haben sie einen Ausspruch gethan, den jeder verständige Mensch als berechtigt anerkennen muß, wenn sie nicht heucheln wollen. Allerdings heiligt der Zweck die Mittel. Man denke doch an die Art und Weise, wie das Deutsche Reich, wie die Emser Depesche, wie das Sozialistengesetz zu stande gekommen ist. Wie kann man noch von Jesuitenmoral sprechen, wenn man sich diese Dinge ins Gedächtniß zurückruft? Gefährlich ist im Staat bloß diejenige Richtung, welche man gewaltsam unterdrückt; allen Richtungen muß leiches Licht, gleiche Sonne gewährt werden. Die katholische Kirche at eine ganz gewaltige Lebenskraft; der Kulturkampf hat ihr nicht geschadet, sondern genützt. Die protestantische Kirche hat sich servil herabgewürdigt, sie hat lediglich bis zu den jüngsten Hospredigern herab die Geschäfte der weltlichen Gewalt geführt. Jedenfalls hat die Sozialdemokratie vor allen Jesuiten der Welt eringste Furcht, während gerade die Vertreter der evan⸗ Käirche am lautesten nach Aufrechterhaltung des Ausnahme⸗ gesetzes schreien. Nicht bloß vom prinzipiellen, sondern auch vom taktischen Standpunkte aus sind wir für die Aufhebung des Gesetzes. Ein Ende wird diesen Kämpfen erst bereitet sein, wenn man, wie unser Programm fordert, die Religion zur Privatsache macht. Abg. Freiherr von Stumm (Rp.) beschränkt sich auf die Er⸗ klärung, daß die Reichspartei auf dem Boden der in der ersten Lesung vom Abg. Merbach abgegebenen Erklärung unverändert verharre. 1 Abg. Schröder (fr. Vg.): Der Abg. Lenzmann hat keine Veranlassung gehabt, sich zu der Erklärung zu versteigen, daß von der ungeheuren Schar evangelischer Mitbürger, die das Ausweisungsgesetz beibehalten wissen wollen, nur die allerwenigsten die Statuten des Ordens kennen gelernt hätten. Wie kommt der Abg. Lenzmann dazu, eine solche Behauptung diesen Tausenden von ehrenwerthen Männern ins Gesicht zu schleudern? Schon die große Zahl evangelischer Geistlicher, welche die Petitionen unterschrieben haben, beweist, daß die Unterzeichner nicht bloß aus unwissenden und politisch ununterrichteten Leuten bestehen. Das staatliche Hoheitsrecht muß von der Kirche anerkannt werden; der Staat hat den konfessionellen Frieden als ein werthvolles Gut zu schirmen. Ob ihm das noch möglich ist, wenn das Gesetz von 1872 zurückgenommen wird, müssen wir stark bezweifeln. Wir werden des⸗ alb dem Antrag Hompesch unsere Zustimmung nicht geben. Abg. Freiherr von Manteuffel (dkons.): Seit dem 1. De⸗ zember 1893 haben sich die Verhältnisse in keiner Weise geändert und wir werden deshalb auf dem Standpunkte stehen bleiben, den wir damals eingenommen haben. . Abg. Hilpert (b. k. F.): Nur die nationalliberale Presse und artei will den Kulturkampf noch aufrecht erhalten, darum sträuben e sich mit aller Kraft gegen die Zurückberufung der Jesuiten. Ich imme als protestantischer Christ für diese Zurückberufung. Jeder eutsche Christ wird sich selbst sein Christenthum zu bewahren wissen. Wie hat man die Wemdinger Teufelaustreibung fruktifiziert! Gerade die nationalliberale Presse hat diesen Staub aufgewirbelt. Auch hat man wiederholt gewaltsame Bekehrungen zum Katholizismus verwerthen wollen. Ich glaube, solche Dinge werden nicht mehr vorkommen, wenn die Jesuiten erst wieder in Deutschland sind. 1 Abg. Dr. Haas (b. k. F.) erklärt für seine Parteigenossen gleich⸗ falls die Zustimmung zum Antrag Hompesch; die katholische Kirche könne gerade den beispiellosen Eifer, die grenzenlose Hingebung und Opferwilligkeit des Ordens der Gesellschaft Jesu nicht entbehren. Nachdem noch Abg. Dr. von Jazdzewski für die Polen dasselbe erklärt, schließt die Generaldiskussion. Der Entwurf wird in der namentlichen Gesammtabstim⸗ mung mit 168 gegen 145 Stimmen angenommen. (Schluß des Blattes.)
— Das Haus der Abgeordneten setzte in sein
heutigen 50. Sitzung, welcher der Präsident des Staats⸗ Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg, sowie die Staats⸗Minister Dr. Miquel, von Heyden und Dr. Bosse mit Kommissarien beiwohnten, die dritte Be⸗ rathung des Staatshaushaltsetats für 1894/95 fort, erledigte den Etat des Ministeriums des Innern und
begann sodann die Berathung des Etats der landwirth⸗ schaftlichen Verwaltung. Ueber den Verlauf der Sitzung werden wir in der
morgigen Nummer d. Bl. ausführlich berichten.
— Dem Reichstag ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum FReinee Heesegbe, lstrfean für das Etatsjahr 1894/95, zugegangen, wonach 10 400 ℳ an fort⸗ dauernden Ausgaben für drei neue Mitglieder des Patentamts zur Verwaltung des Waarenverzeichnisses, welche durch das noch zur Be⸗ rathung stehende Gesetz zum Schutz der Waaren ezeichnungen noth⸗ wendig werden, gefordert werden; um die gleiche Summe sollen die Matrikularbeiträge erhöht werden.
— Die Steuerkommission des Reichstags trat heute zusammen, um den Entwurf eines Tabacksteuergesetzes zu be⸗ rathen. Die Mitglieder der Kommission waren vollzählig erschienen. Die verbündeten Regierungen waren durch den Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Grafen Posadowsky, den preußischen Finanz⸗Minister Dr. Miquel, den bayerischen Gesandten Grafen Lerchenfeld, den Reichsbank⸗Präsidenten Dr. Koch und mehrere Kommissarien vertreten. Das Wort nahm zunächst Staatssekretär Graf Posadwsky, um ein Bild von der Lage der Reichsfinanzen zu geben und hieraus die Nothwendigkeit der Taback⸗ steuer zu begründen. Abg. Freiherr von Stumm beantragt, das Exposé des Staatssekretärs drucken zu lassen und die weitere Berat ung in der Kommission erst fortzusetzen, wenn das Exposé gedruckt vorliegt. Abg. Richter ist gegen diesen Vorschlag, der die Entscheidung abermals verschleppen wolle. Die Abgg. von Bennigsen und Gamp wollen mindestens die Abstimmung bis dahin ausgesetzt wissen, bis die Aus⸗ führungen des Grafen Posadowsky gedruckt vorliegen. Abg. Richter protestiert nochmals gegen diesen künstlichen Versuch zur Hin⸗ ziehung der Entscheidung“. Die Frage der Tabackfabrikatsteuer sei für Hunderttausende von solcher Wichtigkeit, daß sie so schnell wie möglich durch den Reichstag zur Ent⸗ scheidung gebracht werde. Abg. Gescher (kons.) widerspricht dem Vorredner; es sei ein Irrthum, wenn man glaube, daß mit der Ablehnnng dieser Steuervorlage die Frage erledigt sei. Es sei eine Ehrenpflicht sowohl für die Wetieringr wie für die Konservativen, dafür zu sorgen, daß aus dem Taback mehr Einnahmen gezogen werden. Abg. Singer (Soz.) stimmt den Ausführungen des Abg. Richter bei, ebenso Abg. Gröber (Zentr.), welcher bemerkt, daß in den Ausführungen des Grafen Posadowsky nichts Neues geboten werde. Staatssekretär Graf Posadowsky betont, daß es ihm völlig ferngelegen habe, eine Verschleppung herbeizuführen; er wolle nur feststellen, daß der Hauptgrund, der von den Gegnern der Taback⸗ steuer angeführt werde, daß diese durch die Finanzlage nicht unbedingt gefordert werde, hinfällig sei. Abg. von Bennigsen hält es für selbstverständlich, daß, wenn die Finanzlage es er⸗ fordere, mangels anderer Objekte der Taback .“ werde. Abg. Bassermann (nl.) ist unbedingt ür Ablehnung der Vorlage. Hier spreche nicht die schlechte Finanzlage mit, vielmehr sei das Gesetz aus prinzipiellen Gründen zu verwerfen. Abg. Fürst Radziwill (Pole) erklärt, seine Partei habe sich bei den Berathungen im Plenum nicht geäußert; es liege ihm daran, zu erklären, daß seine politischen Freunde der Besteuerung des Tabacks durchaus sympathisch gegenüberstehen. An der weiteren Geschäftsordnungsdebatte betheiligen sich noch wiederholt die Abgg. Gamp, von Stumm, Gescher, Gröber und Frese. — Schließlich wird auf Antrag des Abg. Richter zunächst in die Be⸗ rathung des § 4 der Vorlage eingetreten, welcher lautet: „Der zum Verbrauch im Zollgebiet bestimmte fabrizierte Taback unterliegt einer Steuer nach Maßgabe dieses Gesetzes. Dieselbe wird ohne Rücksicht darauf erhoben, ob zur Herstellung urrogate und Hilfsstoffe verwendet worden sind oder nicht.“ Abg. von Bennigsen kann sich nicht vorstellen, wie man, nachdem eine höhere Besteuerung des Biers abgelehnt worden, nun auch den Taback außer Acht lassen wolle. Man müsse verlangen, daß das Reich für seine Bedürfnisse selbst sorge, und da bleibe nur der Taback übrig. Wenn man die niedrige Besteuerung des Tabacks in Deutschland mit
anderen Ländern vergleiche, so sei die deutsche Besteuerung lächerlich niedrig. Der Tabackbauer würde sogar entschieden Vortheil von der Vorlage haben. Das Gesetz müsse, wenn auch in mancher Beziehung umgeändert, zu stande kommen. Mit dem Monopol würde mansa große Fnenziesle Erfolge haben, aber er glaube, für Heutschland passe es nicht. Gegen das englische System — hoher Zoll und Verbot des inländischen Tabackbaues — würden sich viele einflußreiche Bundes⸗ staaten erklären. Eine he- Schonung der unteren Voksklassen sei nicht möglich, sonst brächten die Steuern überhaupt nichts ein nur die möglichste Schonung müsse versucht werden. Ch bleibe nur die Fabrikatsteuer übrig. Diese Vorlage sei das einzige Mittel, um aus dem Taback möglichst viel heraus⸗ zuschlagen, ohne die unteren Volksklassen zu sehr zu treffen. Die Regierung habe mit dieser Vorlage im großen und ganzen einen lücklichen Griff gethan; er hoffe, daß, wenn die Mehr⸗ heit die Vorlage jetzt ablehne, die Regierung mit der⸗ selben, wenn auch mit manchen Abänderungen, in der nächsten Session wiederkommen werde. Abg. Gescher (dkons.): Bezüglich der Auffassung der finanziellen Lage seien seine politischen Freunde, und zwar einstimmig, mit dem Schatzsekretär einer Meinung; man sei auch bereit, die nöthigen Mittel zu gewähren, und zumeist davon überzeugt, daß der Taback dazu geeignet sei. Ihr wesentliches Bedenken liege nur darin, daß durch die Vorlage eine gewisse Stockung des Geschäftsverkehrs eintreten könne; allein dies lasse gewisse Modifikationen verhindern. Die Konservativen seien bereit, dabei mit⸗ zuwirken. Unter allen Umständen aber müsse an dem Taback als Einnahmequelle festgehalten werden. Er möchte den Gedanken anregen, den Inlandszoll mit 45 ℳ beizubehalten, außerdem aber für auswärtige Tabacke einen Werthzoll von etwa 45 % und für ausländische Fabrikate einen solchen von etwa 100 % zu setzen. Abg. Gamp (Rp.): Die Zahl der Tabackbauer sei bedeutend zurückgegangen, ebenso habe sich die mit Taback angebaute Fläche bedeutend vermindert. Das sei der beste Beweis, daß die jetzige Besteuerung nicht die richtige sei. Die Tabackbauern führen herbe lage über die Scherereien und Plackereien. Es liege das dringende Bedürfniß einer Aenderung des Steuermodus vor, und man müsse der Regierung beipflichten, daß die vorgeschlagene Steuer die einzig richtige sei. Er bitte, dem Gedanken einer progressiven Werthsteuer näher treten zu wollen; damit werde das wesentlichste Bedenken, daß die untersten Volksklassen zu sehr belastet würden, beseitigt. Er habe mit Fabrikanten gesprochen, die gegen eine solche Steuer, die etwa 10 bis 12 Millionen Mark einbringen würde, kein Bedenken hätten. — Wegen des Beginns der Plenarsitzung wird die Fortsetzung der Berathung auf Dienstag vertagt.
— Die Abgg. Dr. Förster⸗Neustettin (d. Rfp.), Dr. Hahn (dkons.), von Dallwitz (b. k. F.) und Graf zu Innhausen und Knyphausen (dkons.) haben im Reichstag folgende Inter⸗ pellation eingebracht: Wie gedenken die verbündeten Regierungen die durch die Zollgesetzgebung entstandenen Schädigungen der Finanzen des Reichs in einer die Landwirthschaft nicht beein⸗ trächtigenden Weise auszugleichen, und welche Mittel des Ausgleiche gedenken sie auf dem Wege der Reichsgesetzgebung anzuwenden?
Kunst und Wissenschaft. Vom 11. bis 14. April tagte in Berlin die jährliche ordent⸗
liche Plenarversammlung der Zentral⸗Direktion des
Kaiserlichen Archäologischen Instituts, zu der von
den auswärtigen Mitgliedern die Herren Geheimer Hofrath
Heoß or Overbeck aus Leipzig und Professor Michaelis aus traßburg erschienen waren. .
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Beilage.) 8
Wetterbericht vom 16. April, 8 Uhr Morgens.
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heiter bedeckt heiter heiter wolkig wolkig Dunst wolkenlos
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Cork, Queens⸗ tomn . Cherbourg. W16 vö mburg.. winemünde Neufahrwasser
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Früchte.
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V wolkig wolkig halb bed. heiter¹) heiter wolkenlos
wolkenlos Regen Regen bedeckt²) wolkig heiter heiter) halb bed. wolkenlos halb bed. Nebel halb bed.
Senator.
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¹) Nachts wenig Regen. ²) Früh wenig Regen. ³) Thau, Nachmittags Regen.
Uebersicht der Witterung.
Ein ziemlich tiefes barometrisches Minimnm, im Kanal sarke Südwinde verursachend, liegt über dem Bristokanal und scheint ostwärts fortzuschreiten; ein anderes Minimum befindet sich westlich von Irland; ein Hochdruckgebiet lagert über Ost⸗Europa. In Deutschland ist bei meist schwachen, vorwiegend süd⸗ östlichen Winden das Wetter warm, im Westen trübe und vielfach regnerisch, im Osten heiter; die Tem⸗ peratur liegt an der Küste 4 bis 6 ½, im Binnen⸗ lande 2 ½ bis 5 Grad über dem Mittelwerth. Zu Chemnitz und Grünberg fanden gestern Abend Ge⸗ witter mit Regenfall statt. Unter dem Einflusse der Depression im Westen dürfte zunächst für das west⸗ liche Deutschland Regenwetter, stellenweise auch Ge⸗ witter, zu erwarten sein.
Recht.
Sonntag:
Herr Unger. mann.
Deutsche Seewarte.
Theater⸗Anzeigen.
Königliche Schanspiele. Dienstag: Opern⸗ 96. Vorstellung. in 3 Akten von Giuseppe Verdi. Text von Arrigo Boits, deutsch von Mar Kalbeck. In esetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: kapellmeister Dr. Muck. Schauspielhaus. wirthschaftlichen Balle. Lustspiel in 1 Aufzug Emil Pohl. Ober⸗Regisseur Max Lustspiel in 3 Aufzügen, nach einem wischenspiel des Cervantes, von Emil Gött. cene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. — Militärfromm. Gustav von Moser und Tilo von Trotha. Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube.
Mittwoch: Opernhaus. häuser und der Sängerkrieg auf Wartburg. Romantische Oper in 3 Ä Ballet von Emil Graeb. Anfang 7 ½ Uhr.
Schauspielhaus. 104. Vorstellung. Neu einstudiert: Hamlet, Prinz von Dänemark. 5 Aufzügen von William Shakespeare. von August Wilhelm von Schlegel. In Seene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. 2
Deutsches Theater. Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Der Talisman. Donnerstag: Der Herr Senator. “ reitag: Zum 1. Male. Geographie und Liebe. Lustspiel in 3 Aufzügen von Björnstjerne Björnsen.
Berliner Thealer. Dienstag: Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Die Waise von Lowood. Donnerstag: Minna von Barnhelm.
Lessing-Theater. Dienstag: Niobe. Mittwoch: Niobe. Perodtftische Posse mit Gesang in 1 Akt von Ed. Donnerstag: Neu einstudiert: Ultimo. 8
Wallner-Theater.
Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theaters. n Der. Vogelhändler. 3 Aufzügen nach einer Idee des Bieville von M. West und L. Held. Musik von Carl Zeller. Regie: Dirigent: Anfang 7 ½ Uhr.
Dienstag: Zum 584. Male.
Falstaff. Lyrische Komödie maus. Genée.
Scene t Herr Kapellmeister Federmann.
Anfang 7 ½ Uhr.
103. Vorstellung. Vom Anfang 7 ½ Uhr.
land⸗ — In Seene gesetzt vom “ Grube. — Verbotene
Dienstag: Zum
burg. (Decoré).
Meilhac. Anfang 7 ½ Uhr.
In
Aufzug von
Genrebild in 1 In
97. Vorstellung. Tann⸗ burg.
Akten von Richard Wagner.
Mittwoch: Zum 1. Male.
bonheur conjug al).
Tragödie in von Albin Valabregue.
ebersetzt ang 7 ½ Uhr.
Zum 496. Male. Nur no
Dienstag: Der Herr
Kapitän Grant. “ von C. A. Raida.
Aus eiguem KColumbia, Ballet.
Charley’s Tante. Brandon Thomas. —
acobson und Benno Jacobson.
—
Gesammt⸗Gastspiel des
Operette in
Dienstag: Zum 8. Male.
Herr Kapellmeister Feder⸗Mittw
V Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25.
Komische Operette in 3 Akten nach Meilhac und Halevy, bearbeitet von Carl Haffner und Rich. Musik von Johann Strauß. Regie: Herr Epstein. (Gabriel von Eisenstein: Herr A. P Mittwoch: Der Bettelstudent. Ernst (Herr Neumann). Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ dritten Male. Schwank in 3 Akten von Henry
Mittwoch und folgende Tage: Dekorirt.
Neues Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ Dienstag: Zum 145. Male. Liebesdrama in 3 Akten von Max Halbe. gesetzt von Sigmund Lautenburg.
Schwank in 3 Akten Deutsch von Buchholz und Wolff. In Scene gesetzt von Joseph Jarno.
Viktoria-Theater. Belle⸗Alliancestraße 7/8. Dienstag: Halbe Kassenpreise (Parquet 1 ℳ u. s. w.) 12 Aufführungen. Mit vollständig neuer Ausstattung. Die Kinder des Ausstattungsstück mit großem Ballet in 12 Bildern von Jules Verne. Im 8. Bilde: Goldgräber und Zaubertanz à la Serpentine. stattungs⸗Ballet. Anfang 7 ½ Uhr.
Theater Unter den Linden. Dienstag:
Der Mikado, Operette von Sullivan. Anfang 7 ½ Uhr.
Adolph Ernst⸗Theater. Dienstag, 7 ½ Uhr: Schwank in 3 Akten von Vorher:
Musik von Franz Roth. In Scene gesetzt von Ad. Ernst. Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.
Zentral-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Der neue Kurs. osse mit Gesang in 3 Akten von Leopold Ely. usik von Julius Einödshofer. Anfang 7 ½ Uhr. d folgende Tage: Der nene Kurs
Konzerte.
Konzert-Haus. Dienstag: Karl M Konzert. Ouv. „Marco Spada“ von Auber. „Nebukadnezar“ von Verdi. Polonaise Nr. 2 E-dur von Liszt. Phantasie aus „Don Juan“ von Mozart. „Seid umschlungen Millionen“, Walzer von Strauß. Potpourri aus „Die Jagd nach dem Glück“ (neu) von Suppé. Othello⸗Phantasie für Violine von „Das Lied das meine Mutter sang“ für Piston von Ohlsen (Herr Werner).
Sing⸗Akademie. Dienstag, Abends 8 Uhr III. (letzter) Lieder⸗Abend von Lillian Henschel, unter Mitwirkung von Fräulein Helene Jordan (Mezzosopran), sowie der Herren Bakkes (Tenov) und Georg Henschel (Bariton).
Die Fleder⸗
Dirigent: Rjals Gast.
Dekorirt
ugend. Ein Birkus Renz (Karlstraße). Nur noch kurze Zet
Anfang 7 ½ Uhr. Dienstag, Abends 7 ½ Uhr: Auf auf zur fröhlichen Eheglück (Le] Jagd. Parforce⸗ u. Kaskadenritt. Ballet v. 100 Damen. Meute von 40 Hunden. Außerdem: der ostpreuß. Hengst Edinburgh neu dress. und vorgef. von Herm R. Feag Cyd und der Steiger Solon, geritten von Frau Renz⸗Stark; der kaukasische Jocken Wassiliams; die Luftgymnastiker Gebrüder Wortley; Mr. Lavater Lee ꝛc. 1 Mittwoch: Auf auf zur fröhlichen Jagd.
Musik Familien⸗Nachrichten. Das Fest der F w ch 9 1 Aus⸗ Verlobt: Frl. Else Schwartze mit Hrn. Lieul. Adolf Frhrn. von Carnap (Pankow — Ohl Verw. Fr. Sanitäts⸗Rath Dr. Bertha §. geb. Müͤller, mit Hrn. Geh. Ober⸗Postrath Sti (Berlin). 8n Geboren: Ein Sohn: Hrn. Seminar⸗O S lehrer Dr. phil. Müller (Genthin, Prov. Sachsen, — Hrn. Pastor Ueberschär (Quickendorf per Peterwitz). — Eine Tochter: Hrn. Hans lor Korn⸗Rudelsdorf (Rudelsdorf). — Hrn. Pa Johannes Rindfleisch (Hindenburg i. Pom.). san Gestorben: Hr. General⸗Licut. z. D. Tarl Gn 8 Blecken von Schmeling (Berlin). — Hrn. Am richter Marx Sohn Wilhelm (Mittelwalde).
—
Hierauf:
Die Bajazzi.
Redakteur: Dr. H. Klee, Direktor.
Berlin: —— — ““ Verlag der Expedition (Scholz).
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und 8 Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.
Acht Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
Nℳ 70 —
alle
2
Deutscher Reichstag. 82. Sitzung vom Sonnabend, 14. April, 12 Uhr.
Die Berathung des Antrags Kanitz, betreffend die fixierung von Minimalpreisen für das ausländische zetreide, wird fortgesetzt.
Ueber die Rede des Abg. Will (bkons.), der zunächst das Wort hatte, ist bereits in der Nummer vom Sonnabend be⸗ rchtet worden. Darauf erhält das Wort der
Abg. Dr. Bachem (Gentr.): Auf diese Rede zu antworten, irde mir schwer fallen, denn sie ist nur eine kurze Rekapitulation der Reden gegen die Handelsverträge. Die Ausführungen des Abg. Grafen Kanitz haben uns am Freitag auch eine Schilderung der Rothlage der Landwirthschaft gegeben. Diese Nothlage bestreitet niemand; aber nicht ein Wort dafür habe ich gehört, daß derjenige den er vorschlägt, den niemand bisher im Deutschen Reichs⸗ tag vorzuschlagen gewagt hat, überhaupt möglich ist. Es kommt jetzt aiht sowohl darauf an, nachzuweisen, daß dieser Antrag unmöglich ist ür die Dauer der Handelsverträge, sondern darauf, nach⸗ zuweisen, daß er ist oder unmöglich für
Zeit, gleichviel, ob Handelsverträge bestehen, oder Thut man den ersten Schritt auf dem Wege des Antrags hanit, dann müssen doch die Konsequenzen, die zweiten und dritten
chritte überlegt werden. Dieser Weg ist nach meiner Meinung lberhaupt unmöglich, so lange unsere Frtstlich germanische Kultur auch nur in ihren Grundlinien erhalten bleiben soll. Der Zweck des Antrags soll die Fixierung der Preise sein für das importierte Ge⸗ äide: unter einem gewissen Minimalpreise soll dieses nicht verkauft erden dürfen und das inländische Getreide soll dann zu demselben Preie verkauft werden. Würde dieses letztere Ziel auch wirklich da⸗ durch erreicht werden? Wer unsere Geschichte kennt, wird das für unmöglich erklären. 1893 war ein gutes Ernte⸗ iahr. Die billigen Preise von 1893 entstammten theils dieser guten Ernte, theils dem ausländischen Angebot zu ehr billigen Preisen. Das inländische Getreide kommt znerst auf den Markt, das ausländische wird erst in den letzten Mo⸗ maten im großen und ganzen konsumiert. Wenn 95 Prozent des Bedarfs im Inland produziert werden, dann bestimmt das Inland den Preis. ine Firierungh des Preises nach unten erfordert doch auch eine Firerung des Preises nach oben, dazu haben die Konsumenten das gute Recht mit Rücksicht auf theure Jahre; was dem einen recht ist, itt dem andern billig. Dieses zu beantragen, haben Sie aber unter⸗ lasen. Zur Zeit Joseph's in Egypten war es möglich, daß der Staat in guten Jahren Getreide aufkaufte, um in Theuerungsjahren den Preis mit den aufgespeicherten Vorräthen zu ermäßigen. Das lann man in einem abgeschlossenen Nationalstaat, nicht aber in Deutschland, das unter dem Einfluß des Weltmarktes steht. Will man trotzdem den gewollten Zweck erreichen, so muß man auch die Fixierung des Preises für das inländische Getreide for⸗ dern, und das ist nur durch die Verstaatlichung des Getreidehandels überhaupt zu erreichen. Hat der Staat aber erst den gesammten Ge⸗ treidehandel in Händen, was soll ihn denn noch abhalten, die ge⸗ sammte Produktton zu verstaatlichen? Die letzte Konsequenz ist die Verstaatlichung der gesammten Landwirthschaft; sie kann gar nicht ausbleiben., wenn dieser erste Schritt gethan ist. Der Hundert⸗ millionenfonds ist eine Einrichtung zum Kampf gegen das Polen⸗ tbum; ohne diese verwerfliche Spitze würde er für die Provinz eine Wohlthat sein, wie es der Abg. Freiherr von Hammerstein ganz allge⸗ mein anerkannt hat. Die Verstaatlichung des gesammten Grund⸗ besites ist schließlich unvermeidlich, und die Zeit des Agrarsozialiemus wäre da. Nach einer aufgestellten Berech⸗ nung müßte der Staat nach dem Antrage für 461 Millionen Getreide jährlich kaufen. Wie groß müßte also das Betrieskapital für diesen Handel sein! Welche Masse von Vorrathshäusern ünde nothwendig sein!. Die vorhandenen Vorrathshäuser müßten cerstaatlicht werden (Zwischenrufe rechts: Miethe !), ja, miethen kostet doch auch Geld. Was würde erst für ein Betriebskapital erforderlich sein, wenn auch der inländische Getreidehandel vom Staate über⸗ ommen würde! Wer soll nun diese kolofsalen Kosten tragen? Sollen diejenigen, welche den Nutzen von der Maßregel tragen, selbst se aufͤbringen? Das wäre doch das allein Richtige. Oder wollen Sie diese der Allgemeinheit aufladen? Darüber haben wir noch nichts efahren. Diese ungeheuerliche Spekulation könnte aber auch fehlschlagen, der Staat könnte große Verluste erleiden; werden diese Verluste auch den vnteressenten aufgebürdet, oder soll auch dafür der allgemeine Steuer⸗ icel auffommen? Auch darüber hören wir bis jetzt nichts. Hreduziert denn der Landwirth nicht auch anderes als Getreide? Im Westen ist die Viehproduktion vielfach wichtiger als der Getreidebau;
richt.
ees müßten also auch die Viehpreise fixiert werden, auch die Holzpreise.
Uebrigens schlummert dieser Gedanke ganz sicher im Hintergrunde des Antrags. Man will aber nur die Renten der Bettriebsleiter, nicht den Lohn der Arbeiter fixieren; letztere stehen uns aber ganz ebenso nahe vie die ländlichen Besitzer. Soll etwa der Lohn einheitlich fixiert werden? Dann würde man im Osten dieselben Löhne zahlen müssen ie im Süden und Westen, und damit würren die Herren im Osten schwerlich einverstanden sein. Dasselbe Recht wie die Land⸗ withschaft hat die Industrie; damit kommen wir zum Minimal⸗ lohn, und der einzige Unterschied ist der, daß die Sozialdemo⸗ knten mit dem Minimallohn, die Agrarier mit der Fixierung der Minimalrente anfangen wollen. Der letzte Schluß wäre der wirth⸗ scaftliche Sozialismus, nur daß die Herren von der Rechten die heute herrschenden Klassen auch zu den herrschenden in diesem wirthschaftlich Kialstischen Staat machen wollen, während die Sozialdemokraten die Arbeiter zu Herrschern machen wollen. Beide aber vernichten die Le diese von unten her, jene von oben. Die Familie kann nur teteden Boden der heutigen Bhl.geh erhalten werden. Der ein⸗ secte he Preis, welchen der Abg. Graf Kanitz herstellen will, 8* ; Widerspruch mit der Thatsache, daß die Lokopreise durgshin. eannheim mit dem Lokopreis von Königsberg⸗Danzig 1 khnittlich um 30 — 32 ℳ differieren; kann die Landwirthschaft ünd Alen mit dem Einheitspreis existieren, so würde es dem Westen 1 Hüden nicht möglich sein. Der Westen und Süden würde also Hditens egetieren verurtheilt, lediglich zum Zwecke der Erleichterung des hn Die Landwirthschaft im Westen und Süden würde die dencn tragen, um der Landwirthschaft im Osten eine Rente zu frehn 8 Der Abg. Graf Kanitz verlangt andere Vorschläge und - Je damit Fer höchst merkwürdige Ausführung, daß in den letzten 9 Inbustrin desaupt 38 für die Landwirthschaft, sondern alles für SEn ehen sei.
ichtig? Ist nicht tro
8 2f 11 ö heFbätdg vn 8 8 ieser sonderbaren eugnung sehr viel für neaes hschaft geschehen? Und gerade unsere Partei hat sich auf steueru ebiet große Verdienste erworben. Die Börse ist der Be⸗ Tea unterworfen worden; die Getreidezölle sind herabgesetzt worden, währen 1 doch immer noch eine ganz beträchtliche Höhe und ge⸗ edeutsa er Landwirthschaft auf Kosten der Konsumenten einen sehr lichen Scue der Identitätsnachweis ist im Interesse der öst⸗ erge süen wirthschaft aufgehoben worden. Ueberdies liegt die Für⸗ Reicheta die deutsche Landwirthschaft in der Hauptsache nicht im zattsondern in den Einzel⸗Landtagen. Für die landwirthschaft⸗ Spentralvereine werden Jahr für Jahr beträchtliche Summen Bantstoatsgeldern hergegeben; ritterschaftliche und landschaftliche zur Abstoßung der Schulden der Landwirthschaft sind
dNrehe 11 nzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Montag, den 16. April
mit staatlicher Hilfe und Garantie worden. Die Steurreform in Preußen kommt in erster Reihe der ländlichen Bevölkerung zu gute. Eine Reihe von Maßnahmen ist getroffen zu Gunsten der Landwirthschaft auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens. Hunderte von Millionen werden allein für unrentable Bahnen im Interesse der Landwirthschaft ausgegeben. Und da wagt man zu behaupten: Es geschieht nichts für die Land⸗ wirthschaft! Gewiß sind auch neue Lasten dazu gekommen. Das Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetz ist aber doch nur durch die Zustimmung der Konservativen zu stande gekommen. Was unsere heutige Finanzlage so schwierig gemacht hat, ist die Militärvorlage, der gerade die Rechte einhellig zugestimmt hat; sie hat der länd⸗ lichen Bevölkerung ein enormes neues Opfer an Personalleistungen auf⸗ gelegt, viel größer, als der Zollausfall von 15 ℳ Nur Svparsamkeit kann helfen; wir haben mit dieser in diesem Jahre einen guten Anfang gemacht. Fahren wir so fort, dann wird man auch der Landwirthschaft mehr als bisher entgegen⸗ kommen können. Wie gegen wirthschaftliche Träumereien von der Linken müssen wir uns jetzt auch vertheidigen gegen wirthschaft⸗ liche Träumereien der Rechten. Ein Mittel, die Getreidepreise zu fixieren, giebt es nicht. Alle solche Versuche sind bis jetzt jämmerlich gescheitert. Das Gefährliche des Antrags liegt darin, daß er un⸗ bewachten ländlichen Gemüthern durchführbar und Erfolg verheißend erscheint. Wenn wir andere Wege vorschlagen sollen, müssen wir vorher völlige Klarheit haben über die thatsächlichen Verhältnisse. Die Noth der Landwirthschaft scheint im Steigen begriffen zu sein; aber andere Angaben lassen doch darauf schließen, daß die Sache nicht so liegt. Das Buch von Rudolf Meyer über das Sinken der Grundrente führt für die Provinz Pommern den Nachweis, daß in den letzten 40 Jahren die reichen adligen Groß⸗ grundbesitzer dieser Provinz mit einer einzigen Ausnahme ihren Grund⸗ besitz ganz kolossal vergrößert haben. Wenn es der Landwirthschaft schlecht geht, würde man doch keine Güter hinzukaufen. Als Antwort auf die Ausführungen des Abg. Grafen Kanitz kann nur eine ganz umfassende Agrarstatistik gefordert werden. Mit allgemeinen Redens⸗ arten kommen wir nicht mehr weiter, wir müssen festen Boden unter den Füßen haben. Die Enquste muß aber nicht bloß über die Be⸗ sitzer, sondern auch über die ländlichen Arbeiter und über das ganze Reich sich erstrecken. „Um die Veranstaltung einer solchen Agrar⸗ statistik muß die Regierung dringend ersucht werden. Wir vom Zentrum verlangen jetzt diese Statistik, die die Rechte bisher nicht “ hat. Ergieb diese Statistik, daß die Landwirthschaft der Hilfe bedarf, so sind wir in demselben Maße zur Hilfe bereit. Aus der Welt der Phrasen müssen wir endlich auf den Boden der konkreten Thatsachen gestellt werden.
„Abg. Graf Bernst orff⸗Lauenburg (Rp.): Die Reichspartei wird gegen den Antrag stimmen. Die große Mehrheit, die gegen den Antrag stimmen wird, ist aber immerhin sehr verschiedenartig zu⸗ sammengesetzt. Die linke Seite hat den Antrag mit Gelächter auf⸗ genommen; die Landwirthschaft wird wissen, wo ihre wahren Freunde im Reichstage sitzen. Der Antrag ist eine Art Nothschrei, eine ultima ratio, auf die wir zur Zeit noch nicht eingehen können. Das Verlangen einer Statistik wird von uns unterstützt; wir brauchen diese Statistik nicht zu fürchten. Daß die Militärvorlage an dieser Sachlage schuld ist, glauben wir nicht. Wir sind stolz darauf, Mann für Maun dafür gestimmt zu haben. Eine Nothlage ist vorhanden, das ist unleugbar, und alle Ausnahmen würden dagegen nichts beweisen. 5 noch Güter in großem Maßstabe gekauft werden, kommt daher, daß es eben immer noch Leute giebt, die anderweitig Geld haben. Wir meinen, es muß zunächst beantwortet werden, wie die Aufhebung des Identitätsnach⸗ weises wirken wird, wie auf dem Gebiete der Währungsfrage der Landwirthschaft geholfen werden kann, wie die Reform der Produkten⸗ börse eine Erleichterung schaffen kann. Der sozialistische Zug des An⸗ trags erscheint uns denn doch noch zu bedenklich; allerdings werden wir auch vor extremen Mitteln nicht zurückschrecken, wenn es nicht anders geht, der Noth der Landwirthschaft abzuhelfen.
„Abg. Dr. von Bennigsen (nl.): Meine sämmtlichen Freunde, einschließlich derjenigen, welche dem Bunde der Landwirthe angehören, halten den Antrag für das Gemeinwohl verderblich und dem Interesse der Landwirthschaft gefährlich und werden gegen denselben stimmen. Bei der ersten Nachricht von der Absicht der Einbringung dieses An⸗ trags meinten Spötter, es handele sich bloß um einen schlechten Scherz; leider haben wir uns nur zu bald vom Gegentheil überzeugen müssen. Der Abg. Graf Kanitz, der doch ein durchaus ernsthaft zu nehmender Abgeordneter ist, hat uns bestimmt versichert, der Antrag sei leicht durchzusetzen, er sei das einzige wirk⸗ same Mittel gegen die Nothlage der aft; der Antrag sei noch nicht in seiner Tragweite erkannt, bei näherer Ueber⸗ legung werde man sich von der Vortrefflichkeit des Antrages auf allen Seiten überzeugen. Und in den wenigen konservativen Blättern, die überhaupt den Antrag vertreten haben, heißt es, dieser Antrag habe, wie alles Bedeutende, Fruchtbare und Neue zunächst zu kämpfen mit der Einfalt, Thorheit der Menschen und mit dem Mangel an Muth und Entschlossenheit. Der Bund der Landwirthe würde den Muth nicht verlieren. Wenn sich aber bereits herausgestellt hat, daß die Konservativen mit ihrem Antrage völlig isoliert dastehen, so kann doch diese Thatsache den Muth und das Vertrauen der Landwirthe nicht bestärken, sondern es muß das Gegentheil eintreten. Der Verdacht, daß dieser Antrag bloß ein Mittel sein sollte, die Agitation des Bundes der Landwirthe nach der Nieder⸗ lage mit dem Baischen Handelsvertrage bis zum nächsten Reichstage wachzuhalten, will ich nicht persönlich aussprechen, aber daß er wieder⸗ holt sehr stark hervorgetreten ist, finde ich nicht verwunderlich. Gewiß hat die Landwirthschaft infolge der veränderten Transportverhält⸗ nisse, der Konkurrenz des Auslandes und vieler neuer Lasten mit un⸗ gemein großen Schwierigkeiren zu kämpfen. Aber dieser Antrag ist am allerletzten geeignet, eine Abhilfe zu schaffen. Wohin sollen über⸗ haupt solche Uebertreibungen führen, daß in ganzen Landestheilen Deutschlands, speziell im fernen Osten die Landwirthschaft im wesent⸗ lichen schon heut ruiniert sei, daß sie mit Reinerträgen überhaupt nicht mehr rechnen? Das Erste ist doch, daß kein Mensch sich nach dem Osten begiebt, um da zu kaufen, zu pachten oder sein Geld in den dortigen Kredit zu stecken. Die bo wäre also ein Rückgang
ins Leben gerufen
des Preises von Grund und Boden, der Pachtrente und des Kredits, der doch am allernothwendigsten ist. er Abg. Graf Kanitz sest Minimalpreise von 165 ℳ für Roggen, von 215 ℳ für Weizen fest. Der Getreidepreis ist allerdings seit 1880 gefallen; aber das Steigen der Preise der Produkte der Viehzucht läßt der Abg. Graf Kanitz ganz außer Betracht. (Zurufe rechts: Wolle!) Die Wollproduktion wird augenblicklich als Nebensache betrachtet, die Fleisch⸗ produktion ist bei der Schafzucht das Wesentliche und, falls die Futterpreise nicht zu ho sind, ein noch immer durchaus vortheilhafter Theil des landwirthschaftlichen Betriebs. Aber davon abgesehen, sind die Produkte unserer Viehzucht, der Eier, Butter, des Fleisches, nach 1850 gestiegen; es hat also eine gewisse Aus leichung. stattgefunden. Außerdem ist nicht zu übersehen, daß durch die Vervollkommnung der Technik, durch Drainage, bessere Fruchtfolge, künstliche Düngemittel, bessere Instrumente ꝛc. vom fleißigen, intelligenten und fachkundt en Landwirth der Käeta des Bodens seit 1850 bis auf das Poppelle Uffteigert worden ist. Aller⸗ dings ist nicht überall so rationell und intelligent gewirthschaftet worden, auch sind, was das bedenklichste ist, namentlich im Osten nicht immer
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die erforderlichen Betriebsmittel vorhanden F. solche rationelle Wirth⸗ schaft, und da muß man sich schon entschließen, den Betrieb entweder einzuschränken oder ihn aufzugeben; aber da, wo die Landwirthschaft mit der nöthigen Erfahrung und den nöthigen Betriebsmitteln be⸗ trieben wird, ist im großen und ganzen, wenn auch sehr schwer, immer noch einigermaßen auszukommen. Gewiß ist es der Landwirthschaft chwer, so niedrige Preise auf die Dauer auszuhalten, aber diese niedrigen Preise werden sich doch nicht auf die Dauer halten. Der
Niedergang des Preises trifft zusammen mit ungewöhnlich günstigen Ernten nicht allein in Deutschland, sondern in fast allen Getreide produzierenden Ländern. Wie aber denken sich die Herren die Aus⸗ führung ihres Antrags? Wie soll auch bei den besten Monopol⸗ betrieben dieser gleichmäßige Verkaufspreis in ganz Deutsch⸗ land hergestellt werden? Ich muß sagen: Der Antrag Kanitz schmeckt doch in hohem Grade nach dem sozialdemokratischen Zukunfts⸗ staat, weni er wegen des Monopolgedankens, als wegen der Forderung des festen Minimalpreises für ein Hauptnahrungsmittel des Volts. So lange das Deutsche Reich steht, hat noch kein Vorgang so viel Wasser auf die Mühlen der Sozialdemokraten liefern können als dieser Antrag. Vom Zukunftsstaat ist ja bei den Herren jetzt weniger die Rede, es scheint, als ob sie sich jetzt mehr und mehr zu einer radikalen Arbeiterpartei auswachsen wie in England; um so größer muß ihre Freude sein, wenn ihnen plötzlich von konservativer Seite so un⸗ erwarteter Sukkurs kommt. Was durch den Antrag den steuerzahlenden Konsumenten auferlegt wird, nöchte vielleicht 600 Millionen betragen, wovon Füeglus nur ½, die Produzenten „ er⸗ hielten! Wenn man derartige Zahlen sich etwas näher ansieht, wird man wohl zur Kenntniß der Bedeutung des Antrags nach der der Meinung des Antragstellers entgegengesetzten Richtung gelangen. Der Antrag Jaurès in der fagacheen ammer wollte etwas ganz Anderes: er erstrebte hauptsächlich den Minimallohn für die Arbeiter. Wie soll es aber möglich sein, den Minimalpreis des Getreides nicht für ein Jahr, sondern für alle Zukunft festzustellen? Nehmen wir ein⸗ mal den Fall an, daß fast in ganz Deutschland eine ganz außerordentlich reiche Ernte ist und im Ausland im großen und ganzen eine Miß⸗ ernte, sodaß der Londoner Preis seh hoch steht — warum sollte in solchen Jahren, wo die Landwirthe mit sehr hohen Ein⸗ nahmen zu rechnen haben, immer derselbe hohe Preis gelten? Und ferner: hat denn die Landwirthschaft allein einen Anspruch auf ge⸗ nügende Reinerträge aus ihrem Betriebe? Denselben Anspruch wie die Landwirthschaft können doch auch Industrie, Handel, Handwerker, Arbeiter erheben! Stellt man eine solche Forderung an den Staat, dann kann sie nur ganz allgemein für alle Produzenten und Konsu⸗ menten gestellt werden. Ist die Existenz des einzelnen Arbeiters nicht viel gefährdeter als die des Landwirths? würden die Arbeiter dann mit Recht fragen. Was würden Sie (rechts) dazu sagen, wenn die Vertreter der Arbeiter in Zeiten wirthschaftlicher Krisen, wo zahlreiche Arbeiter entlassen oder in ihrem Lohn verkürzt werden, eine Garantie für einen bestimmten täglichen Lohn vom Staat forderten? Und haben sich die Herren die Wirkung ihres An⸗ trags auf ihre ländlichen Arbeiter im Osten überlegt? Wie sollen denn die ländlichen Arbeiter des Ostens noch ferner mit ihrem Loose zufrieden sein, wenn ihnen dieser Antrag bekannt wird? Sie würden doch sofort einen Einheitslohn für ganz Deutsch⸗ land, und zwar in der Höhe, wie er im Westen, in den Industriezentren gezahlt wird, verlangen. Wie weit aber solche gehen könnten, zeigt die Bewegung in Amerika und England, wo man die Aufhebung des Privateigenthums fordert. Mit bloßen Resolutionen würde man sich am Ende nicht begnügen, und die Bewegung würde vom Staat und der bürger⸗ lichen Gesellschaft unter Aufbietung der ganzen Polizei⸗ und Militär⸗ macht gewaltsam niedergeschlagen werden müssen. Die Folge eines solchen Vorgehens würde nur die Steigerung der Begehrlichkeit zu⸗ nächst in den landwirthschaftlichen Kreisen, dann in allen anderen sich berechtigt glaubenden Erwerbskreisen sein. Bis zu dieser Höhe der Gemeingefährlichkeit hat noch keine der ““ des Bundes der Landwirthe herangereicht. Das ist itgliedern dieses Hauses, die bisher für konservativ galten, vorbehalten geblieben. Es ist die höchste Zeit, daß diese Art der Agitation für die schwer bedrängte Landwirthschaft zurückgedämmt und in besonnenere Bahnen geleitet wird. Im Interesse aller konser⸗ vativen Anschauungen muß dieser Handvoll von endlich das Heft aus den Händen genommen werden. zuhig und unbefangen müssen die Verhältnisse und die möglichen Mittel zur Abhilfe geprüft werden. Dazu brauchen wir lange Zeit, den guten Willen, das Wohl⸗ wollen und die ernste Mitarbeit der Vertreter aller anderen Berufe. Setzen Sie sich nicht selbst durch solches Vorgehen aufs Spiel! Die Niederlage in der Isolierung wird eine sehr charakteristische sein; möchte doch diese Niederlage der Ausgangspunkt der Umkehr von einer wüsten Agitation draußen und verkehrter Bestrebungen hier drinnen sein!
Abg. von der Gröben (dkons.): Der Abg. Dr. von Bennigsen wirft uns Uebertreibung vor und hat auch — die Folge dieser Uebertreibung ausgemalt. Das ist nicht sehr schön von ihm gewesen und könnte sogar etwas nach Denunziation schmecken. Was kon erverid ist, das zu beurtheilen können Sie uns ruhig überlassen. Der Abg. Dr. von Bennigsen versteht eben nicht genug vom landwirthschaft⸗ lichen Gewerbe, um uns in dieser e meistern zu können. Weshalb Pnfolge unseres Antrages sofort ein Minimallohn 8 alle Arbeiter festgesetzt werden muß, verstehe ich nicht; höchstens könnten doch die landwirthschaftlichen Arbeiter in Betracht kommen. Der Abg. Dr. Bachem hat seine direkte Feindschaft gegen die Landwirth⸗ schaft sehr geschickt zu verdecken gewußt; er versuchte mit dem Auf⸗ hören der christlichen Kultur und mit der Zerstörung der Familie zu chrecken. Damit hat er einfach gegen Windmühlen gekämpft. Der
bg. Dr. Barth erklärt den Antrag für ein Denkmal agrarischer Begehrlichkeit. Wenn das im „Vorwärts' steht, so ist es ganz in der Ordnung; da ist ausdrücklich von den das Volk aushungernden Agrariern heut die Rede. ie Agrarier als solche zu bezeichnen, die das Volk aushungern, das beweist einen Mangel an Verständniß, so phänomenal, daß er festgenagelt werden muß. In seinen weiteren Ausführungen sucht der Redner zu beweisen, daß die von den Kon⸗ servativen bei der Berathung des russischen Handelsvertrags voraus⸗ gesagte Ueberschwemmung mit Millionen Zentnern russischen Getreides inzwischen eingetreten ist, und zitiert zum Beweise dafür lange Ab⸗ schnitte aus einer Nummer der „Heiligenbeiler Zeitung“.
Abg. Richter (fr. Volksp.): Der Abg. Dr. von Bennigsen hat den Antrag gegeißelt, wie er gegeißelt zu werden verdient, und es war nichts „Empörendes“ an seiner Rede. Wenn der Abg. Dr. von Bennigsen, der eben noch die Verdienste des konservativen Adels so hoch gepriesen hat, sich jetzt dazu gedrungen fühlte, so können Sie daran erkennen, wie sehr es mit Ihnen bergab geht. Der sittliche Ernst der Rede des Abg. von Bennigsen kontrastierte wohlthuend mit der grenzenlosen Oberflächlichkeit des Vorredners. Der Beifall, der sonst konservativen Rednern zu theil wird, ist bei dem Vorredner nicht zu vernehmen gewesen; und das ist der zweitgrößte Vert eidiger dieses Antrags. Fch wünschte, daß „konservativ’ identisch ist mit diesem Antrag; dann ist der Konservativismus gerichtet! Wir werden ja bei der namentlichen Abstimmung sehen, wie viel mehr als die 26 Unterzeichner des Antrags sich zu ihm bekennen. Nach der Agitation gegen den russischen delsvertrag ist in de Reihen des Bundes der Landwirthe eisige Kälte eingetreten daher brauchten Sie einen neuen Sensationsstoff, und den ha
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