ver⸗ lesung der liberale Abgeordnete Bara die Regierung wegen der jüngsten Ministerkrisis zu interpellieren beabsichtigt.
Serbien. Infolge der aus persönlichen Motiven eingereichten emission des Finanz⸗Ministers Mijatovic trat gestern Mittag eine Ministerkrise ein, welche mit dem Rück⸗ tritt des Kabinets Simic abschloß. Mit der Bildung des neuen Kabinets wurde der bisherige Minister des Innern Nikolajevic betraut. Das neue Kabinet ist wie folgt zusammengesetzt: Nikolajevic Präsidium und Inneres, der bisherige Handels⸗Minister Lozanic Aeußeres, der bisherige Justiz⸗Minister Gjorgjevic Unterricht, Vukacsin Petrovie Finanzen, der bisherige Sektionschef im Handels⸗Ministerium Jovanovic Handel, der Rath am Kassationsgericht Antonovic Justiz. Der Bauten⸗Minister Zoravkovic sowie der Kriegs⸗Minister, General Pavlovic behalten ihre bisherigen Portefeuilles bei. Simic und die anderen ausscheidenden Minister sind vorläufig zur Disposition gestellt worden. Die politische Richtung des neuen Kabinets bleibt in allen inneren und äußeren Fragen unverändert die⸗ selbe, wie die des Kabinets Simic. Amerika. Der Senat hat, nach einer Meldung des „W. T. B.“, gestern die Berathung der Tarifvorlage begonnen. Der mexikanische Kongreß ist gestern eröffnet worden. Die Botschaft des Präsidenten besagt, daß das Ergebniß der neueren Steuern und Ersparnisse der Regierung entspreche, und daß ohne die eingetretene Verschlechterung des Wechselkurses und die daraus resultierenden Mindereinnahmen aus Einfuhrzöllen das Gleichgewicht im Budget für 1894/95 hergestellt worden sein würde. Diese durch die Münz⸗ politik verschiedener Länder und deren Haltung in der Silberfrage hervorgerufenen Störungen hätten die Berechnungen der Re⸗ Ficzuns alteriert und zwängen sie im Interesse des Landes zur Auf⸗ uchung neuer Lösungen. Indem die Regierung sich dieser Aufgabe unterziehe, sei sie in gleicher Weise entschlossen, den Kredit und die Ehre des Landes zu schützen — wie sie sich bewußt sei, un⸗ mittelbar nach Votierung des Budgets den Steuerzahlern und Staatsbeamten neue Opfer nicht auferlegen zu können.
Wie dem „New⸗York Herald“ vom Sonntag aus Rio
de aneiro gemeldet wird, hätten die dortigen Gesandten Efkhlands und Italiens kürzlich den nordamerikanischen Staatssekretär Gresham ersucht, dem nordamerikanischen Gesandten in Rio de Janeiro Thompson Anweisung zu geben, gemeinsam mit ihnen bei der brasilianischen Regierung dahin vor⸗ stellig zu werden, daß Brasilien diean Portugalgerichtete Forderung, auf Auslieferung da Gama's zurückziehe. Der Staats⸗ sekretär Gresham habe erwidert, es liege kein Grund zu einer Intervention vor, da da Gama Insurgent sei. — Nach Mel⸗ dungen aus Buenos Aires sei der Gesundheitszustand auf den portugiesischen Schiffen ein schlechter. Der Admiral Saldanha da Gama habe telegraphisch der portugiesischen Regierung seinen Dank ausgesprochen für das ihm gewährte Asyl und gleichzeitig die Ermächtigung nachgesucht, die brasilianischen Truppen ans Land zu setzen.
Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aus Lima gemeldet: Der Vize⸗Präsident del Solar habe sich geweigert, die Prä sidentschaft zu übernehmen, die darauf der Zweite Vize⸗Prä⸗ sident Borgoso übernommen habe. Das Kabinet habe demissioniert. In dem neuen Kabinet habe Garcia Urrtia den Vorsitz und das Ministerium des Auswärtigen, der Ge⸗ neral Antayo das Departement des Krieges, Dulano das der Justiz, Ferreros das des Inneren, und Delapuenta das des Handels übernommen. Die Stadt sei ruhig, die Banken seien jedoch geschlossen; die Geschäfte stockten. — Einer Meldung der „Agenzia Stefani“ zufolge sei es wahrscheinlich, daß der Zweite Vize⸗Präsident Borgoso an Stelle des ver⸗ storbenen Präsidenten Bermudez zum Präsidenten der Republik werde gewählt werden.
Wie dem ‚Reuter'schen Bureau“ aus Kairo gemeldet wird, sind die Gerüchte von einer bevorstehenden Minister⸗ krisis, die durch die Berufung der Minister nach dem Land⸗ söbe des L bmuffn wurden, btgs unbegründet.
er Khedive habe die Minister nur zur Erledigung de 2 den Geschäfte zu sich berufen. 8 sedigusg ...
öllen beantragen werde, die „für den
den Voraussetzungen inzwischen
Parlamentarische Nachrichten. Auf der Tagesordnung der heutigen 39. Sitzung des
Fauses der Abgeordneten, welcher der Justiz⸗Minister
von Schelling und der Finanz⸗Minister Dr. Miquel beiwohnten, stand zunächst die erste und zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufhebung der im Gel⸗ tungsbereich des Rheinischen Rechts bestehenden Vorschriften über die in die Geburtsregister ein⸗ 1u Vornamen. 1
Abg. Böttinger (nl.), der die hierauf bezüglichen Be⸗
chwerden beim Etat des Justiz⸗Ministeriums zur Sprache gebracht hatte, empfiehlt den Gesetzentwurf zur Annahme.
Abg. Olzem (nl.) beantragt, die Regierung aufzufordern zur Beseltigung allzu französischer Bestimmungen über die Pnpreifung von Geheimmitteln, die besser durch Polizei⸗ vorschriften ersetzt werden könnten.
Der Antrag wird angenommen und in zweiter Berathung auch der Gesetzentwurf genehmigt.
In Bezug auf den 45. Bericht der Staatsschulden⸗ kommission für das Rechnungsjahr 1892—93 wird von seiten des Hauses Decharge ertheilt.
Die Rechnungen der Kasse der Ober⸗Rechnungs⸗ kammer für das Jahr vom 1. April 1892—93 werden der Rechnungskommission überwiesen.
Es folgt die Berathung des Antrags des Abg. Dr. Eckels und Genossen:
Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, eine gesetzliche Aenderung des § 39 Abs. 1 der Vormundschaftsordnung vom 3. Juli 1875 dahin gehend herbeizuführen, daß die dauernde Belegung von Mündelgeldern bei den Sparkassen kommunaler Korporationen für zulässig erklärt wird.
Abg. Dr. Eckels (nl.) empfiehlt den Antrag mit Rücksicht auf die Wünsche des Hannoverschen Sparkassenverbandes, der sich wehre gegen eine Verfügung des Ober⸗Landesgerichts⸗Präsidenten von Celle, welcher die Belegung von Mündelgeldern bei Sparkassen als unzulässig bezeichnet habe. Das Kammergericht 8 diese Gesetzesauffassung gebilligt, während verschiedene Amtsgerichte bisher die Belegung der Mündelgelder bei Svar⸗ kassen nochzugelassen hätten. Dadurch entstehe eine gewisse Rechtsunsicher⸗ heit. Das neue Bärgerliche Gesetzbuch wolle die Frage allerdings im Sinne der Sparkassen regeln, aber bis dieses Gesetzbuch fertiggestellt sei, würde noch manches Jahr vergehen, und es wäre wünschenswerth, diese Frage baldigst zu regeln.
Justiz⸗Minister Dr. von Schelling: Ich stehe insofern auf dem Standpunkt des Vorredners, als auch ich die Benutzung der Sparkassen bei Belegung von Mündelgeldern, namentlich von geringerem Betrage, für zweckmäßig halte. Etwas Anderes aber ist es, ob diese Frage durch ein besonderes Landesgesetz geregelt werden soll. Ich habe aus Anlaß früherer Kommissionsberathungen eine Umfrage bei den Ober⸗Landes⸗
gerichten gehalten. Es sind dabei verschiedene Ansichten geltend gemacht wor⸗
den, namentlich auch der niedrige Zinssatz der Sparkassen. Ich habe mich mit dem Minister des Innern, der für die Sparkassen die Haupt⸗ instanz ist, in Verbindung gesetzt und auch den Finanz⸗Minister zu einer Aeußerung veranlaßt, weil vielleicht durch Zuströmen der Mündel⸗ gelder die Sparkassen die Kurse der Konsols beeinflussen könnten. Die Verhandlungen haben aber noch nicht zu einem solchen gebniß geführt, daß ich darüber Mittheilungen machen könnte. Da aber der Antrag sich in der von mir gebilligten Richtung bewegt, so habe ich nichts gegen seine Annahme einzuwenden.
Nach weiterer Berathung (über die wir morgen aus⸗ führlich berichten werden) wird der Antrag mit der Aenderung, ihn der Regierung als Material für die Revision der Spar⸗
kassengesetzgebung zur Erwägung zu überweisen, angenommen.
(Schluß des Blattes.)
Entscheidungen des Reichsgerichts. Unter „Sekundant“ im Sinne des § 209 des Strafgesetzbuchs
(welcher Sekundanten für straffrei erklärt) sind, nach einem Urtheil
des Reichsgerichts, IV. Strafsenats, vom 16. Januar 1894, diejenigen Personen zu verstehen, welche den Duellanten bei der Austragung des Zweikampfes selbst Beistand leisten. Ein Sekundant aber, „welcher vorher im Auftrage des Herausgeforderten von dem Kartellträger des Herausforderers die Bedingungen des Zweikampfes an⸗ nimmt und seinem Auftraggeber übermittelt, ist wegen Bei⸗ hilfe zum Zweikampf zu bestrafen. „Der Begriff des Sekundanten nach § 209 Str.⸗G.⸗B. ist auf diejenigen von den Duellanten erwählten Personen zu beschränken, welche jenen bei der Austragung des Zweikampfes selbst Beistand leisten und deren Auf⸗ abe im Inesen lichen darin besteht, die Beobachtung der verabredeten oder 1“ Kampfesregeln auf dem Kampfplatze zu sichern. Das Straf⸗ gesetzbuch scheidet ausdrücklich den Kartellträger, d. h. denjenigen, welcher den Auftrag zu einer Herausforderung übernimmt und ausrichtet (§& 203 Str.⸗G.⸗B.), von dem Sekundanten. Daraus folgt, daß der Begriff des Sekundanten nach dem Gesetz nicht auch die Vermittelung unter den Gegnern und die Verabredungen über die Wahl der Waffen, Zeit, Ort und Bedingungen umfaßt, wenn auch in der gewöhnlichen Rede⸗ weise das Wort „Sekundant“ nicht selten in dieser weiteren Be⸗ deutung gebraucht wird. Die erweiterte Anwendung des Wortes be⸗ ruht darauf, daß diejenigen Personen, welche mit der Vermittelung der Erklärungen zwischen dem Herausforderer und dem Heraus⸗ geforderten sowie mit der Vorbereitung des Zweikampfes nach Art, Zeit und Ort betraut werden, herkömmlicher Weise in der Regel zugleich als erwählte Beistände bei Ausführung des Zweikampfes selbst fungieren.“ (4042/93.)
— Die Bestimmung des § 22 der Zivilprozeßordnung, wonach gegen den Inhaber einer Geschäftsniederlassu ng, von welcher aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden, — Filiale — Klagen die auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug haben, bei dem Gerichte des Orts erhoben werden können, wo die Niederlassung sich befindet — findet nach einem Urtheil des Reichsgerichts, VI. Zivil⸗ senats, vom 22. Januar 1894, keine Anwendung auf eine dauernde Geschäftsvertretung an einem anderen Orte, welche jedoch in jedem erheblichen Falle an die Genehmigung des Prinzipals ge⸗
unden ist. „Wenn der Gerichtsstand des § 22. Zivilprozeßordnung⸗ begründet sein soll, so müssen unmittelbar von der Niederlassung aus Geschäfte geschlossen werden. Nach den Motiven zur Zivilprozeß⸗ ordnung ist der Gerichtsstand der Niederlassung dem forum domicgilii nachgebildet. Das Etablissement wird, was die auf den Geschäfts⸗ betrieb desselben bezüglichen Klagen anbelangt, dem Wohnsitz gleich geachtet. Ein dem Domizil entsprechendes Verhältniß ist aber nicht vorhanden, wenn der Vertreter, durch dessen Vermittelung ein Geschäftsunternehmer an einem anderen Ort Geschäfte 9 läßt, in jedem einzelnen Fall von Erheblichkeit an die Genehmigung
des Prinzipals gebunden ist, mag auch die Geschäftsvermittelung des
Vertreters eine regelmäßige und dauernde sein.“ (287/93.)
Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
. Hat bei den Stadtverordnetenwahlen ein Wähler denjenigen, welchen er wählen will, irrthümlich mit einem unrichti⸗ gen Namen oder auch nur mit einem unrichtigen Vornamen be⸗
eichnet, ohne sich zu deehn. so ist, nach einem Urtheil des Ober⸗
Verwaltungsgerichts, II. Senats, vom 14. November 1893, die Wahlstimme nicht demjenigen anzurechnen, welchen der Wähler in Wirklichkeit zu wählen beabsichtigt hatte. Die von dem Wäͤhler
8
gleichzeitig abgegebene St für einen zu wählenden zweiten Stadt⸗ verordneten wird aber dadurch nicht ungültig, daß seine erste Stimmabgabe wegen der falschen Namensnennung ungültig ist. — Bei der Wahl zweier Stadtverordneten in einer westpreußischen Stadt wurden für den Kaufmann Julius B. und den Uhrmacher N. je 20, für die Kaufleute K. und 2. je 19 Stimmen abgegeben, und die beiden Ersteren für gewählt erklärt. Die Wahl des Julius B. wurde sodann von einem Gemeindemitgliede deshalb angefochten, weil ein Wähler bei der Wahl nicht, wie das Protokoll besage, den Namen des Julius B., sondern den eines längst verstorbenen Louis B. genannt habe. Der Bezirksausschuß stellte durch Beweisaufnahme fest, daß jener Wähler zwar den Julius B. zu wählen beabsichtigt, thatsächlich aber den Namen Louis B. genannt, sich auch nicht berichtigt habe. Die Wahl wurde demzufolge vom Bezirksausschuß für ungültig erklärt. Gegen dieses Urtheil legte die beklagte Stadtverordneten⸗Versammlung Be⸗ rufung ein, mit dem Antrage, die Wahl des Julius B. für gültig zu erklären, event. aber ebenfalls die Wahl des Uhrmachers N. für un⸗ gültig zu erklären. Das Ober⸗Verwaltun hee bestätigte jedoch die Vorentscheidung, indem es begründend augsü rte: „Die Städteordnung vom 30. Mai 1853 bestimmt über den Wahlakt nur Folgendes:
§ 25. Jeder Wähler muß dem Wahlvorstand mündlich und laut
zu Protokoll erklären, wem er seine Stimme geben will.
Hiernach wird der Akt mit der Stimmabgabe und ihrer Proto⸗ kollierung geschlossen. Der Wähler, dessen Rechtsausübung dadur auf den einen Moment der Stimmabgabe konzentriert wird, muß sie somit für diesen Augenblick gesammelt halten und wird durch das Gesetz noch besonders auf die Nothwendigkeit einer lauten Erklärung hingewiesen — offenbar, damit insbesondere bei dem aus mehreren Personen bestehenden Wahlvorstand kein Zweifel darüber entstehen könne, wem die Stimme gegeben wurde. Dabei kommt keine um⸗ fassende und mehrdeutige Willenserklärung in Frage, sondern kurz und bündig die Nennung eines Namens oder auch mehrerer Namen. Da diese einfache Namensnennung den ganzen Akt ausmacht, ergiebt sich von selbst, daß nicht etwa hinterher, wie Beklagte auszuführen versucht, bei dem Zusammenzählen der Stimmen irgend welche Konstatierungen bezüglich des geschlossenen Akts vorgenommen werden können. Mag auch der Wähler noch im Augenblick der Stimmabgabe sich verbessern und namentlich zwecks einer genauen Protokollierung die Klarstellung des Namens des Gewählten herbeigeführt werden dürfen, so ist doch mit der Protokollierung und dem Uebergang zu einer ferneren Stimm⸗ abgabe jedenfalls die Grenze für die Ausübung des Wahlrechts gegeben. — — Die Gleichzeitigkeit der Wahl des N. hat nicht den von der Beklagten behaupteten engen Zusammenhang derart, daß die Ungültigkeit der einen Wahl die der gleichzeitigen Wahl nach sich zöge. Diese fernere Wahl ist vielmehr unabhängig und neben der B. schen Wahl vollzogen, hat 20 Stimmen für N. ergeben und ist auch formell unangefochten geblieben.“ (II. 1252.)
— Die Bestimmung des § 10 des Preußischen Einkommensteuer⸗ gesetzes vom 24. Juni 1891, wonach ihrem Betrage nach un⸗ bestimmte oder schwankende Einnahmen nach dem Durch⸗ schnitt der drei bezw. zwei der Veranlagung unmittelbar voran⸗ gegangenen Jahre zu berechnen sind, findet, nach einer Entscheidung des Ober⸗Verwaltungsgerichts, V. Senats, vom 20. November 1893, keine Anwendung bei einer Domizilveränderung des Steuer⸗ pflichtigen während dieses Zeitraums, dessen Geschäft infolge dieser Veränderung die Beziehungen mit dem Publikum, die alte Kundschaft verloren hat und eine neue gewinnen muß. In diesem Falle sind nur die Einnahmen nach dem Durchschnitt des Zeitraums nach der Domizilveränderung, nöthigenfalls nach dem muthmaßlichen Jahres⸗ ertrage in Ansatz zu bringen. — Ein Rechtsanwalt und Notar war bis zum November 1890 in einer Stadt als solcher thätig. Mitte November 1890 verlegte er sein Domizil und seine Berufsthätigkeit nach einer anderen Stadt. Am 12. September 1891 verlegte er sein Domizil und seine Berufsthätigkeit nach einer dritten Stadt. In seiner Steuererklärung pro 1892/93 am 11. Januar 1892 gab er den Verdienst aus seiner Praxis, diesen lediglich nach der Zeit seiner Thätigkeit in dem letzten Domizil vom 12. September 1891 bis 11. Januar 1892 auf ein Jahr berechnend, zu 3700 ℳ an. Dagegen veranlagte ihn die Steuerbehörde unter Zugrundeleguug des weit höheren Durchschnitts seines Einkommens aus seiner Praxis während der beiden Jahre 1890 und 1891 in den verschiedenen Domizilen. Hieran hielt auch die Berufsentscheidung fest. Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts wies das Ober⸗Verwaltungsgericht die Sache zu anderweiter Entscheidung an die Berufungskommission zurück, indem es begründend ausführte: „ Es muß für den vorliegenden Fall anerkannt werden, daß das Einkommen zum Zwecke der Besteuerung nicht nach dem zweijährigen Durchschnitt zu berechnen ist. Es hat während dieser Zeit ein zweimaliger Wechsel des Orts der erwer⸗ benden Thätigkeit stattgefunden und zwar, wie mit dem Beschwerde⸗ führer anzunehmen ist, in einer Weise, daß die alten Beziehungen mit dem Publikum, die alte Kundschaft verloren gegangen ist und eine neue gewonnen werden mußte. Wenn auch die persönliche Befähigung zum Erwerbe dieselbe geblieben ist, so sind doch die nothwendigsten Grundlagen für die Ergiebigkeit der Praxis durch die Ortswechsel vollständig verändert worden, sodaß auch der Effekt der Thätigkeit, wie die Ausführungen des Beschwerdeführers in glaubhafter Weise er⸗
eben, nothwendig nach dem Ort derselben verschieden sein mußte. Die rwerbsthätigkeit war thatsächlich, wenn auch nicht der Art und dem Namen nach, so doch unter ganz verschiedenen örtlichen Bedingungen neu zu begründen; die Quelle des steuerpflichtigen Einkommens ist somit, worauf es hier ankommt, seit der Thätigkeit des Pr in seinem letzten Domizil materiell eine andere als in den Vorjahren. Folglich kann für die Besteuerung nur mit der Zeit nach dem 12. Sep⸗ tember 1891 gerechnet werden....“ (33/93.)
Statistik und Volkswirthschaft. “
Ausprägungen von Reichs⸗Gold⸗ und Silbermünzen. Im Jahre 1893 sind auf den deutschen Münzstätten an Gold⸗ münzen 4 011 385 Doppelkronen und 3 019 326 Kronen, zusammen im Betrage von 110 420 960 ℳ mit einem wirklichen Gewicht von 87 949,686 Pfund (gesetzliches Sollgewicht 87 949,788 Pfund) aus⸗
geprägt worden. 1 8 1 An Silbermünzen wurden geprägt 534 319 Fünfmarkstücke, 1 644 605 Zweimarkstücke, 2 836 309 Einmarkstücke im Betrage von 8 797 114 ℳ mit einem wirklichen Gewicht von 97 744,174 Pfund (gesetzliches Sollgewicht 97 745,711 Pfund). Fünfzig⸗ und Zwanzig⸗
pfennigstücke (in Silber) sind im Jahre 1893 nicht geprägt worden.
Verein für Sozialpolitik.
Der Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik hat, wie die „Nat.⸗ Ztg.“ erfährt, beschlossen, die nächste Generalversammlung am 28. und 29. September d. J. in München abzuhalten. Auf die Tages⸗ ordnung ist gesetzt worden: 1) die industriellen Kartelle: 2) das ländliche Vererbungsrecht. Bezüglich des ersten Gegenstandes werden von dem Verein zwei Bände Beschreibungen verschiedener in⸗ und aus⸗ ländischer Kartelle vorbereitet, die im Juni erscheinen werden. Mit der zweiten Frage hat sich der Verein bereits mehrfach in seinen Schriften beschäftigt. Bezüglich der speziellen Referenten werden noch weitere Bestimmungen von dem Vorsitzenden getroffen werden. Als Ort der Versammlung ist München, besonders mit Rücksicht auf die österreichischen Volkswirthe gewählt worden, seitens de reicher Besuch in Aussicht steht. 8
Zur Arbeiterbewegung. Der Beschluß der Deutschen Textilarbeiter,
e
den
inter⸗ nationalen Kongreß in Manchester nicht zu beschicken (pgl. Nr. 77 d. Bl.), wurde von der in Hof in Bayern am 25. und 26. März abgehaltenen Generalversammlung der deutschen Textilarbeiter gefaßt.
Auch zu dem Kongreß der Arbeiter der Bekleidungsindustrie, der noch in diesem Jahre in Gotha oder Erfurt tagen wird, werden,
wie die Berliner „Volks⸗Z.“ mittheilt, die Textilarbeiter Delegirte nicht entsenden.
Hier in Berlin soll, wie im „Vorwärts“ mitgetheilt wird, zu 2— ein Kongreß sozialdemokratischer Radfahrer attfinden.
Aus Wien berichtet „W. T. B.“ zum Ausstand der Ar⸗ beiter der Gasanstalten, b die Ausständigen in einer neuen Versammlung gestern beschlossen haben, den Ausstand fortzusetzen. Der „Voss. Z.“ wird gemeldet, daß die Gasgesellschaft ihre Arbeits⸗ kräfte bereits vervollständigt habe.
Aus Zürich berichtet der Berner „Bund“, daß der Stadt⸗ S.. Pestalozzi für den drohenden Ausstand der Zimmer⸗ eute seine Vermittelung angeboten hat. — Die Züricher Glaser⸗ gehilfen hegen mit der Forderung um neunstündige Arbeitszeit und Abschaffung der Accordarbeit an die Meister, die Meinung, die Sache auf friedlichem Wege erledigen zu können. — 37 Mitglieder des Züricher Schneidermeister⸗Vereins bestätigen im Amts⸗ und Tagblatt mit Unterschrift ihre Solidaritätserklärung mit den Berner Meistern. Zugleich gewähren sie den ausständigen Gesellen drei Tage Bedenkzeit zur Wiederaufnahme der Arbeit, widrigenfalls sich die Unterzeichner verpflichten, keinen der Ausständigen mehr in ihren Geschäften anzustellen. — Der Zentralvorstand des schweizerischen Schreinermeisterverbandes ladet alle schweizerischen Schreinermeister in einem Rundschreiben ein, keinem von Zürich kommenden Schreiner Anstellung und Arbeit zu geben. Ein genaues Verzeichniß der Namen der Ausständigen wird auf den 7. April versandt werden. 1
Aus St. Gallen schreibt man dem Berner „Bund“: Die organisierten Schneidergehilfen des Platzes St. Gallen erklärten sich am Donnerstag solidarisch mit den strikenden Berner Berufs⸗ genossen. Es wurde beschlossen, keine von Bern übernommene Arbeit auszuführen und die Namen der Meister, die Berner Arbeit über⸗ nehmen, in den Arbeiterblättern zu veröffentlichen.
Kunst und Wissenschaft.
Mit dem Dampfer „Bundesrath“ sind, wie das „D. Kol. 8 mittheilt, eine Reihe bedeutsamer Aufzeichnungen Emin Pas cha's von Dar⸗es⸗Salam abgesandt worden und vor kurzem in Berlin eingetroffen. Der Inhalt der Sendung besteht vornehmlich aus sechs Tagebüchern, umfassend die Zeit vom 15. Oktober 1874 bis zum 2. Dezember 1889, und enthält ferner ein Heft Vogelmaße vom März 1888 bis zum Februar 1890, ein Heft Säugethiermaße, ein Heft Routenaufnahmen, ein Heft zoologische Notizen (am Schluß Briefjournale), ein loses Heft anthropologische Messungen sowie drei Packete Briefschaften.
— Bei dem Königlichen Museum für Naturkunde ist dem „D. Kol.⸗Bl.“ zufolge eine von dem Botaniker E. Baumann in Misahöhe im Togogebiet zusammengebrachte Sammlung zoologischer Objekte eingegangen. Diese Sammlung enthielt 33 Felle, 13 Schädel und 10 einzelne Hörner von Säugethieren sowie 32 Vogelbälge. Der wissenschaftliche Werth dieser endung ist bedeutend, da von den Säugern und Vögeln je 6 Arten für das Togogebiet noch nicht nachgewiesen waren.
— Die Arbeiten des internationalen medizinischen Kon⸗ gresses wurden, wie dem „W. T. B.“ aus Rom berichtet wird, gestern in den Sektionssitzungen eifrig gefördert. Die behandelten The⸗ mata betrafen namentlich das Gebiet der inneren Medizin, aus welcher 82 Vorträge von Aerzten aller Länder, darunter eine große Anzahl über Tuberkulose angemeldet sind. In der Sektion für Nerven⸗ Pathologie machten Dr. Heuschen⸗Upsala und Dr. Marina⸗Triest wichtige Mittheilungen, ersterer über das Sehzentrum, letzterer über Paralyse der Augenmuskeln. An chirurgischen Thematen sind 77
emeldet; darunter befindet sich ein Vortrag von Dr. Demosthenes⸗ Bukarest über die Schußwirkungen des neuen, in Rumänien einge⸗ führten 5,5 Millimeter⸗Geschosses des Manlicher⸗Gewehrs nach Ver⸗ suchen auf dem Bukarester Schießplatz. — Am Nachmittag fand in dem Garten des Quirinals ein von Ihren Majestäten dem König und der Königin zu Ehren der Kongreß⸗Theilnehmer ge⸗ gebenes Gartenfest statt, zu welchem Einladungen an mehr als dreitausend fremde Delegirte ergangen waren. Außerdem wohnten dem Fest hervorragende italienische Aerzte, zahlreiche Offiziere, Deputirte und Senatoren, die Minister Baccelli, Blanc und Mocenni, sowie viele Damen bei. Abends war das ganze Gebiet der alten römischen Baudenkmäler feenhaft beleuchtet. Durch wechselnde Farben der Lichter und bengalische Flammen wurden glänzende Lichtwirkungen erzeugt; große Reflektoren warfen das elektrische Licht abwechselnd auf die alten Monumente bis zu dem Grabe der Cäcilia Metella und den Albanerbergen hin. Dazwischen wurde ein prachtvolles Feuerwerk abge⸗ brannt. Mehrere Kapellen konzertierten und Luftballons stiegen auf. Die Königlichen Majestäten wohnten, lebhaft begrüßt, dem Fest auf der in den Cäsarenpalästen errichteten Mitteltribüne bei, welche von anderen mit Kongreßtheilnehmern besetzten Tribünen umgeben war. Um 10 ½ Uhr erreichte das Fest sein Ende.
Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln. 8
GPWVLrl. 8 “ urch Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des
. sind die Häfen Rußlands seit dem 15. März für rein von
erklärt worden. (Vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 206 vom 28. August
Gesundheitswesen 1 “
Handel und Gewerbe.
Bei den Abrechnungsstellen der Reichsbank wurden im Monat März abgerechnet: 1 546 114 800 ℳ gegen 1 293 832 600 ℳ im Februar d. J., 1 396 613 300 ℳ im März 1893, 1 447 798 300 ℳ im März 1892 und 1 366 365 200 ℳ im März 1891.
In der Zeit vom 16. Juli bis 6. August d. J. soll in Amsterdam unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Königin⸗Wittwe, Regentin der Niederlande, eine inter⸗ nationale Ausstellung für Müllerei, Bäckerei, ins⸗ besondere Pasteten⸗ und Zuckerbäckerei, Chokoladen⸗ fabrikation und andere damit zusammenhängende Industrie⸗ zweige stattfinden. Anmeldungen sind bis spätestens den 15. d. M. an das Ausstellungsbureau im Industriepalast in Amsterdam zu richten.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in — ien. An der Ruhr sind am 2. d. M., einem katholischen Feiertage, gestellt 2488, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 31. v. M. gestellt 1747, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. 8 h“ wangs⸗Versteigerungen. 8 Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 2. April die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: 1) die ideelle Hälfte des hinter der Müllerstr. 110 a belegenen, dem Kauf⸗ mann Heinr. Homann und dem Rentier Heinr. Cosse Salo⸗ mons gehörigen, 5 ha 23 a und 67 qm großen Grundstücks; für das Meistgebot von 148 000 ℳ wurde der Kaufmann Leonhard “ zu Rixdorf, Kottbuser Damm 63/64, Ersteher. — ) Marienstr. 26, dem Maurermeister Franz Klein gehörig; für das Meistgebot von 346 500 ℳ wurde der Rentier Walter Hasse, Anhaltstr. 15, Ersteher. — 3) Theilung halber Am Königs graben 15, 15 a. und 15 b., dem Kaufmann K. W. L. Deutsch mann gehörig; Fläche 19,48 a; Nutzungswerth 13 240 ℳ; für da Meistgebot von 314 000 ℳ wurde der Banquier Robert Druhm,