1894 / 91 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 18 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Demnächst wurde der Vorstand des Landtags durch uruf gewählt. Der zum Vorsitzenden gewählte Justiz⸗Rath ilf theilte darauf die Eingänge für den Kommunal⸗Landtag

mit und beraumte die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 18. d. M., Vormittags 11 Uhr, mit folgender Tagesordnung Ban: 1) Wahlprüfung. 2) Wahl der Kommissionen. 3) Zu⸗ theilung der Eingänge an die Kommissionen.

Bayern.

Die Kammer der Abgeordneten begann gestern die Generaldebatte über den CCe Der Referent Dr. Orterer streifte dabei den Fall des Freiherrn von Thüngen (Beleidigung des Reichskanzlers) und sprach die Hoffnung aus, daß das Verfahren mit der letzten Aufhebung des Termins überhaupt sein Ende erreicht habe. Der Justiz⸗ Minister Freiherr von Leonrod theilte mit, er habe sich privatim über den Fall Thüngen erkundigt. Nach An⸗ gaben des Freiherrn von Thüngen habe dieser den Redakteur Memminger beauftragt, seine Erklärung in der „Landeszeitung“ abzudrucken und dann nach Berlin an die „Kreuzzeitung“ zu senden. Memminger habe sie ohne von Thüngen’s Vorwissen auch an „Das Volk“ geschickt, und wegen dieser Veröffentlichung sei die Anklage erhoben worden. Das Vorgehen gegen die „Landeszeitung“ beruhe anscheinend darauf, daß das Blatt auch dort Postabonnenten habe. Die Sache könnten nur die Gerichte entscheiden. Der Abg. Gei ger (Zentr.) gab zu, daß ein Eingriff in die Entscheidung des Gerichts nicht möglich sei, aber die Gerichte sollten sich nicht in Wider⸗ spruch setzen. Das Rechtsbewußtsein des Volks, die Begeiste⸗ rung für ein allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch habe sich abgekühlt, je mehr sich herausstelle, daß es kaum möglich sei, ohne schwere Verletzung der Stammeseigenthüm⸗ keiten, des Rechts und der Rechtsanschauungen verschiedene Länder unter einen Hut zu bringen. Redner bat die bayerische Justizverwaltung, rechtzeitig dafür zu sorgen, daß möglichst viel der 1“ vorbehalten bleibe, insbesondere die Familien⸗ und Erbrechte, ohne daß dadurch der Einheitszweck im großen und ganzen leide; er wünschte ins⸗ besondere auch eine verständlichere Sprache in dem neuen Gesetzbuch. Betreffs der Novelle zum Gerichtsverfassungsgesetz und der Strafprozeßordnung ersuchte er die Regierung, schon jetzt im Bundesrath gegen die Besetzung der Kammern und Senate durch die Justizverwaltung, statt, wie bisher, durch das Gerichts⸗ direktorium zu stimmen, weil das ein Eingriff in die Selbständigkeit der Gerichtesein würde. Er beklagte ferner das Unwesen der Ver⸗ tagungen, woran meistens die Rechtsanwalte schuld seien. Der Abg. Ratzinger wünschte eine Statistik der Hypotheken⸗ schulden, tadelte die Zuwendung von amtlichen Anzeigen an farblose General⸗Anzeiger und bedauerte, daß gegen den Wucher nicht strenger vorgegangen werde, und daß von den „Millionen⸗ dieben“, die in den letzten Jahren auch in München durch schwindelhafte Gründungen Leute geschädigt hätten, keiner belangt werde. Das Urtheil des Ober⸗Landesgerichts München, das Kolporteure für strafbare Artikel in den von ihnen feilgebotenen Zeitungen verantwortlich mache, nannte der Redner ungeheuerlich. Betreffks des Falls Thüngen bestritt er, daß Memminger ein Exemplar an „Das Volk“ gesandt habe. Sollten das. Berliner Gericht und das Reichs⸗

ericht für die fraglichen Preßvergehen sich zuständig erklären,

o müßte die bayerische Regierung im Bundesrath eine Aus⸗ legung der Gesetzesbestimmung verlangen, die für Bayern die Behandlung der Preßvergehen durch die Schwurgerichte sichere. Aehnlich äußerte sich der Abg. Grillen⸗ berger, der weiterhin die Verwendung unerfahrener Rechtspraktikanten in den Schwurgerichtsvertheidigungen und die Behandlung politischer Gefangenen besprach und auch die Beseitigung des Anwaltszwanges und gesonderte Haft für Sonntagsschüler u. s. w., die nur wegen Besuchs des Tanzes u. s. w. einige Tage Haft zu verbüßen hätten, forderte. Der Justiz⸗Minister Freiherr von Leonrod erklärte gegenüber dem Abg. Geiger, wegen Besetzung der Straf⸗ kammern durch die Justizverwaltung statt wie bisher durch die Gerichte selbst habe die bayerische Regierung bereits ihre Be⸗ Bedenken im Bundesrath geltend gemacht.

Der Ausschuß für wirthschaftliche Reformen hat mit 21 gegen 4 Stimmen die Anträge des Abg. Baumann, die direkten Staatssteuern baldmöglichst durch eine pro⸗ gressive Einkommensteuer mit einer Skala bis zu 4 Proz. zu ersetzen, angenommen. 8

Sachsen. 8 Wie das „Dr. J.“ aus zuverlässiger Quelle erfährt, wird Seine Majestät der Kaiser zum bevorstehenden Geburts⸗ tag Seiner Majestät des Königs zur persönlichen Beglück⸗ - in Dresden eintreffen und einige Stunden daselbst verweilen.

Sachsen⸗Altenburg. 8

Im Befinden Seiner Durchlaucht des Prinzen Ernst hat, dem „Chemn. Tgbl.“ zufolge, neuerdings besonders die Geh⸗ fähigkeit rasche Fortschritte gemacht; der hohe Patient geht jetzt bereits mit öfteren sn ecice angen an zwei Stöcken umher. Da zudem während der letzten Tage durch Aufenthalt im Garten und regelmäßige Spazierfahrten ausgiebiger Genuß der frischen Luft möglich war, dürfte sich Seine Durchlaucht bald 8 weit erholt haben, um zu einer Badekur die Reise nach Wiesbaden antreten zu können. .

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Seine Königliche Hoheit der Prinz von

1 8

2 Wales ist gestern Abend nach 8 Uhr in Coburg eingetroffen. Um 9 Uhr

fand bei Ihrer Majestät der Königin von Groß⸗ britannien und Irland das Familiendiner statt.

Der Landtag hat in seiner gestrigen Sitzung nachstehende Adresse an Seine Königliche Hoheit den Herzog angenommen:

Eurer Königlichen Hoheit entbietet der gemeinschaftliche Landtag mit dem Ausdruck des Dankes für den ihm bereiteten huldvollen ing die Versicherung seiner unwandelbaren Treue und Er⸗ gebenheit.

Unfern der letzten Fec weiland Seiner Hoheit des Herzogs Ernst II., des Erlauchten Oheims und Vorgängers Eurer Königlichen Hoheit an der Regierung, vereinigen wir uns noch einmal int dem Gedächtniß der reichen Segnungen, die Sein umfassender Geist auf den mannigfaltigsten Gebieten des öffentlichen Lebens verbreitet hat.

Fest vertrauen wir, daß Eure Königliche Hoheit die Regierung in ererbter Gerechtigkeit und Milde führen, die Freiheit des Landes schützen, geistige Bestrebungen rege fördern und die wirthschaftliche Wohlfahrt aller Berufsstände gleichmäßig in Höchstihre Obhut nehmen werden. Die freudigste Zustimmung und Mitarbeit des Landtags wie der Bevölkerung wird Eure Königlichen Hoheit bei solchem Werke jederzeit zur Seite sh ben

In Uebereinstimmung mit Eurer Königlichen Hoheit erwarten wir, daß durch die erfolgte Verstärkung der Wehrkraft des Reichs

der Gemeinschaft der Herzogthümer eine Erhöhung des Aufwandes nicht erwachsen, daß vielmehr das Reich auch das esteigerte Be⸗ dürfniß aus den ihm zustehenden Einnahmequellen selbständig be⸗ friedigen werde.

Unter dem Druck widriger Verhältnisse, deren Beseitigung nicht in unserer Macht steht, fehen wir die Landwirthschaft, einen der wichtigsten Erwerbszweige des Landes, mit schwerer Bedrängniß kämpfen. Eure Königliche Hoheit sind der Unterstützung der Sonder⸗ landtage für alle Maßnahmen sicher, die sich im Rahmen des Gesammtwohles zur Milderung des Nothstands und zur wirksamen Hilfe außerordentlichen Einzelbedürfnisses darbieten.

Eure Königliche Hoheit sind entschlossen, die auf die engere Ver⸗ bindung beider Landestheile, die Ausdehnung des Kreises der gemein⸗ schaftlichen Angelegenheiten und die Vereinfachung der Verwaltung gerichteten Bestrebungen Höchstihres Vorgängers an der Regierung aufzunehmen und fortzusetzen.

Sollten in dieser Absicht Vorlagen an uns ergehen, so werden sie zeigen, auf welchen Gebieten der Staatsverwaltung nach der Auf⸗ fassung der hohen Regierung die auf Gesetz und geschichtlichem Her⸗ kommen beruhende, zum theil auch auf wirthschaftlicher Eigenart be⸗ gründete Selbständigkeit der Herzogthümer einer Beschränkung fähig ist, die den ö beider Landestheile entspricht oder wo sie von den Einrichtungen des Reichs gebieterisch erfordert wird. Unter diesen Gesichtspunkten gedenken wir die Vorlagen, wenn sie kommen, einer sorgsamen Prüfung zu unterziehen und hierbei, wie in allen unseren Entschließungen, nach den Voraussetzungen Eurer König⸗ lichen Hoheit jener patriotischen Gesinnung zu folgen, die das allge⸗ meine Wohl, und zumal das Interesse des Reichs, dem Sonder⸗

vortheil, wo er jenem widerspricht, überall voranstell

Hamburg. 1

Die „Hamburger Nachrichten“ veröffentlichen ein gemein⸗ schaftliches Schreiben des Fürsten und der Fürstin Bismarck, worin allen Landsleuten und Freunden im Reich und im Auslande für den Ausdruck ihres wohlwollenden Ge⸗ denkens an den Geburtstagen des Fürstlichen Paares der wärmste Dank ausgesprochen wird. Wie die „Hamburger Nachrichten“ ferner mittheilen, beträgt die Gesammtzahl der diesmaligen Glückwünsche zum Geburtstag des Fürsten Bismarck über 11 000. ““

Oesterreich⸗Ungarn. t 8 u.“

““

In dem Ausschuß des Abgeordnetenhauses zur Vorberathung der Vorlage über die Wahlreform erklärte nach einer Meldung des „W. T. B.“ der Minister des Innern Marquis Bacquehem unter Hinweis auf die Erklärungen des Finanz⸗Ministers bei der Generaldebatte über das Budget, die Regierung wolle, bevor sie auf Erledi⸗ gung der Wahlreform dringe, ein Einvernehmen der koalierten Parteien herbeiführen. Ein daraufhin öö Ver⸗ tagungsantrag des Abg. Jedrzejowiz wurde, obwohl er von den Jungezechen bekämpft wurde, nach Unterstützung durch die Abgg. Graf Hohenwart, Hallwich und Rutowski mit der Majorität aller den Koalitionsparteien angehörigen Mitglieder des Ausschusses angenommen.

Die liberale Partei des Abgeordnetenhauses hat ein⸗ stimmig den Gesetzentwurf über die Inartikulierung der Handelsverträge mit Spanien und Rumänien an⸗ genommen.

Das ungarische Unterhaus hat gestern den in der vorhergehenden Sitzung in der Schwebe gelassenen Abschnitt der Ehegesetzvorlage über die 1“ ange⸗ nommen, ebenso unter begeisterten Eljenrufen den Rest der Vorlage. Heute findet die dritte Lesung der Vorlage statt.

Großbritannien und Irland.

Das Oberhaus hat gestern, wie „W. T. B.“ mittheilt, die Beringsmeer⸗-⸗Bill in dritter Lesung angenommen.

Im Unterhause erklärte der Parlaments⸗Sekretär Sir E. Grey, der Bericht Macdonald's über die Gründe der Feindseligkeiten in Uganda im Januar 1892 sei eingelaufen, sei jedoch weder hinsichtlich der Thatsachen, noch hinsichtlich der Grundsätze als abgeschlossen anzusehen. Die Regierung könne den Bericht noch nicht vorlegen. Die Bill, wodurch die parlamentarische Vertretung der Universitäten abge⸗ schafft wird, wurde in erster Lesung angenommen. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde die erste Lesung einer Bill zur Aufhebung der Befugniß des Oberhauses, sein Veto gegen vom Unterhause angenommene Gesetze abzugeben, angenommen. Mit 252 gegen 219 Stimmen verwarf das Haus sodann ein Amendement Balfour zu dem Regierungsantrage wegen Er⸗ nennung eines großen Ausschusses für schottische An⸗ gelegenheiten. Hierauf wurde die Debatte vertagt. Der Kanzler der Schatzkammer Sir W. Harcourt erklärte, die Debatte werde am Freitag fortgesetzt und dafür die Debatte über Uganda an diesem Tage abgesetzt werden.

Italien.

In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer protestierte der Abg. Imbriani bei der Verlesung des Pro⸗ tokolls der vorgestrigen Sitzung gegen einige Aeußerungen des Minister⸗Präsidenten Crispi, die nach des Redners Ansicht eine Drohung enthielten. Der Minister⸗Präsident habe gesagt, er wolle, wenn die Kammer nicht Folge leiste, andere Mittel suchen. Dies bedeute, daß er das Dekret über die Kammerauflösung in der Tasche habe. (Ruf Crispi's: „Ich habe es noch nicht.“ Heiter⸗ keit.) Der Minister⸗Präsident Crispi gab alsdann zu, daß er vorgestern, dem Tone der Debatte entsprechend, etwas heftig gewesen sei, und entschuldigte sich deshalb. Er habe die größte Achtung vor der nationalen Vertretung; er sei alter Parlamentarier und bewege sich auf dem Pfade der In⸗ stitutionen, ohne die Italien nicht leben könne. Er sei kein Freund königlicher Steuerdekrete; niemals könnten von den Ministerbänken aus gegen die Prärogative des Parlaments gerichtete Akte erfolgen. Er hoffe, selbst Imbriani werde finden, daß seine Erklärungen sich stets in den Grenzen der konstitutionellen Gebräuche hielten. Imbriani drückte seine Freude über die freimüthigen Erklärungen des Minister⸗ Präsidenten aus; er könne aber nicht zugeben, daß die Er⸗ sparnisse am Militär⸗Etat als Verirrungen angesehen würden. Der Zwischenfall war hiermit erledigt.

Spanien.

Der gestern gemeldete Zwischenfall zwischen dem Minister

des Auswärtigen Moret und dem Marquis Mochales ist

nach einer Meldung des „W. T. B.“ durch die Intervention des Senats⸗Präsidenten erledigt worden.

Sechstausend weitere Pilger haben sich in Begleitung

mehrerer Bischöfe gestern in Barcelona nach Rom einge⸗

schifft. Die Ruhe wurde nicht gestört. .

Rumänien.

Aus Bukarest wird der „Kölnischen seitng⸗ gemeldet daß das Finanzjahr 1893/94 einen Kasse erschuß in Höhe von 8 000 000 Lei ergeben habe. b

Serbien. b

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Belgrad, verlaute daselbst, daß an Stelle von Pasic Alimpig Vasilievic, der bereits früher diesen Posten bekleidet habe zum Gesandten in St. Petersburg ernannt werden solle⸗ Der serbische Gesandte in Bukarest Djiorgjevic ist krankheits⸗ halber zur Disposition gestellt worden.

Bulgarien.

8 Meldungen der „Politischen Correspondenz“ aus Sofia bezeichnen die Gerüchte von Zwistigkeiten innerhalb des Kabinets, sowie die Absicht Stambulow's, zu de⸗ missionieren, als tendenziöse Ausstreuungen der Opposition⸗ speziell seien die Erzählungen von einer durch ein Familien⸗ drama veranlaßten Herausforderung eines Ministers an zwei unter denen sich Stambulow befinde, ein Phantasie⸗ ebilde. b Wie die „Swoboda“ meldet, wären in den letzten Wochen neuerdings zwei bulgarische Schulen in den macedonischen Ortschaften Vostarani und Zarevo unter verschiedenen Vorwänden geschlossen worden. In Ueskueb mache sich eine gewisse Bewegung bemerkbar, die bezwecke, die bulgarischen Schüler der höheren bulgarischen Schulen zum Austritt aus denselben und zum Eintritt in das serbische Gymnasium in Prizrend zu bewegen.

Amerika.

Die brasilianische Gesandtschaft in Montevideo hat dem „W. T. B.“ zufolge bekannt gemacht, daß die Truppen der brasilianischen Regierung Santa Catarina besetzt hätten und daß das Insurgentenschiff „Aquidaban“ durch ein Torpedoboot der Regierung zum Sinken gebracht worden sei. Der „Times“ wird aus Montevideo von gestern gemeldet, der Admiral de Mello habe sich am Tage vorher mit dem Reste seines Geschwaders und 1200 Mann den argentinischen Behörden unter der Bedingung ergeben, als politische Flüchtlinge behandelt zu werden.

Asien. 1

Wie die St. Petersburger Blätter melden, hätte der Schah von Persien infolge der Krankheit des Thronfolgers auf die beabsichtigte Reise nach Europa verzichtett.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Beilage.

Der heutigen 85. Sitzung des Reichstags wohnten die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Marschall und Nieberding bei. 1

Auf der Tagesordnung stehen zunächst Wahlprüfungen. Die Wahl des Abg. von Holl euffer⸗Löwenberg (dkons.D) ist von der Wahlprüfungskommission für gültig erklärt worden.

Abg. Rickert (frs. Vg.) kann nicht begreifen, weshalb die Kom⸗ mission in diesem Fall nicht Erhebungen über einige Protestbehaup⸗ tungen beantragt hat, die, wenn als richtig erwiesen, zu einer Rüge der betheiligten Beamten führen müßten. Auch in anderen Fällen, wo die Gültigkeit der Wahl nicht zweifelhaft sei, hätte die Kom⸗ mission das von ihm für das einzig richtig gehaltene Verfahren beob⸗ achtet. Redner beantragt eine entsprechende Erweiterung des Kom⸗ missionsantrags.

Abg. Dr. von Buchka (dkons.): In diesem Fall erübrigt die Veranstaltung solcher Erhebungen durchaus. Wohin sollen wir kommen, wenn auf jede derartige Protestbehauptung eingegangen werden müßte! 8

Abg. Rickert (frs. Vg.) will sich sein Recht, Anträge zu stellen, durch den Vorredner nicht verschränken lassen. Der Reichstag sei der Hüter der Gesetzmäßigkeit bei der Vornahme der Reichstagswahlen; diesem Standpunkt solle sein Antrag zu seinem Recht verhelfen.

Abg. Gamp (Rp.) vertheidigt dagegen den Beschluß der Kom⸗

mission, welchen auch der Referent Abg. Lenzman n (fr. Volksp.) in

längerer Ausführung vertritt. (Schluß des Blattes.)

Auf der Tagesordnung der heutigen 52. Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch mit Kommissarien beiwohnte, stand die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufsuchung und Ge⸗ winnung der Kali⸗ und Magnesiasalze.

Die Berathung begann bei dem Artikel III, welcher das

Prinzip des Gesetzes enthält: „Die Aufsuchung und Gewinnung der Kali⸗ und Magnesia⸗ salze steht fortan ausschließlich dem Staat zu.“

Abg. von Bockelberg (kons.) erklärt, er sei kein Gegner der Vorlage, aber über den Inhalt nach den Aenderungen, welche die Kommission vorgenommen, etwas zweifelhaft geworden. Es handelt sich hier, führt Redner aus, um die Aufrechthaltung eines Syndikats⸗ Syndikate haben aber das Bestreben, ihre Preise nicht nach unten hin, sondern mehr nach oben hin festzuhalten, und da erscheint doch die Stellung des Fiskus im Syndikat nicht stark genug, um auf die Niedrighaltung der Preise zu wirken. Das Syndikat hat ja auch bisher für die Betheiligten recht respektable Gewinne erzielt. Wenn es sich darum handelt, der Landwirthschaft etwas zu gute zu thun, so hätte doch der Fiskus schon bis ich auf eine Ermäßigung der Kalipreise hinwirken müssen. Eine Macht⸗ erweiterung des Fiskus würde von allen Seiten unterstützt werden. Aber die Folge der Vorlage wird sein, daß durch die Aufhebung der Bergbaufreiheit in einem Gebiet, wo man noch große Kalilager er⸗ warten kann, die Gesellschaft der Syndikatwerke Erobe Vortheile er⸗ zielt. Nicht bloß Hannover scheidet aus diesem Gesetz aus, senere wir haben es auch mit andern Gebieten, mit Braunschweig, Sachsen⸗Weimar u. s. w. zu thun, wo große Kalilager vorhanden sind. Es würde sich fragen, ob so schwerwiegende Gründe vorhanden sind, daß Hannover nicht in das Gesetz hineinbezogen werden 88 Die Kommission hat Hannover herausgelassen, und deshalb e Gesetz keinen großen Werth haben. Es bleibt nur der rechnisc Gesichtspunkt, der in den Motiven zum Ausdruck gebracht ist. 8 dazu würde es genügen, die Vorlage auf die Provinz Sachsen un Hessen Messcn zu beschränken. Das Fiel⸗ welches die Staatsregierung

hcaeftelc hatte, läßt sich nur durch den Einschluß von Hannover er reichen.

Abg Im Walle (Zentr.): Ich hätte eine solche Rede von der rechten Seite nicht erwartet, eher von Herrn Gothein und Hem Schultz⸗Bochum, die in erster Lesung sich ähnlich ausgefpnag U. ng Nur auf dem Wege dieses Gesetzes ist es zu erreichen, daß die Ste 9 des Fiskus im Syndikat gestärkt wird, daß er in die Lage koxhaßt dem Syndikat die Frist zu diktieren im Interesse der Landwirthf 2 Herr von Bockelberg spricht von dem hohen Preise. Aber in

mmission ist uns das Gegentheil vorgeführt worden; die hohen Fiwidenden der Kaliwerke rühren nicht vom Bergbau, sondern ha den chemischen Fabriken her, welche mit großen Ueberschüssen arbeiten. Der Fiskus ist ja auch durch die Staffeltarife den entfernter wohnenden Landwirthen bei ihren Bezügen von Kali entgegengekommen. Man spricht von der großen Menge der Kalivorräthe, die für 2000 Jahre vorhielten. Aber es wird doch auch gehofft, daß die roduktion und die Verwendung des Kalis vermehrt werde; dann würde der Vorrath schneller abnehmen, und deshalb ist eine Vorsichts⸗ maßregel nothwendig. 18

Abg. Schmieding (nl.) erklärt, daß er und seine Freunde sich dem Versuch widersetzen würden, Hannover wieder in die Vorlage hineinzubringen. Gerade jetzt, sagt Redner, ist ein ungeeigneter Zeit⸗ punkt, Hannover in das Gesetz hineinzuziehen, weil dort sich alles in Fluß befindet, weil dort gerade Verträge über die Ausnutzung von Kalilägern vielfach abgeschlossen sind. Es würde also ein bedenklicher Eingriff in private Eigenthumsverhältnisse gethan werden müssen. Deshalb ist es folgerichtig, Hannover von dem Geltungs⸗ bereich des Gesetzes auszuschließen. Allerdings wird der Werth des Gesetzes dadurch verringert, und man könnte erwarten, daß die Regie⸗ rung das Gesetz zurückziehen würde. Durch die Vorlage werden aller⸗ dings die Kalilager geschützt; denn sie werden todt liegen gelassen; ob dadurch auch die Interessen der betreffenden Provinzen geschützt werden, ist eine andere Frage. Die Kali⸗Industrie in den außerpreußischen Staaten aber wird zur Blüthe kommen. Es würde der Landwirthschaft nur zum Nutzen gereichen, wenn auch in anderen Provinzen sich eine Kali⸗ Industrie entwickeln würde. Gerade in den östlichen Provinzen, die so industriearm sind, finden sich Kaliläger, die wohl aufgeschlossen zu werden verdienten. Volkswirthschaftlich erscheint die Vorlage nicht nothwendig und noch weniger bergtechnisch, wie schon in der ersten Lesung ausgeführt worden ist. Was Herr Schultz⸗Lupitz in seiner bekannten Eingabe an das Haus anführt, ist nicht maßgebend, da seine Autorität wohl mehr auf dem landwirthschaftlichen Gebiet als auf dem technischen liegt. Volkswirthschaftlich ist die Vorlage eher schädlich als nützlich. Denn je größer die Zahl der Betriebe i. desto billiger wird das Kalisalz werden, und daran hat die Landwirth⸗ schaft das Hauptinteresse. Die Konkurrenz das hat man im rheinisch⸗west⸗ fälischen Kohlenrevier gesehen wirkt auch auf die Verbesserung der Produktion. So reine Kohlen wie jetzt sind früher dort nicht pro⸗ duziert worden. Jedes Steinchen wird jetzt ausgewaschen und auf die rößte Reinheit des Produkts gesehen. Einen gesunden Gedanken at die Vorlage: da für die produktiven Stände eine stärkere Flosenschaftlich Entwicklung nothwendig ist. Wenn man ein Monopol will, dann sollte man ein reines Staatsmonopol schaffen und nicht die Privatinteressen privilegieren. In der Kohlenindustrie war die Konkurrenz viel zügelloser als vor der Zeit des Staßfurter Syndikats. Aber die westfälische Kohlenindustrie hat sich aus eigener Kraft geholfen. Es bestehen doch eigentlich gar keine Mißstände, um bezüglich der Kalisalze eine gesetzliche Aenderung noth⸗ wendig zu machen. Die Motive erkennen selbst an, daß die Kali⸗ Industrie sich in guter Lage befindet. Bei Schluß des Blattes spricht der Minister für

und Gewerbe Freiherr von Berlepsch.

Tie Steuerkommission des Reichstags setzte heute,

am dritten Tage, die Berathung der Tabacksteuervorlage fort. Abg. Müller⸗Fulda (Zentr.): Seine politischen Freunde seien zwar bereit, den Taback mehr heranzuziehen, aber der Fabrikatsteuer könnten sie nicht beistimmen. Wenn auch unsere Finanzlage nicht günstig sei, sodaß wir im nächsten Jahre vielleicht 18 Millionen Mark Defizit hätten, so hätten wir doch nicht nöthig, zu einem Gesetz von solcher. Tragweite zu schreiten. Durch eine Steuer auf ausländische Tabackfabrikate, auf Schaum⸗ und Kunstweine, durch eine Erhöhung der Zölle auf Luxusgegenstände, wie Parfümerien, Teppiche, Gobelins u. dergl., könne man vielleicht den Ausfall decken. Außerdem beginne ja erst das Etatsjahr 1894/95 und man wisse noch garnicht, wie sich schließlich der Abschluß gestalten werde. Er glaube nicht, daß von der Vorlage der Tabackbauer Vortheil haben könnte, eher sei das Gegentheil zu befürchten. Die Kontrole für den Tabackbauern müsse allerdings erleichtert werden, dazu bedürfe es aber nicht dieses Gesetzes. Das Zentrum lehne die Vorlage ab. Abg. Dr. Paasche (nl.) bedauert, daß die eben gehörte Erklä⸗ rung nicht schon gestern abgegeben worden sei; dann hätte die ganze weitere Debatte fortfallen können. Durch die schlechte Finanzlage sei, wenn man den Taback nicht heranziehen wolle, schließlich eine Erhöhung der direkten Steuern nothwendig. Der Redner richtet an die ver⸗ bündeten Regierungen das 1ö“ bis zum nächsten Herbst genaue Ermittelungen über die Zahl, die Vertheilung, die Lohnzahlung der Tabackbetriebe vorzubereiten. Staatssekretär Graf von Posadowsky legt dar, daß die vom Vorredner vorgeschlagenen Projekte nichts ein⸗ bringen würden und daß nur die zum Ziele führen würde. Abg. Gamp (Rp.) hält es gegenüber dem Abg. Dr. Paasche für vor⸗ theilhaft, daß eine eingehende Debatte stattfindet. Dem Tabackbau würde sicher mit Annahme der Regierungsvorlage gedient sein. Die jetzt so lästige Kontrole könne zwar durch administrative Maßnahmen ttwas gemildert, aber keineswegs beseitigt werden. Er bestreite, daß durch die Vorlage die Arbeiterinteressen in dem Grade geschädigt werden würden, wie es von sozialdemotratischer Seite behauptet wor⸗ den sei. Wenn übrigens die Arbeiter genöthigt werden sollten, von der Stadt auf das Land zu ziehen, so sei dies als ein Vortheil, nicht als ein Nachtheil anzusehen. Finanz⸗Minister Dr. Miquel erklärt, daß die Vorlage nicht nur aus finanziellen Gründen eingebracht sei, ondern auch eine dringend nothwendige Reform bedeute, da die bisher estehende Gewichtssteuer die ungerechteste Form der Besteuerung

des Tabacks sei, die man sich denken könne. Er nehme an, daß die Reichsregierung in der nächsten Session auf die Tabackfabrikatsteuer zurückkommen müsse. Die Handels⸗ verträge brächten einen Ausfall von etwa 40 Millionen, an deren Stelle die Einnahmen aus der Tabackfabrikatsteuer treten müssen. Dem Zentrum müsse er vornehmlich zur Erwägung geben, daß wenn das Reich den Einzelstaaten nichts mehr zu über⸗ weisen habe, dann auch die Franckenstein'sche Klausel fortfalle. Graf Roon (kons.): Wenn er Süddeutscher wäre, würde er sich ohne Bedenken auf den Boden der Vorlage stellen. In Norddeutschland aber würde der Schaden für die Industrie zu groß sein, namentlich Kleinbetriebe würden ganz aufhören müssen. Abg. Werner Refp.) stimmt dem Grundsatz des Finanz⸗Ministers bei, daß ein gesundes Staatswesen in seinen Ausgaben wachsen müsse. Gleichwohl könne er die vorgeschlagene Steuer nicht acceptieren. Möge doch die Re⸗ gierung zu einer Reichs⸗Einkommensteuer schreiten und die Taback⸗ industrie in Ruhe lassen. Abg. Gescher (kons.) bedauert abermals, daß sich vr dis Vorlage keine Mehrheit im Reichstag finde. Nach Ablehnung des fletentwurss würde die ganze Welt an unserer snae.

1 ündigkeit zweifeln. Der Landwirthschaft werde mit der Ablehnung 68 Vorlage sicherlich ein schlechter Dienst erwiesen. Abg. Dr. Lieber 19 . Die Erklärung, welche vorher sein Freund Müller abgegeben, im Zusammenhang mit der von ihm selbst im Plenum bei der s neraldebatte verlesenen Erklärung aufgefaßt werden. Daraus ergebe baol⸗ das Zentrum nach wie vor an der Franckenstein'schen Klausel fest⸗ 8 e und nicht gewillt sei, deren Todtengräber zu werden. Selbst b zman auf dem Boden der Reichs⸗Finanzreform stehe, müsse man snd vorsichtig sein und .“ ob sich nicht ein besserer Weg 9 en lasse. Sein Freund Müller habe die Bedenken gegen die Vor⸗ 95 Gusführlich begründet und keineswegs gesagt, daß das Zentrum 5 Uedanken einer Besteuerung des Tabacks ohne weiteres abweise; iederhole vielmehr, man sei bereit, mitzuarbeiten. Er 688 e ausdrücklich, daß der ablehnende Standpunkt des Zentrums daß 8 hic et nunc gelte. Er halte auch an dem Standpunkt fest, Vn Ausn 85 Steuern bewilligen dürfe, um denen, die recht munter 1 Sg⸗ enbewilligen sind, dieses Bewilligen noch zu erleichtern.

vorigeSchuldentilgung könnte man schon heute schreiten, hätte man restgges Jahr die Militärvorlage nicht gemacht. Alles in allem gicht als efre sich, dahin, daß die Erklärung des Abg. Muüller eine absolute zu betrachten sei, sondern nur im Zusammen⸗

nit der im Plenum abgegebenen Erklärung des Zentrums. Wenn

Handel

das Zentrum jetzt gegen § 4 der Vorlage stimme, so habe es si nur gegen diesen Paragraphen, nicht aber gegen das Prinzip der e ziehung des Tabacks erklärt. Finanz⸗Minister Dr. Miquel begrüßt es mit Freude, daß das Zentrum keine definitiv ablehnende Stellung einnehme, sondern die Frage noch weiter prüfen wolle. Hierauf wird die Generaldebatte geschlossen und zur Spezial⸗ berathung des § 4 übergegangen, welcher bestimmt, daß der fabrizierte Taback einer Steuer unterworfen werden soll. Die Diskussion gestaltet sich ganz kurz. Bei der Abstimmung wird § 4 mit 17 gegen 11 Stimmen abgelehnt. Dagegen stimmen das Zentrum, die Freisinnigen, die Sozialdemokraten, die Antisemiten, außerdem der nationalliberale Abg. Bassermann und der konservative Graf Roon; dafür die übrigen Mitglieder der beiden konservativen Par⸗ teien und der Nationalliberalen. Da in § 4 das Prinzip des Ge⸗ setzes niedergelegt ist, gilt somit die Vorlage als gefallen, und wird auf die weitere Berathung verzichtet.

Im Hause der Abgeordneten haben die Abgg. von Mendel⸗Steinfels (kons.) u. Gen. nachstehende C er pellation angemeldet: „Beabsichtigt die Königliche Staatsregierung⸗ in Rücksicht auf die Thatsache der sich immer wieder erneuernden Einschleppung, von Viehseuchen (Maul⸗ und Klauenseuche, Lungen⸗ seuche, Schweinepest) aus dem Auslande und die damit verbundene überaus schwere Schädigung unseres Nationalvermögens, sei es für Preußen, sei es durch den Bundesrath für das Reich die Er⸗ greifung und Förderung von Maßregeln, welche bei der Einfuhr von Thieren aus dem Auslande die Gefahr der leichten Uebertragbarkeit der Seuchen auf unsere Viehbestände vermindert?“

Der Abg. Roeren (Zentr.) und Genossen beantragen: „Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: Die Königliche Staats⸗ regierung zu ersuchen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen die im Gesetz vom 14. März 1881 enthaltenen Beschränkungen in der Bewirthschaftung der gemeinschaftlichen Holzungen für die Gehöfer⸗ schaften aufgehoben werden.“ 8 1

Nr. 15 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Ar. beiten, vom 14. April hat folgenden Inhalt: Das „Imperial⸗ Institut“ in London. Der Stücklohn bei Bahnunterhaltungs⸗ arbeiten. Deiche aus Moorboden. Das chemische Institut der Universität Halle a. S. Weichensicherung. Vermischtes: Preis⸗ bewerbung für ein Rathhaus in Rheydt. Preisbewerbung für ein evang. Vereinshaus in Stettin. Preisbewerbung für den Neubau Neustädt. Kirchstr. 9 in Berlin. Preisbewerbung für eine Kirche und Pfarrhaus in Breslau. „Galvanobronzen-. Inhalt der Zeitschrift für Bauwesen. Normalien für Schraubengewinde. Gleitrollenträger für Zugdrähte. Betriebsführung der Straßen⸗ G 88 Staate New⸗York. Baurath Professor Lipsius in Dresden †.

Kunst und Wissenschaft.

Im Königlichen Kunstgewerbe⸗Museum ist gegenwärtig eine von der Leek Embroidery Society genau in der Technik und der Größe des Originals hergestellte Rgbekdans der berühmten Stickerei von Bayeux ausgestellt, die auf einem über 70 m langen und ½ m breiten Leinenstreifen die Darstellung der Eroberung Englands durch die Normannen enthält. Das in Bayeux in der Normandie befindliche Original, eines der historisch und kulturgeschichtlich merkwürdigsten Denkmäler des roma⸗ nischen Kunsthandwerks, ist kurz nach der Schlacht bei Hastings im Jahre 1066 gearbeitet worden. Der Ausstellung der Erzeugnisse des nordamerikanischen Kunstgewerbes sind neuerdings Glasgemälde und farbige Glasgefäße von der Tiffany Glass and Decorating Co. in New⸗York beigefügt worden; die Aus⸗ stellung der neuen Erwerbungen hat eine durch eine Sammlung deutschen und französischen Porzellans aus dem achtzehnten Jahrhundert erfahren. Die Sonderausstellungen bleiben bis Ende des Monats April dem Publikum geöffnet.

†† Nur wenige der Künstler des Düsseldorfer St. Lukas⸗ klubs, der gegenwärtig eine Sonder⸗Ausstellung bei Schulte veranstaltet, wissen ihre künstlerische Persönlichkeit in ihren Werken so energisch durchzusetzen, man begreift, warum sie ins Lager der Sezession übergegangen sind. Nach Zahl und Werth nehmen die Bilder und Radierungen des noch jugendlichen Arthur Kampf die erste Stelle ein. Kampf weiß mit kräftigem malerischen Vortrag ernstes, gewissenhaftes Studium und Empfin⸗ dung zu vereinen. Gleichwohl besitzen seine chöpfungen nichts Zwingendes, dazu fehlt ihnen die unmittelbare Frische; aber auch wirkliche Feinheit des Geschmacks, die für diesen Mangel entschädigen könnte, lassen sie hier und da vermissen. Aus einem Guß ist das Bild gelungen, das uns eine Arbeiterfamilie vor ihrer länd⸗ lichen Hütte zeigt. Während der Vater mit dem Neugeborenen spielt, tritt der Schatten des Todes an die Wöchnerin heran, um ihr den Todeskuß auf die Stirn zu drücken. Der Ernst des Vorwurfs ist nicht ins Dämonische gesteigert, aber die Kraft der Charakteristik und die Tiefe des Empfindens ergreifen den Beschauer. Der Ge⸗ fahr sentimentaler Rührseligkeit entgeht K. durch seine energische Realistik in der Behandlung der Formen, durch die auch seine goßen Historienbilder so kraftvoll wirken. Zu schwerfällig ist diese Vortragsweise aber für die Schilderung genrehafter Episoden, wie für den alten Herrn, der sich mit einer Pagode beschäftigt; das Bild wirkt wie eine mit ernster Miene und großem Kraftaufwand vor⸗ getragene Anekdote, der die rechte Pointe fehlt. Weit vortheilhafter zeigt sich K.s Charakterisierungskunst in einem Zwergenbildniß und dem Porträt eines Kindes, sowie in den technisch gewandten Radierungen, die auch Zeugniß für die reiche Phantasie ihres Schöpfers ablegen. Willy Spatz, der auf den letzten Ausstellungen als ein Talent von be⸗ merkenswerther Selbständigkeit auffiel, hat diesmal nur zwei kleinere Arbeiten ausgestellt. Die von zwei Kugeln bewegte Hängewiege mit einem kleinen Weltbürger gewinnt den Beschauer durch die ungesuchte Anmuth in Bewegung und Ausdruck der Gestalten; die ihm früher eigene Vorliebe für einen grünlichen Gesammtton, die auch in dem „Mater“ genannten kleinen Madonnenbilde auffällt, hat S. hier zu Gunsten eines lichten, freundlichen Kolorits preisgegeben. Jedenfalls hat der Idealismus Spatz' weit eher einen persönlichen Zug, als die schwächlichen, Böcklin nachempfundenen Phantasien von Alexander Frenz, der uns Sirenen von wenig verführerischer Schönheit und eine Vanitas vorführt. In breiter, die Malweise von Franz Hals karikierender Manier schildert Gerhard Janssen Bauern, und Tagediebe: Bilder, deren kleines Format und deren zahme Er⸗ findung die Derbheit des Vortrags doppelt ungerechtfertigt erscheinen lassen. Eine günstigere Vorstellung säines Könnens gewinnt man von J's. Radierungen. Ein Künstler, der sonst durch die Flottheit seiner Malweise besonders frisch und unmittelbar wirkt, Theodor Rocholl, zeigt diesmal ein etwas sentimentales Gesicht in dem Bilde, das eine Kürassierpatrouille am Waldbach rastend schildert; flotte 1 ihm ohne Zweifel besser. Von den Landschaftern der jüngeren? üsseldorfer Generation sind in der Ausstellung Olaf Jernberg, H. Liesegang, Eugen SS- und Heinrich Herrmanns mit charakteristischen Leistungen vertreten.

Zwei gpoße Bilder, welche im elektrisch erleuchteten Vorderzimmer der Schulte'schen Kunsthandlung schon durch ihr Format die Auf⸗ merksamkeit auf sich lenken, verdienen dieselbe aus anderen Gründen kaum. Carl Gutherz, ein Schüler Bouguereau's in Paris, schildert den „Abend des sechsten Schöpfungstages“. in weichlich verschwommener Hell⸗ malerei ohne die geringste Kraft schöpferischer Phantasie. Die Ausführung bleibt hinter dem Gedanken des Bildes völlig zurück. Anleihen an Fiesole und Raffael's Vision des Ezechiel charakterisieren den Maler als schwächlichen Eklektiker. Auch Schikaneder's große Leinwand „Sühnungsgebet“ zeigt völligen Mangel historischen Stils und echter

Empfindung, den Kostümtreue und gewissenhafte Ausführung niemals ausgleichen können. 1

Sitzung des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg am 11. April. Da einige erwartete Mittheilungen ausblieben, trat Professor Schmoller in die Lücke und erzählfe Einiges aus seinen Studien über die Entstehung des Land⸗ rathsamts. Er ging davon aus, daß im ganzen Süden und Westen Deutschlands seit dem 14. Jahrhundert als Fürstliches Bezirksamt der Amtmann, Pfleger, oder wie er sonst heiße, mit der Kompetenz für Pelhge⸗, Justiz, Finanz und theilweise auch für Militärsachen sich er⸗ alten, daß aber in Brandenburg die Vogteiverfassung sich früher auf . habe. So standen im 16. und 17. Jahrhundert Städte, Guts⸗ ezirke und Domänenämter direkt unter der Landesregierung; der Landes⸗Hauptmann an der Spitze ganzer Landestheile war ständisch gesinnt, und daher wirkte der Große Kurfürst für seine Beseitigung; nur der Landreiter bestand noch in jedem Vogteibezirk; ihn zu einem Bezirksbeamten zu erheben, scheint man vergeblich im 16. und 17. Jahr⸗ hundert angestrebt zu haben. So war es eines der dringlichsten Be⸗ dürfnisse der wiedererstarkenden Staatsgewalt, sich wieder einen Fürft. lichen Bezirksbeamten zu schaffen; die Elemente, die sich dazu boten, waren der ständische gewählte Kreisdirektor und der Fürstliche Marsch⸗ und aeah ha Diese beiden Aemter wurden in Brandenburg früh, in den anderen Provinzen erst viel später, in den mittleren seit 1713 verbunden. Aber diese, so führte der Redner aus, hätten allein noch nicht das spätere Landrathsamt geschaffen; auch die Ertheilung des Titels „Landrath“ an die Kreis⸗Direktoren im Jahre 1702 sei nicht so bedeutungsvoll gewesen. Das Entscheidende enthülle sich, wenn man alle Spoezialgebiete der Verwaltung und alle Gesetze und Fürstlichen Erlasse in Bezug auf deren lokale Ausführung durchgehe und sehe, wie von 1678 an, dann noch mehr von 1691 an und endlich massenhaft von 1713 an die Berliner Zentralbehörden sich nicht anders zu helfen gewußt hätten, als in einem Gebiet nach dem andern dem 1 Landrath (Kreisdirektor und Marschkommissar) die lokale Ausführung der Regierungsmaßregeln zu übertragen; so könne man verfolgen, wie er neben seinen Kreis⸗ und Militärgeschäften die Aufsicht über das Armenwesen, das Hausierwesen, das Sanitätswesen, Wegewesen, die ganze landwirthschaftliche und Bauernpolizei, die Verkündigung der Königlichen Edikte und alles Aehnliche successiv bekommen habe. Das erkläre es auch, daß das Amt z. B. in den Jahren 1702 bis 1730 nicht aus den uns erhaltenen Bestallungen ganz zu verstehen sei. Diese enthielten althergebrachte Formeln, nicht die steigende Summe der neuen Amtsaufträge. Erst gegen 1740 bis 1750, z. B. in der Bestallung des Landraths von der Gröben, die Redner mittheilte, trete das Amt in seiner vollen Aus⸗ bildung, als staatlich polizeiliches Kreisamt, uns entgegen, aber immer noch an die älteren feudalen Zustände dadurch erinnernd, daß der Landrath meist ein eingesessener gewählter Rittergutsbesitzer des Kreises war. Redner schloß damit, daß er die Einführung des Landrathsamts in Schlesien 1742, in Ostpreußen und Cleve⸗Mark 1752 schilderte, das Verhältniß des Landraths zum Steuer⸗Rath erörterte und endlich die veränderte Stellung des Landraths im 19. Jahr⸗ hundert kurz skizzierte. An diese Mittheilungen schloß sich eine längere Debatte, an der sich hauptsächlich die Herren Professoren Dr. Brecher, Dr. Hintze und Dr. Krauske betheiligten.

1 In der Preisbewerbung für ein evangelisches Vereins⸗ und Gesellenhaus in Stettin wurde, wie wir dem „Zentr. Bl. d. Bauv.“ entnehmen keine der eingelaufenen Arbeiten als eines ersten Preises würdig erachtet und beschlossen, die ausgesetzte Summe von 1000 gleichmäßig auf die drei besten Entwürfe zu vertheilen. Es erhielten daher Preise von je 350 die Arbeiten der Architekten Robert Herbricht, Adolf Stegmüller, beide in Berlin, und des Architekten und Maurermeisters Kupferschmidt in Stettin.

Ein Preisausschreiben für Entwürfe für eine Kirche und zwei Dienstgebäude der lutherischen Gemeinde in Breslau erläßt dem „Centr.⸗Bl. d. Bauv.“ zufolge der Architekten⸗ Verein in Berlin unter seinen Mitgliedern. Die Kirche soll in Backsteinbau in gothischen Formen, mit dem Thurm in der Längs⸗ achse und einem Querschiff gestaltet werden; sie soll 1200 Sitzplätze enthalten, von denen ein Theil auf Emporen angeordnet werden kann, und Kanzel und Altar sollen in ihr nicht vereinigt werden. Die Bau⸗ kosten sollen 180 000 nicht übersteigen. Von den beiden Dienst⸗ gebäuden ist das eine ein Pfarrhaus, das außer der Wohnung des Pfarrers noch eine solche für den Küster, für den Hilfsprediger und für die Diakonissin, sowie einen Saal zu Versammlungszwecken enthalten soll; das andere ein Amtsgebäude für Verwaltungszwecke mit einer Bücherei für 20 000 Bände, einer kleinen Wohnung für den Registrator und zwei größeren für höhere Kirchenbeamte. Die Kosten für diese beiden Gebäude sollen 100 000 nicht übersteigen. Die Zeichnungen sind im Maßstab 1:200, zwei Ansichten der Kirche 1:400 verlangt. Als Preise stehen 1000 und 800 zur Verfügung, wozu noch Ankäufe für je 400 treten können. Die Arbeiten sind bis zum 11. Juni, Nachmittags 2 Uhr, im Architekten⸗Verein ab⸗ zuliefern, von wo auch die weiteren Unterlagen von Mitgliedern zu beziehen sind.

In der Preisbewerbung um Entwürfe für ein Rath⸗ haus in Rheydt waren 73 Arbeiten eingegangen. Den ersten Preis von 1500 erhielten nach dem „Central⸗Bl. d. Bauv.“ die Architekten H. Reinhardt und G. Süßenguth in Berlin, den zweiten von 1000 der Architekt E. Hagberg in Berlin und den dritten von 750 die Architekten R. Neuhaus und K. Schauppmeyer in Köln. Zum Ankauf empfohlen wurden die Entwürfe der Regierungs⸗ Baumeister Hermanns und Riemann in Elberfeld und der Architekten E. Schreiterer und Below in Köln.

Die Generalversammlung der Goethe⸗Gesellschaft in Weimar, die ursprünglich auf Mittwoch, den 16. Mai, anberaumt war, ist nach neueren Entschließungen um einen Tag verschoben worden und findet also Donnerstag, den 17. Mai, statt. Im Großherzog⸗ lichen Fee kommt an diesem Tage Goethe's „Pandora“ mit der Lassen'schen Musik und das Fragment des Schiller'schen „Deme⸗ trius“, einschließlich der neu aufgefundenen Ergänzung, zur Aufführung.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Badajoz, 1. April. Der Gesundheitszustand in Lissabon giebt, dem „W. T. B.“ zufolge, zu Beunruhigungen Anlaß; seit mehreren Wochen herrscht eine Cholerine⸗Epidemie, die sich weiter ausbreitet.

heater und Musik

Lessing⸗Theater.

Fräulein Clementine Krauß gab gestern als Gast der Bühne

die Titelrolle in dem englischen Schwank „Niobe“ und löste ihre Aufgabe sehr beifallswürdig, was umsomehr anzuerkennen ist, als sie eine rühmliche Vorgängerin in Fräulein Jenny Groß hatte. Die des Schwankes beruht, wie schon bei seiner ersten Auf⸗ ührung bemerkt wurde, in dem Gegensatz zwischen antiker und moderner Weltanschauung und Lebensauffassung, der in einem Traum⸗ gesicht mengekicht wird und bald feinkomische, bald drastische irkungen hervorruft. Die Niobe des Stückes ist in der Anlage nichts weniger als eine komische Figur, aber der Kontrast ihrer rhythmischen und pathetischen Rede gegen die magere und nüchterne Sprache des Peter Dunn übt eine zuweilen unwiderstehlich lächerliche Wirkung aus. Fräulein Krauß ist eine Schauspielerin von guten Manieren; sie hat eine kraftvolle, zumeist angenehme Stimme, die nur zuweilen beim schnellen Sprechen etwas rauh klingt, die aber doch ausdrucksfähig ist. Die Darstellerin bewegt üi sicher und mit Anmuth, die ihrem Wesen ursprünglich eigen zu sein scheint. Ihre Auffassung der Nioberolle traf wohl im ganzen das Richtige; nach Ueberwindung der ersten Schüchternheit gewann die Gestalt Leben, und dem naiven Ausdruck der Gedanken entsprachen die Haltung und die Geste; auch der Humor, der in den Worten lag, gewann an einigen Stellen leuchtenden Ausdruck, an einigen anderen blieb er wohl nur zufällig verborgen. Am edelsten