1894 / 172 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 24 Jul 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 24. Juli.

Seine Majestät der Kaiser und König sind gestern Abend in Oldören eingetroffen. Der Tag der Abreise nach Bergen ist noch unbestimmt.

Seine Königliche Hoheit der Prinz Friedrich Leopold begiebt sich, wie „W. T. B.“ meldet, morgen, Mittwoch, fas in Vertretung Seiner Majestät des Kaisers und Königs na

Königsberg i. um der dortigen Feier des 350 jährigen Bestehens per. öniglichen Albertus⸗Universität beizuwohnen.

Die im Reichs⸗Eisenbahnamt Uebersicht der Betriebs⸗Ergebnisse deutscher Eisenbahnen für den Monat Juni d. J. ergiebt für die 67 Bahnen, die auch schon im entsprechenden Monat des Vorjahres im Betriebe waren und zur Vergleichung gezogen werden konnten, mit einer Gesammetbetriebslänge von 38 190,86 km Folgendes: Im Juni d. J. betrug die Einnahme: a. aus dem Personen⸗ verkehr im ganzen 31 409 013 oder 1 320 411 mehr als in demselben Monat des Vorjahres, auf 1 km Betriebs⸗ länge 839 oder 2,82 Proz. mehr als in demselben Monat des Vorjahres; b. aus dem Güterverkehr: im ganzen 68 623 171 oder 3 587 459 mehr als in demselben Monat des Vorjahres, auf 1 km Betriebslänge 1802 oder 3,92 Proz. mehr als in demselben Monat des Vor⸗ jahres. In der Zeit vom Beginn des Etatsjahres bis Ende Juni d. J. betrug die Einnahme: A. Bei denjenigen Bahnen, deren Rechnungsjahr die Zeit vom 1. April bis 1. März umfaßt, a. aus dem Personenverkehr: im anzen 75 967 333 oder 159 620 weniger als in Zeitraum des Vorjahres, auf 1 km Betriebslänge 483 oder 1,70 Proz. weniger als in demselben Zeitraum es Vorjahres; b. aus dem Güterverkehr: im ganzen 175 913 306 oder 7 470 838 mehr als in demselben Zeitraum des Vorjahres, auf 1 km Betriebslänge 5650 oder 2,90 Proz. mehr als in demselben Zeitraum des Vor⸗ ahres. B. Bei denjenigen Bahnen, deren Rechnungsjahr mit em Kalenderjahre zusammenfällt, a. aus dem Personen⸗ verkehr: im ganzen 30 780 110 oder 1 597 932 mehr als in demselben Zeitraum des Vorjahres, auf 1 km Betriebs⸗ länge 4516 oder 4,22 Proz. mehr als in demselben Zeit⸗ raum des Vorjahres; b. aus dem Güterverkehr: im ganzen 58 565 000 oder 1 327 646 mehr als in demselben des Vorjahres, auf 1 km Betriebslänge 8494 oder 1,08 Proz. mehr als in demselben Zeitraum des Vor⸗ jahres. Eröffnet wurde am 15. Juni die Strecke Arnstadt

Stadtilm 1 km (Königliche Eisenbahn⸗Direktion in Erfurt).

n der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des ‚Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ werden Nachrichten über den Saaten⸗ stand um die Mitte des Monats Juli 1894, zusammen⸗ gestellt im Kaiserlichen Statistischen Amt, veröffentlicht.

b

Der Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Spinola, Ver⸗

waltungs⸗Direktor der Charité und des Klinikums, Kurator

des Augusta⸗Hospitals, hat einen längeren Erholungsurlaub angetreten.

Der Regierungs⸗Assessor Dr. Schultz zu Schleswig ist mit der Vertretung des auf sechs Monate beurlaubten Land⸗ raths im Kreise Mörs, Regierungsbezirk Düsseldorf, beauftragt worden.

Der neuernannte Regierungs⸗Assessor Wellenkamp aus Schleswig ist bis auf weiteres dem Landrath des Landkreises Königsberg zur Hilfeleistung zugetheilt worden. 1

9 Laut telegraphischer Meldung an das Ober⸗Kommando der Marine beabsichtigte S. M. S. „Wolf“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Kretschmann, heute, 24. Juli, von

Shanghai aus nach Chefoo in See zu gehen.

1““

Sachsen. Seine Majestät der König ist am Sonntag Abend aus Eichthal nach Pillnitz zurückgekehrt. Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prin⸗ zessin Johann Georg trafen in der Nacht zum Montag von Hummelshain wieder in Dresden ein. 1

Mecklenburg⸗Schwerin.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog und Ihre Kaäiserliche Hoheit die Großherzogin haben sic, wie die „Meckl. Nachr.“ melden, vorgestern Abend nach Berlin begeben und von hier gestern die Weiterreise nach Rußland angetreten, um der Hocheit des Großfürsten Alexander Michailowitsch mit der

roßfürstin Tenia Alexandrowna beizuwohnen. E. werden zunächst bei dem Großfürsten Michael in dessen Schloß Michailowskoje Wohnung nehmen und sodann nach⸗Peterhof übersiedeln, wo die Vermählung des gedachten hohen Paares stattfinden wird.

Mecklenburg⸗Strelitz.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog wird, wie die

„Neustr. Ztg.“ hört, von London kommend morgen zu kurzem Aufenthalt in Neustrelitz eintreffen.

Oesterreich⸗Ungarn. 1

Alus Prag meldet „W. T. B.“, offizielle Mittheilungen stellten fest, daß die in den letzten Tagen erfolgten Ver⸗ V1ö I. von Anarchisten vier in der Vorstadt Wein⸗

erge wohnende Individuen betroffen hätten, welche Explosiv⸗ körper zu erzeugen versucht hätten. Bei den seien zahlreiche anarchistische Papiere beschlagnahmt worden. Außerdem seien eine Anzahl Omladinisten in Neubydzow, Zizkow, Karolinenthal und Reichenberg verhaftet worden, die

sich mit der Anfertigung von Explosivkörpern befaßt hätten. Die Verhafteten seien sämmtlich dem Strafgericht überliefert worden.

.““ Großbritannien und Irland.

In der gestrigen Situng des Unterhauses erklärte der Parlaments⸗Sekretär des Auswärtigen Sir E. Grey, die italienische Regierung habe die veseung von Kassala durch die italienischen Truppen mitgetheilt und dabei die Versiche⸗ rung abgegeben, dieses Ereigniß berühre in keiner Weise die Absicht der italienischen Regierung, ihren Verpflichtungen gegen England entsprechend zu handeln. Diese Verpflichtungen seien in dem Protokoll vom 15. April 1891 niedergelegt. Im Verlauf der Sitzung nahm das Haus die zweite Lesung der Bill über die ausgewiesenen irischen Pächter mit 259 gegen 227 Stimmen an. b Frankreich.

Die Deputirtenkammer setzte gestern die Berathung des Anarchisten gesetzes fort. Der Berichterstatter Lasserre theilte den neuen Text des Artikels II mit. Der Minister⸗ Präsident Dupuy forderte die Kammer auf, als Zeugniß ihres Vertrauens dieser Entscheidung zuzustimmen und alle Amendements zu verwerfen. Die Deputirten Brisson, Goblet, Naquet und Pourquery protestierten gegen die Erklärungen des Minister⸗Präsidenten, die sie als verfassungswidrig und als einen neuen 2. De⸗ zember bezeichneten. (Naquet und Pourquery wurden zur Ord⸗ nung gerufen.) Hierauf wurden zwei Unteranträge des De⸗ putirten Charpentier, wonach niemand wegen eines Privat⸗ briefs oder wegen in seiner Wohnnng geführter Reden verfolgt werden solle, mit 297 gegen 166, beziehungsweise 283 gegen 176 Stimmen abgelehnt und die weitere Berathung auf Nach⸗ mittag vertagt. In der Nachmittagssitzung wurden alle Amendements zu Artikel II abgelehnt, die Abstimmung über diesen Artikel aber ausgesetzt und die Erörterung des Artikels III, der die Strafe der Verbannung ausspricht, be⸗ gonnen. Der Deputirte Pelletan bekämpfte den Artikel und erklärte, es würde eine Schande für die Republik sein, wenn eine solche Strafe für ein Vergehen, das in einer Ansicht bestände, festgesetzt werden sollte. Der Justiz⸗ Minister Guérin erwiderte, das Gesetz habe nur den Anarchismus im Auge; übrigens sei die An⸗ wendung der Verbannung von allen wünschenswerthen Ga⸗ rantien umgeben, und das ganze Land billige die Gesetzes⸗ vorlage gegen die anarchistische Sekte (Beifall). Ein von dem Deputirten Balsan befürwortetes Amendement, wonach es nur den Schwurgerichten zustehen solle, die Verbannung auszusprechen, wurde mit 290 gegen 224 Stimmen ab⸗ gelehnt und darauf der erste Theil des Artikels III mit 316 gegen 180 Stimmen angenommen. Die Radikalen be⸗ schwerten sich, daß die Diskussion unterdrückt worden sei, und verlangten eine Vertagung auf heute, die aber abgelehnt wurde. Ein von dem Deputirten Viviani begründetes Amandement wurde ebenfalls abgelehnt. Darauf wurde der zweite Theil des Artikels II mit 327 gegen 148 Stimmen und dann der ganze Artikel II durch Handaufheben angenommen. Sodann wurde die Sitzung auf heute vertagt.

Riußland.

Der Kaiser und die Kaiserin sind, wie „W. T. B.“ 8 St. Petersburg berichtet, gestern nach Peterhof zurück⸗ gekehrt.

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Italien.

Durch ein Dekret des Königs ist die Parlaments⸗ session geschlossen worden.

Eine der „Agenzia Stefani“ aus Massovah zugegangene Depesche meldet aus Kassala: Die Verwundeten sind nach Keren gebracht worden. Das Bataillon, das die Verfolgung der flüchtigen Derwische aufgenommen hatte, ist zurückgekehrt. Viele Derwische sind gefangen genommen worden; sie berichten von der Nothlage ihrer in die Sümpfe bei Atbara versprengten Genossen. Von den italienischen Truppen wurden bei Kassala 46 Fahnen erbeutet.

Schweden und Norwegen.

Das Odelsthing hat gestern einstimmig beschlossen, den Kommissionsbericht über die Angelegenheit der ab⸗ geschraubten Flintenschlösser in dieser Session nicht mehr zu berathen. Im Storthing ist von radikaler Seite der An⸗ trag eingebracht worden, das Storthing solle fünf Auf⸗ seher wählen, welche die Aufsicht über die Waffen der Armee zu führen hätten. Diese Aufseher sollten zusammen⸗ treten, so oft sie es für nothwendig hielten, mindestens aber jährlich einmal, um die Vorräthe des Reichs an Waffen, Munition und Bekleidungsgegenständen zu besichtigen und sich davon zu überzeugen, daß alles in Ordnung sei. Die Aufseher sollten Reisespesen und Tagegelder wie die Mitglieder des Storthings erhalten.

Dänemark.

Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich von Preußen wird am kommenden Freitag an Bord des Panzer⸗ schiffs „Sachsen“ in Kopenhagen erwartet. Seine Kaiser⸗ liche Hoheit der Großfürst⸗Thronfolger wird zur silbernen Hochzeit des Kronprinzlichen Paares am Donnerstag in Kopen⸗ hagen eintreffen. 8

Das „Reuter'’'sche Bureau“ meldet aus Shanghai von

gestern, das Gerücht von der Erklärung des Krieges zwischen China und Japan sei unbegründet, die Lage indeß kritisch. Die Stellungsänderung des Königs von Korea werde den Maßnahmen zugeschrieben, die China getroffen habe, um seine Oberherrschaftsrechte in Korea aufrechtzuerhalten.

Afrika.

Nach einer Meldung des „Reuter’'schen Bureaus“ aus Danger ist der Sultan Abdul⸗Aziz am 21. d. M. an der Spitze des Heeres und unter dem Jubel der Bevölkerung in ge⸗ eingezogen. Sämmtliche Stämme seien ruhig und dem Sultan ergeben.

Entscheidungen des Reichsgeriches.

Hat ein Vater in seinem Testament an Stelle seines von Gläubigern gedrängten Sohnes dessen eheliche Descendenz als Erbe berufen, mit der Maßgabe, daß dieselbe den angefallenen Erbtheil an den Sohn herausgeben muß, sobald letzterer sich mit seinen Gläubigern geeinigt und diese demgemäß befriedigt hat, so hat,

Pflichttheil fordern will; .

nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Zivilsenats, vom 21.März 1894, im Gebiet des Preußischen Allgemeinen Landrechts der Sohn das Recht, zu wählen, ob er diese fideikommissarische Erbes⸗ einsetzung in Wirksamkeit treten lassen oder den gesetzlichen sind dessen Gläubiger an seiner Stelle nicht befugt, jenes Wahlrecht auszuüben, indem sie für ihn den gesetzlichen Pflichttheil fordern, um aus diesem Befriedigung für ihre Forderungen zu erlangen. In dem zum Grunde liegenden Fall ist auf Antrag eines Glänbigers des fideikommissarisch eingesetzten Erben (des Sohnes des Erblassers) der diesem zustehende Anspru auf den gesetzlichen Pflichttheil aus dem väterlichen Nachlasse buuc Beschluß des Amtsgerichts gepfändet und dem Gläubiger in Höhe seiner Forderung zur G überwiesen worden. Der Gläubiger klagte sodann auf Zahlung des Betrages gegen sämmtliche testamentarischen Erben. Die Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen, und die Revision des Klägers wurde vom Reichs⸗ gericht zurückgewiesen, indem es begründend ausführte: .„. Gepfän⸗ det kann nur eine solche Forderung werden, bezüglich deren der Schuldner selbst in der Lage ist, mit rechtlicher Wirksamkeit daran ein Pfandrecht zu bestellen. Es ist daher in jedem einzelnen Fall zu pruͤfen, ob § 754 der Ziv.⸗Pr.⸗Ordn. auf denselben anwendbar ist. Die herrschende Meinung nimmt nun an, und es ist ihr darin beizutreten, daß die Frage der Pfändbarkeit des Pflichttheilrechts durch die Bestimmungen der Ziv.⸗Pr.⸗Ordn. nicht berührt werde, sondern nach wie vor allein aus den Vorschriften des Allg. L.⸗R. zu entscheiden sei. Nach der zutreffenden und unanfechtbaren Feststellung des Berufungsrichters ist W. (der Sohn) durch das Testanent weder ganz noch zum theil enterbt, er ist vielmehr zum fideikommissarischen Erben berufen worden, und es kann der Substitutionsfall noch jetzt jederzeit eintreten. Dem Schuldner W. steht somit das Recht zu, zu wählen, ob er die fideikommissarische Erbeseinsetzung in Wirksamkeit treten lassen oder den gesetzlichen Pflichttheil fordern will. Die Geltendmachung dieses Wahlrechts hängt lediglich von der eigenen Entschließung des W. ab; sie ist eine rein persönliche Befugniß des⸗ selben, welche, um vermögensrechtlich wirksam zu werden, der Erklärung bedarf, daß das Wahrrecht in dieser oder jener Weise ausgeüht werde. Eine Erklärung nach dieser Richtung ist bisher von W. nicht ab⸗ gegeben worden, und den Berufungsrichter trifft somit nicht der Vor⸗ wurf einer Verletzung des § 382 Tit. 11 Th. 1 Allg. L.⸗R. oder einer sonstigen Rechtsnorm, wenn er davon ausgeht, daß ein Dritter an Stelle des W. das letzterem allein zustehende persönliche Wahlrecht auszuüben nicht befugt sei.“ (405/93.)

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Zur Anordnung einer Vermehrung der Polizei⸗Exekutiv⸗ beamten oder einer sonstigen Verbesserung der Organisation des inneren Dienstbetriebes der Ortspolizei, sowie der Ge⸗ währung der hierzu nöthigen Geldmittel ist, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, I. Senats, vom 21. März 1894, in Städten der Regierungs⸗Präsident und in den Land⸗ gemeinden der Landrath zuständig; dagegen ist zur An⸗ ordnung einer Verbesserung oder Vervollständigung der den ortspolizeilichen Zwecken dienenden Kommunalanstalten der Straßenbeleuchtung, des Armen⸗ und Wegewesens, der Seuchen⸗ lazarethe, des Feuerlösch⸗ und Nachtwachtwesens ꝛe. die Orts⸗ Polizeibehörde zuständig. Der die Ortspolizei verwaltende Bürgermeister der Bürgermeistereien B. u. G. (Regierungsbezirk Koblenz) hat durch zwei Polizeiverfügungen jeder der 14 Gemeinden der beiden Bürgermeistereien aufgegeben, je einen eigenen Polizei⸗ diener anzustellen. Die auf Aufhebung dieser Verfügungen abzielenden Klagen der 14 Gemeinden, welche die Nothwendigkeit der Maßregel bestritten, wurden vom Kreisausschuß und sodann vom Bezirksausschuß abgewiesen. Auf die Revision der Kläger setzte das Ober⸗Verwaltungsgericht unter Aufhebung der Vor⸗ entscheidungen die beiden Verfügungen, wegen Unzuständigkeit des Bürgermeisters zum Erlaß derselben, außer Kraft. „Die Orts⸗ Polizeiverwaltung“, führt das Ober⸗Verwaltungsgericht aus, „welche gemäß § 1 Polizeigesetzes vom 11. März 1850 von den Bürger⸗ meistern im Namen des Königs geführt wird, ist eine Staats⸗, aber keine Gemeindeangelegenheit oder ⸗Einrichtung, wenngleich deren Kosten von den Gemeinden zu tragen sind. Die Regelung ihres inneren Dienstbetriebees, wie ihrer gesammten Organisation untersteht der Polizeiaufsicht, welche demgemäß festzustellen hat, in welcher Weise und mit welchem Geldaufwande die dieserhalb bestehenden örtlichen Einrichtungen, insbesondere durch Vermehrung der Exekutivorgane zu vervollständigen sind, während die Kommunalaufsicht die Gewährung der Geld⸗ mittel, falls sie von der Gemeinde abgelehnt wird, gegen diese als eine gesetzliche Leistung zwecks künftiger Zwangsetatisierung festzustellen hat. Dazu, diese Feststellung gemeinsam sowohl von Polizei⸗ als von Kommunalaufsichtswegenzu treffen, ist die Regierung (jetzt der Regierungs⸗ Präsident) durch § 4 des Polizeigesetzes noch ausdrücklich ermächtigt: „Die gleiche Befugniß steht dem Landrath zwar gegenüber den Landgemeinden zu, weil er ser beide Funktionen in sich vereinigt, aber nicht gegen⸗ über den Städten, weil er über diese zwar die polizeiliche, aber nicht die kommunale Aufsicht führt. Während die Pflicht der Gemeinde, zu den Kosten der Organisation und des inneren Dienstbetriebes der Polizei Ausgaben zu leisten, durch die Aufsichtsbehörde festzustellen ist, erscheint zu der Anforderung, daß und wie eine polizeilichen Zwecken dienende Kommuna lanstalt vervollständigt werden soll, lediglich die Orts⸗Polizeibehörde im Wege der poli eilichen Verfügung zuständig.“

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Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

In einer Ansprache an die deutschen Bergarbeiter macht die „Deutsche Berg⸗ und Hüttenarbeiter⸗Zeitung“ den Vor⸗ schlag, einen nationalen BB“ Kongreß abzu⸗ halten, und empfiehlt allen Bergleuten Deutschlands, den unorganisierten sowohl wie den in Vereinen organisierten, sich zur Wahrung und Förderung der eigensten Interessen der Sache mit Ernst und Eifer anzunehmen.

In Erfurt legten einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge am 19. Juli 15 Steinmetzen des Steinmetzmeisters Walther aus Apolda, der sie auf einem Plaf in Erfurt beschäftigte, wegen angeblich niedriger Accordlöhne die Arbeit nieder. 8

In Rabenau i. S. ist der Ausstand, der in der dortigen Möbelfabrik von Wätzig und Sengstacke ausgebrochen war, beendet worden. 8

Aus Altenburg wird dem „Vorwärts“ berichtet, daß die Arbeiter der Unger'schen Harmonikafabrik am 2. Juli von ihrem Arbeitgeber schriftlich die zehnstündige Arbeitszeit und bessere Bezahlung der Ueberstunden gefordert hätten. Nach kurzem Besinnen habe der Arbeitgeber die Forderungen bewilligt und sei bei der Be⸗ zahlung der Ueberstunden noch über die Forderung der Arbeiter hinausgegangen. Auch über die Arbeitsordnung wurde ein befriedigen⸗ der Ausgleich erzielt.

Hier in Berlin verhandelte eine Versammlung der in der Schuhindustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen Berlins am Sonntag über den diesjährigen Schuhmacherkongreß in Erfurt. Die Hauptbeschwerden richteten sc, wie die Berliner „Volksztg. mittheilt, gegen den Fepigen Schiedsmann der Schuhmacher Deutsch lands und Redakteur ihres Fachblatts, den sozialdemokratischen Reichs⸗ tags⸗Abgeordneten Bock. Es wurde ein Antrag angenommen, b Kongreß möge das Schuhmacherfachblatt dem Verein der Schuhmacher als Eigenthum übertragen und die Redaktion in andere Hände über⸗ gehen lassen. 1

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der Atmosphäre vermittels den Ansprüchen

Zum Ausstand der Kohlengrubenarbeiter in Schott⸗ land wird demselben Blatt gemeldet, daß die ausständigen Fhatt⸗ arbeiter in einigen Ayrshire⸗Distrikten drohen, nächste Woche zur Arbeit zurückzukehren, wenn die Ausstandsunterstützung nicht auf 7 Sh. für die Woche erhöht würde; es ist das doppelt so viel, als sie bishe

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Kunst und Wissenschaft.

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Das Königliche Meteorologische Institut hat soeben den Bericht über seine Thätigkeit im Jahre 1893 im Druck erscheinen lassen. Wie in diesem von dem Direktor, Geheimen Regierungs⸗Rath Dr. von Bezold erstatteten Bericht gesagt wird, war das Jahr 1893 das erste, in welchem das Institut mit Einschluß des Obser⸗ vatoriums in Potsdam seine Thätigkeit in dem von An⸗ fang an geplanten Umfang nahezu vollständig entfaltet hat. Waͤhrend die Arbeiten in dem Stationsnetz sowie an dem magnetischen Observatorium in Potsdam stetig fortgeführt wurden, haben die meteorologischen Beobachtungen an dem neuen meteoro⸗ logischen Observatorium in Potsdam mit dem 1. Januar des Jahres ihren 28 genommen. Ueber das hierbei zu Grunde gelegte Programm sowie über das benutzte Instrumentarium giebt ein be⸗ sonderer Abschnitt Aufschluß. Neben der Aufnahme dieser Beob⸗ achtungen, die als ein Markstein in der Geschichte des Instituts be⸗ zeichnet wird, wird noch eines Unternehmens gedacht, das, wenn auch nicht unmittelbar vom Institut ausgehend, doch mit dessen Thätig⸗ keit im engsten Zusammenhang steht und in demselben seinen wesent⸗ lichen Stützpunkt findet: der wissenschaftlichen Fahrten der Ballons „Humboldt“ und „Phönix“. Bei der großen Bedeutung, welche dieses Unternehmen für die Entwickelung der Meteorolvgie zu ge⸗ winnen verspricht, ist dem Fortgang desselben ein besonderer Abschnitt des Berichts gewidmet. Nicht unbeträchtliche Arbeit erwuchs dem Institut aus der erst um die Jahreswende beschlossenen Betheiligung an der Weltausstellung in Chicago; auch hierüber wird speziell berichtet. Recht störend machte sich, wie es in dem Bericht heißt, ein anderes Ereigniß geltend, nämlich die Einführung der mitteleuropäischen Zeit in das bürgerliche Leben. Wie man die hieraus entspringenden Mißstaͤnde zu beseitigen, beziehungsweise auf den kleinsten Betrag herabzusetzen suchte, wird ausführlich unter der Ueberschrift „Stationsnetz“ dar⸗ gelegt. In demselben Abschnitt ist auch die Rede von den Be⸗ mühungen des Instituts, im Verein mit einigen Sektionen des deutsch⸗ österreichischen Alpenvereins eine gut ausgerüstete Beobachtungsstation auf dem Brocken ins Leben zu rufen bezw. die früher dort vorhanden gewesene in größerem Umfange zum Wiederaufleben zu bringen.

In dem oben erwähnten Abschnitt über die wissenschaft⸗ lichen Ballonfahrten wird Folgendes mitgetheilt:

Als ein besonders erfreuliches Ereigniß war es zu begrüßen, daß es dem Institut im Berichtsjahre vergönnt war, seine Unterstützung und Mitwirkung einem Unternehmen zuzuwenden, von dem man eine wesentliche Bereicherung des meteorologischen Wissens erwarten darf: der Ausführung wissenschaftlicher Luftballonfahrten in großem Maßstabe.

Schon in früheren Berichten wurde auf kleinere Unternehmungen und Vorversuche hingewiesen, die, wenn auch nicht unmittelbar von dem Institut ausgehend, so doch immerhin von den Beamten des Instituts und mit nachdrücklicher Unterstützung von seiten desselben ausgeführt wurden.

Nachdem nun durch die Gnade Seiner Majestät des Kaisers und Königs die Mittel gewährt waren, um diese in be⸗ scheidenem Umfange begonnenen, für die meteorologische Forschung so außerordentlich wichtigen Arbeiten nach groß angelegtem Plane auf⸗ zunehmen, scheint es passend, hier rückblickend eine kleine Uebersicht über das ganze Unternehmen zu geben.

Bereits im Jahre 1888 begann das Meteorologische Institut, wissenschaftlichen Ballonfahrten thatkräftige Unterstützung angedeihen zu lassen, als Herr Bartsch von Sigsfeld seinen Ballon „Herder“ erbaute und ihn mit wesentlich verbesserten Instrumenten ausrüstete, um ihn zum Zwecke genauerer Erforschung der atmosphärischen Ver⸗ hältnisse in den Dienst der meteorologischen Wissenschaft zu stellen. An der ersten der Fahrten desselben betheiligte sich vom Meteoro⸗ logischen Institut Dr. Kremser.

Schon damals bezw. im Anschluß daran faßte Prof. mann den Plan, das vor mehreren Jahrzehnten von Glaisher in Eng⸗ land ausgeführte Unternehmen der Erforschung der Verhältnisse in freier und gefesselter Ballons in einer unserer Zeit entsprechenden Weise, mit vervoll⸗ kommneten Instrumenten und unter neuen Gesichtspunkten wieder

aufzunehmen.

Um dem ganzen Unternehmen, das ja doch als solches nicht zur Sache des Instituts gemacht werden konnte, einen festen Halt zu geben, wurde vor allem der „Deutsche Verein zur Förderung der Luft⸗ schiffahrt“ dafür gewonnen, derartige Fahrten in sein Arbeitsprogramm aufzunehmen.

Die zur Ausführung der ersten Versuche nach dieser Richtung er⸗ forderlichen Mittel wurden, wie schon früher berichtet, theils aus der Kasse des genannten Vereins gewährt, zum weitaus größten Theil aber von Freunden und Gönnern des Unternehmens, unter welchen die Herren Werner von Siemens, Killisch von Horn, Hertzog und Otto Lilienthal in erster Linie zu nennen sind, aufgebracht.

Späterhin kam hierzu noch eine sehr Unterstützung von seiten der Königlichen Akademie der Wissenschaften.

Die Experimente nahmen ihren Anfang am 29. August 1890, an welchem Tage der zu diesem Zweck erbaute Fesselballon „Meteor“ zum ersten Mal mit einigen von der Königlichen Luftschiffer⸗Abthei⸗ lung leihweise überlassenen Registrier⸗Instrumenten von Charlotten⸗ burg aus aufstieg.

Diese Probefahrt ergab die Unbrauchbarkeit dieser und aller bis⸗ her konstruxerten Registrierapparate für diesen Zweck, da die frei be⸗ weglichen Hebelarme durch die unvermeidlichen Stöße und Schwan⸗ kungen des gefesselten Ballons in so starke Erschütterungen versetzt wurden, daß die Aufzeichnungen durchaus unklar und werthlos waren. Außerdem lieferten die Thermometer infolge der Strahlungseinflüsse vollkommen irrthümliche Angaben. 1

Professor Aßmann schritt deshalb an die Konstruktion ganz neuer Apparate, in welchen durch Verwendung ganz feiner horizontal gespannter und äquilibrierter Ketten die Stöße und Schwankungen unschädlich gemacht, die Strahlungseinflüsse aber durch Verwendung der von ihm wenige Jahre früher erfundenen und inzwischen wesent⸗ lich verbesserten Aspirationsmethode vollständig ausgeschlossen wurden.

Mit Hilfe dieser in den Werkstätten von Reinecke (Meißner) sowie von R. Fueß erbauten Apparate gelang es nun, an 19 Tagen Registrierungen über Luftdruck, Temperatur und Feuchtigkeit zu gewinnen.

Die Aufstiege, bei denen Höhen von 44 bis 790 m erreicht wurden, vertheilten sich auf die einzelnen Monate wie folgt: Juni 2, August 2, Oktober 6, November 2, Dezember 3, sämmtlich im Jahre 1891, dann noch im Jahre 1892: Januar 2, März 2.

Bei dem hohen spezifischen Gewicht des verfügbaren Gases und

bei den Dimensionen des Ballons mußte man sich leider bei

diesen Versuchen auf Tage mit schwacher Luftbewegung beschränken; sowie der Wind einigermaßen stärker war, entstanden für den Ballon und für die Apparate die größten Gefahren, die auch eine starke Ab⸗ nutzung des Ballons im Gefolge hatten.

Immerhin lieferten diese Aufstiege Reihen höchst werthvoller Beobachtungen, während die Erfahrungen in instrumenteller Hinsicht erst die Möglichkeit boten, die Apparate so zu vervollkommnen, daß man an Aufnahme der Versuche in größerem Maßstab denken konnte.

In dem nämlichen Jahre, in welchem diese Versuche ihren An⸗ fang genommen hatten (1891), wurden mit einem von Herrn Killisch von Horn zur Verfügung gestellten rreiballon fünf Fahrten ausgeführt, und 18 am 30. Januar, 13. März, 3. August, 24. Oktober und 27. November. Die Führung hatte Lieutenant Groß, mit Ausnahme eines einzigen Falles, in welchem sie Leeutenant Gurlitt übernommen hatte.

Von seiten des Instituts betheiligten sich Professor Aßmann

und Assistent Berson an diesen Fahrten, die erreichten Maximal⸗

Premier⸗

höhen e sich zwischen 1140 und 1800 m, die Dauer der Fahrten zwischen drei und vier Stunden.

Während zweier dieser Fahrten fanden gleichzeitige Aufstiege des

Fesselballons statt. 11 1— 1

Die bei diesen Fahrten und Aufstiegen gewonnenen Ergebnisse und vielseitigen Erfahrungen legten den Gedanken nahe, durch Be⸗ nutzung eines größeren Ballons die Untersuchungen auf bedeutendere, womöglich auf die größten, überhaupt erreichbaren Höhen auszu⸗ dehnen und auch das Beobachtungsprogramm nach den verschiedensten Richtungen hin zu erweitern. s

Die hierfür erforderlichen, sehr beträchtlichen Geldmittel wurden, wie schon eingangs erwähnt, aus Allerhöchsten Dispositionsfonds bewilligt; ein großer Ballon „Humboldt“, von 2500 chm Inhalt, wurde eigens für diesen Zweck gebaut und mit höchst voll⸗ kommenen Instrumenten, unter Verwerthung aller bisher gewonnenen Erfahrungen ausgerüstet. 3

Am 1. März fand alsdann in Gegenwart Ihrer Majestäten des Kaisers und Königs, der Kaiserin und Königin, der Kaiserlichen Prinzen, sowie verschiedener hervorragender Persönlichkeiten die erste Auffahrt von Charlottenburg aus statt. Mit der Führung des Ballons war Premier⸗Lieutenant Groß beauftragt worden.

„Nach Vollendung der sechsten Fahrt explodierte der Ballon während der Entleerung infolge elektrischer Zündung. Das Unter⸗ nehmen wurde jedoch hierdurch nur vorübergehend gestört, indem Seine Majestät der Kaiser abermals bedeutende Mittel zur Fort⸗ setzung des selben bewilligte. 1

So war es möglich, nach zweieinhalbmonatiger Pause die Fahrten wieder aufzunehmen, und zwar nachdem durch Anbringung einer eigenen Ableitungsvorrichtung der Wiederholung eines ähnlichen Unglücksfalls durch Elektrizität vorgebeugt war.

Die Daten der im Berichtsjahre ausgeführten Auffahrten, Punkte der Landung, sowie die erreichten Höhen, ersieht man aus nach⸗ stehender Zusammenstellung: .

Datum Landungsort Höhe in Metern

1. März. . Wussow bei Naugard i. Pommern. 1L1 .Boruchowo b. 1 i. Posen. 1 28„ Hermannsdorf b. Annaberg i. Sachsen

April Kronachchchcsss 8 Preschen b. Muskau i. d. N.⸗Lausitz 26. Heinrichau b. Münsterberg i. Schlesien 14./15. Juli. . Pielitz zwischen Bautzen und Löbau 25 Thurmberg b. Danzig.

18. August . Creba i. d. O.⸗Lausitz ..

1./2. September Garki b. Ostrowo i. Posen 1“

29. 18 Borntuchen b. Bütow i. Pommern

19. Oktober. . Sichrow b. Reichenberg i. Böhmen

10. November Lauenförde b. Beverungen i. Westfalen 900

2. Dezember Alt⸗Schönau b. Goldberg i. N.⸗ G Schlesien 11AA“

15. 8 Groß Nin; b. ie 6

Die Führung hatte ein für allemal Premier⸗Lieutenant Groß. Von seiten des Instituts nahm, abgesehen von der allerersten, Assistent Berson an sämmtlichen Fahrten theil, außerdem noch die beiden Ober⸗Beamten Professor Aßmann und Dr. Kremser je einmal, ferner die Assistenten Dr. Süring dreimal, Dr. Köbke zweimal, Baschin einmal.

Zweimal fuhr der Professor von der Landwirthschaftlichen Hoch⸗ 8 Dr. Börnstein mit, um Versuche über Luftelektrizität an⸗ zustellen.

Da man sich im Berichtsjahre zur Füllung des Ballons

ausschließlich des Leuchtgases bediente, so blieben, abgesehen von zwei oder drei Fahrten, die Höhen noch immer bverhatb relativ mäßiger Grenzen; immerhin wurde bei der Mehrzahl die Höhe des Großglockners und bei dreien derselben jene des Montblanc über⸗ chritten. Man glaubte jedoch die eigentlichen Hochfahrten hinausschieben zu müssen, bis durch vielfache Fahrten in mittleren, zum theil übrigens doch schon recht beträchtlichen Höhen die erforderliche Uebung und Sicherheit gewonnen sei, um den Schwierigkeiten, wie sie sich dem Aufenthalt und dem Beobachten in ganz großen Höhen entgegenstellen, nach allen Richtungen gewachfen zu sein.

Das äußerst reichhaltige und hochinteressante Beobachtungs⸗ material wird durch Premier⸗Lieutenant Groß, Professor Aßmann und Assistent Berson möglichst bald nach der Fahrt einer ersten Verarbeitung unterzogen.

Da den beiden zuletzt genannten Herren auch noch die umfang⸗ reichen und zeitraubenden instrumentellen Vorbereitungen für die einzelnen Fahrten zufielen, so ist es selbstverständlich, daß die ihnen sonst obliegenden Arbeiten, insbesondere die Verarbeitung der Gewitter⸗ beobachtungen etwas in den Hintergrund treten maften sodaß sich diese Abtheilung an den Veröffentlichungen des Instituts nicht in gleichem Umfange wie die übrigen betheiligen konnte. 1“

Ueber den Verlauf der einzelnen Fahrten sowie über die wichtigsten Ergebnisse bringt zunächst die „Zeitschrift für Luftschiffahrt“ vorläufige Mittheilungen, dann und wann auch längere Aufsätze.

Die ausführliche Veröffentlichung, die in den Schriften des Instituts erfolgen soll, ist erst beabsichtigt, wenn die Fahrten ihren Abschluß gefunden haben, da es nicht nur für die spätere Benutzung äußerst vortheilhaft erscheint, wenn man das gesammte reichhaltige Zahlenmaterial in einem Bande vereinigt hat, sondern da auch eine wirklich gründliche wissenschaftliche Verarbeitung erst möglich ist, wenn dieses Material vollständig vorliegt.

Dadurch müssen sich nämlich nicht nur für die Diskussion der bei den einzelnen Fahrten gemachten Beobachtungen höhere Gesichts⸗ punkte ergeben, insofern man erst dann gewöhnliche und ungewöhn⸗ liche Ergebnisse wird unterscheiden können und vor nis nicht haltbarer Hypothesen geschützt ist, sondern man gewinnt überdies Gelegenheit, auch die mittleren Verhältnisse der höheren Luftschichten zum Gegenstand der Untersuchung zu machen ein Punkt, der bei einem so groß angelegten Unternehmen eine hohe Bedeutung besitzt.

Zum Schluß mag noch erwähnt werden, daß auch die Beobachter im Netze des Instituts an diesen Arbeiten mitwirken, indem vor jedem Aufstiege die in der voraussichtlichen Fahrtrichtung gelegenen Stationen telegraphisch benachrichtigt und um die Anstellung vermehrter Be⸗ obachtungen in kürzeren, längstens einstündigen Zwischenräumen ge⸗ beten werden, um für jeden Augenblick über die unterhalb des Ballons an der Erdoberfläche vorhandenen Verhältnisse genau unterrichtet u sein.

3 seig. Bereitwilligkeit, mit der sich die Beobachter dieser nicht geringen Mühewaltung unterziehen, verdient alle Anerkennung, und soll nicht versäumt werden, dies hier besonders hervorzuheben..

Der Professor der Archäologie an der Universität zu München Heinrich von Brunn ist dem „W. T. B.“ zufolge gestern bei

chliersee gestorben. Geboren am 23. Januar 1822 in Wörli bei Dessau, besuchte der Verstorbene seit dem Herbst 183 die Universittt Bonn und begab sich 1843 nach Rom, wo er sich an den Arbeiten des Archäologischen Instituts betheiligee. Im Jahre 1854 habilitierte er sich an der Universität Bonn für Archäologie. Ende 1856 wurde er als Sekretär des Archäologischen Instituts nach Rom berufen und folgte zu Ostern 1865 einem Rufe als Professor der Archäologie nach München, wo er zugleich Konservator des Münzkabinets, 1867 auch Konservator der Vasensammlung, und 1888 der Glyptothek wurde. Unter seinen Schriften sind besonders hervorzuheben: „Geschichte der griechischen Künstler“ (Stuttgart 1853 59), „Beschreibung der Glyptothek zu München“ (1887), „Probleme in der Geschichte der Vasenmalerei“ (München 1881 und 1887), „Griechische Götterideale, in ihren Formen erläutert“ (München 1893), „Griechische Kunstgeschichte“ (daselbst 1893) u. a. Brunn ist als der Begründer der Richtung in der modernen Archäologie zu bezeichnen, welche, ausgehend von der Deutung der künstlerischen Motive und genauen sttilistischen Analyse, den geistigen Gehalt und die historische Stellung der Kunstdenkmäler festzustellen sucht. Seine Arbeiten zeichnen sich durch feinen künstlerischen Sinn der Darstellung aus.

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In der Kunstausstellung sind seit einigen Tagen fünf Porträts von Professor H. von Angeli (Wien), darunter ein kürzlich vollendetes lebensgroßes Bildniß Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich neu zur Schau gebracht. Die Akademische Kunstausstellung in Dresden 1894 wird am 1. August, 12 Uhr Mittags, feierlich eröffnet werden. Von auswärts sind 1800 Kunstwerke eingeschickt worden. Obgleich zu den Räumen im Ausstellungsgebäude noch die anstoßenden des Akademie⸗ gebäudes hinzugenommen werden sollen, wird kaum die Hälfte der eingegangenen Gemälde u. s. w. untergebracht werden können. Zum Bedauern der Ausstellungskommission hat daher lediglich des mangelnden Raums wegen eine nicht geringe Anzahl solcher von der Annahme ausgeschlossen werden müssen, die der Ausstellung an sich durchaus werth gewesen sein würden. Unter den Ausstellern werden übrigens die hervorragendsten Vertreter der ver⸗ schiedenen Kunstrichtungen sich befinden; abgesehen von den heimischen Künstlern, sind beispielsweise vertreten: Ed. von Gebhardt, Knaus, beide Achenbach, Vautier, G. von Bochmann, von Defregger, Gabriel Max, von Uhde u. s. w. Schon jetzt kann versichert werden, daß die erste, im neuen Ausstellungsgebäude veranstaltete Kunstausstellung vieles Interessante bieten wird. 8

Der Direktor der Großherzoglichen Gemäldegalerie in Mann⸗ heim Karl Roux ist, wie der „Nat.⸗Ztg.“ gemeldet wird, gestern daselbst im Alter von 68 Jahren am Typhus gestorben. Karl Rou war ein hervorragender Thiermaler, hat sich aber dieser Richtung erst zugewendet, nachdem er vorher historische Genrebilder und Schlachtenbilder gemalt hatte. Er war aus der Düsseldorfer Schule hervorgegangen, ging dann nach München, später nach Antwerpen und Paris, war dann viele Jahre in Karlsruhe und. München, bis er den Ruf nach Mannheim erhielt. Einige seiner be⸗ kanntesten Bilder sind: Viehmarkt beim Münchener Oktoberfest; Herde am Achensee; Reiter auf der Flucht; Dorothea mit dem Ochsengespann u. a. Roux war ein Sohn des 1831 in Heidelberg gestorbenen Zeichners, Malers und Radierers Jacob Wilhelm Roux.

Ueber die Feier des siebzigsten Geburtstags des Geheimen Raths, Professors Kuno Fischer wird der „Voss. Ztg.“ unter dem gestrigen Tage aus Heidelberg berichtet: Zahlreiche schriftliche und drahtliche Glückwünsche liefen ein. Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Baden sandte ein schmeichelhaftes Handschreiben unter Verleihung der goldenen Kette zum Großkreuz des Zähringer Löwen⸗Ordens, Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin eine Glückwunsch⸗Depesche, Staats⸗Minister Dr. Nokk ein herz⸗ liches Schreiben. Der Stadtrath von Heidelberg ernannte den Jubilar zum Ehrenbürger. Staatliche und militärische Behörden, Studenten⸗Abordnungen, der Senat der Universität, sowie Seine Hoheit der Prinz Wilhelm von Sachsen⸗Weimar überbrachten per⸗ sönlich ihre Glückwünsche. Am Abend fand großer Fackelzug der Studentenschaft statt.

im Glaspalast zu München

Ges undheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Ungarn.

Der Königlich ungarische Minister des Innern hat stöechegäahe Verwaltungsbehörden des Landes angewiesen, die aus Rußland, Preußisch Schlesien, Galizien und der Bukowina nach Ungarn kom⸗ menden Reisenden einer fünftägigen sanitären Beobachtung zu unter⸗

ziehen. Türkei. Durch Beschluß des internationalen Gesundheitsraths in Kon⸗ stantinopel vom 21. d. M. ist für Reisende aus Europa eine ärztliche Untersuchung in Zibeftche und Mustafa Pascha angeordnet worden. 8 Norwegen. 1

„Die Königlich norwegische Regierung hat beschlossen, die Pro⸗

vinzen Westpreußen und osen als Z anzusehen. Brasilien.

Durch Verordnung des brasilianischen Ministers des Innern vom 25. v. M. ist das am 2. Mai d. J. erlassene Verbot der Einfuhr gewisser Waaren aus Portugal aufgehoben worden. Das Verbot der Einwanderung aus Portugal bleibt in Kraft. (Vergl. „Reichs⸗Anz.“ Nr. 129 vom 4. v. M.)

Argentinien.

Durch Regierungsdekret vom 16. v. M. sind die gegen Lissabon und die übrigen portugiesischen Häfen, sowie gegen die spanischen Häfen am Kantabrischen Meer angeordneten Quarantänemaßregeln aufgehoben worden. Herkünfte aus den genannten Häfen werden nach Vornahme einer strengen Desinfektion zum freien Verkehr zu⸗ „R.⸗A.“ Nr. 133 vom 8. und Nr. 141 vom

Cholera.

Danzig, 23. Juli. Der Staatskommissar meldet, daß bei. einem Werftarbeiter in Schidlitz Cholera bakteriologisch festgestellt worden ist.

Konstantinopel, 23. Juli. In Adrianopel wurde laut Meldung des „W. T. B.“ die Cholera amtlich festgestellt. Die aus Adrianopel nach anderen Orten der Türkei reisenden Personen unter⸗ liegen einer fünftägigen Quarantäne im Lazareth in Mustafa⸗Pascha.

8 Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 23. d. M. gestellt 10 767, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 21. d. M. gestellt 2296, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. 8

Zwangs⸗Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen am 23. Juli die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Elß⸗ holzstr. 22, dem Maurermeister Adolf Wenk zu Charlgttenbung gehörig; Fläche 6,95 a; Nutzungswerth 12 600 ℳ; für das Meist⸗ gebot von 220 000 wurde der Maurermeister Herm. Stutz, Hagelsbergerstr. 37/38, Ersteher. Barnimstr. 13, Höchstestr. und Barnimstr. 13 und Höchstestr. 4, dem Maurermeister Hugo Klein gehörig; Fläche 12,10 a, 40,94 a und 19,95 a; für das Meistgebot von 55 600 ℳ, 1020 und 82 260 wurde die Preußische Hypotheken⸗Aktien⸗Bank, Charlottenstr. 42, Ersteherin.

In der gestrigen Generalversammlung der Vereinigten Breslauer Oelfabriken wurde die vorgeschlagene Dividende von 4 % genehmigt; die ausscheidenden Mitglieder des Aufsichtsraths wurden einstimmig wiedergewählt. Die Auszahlung der Dividende erfolgt von morgen ab an der Kasse der Breslauer Gesellschaft und bei dem Bankhause Jacob Landau in Berlin.

Die „Rhein.⸗Westf. Ztg.“ berichtet vom rheinisch⸗west⸗ fälischen Eisen⸗ und Stahlmarkt: Im weesentlichen ist die Geschäftslage des rheinisch⸗westfälischen Eisenmarkts unverändert geblieben. Die etwas größere Stille gegenüber den Vormonaten, mit der man um diese Zeit des Jahres stets zu rechnen hat, wirkt durchaus nicht beunruhigend auf den Markt. In industriellen Kreisen hofft man im Gegentheil allerseits auf ein gutes Herbstgeschäft. In Eisenerzen hat sich im Siegerlande keine wesentliche Aenderung gezeigt; der Grubenbetrieb ist ein befriedigender und die geförderten Posten eben schlank ab. Absatz und Preisverhältnisse von Loth⸗ ringer Minette sind gleichfalls unverändert. Spanische Erze sind schwach begehrt. Im Roheisengeschäft ist die Na frage befrie⸗ digend und man erwartet eher eine Steigerung als eine Abnahme der Nachfrage. Im Siegerland ist Roheisen gleichfalls gut gefragt; in der letzten Zeit sind wieder größere Aufträge in Spiegeleisen und

Schärfe der Methode und Klarheit

Stahleisen für im laufenden Vierteljahr von Belgien ein⸗ gegangen. Auf dem Walzeisenmarkt hat sich das Bild der