1894 / 92 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 19 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

hat für seine Hamleldarstellungen immer reiche Anerkennung geerntet und, was er als Hamlet leistet, ist in der That noch heute preisens⸗ werth. Klares und der Ausdruck tiefer, warmer Empfindung helfen ihm die Gestalt des schwermüthigen Dänenprinzen geistig zu durchdringen und menschlich zu beleben. Vor allem rühmlich ist seine fein gefügte Diktion, die sich den wechselnden Launen und Leidenschaften des gequälten, nach Thaten ringenden Geistes eng anschmiegt; der Vortrag des großen Monologs kann kaum eindringlicher und ergreifender gesprochen werden. Fast bietet Herr Ludwig in seiner maßvollen klassischen Weise des Guten zu viel; einige neu eingefügte „Nuancen“ im Spiel, die von dem unablässigen Studium des Künstlers beredtes Zeugniß gaben, aber nicht immer zur Klärung und Herausarbeitung der Dichtergestalt beitrugen, hätte man ern entbehren mögen; so erschien das heftige Hereinstürzen des Künstlers beim Beginn des großen Monologs gesucht und unwahr⸗ scheinlich für den grübelnden Prinzen, in dessen birn eine tiefsinnige und schwermüthige Gedankenreihe sich zu entwickeln beginnt. Ab⸗ gesehen von solchen Einzelheiten, kann man aber der Leistung des Künstlers lebhafte Anerkennung nicht versagen. Der viel erläuterten und viel umstrittenen Gestalt des Dänenprinzen feste und klare Um⸗ risse zu geben und eine lebendige Seele zu verleihen, ist keine geringe künstlerische That. Neu war Herr Molenar als König Claudius; seine wuchtige Stimme und seine mächtige Gestalt besitzen schon an sich etwas Imponierendes, das der Darsteller durch sein Wesen zu ergänzen suchte; dabei kenn⸗ zeichnete der düstere, unsichere Blick den Königlichen Missethäter, dessen rauher, gepreßter Angstschrei im Gebet dem Hörer die Ge⸗ wissensqualen des Schuldbeladenen ausmalte. Herr Nesper sprach die Worte des Geistes mit dunkler, klagender Stimme beweglich und ergreifend. Die Damen Stollberg als Königin und Lindner als Ophelia wurden in der Auffassung und Wiedergabe ihrer Rollen den Absichten der Dichtung gerecht. 1 Großes Verdienst um die Aufführung hat sich durch die Inscenierung erworben. Der Scenenwechsel ist auf eine Mindest⸗ zahl beschränkt worden, besonders durch das prächtige Palastzimmer mit der seitlich hinlaufenden Galerie, die später den Schauspielern gleichzeitig als Bühne dient, ferner durch die winterliche Schloßterrasse.

Konzerte.

Zum Andenken an den am 20. April 1869 zu Kiel verstorbenen, besonders durch seine Balladen bekannten Komponisten Carl Löwe fand gestern in der Philharmonie unter Professor Mannstädt’s Leitung eine Gedenkfeier statt, bei welcher außer dem Phil⸗ harmonischen noch die Königliche Hof⸗Opernsängerin Frau Gisela Staudigl, der Königliche Kammersänger Josef Staudigl, Mitglieder des Cäcilien⸗Vereins und

des Westfälischen Männergesangvereins mitwirkten. Seine dem Vorbilde Weber's folgende Ouvertüre zur Oper „Rudolf“ 8 ein Morgenhymnus für Männerchor aus derselben Oper eröffneten ie Feier. Dann folgten drei weniger bekannte Balladen, welche Felix Weingartner instrumentiert hat: „Der Mohrenfürst“, „Die Mohren⸗ fürstin und „Der Fürst auf der Messe“ (Dichtung von Featn Sie wurden von Frau Staudigl vorgetragen und mit großem Beifall Aufnahme fand auch die Ballade „Gregor auf dem Steine“, von Herrn Staudigl gesungen. „Die mit ihrem humoristischen Text und ihrer feinen tonmalerischen Instrumentierung von F. Mottl machten einen prächtigen Effekt durch die lebendige Vortragsweise der Frau Staudigl. Es folgten ferner zwei Frauenchöre aus „Malekadhel“, in denen die stimmbegabte Sängerin Frau Elisabeth König das Solo übernommen hatte. Die Balladen „Die nächtliche Heerschau“ für Bariton, in welcher der durchweg festgehaltene marschartige Rhythmus die elegischen Züge des Zeünig schen Textes nicht recht zur Geltung bringt, und „Der seltne Beter“ wurden von Herrn Staudigl sehr gut gesungen. Den Schluß des Abends bildeten ein Duett „An Sami“, das der Sänger mit seiner Gattin ausführte und an welches sich der letzte Theil aus dem vor längerer Zeit hier gehörten Oratoriums „Die Auferweckung des Lazarus“ anschloß. Außer diesen vokalen Vorträgen kamen noch zwei Symphonie⸗ 4 für Orchester zur Ausführung, die, dem Vorbilde Haydn's folgend, efällige Motive mit stilgewandter Behandlung vereinigen. Dem gebührt gerechtes Lob für seine umsichtige Leitung des 1“ von einem sehr zahlreich erschienenen Publikum be⸗ ucht war.

aufgenommen. Eine Rece

An demselben Abend fand im Saal Bechstein ein Wohl⸗ thätigkeits⸗Konzert statt, in welchem der Kulenkampff'sche Frauenchor Chorgesänge von Huber, E. E. Taubert, F. Thieriot, Kulenkampff und Vierling zum Vortrag brachte. Der Chor hat an Kraft und Wohlklang der Stimme, wie an technischer Sicherheit in erfreulicher Weise zugenommen; auch war die lebendige Ausdrucksweise durchweg zu loben. Fräulein Ober⸗ beck, die stets gern gehörte Solistin der Sing⸗Akademie, und der Baritonist Herr von Ewegk unterstützten das Konzert durch einige mit großem Beifall aufgenommene Gesangvorträge. Das zahl⸗ reiche Auditorium zeichnete besonders einige Kompositionen des Konzert⸗ gebers durch eine sehr günstige Aufnahme aus.

Im Königlichen Opernhause gelangt morgen Wagner's „Lohengrin“ zur Aufführung und zwar in folgender Besetzung: Elsa: Frau Pierson, Ortrud: Frau Sucher, Lohengrin: Herr Gudehus, Telramund: Herr Bulß, König: Herr Stammer, Heerrufer: Herr Fränkel; Kapellmeister Weingartner dirigiert.

Im Königlichen Schauspielhause wird morgen Shakespeare's „Hamlet“ gegeben. 3

Nachdem das Moskauer Gastspiel des Lessing⸗Theaters gestern mit einer Wiederholung des Lustspiels „Mauerblümchen“ von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg beendigt worden ist, treten am nächsten Sonntag die Damen Reisenhofer und Elsinger sowie die Herren Guthery, Schönfeld, Horn, Jürgas, Prechtler und Rieckhoff zum ersten Male hier wieder auf. Zur Aufführung gelangt das Lustspiel „Das zweite Gesicht“ von Oscar Blumenthal, das bei dieser Gelegen⸗ heit nach längerer Pause in den Spielplan wieder aufgenommen wird.

Im Wallner⸗Theater findet am Sonntag das vorletzte Gastspiel des Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theaters statt. Zur Aufführung gelangt die Strauß'sche Operette „Die Fledermaus“.

Das Friedrich⸗Wilhelmstädtische Theater bringt am Sonntag Offenbach's „Orpheus in der Unterwelt“ zur Aufführung.

Im Residenz⸗Theater soll am Sonntag, 29. d. M., ein Schauspiel von Kirstein, betitelt „Zerstörtes Glück“, als Mittags⸗ vorstellung zur ersten Aufführung gelangen.

Mannigfaltiges.

Der unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin stehende Frauen⸗Lazarethverein hielt heute Mittag im Ministerium des Königlichen Hauses unter Vorsitz der Gemahlin des Staats⸗Ministers Dr. Delbrück seine Generalversammlung ab. Dem vom Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Rath Spinola erstatteten Bericht zu⸗ folge haben in dem unter Leitung der Schwester Henriette von Nostiz stehenden L 17 Pflegerinnen ge⸗ wohnt, welche sämmtlich im Augusta⸗Hospital Dienste thaten; 10 Pflegerinnen waren in der Charité stationiert und zwar sieben in der gynäkologischen Abtheilung und drei in der Entbindungsanstalt; sechs waren in der Kinderheilstätte zu Wyck auf Föhr, je eine im Augusta⸗Stift zu Charlottenburg und in einer Stettiner Privatheil⸗ anstalt thätig. In der Krankenpflege wurden durch Medizinal⸗Rath Lindner zwei Kurse abgehalten, an denen sich auch eine Anzahl Damen höherer Stände betheiligten. Im Augusta⸗Hospital, deren Schwesternschaft z. Z. unter der Oberin von Arnim 19 ein⸗ gesegnete Schwestern angehören, haben im letzten Jahre 1821 Kranke an 55 588 Tagen Verpflegung gefunden. Durchschnittlich waren täglich 152 Kranke in Pflege. Von der Gesammtzahl entfielen 1020. auf die medizinische und 801 auf die chirurgische Ab⸗ theilung. Die Sterblichkeitsziffer betrug auf der ersteren 179⁄⁄10, auf der letzteren 10 %.. Poliklinisch wurden auf der medizinischen Abtheilung 7339 Kranke in 16 830 Konsultationen, auf der chirurgischen Abtheilung 4642 Kranke in 10 741 Kon⸗ sultationen behandelt. Operationen wurden auf der stationären Abtheilung 526, poliklinisch 513 ausgeführt. Die Gesammt⸗ ausgaben der Verwaltung beliefen sich auf 175 882 ℳ; da⸗ von wurden 140 183 durch die eigenen Einnahmen des Hospitals, der Rest durch den Verein gedeckt. Die durchschnittlichen täglichen Gesammtkosten für einen Kranken beliefen sich auf 3,16 ℳ, die eigentliche Verpflegung kostete 86,05 ₰. Die Beköstigung erforderte insgesammt 68 365 ℳ, 6042 weniger als im Vorjahre. Neu in den Vorstand sind Frau Oberst⸗Lieutenant von Usedom und Frau Kommerzien⸗Rath Henneberg eingetreten. Die ausscheidenden Mitglieder wurden wiedergewählt. Ihre Majestät die Kaiserin

hat zu Mitgliedern des Vorstands die Gemahlinnen des Ministe des Königlichen Hauses von Wedel und des Geheimen Regierun 5 Raths, Professor Dr. Pringsheim, sowie die Herren General ü Grolman und Kammerherr von dem Knesebeck wieder ernannt. M dem Vorsitz wurden von der Kaiserin die Wittwe des verstorbene Staats⸗Ministers von Pqtow, die Gemahlin des Staats⸗Ministen Dr. Delbrück und Frau Mühlbrecht von neuem betraut. 8

Breslau, 18. April. In dem Dorfe Lichinia bei Leschnit in Oberschlesien sind, laut Meldung des „W. T. B.“, durch eine F euers brunst 28 Wohnhäuser, viele Scheunen und Stallungen in Asche gelegt worden. Vier Kinder fanden in den Flammen den Ta Eine Anzahl Rindvieh ist verbrannt. Die Entstehungsursache des Brandes ist noch nicht aufgeklärt.

München. Am 7. und 8. April wurde hier die erste gemein schaftliche Sitzung des gesammten Aufsichtsrathes und Vorstandez hht deutscher Journalisten und Schrift⸗ teller (A. V.) abgehalten, zu der sich 14 Herren eingefunden hatten Dem über die Geschäftsthätigkeit der Anstalt erstatteten Bericht ist zu entnehmen, daß die Mitgliederzahl der Anstalt auf 471. gestiegen ist Die Einnahmen betrugen 118 509 86 ₰, die Ausgaben 12 019 6 54 ₰, so daß sich das Vermögen der Anstalt zur Zeit anf 106 490 32 beziffert. Die vorgenommene vre geit der Kasse und Bücher gab zu keiner Erinnerung Anlaß. Dem Vorstande wurde für seine aufopfernde und mühevolle Arbeit der Dank der Versammlung ausgesprochen. Von den gefaßten Beschlüssen sind alz die wichtigsten zu erwähnen: Die Hauptversammlung findet gelegentlich des diesfährigen Journalisten⸗ und Schriftsteller⸗Tages in Hambur statt; der genaue Termin sowie die Tagesordnung werden dur den Vorstand noch besonders bekannt gegeben. Ein Antrag, die Uebergangsbestimmungen, welche mit dem 1. Januar 1894 g, loschen sind, noch weiter aufrecht zu erhalten, wurde abgelehnt, da⸗ gegen ein Antrag, für die Entrichtung der Nachzahlungen auch ferner die Form der Zusatzprämien beizubehalten, angenommen. Abgelehnt wurde ferner ein Antrag, die Zahl der Aufsichtsräthe von 15 auf 390 zu erhöhen; dagegen wurde ein Antrag, 7 Ersatzmänner zu wählen angenommen. Ein Antrag, den Sitz des Aufsichtsraths nach Berlin zu verlegen, wurde einstimmig abgelehnt. Eine Reihe von Arn⸗ regungen zur Erschließung neuer Quellen für die außerordentlichen Einnahmen, wie z. B. die Einführung einer Reklamesteuer, die Abgabe eines minimalen Prozentsatzes seitens der Bühnenleitungen von der tantièmefreier Stücke ꝛc., wurden dem Vorstande ühber⸗ wiesen.

Ravensbu g, 19. Oktober. Hier fanden, wie „W. T. B.“ meldet, an zwei Abenden hintereinander Ausschreitungen des skandalsüchtigen Pöbels gegen die Polizei statt. Die Gendarmerie stellte schließlich die Ordnung her und nahm mehrere Verhaftungen vor. Ein Gendarm wurde verletzt. Der Gemeinderath hat eine öffentliche Warnung vor weiteren Ausschreitungen erlassen.

Wien, 18. April. Der in Ungarisch⸗Hradisch ausgebrochene Brand (vergl. Nr. 91 d. Bl.) konnte gestern Nachmittag lokalisiet werden. Der Schaden ist sehr bedeutend, die Brandursache unbekannt,

Wien, 19. April. Infolge der andauernden Dürre fanden in den Ortschaften Poettsching und Obritz in Nieder⸗Oesterreich, sowie Kiràly⸗Helmee und Illava in Ungarn große Brände statt. Ueber hundert Wohnhäuser, viele Scheunen und Stallungen sind niedergebrannt. Der Schaden ist groß. Drei Menschen haben bei den Bränden das Leben verloren.

Krakau, 18. April. Bei dem gestrigen Brande in Nerx⸗ Sandec (vergl. Nr. 91 d. Bl.) sind, wie „W. T. B.“ meldet, 133 Häuser, nahezu zwei Drittel der Stadt, eingeäschert worden. Die brennenden Holzstücke flogen infolge des heftigen Windes bis zu einem 3 km entfernten Vorwerke, welches vollständig abgebrannt ist. Militär und Gendarmerie halten die Ordnung aufrecht und bewachen das gerettete Gut. Der Schaden wird auf eine halbe Million Gulden geschätzt.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

Wetterbericht vom 19. April, 8 r Morgens.

sp. m.

haus.

Stationen. Wind. Wetter.

Temperatur 0 Celsius

in

Bar. auf 0 Gr. red. in Milli

u. d. Meeres

80

wolkig halb bed. Nebel bedeckt Regen halb bed. Schnee bedeckt

Belmullet .. Aberdeen 766 Christiansund 762. Kopenhagen. 760 Stockholm . 763 Haparanda . 772 St. Petersbg. 766 Moskau. 765 Cork, Queens⸗

L6757 760 . 752 762 761 Swinemünde 759 Neufahrwasser 759 Memel 760

5 1171] ünster.. 758 Karlsruhe. 759 Wiesbaden 758 emni

Berlin.. 759 Wien.. 758 Breslau. 1 Ile d'Aix 760 N

Nizza.. 759 O

Triest.. 760 SO

¹) Früh Thau. ²) Mittags Regen. ³) Früh etwas Regen. ⁴) Gestern Gewitter mit Regen u. Hagel. ⁵5) Nachm. Gewitter, Abends Regen. ⁶) Nachts Gewitterregen.

Uebersicht der Witterung.

Die Luftdruckvertheilung ist über Europa andauernd gleichmäßig; Hochdruckgebiete liegen über Lappland, Südost⸗ und West⸗Europa, während eine umfangreiche flache Depression Zentral⸗Europa überdeckt. Bei schwacher Luftbewegung aus veränderlicher Richtung ist das Wetter in Deutschland warm, im Nordwesten heiter, in den übrigen Gebietstheilen vorwiegend trübe; vielfach ist Regen gefallen, insbesondere in Süddeutschland, wo auch Gewitter stattfanden. An der ostpreußischen Küste liegt die Temperatur um 8 Grad über dem Mittelwerth⸗ Auch in Frankreich kamen stellenweise Gewitter vor. Nizza meldet 21 mm Regen. Deutsche Seewarte.

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7 ½ Uhr.

heiter 9 Forhig 18

egen 1 heiteri) 9 Felix heiter 11 wolkig²) 8 bedeckl³) wolkig 12

wolkig heiter 11 von Nebel¹) 8 bedeckt) 11 wolkigé) 10 Regen 8 bedeckt 9 halb bed. 9 wolkenlos 11

wolkig 11 wolkenlos 8 Regen 15

18.S

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Venedig.

Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schanspiele. 99. Vorstellung. Oper in 3 Akten von Richard esetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. apellmeister Weingartner. Schauspielhaus. Prinz von Dänemark. zügen von William Shakespeare. August Wilhelm von Schlegel. vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Sonnabend: Opernhaus. Medici. Historische Handlung in 4 Akten, Dich⸗ tung und Musik von R. Leoncavallo. von Emil Taubert.

Schauspielhaus. 107. Vorstellung. Ein Sommer⸗ nachtstraum von William Shakespeare, übersetzt von August Wilhelm von Schlegel. Mendelssohn⸗Bartholdy. Graeb. Anfang 7 ½ Uhr.

Deutsches Theater. Freitag: Zum 1. Male.

10 Sngh. und Liebe.

jörnstjerne Björnsen. Sonnabend: Der Herr Senator. Sonntag: Geographie und Liebe Montag: Der Herr Senator.

Herliner Theater. Freitag: 34. Abonne⸗ ments⸗Vorstellung. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Maria und Magdalena.

Sonntag, Nachm. 2 ½ Uhr: Der Kaufmann von ends 7 ½ Uhr: Eva. 6

Lessing · Theater. Sonnabend: Niobe. Sonntag: Das zweite Gesicht

Wallner-Theater. Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theaters.

Sonntag: Die Fledermaus. in 3 Akten nach Meilhac und Halevy, bearbeitet von Carl-Haffner und Rich. Genée. 1 Strauß. Regie: Herr Unger. Dirigent: Herr Kapell meister Federmann.

Freitag: Opern⸗ Freitag:

Lohengrin. Romantische agner. In Secene Dirigent: Anfang 7 ½ Uhr. 106. Vorstellung. Hamlet, Tragödie in 5 Auf⸗ Uebersetzt von In Seene gesetzt Anfang 7 ½ Uhr. 100. Vorstellung. Die

Carl Millöcker. Herr Kapellmeister Federmann.

burg. coré). S Anfang 7 ½ Uhr.

Freitag: Zum 6. Male. wa

Uebersetzung Tanz von Emil Graeb. Anfang

burg. Freitag: Zum 2. Male. bonheur conjugal).

in V Musik von von Albin Valabrèͤgue.

Tanz von Emil

Ingend.

Lustspiel in 3 Aufzügen 4 Anfang 7 ½ Uhr. Freitag: Halbe Kassenpreise. Nur noch wenige Aufführungen. Kapitän Grant.

Ballet in 12 Bildern.

Auf allgemeines Verlangen. Lumpaci vagabundus.

Die Jungfrau von Orleans. 8

in 5 Bildern von Columbia, Ballet.

Freitag: Niobe.

Charley’s Tante. Brandon Thomas.

Gesammt⸗Gastspiel des Racbbson und Benno Jarobson

Komische Operette

Musik von Johann

Anfang 7 ½ Uhr. Freitag: Zum 13. Male.

8

Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25.

Der Bettelstudent. Operette in drei

Musik von

Dirigent:

Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Der Bettelstudetne.

Akten von F. Zell und Rich. Genée. Regie: Herr Unger.

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ Dekorirt (Dé- nk in 3 Akten von Henry Meilhac.

Sonnabend und folgende Tage: Dekorirt.

Neues Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ Eheglück (Le Lustspiel in 3 Akten g Deutsch von Buchholz und Wulff. Regie: Joseph Jarno. Anfang 7 ½ Uhr. Sonnabend und folgende Tage: Eheglück. Sonntag, Nachmittags 3 Uhr, zu halben Preisen:

Viktoria-Theater. Belle⸗Alliancestraße 7/8. Zum 499. Male. 1 Die Kinder des Ausstattungsstück mit großem 1 Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr, ermäßigte Preise. Zum letzten Male. Große Posse mit Gesang und Tanz in 5 Akten von Nestroy.

Theater Unter den Linden. Neu einstudiert: Pariser Leben, Komische Operette J. Offenbach. Anfang 7 ½ Uhr.

Adolph Ernst⸗Theater. Freitag, 7 ½⅛ Uhr: Schwank in 3 Akten von Vorher: arodistische Posse mit Gesang in 1 Akt von Ed. Musik von Franz öth. In Scene gesetzt von Ad. Ernst.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Bentral⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30.

Der neue Kurs.

Posse mit Gesang in 3 Akten von Leopold Ely.

Musik von Julius Einödshofer. Anfang 7 ½ Uhr. Sonnabend: Der neue Kurs.

Konzerte.

Konzert-Haus. Freitag: Karl Merder⸗ Konzert. Ouv. „Loreley“ von Lachner. „Sanmta Chiara“ S. H. z. S. „Stradella“ von Flotow. Prolog aus „Die Bajazzi“ von Leoncavalco. „Künstlerleben“, Walzer von Strauß. Traumbilder⸗ Phanfasie von Lumbve. O cara memoria für Celo von Servais (Herr Smit). „Der Liebestraum“ für Piston von Hoch (Herr Werner).

Schluß der Konzert⸗Saison am 29. April cr.

Philharmonie. Freitag, Abends 8 Uhr: Orchester⸗Konzert mit eigenen Kompositionen von Karl Gleitz.

Birkus Renz (Karlstraße). Nur noch kuͤrze Zeit! Freitag, Abends 7 ½ Uhr: Auf auf zur fröhlichen agd. Parforce⸗ und Kaskadenritt. Ballet von 100 Damen. Meute von 40 Hunden. Außerdem: 6 Rappen und Karoussel von 30 Pferden, vorgeführt von Herrn R. Renz; Mikado und der Steiger Solon, geritten von Frau Renz⸗Stark; der Ponny Polichinell, vorgef. von Herrn Lavater Lee; die Handakrobaten Gebr. Detroit; die Luftgym⸗ nastiker Gebr. Wortley ꝛc. 8 Sonnabend: Benesiz für den „August“ Lavater Le⸗ Sonntag: Zwei Vorstellungen.

eerneAwaMHRüEAüMRwixsrermexMen Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Marie Brade mit Hrn. 889 8 Bernhard Feafen Strachwitz (Wiesbaden⸗Fran⸗ 8 furt a. M.). Frl. Hedwig Haack mit Hrn. Freitag: Lieut. Erich Hecker (Berlin). 8 t Verehelicht: Hr. Pfarrer Clemens Bassenge m. Frl. Hedwig von Rheinbaben (Potsdam). no Geboren: Ein Sohn: Hrn. Prem. Lieut. von Selchow (Leobschütz). Wein⸗ Gestorben: Hrn. General⸗Lieut. z. D. E. Hr. berger Tochter Anna (Charlottenburg). Solt Ober⸗Regierungs⸗Rath a. D. Ludwig von Mar (Düsseldorf). Hr. Rittmeister a. D. 200 Körber (Charlottenburg).

Hierauf:

Die Bajazzi.

Redakteur: Dr. H. Klee, Direktor.

Berlin: Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Vaadag⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sieben Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

der für ungültig

g e

den Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preu

Berlin, Donnerstag, den 19. April

.— 8

en Staats-Anzeiger.

Deutscher Reichstag. .Sitzung vom Mittwoch, 18. April, 1 Uhr.

Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits in der vom Mittwoch berichtet worden.

Die Wahl des Abg. von Holleuffer⸗Löwenberg (dkons.) wird nachdem nach dem Abg. Gamp noch die Abgg. Auer (c0) für seine Person und Spahn (Zentr.) den Kommissionsstandpunkt ver⸗ theidigt haben, der Abg. Rickert (fr. Vg.) nochmals demselben entgegen⸗ getreten ist, dem Kommissionsantrag gemäß für gültig erklärt.

Desgleichen erklärt das Haus in Uebereinstimmung mit der Kom⸗ mission die Wahl des Abg. Dr. Böhme⸗Annaberg (nl.) für gültig und beschließt die Veranstaltung von Erhebungen zur eventuellen Fektifzierung der in den betreffenden Protestpunkten angeschuldigten Beamten.

Die Wahl des Abg. Wamhoff⸗Hannover (nl.) soll beanstandet, und nach einem nachträglichen Antrag der Kommission auch über die Behauptungen des Gegenprotestes und des gegen diesen eingegangenen Schriftstückes durch Zeugenvernehmung Beweis erhoben werden.

Abg. v. Strombeck (Zentr.) hatte eine Erweiterung der Er⸗ hebungen dahin beantragt, daß auch über einige von der Kommission nicht als genügend substantiiert angesehene Behauptungen amtlicher Wahlbeeinflussung Beweis erhoben werden sollte. Die Kommission hat den Antrag abgelehnt.

Der Kommissionsantrag wird unverändert angenommen.

Die Kommission hat ferner beschlossen, die Wahl des Abg. Grafen Moltke⸗Pinneberg (Rp.) für gültig zu erklären. Der Protest hatte besonderes Gewicht auf die Thatsache gelegt, daß die Wähler der in Altona eingemeindeten Ortschaften Ottensen, Bahren⸗ feld, Othmarschen und Oevelgönne, welche zum Wahlkreise gehören, zur Einsichtnahme der Wählerlisten nach Altona hätten gehen müssen. Die Auslegung der Wählerlisten außerhalb des Wahlkreises sei un⸗ gesetzich und mache den ganzen Wahlakt ungültig, umsomehr, als in der Stichwahl der Abg. Graf Moltke nur 98 Stimmen mehr erhalten habe als der sozialdemokratische Gegenkandidat und frühere Vertreter des Wahlkreises, der Abg. Molkenbuhr. Nach der Ansicht des Altonaer Magistrats sei das Verfahren für gerechtfertigt anzusehen, da nach Vorschrift des Wahlgesetzes die Auslegung in der Gemeinde zu geschehen habe. Die Kommission hat mit Stimmengleichheit ( gegen 6) die Erheblichkeit dieses Protestpunktes verneint.

Abg. Auer (Soz.) beantragt aus dem vorstehenden Grunde die Ungültigkeitserklärung der Wahl und führt unter Bezugnahme auf ähnliche Situationen in den Wahlkreisen Leipzig, Dresden, München, Köln aus, daß an der Ungesetzlichkeit jenes Vorganges nicht der mindeste Zweifel sei. Wäre die Auffassung des Altonaer Magistrats richtig, so hätte auch der Magistrat von Berlin das Recht, die Wählerlisten für alle sechs Wahlkreise einfach auf dem Berliner Rathhause auszulegen, ein Verfahren, das thatsächlich die Einsicht⸗ nahme in die Wählerlisten, wie sie das Wahlgesetz als Recht des Wählers statuiere, unmöglich mache. 8

Abg. Gamp (Rp.) giebt zu, daß hier eine Lücke im Wahlgesetz vorhanden sei, kann aber nicht finden, daß deshalb die Wahl für ungültig erklärt werden müsse; es wären ja dann auch alle Berliner Wahlen nichtig, da auch hier die Listen nicht für jeden Bezirk besonders ausgelegt seien. Eine solche Vorschrift stände auch nirgends ausdrücklich im Wahlgesetz.

Abg. Spahn (Zentr.) hält aus den von dem Abg. Auer ent⸗ wickelten Gründen die Wahl gleichfalls für ungültig. In einem analogen Fall habe der Reichstag schon früher entsprechend entschieden und könne jetzt nicht inkonsequent handeln.

Abg. Bebel (Soz.): Es komme doch lediglich darauf an, ob der Wähler innerhalb der Grenzen seines Wahlkreises Einsicht in die Wahllisten nehmen kann. Dieser Grundsatz ist hier verletzt; Altona ist ein anderer Wahlkreis. Vor der Eingemeindung haben die Wähler⸗ listen stets in den einzelnen Ortschaften selbst ausgelegen. Der vor⸗ liegende Fall ist bis jetzt einzig in seiner Art und die Verletzung des Gesetzes nicht wegzudisputieren. Die Ungültigkeit muß also aus⸗ gesprochen werden.

Abg. von Holleuffer (dkons.) kann sich durch diese Darlegungen nicht überzeugen, daß die Wahl ungültig ist; denn es fehle eben an gesetzlichen Vorschriften über den streitigen Punkt.

Abg. Gröber (Zentr.): Es ist eine einfache Konsequenz der sonstigen Vorschriften des Wahlgesetzes, daß die Auslegung der Wahl⸗ listen auch im Wahlkreise selbst resp. im Wahlbezirke stattfindet. Die Vüieseßlichkeit des Verfahrens in Ottensen u. s. w. ist danach

veifellos.

Abg. Dr. Enneccerus (nl.) bestreitet, daß diese Auffassung in solcher Allgemeinheit zutreffend sei, während der Abg. Auer grauf verweist, daß der zu den Kommissionsberathungen beigezogene Regierungskommissar, Geheime Regierungs⸗Rath von Philipsborn selbst erklärt habe, daß die Handlaere e des Altonaer Magistrats s sinngemäßer Auslegung des Wahlgesetzes als korrekt nicht anzu⸗

hen sei.

Miit 143 gegen 123 Stimmen wird die Wahl des Abg. Grafen Moltke für ungültig erklärt.

Die Wahl des Abg. von Polenz⸗Plauen (dkons.) ist von erklärt worden. Die Ungültigkeits⸗ erklärung ist begründet hauptsächlich durch den Umstand, daß der Gewählte als Amtshauptmann von Plauen, also als oberster Beamter seines Wahlkreises, die Vertheilung von Flugblättern und Stimm⸗ jetteln zwischen der Haupt⸗ und der Stichwahl im Amtsblatt unter⸗ sagt hat, eine Maßregel, über deren Ungesetzlichkeit in der Kommission nur eine Stimme geherrscht hat. 2 d Die Abgg. von Schöning und Genossen (dkons.) beantragen, ie Wahl nur zu beanstanden. d Abg. von Schöning (dkons.) empfiehlt diesen Antrag und weist arauf hin, daß die Kommission mit sechs gegen fünf Stimmen über

die erwähnte Gesetzesverletzung Beweiserhebung beschlossen, am nächsten b 166 aber bei etwas verändertem Stimmverhältniß sich für sofortige

assierung entschieden habe.

K bg. Lenzmann (fr. Volksp.) konstatiert, daß er zu den beiden winnmisionsmitgliedern gehört, die wegen dieser flagranten Gesetz⸗ bi rrigkeit die sofortige Ungültigkeit der Wahl beantragt und dafür ie Mehrheit gewonnen haben.

lai Die Abgg. Dr. Pieschel (nl.) und von Holleuffer (dkons.) plaidieren für den Antrag Schöning, da die hier vorgekommene Un⸗ gesetzlichkeit nicht ohne weiteres die Gültigkeit der Wahl ausschließe,

man vielmehr über die Tragweite ihres Einflusses auf das Wahl⸗

bigebniß sich erst orientieren müsse. Zum ersten Male schienen hier 8 politischen Leidenschaften über die nüchterne Erwägung den Sieg vedangetragen zu haben; das Vorgehen der Kommissionsmehrheit sei ein Mittel swidriges und gewaltthätiges gewesen, gegen das man alle tel der Nothwehr eventuell anzuwenden berechtigt sei. des A räsident von Levetzow ruft den Abg. von Holleuffer wegen 8 Ausdrucks „gewaltthätig“ zur Ordnung. 1 hs g. Gröber (Zentr.) bittet den Präsidenten, die Kommission wehcsf Angriffe in Schutz zu nehmen. räsident von Levetzow: J laube das Dedrangeruf bereits gethan 2 hee..ch 8 Ents 9. Rickert (fr. Vg.) verweist auf einen neuerdings ergangenen Rascheid des Ober⸗Verwaltungsgerichts, wonach beim Vorliegen

mit meinem

einer Wahlbeeinflussung der gedachten Art es des Nachweises des ziffermäßigen Einflusses auf das Wahlresultat nicht bedürfe.

. Abg. Spahn (Zentr.) tritt als Vorsitzender der Kommission für die Beschlüsse derselben ein und protestiert gegen den in den Ausführungen des Abg. von Holleuffer enthaltenen Vorwurf, daß die Mehrheit mala fide vorgegangen sei.

Abg. Gröber (Zentr.) befürwortet die Kassierung der Wahl, 1“ der Kommission vollkommen korrekt zu stande ge⸗

ei.

Abg. Bebel (Soz.): Ob die Kommission bereits den Antrag auf Kassierun stellte oder wir ihn jetzt eingebracht hätten, bleibt für die Schlußabstimmung des Reichstages doch gleichgültig. Die Thätigkeit des Abg. von Polenz in Wahlsachen ist dem Reichstage nicht mehr unbekannt; sein Verhalten habe 1892 dazu geführt, die Wahl des Abg. Kurtz für ungültig zu erklären. War der Abg. von Polenz etwa so gesetzesunkundig, daß er in gutem Glauben das Verbot erließ oder das von seinem Vertreter zur Nachachtung insbesondere den Sozialdemokraten gegenüber einschärfte? Wie konnte er es dann bis zum Amtshauptmann bringen? Jeder Webergeselle im 23. sächsischen Wahlkreis besitzt ja mehr Gesetzeskenntniß. Daß das Verbot die Wahlbetheiligung beeinflußt hat, steht außer Frage; denn bei der Möglichkeit freier Agitation hätten wir noch einige hundert Wähler mehr aufbieten, vor allem aber auch auf diejenigen weiter einwirken können, die sich an der ersten Wahl betheiligt hatten.

In der wird zunächst der Antrag der Deutsch⸗ konservativen auf Beanstandung der Wahl abgelehnt.

Zur Geschäftsordnung erbittet und erhält hierauf das 1“ 8.

bg. Dr. von Buchka (dkons.): Der Abg. von Polen hat mich für den Fall der Ablehnung unseres Antrags dem ööö die schriftliche Anzeige zu übermitteln, daß er sein Mandat niederlegt. EEWIeEAbgg. Singer (Soz.), Rickert (fr. Vg.) und Richter (fr. Volksp.) protestieren gegen diese Verletzung der Geschäfts⸗ ordnung; der Präsident, habe diese Mittheilung garnicht entgegenzu⸗ nehmen, da man sich mitten in der Abstimmung befinde.

. Dr. Bachem (Zentr.): Bei der Verhandlung über die

Wahl des Abg. Möller ist 1893 diese Frage schon entschieden worden. Auch damals theilte der Abg. Möller die des Mandats mit; gleichwohl wurde die Wahl für ungültig erklärt. Der Präsident bemerkt, daß auch nach seiner Meinung von ihm nr betreffende Anzeige nicht zur Kenntniß des Hauses gebracht werden önne.

Wahl wird darauf mit großer Mehrheit für ungültig erklärt.

„Es folgt die zweite Berathung des vom Abg. Grafen von Dönhoff⸗Friedrichstein (b. k. F.) u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Heimstättengesetzes.

Nach 81 hat jeder 24 Jahre alte Deutsche das Recht, eine Heimstätte zu errichten.

Die Abgg. Graf von Dönhoff⸗Friedrichstein u. Gen. beantragen heute eine Resolution, in welcher die Regierung ersucht wird, in der Richtung des beantragten Entwurfs dem Reichstag in der nächsten Session einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Abg. Gamp (Rp.) empfiehlt die Resolution und wendet sich gegen die Ausführungen des Abg. Dr. Schoenlank. Der Umstand, daß der Antrag von Herren vom Zentrum, von Ost und West, von Nord und Süd unterschrieben ist, beweise schon, wie unhaltbar die Insinuation des Abg. Dr. Schoenlank sei, daß der Gesetzentwurf nur im Interesse der ostelbischen Grundbesitzer eingebracht sei. Die land⸗ veftescgghschen Arbeiter seien sehr wohl in der Lage, sich eine Heimstätte zu erwerben; namentlich könnten die Arbeiter, welche auf Grund des Unfallversicherungsgesetzes eine Unfallrente beziehen und dafür die Kapitalabfindung nehmen, sich für diese eine Heimstätte s Von dieser Möglichkeit werde sehr viel Gebrauch gemacht werden.

Abg. Dr. Schoenlank (Soz.) bleibt dabei, daß es hauptsächlich darauf abgesehen sei⸗ die ländlichen Arbeiter im Osten zu einer neuen Art von Hörigkeit zu verurtheilen. Der größte Theil der deutschen Bauern bedanke sich schönstens dafür, sich diese Heimstätten⸗Gesetz⸗ gebung aufdrängen zu lassen. Auch in Amerika ist man bereits zu der Ueberzeugung gekommen, daß die dortige Heimstätten⸗Gesetz⸗ gebung durchaus verfehlt war, weil sie die steigende Verschuldung des Grundbesitzes nicht zu verhindern vermocht hat, wie Max Sering, den die Regierungen zum Studium der landwirthschaftlichen Verhält⸗ nisse nach Amerika geschickt haben, berichtet. In Texas beträgt der landesübliche Zinsfuß 12 %; die bankers nehmen für ihre Darlehen Wucherzinsen bis zu 50 %. Mit der starren Verschuldungsgrenze wird also die Auswucherung des kleinen Landwirths geradezu ge⸗ fördert. Dieser Entwurf ist lediglich ein Ausdruck einer potenzierten Verlegenheitspolitik. Wir, die Sozialdemokratie, sind auf alle Fälle auch hier der lachende Dritte. Dieselben Herren, deren Vorfahren Jahrhunderte lang die Bauern legten und sie jetzt bedrücken und aus⸗ nutzen, kommen mit diesem unmöglichen Mittel, den Bauer wieder seßhaft zu machen.

Abg. Rickert (fr. Vg.) bittet um Auskunft, was die mitgetheilte Resolution bezwecke. 1

G Präsident erklärt, die Vertheilung sei etwas zu früh erfolgt. Abg. Dr. von Bennigsen (nl.) als Miteinbringer erklärt, daß sie zur Verhandlung kommen sollte nach Erledigung des § 1.

Abg. Dr. Schaedler (Zentr.): Ich stehe der Tendenz der Vorlage durchaus zustimmend gegenüber. Einige Zweifel, welche ich hinsichtlich der Reichskompetenz noch hätte, werden sich aufs einfachste lösen, indem die Resolution zur Annahme gelangt. 1

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.): Nach diesen Erklärungen scheinen die Antragsteller doch von ihrem Vorgehen einen direkten Erfolg selbst nicht mehr zu erwarten. Wir beschränken uns unter diesen Umständen darauf, gegen diesen Versuch zur Herstellung bäuer⸗ licher Fideikommisse zu stimmen.

Abg. Dr. Hahn (b. k. F.) stellt in längerer Rede die Vorzüge der Errichtung einer Heimstätte für die kleinen Landwirthe dar. Schon die Hohenzollern hätten diese Politik befolgt. Ein solches Gesetz sei die beste Fortsetzung der vom Deutschen Reich inaugu⸗ rierten Sozialreform. Wolle sich Deutschland militärisch in Europa behaupten, so müßte dieses Gesetz angenommen werden.

Abg. Rickert (fr. Vg.): Wenn das Deutsche Reich keine festeren Säulen hätte als diesen Gesetzentwurf, der noch dazu durch eine Resolution beseitigt werden soll, so thäte es mir leid um mein Vaterland. In den vertraulichen Besprechungen des Seniorenkonvents hat niemand davon gesprochen, daß dieses Gesetz noch erledigt werden sollte. An eine gründliche Diskussion ist garnicht zu denken; gleichwohl muthen Sie uns im letzten Augenblick eine solche Auf⸗ abe zu und heute wollen Sie großmüthig die Arbeit der Regierung überlassen. Die Sache ist noch nicht reiflich durchdacht. Wir werden § 1 ablehnen, weil wir nicht wissen, was hinterher kommt, und doranf kommt es allein an, und die Resolution werden wir erst recht ablehnen.

Abg. von Janta⸗Polcynski (Pole) erklärt, daß nach seiner Auffassung viel nothwendiger, als dieses Gesetz, ein Gesetz sei, welches das Ansiedelungsgesetz beseitige. .““

Abg. Dr. Boeckel (d. Refp.): Wir sind für den Antrag, der einen Bruch mit dem römischen Recht, eine Eee ae. 8 das deutsche Recht für uns bedeutet und als der erste Schritt zur Durch⸗ führung eines deutschen Agrarrechts erscheint. Es genügt aber nicht, wenn die Errichtung einer Heimstätte nur fakultativ gemacht wird; eine solche halbe Maßregel verspricht keinen dauernden Erfolg. Wir begrüßen den Antrag aber als einen Anfang auf diesem Gebiet, und auch deshalb, weil er das pfandfreie Existenzminimum auf die Landwirthschaft ausdehnt. Die E habe bisher nur für Militärvorlagen, Steuern und Handelsverträge Verständniß gehabt; endlich einmal möge sie zeigen, daß sie auch für Sozialreform Ver⸗ ständniß habe. Der Reichstag sei keine bloße Bewilligungsmaschine.

Abg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.) spricht sich 8 ö Ausführungen gegen den Abg. Dr. Schoenlank für

n aus. §1 wird hierauf mit beträchtlicher Mehrheit angenommen.

. Graf Dönhoff (b. k. F.) erklärt, auf die Weiterberathung im Einverständniß mit den übrigen Antragstellern verzichten zu wollen und bittet, die eingebrachte Resolution anzunehmen, da die Geschäfts⸗ lage des Hauses die Durchberathung nicht mehr gestatte, weil für morgen der Schluß der Session in Aussicht genommen sei.

Abg. Rickert (fr. Vg.) vermag nicht einzusehen, wozu solche Eile nöthig ist, weshalb in der nächsten Session die Regierung eine Vorlage machen solle. Man möge doch wenigstens die Worte „in der nächsten Session“ fortlassen.

Abg. Gamp (Rp.): Es sind schon weitgehende Vorarbeiten im Reichs⸗Justizamt vorhanden. Weshalb soll also die Forderung an die Regierung nicht erhoben werden?

Die Resolution wird angenommen.

Zur Uebersicht der Reichs⸗Einnahmen und Aus gaben für 1892/93 werden die Etatsüberschreitungen und außeretatsmäßigen Ausgaben vorläufig genehmigt.

Zur dritten Berathung der Novelle zum Viehseuchen⸗ gesetz hat der

Abg. Dr. Boeckel (d. Resp.) seinen Antrag wieder aufgenommen, wonach Viehhändler zur regelmäßigen Führung von Büchern ver⸗ pflichtet sein sollen, in welchen Aus⸗ und Eingang aller von ihnen gehandelten Thiere sorgfältig verzeichnet sein e Zuwiderhandelnde von der Ortspolizeibehörde bestraft werden sollen und absichtlich Angaben unter die Strafandrohungen der §§ 267 ff. gestellt verden.

Abg. Dr. Boeckel (d. Refp.) befürwortet seinen Antrag.

8 Regierungskommissar, Wirklicher Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Beyer hält die im Gesetz gegebenen Fakultäten für ausreichend; dieselben gestatten auch, Anordnungen im Sinne des Antrags zu mi Eine obligatorische Vorschrift in dieser Richtung gehe aber

u weit.

Abg. Dr. Stephan (Zentr.) lehnt auch den Antrag als zu weitgehend ab.

Der Antrag Boeckel wird abgelehnt, die Vorlage nach den Beschlüssen zweiter Lesung unverändert angenommen, ebenso in der Gesammtabstimmung im ganzen.

Die Vorlage, betreffend die Aenderung des § 41 der Konkursordnung, wird unverändert definitiv genehmigt, eine von dem Abg. Gröber eingebrachte Resolution auf Ver anstaltung einer Konkursstatistik ohne Debatte angenommen.

Schluß gegen 6 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 52. Sitzung vom 18. April 1894.

Im weiteren Verlauf der zweiten Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Aufsuchung und Gewinnung der Kali⸗ und Magnesiasalze (s. den Anfangsbericht in der Mittwochs⸗Nummer d. Bl.), nahm nach dem Abg. Schmieding (nl.) das Wort der

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren! Die Bedenken, welche der Herr Abg. Schmieding vorgetragen hat, theilt er selbst in zwei Theile: in wirthschaftliche und technische. Sie wollen mir gestatten, daß ich namentlich die ersteren jetzt schon mit einigen Worten berühre.

Der Herr Abg. Schmieding hat die Frage aufgeworfen: was wird werden, wenn das Gesetz angenommen wird, und wie werden die Verhältnisse sich gestalten? Er beantwortet die Frage dahin, daß er sagt: der Bergbau wird in den Theilen, wo er bis jetzt schon weit vorgeschritten ist, weiter gehen, in denjenigen Landestheilen, wo man bisher keinen Kalibergbau getrieben hat, todt daliegen und man wird gerade die Theile, die durch ihre landwirthschaftlichen Verhält⸗ nisse ganz besonders auf den Konsum von Kali hingewiesen sind, auf das empfindlichste durch das Todtlegen des Kalibergbaus schädigen.

Meine Herren! Die Absicht des Gesetzes ist allerdings die, das Gegentheil von dem herbeizuführen, was der Herr Abg. Schmieding uns ausgeführt hat. Ich bitte Sie zu beachten, daß wir bis jetzt völlige Bergbaufreiheit haben, und daß es bis jetzt keinem Privatunternehmer eingefallen ist, mit dem Versuche vorzugehen, in den östlichen Pro⸗ vinzen einen Kalibergbau zu eröffnen. Und warum? Wohl, meine Herren, aus dem sehr einfachen Grunde, weil man der Meinung war, daß man dort kein Kali finden würde. Man kann Steinsalz an vielen Stellen finden; man hat deshalb noch kein Kali, und die Boh⸗ rungen, die bis jetzt vorgenommen worden sind in den öst⸗ lichen Landestheilen: Pommern, Ost⸗ und Westpreußen, Posen, Brandenburg, haben mit einer ganz verschwindenden Ausnahme bei Inowrazlaw bis jetzt das Vorhandensein von Kali nicht nachge⸗ wiesen, und auch in Inowrazlaw selbst ist der gemachte Fund so un⸗ erheblich, daß an die Eröffnung eines Betriebes auf diesen Fund hin garnicht zu denken ist. Also, meine Herren, die Sache ist so, daß heute bei der völligen Bergbaufreiheit aus sehr einfachen Gründen die Privatunternehmung sich auf Kaligewinnung garnicht gelegt hat. Wenn nun das Gesetz Annahme findet, meine Herren, so werden ja die Hoffnungen auf Finden von Kali in diesen Provinzen allerdings nicht größer. Der Fiskus wird aber ungesäumt, sowie das Gesetz An nahme gefunden hat, von neuem seine Versuche aufnehmen; er wird in den östlichen Provinzen, wo er nur halbwegs darauf rechnen kann

dort vielleicht noch Kali zu finden, Bohrversuche machen, und 1 bürdiger Weise findet, wird er un