vorübergehenden Geldbedürfnisses ohne erhebliche Kosten und Förmlich⸗ keiten neuen Kredit zu erhalten, bieten sich als empfehlenswerthes Mittel Amortisationsdarlehne, besonders in Verbindung mit der Ein⸗ richtung dar, daß die Amortisationsbeiträge zu einem besonderen Fonds angesammelt werden, welchen der Schuldner gegebenen Falls wieder für seinen Kredit nutzbar machen kann.
Zur Gewährung derartiger Darlehne eignen sich in erster Linie die mit besonderen Vortheilen für den Kreditnehmer verbundenen öffentlichen Grundkreditinstitute (Landschaften u. s. w.).
Außer diesen und ohne in nachtheilige Konkurrenz mit ihnen zu treten, sind auch die öffentlichen Sparkassen in der Lage, den Real⸗ kredit durch Gewährung von derartigen Amortisationsdarlehnen zu fördern, wie dies bei einem Theil der preußischen Sparkassen bereits geschieht. Eine allgemeine Verbreitung hat diese Einrichtung indessen noch nicht gefunden, weil das Verständniß ihrer wirthschaftlichen Vor⸗ theile noch nicht weit genug vorgeschritten ist und die den Kredit⸗ nehmern obliegenden Leistungen für Zinsen und Amortisationsbeiträge vielfach als Ueberbürdung empfunden werden. Die Hebung dieser Schwierigkeit erscheint möglich, wenn die Sparkassen für Amorti⸗ sationsdarlehne eine geringere Verzinsung fordern als für gewöhnliche
ypothekendarlehne, wozu sie, wie mehrfache Beispiele beweisen, mit Rücksicht auf die jährlich abnehmende Verschuldung des mit Amorti⸗ sationsdarlehnen belasteten Grundbesitzes, bezw. auf die allmähliche
Vergrößerung des Amortisationsfonds in der Lage sind.
Die Vergünstigung niedrigerer Zinszahlung wird indessen den Kreditnehmern nur für den Fall zuzubilligen sein, daß sie sich ver⸗ pflichten, die ihnen gemäß § 63 des Grunderwerbsgesetzes vom 5. Mai 1872 zustehende Befugniß, betreffs des durch Amortisation getilgten Betrages Quittung, Löschungsbewilligung oder Abtretung zu ver⸗ langen, so lange nicht auszuüben, bis der fünfte Theil der Schuld ge⸗ tilgt ist, und für den jeweiligen Rest der Amortisationshypothek das Vorrecht vor einer an Stelle der getilgten Kapitalstheile etwa auf⸗ zunehmenden Hypothek einzuräumen. Denn bei unbeschränkter Aus⸗ übung des Rechts aus § 63 a. a. O. würden die Schuldner an Stelle des getilgten Betrages einem anderen Gläubiger eine Hypothek mit gS Priorität wie der Sparkasse bestellen und den auf allmähliche Tilgung der Schuld gerichteten Zweck der Amortisationshypotheken vereiteln können.
Die Amortisation kann, wie bei den von den Gemeinden in In⸗ haberpapieren aufzunehmenden Anleihen, derart erfolgen, daß durch fortgesetzte Zahlung eines bestimmten Prozentsatzes des ursprünglichen Schuldkapitals die Schuld alljährlich sowohl verringert, als verzinst und in einer bestimmten Zeit gänzlich getilgt wird. Um aber den Grundbesitzern zu ermöglichen, das aufgesammelte Amortisationsguthaben unter Umständen von der Sparkasse zurück zu erhalten, kann auch das bei den landschaftlichen Kreditinstituten übliche Verfahren eingeschlagen werden, wobei die Darlehnsnehmer außer den Zinsen einen ge⸗ wissen Prozentsatz — mindestens ½8 % der Darlehnsschuld — zahlen, der jedoch nicht zur sofortigen Tilgung der Schuld verwendet, son⸗ dern als ein besonderer Fonds — Amortisationsfonds — von den Sparkassen für den Schuldner verwaltet und gleich anderen Einlagen verzinst wird. Diese Zinsen können den von der Sparkasse für andere Spareinlagen gezahlten Zinsen gleich sein, oder, wie z. B. bei den Kreis⸗Sparkassen in Liebenwerda und Kolberg, sie übersteigen. Diese Sparkassen sammeln die zum Zwecke der Amortisation gezahlten Bei⸗ träge nebst den davon öö Zinsen für den Schuldner auf ein besonderes Konto und stellen ihm darüber ein Sparkassenbuch aus. Sobald dieses Konto mit den aufgelaufenen Zinsen die Höhe, von 1⁄10 der Darlehnsschuld erreicht hat, kann der Schuldner die Rückgabe des Amortisationsguthabens beantragen.
Es empfiehlt sich, daß sich die Sparkassen die freie Entscheidung dar⸗ über vorbehalten, in wie weit den Gesuchen um Rückgabe des Amorti⸗ sationsguthabens gewillfahrt werden kann, wenn auch, falls hinsichtlich der Sicherheit keine Bedenken entgegenstehen, derartigen Anträgen regelmäßig stattzugeben sein wird. Nur wird dann festzustellen sein, daß die Rückgabe erst nach Rückzahlung des zehnten Theiles der Schuld erfolgt, da anderenfalls der Zweck der Schuldentilgung zu sehr in den Hintergrund treten würde. Um Mißbräuchen vorzubeugen, würde ausbedungen werden können, daß bei der Rückgabe des Amorti⸗ sationsbestandes die etwa bewilligte höhere Verzinsung der Amorti⸗ sationsbeiträge mit rückwirkender Kraft in Abzug kommt.
Betreffs der etwaigen Kündigung von Amortisationsdarlehnen werden die für gewöhnliche Hypothekendarlehne geltenden Vorschriften zur Anwendung zu bringen sein, da die der Kündigung der Sparer ausgesetzten Sparkassen auf das Recht der Kündigung ihren Schuldnern gegenüber nicht verzichten können, andererseits aber auch dem Schuldner eine Rückzahlung vor der planmäßigen Tilgung erwünscht sein kann. Immerhin empfiehlt es sich, die Amortisationshypotheken dadurch zu begünstigen, daß, wie es bei der Haupt⸗Sparkasse des Markgrafthums Niederlausitz geschieht, bei einer im Falle von Geldbedarf der Spar⸗ kassen nothwendig werdenden Aufkündigung zunächst die Hypotheken ohne Amortisation gekündigt werden. 8
Ew. ꝛc. ersuche ich ergebenst, auf die Sparkassenverwaltungen der dortigen Provinz dahin einzuwirken, daß die Amortisations⸗ hypotheken unter Beobachtung vorstehender Grundsätze eine thunlichst erweiterte Anwendung finden und, soweit dies noch nicht geschehen ist, die Aufnahme entsprechender Bestimmungen in die Statuten der öffentlichen Sparkassen in⸗Anregung zu bringen. 3
Ueber die Entwickelung dieser Angelegenheiten sehe ich
Jahresfrist einem gefälligen Bericht ergebenst entgegen.
Von den Drucksachen der Silberkommission sind ferner erschienen und durch die Reichsdruckerei in Berlin SW., Oranienstraße 90/91, zu beziehen: 1
Nr. 20. Zur Vorgeschichte der deutschen Münzreform. FH 8 Nr. 16 der Drucksachen. Vorgelegt von Dr. Arendt. (1 Bogen),
Nr. 21. Die deutschen Silberverkäufe im Vergleich mit der Silberproduktion. (⁄½ Bogen),
Nr. 22. Kupfergehalte in dem Mansfeldschen. Vorgelegt vom Geheimen Bergrath Leuschner. (1 ½ Bogen), -
Nr. 23. Ueber das Vorkommen und die Nachhaltigkeit des Goldes in wirthschaftlicher Beziehung. Verfaßt vom Berg⸗Inspektor Wimmer. Vorgelegt vom Geheimen Bergrath “ (2 ½ Bogen), sowie d
die Protokolle: der 8. Sitzung vom 22. Mai d. J. (8 Sö der 9. Sitzung vom 23. Mai d. J. (7 ½ Bogen), der 10. Sitzung vom 24. Mai d. J. (8 Bogen) und der 11. Sitzung vom 25. Mai d. J. (8 ½ Bogen).
Der Kaiserliche Konsul in Havre Heinrich Becker ist am 12. d. M. in Berlin, wo er kurz vorher mit Urlaub ein⸗ 85 war, im 45. Lebensjahre am Herzschlag plötzlich ver⸗
eden. 3 Herr Becker trat im Jahre 1879 als Gerichts⸗Assessor in den auswärtigen Dienst ein, wurde 1881 Vize⸗Konsul bei dem General⸗Konsulat in Odessa und bekleidete vor seiner im Jahre 1892 erfolgten Ernennung zum Konsul in Havre die Konsulposten in Jassy, Kiew, Apia und Kairo. In allen diesen Stellungen hat der Dahingeschie⸗ dene sich durch besondere Pflichttreue und vortreffliche, von umfassenden Kenntnissen unterstützte Leistungen aus⸗ gezeichnet. Zugleich hat er es verstanden, durch irer dürdihe persönliche Eigenschaften sich die Sympathie seiner Berufs⸗
Kupferschieferflötz im
genossen und seiner Landsleute im Auslande in reichem Maße zu erwerben.
In den Kreisen des Auswärtigen Amts, welches diesen unerwarteten Verlust eines treuen Mitarbeiters beklagt, wird Verstorbenen ein ehrendes Andenken dauernd gesichert
eiben.
Frankfurt a. M., 13. Juni. Seine Majestät der König von Schweden und Norwegen traf, wie „W. T. B.“ meldet, heute Mittag aus Wiesbaden hier ein und reiste um 4 Uhr nach Cronberg zum Besuch Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich. Die Rückkehr erfolgte heute Abend 7 Uhr. Morgen Vormittag 8 Uhr reist der König nach Berlin ab. v“
88 18 In der am Montag nach der Rückkunft des Prinz⸗ Regenten unter dem Vorsitz Seiner Königlichen Hoheit ab⸗ gehaltenen Staatsrathssitzung wurde über das Finanz⸗ gesetz, über die Bahnlinie Burghausen —Mühldorf und über eine Reihe anderer Gesetzesvorlagen Beschluß gefaßt. Die Publizierung des Finanzgesetzes steht nunmehr in nächster eit bevor. Auch an den Landrathsabschied wird die letzte and gelegt werden. Dieser erfolgte, wie die M. „Allg. Ztg.“ schreibt, in der Regel viel früher, im vorigen Jahre schon im März; in diesem Jahre mußte aber die letzte Berathung, die Fassung des Textes und die Veröffentlichung bis jetzt verschoben werden, weil die Sätze der direkten Steuern erst durch das Finanz⸗ gesetz festgestellt sein müssen, ehe die zur Bestimmung der Kreisumlagen als Unterlage dienende „Steuerprinzipalsumme“ in den Landrathsabschied eingefügt werden kann.
Baden.
Ihre Königliche Hoheit die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen hat, von Baden⸗Baden kom⸗ mend, gestern Abend über Karlsruhe die Rückreise nach Schweden angetreten. Das Befinden der Kronprinzessin hat sich, wie die „Karlsr. Ztg.“ meldet, in neuester Zeit wesentlich gebessert; besonders ist Höchstderselben der Aufenthalt in Baden⸗Baden sehr gut bekommen.
Die Zweite Kammer beginnt heute die Berathung der kirchenpolitischen Vorlagen. Die Verhandlung wird sich, wie der „Schwäb. Merk.“ mittheilt, auf folgende drei Punkte erstrecken: die freie Zulassung der Orden (lediglich mit einer Anzeige, wie geschehen, bei der Regierung); die Aufhebung des Verbots der Ordensmissionen und die Verminderung der deutsch⸗ wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen bezw. die Aufhebung des Gebots dieser Vorbildung für die Mitglieder der geistlichen (erzbischöflichen) Kollegien. Die liberale Partei trat diesen sämmtlichen Forderungen in der Kommission entgegen; die Regierung ist bereit, auf die Zulassung der Missionen einzu⸗ gehen, und sie hält auch deren Unterstellung unter das Versamm⸗ lungsrecht fuür ungeeignet. Diese Unterstellung unter das Vereins⸗ und bezw. Versammlungsrecht für Orden und Missionen mußte in den Kommissionsantrag aufgenommen werden, weil die Sozialisten dies verlangten und weil ohne die Stimme des sozialistischen Mitglieds der Kommission für die bezüglichen Anträge sich keine Mehrheit ergeben 8 — Der Bericht des Abg. Heimburger über das Wahlrecht empfiehlt namens der Kommission einstimmig die Einführung des direkten und pro⸗ portionalen Wahlsystems.
Hessen. b
Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin werden sich, der „Darmst. Ztg.“ zufolge, heute Nachmittag nach Mainz begeben, wo offizieller Empfang stattfindet. — Ihre Königlichen Hoheiten der Frin und die Prinzessin Ferdinand von Rumänien reisten gestern Vor⸗ mittag von Bensheim aus über München und Wien nach Bukarest urück. — Seine Hoheit der Erbprinz von Sachsen⸗ Meiningen, Kommandeur der 22. Division, ist gestern Abend in Darmstadt angekommen und im Grohherzoglichen Schloß abgestiegen. Der Prinz wird auf dem Griesheimer Schieß⸗ platz Besichtigungen abhalten. D114A1“ Anhalt.
Seine Hoheit der Erbprinz ist, wie der „Anh. St.⸗Anz.“ meldet, am 9. d. M. zur Kur in Ems eingetroffen.
8 Schwarzburg⸗Sondershausen. 86 Die Festlichkeiten zur Feier der silbernen Hochzeit Ihrer
urchlauchten des Fürsten und der Fürstin fanden mit einem am Dienstag Abend von der Residenzstadt Sonders⸗ hausen dargebrachten Fackelzug ihren Abschluß. Der etwa 1000 Fackelträger zählende Zug, an dem die Stadtvertretung und saͤmmtliche Vereine sich betheiligten, bewegte sich, wie „Der Deutsche“ berichtet, vom Marktplatz nach dem Lustgarten, woselbst der Männerturnverein vor dem Fürstlichen Schlosse nach den Klängen der Musik einen Reigen aufführte. Der Fürst nahm den mit begeisterten Hochrufen erfolgenden Vorbeimarsch, auf der Rampe verweilend, entgegen. Die andern höchsten und hohen Herr⸗ schaften waren im Vestibul versammelt, wohin auch die beiden Bürgermeister, der Gemeinderath, sowie die Vorsitzenden der beim Fackelzug betheiligten Vereine befohlen wurden. Erster Bürgermeister Kühne brachte dem hohen die Glück⸗ und Segenswünsche der Einwohnerschaft dar. In leutseligster Weise unterhielten sich dann die hohen Herrschaften mit den Anwesen⸗ den und gaben der Freude und dem Dank für die bewiesene Liebe und Anhänglichkeit, für die reiche Schmückung der Stadt, sowie für die sonstigen festlichen Veranstaltungen und Auf⸗ merksamkeiten wiederholten Ausdruck. Nachdem die Erschienenen entlassen waren, setzte sich der Zug wieder in Bewegung und marschierte durch die Straßen der Stadt nach dem Wipper⸗ thore, woselbst die Auflösung des Zuges stattfand. Die ein⸗ zelnen Vereine hatten hierauf in mehreren Lokalen noch fest⸗ liche Versammlungen veranstaltet, bei welchen das hohe Paar in Wort und Lied mannigfach gefeiert wurde.
Ueber den von Seiner Durchlaucht vollzogenen Gnaden⸗ akt meldet der „Hann. Cour.“ Folgendes: Es sind erlassen worden diejenigen Geld⸗, Haft⸗ oder Gefängnißstrafen, welche von einem bII“ Gericht oder den nach 3 1 des Landesgesetzes vom 17. Mai 1879, betreffend das den Verwaltungsbehörden zustehende Straffestsetzungsrecht, zur Ver⸗ hüͤngung von Strafen zuständigen Polizeibehörden (wegen
ajestätsbeleidigung in Bezug auf den hsae oder ein Mitglied des Fürstlichen Hauses, Widerstands segen die Staatsgewalt und Verletzung der öffentlichen Ordnung, öffentlicher Beamtenbeleidigungen, Forst⸗ und Felddiebstähle) bis zum 12. Juni rechkskräftig erkannt und noch nicht oder nicht vollständig vollstreckt sind.
Sibppe.
Der Landtag hat, wie der „Hann. Cour.“ meldet, in seiner Sitzung vom 11. d. M. die Regierungsvorlage, betreffend Gewährung eines Landeszuschusses von 125 000 ℳ zu dem Bau der Eisenbahn Schieder — Blomberg, bei nament⸗ licher Abstimmung mit 13 gegen 6 Stimmen angenommen.
Oesterreich⸗Ungarn.
Das am Dienstag im ungarischen Abgeordneten hause verlesene Königliche Reskript über den Minister⸗ wechsel lautet:
„Wir, Franz Josef I., von Gottes Gnaden Kaiser von Oester⸗ reich, König von Böhmen ꝛc. und apostolischer 8 Ungarn entbieten den Bannerherren, weltlichen und kirchlichen Magnaten und Abgeordneten, die auf dem durch Uns für den 18. Februar 1892 in Unserer Haupt, und Residenzstadt Budapest einberufenen Reichstag versammelt sind, Unseren Königlichen Gruß. Liebe Getreuel In Würdigung der Gründe, die unser aufrichtig ge⸗ liebter getreuer Alexander Wekerle Uns unterbreitete, haben Wir mit Unserer vom 4. d. M. datierten Entschließung seine De⸗ mission von der Stelle des ungarischen Minister⸗Präsidenten als durch Uns angenommen erklärt. Doch da seither der Grund der Demission beseitigt wurde, haben Wir ihn wieder zum ungarischen Minister⸗ Präsidenten ernannt, wovon Wir Euch Getreue hiermit benachrichtigen, denen Wir im übrigen mit Unserer Königlichen Gnade ständig geneigt bleiben. Gegeben zu Budapest, 9. Juni 1894. Franz Joseph m. p. Alexander Wekerle m. p.“
Die Stelle in der gestern telegraphisch mitgetheilten Rede
des Minister⸗Präsidenten Wekerle betreffs der Stellung lautet
der Krone zu dem Zivilehe⸗Gesetzentwurf wörtlich:
Ich habe die Allerhöchste Ermächtigung erhalten, zu erklären, daß Seine K. und K. apostolische Majestät bezüglich der politischen Nothwendigkeit mit Seiner Regierung übereinstimme und die eheste Gesetzwerdung unter unseren politischen Verhältnissen auch Seinerseits für entschieden nothwendig erachtet. Diese Allerhöchste Ermächtigung berechtigt zu der Supposition, daß,. wenn das Abgeordneten⸗ haus mit großer Majorität wiederholt für diese Vorlage Stellung nimmt und wenn auch die Krone den Standpunkt des Abgeordneten⸗ hauses dadurch unterstützt, daß sie diese Vorlage für eine politische Nothwendigkeit erachtet, berechtigte Hoffnung vorhanden sei, daß auch der dritte Faktor der Gesetzgebung sich beugen, die politische Nothwendigkeit derselben anerkennen werde. Hierdurch sind wir in die Lage gekommen, nicht weiter an der Vermehrung der erblichen Magnatenhausmitglieder, als einem übrigens konstitutionellen Mittel, festzuhalten. Unter solchen Umständen, nach solchen Antezedentien haben sogar die Rücksichten auf die Ruhe und Kontinuität unserer politischen Zustände es uns zur Pflicht gemacht, uns vor den Bedenken der Krone zu beugen, und das treue Festhalten an unseren Prinzipien hat es uns zur Aufgabe gemacht, dieselben nicht fahren zu lassen, sondern von neuem die Regierung zu übernehmen.
Der volkswirthschaftliche Ausschuß des ungarischen Ab⸗ geordnetenhauses hat die Handelskonvention mit Ruß⸗ land im ganzen und in den einzelnen Bestimmungen ange⸗ nommen. h
Die zweite Division des britischen Geschwaders, bestehend aus drei Schlachtschiffken und einem YNachtkreuzer unter dem Kapitän Wilson, ist gestern Nachmittag in Ragusa eingetroffen und in dem Kanal von Lacroma vor Anker ge⸗ gangen. Das Geschwader beabsichtigt, dort einen viertägigen Aufenthalt zu nehmen.
Großbritannien und Irland.
Der Herzog von York veranstaltete gestern in Trinity House ein Festmahl, an welchem der Prinz von Wales und der Premier⸗Minister Lord Rosebery theilnahmen. Lord Rosebery betonte, nach Mittheilung des „W. T. B.“, in einer Ansprache, daß die Politik Englands eine Politik des Friedens und nur defensiv sei. Die Verstärkung der Flotte bedeute keine Drohung. In den letzten Zeiten seien Neagern hervor⸗ getreten, deren Tragweite durch unverantwortliche Darstellungen übertrieben worden sei. Der Tod des Sultans von Marokko könnte unangenehme Folgen haben, wenn die europäischen Staatsmänner weniger klug und maßvoll wären.
Die „Allg. Korr.“ schreibt: Die Debatte über den land⸗ wirthschaftlichen Nothstand in der Grafschaft Essex, welche am Montag im Unterhause stattfand, gab ein trauriges Bild. Vor den Thoren Londons giebt es einen großen Strich vortrefflichen Ackerlandes, der mit schnellen Schritten zur Prairie wird. Die der landwirthschaftlichen Kom⸗ mission zugehenden Berichte können die Thatsache nicht in Abrede seesten. Aber was thun? Die Abgeordneten von Esser schlugen vor, vielleicht nur, um sich nicht ganz rathlos zu zeigen, die Zehnten und die Landsteuer abzuschaffen. Aber wie im Laufe der Sitzung klar gezeigt wurde, kann auch dies dem bedrängten Farmer nicht helfen. In Essex kann kein Getreide mit Nutzen gebaut werden, so lange vom Aus⸗ land Korn zollfrei importiert wird. Der Weizenbauer von Esser ist ruiniert. Und doch geht es scheinbar gegen alle Vernunft, daß so fruchtbares Land, noch dazu in unmittel⸗ barer Nähe einer Großstadt gelegen, zu gar nichts mehr
Frankreich 1
Der Finanz⸗Minister Poincaré beantragte gestern in der Budgetkommission die Bewilligung der direkten Steuern in dem bisherigen Umfange und erklärte, daß er außerdem eine Reform der Erbschaftssteuer vorlegen werde.
Aus Nancy meldet „W. T. B.“: Füenaanch Zimmer⸗ gesellen, welche in der Nähe des Bahnhofes von Pagny⸗sur⸗ Moselle zwei deutsche Maschinisten angegriffen und mißhandelt hatten, wurden verhaftet und in das Gefängniß von Nancy gebracht. Sie werden wegen Verübung von Gewaltthätigkeiten gerichtlich verfolgt werden. Die deutschen Maschinisten haben eine Klage nicht eingereicht.
Phra⸗Yot, der Mörder des Eö Inspektors Gros⸗ gurin, ist, wie dem „Temps“ aus Bangkok gemeldet wird, zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurtheilt worden.
Italien.
Die „Agenzig Stefani“ bestätigt, daß die Ministerkrisis heute werde gelöst werden. Sonnino werde, wie bereits ge⸗ meldet, das Schatz⸗Ministerium und Boselli das Finanz⸗ übernehmen. Für den Ackerbau werde ein neuer Minister ernannt werden. 1
Ueber die Aenderung des Finanzreform⸗Programm meldet die „Opinione“, das Kabinet werde auf die Erhöhung der Grundsteuer um zwei Zehntel Prozent verzichten, dagegen die Rentensteuer aufrechterhalten und sich verpflichten, in dem nächsten Budget 20 Millionele weitere Ersparnisse vorzuschlagen, welche sich auf v. Zweige der Verwaltung, die militärische einges söfsn erstrecken sollen. Das Ministerium werde es so a
nerläßlich erklären, die parlamentarischen Arbeiten nicht 5 1e ohne sich dem Flamgentarisch im Budget 2 trächtlich genähert zu haben, und werde hierfür einen kurzen parlamentarischen Waffenstillstand begehren. Die „Opinione“ fügt hinzu, Brin habe erklärt, zu dieser Unterbrechung des parlamentarischen Kampfes seine Zustimmung 9 geben; man versichere, daß auch einige andere Gruppen das gleiche 62 eständniß machen würden, wofern die Regierung si förmlich verpflichte, die Kammer nicht aufzulösen. Die „Tribuna“ glaubt zu wissen, daß die Steuer auf alle Ein⸗ kommen aus beweglichem Vermögen erster Kategorie, darunter auch die Rente, auf 18 Proz. erhöht werden würde und daß daneben auf die besondere Steuer auf die Rente und auf eine neue Einkommensteuer 1u werden würde.
Der bekannte Staatsmann Nicotera ist gestern in Vico Equense (Provinz Neapel) gestorben. Zum Zeichen der Trauer hob die Deputirtenkammer gestern ihre Sitzung auf. Ueber Nicotera’'s Lebensgang entnehmen wir der „Nat.⸗Ztg.“ folgende Einzelheiten:
Giovanni Baron von Nicotera war am 9. September 1828 zu San Biase in Calabrien geboren. Er studierte die Rechte und schloß sich schon früh dem revolutionären Bunde des „jungen Italien“ an. Als Zwanzigjähriger betheiligte er sich an dem Aufstand in Calabrien und an den Kämpfen der römischen Republik, in deren Armee er als Offizier eintrat. Verwundet, zog er sich ins Privatleben nach Turin zurück, um 1857 sich einer von Mazzini angestifteten Expedition nach Capri anzuschließen, welche gegen die bourbonische Dynastie in Neapel gerichtet war. Er gerieth bei diesem Unternehmen schwer verwundet in Gefangenschaft, wurde zum Tode verurtheilt, aber zu lebenslänglicher Galeerenstrafe begnadigt. Als Garibaldi 1860 auf Sizilien landete, befreite er den im Bagno der Insel Farignana an der Westküste Siziliens Schmachtenden und reihte ihn als Offizier seiner Freischaar ein. In den Jahren 1860 und 1861, sowie 1866 und 1867 kämpfte Nicotera dann unter diesem Führer, um hierauf im italienischen Parlamente die Vertretung der Stadt Salerno zu übernehmen, die er auch seitdem ununter⸗ brochen beibehielt. Im Jahre 1876 trat Nicotera als Minister des Innern im Kabinet Depretis zum ersten Mal in die Regierung ein, nachdem er als einer der Führer der entschiedenen Linken den Sturz der bis dahin am Ruder gewesenen Konsorteria mit herbeigeführt. Ein Jahr später schied er schon wieder aus dem Kabinet. Als Haupt der sogenannten Pentarchie nahm er seitdem wiederholt den Posten des Ministers des Innern ein. Zuletzt gehörte er noch 1891 nach Crispi's Sturz dem Kabinet Rudini an.
Spanien. Nach einer Meldung des „Temps“ aus Madrid verlautet aselbst, der Kriegs⸗Minister habe die Bereithaltung von 10 000 Mann verfügt, welche im Falle von Verwickelun⸗ gen in Marokko nach Ceuta abgehen sollen. Marschall
Martinez Campos habe sich zur Oberleitung etwaiger Operationen in Afrika erboten; doch herrsche in Madrid die
Ansicht, daß gegenwärtig nichts zu befürchten sei, da die
Kabylen mit Erntearbeiten beschäftigt sind.
Ein Beamter des Staatsschatzes ist nach Kadix abgereist, um sich dort nach Marokko einzuschiffen und in Mazagan die erste Rate der Kriegsentschädigung L1“ welche der verstorbene Sultan von Marokko am 3. Mai Spanien zur Verfügung gestellt hat. Zu dieser Mission ist der Kreuzer „Legazpi“ ausersehen, der, wie telegraphisch gemeldet wird,
Kadix bereits verlassen hat.
Niederlande.
Aus dem Haag, 13. Juni, meldet „W. T. B.“: Der Radjah von Lombok hat auf das Ultimatum der Regierung von Niederländisch⸗Indien nicht geantwortet. Infolge dessen hat der General⸗Gouverneur van der Wyck den Befehl gegeben, eine Expedition nach Lombok zu senden.
Türkei. 8 Wie die „Kölnische Zeitung“ aus Konstantinopel meldet, dürfte der Khedive, welcher auf Wunsch des Sultans die Reise an die europäischen Höfe aufgegeben hat, statt dessen jetzt nach Konstantinopel kommen.
Schweden und Norwegen.
Die Zeitung „Verdens Gang“ meldet aus Christiania: Der norwegische Konstitutionsausschuß hat sich gegen die Annahme des Antrags auf Verweigerung der Ausgaben für den diplomatischen Dienst ausgesprochen. Der Aus⸗ schuß hält es nicht für praktisch durchführbar, in dieser Weise die diplomatische Gemeinschaft Norwegens mit Schweden aufzuheben, da die Vorarbeiten zur Errichtung eines besonderen norwegischen diplomatischen Dienstes noch nicht vorliegen. Die Mehrheit des Ausschusses stellt da⸗ geen anheim, daß der Storthing an dem vorjährigen Beschluß esthalte, die Etatspositionen für geheime diplomatische Aus⸗
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gaben und für den Wiener Gesandtschaftsposten abzulehnen.
Der Ausschuß spricht sich mißbilligend darüber aus, daß die Regierung in der Sißung des Staatsraths vom 4. De⸗ zember 1893 den Beschluß nicht verhindert habe, daß, entgegen dem Beschluß des Storthings, die Wiener Ge⸗ sandtschaft bis auf weiteres als Gesandtschaft beider Reiche aufrecht erhalten werden solle, die gesammten Ausgaben für diese Gesandtschaft aber von Schweden allein zu bestreiten seien. Die Mehrheit des Konstitutionsausschusses beantragt daher, der Storthing wolle für die Bewilligung der Ausgaben für den diplomatischen Dienst die Bedingung tellen, daß die Ge⸗ sandtschaft in Wien nicht als diplomatische Vertretung Nor⸗ wegens aufrecht erhalten werde.
Amerika.
Aus Washington, 13. Juni, wird gemeldet: Der Senat beschloß heute, den Präsidenten zu ersuchen, falls von einem Lande, speziell Deutschland oder Spanien, wegen des zu erhebenden Zolls auf Zucker aus den Zucker⸗Exportprämien zahlenden Ländern Vorstellungen erhoben würden, dem Hause hiervon Mittheilung zu machen.
„Wie über Buenos Aires gemeldet wird, spricht sich die bei der gestrigen Eröffnung des Kongresses der Republik Ecuador verlesene Botschaft für die Goldwährung aus. Bei den Senatswahlen in Ecuador unterlagen die Konserva⸗ tiven. — Ferner wird gemeldet, daß in Venezuela das weitere Erscheinen der Sppositionsblätter von der Behörde
verboten worden ist.
Asien.
Ueber den Aufstand in Korea wird dem „Standard“ aus Shanghai gemeldet, daß die Aufständischen die Stadt Söul (am Hankang, an der Westküste) eingenommen haben. Japanische und andere ausländische Truppen seien in Korea gelandet, um Leben und Eigenthum der Einwohner zu schützen.
ach einer Depesche des „Reuter'schen Bureaus“ aus Shang⸗ ai träfe der König von Korea Anstalten, um nach Japan
zu entfliehen.
Ueber die Lage in Marokko wird gemeldet, daß nach von dort in Madrid eingetroffenen amtlichen Nachrichten kein Anlaß zu Beunruhigungen vorhanden sei. Wie aus Tanger gemeldet wird, marschiert Sultan Abdul Aziz mit seinen Truppen nach Fez. — Von Gibraltar ist gestern das englische Kanonenboot „Bramble“ nach Tanger in See gegangen.
Aus Toulon wird gemeldet, Vize⸗Admiral Baucheron de Boissoudy werde mit dem „Formidable“ und zwei Kreuzern in der Richtung nach Gibraltar absegeln, falls die Wichtigkeit der greigniss es erheischen sollte.
Niach Mittheilungen aus Oran passierten die Kriegsschiffe „Hoche“, „Neptune“ und „Tage“ in der vergangenen Nacht die Küste in der Richtung nach Marokko.
Parlamentarische Nachrichten.
der gestrigen Reichstags⸗Ersatzwahl im 6. Schleswig⸗Holsteinschen I“ (Pinneberg⸗ Segeberg) erhielten, wie „W. T. B.“ meldet: Mohr 88 6091 St., Kopsch (fr. Volksp.) 5052 St., Raab (Antisemit 2401 St. und von Elm (Soz.) 12 267 St. Es hat also Stichwahl zwischen Mohr und von Elm stattzufinden.
Nr. 24 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 13. Juni hat folgenden Inhalt: Ge⸗ sundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. — Zeitweilige Maß⸗ regeln gegen Cholera zc. — Desgl. gegen Gelbfieber. — Desgl. gegen Pocken. — Oeffentliches Gesundheitswesen im Reg.⸗Bez. Oppeln, 1886/91. — Sanitätsbericht des oberschlesischen Knappschaftsvereins, 1892. — Statistik des Sanitätswesens in Oesterreich, 1890. — Medizinalstatistische Mittheilungen aus Schweden, 1891. — Ge⸗ sundheitsstand in Christiania, 1892. — Gesetzgebung u. s. w. (Mecklen⸗ burg⸗Schwerin.) Niederlassung von Thierärzten. — (Sachsen⸗Alten⸗ burg.) Maul⸗ und Klauenseuche. — (Italien.) Maul⸗ und Klauen⸗ seuche. — (Großbritannien.) Schweinemärkte. — Gang der Thier⸗ seuchen in Rumänien, 1. Vierteljahr. — Desgl. in Serbien, 1. Januar bis 2. April. — Desgl. in Bulgarien, 1. Januar bis 8. April. — Zeitweilige Maßregeln gegen Thierseuchen. — (Italien, Luxemburg.) — Rechtsprechung. (Reichsgericht. Erlaß von Ab⸗ sperrungs⸗ oder Aufsichtsmaßregeln bei ansteckenden Krankheiten in Preußen). — Geschenkliste. — Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Auslandes. — Erkrankungen in Kranken⸗ häusern deutscher Großstädte. — Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. — Witterung.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Miethet eine von ihrem Ehemanne verlassene Frau, deren und ihres Mannes Vermögensverhältnisse den Vorschriften des vreng Allg. Landrechts unterliegen, eine für ihre Unterkunft erforderliche Wohnung, so haftet, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Straf⸗ senats, vom 13. Februar 1894, wenn nichts Besonderes ausdrücklich vereinbart ist, für die Miethschuld der Ehemann allein, nicht aber die Ehefrau. Die Ehefrau darf sich daher mit dem zu ihrem vorbehaltenen Vermögen gehörenden Mobiliar gegen den Willen des Wirths aus der Wohnung, ohne den Miethspreis gezahlt zu haben, entfernen, nicht aber mit dem zu ihrem in die Ehe eingebrachten Vermögen gehörenden Mobiliar. — Frau Sch. zu Berlin hatte, während sie von ihrem Manne verlassen und mit dem⸗ selben im Scheidungsprozeß begriffen war, ein Zimmer gemiethet und in dasselbe Getzenstände mitgebracht, welche theils zum vorbehaltenen, theils zum eingebrachten Vermögen im Sinne der §§ 206 flgd., 210 des Preuß. A. L.⸗R. gehörten. Einige Monate später verließ sie das Zimmer unter Mitnahme der Sachen, obwohl von dem Vermiether wegen rückständigen Miethszinses die Ausübung des Zurückbehaltungs⸗ rechts erklärt war. Frau Sch. wurde wegen strafbaren Eigennutzes („Rückens“) aus § 289 Str.⸗G.⸗B. vom Landgericht I Berlin ver⸗ urtheilt, indem es annahm, daß dem Vermiether auch an den zum vorbehaltenen Vermögen gehörigen Sachen ein Pfandrecht zugestanden habe. Die Revision der Angeklagten wurde vom Reichsgericht zum theil für begründet erachtet, indem es ausführte: „Voraussetzung des Pfand⸗ rechts aus § 395 A. L.⸗R. I 21 ist der rechtswirksame Abschluß eines Miethsvertrages, und solchen bestreitet die Revision hinsichtlich der Angeklagten insofern, als beim Vorhandensein der vom Vorderrichter festgestellten ö des § 326 A. L.⸗R. II 1 (H at der Mann sich entfernt, ohne wegen des Unterhalts seiner Familie hin⸗ reichende Verfügungen zu treffen, so muß er diejenigen Schulden, welche die Frau zu solchem Behufe hat aufnehmen müssen, als die seinigen anerkennen“) nicht die Ehefrau, sondern nur der abwesende Ehemann für die Miethschuld hafte. .. Aus der Allein⸗ haftung des Ehemannes folgt nun zwar nicht, daß sämmtliche von der Ehefrau in die Wohnung eingebrachte Sachen vom Pfandrechte des Vermiethers frei bleiben. Denn nach der Deklaration vom 21. Juli 1846 reicht das Pfandrecht des Vermiethers so weit, als die Perfügungsbefugniß des miethenden Ehemanns, und diese er⸗ streckt sich nach § 247 A. L.⸗R. II 1 auf die zum Eingebrachten der Ehefrau gehörigen Mobilien; die auf Grund des für den Ehe⸗ mann bindend geschlossenen Miethsvertrags in die Wohnung inferierten Sachen der Ehefrau müssen deshalb, soweit sie zu ihrem Ein⸗ gebrachten gehörten, als von dem Ehemanne inferiert und insoweit als dem Pfandrecht des Vermiethers unterworfen gelten. Nach der Feststellung des Vorderrichters hat aber ein Theil der von der Angeklagten ausgeräumten Sachen zum vorbehaltenen Vermögen derselben gehört, und insoweit stand dem Ehemann nach §§ 248, 249 a. a. O. kein Verfügungsrecht und mithin auch dem Vermiether kein Pfandrecht zu. Ein solches würde vielmehr an den vorbehaltenen Mobilien nur dann entstanden sein, wenn die Angeklagte in die Ver⸗ pfändung seitens des Ehemanns eingewilligt oder bei Abschluß des Vertrages zum Ausdruck gebracht hätte, daß sie für sich selbst und im eigenen Namen kontrahieren und für die Erfüllung der übernommenen Verbindlichkeiten mit ihrem vorbehaltenen Vermögen haften wollte (§§ 248, 318, 319 a. a. O.).“ (18/94.)
— Ein Fabrikdirektor ist, nach einem Urtheil des Reichs⸗ gerichts, IV. Strafsenats, vom 6. März 1894, als solcher zwar regel⸗ mäßig zur Aufforderung von ohne Befugniß in den Fabrikräumen verweilenden Personen, sich zu entfernen, nicht aber ohne weiteres zur Stellung des Strafantrags 8 jene Personen, welche der Aufforderung keine Folge geleistet 6 en, wegen Hausfriedensbruchs berechtigt. „Die Eigenschaft des N. als Fabrikdirektor begründet die Befugniß desselben, über die Räumlichkeiten der sabes zu verfügen, da seine Person nach dem Sprachge rauch des Worts die Spitze der Fabrikverwaltung und demnach auch den Träger des Hausrechts innerhalb der Fabrik repräsentiert. Dagegen ist die Befugniß des N., den Strafantrag wegen Haus⸗ friedensbruchs zu stellen, nicht festgestellt. Die Akten ergeben nicht, ob die Fabrik, als deren Direktor der Genannte bezeichnet wird, im Eigenthum eines Privatmannes oder einer Gesellschaft steht, und ob N. etwa zu den Organen einer solchen gehört oder vom Eigenthümer EE oder als dessen Stellvertreter im Willen zu betrachten ist. — Die Fegeslesaft als Fabrikleiter begründet eine Vermuthung für letzteres Verhältniß nicht.“ (250/94.)
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Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
Das für Schiffsladungen von einer Ortsgemeinde mit Ge⸗ nehmigung der Staatsregierung festgesetzte Werftgeld ist nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, II. Senats, vom 28. April 1894, ohne weiteres auch für g oßladungen zu entrichten. „Die Ansicht des Klägers ist zurückzuweisen, daß er bei Entladung eines Flosses überhaupt nicht zu einer Abgabe herangezogen werden könne. Denn der Tarif bestimmt vorab in § 1, daß das Werft⸗, Krahn⸗ und Lagergeld für die Benutzung des Rheinwerfts zu ent⸗ richten ist; eine solche Benutzung findet aber bei dem Entladen von Flößen in nicht geringerem Umfang statt, als bei solchem von
chiffen. Sodann lautet der § 2: „Von allen Gegenständen, welche an dem im §1 bezeichneten Rheinwerft aus⸗ oder eingeladen werden, sei es vom Ufer in das Schiff, bezw. vom Schiff auf das Ufer oder unmittelbar von Schiff zu Schiff, in letzterem Falle jedoch nur, wenn eins der Schiffe an das Werft oder Ufer angelegt hat — wird ein Werftgeld erhoben.“ — Die leitende entscheidende Bestimmung ist hier in dem Hauptsatze dahin gegeben, daß von allen aus⸗ oder ein⸗ hes Gegenständen das Werftgeld erhoben wird; der Zwischen⸗ atz tritt dem nicht allgemein wiedereinschränkend entgegen, sondern umgrenzt nur erläuternd die in ihm behandelte — nach Lage der Verkehrsverhältnisse jedenfalls im Vordergrunde stehende — besondere Gattung von Fällen. Es ist nicht möglich, das Floßholz von jenen Gegenständen zu eximieren.“ (II 656.)
— In Bezug auf § 12 des Baufluchtengesetzes vom 2. Juli 1875 („Durch Ortsstatut kann festgestellt werden, daß an Straßen oder Straßentheilen, welche noch nicht gemäß der baupolizeilichen Bestim⸗ mungen des Orts für den öffentlichen Verkehr und den Anbau fertig hergestellt sind, Wohngebäude, die nach diesen Straßen einen Ausgang haben, nicht errichtet werden dürfen.“) hat das Ober⸗Verwaltungs⸗ gericht, IV. Senat, durch Urtheil vom 2. Mai 1894 ausgesprochen, daß makadamisierte (chaussierte) Straßen in Städten, in welchen baupolizeilich als Erforderniß einer für den öffentlichen Verkehr und den Anbau fertig gestellten Straße bestimmt ist, daß der Fahrdamm mit einer für den städtischen Verkehr geeigneten Befestigung versehen sei, als gemäß der polizeilichen Vorschrift befestigt zu erachten sind, selbst wenn diese Befestigung in mangelhafter, vnh. Reparaturen bedingender Weise ausgeführt ist. — Dem Grundstücksbesitzer X. in D. wurde durch Verfügung der Orts⸗Polizeiverwaltung vom September 1893 die nachgesuchte Ge⸗ nehmigung des Baues eines Pferdestalls nebst Kutscherwohnung auf seinem Grundstück, Feldstr. 32 zu D. versagt, bis er einen Beitrag zu den Kosten der Freilegung, ersten Einrichtung und Kanalisation der Felbftrase in Höhe von 1236 ℳ gezahlt habe. Begründet wurde die polizeiliche Verfügung durch den Hinweis auf das örtliche, dem § 12 des Baufluchtengesetzes entsprechenden Statutarrecht und durch die Behauptung, daß die Feldstraße, gleichwie andere Straßen in D., makadamisiert sei und erst jetzt mit einer für den städtischen Verkehr geeigneten Befestigung G. Steinpflasterung versehen und somit für den Anbau und Verkehr fertig gestellt werden solle. „Nach § 1 der Baupolizeiverordnung für D. vom 8. Mai 1888 ist als Erforderniß einer für den öffentlichen Verkehr und den Anbau fertig gestellten Straße bezeichnet: „Die Straße muß, der vorgeschriebenen Höhenlage und den Fluchtlinien entsprechend geebnet und der Fahrdamm mit einer für den städtischen Verkehr geeigneten Befestigung versehen sein.“ Auf die Klage des Grundstücks⸗ besitzers hob der Bezirksausschuß zu D. die Polizeiverfügung auf, und auf die Berufung der beklagten Orts⸗Polizeiverwaltung bestätigte das Ober⸗Verwaltungsgericht die Vorentscheidung, indem es begründend ausführte: „Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Chaussieren, insbesondere das sogenannte Makadamisieren, an sich ein weitverbreitetes und Befestigungsmittel städtischer Straßen ist, das zweifellos dem Kopfsteinpflaster gegenüber Mängel hat, andererseits aber auch, wie namentlich in der Schonung der Zugthiere und durch die größere Fernhaltung von Erschütterung und Geräusch bei den Transporten, Vorzüge bietet, die es zur Folge gehabt haben, daß die Anwendung dieses Befestigungsmittels bisher gerade in großstädtischen, dem Lastwagenverkehr entzogenen, mit einem gewissen Luxus aus⸗ gestatteten Straßen erfolgt ist. Es ist daher auch gänzlich ausgeschlossen, diese Befestigung allgemein als für den städtischen Verkehr nicht ge⸗ eignet bezeichnen zu wollen. Nun behauptet die Beklagte ... daß den in D. makadamisierten Straßen eine regelrechte Packlage von Steinen fehlt. So wesentlich an sich dieser Mangel sein mag, indem er naturgemäß die mit dem Makadamisieren ohnehin verbundenen Nachtheile verschärft und so häufigere Reparaturen erforderlich macht, so kommt derselbe doch nicht für die Anwendung jener Polizei⸗ verordnung in Betracht. Der Vorderrichter stellt aus eigener Wissen⸗ schaft fest, daß die fragliche Bauweise nicht etwa nur in der Feld⸗ straße, sondern in einer großen Anzahl anderer, auch alter Straßen zu D. angewandt worden ist.“ (IV. 559.)
Schulwesen.
Die Zahl der Berliner Gemeindeschulen beträgt zur 85 204 Anstalten mit 3435 Klassen (einschließlich 94 fliegende), die Ge⸗ sammtzahl der vorhandenen Klassenzimmer 3434 (davon 93 unbesetzt). Von den Klassenzimmern befinden sich 3227 — inkl 78 — in eigenen Schulhäusern und Gebäuden der Stadt, 207 — inkl. 15 un⸗ besetzter — in gemietheten Räumen. In wirklicher Benutzung sind demnach 3149 Klassenzimmer in eigenen Schulhäusern und Gebäuden der Stadt und 192 Klassenzimmer in ge⸗ mietheten Räumen, zusammen 3341 Klassenzimmer. Da außerdem zur Zeit noch in 94 sogenannten fliegenden (d. h. überzähligen) Klassen unterrichtet wird, so beträgt die Gesammtzahl der bestehenden Klassen 3435. Die Zahl der in den Gemeindeschulen eingeschulten Kinder betrug am 1. Mai 1894: 182 353, und zwar 90 297 Knaben, 92 056 Mädchen, am 1. November 1893: 179 966, und zwar 88 917 Knaben, .91 049 Mädchen, daher am 1. Mai 1894 gegen den 1. November 1893 mehr 2387 Kinder, und zwar 1380 Knaben, 1007 Mädchen. Die Zahl der überzähligen (fliegenden) Klassen mußte von 82 auf 94 vermehrt werden.
8 Verdingungen im Auslande.
Belgien.
25. Juni. Finanz⸗Ministerium in Brüssel: Lieferung von: 1) 6000 kg 4 fachen Bindfaden aus starkem Hanf. 2) 2000 kg feinem Stangen⸗Siegellack.
Dänemark.
23. Juni, 2 Uhr. Staatsbahnverwaltung (Banechefens Contor. Colbjörnsensgade 11) Kopenhagen: Bau eines ca. 90 Fuß langen Tunnels auf der Station Fridericia. Bedingungen und Zeich⸗ nungen zur Ansicht an Ort und Stelle, sowie auf 4 de Banesections- Contor in Fridericia und auf 6 de Banesections-Contor in Aarhus.
Verkehrs⸗Anstalten.
B. 114 Jun. (W. X. 8) Nortdentscher Flogr⸗ Der Postdampfer „Wittekind“, nach New⸗York bestimmt, hat am 11. Juni 7 Uhr Abends Lizard passiert. Der Postdampfer „Mark“, von Brasilien kommend, ist am 13. Juni 8 ¾ Uhr Morgens auf der Weser angekommen. Der Schnelldampfer „Spree! ist am 12. Juni 2 Uhr Nachmittags von New⸗York via Southampton nach der Weser abgegangen. Der Schnelldampfer „Trape“, am 5. Juni von New⸗York abgegangen, ist am 13. Juni 1 ½ Uhr Nachmittags in Southampton angekommen und hat 2 Uhr Nachmittags die Reise aach Bremen fortgesetzt. Derselbe überbringt 494 Passagiere und volle Ladung. Der Schnelldampfer „Havel“ hat am 13. Juni 2 Uhr Nachmittags die Reise von Southampton nach New⸗York fortgesetzt. Der Reichs⸗Postdampfer „Oldenburg“
hat am 13. Juni, 1 ½ Uhr Nachmittags, die Reise von Southampton nach Antwerpen fortgesetzt. 8