1894 / 100 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 28 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

habe, an die Kengge. Staatsregierung das Ersuchen zu richten, bevor ein Gesetzentwurf, betreffend das preußische Wasserrecht, den gesetzgebenden Faktoren vorgelegt wird, dem Kommunal⸗Landtag des Regierungsbezirks event. dem Pro⸗ vinzial⸗Landtag Gelegenheit zu geben, sich über den Entwurf gutachtlich u äußern. Es wurde ferner beschlossen, den eee huß zu beauftragen, den Entwurf des Wassergesetzes in seinen im Laufe des Frühjahrs und Sommers stattfindenden Sitzungen event. unter Zuziehung von geeigneten Gutachtern zu berathen, um eine besonders sorgfältige und gründliche Vorbereitung der Stellung⸗ nahme des Kommunal⸗Landtags zu dem Entwurf zu erreichen. Das Gesuch der Gemeinde Hasselbach um Bewilligung eines Zuschusses zu den Kosten der Wasserleitungs⸗ und Kanalisierungs⸗ arbeiten wurde mit der Anheimgabe abgewiesen, sich an den Kreisausschuß zu wenden. Bezüglich der Gesuche des ꝛc. Weiland zu Schierstein und des ꝛc. Nicolai zu Wiesbaden um Gewährung von Entschädigungen für an Milzbrand gefallene Thiere wurde beschlossen, den Bittstellern die reglements⸗ mäßigen Entschädigungen zu gewähren. Das Gesuch der Ge⸗ meinde Ober⸗Asphe um Bewilligung einer Beihilfe zu den Kosten eines Schulhaus⸗Neubaues wurde abgelehnt, ebenso das Gesuch des 2ꝛc. Müller zu Villmar um Bewilligung einer Unterstützung zu den Kosten des Wiederaufbaues einer ein⸗ gestürzten Scheune. Endlich wurde das Gesuch des ꝛc. Hen⸗ rich II. zu Wissenbach wegen Auszahlung der Brand⸗ entschädigung ꝛc. dem Landesausschuß zur Beschlußfassung überwiesen.

In der heutigen fünften Sitzung gelangte die Vorlage über den Bau von Kleinbahnen in Nassau und der darüber erstattete Bericht der Kleinbahnkommission zur Verhandlung.

Es wurde beschlossen, die von der gedachten Kommission gestellten Anträge in folgender Fassung zu genehmigen:

Der Kommunal⸗Landtag wolle beschließen: 1

I. Den Bau und Betrieb von Kleinbahnen im Sinne des Gesetzes vom 28. Juli 1892 nach Maßgabe der nachstehenden Grundsätze zu fördern:

1) Der Bezirksverband kann Kleinbahnunternehmen innerhalb des Regierungsbezirks Wiesbaden, insbesondere solchen Unter⸗ nehmen, welche

a. nicht hauptsächlich dem Personenverkehr in der Nähe der goßfen

Städte oder ausschließlich einzelnen kapitalkräftigen industriellen Betrieben dienen sollen, vielmehr dazu bestimmt sind, Theile des Regierungsbezirks für den Eisenbahnverkehr aufzuschließen und die Frachten zu verbilligen, und

. seitens der Betheiligten Kreise, Gemeinden und der an der

Strecke liegenden oder an derselben interessierten Grundbesitzer

und Industriellen ins Leben gerufen werden sollen, Unterstützung dadurch gewähren, daß er sich der Regel nach mit einem Drittel Peegon an dem für das Unternehmen erforderlichen Anlage⸗ kapital betheiligt, sofern die Aufbringung des Restes durch die Be⸗ theiligten gesichert ist. .

Die Kosten des Grunderwerbs und für Entschädigung der Grund⸗ eigenthümer für Nutzungen und Wirthschaftserschwernisse sind lediglich von den Betheiligten aufzubringen und bleiben bei Berechnung des Anlagekapitals dem Bezirksverband gegenüber außer Ansatz:

ind die Betheiligten nicht im stande, die ihnen obliegenden zwei Drittel (66 %) des Anlagekapitals ohne zu schwere finanzielle Belastung aufzubringen oder stellen sich die Grunderwerbskosten aus⸗ nahmsweise hoch, so ist der Landesausschuß ermächtigt, eine höhere Be⸗ theiligung des Bezirksverbandes bis zum Höchstbetrage von 50 %, also der Hälfte des Anlagekapitals, vorbehaltlich der Genehmigung des Kommunal⸗Landtags, zuzusichern. 1

2) Im Falle der Betheiligung muß dem Bezirksverband ein aus⸗ reichender Einfluß auf die Wahl der Linie, die Feststellung des Pro⸗ jekts und den Betrieb der Bahn, namentlich die Bildung der Tarife, gesichert werden.

Nach der Höhe seiner Betheiligung nimmt der Bezirksverband an dem Gewinn oder Verlust des Unternehmens theil. 3

3) Der Bezirksverband wird die betriebsfähige Herstellung der Kleinbahnen, also den Bau und die erstmalige Beschaffung der Be⸗ triebsmittel selbst übernehmen, während es den Betheiligten überlassen ist, die Einrichtung des Betriebs im Einvernehmen mit dem Bezirks⸗ verband zu regeln. Der Bezirksverband ist berechtigt, die Beaufsichti⸗ gung des baulichen Zustandes der Bahnen und die Kontrole der Be⸗ triebsmittel durch seine technischen Beamten auszuüben.

Wenn die Betriebsführung aus irgend welchem Grunde und zu irgend welcher Zeit auf andere Weise nicht zureichend gesichert werden kann, so steht dem Bezirksverband auch die Uebernahme des vollen Betriebs von Kleinbahnen zu. 3

Dasselbe ist der Fall, wenn eine Bahn mehrere Kreise berührt.

4) Zur Beschaffung der erforderlichen Mittel wird vom Etats⸗ jahr 1895/96 ab alljährlich ein Antheil an der Chausseebaurente von 319 500 (Kap. I Tit. 1 „der Einnahme des Wegebaufonds bezw. Kap. I Tit. 2 des Haupt⸗Etats, S. 82 resp. S. 12 des Voranschlags pro 1894/95) in der Höhe von 100 000 zur Verfügung gestellt, welcher für Chausseeneubauten in Zukunft nicht mehr Verwendung findet.

Dieser Betrag kann entweder alljährlich unmittelbar verwendet werden, oder, sofern sich ein Bedürfniß nach Kleinbahnen in größerem Umfange geltend macht, ganz oder theilweise zur Verzinsung einer bis zum Höchstbetrage von 2 500 000 aufzunehmenden Anleihe dienen.

5) Es wird ein Kleinbahnfonds gebildet.

Demselben sind zuzuführen:

a. Die in einem Rechnungsjahr für Kleinbahnen etatsmäßig zur Verftkgung stehenden, nicht zur Verwendung gelangten Beträge;

b. sämmtliche Betriebsüberschüsse und Amortisationsbeiträge der Kleinbahnen, an denen der Bezirksverband betheiligt ist;

c. die Zinsen für Kleinbahnen angesammelter und nicht verwendeter Kapitalien.

6) Sofern ein Kleinbahnunternehmen sich über den Regierungs⸗ bezirk Wiesbaden hinaus erstreckt und ein anderer Regierungsbezirk oder das Großherzogthum Hessen an demselben mitbetheiligt ist, so ist der Landesausschuß ermächtigt, eine angemessene E“ des Bezirksverbandes unter sinngemäßer Anwendung der Nr. 1 mit den übrigen Interessenten vorbehaltlich der Genehmigung des Kommunal⸗ Landtags zu vereinbaren.

7) Der Landesausschuß wird ermächtigt, alles zur Ausführung der vorstehenden Erforderliche zu veranlassen, und beauf⸗ tragt, über alle stattgehabten Bewilligungen und die disponiblen Geld⸗ mittel dem Kommunal⸗Landtag bei jedem Zusammentritt eine Ueber⸗ sicht vorzulegen. h“

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Aus Anlaß des Geburtsfestes Seiner Majestät des

Königs hatten gestern, wie die „Allg. Ztg.“ berichtet, die Königliche Residenz, die Palais der Prinzen und der Gesandten, sämmtliche Staats⸗ und städtischen, sowie zahlreiche Privat⸗ ebäude geflaggt. In der katholischen wie in der protestanti⸗ chen Stadtpfarrkirche fanden Vormittags Festgottesdienste statt. Um 10 Uhr wurde in der St. Michaels⸗Hofkirche ein feierliches Hochamt für die Garnison abgehalten, dem Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Rupprecht, Arnulf und Al hon s, sowie der Kriegs⸗Minister Freiherr von Asch an der Spitze der Generalität und zahlreiche Stabs⸗ und Oberoffiziere beiwohnten. Zu derselben Zeit fand in der St. Theatiner⸗ Hofkirche ein feierliches Hochamt statt, wozu sich die in München weilenden Prinzessinnen des Königlichen Hauses eingefunden hatten. Dem vom Erzbischof von e um 11 Uhr im Dom abgehaltenen Hochamt wohnten Ihre König⸗

lichen Hoheiten der Prinz⸗Regent, der Prinz Ludwig 1ö“ und der Herzog Ludwig, sowie der apostolische Nuntius, die obersten Hofchargen, die Staats⸗Minister Dr. Frei⸗

herr von Leonrod und Dr. von Müller bei.

Baden. Die Zweite Kammer hat gestern den Etat genehmigt, der mit einem Fehlbetrag von 5 ¼4 Millionen Mark bschließt

Mecklenburg⸗Schwerin.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog und Ihre Kaiserliche Hoheit die Großherzogin sind, wie die „Meckl. Nachr.“ mittheilen, von ihrer auf der Nacht „Foros“ unter⸗ nommenen Fahrt an der italienischen Küste am 26. d. M. wieder in Cannes eingetroffen.

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““ Oesterreich⸗Ungarn. 8 Der neuernannte serbische Gesandte Simic ist, wie „W. T. B.“ meldet, in Wien eingetroffen.

Das österreichische Abgeordnetenhaus hat gestern nach längerer Debatte den gesammten Etat des Unterrichts⸗ Ministeriums angenommen. Hierauf interpellierten die Abgg. Noske und Genossen den Minister⸗Präsidenten Fürsten Windischgrätz wegen der antisemitischen Pre⸗ digten des katholischen Pfarrers Deckert in Wien⸗ Währing; sie bezeichneten die Predigten sowohl vom Standpunkte der Israeliten, als auch von dem des echten Christenthums aus als einen Mißbrauch der Kanzel und fragten an, welche Maßregeln die Regierung zu ergreifen beabsichtige, um einer solchen Beleidigung der religiösen Empfindung der Bevölkerung, sowie einer solchen Heraus⸗ forderung der Staatsgewalt Einhalt zu thun und die Störung des Friedens der Bevölkerung zu verhüten.

Auf der gestrigen Tagesordnung des Valuta⸗Aus⸗ schusses stand der Bericht des 1n Szczepanowski über die Gesetze wegen Einlösung der Staatsnoten. Der Abg. Kramar wünschte die Vertagung der Beschluß⸗ fassung, bis das Bankprivilegium vorliege. Der Abg. Menger drückte seine Verwunderung über die Anträge der österreichisch⸗ungarischen Bank aus und erachtete deren Abweisung als selbstverständlich und nothwendig. Der Finanz⸗Minister Dr. von Plener betonte, die Verhandlungen mit der Bank hätten kaum begonnen, er bedaure die Ver⸗ öffentlichung der von der Bank gemachten Vorschläge, die für die Regierung unannehmbar seien und eine peinliche Ueber⸗ raschung für die Regierung gebildet hätten. Obwohl die Dauer der Verhandlungen unabsehbar sei, könne man doch im Verlauf des Sommers zu einem neuen Statutenentwurf ge⸗ langen. Der Umstand, daß die Verhandlungen noch schwebten, sei kein Grund zur Vertagung. Die Einziehung der Ein⸗ gulden⸗Noten könne nicht aufgeschoben werden, da deren Her⸗ stellung eingestellt und die Zurückhaltung gegen Aus⸗ gabe von Einkronenstücken verfügt worden sei. Thatsächlich seien bereits 4 Millionen zurückgehalten worden. Komme, wie er, der Minister, hoffe, ein neuer Privilegienentwurf zu stande und gelinge die Erzielung eines wesentlicheren Einflusses der Regierung auf den Generalrath, so werde mit der Er⸗ haltung der Gemeinsamkeit der österreichisch⸗ungarischen Bank ein wichtiges Desiderium der österreichisch⸗ungarischen Regierung erreicht werden. Im Falle des Scheiterns der Verhandlungen werde wohl eine neue, beiden Staats⸗ gebieten gemeinsame Bank an die Stelle der gegenwärtigen Bank treten und alle Geldhinterlegungen der Regierung bei der österreichisch⸗ungarischen Bank würden auf deren Nachfolgerin übergehen. Das Programm der Regierung in den Valuta⸗ vorlagen erstrecke sich auf zwei Jahre. In erster Reihe komme die Einziehung der Eingulden-Noten, was genug Arbeit mache, dann 8— der anderen Noten; bis dahin werde die Frage des Bankprivilegiums erledigt sein. Die An⸗ nahme des Berichts bilde keinerlei Präjudiz. Der Minister erinnerte schließlich an die Versicherung, daß die Regierung nicht auf die Propositionen der Bank eingehe. Der Abg. Graf Fries wünschte einen Aufschub, damit es nicht wie eine Ueberrumpelung des Ausschusses aussehe. Der Abg. Rutowski stellte die Einmüthigkeit des Ausschusses in der Ablehnung der Bankvorschläge fest und sprach die Hoffnung aus, die Bankleitung werde ihren Fehler einsehen und etwas Vernünftigeres vorschlagen. Nach weiterer Debatte erklärte der Berichterstatter Szezepanowski, er ziehe seinen Bericht behufs Aenderung eines Passus zurück. Die Sitzung wurde hierauf auf Mittwoch vertagt. .

Das Ehegesetz ist gestern von den vereinigten drei großen Ausschüssen des ungarischen Oberhauses mit 35 gegen 15 Stimmen angenommen worden. Freiherr von Rudnyansky legte das Referat nieder, da er gegen die Vorlage sei. Darauf wurde Czorda zum Referenten be⸗ stimmt.

Großbritannien und Irland.

Das Unterhaus nahm gestern, wie „W. T. B.“ be⸗ richtet, die erste Lesung der von der Regierung eingebrachten Bill zur Errichtung von Kirchspielräthen in Schottland an. Nach der Bill sind die Frauen wahlberechtigt und wählbar. Der Antrag auf Erneuerung des großen ständigen Ausschusses für schottische Angelegen⸗ heiten wurde mit 232 gegen 207 Stimmen an⸗ genommen, nachdem die Regierung sich mit einem Amendement einverstanden erklärt hatte, wonach die fünfzehn Mitglieder, die nicht schottische Distrikte vertreten, derart gewählt werden sollen, daß die Zusammensetzung des Ausschusses dem Partei⸗ verhältnisse nach der des Unterhauses annähernd gleich ist.

Bei der gestern fortgesetzten Verhandlung gegen die Anarchisten Carnot und Polti vor dem Zuchtpolizei⸗ gericht in Bowstreet wurden die Angeklagten vor das Schwur⸗ gericht verwiesen.

Frankreich.

Der Senat hat, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern ein⸗ stimmig beschlossen, den Antrag Fabre, wonach ein nationaler Festta sn Ehren der Jungfrau von Orleans eingesetzt werden h e, in Erwägung zu ziehen. 8

Zum Präsidenten der Budgetkommission ist gestern bei dem dritten Wahlgang mit 13 Stimmen in Rück⸗ sicht auf sein Alter RKouvier gewählt worden. Cavaignac erhielt ebenfalls 13 und Brisson 3 Stimmen. Die Radikalen stimmten für Cavaignac.

Die Pariser Blätter von gestern besprechen di sammensetzung der Budgetkommission, die

16 Mitgliedern besteht, die dem Regierungsentwurfe unter gewissen Vorbehalten günstig gesinnt sind, während 17 Mit⸗ glieder den dne feindlich gegenüberstehen, und meinen, die Berathung des Budgets für das Jahr 1895 werde eine lange und mühsame sein. Die radikalen Blätter bezeichnen die Zusammensetzung der Kommission als eine Niederlage für die Regierung.

Vor dem Pariser Schwurgericht haben gestern die Ver⸗ handlungen gegen den Anarchisten Emile Henry be⸗ gonnen, der des Dynamitverbrechens im Café Terminus sowie des Legens der Bombe in der Rue des bons Enfants in dem Gebäude der in Paris domizilierten Grubengesellschaft von Carmaux angeklagtist. Innerhalb und außerhalb des Justizpalastes waren umfassende Vorsichtsmaßregeln getroffen worden. Der Zudrang des Publikums zu der Verhandlung war sehr groß. Der Angeklagte trug eine sehr ruhige Haltung zur Schau. Während der Verlesung der beiden Anklageakte verhielt er sich gleich⸗ gültig. Bei dem Verhör sagte Henry aus, er habe sich in mehreren Cafés umgesehen und sei schließlich ins Terminus⸗ Café eingetreten, wo zahlreiche Gäste gewesen seien. Er habe da eine ziemlich lange Zeit gewartet, um eine I große Anzahl Bourgeois zu tödten. Wenn er Revolverschüsse auf die ihn verfolgenden Personen abgegeben habe, sei das geschehen, um sich seiner Haut zu wehren. Der Präsident konstatierte, daß durch die Explosion eine Person getödtet und 20 Personen verwundet worden seien. Henry wiederholte, er habe eine möglichst große Anzahn Personen tödten wollen. Der Präsident machte auf den verabscheuungswürdigen Cynismus aufmerksam, mit dem sich der Angeklagte zu seinem Verbrechen bekenne, und ging sodann zu der Verhandlung über die Explosion in der Rue des bons Enfants über. Auf Geheiß des Präsi⸗ denten beschrieb der Angeklagte die bei dem Attentat im Café Terminus benutzte Bombe. Er weigerte sich, anzu⸗ geben, woher er das Dynamit zur Bombe bekommen habe, und versicherte, daß er bei dem Attentat in der Rue des bons Enfants keine Mitschuldigen gehabt habe. Ueber seine Thätig⸗ keit während des Jahres 1893 und darüber, woher er das Geld zur Anfertigung der Bombe genommen habe, verweigerte Henry die Alle seine Aussagen machte der An⸗ geklagte in höchst prahlerischem, affektiertem Ton. Hier⸗ auf begann das Zeugenverhör. Dabei wurden zu⸗ nächst die Personen vernommen, die zur Verhaftung des Angeklagten beigetragen hatten. Der Präsident rühmte besonders den Muth des Polizeibeamten Poisson. Sodann wurden zahlreiche Personen vernommen, die bei dem Attentat verwundet worden waren; mehrere davon konnten nur mit Mühe gehen. Der Leiter des städtischen Laboratoriums sagte aus, daß die Explosion im Café Terminus größeren Schaden angerichtet haben würde, wenn der Deckel der Bombe besser geschlossen hätte. Alsbdann wurden die Zeugen bei dem Attentat in der Rue des bons Enfants vernommen. Die weitere Verhandlung wurde sodann auf heute vertagt.

Rußland.

Wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg erfährt, sind die

Meldungen über den Abschluß eines russisch⸗türkischen

Handelsvertrags unrichtig. Vorbereitungen dazu sind

zwar bereits getroffen, doch wird der Vertrag erst gleichzeitig

mit den von der Türkei mit anderen Staat Handelsverträgen in Kraft treten.

Italien.

Die Budgetkommission hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern mit 25 gegen 2 Stimmen das Militärbudget an⸗ genommen, nachdem der Kriegs⸗Minister erklärt hatte, daß weitere namhafte Ersparnisse, wenn auch nicht für das kom⸗ mende Jahr, so doch für spätere Jahre möglich seien. Der Bericht des Abg. Pais wird in Uebereinstimmung mit diesem Beschluß modifiziert und der Kammer am nächsten Dienstag vorgelegt werden.

Griechenland.

Der Prinz von Neapel, der inkognito in Athen ein⸗ getroffen war, ist laut Meldung des „W. T. B.“ von dort wieder nach Korinth zurückgekehrt.

Die in Athen erscheinenden Blätter sprechen ihre lebhafte Mißbilligung über die Errichtung der neuen bulgarischen Bisthümer in Macedonien aus.

Bulgarien.

Der Prinz Ferdinand von Sachsen⸗Coburg hat, nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Sofia, die De⸗ mission des Kriegs⸗Ministers Sawow angenommen und den Chef des Generalstabes Radjo Petrow zum Kriegs⸗Minister ernannt. Eine anderweitige Aenderung im Kabinet sei nicht beabsichtigt.

Dänemark.

In einer gestern abgehaltenen Sitzung des Staatsraths, der auch der König beiwohnte, ist, dem „W. T. B.“ zufolge, beschlossen worden, den Reichstag am 2. Mai zu schließen.

Das Seekriegsgericht hat den dänischen Marine⸗ Offizier, der während des französisch⸗siamesischen Konfliktes sich im Dienst Siams befand und zurück⸗ gerufen wurde, zur Dienstentlassung verurtheilt. Wie ver⸗ schiedene Blätter mittheilen, erfolgte die Verurtheilung wegen Bruchs der Pflicht, eine Dienstsache geheim 98 halten. Der Offizier hatte einen Rapport an das dänische Marineamt über die Paknam⸗Affaire einer dänischen Zeitung zugestellt. Außerdem erfolgte die Verurtheilung wegen unrich⸗ tiger Berichterstattung und respektwidrigen Betragens während

der Untersuchung der Sache. 8 1“

Amerika.

Nach Meldungen aus Rio de Janeiro ist durch ein

Dekret bekannt gegeben worden, daß die Zollzahlungen in Gold erfolgen müßten.

Aus Buenos⸗Aires wird berichtet, der Konflikt zwischen Argentinien und Portugal habe sich verschärft. Man befürchte, daß es zu einem Bruch zwischen beiden Staaten kommen werde, wenn die portugiesische Regierung sich weigern sollte, die dreißig gewaltsamer Weise von dem argentinischen Schiff „Donato“ wieder gefangen genommenen Brasilianer auszuliefern.

Wie aus Montevideo gemeldet wird, wäre es den von den Portugiesen mit Gewalt zurückgehaltenen Brasilianern elungen, zu entkommen und Brasilien wieder zu erreichen. Auch der Admiral Saldanha da Gama habe flüchten können. In den letzten Gefechten in Rio Grande seien die Aufständischen von den Föderirten geschlagen worden.

abzus chließenden 8

Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aus Lima gemeldet

der frühere Erste Vize⸗Präsident del Solar Fabe im Augenblick des Todes des Präsidenten Bermudez in Tacna im Gegensatz zu dem Ministerium Borgonno ein Ministerium ebildet mit Pierola als Premier⸗Minister und Minister des uswärtigen, Valcarcel für Inneres, Olachea für die

Justiz, Billinghurst für Handel und Recaburren für

Krieg. Australien.

Wie dem „Reuter'schen Bureau“ über Auckland Samoa vom 19. d. M. gemeldet wird, wären daselbst beine weiteren Unruhen vorgekommen. Die Aana⸗Eingeborenen ver⸗ weigerten die laut der Vereinbarung zwischen den Konsuln be⸗ stimmte Entwaffnung, bis die Regierungstruppen aufhörten, sie su bedrohen. Die Sawaii⸗Eingeborenen seien jedoch in ihre Heim⸗ tätten zurückgekehrt. Die französische Mission verlange eine Ent⸗ schädigung wegen der Zerstörung der Schule durch die Re⸗ gierungstruppen. Nach einer weiteren Meldung aus Apia verlaute daselbst, daß die Entwaffnung der Eingebo⸗ renen mit Gewalt durchgesetzt werden solle. Seit der Ankunft, der Kriegsschiffe seien acht politische Gefangene mit Wissen der Gefangen⸗Aufseher entflohen. Nach einer der „New⸗York Tribune“ aus Washington zugegangenen Meldung bestehe Grund für die Annahme, daß der Präsident Cleveland den Plan befürworte, daß die Ver⸗ einigten Staaten eines Theiles ihrer Verpflich⸗ tungen in Samoa enthoben würden. Man glaube, der

Präsident werde dem Kongreß gegenüber die Rathsamkeit einer

gänzlichen Zurückziehung aus Samoa betonen.

Parlamentarische Nachrichten. Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Herren⸗

hauses befindet sich in der Ersten Veilage.

Das Herrenhaus begann in seiner heutigen 14. Sitzung welcher der Präsident des Staats⸗Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg, der Justiz⸗ Minister Dr. von Schelling, der Finanz⸗Minister Dr. Miquel, der Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden, der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen und der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse bei⸗ wohnten die Spezialberathung des Staats haushalts⸗ Etats für 1894/95.

Bei dem Etat der Domänenverwaltung berichtete

Graf von Königsmark über alle zum landwirthschaftlichen Ressort gehörigen Spezial⸗Etats und hob hervor, daß die Kommission hierbei die Nothlage der Landwirthschaft erörtert habe; diese Noth⸗ lage komme allerdings im Etat nicht erheblich zum Ausdruck, denn der Staat bewirthschafte seine Domänen nicht selbst, sondern der Pächter habe das Risiko zu tragen, so lange seine Pachtperiode dauere, und nur allmählich mache sich der Rückgang der Rente beim Domänen⸗ Etat bemerkbar. Man gebe der Landwirthschaft den Rath, sich selbst zu helfen. Der Anfang sei gemacht mit dem Bund der Landwirthe; die Regierung möge dafür sorgen, daß der Bund in geordneten Bahnen bleiben könne und nicht in eine demagogische Agitation verfalle.

Bei dem Etat der Forstverwaltung empfahl

Graf von Mirbach die Beibehaltung der hölzernen Schwellen, deren Ersatz durch eiserne die Eisenindustrie verlange. Die jetzige Regierungspolitik werde viele Landwirthe zur Aufforstung zwingen. Die einzige Industrie, welche im Osten bestehe, sei die Holzindustrie und der Holzhandel. Die Imprägnieranstalten für Schwellen ꝛc. e erhalten werden; deshalb sei die Verwendung hölzerner Schwellen beizubehalten.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Die Eisenbahn⸗ verwaltung denkt garnicht an eine Einschränkung der hölzernen Schwellen, deren Verwendung in den letzten Jahren wegen der Billig⸗ keit derselben sogar zugenommen hat. Von großem Werth würde es sein, wenn ein Mittel gefunden würde, die buchene Schwelle ge⸗ nügend zu imprägnieren.

Ober⸗Bürgermeister Struckmann⸗Hildesheim lenkte die Auf⸗ merksamkeit der Regierung auf die Vermehrung der wilden Kaninchen, deren Zunahme in den verschiedenen Landestheilen eine förmliche Kalamität geworden sei, ohne daß man ein Mittel dagegen gefunden habe. Man solle durch Ausschreiben von Prämien einmal das Inter⸗ esse der Wissenschaft erwecken, ob vielleicht durch Einimpfen von Bazillen geholfen werden könnte. DOber⸗Landforstmeister Donner: Ein solches Mittel bestehe für die Kaninchen noch nicht; dagegen empfehle sich die Haltung von Frettchen oder die Aufstellung von Fallen.

„RNittergutsbesitzer von Bemberg⸗Flamersheim trat für die Eichenschälwaldungen ein und empfahl einen Zoll für ausländische Gerbstoffe.

Graf von Mirbach dankte dem Landwirthschafts⸗Minister für seine Maßnahmen nach dem Windbruch, die ein Ueberangebot von Holz und einen Preisdruck verhindert hätten, und empfahl für die nächsten Monate eine Tarifermäßigung für Grubenhölzer, um die minderwerthigen Hölzer besser verwenden zu können.

Bei dem Etat der direkten Steuern trat

Graf von Königsmarck der sich allmählich ausbildenden Mythe entgegen, als ob die Außerhebungsetzung der Grund⸗ und Gebäude⸗ steuer eine Liebesgabe für die Landwirthschaft sei. Die Realsteuern kämen wesentlich den Städten zu gute, nämlich die Gebäudesteuer, die Gewerbesteuer und die Bergwerksabgabe; auf dem Lande entfielen 3 ℳ, in den Städten 6 erlassener Realsteuern auf den Kopf.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel: Ich habe schon früher Gelegen⸗ heit genommen, der Behauptung zu widersprechen, als ob die Steuerreform einseitig dem platten Lande zu gute komme; das Verhältniß verschiebt sich noch mehr zu Gunsten der Städte durch die Revision der Gebäudesteuer; von dem Mehr von ½ Millionen entfallen allein 6 Millionen auf die Städte. Solche Rechnungen beweisen nicht viel, denn die Städte können sagen, daß die Reform nur möglich war durch die Reform der Einkommen⸗ steuer, deren Mehrertrag von vierzig Millionen fast allein auf die Städte entfällt. Die Hauptsache ist, daß wir zu einer gerechten Lasten⸗ vertheilung gekommen sind. Die Einnahmen aus der lex Huene waren sehr schwankend; jedenfalls betragen die den Kreisen jetzt zu Gebot stehenden Realsteuern das Doppelte dessen, was sie durch⸗ schnittlich aus der lex Huene erhalten haben. Daraus aber eine neue Liebesgabe herzuleiten. sei geradezu unsinnig.

Ober⸗Bürgermeister Struckmann⸗Hildesheim empfahl eine Ver⸗ mehrung der Kataster⸗Steuerkontroleure, welche durch die Steuerreform, die Revision der Gebäudesteuer und die Veranlagung der Ergänzungs⸗ steuer so in Anspruch genommen seien, daß sie für andere Arbeiten garnicht mehr zu haben seien; selbst die Regierung erhalte vom Katasteramt keine Arbeiten, sondern müsse sie von eigenen Beamten machen lassen.

„Finanz⸗Minister Dr. Miquel: Die Zahl der genügend vor⸗ gebildeten Katasterbeamten war 18. eine geringe; jetzt hat es sich verbessert, aber die Kräfte der Beamten sind vorübergehend stark in 1 nspruch genommen durch die Einführung der Grundbücher in Rhein⸗ sand und Westfalen, durch die Revision der Gebäudesteuer, durch die e sgung der Vermögenssteuer und durch die Bildung von Renten⸗

Bei dem Etat der indirekten Steuern bedauert

Ober⸗Bürgermeister Struckmann⸗Hildesheim die Ablehnung der Forderung für ein neues Steuerdirektionsgebäude zum Ersatz des

t auf der Museumsinsel befindlichen Gebäudes. In hochherziger

Weise habe der Kaiser die Gräflich Schack'sche Sammlung in München belassen; sie in Berlin unterzubringen, würde auch 88 ecahes sein. Ein solcher Zustand köͤnne auf die Dauer nicht bestehen bleiben. Hoffentlich herrsche im nächsten Jahre eine günstigere Stimmung im anderen Hause.

Bei dem Etat der Lotterieverwaltung empfahl

Ober⸗ Bürgermeister Struckmann⸗Hildesheim, die Zahl der Kollekteurstellen, die für pensionierte Offiziere bestimmt sind, zu ver⸗ mehren, wenn sich diese Maßregel bewährt habe.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel erklärte, daß dies der Fall und daß deshalb die Zahl der Stellen vermehrt sei.

Bei dem Etat der Eisenbahnen wies

Finanz⸗Minister Dr. Miguel darauf hin, daß die Eisenbahn⸗ verwaltung im Jahre 1893 94 sich um 35 Millionen Mark besser stehen werde, als der Etat angenommen. Es handle sich dabei sowohl um Mehreinnahmen als um Minderausgaben, und zwar nicht um bloß verschobene, sondern um endgültig ersparte Ausgaben. Das De⸗ fizit vermindere sich dadurch um 20 Millionen Mark, trotzdem die Matrikularumlagen Preußens um 15 Millionen Mark gestiegen seien. Das sei nicht besonders schlimm, aber immerhin unerfreulich. Das Haus nehme vielleicht Anlaß, an der Hand des Vorgehens des Ab⸗ geordnetenhauses der Finanzlage seine Aufmerksamkeit zuzuwenden.

Wirklicher Geheimer Rath von Levetzow bemängelt, daß nach dem Fortfall der Staffeltarife am 1. August ein besonderer Staffel⸗ tarif von Königsberg bis Berlin in Kraft treten soll. Dadurch würden alle Plätze, die vom Berliner Markt abhängig sind, nach⸗ theilig beeinflußt, zumal der Abfluß nach Westen unterbunden sei. Die Unzufriedenheit klammere sich an eine solche Kleinigkeit; deshalb sollte die Regierung eine beruhigende Erklärung abgeben.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Das kann ich nicht; denn die Beseitigung des alten Staffeltarifs der Ostbahn würde dem Osten schwerere Schädigungen zufügen, als der Provinz Brandenburg Vortheile erwachsen. Wenn der Verkehr nach dem Westen unterbun⸗ den ist, dann hat die Provinz Brandenburg selbst durch ihre Agitation gegen die Staffeltarife dazu mitgewirkt. Der Ostbahnstaffeltarif werde der Provinz Brandenburg keinen erheblichen Schaden bringen.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten trat in seiner heutigen 59. Sitzung, welcher der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse beiwohnte, in die zweite Be⸗ rathung des Gesetzentwurfs zur Abänderung und Er⸗ gänzung der Gesetze vom 25. Mai 1874, betreffend die evangeläsche Kirchen⸗Gemeinde⸗ und Synodal⸗ ordnung vom 10. September 1873 für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen und vom 3. Juni 1876, betreffend die evangelische Kirchenverfassung in den acht älteren Provinzen der Monarchie.

Die Kommission hat die Vorlage mit 14 gegen 1 Stimme unverändert angenommen. An der Spezialberathung in der Kommission haben sich die fünf nationalliberalen Mitglieder und der Vertreter der Freisinnigen, Abg. Knörcke, nicht be⸗

eiligt.

Die Abgg. Dr. Enneccerus (nl.) und Genossen beantragen eine Einschaltung in § 1, wonach die kirchengesetzlichen Be⸗ stimmungen über das Gelöbniß der Kirchenältesten nach wie vor an die Zustimmung des Landtags gebunden sein sollen, desgleichen eine weitere Abänderung, welche denselben Vor⸗ behalt hinsichtlich des aktiven kirchlichen Wahlrechts macht.

Einen mit dem zweiten Punkt des vorstehenden Antrags übereinstimmenden Antrag haben die Abgg. Freiherr von Zedlitz (fr. kons.) und Genossen eingebracht.

Abg. von Eynern (nl.): Die neue evangelische Kirchen⸗ verfassung hatte den Zweck, die Kirche aus dem Bann einer bureau⸗ kratischen Orthodoxie zu befreien. Die Wahlen zur ersten außer⸗ ordentlichen Generalsynode ergaben eine für diesen Zweck durchaus freundliche Mehrheit; selbst positive Männer bekamen von ihren Wahlkörpern das Mandat, die Bekenntnißfrage auf der General⸗ synode nicht zu erörtern, da solches nur geeignet sein würde, den eben erst zusammengefügten Bau wieder auseinanderfallen zu lassen. Noch 1880 sprachen sich im Abgeordnetenhause Herr von Puttkamer, der damalige Kultus⸗Minister, Herr Windthorst und Herr Miquel übereinstimmend freundlich über die erreichte Freiheit der evangelischen Kirche aus. Nur Herr Stöcker war nicht zufrieden und be⸗ klagte, daß die kirchlich⸗dogmatische Seite bei der Neuordnung zu kurz gekommen sei. Herr Stöcker hat seitdem nicht geruht; er hat seine Anträge immer wieder eingebracht, und sie sind unter dem Namen der Kleist⸗Hammer⸗ stein'schen Bestrebungen, aber als geistiges Eigenthum des Herrn Stöcker, jetzt in der Vorlage verwirklicht. Die Kirche soll ganz unabhängig vom Staate gestellt werden, sie soll ihre Autorität über jeden, Geistlichen und Weltlichen, unbedingt ausüben. Die Stöcker'sche Richtung will eine Art kirchlicher Juris⸗ diktion, sie will ihre Mitwirkung auch bei der Besetzung der theologischen Professuren. Um ihren Bestrebungen ein Mäntelchen umzuhängen, richtet sie ihren Hauptansturm gegen den von ihr sogenannten interkonfessionellen Landtag, der aus Juden und Nichtevangelischen zusammengesetzt, über die innerkirch⸗ lichen Angelegenheiten mitzuentscheiden hat. „Es sei der Kirche ein drückendes Gefühl gewesen, jeder ihrer Beschlüsse der Genehmigung durch den Landtag bedürfe“, sagt der Referent der Herrenhaus⸗Kommission, Herr von Wedel, betont aber gleichzeitig, daß in dem Verhalten des Staats und des Landtags zu diesen kirchlichen Angelegenheiten nicht das Geringste gelegen habe, was diese Lösung von der Mitwirkung der staatlichen Gesetzgebung erfordert. Ich habe den Eindruck, als ob die General⸗ Synode die bekannte Resolution nur angenommen habe, um dem ewigen Quälen und Drängen der Herren von Kleist⸗Retzow und Genossen zu entgehen. Der Kultus⸗Minister hat es noch voriges Jahr ausdrücklich für eine Unmöglichkeit er⸗ klärt, dem Verlangen der General⸗Synode nachzukommen. Die General⸗Synode sollte die Wünsche auch formulieren, dann würde man sich darüber verständigen können. Darauf aber kam es Herrn Stöcker wohl nicht an. Herr Bosse hat uns gesagt, er habe bei der Durchsicht der im vorigen Landtage gefaßten Beschlüsse gefunden, daß eine Formulierung doch wohl möglich sei, hat sich dann mit dem Ober⸗Kirchenrath in Verbindung gesetzt und die Fäen zu stande gebracht. Aus Freude über dieses elingen eignet er sich sogar die Terminologie der Stöcker'schen Anhänger an, indem er im Herrenhause ausführte, die Vorlage befreie die Kirche von staat⸗ lichen Fesseln, indem er von offenem Konflikte mit der evangelischen Kirche sprach, von dem uns bis dahin absolut nichts bekannt geworden war. Wie es mit solchen Friedensgesetzen geht, weiß man; auch für die Katholiken wurde ein erstes, zweites und drittes Friedensgesetz gemacht. Genau so sagt jetzt der Minister: Das ist der Abschluß dieses Friedenswerkes, und Herr Stöcker erklärt sofort: Das ist der Anfang, wir fordern noch viel mehr, wir sind im Namen der Kirche dazu berechtigt. Es ist doch ganz klar, daß auf diese Weise, durch diese Gesetzgebung der Regierung der Krieg in die kirchlichen Kreise hinein⸗ getragen wird, und nicht wir sind es, die den Frieden stören. Herr Bosse nennt diese Gesetzgebung eine harmlose. Große Theile der evan⸗ gelischen Kirche werden mit Bedauern und mit Entrüstung diesen Ausspruch vernommen haben. Es ist das Ziel der Partei, das Wahlrecht und die Ausübung kirchlicher Aemter an das Apostolikum zu knüpfen. Das haben die Herren Stöcker und von Kleist⸗Retzow oft ausgeführt. Wer trägt die Schuld, daß wir uns jetzt mit diesen Dingen beschäftigen müssen? Warum hat der Minister nicht der General⸗Synode die Formulierung überlassen, wie er es noch im vorigen Jahre für selbstverständlich hielt?

(Schluß des Blattes.)

Die Kommission des Hauses der Abgeordneten, welcher die Paragraphen des Gesetzentwurfs über die Land⸗ wirthschaftskammern, die von dem Wahlverfahren handeln, zu abermaliger Berathung überwiesen worden waren, ist gestern nach fünfstündiger Verhandlung resultatlos auseinander gegangen. Die Vorschläge des Abg. Frhrn. von 8 (fr. kons.) wurden mit 11 gegen 19 die des Abg. von Kardorff (fr. kons.) mit 12 gegen 16, die des Heraigi Zentr) 88 12 ge 4 8 88 Fefbrisgdehe⸗ Anträge

n mit 12 gegen und die Regierungsvo f allen gegen 6 Stimmen abgelehnt. 1 Fxh.

Nr. 17, der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 25. April hat eres. Jichcen Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. Zeit⸗ weilige Maßregeln gegen Cholera ꝛc. Aus dem Jahres⸗ bericht des Lübecker Medizinal⸗Kollegiums, 1892. Gesetz⸗ gebung u. s. w. (Deutsches Reich). Viehseuchen⸗Nachrichtendienst. hees. deene). Dampfapparat in den Apotheken. Oeffentliche Schlachthäuser und Roßschlächtereien. Lumpensammler. (Reg.⸗ Bez. Potsdam). Abdeckereigewerbe. (Kreis Ruhrort.) Oeffent⸗ liche Untersuchungsanstalt für Nahrungsmittel u. s. w. (Mecklen⸗ burg⸗Schwerin.) Ansteckende Krankheiten. (Braunschweig.) Lehr⸗ zeit der Apotheker. (Brasilien.) Hafen⸗Gesundheitsdienst. (Schluß.) Gang der Thierseuchen im Deutschen ven; März. Desgl. in Norwegen, I. Vierteljahr. Zeitweilige Maßregeln gegen Thierseuchen. (Deutsches Reich, Rechtsprechung. (Ober⸗Landesgericht München.) Unbefugte Abgabe von Streu⸗ kügelchen als Heilmittel. Verhandlungen von gesetzgebenden Körper⸗ schaften. (Deutsches Reich.) Zulassung der Frauen zum ärztlichen Studium. Viehseuchengesetz. Abänderung. (Preußen.) Ge⸗ bühren für die gesundheitspolizeiliche Ueberwachung des Schiffahrts⸗ und Flößereiverkehrs. Vermischtes. Berichtigung. (Preußen. Berlin.) Getrocknete Morcheln und Champignons. Grund⸗ wasserstand und Bodenwärme in Berlin und München, März. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Aus⸗ landes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Witterung.

Nr. 16a des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Ar⸗ beiten, vom 25. April hat folgenden Inhalt: Erweiterung der Universitäts⸗Frauenklinik in Marburg i. H. Das symmetrische Eisenbahnwagenrad. Berechnung von Korbbögen. Vermischtes: Wettbewerb um Entwürfe zu Hofbeamten⸗ und Hofdienerwohnungen, Marstallgebäuden u. s. w. in Stuttgart. Wettbewerb um Ent⸗ würfe für ein Kaiser Wilhelm⸗Denkmal in Stuttgart. Wettbewerb um Entwürfe für eine Synagoge in Köln a. Rh. Seilbahn⸗Unfall bei Knoxville in Nord⸗Amerika. Bücherschau.

Nr. 17 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, heraus⸗ gegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 28. April, hat folgenden Inhalt: Runderlaß vom 15. April 1894, betreffend die Verantwortlichkeit der Baubeamten der Allgemeinen Bauverwaltung. Bekanntmachung, betreffend die Reifezeugnisse der Ober⸗Realschule in Oldenburg. Nichtamtliches: Einfluß wieder⸗ holter Belastung auf die Festigkeit des Eisens. Wettbewerb für das Rathhaus in Rheydt. Flachgründung und Tiefgründung von Brückenpfeilern. (Schluß.) Vermischtes: Die Wiederherstellung der Westfront der St. Nikolai⸗Kirche in Frankfurt a. O. Bildnerischer Schmuck für den neuen Justizpalast in München. Umbau des Löwenbräu⸗Kellers am Stiglmairplatz in München. Das Holz⸗ pflaster der Strombrücke in Magdeburg. Kosten von Gas und elektrischem Licht. Aufschneidbare Spitzenverschlüsse für Weichen. r Maschinenbauanstalt von C. Hoppe in Berlin.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Zur Anstellung eines staatlichen Fischerei⸗Aufsehers ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Strafsenats, vom 13. Fe⸗ bruar 1894, in Preußen der Regierungs⸗Präsident zuständig. Der Aufsicht eines für die innerhalb seines Forstbezirks liegenden Gewässerstrecken als Fischerei⸗Aufseher angestellten Forstbeamten sind ohne weiteres auch diejenigen Wasserstrecken in ihrer ganzen Breite unterworfen, welche seinen Forstschutzbezirk begrenzen, und er ist befugt, den widerrechtlichen Fischang am jenseitigen Ufer durch Betreten des zu seinem Forstschutzbezirk nicht gehörigen jenseitigen Ufers zu inhibieren und ev. den Thäter festzunehmen. Der ierbei erfolgte Widerstand gegen ihn ist aus § 113 Str.⸗G.⸗B. zu bestrafen, auch wenn er bei feiner Amtsausübung die für Fischerei⸗Aufseher vor⸗ geschriebenen Abzeichen nicht tragt. Der Förster F., welcher von dem Regierungs⸗Präsidenten zu Oppeln als staatlicher Fischerei⸗Auf⸗ seher für die innerhalb seines Forstschutzbezirks liegenden Gewässer⸗ strecken der Oder angestellt worden war, traf den N., als er zu einer verbotenen Zeit in der Oder, und zwar von dem jenseitigen Ufer aus, welches außerhalb des dem F. unterstellten Forstreviers liegt, angelte. F., welcher gerade mit den für Fischerei⸗Aufseher vorgeschriebenen Ab⸗ zeichen nicht versehen war, begab sich nach dem jenseitigen Ufer und hielt den N. zur Feststellung seiner Persönlichkeit an. Hierbei wider⸗ setzte sich N., weshalb er von der Strafkammer wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt verurtheilt wurde. Seine Revision wurde vom Reichsgericht verworfen, indem es die oben formulierten Rechts⸗ sätze aussprach. (4583/93.)

Ein Grundstückseigenthümer, welcher zum Schaden seiner Hypothekengläubiger die beweglichen Zubehörstücke seines verpfändeten Grundstücks veräußert und vom Grundstück entfernt, ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, 1V. Strafsenats, vom 13. Februar 1894, deshalb nicht wegen strafbaren Eigennutzes aus § 289 Str.⸗G.⸗B. zu bestrafen. „Wenn das Fortschaffen der vom Miether inferierten und dadurch dem gesetzlichen Pfandrecht des Ver⸗ miethers unterworfenen Sachen aus dem Hause des letzteren unter den § 289 a. a. O. gezogen, also als ein „Wegnehmen“ aufgefaßt wird, obgleich der Vermiether an den Illaten des Miethers Ge⸗ wahrsam im eigentlichen Sinne nicht erlangt, so beruht diese Ausdehnung des Begriffs darauf, daß durch die Illation für den Vermiether mit dem Recht, die Sachen zur Befriedigung wegen der aus dem Miethsverhältniß entstandenen Forderungen als Pfand in Anspruch zu nehmen, zugleich die thatsächliche Möglich⸗ keit geschaffen wird, 1 jederzeit in den Gewahrsam derselben zu setzen, sobald er in die Lage kommt, von der dem gesetzlichen Pfand⸗ rechte entfließenden Befugniß der Perklusion Gebrauch zu machen. Keineswegs gleichartig erscheint aber das Verhältniß des Hypotheken⸗ gläubigers zu den beweglichen Zubehörstücken des verpfändeten Grund⸗ stücks, welche gemäß § 30 des Gesetzes über den Eigenthumserwerb vom 5. Mai 1872 für das Hypothekenkapital und die eingetragenen Zinsen mitverhaftet sind. o wenig hier von einem Gewahrsam die Rede sein kann, ebenso wenig liegt bezüglich solcher Pertinenzstücke ein Verhältniß desselben vor, welches als ein besitzähnliches ange⸗ sprochen werden könnte.“ (4648 /93.)

Kunst und Wissenschaft. 86

Im Verein für deutsches Kunstgewerbe hielt am Mitt⸗ woch Abend Herr Bibliothekar Dr. P. Jessen einen Vortrag „Zum

wurden die verschiedenen Stufen geschildert, in denen sich der Formen⸗

Verständniß der deutschen Renaissance.“ An dern sa Abbildungen kreis der deutschen Renaissance ausgeprägt hat. Die Nachwirkung der