Füͤr die Bemessung des unbedingt gebotenen Vorzugs des Anerben erscheinen ihm besondere Taxen nöthig, die grundelegung der Geundsteuer⸗Reinerträge unzulässig. Die Auswahl des Anerben kann seines Frachtens dem Gutseigenthümer 828* bleiben. Schließ⸗ lich spricht er sich für ein Vorkaufsrecht der Miterben oder Antheil derselben am höheren Verkaufspreise des vom Anerben veräußerten Gutes aus⸗ Der im Laufe der Verhandlung erschienene E
Dr. Miquel würde es bereits für einen großen Gewinn ansehen, wenn die Versammlung den allgemeinen Grundsatz als richtig an⸗ erkennte, s für ländlichen Grundbesitz, und zwar großen wie kleinen ohne Unterschied, die Vererbung auf einen Familienangehörigen zu erfolgen, und die Bemessung des dem Anerben zufallenden Hof⸗ werths wie der Abfindungen der Geschwister nach dem dauernden Ertragswerth des Hofs stattzufinden habe. In einem solchen Fall könne, wie die wirthschaftlichen Verhältnisse jetzt lägen, von einer ungerechfertigten Bevorzugung des Anerben nicht die Rede fein da der Anerbe für sein Voraus das ganze Risiko des Betriebs Bzu übernehmen habe, während die übrigen Erben ganz sichere Antheile bekämen. Im übrigen dürfte es wohl kaum angezeigt sein, die Eintragung der Landgüter in die Landgüter⸗ rolle schon jetzt überall als eine obligatorische einzuführen und die
Löschungsmöglichkeit zufolge Antrags des Gutseigenthümers zu be⸗ seitigen. Jedenfalls würden, wenn es zu einer Ausdehnung des
Intestatanerbenrechts kommen sollte, die Grundbesitzkategorien, für⸗ welche sich die Einführung des Anerbenrechts empfehlen würde, nur
durch Organe der Grundeigenthümer, vor allem durch die Landwirth⸗
schaftskanemetnsfestgesteit weroer können. —590b ——
Staats⸗Minister von Heyden konstatierte, daß über die Ein⸗
führung des Anerbenrechts als Intestaterbrecht für großen und kleinen ländlichen Grundbesitz Uebereinstimmung aller bislang aufgetretenen
Redner herrsche, daß ihm jedoch die Frage der Einführung des An⸗ erbenrechts in den Gebieten mit fbörtgesetzter ehelicher Gütergemeinschaft nicht ausreichend genug erörtert scheinc. Landschafts⸗Direktor von Laer⸗Münster i. W. begründete nach Erläuterung der Zuverlässigkeit des Grundsteuer⸗Reinertrags als Grundlage für Taxen in Westfalen seinen Antrag, ein Anerbenrecht
entweder durch obligatorische Eintragung in die Höferolle unter Wahrung des Widerspruchs gegen die Eintragung und der Sec.gs befugniß oder als Intestatanerbenrecht einzuführen. Ueber Ziel, Zweck und räumliches Anwendungsgebiet der vorgeschlagenen Erbrechts⸗
egelung seien die Landwirthschaftskammern bezw. die Provinzial⸗
vertretungen zu hören. 1 Die Sitzung wurde auf heute, Freitag, Vormittags 11 Uhr, vertagt.— 8 b ““
Von den Drucksachen der Silberkommission sind ferner erschienen und durch die Reichsdruckerei in Berlin SW., Oranienstraße 90/91, zu beziehen:
Nr. 15. Der deutsche Thalerumlauf. Bemerkungen zu Nr. 13 der Drucksachen. Vorgelegt von Dr. Arendt. (1 Bogen); 8 Nr. 16. Zur Vorgeschichte der deutschen Münzreform.
ngabe von Dr. Bamberger. (1 Bogen);
Nr. 17. Nachtrag zu den Statistischen Notizen Nr. 10. der “ (Viehpreise in Berlin und Hamburg.) (½ Bogen);
Nr. 18. Währungsfrage und Industrie. Eine Denkschrift für die Silberkommission 18904 von Otto Wülfing in M.⸗Gladbach. (5 Bogen):
Nr. 19. Ist eine keFebhich⸗ Schwächung des deutschen Goldbestandes nach Durchführung der vertragsmäßigen Doppel⸗ währung zu fürchten? e er zur Debatte über Antrag Nr. 7, vorgelegt von Professor Dr. Lotz. (1 Bogen.)
8 8
“ G 1“ “
Der Kaiserliche Gesandte in Brüssel, Wirkliche Geheime Rath Graf von Alvensleben hat einen ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub angetreten. Während seiner Ab⸗ wesenheit fungiert der Legations⸗Rath Prinz von Thurn und Taxis als Geschäftsträger.
Der Königlich großbritannische Botschafter am hiesigen Allerhöchsten Hofe Sir Edward Malet ist vom Urlaub nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft wieder übernommen.
Königlichen Landrathsamt zu Brom⸗ ge ülsefsar Fleischmann ist der egierung zu Königsberg i. Pr. und der Regie⸗ rungs⸗Assessor Freiherr von e zu Osna⸗ brück dem Königlichen Ober⸗Präsidium zu Hannover zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden. Der neuernannte Regierungs⸗Assessor Dr. Brügman aus Königsberg i. Pr. ist dem Königlichen Polizei⸗Präsidium zu Frankfurt a. M. zur dienstlichen Verwendung überwiese
8 “
Potsdam, 31. Mai. Heute Nachmittag fand, wie „W. T. B.“ meldet, im Katharinenholz das Adlerschießen des Ersten Garde⸗Regiments z. F. in Gegenwart Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin statt. An der Spitze des Offizierkorps hatten die drei ältesten Kaiserlichen Prinzen Aufstellung genommen. Bei der Ankunft Ihrer Majestäten überreichte Oberst von Kessel en Majestät der Kaiserin ein Rosenbouquet. Seine Majestät der Kaiser schritt die Front ab und gab alsdann den ersten Schuß auf den Adler ab. Um 7 ¼ Uhr fiel das letzte Stück des Adlers. Second⸗Lieutenant Graf von Mengersen wurde Schützen⸗ könig und erhielt im Allerhöchsten Auftrag als Preis ein silbernes Trinkhorn; den Preis Ihrer Majestät, eine Kanne mit silbernem Deckel, erhielt Major von Hornstein. Ihre Majestät die Kaiserin überreichte Aller⸗ höchstselbst sämmtliche Gewinne und verließ darauf mit den drei Prinzen den Festplatz. An der Festlichkeit nahmen auch Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Friedrich Leopold theil. Hierauf folgte ein Festmahl, bei welchem der Schützenkönig auf Seine Majestät den Kaiser ein Hoch ausbrachte.
Neuwied, 31. Mai. Der König von Rumänien ist heute, von Brüssel kommend, auf Schloß Segenshaus ein⸗ getroffen.
Bayern.
Die Kammer der Abgeordneten setzte vorgestern Abend und gestern Vormittag die Spezialberathung des Militär⸗Etats fort, wobei die Forderung von zwei Millionen Mark als zweite Rate für einen Lruppenübunge latz des II. Armee⸗Korps eine längere erregte Debatte zwischen den E die in der bestehenden Zwangslage
ir das Postulat eintraten, und den Sozialdemokraten, hervorrief. Die
Bauernbündlern und Konservativen Dem Etat
Forderung wurde schließlich bewilligt.
selbst, sowie dem Gesetzentwurf, der ihn in Einnahmen und Ausgaben auf 70 275 723 ℳ festsetzt, ertheilte das Haus die Genehmigung. Der Gesetzentwurf über die Abänderung der pfälzischen Gemeindeordnung, der von der Kammer der Reichsräthe nur mit einer Modifikation angenommen worden war, führte gleichfalls zu lebhaften Auseinander⸗ setzungen, deren Resultat schließlich die Versagung der Zustim⸗ mung zu dem Beschluß der Kammer der Reichsräthe war. Damit ist der ganze Gesetzentwurf, dessen wesentlicher Inhalt nicht auf Wahlmodalitäten, sondern auf die Besetzung der Bürger⸗ meistereien bezog, gefallen. In der gestrigen Abendsitzung beharrte die Kammer gegenüber dem Beschluß der Kammer der Reichsräthe auf Ablehnung der für Ausarbeitung eines Projekts für einen zur Großschiffahrt geeigneten Donau⸗Main⸗Kanal beantragten 100 000 ℳ, trotzdem der Minister⸗Präsident Freiherr von Crailsheim den Antrag be ürwortete. Das Projekt ist nunmehr gescheitert.
Wie der „St.⸗A. f. W.“ aus Wildbad erfährt, ist das Befinden Ihrer Majestät der Königin anhaltend gut. Die Absonderung der Wunden hat seit dem Beginn der Badekur krheblich abgenommen und die Ausheilung der noch vorhan⸗ denen Eitergänge macht Fortschritte.
Generaldebatte über die Verfassungsrevision fort. Es nahm zunächst der Abg. Probst das Wort, der sowohl gegen den Entwurf und die Kommissionsvorschläge, als auch gegen die reine Volkskammer sprach und die Zeitungsmeldung dementierte, daß eine Gruppe katholischer Abgeordneter sich für die Volks⸗ kammer im Sinne des Abg. Payer zu stimmen entschlossen habe.
schläge des Entwurfs bezüglich der Ersten Kammer, die dadurch eine Kammer von Regierungs Gnaden werden würde. Der Prälat von Lechler empfahl dringend, die von der Regierung ge⸗ botene Hand nicht zurückzuweisen und das werthvolle Re⸗ visionswerk nicht scheitern zu lassen. Hierauf nahm der Staats⸗Minister der Justiz Dr. von Faber das Wort, um sich namentlich gegen den Vorschlag einer reinen Volkskammer u wenden. Der Abg. Kien e sprach wesentlich im Sinne des Abg. Probst. Den von ihm und dem Abg. Probst gegen die Vorschläge des Entwurfs hinsichtlich der Ersten Kammer erhobenen Vor⸗ würfen trat sodann der Minister⸗Präsident Dr. Freiherr von Mittnacht entgegen. Außerdem sprachen noch die Abgg. Freiherr von Gemmingen, Prälat von Ege und Sachs. — Von dem Abg. Payer zund Genossen ist ein Antrag auf Beseitigung sämmtlicher Privilegierten aus de
Zweiten Kammer eingebracht worden. 8
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Clementine von Sachsen⸗Coburg⸗Gotha ist veen Mittag aus Wien
wieder in Coburg eingetroffen. 8
Oesterreich⸗Ungarn. 8
Der Herzog von Sachsen⸗Coburg und Gotha ist gestern früh von Wien nach Coburg abgereist. Am Bahnhof waren die Prinzen Philipp und Ludwig August von Sachsen⸗ Coburg, sowie der deutsche Botschafter Graf zu Eulenburg und der englische Botschafter Monson zur Verabschiedung anwesend.
Der Minister des Auswärtigen Graf Kälnoky hatte, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Mittag eine einstündige Unter⸗ redung mit dem ungarischen Minister⸗Präsidenten Dr. Wekerle, worauf dieser vom Kaiser in Audienz empfangen wurde. Nach der Audienz, die eine halbe Stunde währte, konferierte Dr. Wekerle nochmals mit dem Grafen Käl⸗ noky. Der „Budapester Korrespondenz“ zufolge wird Dr. Wekerle heute noch in Wien bleiben, weil die Entscheidung der Krone über die Vorschläge der ungarischen Regierung zur Sicherstellung des Oberhaus⸗Votums, an welche Vorschläge das Kabinet sein Bleiben im Amt knüpfe, noch nicht erfolgt sei, und Dr. Wekerle diese Entscheidung in Wien abzuwarten wünsche. Auch die Minister von Féjerväry und Graf Tisza bleiben heute noch in Wien. (Vgl. das Telegramm nach Schluß der Redaktion auf der 4. Seite d. Bl.)
Eine St. Petersburger Zuschrift der „Politischen Korrespondenz“ betont, der Abschluß des österreichisch⸗ russischen Handelsvertrages habe den Boden geebnet für die Möglichkeit, daß sich Rußland und Oesterreich in
Balkanländern ins Einvernehmen setzten, um zu ver⸗ hüten, daß jene Ereignisse einen bedenklichen Umfang annähmen und auf den Frieden Europas bedrohlich zurückwirkten.
Im österreichischen “ erklärte gestern bei der Berathung des Gesetzentwurfs über die im Jahre 1894 I Lokalbahnen der Handels⸗ Minister Gräraf Wurmbrand, die Hauptlinien in Oester⸗ reich seien vollendet; merkwürdigerweise sei dabei der Schlußpunkt der Südlinien, nämlich der Triester Hafen, gänzlich unberücksichtigt gelassen und die Linien im Zickzack nach Venedig geführt worden. Der Bau der nunmehr noth⸗ wendigen Korrektivlinien sei sehr schwi 8. Bei den allgemeinen Eisenbahnfragen würden provinzielle Bedürfnisse die Minister nicht beemnflufen; für Provinzen seien die Lokalbahnen da. Er halte es für wünschenswerth, daß die Landesvertretungen Eisenbahnämter errichteten, die sich mit dem neuerrichteten staatlichen Lokal⸗Eisenbahnamt in Verbindung setzen sollten. Die Regierung lasse sich in Eisenbahnfragen nicht von politischen Motiven leiten, auch dunh Angriffe der Opposition nicht bb Die ntwickelung der Lokalbahnen müsse der ganzen? e he zu gute kommen. (Lebhafter Beifall.) Hierauf wurde das Ge 4 in zweiter und dritter Lesung angenommen. Das Haus nahm sodann in zweiter und dritter Lesung die eSS in der Fassung des Ausschusses an, nachdem die beiden Minoritätsanträge ab⸗ gelehnt worden waren, wonach die vorläufige Beschlagnahme von Druckschriften auf bestimmte strafbare Handlungen beschränkt und der Zeitungsstempel aufgehoben werden sollte.
Die Wiener Polizei hat gestern die Plakate entfernt, die eine zweite Auflage der Broschüren des Pfarrers Deckert ankündigten. 1
In der gestrigen Sitzung des ungarischen Unter⸗ 2eg. beantragte der Abg. Gra⸗ Apponyi, in⸗ olge der Abwesenheit des Finanz⸗Ministers die Berathung Gesetzentwurfs
des auf der Tagesordnung stehenden
über die Einziehung eines Theils der Staatsnoten
Die -Kummer ver Arg EnL dnete rr fepte Sei⸗ sterm vdae⸗⸗
Als unannehmbar bezeichnete der Redner namentlich die Vor⸗
gegebenen Fällen gegenüber den Ereignissen in den
u“ C131.““ 6 * 8 8 zu vertagen. Der Kultus⸗Minister Graf Czaky er⸗ klärte im Namen der Regierung, sie habe keine Ein⸗ wendung gegen diesen Antrag zu machen. Der Abg. Eoetpoes wünschte, das 286 möge seine Berathungen überhaupt vertagen, da die beunruhigenden Berichte der Presse aus Wien unleugbar den Charakter einer politischen Krisis trügen. Der Justiz⸗Minister Dr. von Szilagyi erwiderte, die Regierung würde es gewiß dem Hause anzeigen, wenn sie ihre Vorlagen nicht mehr vertreten könne; im übrigen schließe er sich dem Vertagungsantrag des Grafen Apponyi an, jedoch, wie er ausdrücklich bemerke, nicht aus dem von dem Abg. Eoetvves angeführten Motive. Nach einer Kontroverse zwischen den bgg. Ugron, Eoetovoes und Madarasz über den angeblich der Verfassung widersprechenden Einfluß der Mitglieder des Kaiserlichen Hauses und des diplomatischen Korps auf die innere Politik, sowie nach der weiteren Erklärung des Kultus⸗Ministers Grafen Czaky, daß er keinerlei Kenntniß von einem ungebührlichen, die Verfassung verletzenden Einflusse habe und der Ansicht sei daß die Erwähnung eines solchen nicht sehr am Platz gewesen sei, wurde die Vertagung der Berathung der Valutavorlage beschlossen. Auf die Interpellation des Abg. Pazmandy über die, rumänische Agitation in Siebenbürgen erklärte der Minister des Innern Hieronymi,
maur Einbäsmeng dieser Beitetten, e he nechL.—= gefährlich sei, wie behauptet werde, seien die strengsten Prä⸗ ventivmaßnahmen angeordnet, u. a. sei die Gendarmerie ver⸗ mehrt worden; nöthigenfalls werde die Regierung, die sich ihrer Pflicht und Verantwortung bewußt sei, noch weiter gehen, sie recherchiere besonders nach den Quellen, aus denen das Geld für die Agitation stamme; die Bewegung durch Paktieren mit den Nationalitäten einzudämmen, sei mit Rücksicht auf die Schädigung des Ansehens des ungarischen Staats unthunlich. Der Zusti ⸗Minister Dr. von Szilagyi erklärte, was das Verhalten der Justizbehörden in dem Memorandum⸗ prozeß angehe, so hätten die betreffenden Organe ihrer Pflicht gemäß gehandelt; die Justiz müsse ohne politische Rücksichten geübt werden. Das Haus nahm die Antwort zur Kenntniß
und vertagte sich sodann auf unbestimmte Zeit.
Großbritannien und Irland
In der gestrigen Sitzung des Unterhauses richtete, wie „W. T. B.“ meldet, Sir Charles Dilke folgende An⸗ fragen an die Regierung: Wann wurde der 1a;. zwischen dem Tanganyika⸗ und dem Albert Edward⸗See zuer England vom Congostaat angeboten? Hat Egypten durch die Depesche vom August 1892 seine Rechte über die Aequatorialprovinz reserviert? Ist es wahr, daß Deutsch⸗ land und rankreich Einspruch gegen das englisch⸗belgische Congo⸗Abkommen erhoben haben? Der Parlaments⸗Sekretär des Auswärtigen Sir E. Grey er⸗ widerte, er müsse die Beantwortung der beiden ersten Fragen verschieben; was die dritte betreffe, so habe der fansaiche Botschafter eine Note eingereicht, worin erklärt werde, Frank⸗ reich mache das ganze Abkommen angehende Vorbehalte. Von der deutschen Regierung habe die britische keine veekagg erhalten. Sir Charles Dilke fragte hierauf, ob ein Protest von deutscher Seite in Brüssel eingetroffen sei. Sir E. Grey antwortete, er könne es nicht auf sich nehmen, zu erklären, was für Mit⸗ theilungen zwischen fremden Mächten stattgefunden hätten. Der Kanzler der Schatzkammer Sir W. Harcourt bean⸗ tragte hierauf, daß waͤhrend des Restes der Session den Regierungsvorlagen der Vorrang gegeben werde. Dieser Antrag wurde mit 234 gegen 217 Stimmen an⸗ genommen. Die Opposition begrüßte die geringe Majorität mit besonderem Beifall. Alsdann wurde die Berathung der
Finanzvorlage fortgesetzt. 1
Frankreich.
Im Senat und in der Deputirtenkammer wurde gestern die Programmerklärung des neuen Ministeriums verlesen. Darin wird, wie „W. T. B.“ berichtet, die Beihilfe des Parlaments zur Lösung der bestehenden Schwierigkeiten angerufen und erklärt, die Regierung werde die öffentliche Ordnung gegen alle Aufreizungen entschlossen aufrechterhalten, jederzeit die genaue efolgung der republikanischen Gesetze sicherstellen und den demokratischen Werken, die der gegenwärtigen Eeetgedug ihren Charakter auf⸗ prägen müßten, ihre thätige Mitwirkung leihen. Es sei nicht die Zeit für große Programme, die Regierung werde jedoch bestrebt sein, die dem Parlament zur Zeit vorliegenden ahlreichen Entwürfe, insbesondere diejenigen zu Gunsten der Arbeiter, zum gedeihlichen Abschluß zu bringen. Der Haupt⸗
inanzielle Problem, und die Kammern würden fiskalische eformen votieren müssen. Wenn die bereits weit vorgerückte Jahreszeit zu einer Aenderung der budget⸗ mäßigen Anträge in mehreren Punkten nöthige, so werde die Regierung solche Aenderungen in loyaler Weise erleichtern. Bezügli der auswärtigen Politik heißt es in der Erklärung: „Wir werden uns angelegen sein assen, jene Stetigkeit der Ansichten und der S welche es Frankreich trotz des Widerstreits der politischen Meinungen möglich machte, den seines Namens und seiner Geschichte würdigen Platz unter den Nationen wieder ein⸗ unehmen, aufrecht zu halten. Stark durch Ihre Unter⸗ iutzung und durchdrungen wie Sie vom nationalen Geiste, werden wir in allen Lagen aufmerksame Hüter der Interessen Frankreichs, entschlossene Vertheidiger seiner Rechte sein. In Sachen der Volkswirthschaft endlich werden wir der nationalen Produktion, besonders den Interessen des Weinbaues unsere Sorgfalt widmen“. Die Erklärung wurde von der Linken und dem Zentrum mit lebhaftem Beifall auf⸗ genommen. — Nach Verlesung der Erklärung verlangte der Deputirte Le⸗ 4 % sé von 2 -22 Mercier und Casimir Périer Rechenschaft wegen ihrer Weigerung, Turpin über 8 neuesten Erfindungen zu vernehmen. Der Kriegs⸗ Minister Mercier erwiderte, es sei Zeit, die Legende ver⸗ schwinden zu machen, daß Turpin der Erfinder des Melinits sei, ebenso wie die Anschauung zu beseitigen, daß Turpin ein treuer Diener des Landes sei. Turpin habe Freycinet und die Gesellschaft, mit der er in Unterhandlung getreten, getäuscht. Turpin habe stets freie Perfcenph über seine Patente gehabt und fremden Mächten das Melinit zum Fauf angeboten, dessen Zusammensetzung ihm nicht einmal bekann sei, da er unter dem Namen des Melinits Pikrinsäure angeboten habe. Die amtliche Prüfungskommission habe das von Turpin offerierte Melinit sehr wesentlich abgeändert. Turpin habe seine Cveeaaee. getäuscht, denn das von ihm ausgebotene Melinit sei keineswegs mit in dem Kriegs⸗
Föhneie der parlamentarischen Aufgaben sei aber das
und Giusso begründeten Tagesordnungen zu
8 Der Papst, dessen Befinden sehr gut ist, wurde
Ministeriu enommenen identisch. (Protestrun se auf der ußersten Linten Nachdem Turpin wieder in Heit gesetzt worden, sei er wiederum mit Forderungen erm grgetreten, wiewohl er den vereinbarten Preis erhalten ha e. Das jüngste Vorgehen Turpin's sei ein derartiges genwesen, daß man darauf nicht habe antworten können. Die Regierun sei überzeugt, daß es sich dabei um einen 1“ hahe Der Minister verlas ein chreiben
8 des Departements du Nord, wonach Turpin seine Erfindung an eine belgische Gesells ʒhaft abge⸗ reten habe, und schloß: diese Erfindung bedrohe in keiner Weise die Zukunft des Landes. Wenn es sich um Sine ernste Erfindung handle, werde Frankreich eine solche unter Wnwendung er erforderlichen Geldmittel stets erlangen. (ZBeifall im entrum.) Der Deputirte Möry beantragte, die 2Lnfrage in eine Interpellatien umzuwandeln. Der Ministen⸗⸗Präsident Dupuy erklärte sich damit einverstanden und beant/ agte die so⸗ ortige Berathung. Der Deputirte Pourquéry⸗d e Boi f serin gab u, Turpin sei ein elender Mensch, aber dessen S⸗OHlechtigkeit entschuldige doch nicht die Lässigkeit des Ministers. Der Depu⸗ irte Marcel Habert tadelte streng die Abthei laungen des Kriegsdepartements und brachte eine Tagesordnung Lin, worin eine Untersuchungskommission gefordert wird. (Längere Unruhe.) Der Deputirte Humbert war den Anrsicht,
doh Turrzuns Ersrbund-- verhient hätte —— eprüt. a2u.
werden, und beantragte eine motivierte Tag Lsordnung. Der Kriegs⸗Minister Mercier erklärte, er würde wohl ein⸗ gewilligt haben, Turpin anzuhören, wenn dieser ber eit gewesen wäre, ihm seine Erfindung zu unterbreiten, ohne gleichzeitig Geldforderungen zu stellen. Die gegen die Abthe i Lungen des Kriegs⸗Ministeriums gerichteten Anklagen weise er Zurück, da der Minister allein verantwortlich sei. (Wiederho L ter Beifall im Zentrum). Nunmehr legte der Deputirte Fla andin eine Tagesordnung vor, worin dem Vertrauen in die BsLachsamkeit der Regierung Ausdruck gegeben wird, daß eine cingehende Prüfung aller die nationale Vertheidigung P etreffenden Erfindungen werde sicher gestellt werden. Der Mirn jster⸗Präsi⸗ dent Dupuy nahm diese Tagesordnung an, indem er erklärte: was die Kammer wolle, sei also, daß die Erfinder sm Kriegs⸗ Ministerium nunmehr immer eine sympathische Aufnahme fänden. (Lebhafter Beifall.) Hierauf wurde die Ta Gesordnung Flandin mit 416 gegen 102 Stimmen angenommen aund sodann die Sitzung geschlossen.
Die gemäßigten republikanischen BI Etter be⸗ eichnen die ministerielle Erklärung als unrn Zweideutig, seie einsichtsvoll und verständig, die Oppositio ax sorgane
nennen sie unbestimmt und inhaltslos. Die Me Hrzahl der Blätter sieht in der Abstimmuug über die Interp ellation in der Angelegenheit Turpin eine an das Kriegs⸗Mini fterium ge⸗ richtete Warnung.
Die Präsidenten der Südbahn und der Drleans⸗ bahn haben nach Mittheilung der Abendblätter derr Minister der öffentlichen Arbeiten durch eine schriftlic e Eingabe ersucht, falls er nicht anerkenne, daß die Zinsgaran rte bis zum Ablauf der “ dauere, die Streitfrage schor jetzt durch den zuständigen Richter entscheiden zu lassen.
Italien.
Die Deputirtenkammer setzte gestern die Beren thung über die Finanzmaßnahmen fort. Wie „W. T. B.“ me AIdet, sprach der Berichterstatter Vacchelli seine Befriedigun über die
Art aus, wie der Minister Sonnino die eziehungen des Schatzes zu den Emissions⸗Instituten regeln wolle, und uͤber den Ernst und die Aufrichtigkeit, znnit der er seinem Ressort vorstehe. Vacchelli nahm sodann für die Kommission das Recht und die Pflicht irz Anspruch, die ihrer Prüfung anvertrauten Vorschläge micht nur einfach zu verwerfen oder anzunehmen, sondern auch abzu⸗ ändern. Der Redner ermahnte die Kammer, ihre Arbeiten nicht zu beendigen, bevor für das Gleichgewicht des Budgets Vorsorge getroffen sei. Der Abstand zwischen den An⸗ schauungen der Regierung und denen der Ssonmission bezüglich des Defizits fe kein bedeutender da die einzige Differenz sic auf die Höhe der Aus gaben für die Eisenbahnen beziehe, die dem ordentlichen Etat zu⸗ gewiesen werden könnten. Vacchelli meinte so dann, die Schätzungen des Ministers bezüglich der Vermin Derung der Zolleinnahmen und anderer Einnahmeposten seien exrthümlich. Er halte dafür, daß das Defizit auf 98 Millionuen zurück⸗ zuführen sei. Er könne die Ansicht derer, die uf Grund Berechnungen, die er für phantastische erachte, hbehaupteten, das Land sei absolut steuerunfä Hig, nicht zulassen. Der sicherste Weg sei der der seenase Die “ und industrielle Prowuktion sei eher im Steigen als im Sinken begriffen. Das Un⸗ glück sei das Sinken der Preise und die FKreditkrisis; gerade für die Beseitigung der letzteren min sse gesorgt werden. Was die Ersparnisse betreffe, so müßten * an den Milltärbudgets, die auf 310 Millionen festzulegern seien, ge⸗ macht werden; dadurch werde dem Schatz aufgehol Fen und die öffentliche Meinung für die neuen Steuern, die urr aumgänglich necseehch seien, gewonnen werden. Redner wies dann die Nothwendigkeiteines Zolles auf Getreide, sowie die Not Hyverndigkeit der Erhöhung des Salzpreises und der Erhöhung der Srundsteuer um ein gr nach ging, hierauf zu der Erhöhung Der Renten⸗ steuer über und erklärte, er glaube nicht, daß marr das Recht des Staats, die bereits bestehende Rentensteuer Zaun erhöhen, anzweifeln könne. Die Einführung einer Spezi cn Lsteuer von 20 Proz. auf die Rente bekämpfe er aber. In Betr ff der Geld⸗ zirkulation trat Vaccchelli für die Vorschlüäge der FSdommission ein und empfahl dann der Regierung, für die Vermi arderung der schwebenden Schuld des Schatzes Sorge zu tragen- Schließ⸗ lich wies er den Vorwurf zurück, als ob die FSconmission ihre Zuflucht zu halben F , genommen habe; die Be⸗ schlüͤsse der Kommission bezweckten, das Budget iederherzu⸗ stellen und gleichzeitig die Ehre des Vaterlandes urn -b zu erhalten. (Beifall) Der Deputirte Sciacca begründete hierauf eine Tagesordnung, worin einige 90 eggilagene Steuern bekämpft werden. Die Deputirten Farin a, Licata ( annsten der Alsdann wurde SDie Sitzung
Die zur Zentenazfeier für den Papst Pius IX. eingetroffenen italienischen Wallfahrer, sowie Vertreter der katholischen Vereine in Rom und Delegirte fremd⸗ ländischer Diözesen, darunter zwanzig Bischöfe — die sich an der Ausschmäckung des Grabmals Pius⸗ C. be⸗ theiligt hatten, wohnten gestern der vom Papst im Loggiensaale der St. Peterskirche gelesenen 8 ül *
Durchführung von Ersparnissen. aufgehoben.
scheinen und beim Abgange von den Anwesenden warm begrüßt. Nach der Messe empfing der Papst in der sogenannten Mantuanischen Loggia die Führer der zu der Feier erschienenen Deputationen und betonte in der Antwort auf eine an ihn gerichtete Ansprache, daß die Gedächtnißfeier für Pius IX. zur Verherrlichung der Kirche diene durch die Erinnerung an große Werke, sowie dadurch, daß sie Achtung und Gehorsam für den päpstlichen Stuhl bethätige, den perfiden Kunstgriffen zum Trotz, welche die Gläubigen ab⸗ wendig machen wollten. Der Papst erneuerte schließlich den rühmenden Nachruf, den er in seiner ersten Konsistorial⸗ Allokution im Jahre 1878 dem Wirken Pius’ IX. gewidmet hatte, und fügte hinzu, daß die bisher verflossene Zeit seine See bestätigt 2
8 1“ Portugal. Die brasilianischen Insurgenten sind gestern in Lissabon angekommen. Sie sollen, dem „W. T. T.“ zufolge, in den Forts Peniche und Abrantes interniert werden.
Schweiz.
Ueber die Wirkungen des Zollkrieges mit Frank⸗ reich ist dem „Bund“ zur Richtigstellung einiger von fran⸗ söfischen Blättern gebrachten Angaben amtlich 1 lgende Mitthei⸗ lung zugegangen. Der Absatz französilcher Faßweine nach der Schweiz ist nicht um 15, sondern um 95 bis 96 Proz. esunken, was umsomehr bedeuten will, als die Schweiz is zum Zollkrieg der stärkste Konsument französischer Weine war. Von dem ganzen französischen Faßwein⸗ export nahm sie ein volles Sechstel auf (250 bis 300 000 hl). Der Veredelungsverkehr in Zöö“ zwischen Chaux⸗de⸗Fonds und Besançon besteht ungehindert weiter. Um dies, trotz der hohen Zölle zu ermöglichen, hat die schweizerische Zollbehörde ein eigenes Bureau für die Freipaßkontrole errichtet. Heerdhra ist gleichzeitig eine richtigere statistische Behandlung, nämlich die Ausscheidung aus dem Spezialhandel zum Freipaß⸗ verkehr ermöglicht worden. Der reale Antheil der Schweiz an ihrem Export nach Frankreich ist nicht auf 26 292 000 Fr. (soll heißen 27 292 000), sondern nur um 27 292 000 Fr. gesunken, nämlich von 75,6 auf 48,3 Millionen Franken. Ebenso ist auch die Bruttoziffer der schweizerischen Ausfuhr nach Frankreich, nicht, wie der „Temps“ sagt, auf 40 Proz., sondern um 40 Proz., also auf 60 Proz. des früheren Absatzes gesunken. 1“
Der ehemalige serbische Gesandte in Wien Bogicevic ist, nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Belgrad, zum
serbischen Gesandten in Berlin ernannt worden und wird seinen Posten im Laufe des Monats Juni antreten.
Bulgarien. “
Wie „W. T. B.“ aus Sofia von heute meldet, hat sich das neue Kabinet folgendermaßen konstituiert: Stoilow Präsidium und Inneres, Natschewitsch Aeußeres und interimistisch Arbeiten, Geschow Finanzen, Radoslawow Justiz und interimistisch Unterricht, Petrow Krieg, Tontschew Handel und Ackerbau.
Die Demonstrationen in Sofia wurden gestern Nach⸗ mittag fortgesetzt. Dem „W. T. B.“ zufolge versammelten sich in den zu dem Hause Stambulow's führenden Straßen viele Menschen, die schreiend und pfeifend demonstrierten und Drohungen gegen die Polizei, welche sich zurückhielt, ausstießen. Nach der „Pol. Korr.“ veranstalteten Kollegen eines vor⸗ gestern verwundeten und gestern verstorbenen Studenten Demonstrationen. Die Polizei schritt ein und verhaftete zehn Studenten. Nachmittags zog eine größere Volksmenge vor das Polizeikommissariat, wo die Studenten gefangen ge⸗ halten wurden. Letztere wurden freigelassen. Als die Volbs⸗ menge dennoch näher kam, gab die Poli ei Feuer. Das Kom⸗ missariat wurde darauf von Kavallerie befe t. Die Zusammen⸗ rottungen dauerten auch gestern Abend fort; zu ernsten Zu⸗ sammenstößen kam es jedoch nicht. Auch in Varna fand ein Zusammenstoß zwischen den Anhängern d G
tambulow's statt. b
Wie der „Times“ aus Tientsin von gestern gemeldet wird, ist in der Mandschurei Fr von Streitigkeiten zwischen den chinesischen Ansiedlern und den Mongolenführern ein Aufstand ausgebrochen.
Parlamentarische Nachrichten.
b
Ein Nachtrag zu dem Bericht über die Sitzung des Herrenhauses vom 30. Mai, die Berichte über die gestrige 17. Sitzung des Herrenhauses und die 75. Sitzung des Hauses der Abgeordneten sowie der Bericht über die 5— abgehaltene Schlußsitzung der vereinigten Iöan Häuser des Landtags besinden sich in der Ersten
eilage.
Statistik und Volkswirthschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
„In der Petroleummotor⸗ Bauanstalt von Swiderski in Leipzig⸗Plagwitz stellten dem „Vorwärts“ zufolge am Dienstag Abend von 26 Drehern 23 die Arbeit ein, weil sie mit ihrer Be⸗ handlung durch einen Meister unzufrieden waren.
Der Ausstand der Dachdecker in Dresden (vergl. d. Nrn. 110 u. 117 d. Bl.) wurde von einer am 29. Mai abgehaltenen Versamm⸗ lung der Ausständigen für beendigt erklärt, da immer mehr Meister die Forderungen der Arbeiter — 20 % Lohnerhöhung und zehnstündige Arbeitszeit — bewilligten. 8
Aus Krakau wird berichtet, daß der Ausstand der Bäcker (vergl. Nr. 121 d. Bl.) nach nur 24 stündiger Dauer zu Gunsten der Ausständigen beigelegt worden ist.
Ueber den Ausstand der Droschkenkutscher in London (vergl. Nr. 126 d. Bl.) wird der „A. K.“ mitgetheilt, daß die Kutscher bis jetzt den Fuhrwerksbesitzern gegenüber im Vortheil zu sein scheinen, da mehrere der letzteren sich zum Verkauf ihres gesammten Pferde⸗ bestands genöthigt gesehen hätten.
Wie aus New⸗York unter dem 30. Mai gemeldet wird, hat der Gouverneur des Staates Ohio, M Kinley, die Miliz des Staats nach Gloucester beordert, wo die ausständigen Kohlenarbeiter (vergl. Nr. 126 d. Bl.) eine Brücke verbrannt haben, damit keine Züge mehr fahren können. In Brazil in Indiana verhindern die Strikenden das Ablassen der Kohlenzüge. In Stanton in Illinois versuchten sie einen Zug zur Entgleisung zu bringen. In den vom Strike
W
betroffenen Staaten gü- eine Fabrik nach der anderen wegen Kohlenmangels. Der Gouverneur von Pennsylvanien hat eine Proklamation erlassen, worin er jeden warnt, sich an Ungesetzlichkeiten zu betheiligen. Sollte es nöthig sein, so werde das Militär zur Wahrung des Gesetzes herangezogen werden.
Kunst und Wissenschaft.
—. Die Kuns. Anehellnns der Sezessionisten in München ist, wie „W. T. B.“ bekichtet, gestern Vormittag 9 Uhr von dem Prinz⸗Regenten eröffnet worden. Nachdem Seine Königliche Hoheit unter Führung des Comités die Ausstellung be sichtigt hatte, folgten um 10 Uhr die Angehörigen des Königlichen Herne⸗ die Spitzen der Behörden und die Ehrengäste. Die Aus⸗ tellung enthält in 12 Sälen ungefähr 400 Kunstwerke und bietet einen vornehmen künstlerischen Gesammteindruck. — Heute Vormitta eröffnete Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent die Münchener internationale Jahres⸗Kunstausstellung im Glaspalast. Bei seinem Rundgang durch die Ausstellung sprach der Prinz⸗Regent seine vollste Befriedigung über die Ausstellung aus. In 41 Sälen sind nahezu 1800 Kunstwerke der Malerei und Plastik ausgestellt.
— Wie dem „W. T. B.“ unter dem gestrigen Tage vö gemeldet wird, sind die Schriftsteller Paul Bourget und Albert Sorel zu Mitgliedern der Akademie gewählt worden.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗
Makregeln.
Flecktyphus.
NRNeg.⸗Bez. Königsberg. Einer Mittheilung in den „Ver⸗ öffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 20. April zu folge sind seit dem letzten Bericht in Braunsberg bei einem wei⸗ teren Bewohner des Hauses, in welchem bereits fünf Fälle beobachtet waren, sowie bei einem Landstreicher Erkrankungen festgestellt worden. Im Kreise “ ist von den bisher Erkrankten einer gestorben, eine Erkrankung wurde nachträglich gemeldet und ein bisher zweifelhafter Fall hat sich als Flecktyphus herausgestellt. In Heiligenbeil ist ein obdachloser Arbeiter krank zugewandert; endlich ist in Königsberg ein Landstreicher tödtlich erkrankt, desgleichen von den früher Erkrankte einer gestorben. Einschließlich von zwei nachträglich bekannt geworden tödtlichen Ausgängen, beläuft sich die Zahl der Erkrankungen (un Todesfälle) auf 115 (160. — Reg.⸗Bez. Danzig. is zu 14. April sind neuerdings in dem Stadtkreis Elbing fünf (davon einer gestorben), in den Kreisen Marienburg und Dirschau je zwei Personen erkrankt.
Cboleraz.
Oesterreich⸗Ungarn. Vom 16. bis 22. Mai erkrankten, dem „Oest. San.⸗W.“ zufolge, in 3 Gemeinden des politischen Bezirks Borszezow in Galizien 23 Personen, davon starben 9.
Rußland. Es wurden, wie in den „Veröffentlichungen de Kaiserlichen Gesundheitsamts berichtet wird, angezeigt: in der Stad Warschau vom 14. bis 16. Mai 12 Erkrankungen (7 Todesfälle), in den Gouvernements Radom vom 8. bis 12. Mai 4 (6), Plock vom 11. bis 15. Mai 12 (7), Kowno vom 6. bis 12. Mai 4 (3). In Sielce bei Sosnowice (Gouv. Petrikau), dicht an der schlesische Grenze, wurden bis zum 17. Mai 5 Erkrankungen und 3 Todesfäll amtlich festgestellt. 8
St. Petersburg. 1. Juni (W. T. B.) Die Gouvernements Plodzk und Radom sind vom Minister des Innern für cholera⸗ verdächtig erklärt worden. Die Provenienzen aus China und Japan werden in den russischen Häfen des Stillen Ozeans und des Schwarzen Meeres als choleraverdächtig behandelt.
Türkei. In den Vilajets Siwas wurden vom 7. bis 13. Mai 87 Sterbefälle gezählt, Kastamuni vom 5. bis 14. Mai 19, Koni am 13. Mai 1, Mahmurat el⸗Aziz vom 3. bis 13. Mai 15.
Ostindien. Kalkutta. Vom 15. bis 21. April sind 66 Per⸗ sonen an Cholera ve. 1 1 3
Lüttich. Wie der „Köln. Z.“ aus Lüttich gemeldet wird, sind in Jemappes eine aus sechs Personen bestehende Familie und zw Kinder an Cholera erkrankt. Am 30. Mai ist daselbst eine Perso an Cholera verstorben. pest
e st.
Hon kong. Zufolge einer am 20. Mai eingetroffenen Draht⸗ nachricht ist die Seuche in Victoria aufgetreten.
Gelbfieber.
Genua. Der Dampfer „Colombo“ traf am 11. Mai m 46 Besatzungsmannschaften und 614 Passagieren, darunter 9 Kranke an Bord, von denen einer vermuthlich an Gelbfieber litt, im Hafen ein und wurde zunächst nicht zum freien Verkehr zugelassen. Er wa am 20. März von Santos abgefahren, hatte Rio de Janeiro und Vittoria angelaufen, an letzterem Ort nach Ausschiffung von drei gelbfieberverdächtigen Kranken eine Quarantäne durchmachen g-Ä und sich alsdann nach Asinara begeben. Auf der Ueberfahrt dahin starben 10 Personen, darunter eine an Gelbfieber. Derselben Krank⸗ heit erlag auf Asinara eine weitere Person. — In Havana wurden (den „Abstr. of sanit. rep.“ zufolge) vom 20. bis 26. April 3 Sterbe⸗ fälle (nebst etwa 10 Neuerkrankungen) festgestellt, in Cienfuegos vom 22. bis 28. April 2, in Vera Cruz vom 20. bis 26. April 3 in Rio de Janeiro vom 18. bis 24. März 376, vom 25. bis 31. März 339. In letzterer Stadt starben dem „Boletim quinzenal de estatistica demographo-sanitaria“ zufolge in der ersten Hälfte des Februar 531, in der zweiten Hälfte 819 Personen am Gelbfieber; die Gesammtsterblichkeit im Monat bezifferte sich a 2728, d. i. 59,3 % der Einwohner laufs Jahr berechnet).
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Handel und Gewerbe.
Fr⸗ ntfart a. 1t. 31. Mai. (Getreidemarktbericht von Joseph Strauß.) Weizen ab unserer Umgegend 14 —%¼ ℳ, frei hier 14 ⁄10— 4⁄10 mℳ, ausländische Sorten (Redwinter, Kansat, La Plata), sowie russischer 13 ¾ — 14 ¼½ ℳ je nach Qualität und kunft. Tendenz hoffnungslos. Roggen, hiesiger, 5 à 12 ¼ ℳ gethan; russischer erdrückend offeriert und ℳ käuflich, in größeren Partien unter Notiz angeboten. Ab Posen à 105 ℳ Kleinigkeiten für nach Hessen⸗Nassau gethan. Gerste: Franken (Ochsenfurter Gau) à 12 ½ ℳ, Wetterauer à 12 ℳ und Pfälzer ca. 13 ℳ 1t bis 9 ½ ℳ geworfen. Hafer: 13 ½ — 14 ½ ℳ, exquisite darüber. Mais und sonstige Futterstoffe. Mais (Mixed) 10 ⁄100— ⁄ Donau ebenso; beschädigtes sehr unregelmäßi ethan. Roggenkle 8 ½ — 9 ℳ; Weizenkleie 7 ¼¾ —8 ℳ; Roggenstch Handdrusch) per Zt 2,80 ℳ; Malzkeime ca. 9— ½; getrocknete Biertreber 9,60 ℳ; Spelze spreu per Ztr. ca. 1 ½ ℳ; orfstreu per Ztr. 1,20 ℳ; kleine Saat⸗ erbsen 13 ½ ℳ; hochfeine darüber. — Mehlmarkt. Für Weizenmehl beherrschen unsere Provinzmühlen den Markt, während Ro enmehl von einer der ersten Berliner Mühlen durch forcirte Verkäufe von 16,60 — 16,40 ℳ ab daselbst pr. Juni / Juli Abladung gehandelt wurde.
Köln, 31. Mai. (W. T. B.) Die heutige, von 98 Aktionären mit 4857 Stimmen F vS; Generalversammlung der Vereinigte Köln⸗Rottweiler Pulverfabriken genehmigte den vorgelegte Rechnungsabschluß und die Vorschläge zur Vertheilung des Rei gewinns, wonach die Dividende von 12 ½ % bei den bekannten Stelle zur Auszahlung kommt. Die ausscheidenden Mitglieder des N. ts raths, heimer Rath Dr. Steiner, Bankdirektor Königs, Juliu Eltzbacher, Eduard Klein und Gustav Müller, wurden wiedergewählt an Stelle des durch den Tod ausgeschiedenen Mitglieds Wasserfuh wurde Geheimer Rath Michels hinzugewählt. .
Essen a. d. Ruhr, 31. Mai. (W. T. B.) Die heutige Monatsversammlung des Wehäfale en Kokssyndikats in Bochum hat laut Bericht der „Rheinisch⸗Westfälischen Zeitung“ die duktionseinschränkung für Juni auf 10 % und die Beiträge für Ma und Juni auf 25 %, beides wie bisher. festgesetzt. Man nimmt an daß beide Sätze für das ganze Jahr bleiben werden.