Zwangsarbeit verurtheilt, ferner Bertani wegen Tragens ver⸗ botener Waffen zu 6 Monaten Gefängniß und 16 Fr. Geld⸗ strafe. Die Sitzung wurde sodann ohne Zwischenfall aufgehoben.
Die foztalittischen und radikalen Blätter geben ihrer Freude über die Freisprechung der Anarchisten Ausdruck und sagen, die Freiheit des Gedankens habe triumphiert. Die gemäßigten republikanischen und die konserva⸗ tiven Organe beklagen die Freisprechung. Einige machen die Geschworenen, andere die Gerichtsbehörde dafür verantwortlich.
Nach einer Depesche aus Annecy wurden dort bei einer Haussuchung in der Wohnung eines Anarchisten Namens Schumacher anarchistische Schriftstücke aufgefunden. — In Algier verhaftete die Polizei zwölf Anarchisten, von denen die Mehrzahl Ausländer sind. Diese letzteren werden behufs Ausführung des gegen sie ergangenen Ausweisungsbeschlusses nach Frankreich übergeführt und sodann ie Grenze gebracht werden.
Niederlande.
Der türkische außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte inister am niederländischen Hofe Fürst Karadja ist dem H.“ zufolge gestern im Haag gestorben.
Bulgarien. v“ erdinand von Sachsen⸗Coburg⸗ ittag wieder in Sofia eingetroffen.
Asien.
Wie dem „Reuter'schen Bureau“ aus Shanghai ge⸗ eldet wird, hätten die Japaner Freitag Nacht Fort Arthur angegriffen. Die japanische Flotte, die am Frei⸗ tag Morgen Wei⸗Hai⸗Wei angriff (siehe die vorgestrige Nr. d. Bl.), habe dem Vernehmen nach aus 26 Schiffen bestanden. Wie viele davon Kriegsschiffe gewesen seien, sei nicht anzugeben. Die Schiffe hätten etwa 50 Schüsse mit den orts gewechselt. Weder Fort Arthur noch Wei⸗Hai⸗Wei seien eschädigt worden.
Nach einer Depesche aus Taku habe, wie der „Magd. Ztg.“ aus London berichtet wird, eine japanische Flotte von vier Kreuzern und einigen kleineren Fahrzeugen versucht, sich des Hafens von aee. ee durch einen “ zu bemächtigen. Die sinesen hätten den eind jedoch rechtzeitig bemerkt und ihn durch kräftige Beschießung und Torpedoboote verscheucht. Die Japaner hätten den Angriff von der anderen Hafeneinfahrt erneuert, seien aber wiederum zurückgeschlagen worden. Die japanische Flotte habe sodann am Freitag eine Zeit lang Port Arthur bombardiert und die chinesische Peiyangflotte ange⸗ griffen. Es sei ein hartnäckiges Seetreffen entstanden, woran sich 21 große Kriegsschiffe und viele kleinere Fahrzeuge be⸗ theiligt hätten. Der Ausgang sei noch unbekantnt.
Afrika. Reuter'sche Bureau“ meldet aus Tanger, daß ein
Der Prinz Gotha ist gestern
Das
Kabylenstamm sich im Aufstande befinde; einige Kaids bin getödtet, andere zur Flucht gezwungen und mehrere Be⸗
estigungswerke zerstört worden. Die Aufständischen hätten sich eigene Kaids gewählt und weigerten sich, andere Gouver⸗ neure anzuerkennen.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Termingeschäfte eines Banquiers (Kommissionärs) mit einer in Berlin oder in einem anderen Orte, in welchem ebenfalls das Vermögen der Frau der Verwaltung des Ehemanns unterworfen ist, wohnhaften Ehefrau auf Grund eines Depots, welches für die Er⸗ füllung der Geschäfte völlig ungenügend ist, sind, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I. ] vom 4. April 1894, in der Regel als reine, unklagbare Differenzges eneg zu erachten, selbst wenn der Ehemann von diesen Geschäften weiß und damit einverstanden ist. „Es kommt hier in erster Linie in Betracht, daß der beklagte Banquier mit einer Dame kontrahierte, die ihm als eine in Berlin wohnhafte Ehefrau bekannt war. Mit Recht hat das Berufungsgericht großes Gewicht auf diese Thatsache gelegt, denn der Beklagte mußte, so lange er das Gegentheil nicht fest estellt hatte, davon ausgehen, daß das Vermögen seiner Gegenkontrahentin, mochte dasselbe groß oder klein sein, sich in der Verwaltun ihres Ehemannes befinde. Er durfte höchstens annehmen, daß dieselbe über die in ihren Händen befindlichen Werthpapiere, bezw. über die Baar⸗ summe, mit der dieselben zum Theil erst angeschafft sind, frei verfügen könne. Ob die Ehefrau des Klägers sich dem Beklagten gegenüber als vermögend geriert und namentlich von ihrem Landsitz in Mexiko
esprochen hat, ist unerheblich. Vielmehr kommt nur in Betracht, ob
ie, abgesehen von den dem Beklagten übergebenen Papieren, freies, für die mit dem Beklagten Geschäfte verfügbares Vermögen 812. oder ob etwa der Kläger bereit war, das in seinen Händen befindliche Vermögen seiner Ehefrau für diese Geschäfte herzugeben oder mit seinem eigenen Vermögen dafür einzutreten. Daß das eine oder das andere der Fall sei, oder daß er auch nur genügenden Grund gehabt hätte, eines oder das andere anzunehmen, hat der Beklagte nicht dar⸗ gethan. Wenn seine Behauptung wahr wäre, daß der Kläger die Geschäfte seiner Ehefrau mit dem Beklagten gekannt hätte und mit denselben einverstanden gewesen sei, so würde daraus nicht gefolgert werden dürfen, daß der Kläger bereit gewesen sei, die Verwendung des Vermögens seiner Ehefrau zur Erfüllung dieser Geschäfte zu ge⸗ statten. Der 2 8 hat denn auch eine Erhöhung des Depots nicht verlangt, nachdem die Differenzen zu Lasten der klägerischen Ehefrau den Werth der deponierten Papiere erreicht hatten, und damit zu erkennen gegeben, daß er seine Gegenkontrahentin zu einer solchen es nicht im stande hielt. Die dem Beklagten übergebenen Werthpapiere im Werthe von ca. 6000 ℳ (deren Rückgabe der klägerische Ehemann verlangt), bildeten aber eine völlig ungenügende Grundlage cfür die Erfüllung der den Betrag von je 60 000 ℳ erreichenden Geschäfte in ostpreußischen Südbahnaktien, und daß der Ehefrau des Klägers daneben ein irgendwie nennens⸗ werther Kredit zur Verfügung gestanden hätte, ist nicht ersichtlich Schon aus dieser VEa Hlage in Verbindung mit der un⸗
anzen Laufe des Geschäftsverkehrs die
effektive Lieferung oder Abnahme der ge⸗ und verkauften Papiere niemals in Frage gekommen ist, ist der Schluß zu ziehen, daß die Kontrahenten den übereinstimmenden Willen gehabt haben, die ge⸗ schlossenen B fisgteltzebtich d Ziehung Differenzen
„ daß im
Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
Die durch Ortsstatut bestimmten Beit räge der Interessenten innerhalb der städtischen Einwohnerschaft für den Schutz gegen eldpolizeiliche Uebertretungen durch Ueberwachung ihrer elder sind, nach einem Urtheil des Ober⸗ — II. Senats, vom 7. April 1894, nicht als privatrechtliche Lei stüungen, sondern als Gemeindelasten zu erachten, und Streitigkeiten darüber
11“ 8 “ 88
wischen der Gemeinde und einem Beitragspflichtigen unterliegen dem sstreitverfahren. — Ein von der Regierung bestätigtes Orts⸗ statut der Stadt G. in Schlesien bestimmt, daß für Rechnung der Grund⸗ besitzer Feldhüter bestellt werden, denen die Beaufsichtigung und Sicherung der Aecker, Forsten, Gärten, Haiden und Wein ärten und der Früchte dieser Grundstücke gegen Entwendung und Bes⸗ sowie die Verfolgung der Beschäbiger obliegt, und daß die dafür er⸗ wachsenden Kosten zu ⁄2 von den Garten⸗ und Weingarten⸗, 2⁄12 von den Forsten⸗ und Haiden⸗ und 1½12 von den Acker⸗ und Wiesenbesitzern aufzubringen, im Falle unbegründeter Weigerung aber beizutreiben sind. Ein zu diesen Hüterlohnbeiträgen pro 1893 heran⸗ gezogener Interessent erachtete sich zu hoch eingeschätzt und erhob beim Bezirksausschuß Klage gegen den Magistrat der Stadt G. Der Bezirksausschuß wies die Klage als unzuläffig ab, weil es sich nicht um eine Gemeindelast, sondern um privatrechtliche Gegenleistungen für den Schutz handle und der Rechtsstreit demnach vor die ordentlichen Gerichte gehöre. Auf die Berufung des Klägers hob das Ober⸗Verwaltungsgericht die Entscheidung des Bezirks⸗ ausschusses auf, indem es ausführte: „ ..Es muß aner⸗ kannt werden, daß in der That dem streitigen Beitrage die Eigenschaft einer nicht privatrechtlichen Leistung — einer Gemeindelast — bei⸗ wohnt. Das Statut regelt den Schutz städtischer Einwohner gegen feldpolizeiliche Uebertretungen durch Bewachung ihrer Felder, be⸗ trifft also eine der Wirksamkeit der Gemeindebehörden keineswegs rundsätzlich entzogene Aufgabe. In einem solchen Falle gestattet der 8 11 der Städte⸗Ordnung vom 30. Mai 1853 den Erlaß eines Statuts, welches auf Grund der städtischen, im § 53 daselbst aner⸗ kannten Steuerautonomie zugleich Abgaben einführen darf. 58 diesen Abgaben dürfen auch vorzugsweise bestimmte Interessentenkreise heran⸗ gezogen werden. — Die Gemeindebehörden haben hiernach wohl⸗ berechtigt statutarische Anordnungen getroffen und die erforderliche Genehmigung der Aufsichtsbehörde erhalten.“ (II 486.)
Statistik und Volkswirthschaft.
Wirkung des Zollkrieges mit Rußland im Jahre 1893.
Der Bericht der Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin giebt einen Ueberblick über die Wirkung, welche der Zollkrieg mit Rußland für das deutsche Gewerbe gehabt hat. Was den rport betrifft, so konnten große Mengen deutscher Industrieerzeugnisse und Handelswaaren, die von Rußland aus bestellt waren, ehe jemand den Zollkrieg vorauszusehen vermochte, nur mit erheblichem Schaden für den Träger des Zolls abgeliefert werden. In anderen Fällen wurde die Bestellung rückgängig gemacht oder ihre Ausführung hinausgeschoben. Neue Bestellungen, auf welche man unter normalen Verhältnissen mit Bestimmtheit hätte rechnen können, blieben aus, sodaß der Zollkrieg in vielen Fällen die deutsche Industrie um einen ihr sonst sicheren Gewinn brachte. Der Nachtheil, der ihr daraus erwuchs, wurde oft verstärkt dadurch, daß die ausländische Konkurrenz, der die Aufträge zufielen, Gelegenheit fand, sich einzunisten. Mancher Handelszweig hat dadurch einen dauernden Schaden gelitten; es wird von verschiedenen Seiten gesagt, daß es schwerer und langer, oft vielleicht vergeblicher Arbeit bedürfen werde, um die ausländische Konkurrenz aus ihrer günstigen Position wieder zu verdrängen. 1
Am empfindlichsten wurde wohl von dem Zollkriege betroffen die Eisengießerei, Lokomotiven⸗ und Maschinensab rikation. So berichtet die Firma A. Borsig, daß sich der russische Bedarf an Lokomotiven im vergangenen Jahre derartig vermehrt hatte, daß auch außerrussische Fabriken herangezogen werden mu ten. Der Kampfßoll verhinderte, daß dabei die deutschen Werke berücksichtigt wurden. Aehnlich erging es der Fabrikation von Appreturmaschinen. Die Firma Berliner Maschinenbau⸗Aktiengesellschaft vorm. L. Schwartzkopff sagt, daß durch den Zollkrieg dem deutschen Maschinenbau fast jedes Geschäft nach Ruß⸗ land abgeschnitten wurde, sodaß man genöthigt war, die Arbeitszeit einzuschränken, und etwa 200 Arbeiter zu entlassen. Die Firma Fr. Gebauer, welche Maschinen für die Textilindustrie baut, berichtet, daß, während in den drei letzten Jahren durchschnittlich ein Umsatz von etwa 200 000 ℳ erzielt wurde, im Jahre 1893 der⸗ selbe bis zum Ausbruch des Zollkrieges 60 000 ℳ betrug, da⸗ mit aber sein Ende erreichte, da keine neue Bestellung ein⸗ traf, ein Theil der Aufträge zurückgezogen, ein Theil einstweilen aufgehoben wurde. Es sei dadurch der Firma ein Schaden von 20 bis 30 000 ℳ erwachsen. Aehnlich wird von der Berliner Aktien⸗ esellschaft für Eisengießerei und Maschinenfabrikation (früher J. C.
reund u. Co.) berichtet, daß der Zollkrieg einen wesentlichen Einfluß auf den Rückgang des Absatzes gehabt habe, da der Verkehr mit Ruß⸗ land durch denselben völlig unterbrochen wurde. In landwirthschaftlichen Maschinen hatte ein sehr lebhafter Handel mit Rußland stattgefunden. Der Zollkrieg legte denselben vollständig lahm. Da 95 die hauswirthschaftlichen Maschinen und Geräthe die Zölle gleich dem Verkaufspreise waren, und daher von keiner Seite getragen werden konnten, so wurden die Aufträge auf solche Maschinen zurück⸗ genommen, und wurde der bösterreichischen, englischen und französischen Konkurrenz das Feld frei gemacht. — Die Firma C. L. P. Fleck Söhne, welche Säge⸗ und Holzbearbeitungs⸗ maschinen herstellt, meldet, daß sie im vergangenen Jahre über eine um 25 % verminderte Ausfuhr zu klagen habe und schiebt einen großen Theil der Schuld auf den Zollkrieg. Der russische Kunden⸗ kreis der Berliner Werkzeugmaschinen⸗Fabrik⸗Aktien⸗Gesellschaft vor⸗ mals L. Sentker hatte sich stetig erweitert, sodaß im ersten Halbjahr 1893 etwa ⁄½⁄ der normalen Leistungsfähigkeit der Fabrik für Ruß⸗ land in Anspruch genommen war; nach dem Ausbruch des Zollkrieges kam nicht ein einziger neuer Auftrag mehr. — Die Firma Hein, Lehmann u. Co. konnte für Arbeiten, die sie in Rußland auszuführen übernommen hatte, die Rohmaterialien während des Zollkrieges nicht aus Deutschland beziehen, mußte vielmehr Bleche und Walzeisen ꝛc. in Belgien und England kaufen. — Der Export transportabler Geleisanlagen nach Rußland hörte seit dem Zollkrieg pöllig auf. — ür Hebewerkzeuge bestand schon vor dem Zollkrieg ein sehr hoher oll; trotzdem war der Export noch groß genug, daß die Kampfzölle einen empfindlichen Schaden anrichten konnten. Aehnlich litt der 66 von Nähmaschinen. 1 1 1 lles in allem hat die Branche: Eisengießerei, Baukonstruktionen, Lokomotiven⸗ und Maschinenbau, Kriegsbedarf überaus unter dem Zollkrieg zu leiden gehabt. 3
Ebenso wie die Eisengießerei haben Eisenwaarenhandel und „Fabrikation gelitten. Es wird darüber geklagt, daß viele Händler ganz in ihrem Geschäft gehemmt wurden und große Verluste erlitten, während überdies die zurückgegebene Waare 8 dem deutschen Markt die Preise drückte.
Außer dieser Branche sind es in der Gruppe der Metallvper⸗ arbeitung noch der Handel und die Fabrikation von Geldschränken sowie von Haushaltungsgegenständen, welche infolge über⸗ nommener Leeserungsverpfi tungen größere Verluste erlitten haben, die Fabrikation und der andel in Messing⸗ waaren, die Fabrikation von Lampen. Die deutsche
inkindustrie wurde zwar auch geschädtgt jedoch übernahmen in vielen
ällen Verkäufer und Käufer je einen Theil des Zolls; dadurch wurde das Geschäft nicht ganz unmöglich gemacht. Arbeiten, die bestimmt deutschen Fabriken von Beleuchtungsgegenständen zugefallen wären, wurden lediglich des hohen Zolls wegen nach Paris und Wien ver⸗ geben. Auch der Hande von Silber⸗ und Goldwaaren, Juwelen wurde durch den Zollkrieg geschädigt. Die elektrotechnische Fabri⸗ kation hatte es ihrem wohlerworbenen Ansehen zu verdanken, daß der Export nach Rußland durch die Kampfzölle zwar geschädigt, nicht jedoch ganz vernichtet werden konnte.
Aus der nächsten Gruppe: Rohstoffe und Fabrikate der phar⸗, mazeutischen, chemischen und verwandten Industrien ꝛc., ist es zunächst der Drogenhandel, welcher einigen Schaden erlitt. Der andel mit Medizinaldrogen ist freilich gerade in der glücklichen Lage, daß die russische Pharmazie die deutschen Erzeugnisse nicht entbehren kann. Der Berichterstatter
*
kann daher sagen, daß der Fellrriec da sowohl das russische Arznei⸗ buch, als auch eine große Anzahl Bestimmungen der russischen e⸗ dizinalgesetzgebung auf den der Medizinalwaaren aus Deutsch⸗ land gegründet sind, den Verkehr nur hemmen, nicht auf⸗ heben konnte. Denn die übrigen in Betracht kommenden Länder; England und Frankreich, erzeugten einen Theil der wichtigsten Medikamente nicht selbst, und die dortigen Fabrikanten seien außerdem viel weniger entgegenkommend in ihren Verkaufs⸗ bedingungen als die deutschen. Oesterreich habe einen weniger ent⸗ wickelten “ und weniger geschäftliche Beziehungen zu Rußland. 8* 888 übrigen Theilen des Drogenhandels waren die Schädigungen größer. .
Empfindlich getroffen wurde dann ferner der ö mit EI1I1“ sowie der Handel mit Toiletteseifen und
arfüm.
Um an dieser Stelle einen Zweig des Importhandels vorweg⸗ zunehmen, so ist der Import russischen Petroleums während des Zollkrieges unmöglich gemacht worden. 1 1
Auch die chemische Industrie Berlins wurde in vielen Ausfuhrartikeln geschädigt, besonders das Geschäft in Theerfarben und in Zwischenprodukten für die Theerfarbenindustrie, weil Rußland neue Verbindungen aufsuchte, ferner in pharmazeutischen und photographi⸗ schen Chemikalien. Die Russen versuchten zunächst, den deutschen Markt zu umgehen. Dies gelang ihnen zwar nicht, wirkte aber immerhin schädigend.
Von den Zweigen der Textilindustrie haben besonders unter dem Zollkrieg zu leiden gehabt: die Kammgarnspinnerei, die Zephyr⸗ branche, wo das allerdings schon vorher verminderte Geschäft ganz stockte und selbst vor dem Zollkrieg ertheilte Aufträge zurückgezogen wurden, der zwar nicht umfangreiche, aber regelmäßige Handel in Baumwoll⸗ garn, der vollkommen aufhörte. Auch der Wollhandel wurde in Mitleidenschaft gezogen. Der Handel in Leib⸗ und Bettwäsche wurde gleichfalls geschädigt, wenn derselbe auch nicht so bedeutend Phrese war, wie die sonst angeführten Branchen. Besonders feinere Wäsche hatten die Russen gern in Deutschland gekauft und blieben nun in⸗ folge des Zollkrieges fern. Empfindlicher wiederum wurde getroffen das Geschäft in Posamentierwaaren, das wenigstens in Modellen vor dem Zollkrieg lebhaft gewesen war, dann aber ganz aufhörte; ferner die Seiden⸗ und Sammetindustrie, der Engroshandel in Mannufaktur⸗ waaren, der Teppichhandel. War hierin schon vorher das Geschäft schwierig, so hörte der Verkehr bei der Zollerhöhung ganz auf. Ebenso erging es dem Schirmhandel. Der allerdings schon zuvor nicht bedeutende Export von Strohhüten und Damen⸗Filzhüten hatte auch ein Ende; die Wiener und Pariser Konkurrenz trat dafür ein.
Der Luxuspapier⸗Fabrikation, welche vordem viel nach Rußland exportierte, wurde das Geschäft fast ganz entrissen, ebenso
hatte die Verfertigung karnevalistischer und Kvlillongegenstände zu
leiden. Schwer geschädigt wurden die Fabrikation und der Handel in Rohstoffen und Fabrikaten der Lederindustrie und Pelz⸗ waaren. So wird berichtet, daß speziell für Treibriemen Ruß⸗ land, welches das wichtigste Absatzgebiet dieser Branche gewesen war, während des Zollkrieges verloren sei, und daß es schwerer Arbeit be⸗ dürfen werde, es einigermaßen wiederzugewinnen. Der sonst sehr rege Export von Pelzwaaren nach Rußland hörte fast ganz auf. Spoeziell der Fellhandel in Wildwaare wurde durch den Zollkrieg arg be⸗ nachtheiligt; die russischen Käufer, welche hierfür die wichtigsten Abnehmer gewesen waren, kauften nur das Allernöthigste. Auch der Handel in senhen und halbfertigen Artikeln der Album⸗, Portefeuille⸗ und Lederwaaren⸗Fabrikation wurde durch den Zollkrieg unterbrochen.
Aus der Gruppe Holz und Holzwaaren ist der Export “ der Parquetindustrie und von Kisten schwer geschädigt worden.
Das Gleiche gilt von den musikalischen, sowie physi⸗ kalischen und medizinischen Instrumenten. Besonders wurde das Geschäft in Wagen davon berührt. Da Rußland das wichtigste Absatzgebiet für die Berliner Industrie präzisionsmechanischer Erzeugnisse bildete, so wurde hier durch den Zollkrieg ein empfind⸗ licher Schaden angerichtet, indem theils der Export überhaupt auf⸗ hören mußte, theils der Verdienst geschmälert wurde. Ferner gehörn hierher das Geschäft in Knopfwaaren, Berliner Kurzwaaren md Spielwaaren. Auch die Spedition hat die Wirkung des Zollkrieges spüren müssen, sowohl bei der Beförderung deutscher Güter, als au bei der von Transitgütern. Denn wegen der Belästigung dur Zertifikate und Stempelpflicht der Durchfuhr⸗Bescheinigungen wurden viele Transitsendungen von Deutschland abgelenkt. 1
Gegenüber diesen mehr oder minder arg vom Zollkrieg betroffenen Branchen stehen eine Anzahl solcher, welche von demselben unberührt ge⸗ blieben sind. In einem Falle, dem des Handels mit frischen Fischen lag der Grund hierfür darin, daß ein freier Verkehr zwischen beiden Staaten besteht. Einige Geschäftszweige erlitten keinen Schaden, weil auch vorher keine oder nur geringe Handelsbeziehungen zu Rußland bestanden hatten. So berührte der deutsch⸗russische Zollkrieg die Stearinkerzenfabrikation in keiner Weise, da diese weder für den Einkauf von Rohmaterial, noch für den Verkauf von Fabrikaten mit Rußland in Verbindung steht. In allen übrigen Fällen aber erklärt sich die Unschädlichkeit des Zollkrieges daraus, 88 bereits vorher die Höhe der ein Geschäft unmöglich gemacht hatte; so für den Export von Chamotte, Majolika ꝛc., von Glas, mit Aus⸗ nahme von Spiegel⸗ und farbigem Glas, bei welchem die Ausfuhr erst durch den Zollkrieg abgeschnitten wurde, für den Handel in giftfreien und Mineralfarben, die Fabrikation pon wollenen und halbwollenen Stoffen und Plüschen und die Appretur für die Konfektion für Damenbekleidung, besonders Damenmäntel. Der Verkaufswerth eines Dußend Wollhüte beträgt durchschnittli 20 bis 21 ℳ Der russische Zoll, 1,20 Rbl. Gold per Stück glei 14,40 Rbl. Gold per Dutzend, belastet den Gegenstand mit mehr als 200 % seines Werths. Dabei ist ein Export vollkommen aus⸗ geschlossen. — Ferner blieben vom Zollkrieg unberührt: die Fabri⸗ kation künstlicher Blumen, die Papier⸗ und Pappenfabrikation, mit 2 oben erwähnten Ausnahme, Schuhwaaren, Möbel und Gold⸗ eisten.
Der Import russischer Waaren nach Deutschland ist durch den Zollkrieg vergleichsweise weniger vermindert worden als die entgegen⸗ gesetzte Lese. ung, da er ja schon vorher in seinen wichtigsten Zweigen durch die Versagung der Meistbegünstigung aufs äußerste be⸗ schränkt worden war. Immerhin war zeitweilig 89 die Einfuhr von Roggen und Hafer, regelmäßiger die von Futtergerste und Holz aus Rußkand möglich ⸗ bei letzteren beiden Artikeln war die Zoll⸗ differenz nur ziemlich gfring (bei Gerste auf die Tonne nur 2,50 ℳ), und wir waren überdies auf deren Bezug aus Rußland stark an⸗ fewiesen. Russisches Petroleum fand Üüberhaupt keine zollbegünstigte
onkurrenz auf dem deutschen Markt. — 8
Nachdem der Bericht seiner Genugthuung über das Zustande⸗ kommen des Handelsvertrags mit Rußland Ausdruck gegeben, bemerkt er über die Wirkung des letzteren: Bereits sind zahlreiche Mit⸗ theilungen über einen lebhaften Aufschwung der Ausfuhr nach Ruß⸗ land bekannt geworden. Wir konnten einen solchen u. a. an dem starken Begehr nach Ursprungszeugnissen für den Versand nach Ruß⸗ land bemerken. 8
Das Wirthschaftsjahr 1893. dapbel⸗ In ihrem Jahresbericht für das Jahr 1893 macht die Handels⸗ kammer für das Herzogthum Anhalt zu Dessau folsend⸗ kurze Bemerkung über die allgemeine Lage von Handel und Industrie: Auch das Jahr 1893 ließ noch keinen Aufschwung des gewerblichen Lebens erkennen. Immerhin ergeben die Einzelberichte erfreulicher Weise, daß einzelne Zweige von der allgemeinen Depression nicht be⸗ rührt wurden, vielmehr während des ganzen Jahres flott beschäftigt waren. Wie weit im Jahre 1894 eine Hebung des Geschäfts, na⸗ mentlich infolge des Abschlusses des „russischen Handels⸗ vertrags eingetreten ist oder eintreten wird, äßt sich heute, wo wir noch mitten in der Entwickelung der Verhältnisse stehen, nicht mit voller Sicherheit beurtheilen, wenn auch schon jetzt vereinzelte An⸗ zeichen dafür sprechen. 8
Zur Arbeiterbewegung.
Aus Waldenburg wird der „Köln. schrieben: Der fü
die Bergarbeiterbewegung bisher ziemalich unfruchtbare Boden
des niederschlesischen Kohlenreviers wird gegenwärtig wieder einmal fleißig beackert. Der Bergmann Schröder aus Westfalen hält in öffentlichen Bergarbeiter⸗Versammlungen allenthalben Vor⸗ träge, spricht über die gegenwärtige Lage der deutschen Bergarbeiter und mahnt dringend zum Anschluß an den deutschen Bergarbeiter⸗ Verband. Letzteres zu erreichen, ist Zweck seiner Reise; denn eine anze Anzahl von Knappenvereinen stand eben im Begriff, für Nieder⸗ shlesen einen eigenen Verband zu bilden und sich dem deutschen Verbande nicht anzuschließen. 8
11. in Berlin haben, wie im „Vorwärts“ mitgetheilt wird, die alanteriemaler beschlossen, an die Fabrikanten mit der For⸗ derung heranzutreten, ihnen eine neunstündige Arbeitszeit und für den Durchschnittsarbeiter einen Minimallohn von 45 ₰ für die Stunde zu gewähren. Am 30. Juli sind diese Forderungen an 70 Unter⸗ nehmer versandt, von denen 37 die Forderung anerkannt haben; hierzu sollen die bedeutendsten größeren Malereien gehören.
In Lübeck ist, wie der „Köln. Ztg.“ telegraphiert wird, der Boykott gegen die Lück'sche Bierbrauerei nach 14wöchiger Dauer beendet worden. Beide Theile haben Facge,be
Aus Stuttgart berichtet der „Schw. M.“: Am 29. Juli und 5. August fanden 11“ der Küfergesellen Stuttgarts statt, die sich mit der Lage der Gesellen in Stuttgart beschäftigten und „nach reiflicher Ueberlegung und eingehender Aussprache zu dem einstimmigen Ergebniß ten, daß es dringend ge⸗ boten erscheint, mit einem Gesuch an die Arbeitgeber heran⸗ utreten und zur Verbesserung der wirthschaftlich traurigen
age und Beseitigung tief eingewurzelter Mißstände mit beitragen zu helfen.“ Speziell die auf den Herbst sich erstreckende Ueberzeit und Sonntagsarbeit bedürfe dringend einer Aenderung. Die Arbeitszeit soll von ’“ 6 ½ bis 12 Uhr und Mittags von 1 bis 6 Uhr dauern. Der Mindestlohn bei einem Arbeiter, der Kost und Wohnung im Hause hat, soll nicht unter 6 ℳ betragen, während für Arbeiter ohne freie Station 20 ℳ gewährt werden soll. Diese Forderungen sind in einem Schreiben, das die Lohnkommission der Stuttgarter Rühe gesellen unterm 7. August an die Küfermeister versendet hat, enthalten. Die Kommission sieht einer Rückäußerung der Arbeitgeber bis zum 25. d. M. entgegen. Am heutigen Montag soll eine Ver⸗ sammlung der Küfermeister stattfinden, in welcher über die Forde⸗ rungen der Gesellen berathen werden soll.
In Erlangen ist, wie der „Vorwärts“ berichtet, auf Anregung der dortigen 8 des deutschen Holzarbeiterverbandes fast in allen Schreinerwerkstätten von den Meistern die zehn⸗ stündige Arbeitszeit eingeführt worden.
In Wien wurden gestern, wie „W. T. B.“ meldet, zu Gunsten des allgemeinen Wahlrechts unter freiem Himmel auf der Feuerwerks⸗ wiese des Praters und in Schwechat sehr zahlreich besuchte E““ ngen abgehalten. Die Ordnung wurde nicht gestört. Aus Brünn meldet der „Vorwärts“ nach dem „Volksfreund“:
Der Ausstand in der Hutfabrik von Troller's Söhne hat mit einer Niederlage der Arbeiter geendet.
In Pest wurde, wie „W. T. B.“ meldet, in einer gestern ab⸗ gehaltenen Versammlung von etwa 5000 Tischlergesellen ein⸗ stimmig beschlossen, von heute ab bei denjenigen Meistern, welche die Forderungen der Gehilfen zurückgewiesen haben, die Arbeit einzustellen. — Wie aus einer älteren Mittheilung des „Vorwärts“ hervorgeht, fordern die Tischler kürzere Arbeitszeit und höheren Lohn.
Aus London berichtet die „A. K.: Der parlamentarische Aus⸗ schuß des englischen Gewerkvereins⸗Kongresses hat am Freitag die Einladung zum “ Kongreß der englischen Gewerk⸗ vereine erlassen, der diesmal in Norwich vom 5. bis 8. September tagen und w so stark besucht werden wird, wie noch keiner
seiner Vorgänger. uf dem Programm sind 130 Beschlüsse angekündigt. Der gesetzliche achtstündige Arbeitstag wird natürlich wieder in den Vordergrund treten. b seien als pars pro toto noch die vermehrte Haftpflicht der Arbeit⸗ geber, Ernennung von Arbeitern zu Polizeirichtern und Verstaatlichung der Bergwerke und Eisenbahnen erwähnt. Das Schneidergewerk wird nochmals auf Abschaffung des Schweißersystems dringen. Tom Mann, der Sekretär des Dockarbeitervereins, wird, unterstützt von Keir⸗Hardie im Namen der „unabhängigen Arbeiter“, auf Vertretung der Arbeiter als Klasse im Parlament dringen.
Zum Ausstand der schottischen Bergarbeiter berichtet die Londoner „A. K.“: Die ausständigen schottischen Kohlengruben⸗ arbeiter klagen über den geringen Beistand, den sie von ihren eng⸗ lischen “ erhalten haben. Allmählich ist jetzt große Ebbe in der Kasse eingetreten. Es befinden sich in ihr heute nur noch 12 000 Pfd. Sterl. Die westschottischen Bergleute werden demnach nur 3 sh. 3 d. Ausstandsgelder für die nächsten zwei Wochen erhalten. Die Noth unter den Ausständigen ist schon groß. Wenn mildthätige Leute nicht Suppenküchen eröffnet hätten, würden die Familien der Ausständigen am Hungertuche nagen. — Die Dele⸗ girten der schottischen Ausständigen tagten am Freitag in Glasgow. Nach stürmischen Verhandlungen wurde der Beschluß gefaßt, eine Lohnherabsetzung von 6 d. den Tag anzunehmen, wenn der gleiche Lohn für 18 Monate verbürgt wird. Am nächsten Mittwoch werden
die Ber werksbesitzer darüber berathen, ob sie den Vorschlag an⸗
nehmen sollen. Viele Ausständige sind schon reumüthig an die Arbeit zurückgekehrt.
Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 29. Juli bis inkl. 4. August cr. zur Anmeldung gekommen: 951 Lebendgeborene, 271 Eheschließungen, 25 Todtgeborene, 882 Sterbefälle.
Kunst und Wissenschaft.
Die Ausstellung von hervorragenden Werken der Holzschneidekunst im Ausstellungsfaale des König⸗ lichen Kupferstichkabinets, welche baulicher Verände⸗ rungen wegen zeitweilig geschlossen werden mußte, wird von nag gen⸗ Dienstag, ab wieder für die Besucher der Museen
geöffnet.
Dem Jahresbericht über die Thätigkeit des 1.8e.-n. deutschen Archäologischen Instituts, den Professor Alexander Conze am 14. Juni in der Akademie der Wissenschaften in Berlin erstattet hat, entnehmen wir Folgendes: Die ordentliche Plenarver⸗ sammlung der Zentral⸗Direktion fand im Rechnungsjahre 1893/94 am 12. bis 15. April statt. Zu ordentlichen Mitgliedern des Instituts wurden ernannt die Herren von Christ in München, Dobbert in Berlin, Geffroy in Rom, Harnack in Berlin, Sittl in Würzburg, Tocilescu in Buka⸗ rest; zu korrespondierenden die Herren Collignon 1 in Spalato, Kern in Berlin, Loeper und Mayer in Athen, Meomartini in Benevent, Pernice in Greifswald, Pleyte in Leiden, 27* in Wien, Ziehen in Frankfurt a. M. Das Institut hat den Verlust der folgenden itglierder zu beklagen: D. Bertolini in Portogruaro 25. Januar 1894), L. Carattoli in Perugia † 21. Februar 1894), Colucci Pascha in Rom († 13. Februar 1894),
Dümichen in Straßburg i. E. († 7. Ee 1894), P. Forch⸗ hammer in Kiel († 8. Januar 1894), P. A. Guglielmotti in Rom † 1. November 1893), A. Kießling in Straßburg i. E. († 2. Mai 1893), C. Leemans in Leiden († 14. Oktober 1893), H. G. Lolling in Athen († 22. Februar 1894), T. Luciani in Venedig († 9. März 1894), W. Lübke in Karlsruhe 8— 5. April 1893), G. Pietrogrande
in Este († 28. Mai 1893), S. Politi in Syrakus († 4. De⸗ zember 1893), J. Schmidt in Königsberg († 6. Januar 1894), R. Schöll in München (10. Juni 1893), J. Undstet in Christiania (Eg 3. Dezember 1893), W. 5. Waddington in Paris († 13. Januar 1894). Persönlich dem Institute besonders nahe verbunden war unter
1 Herr Lolling, an dessen von der Königlich griechischen Regierung ausgerichtetem Begräbnisse die athenischen Ver⸗ treter, Mitglieder und Freunde des Instituts sich in feierlicher Weise T Das Auswärtige Amt verlieh auf Vorschlag der Zentral⸗Direktion die Reisestipendien für 1893/94 den Herren Bulle, Helm, Pallat, Hubert Schmidt, und das für christliche Archäologie Herrn Stein⸗ mann. Die Herausgabe der in Berlin erscheinenden periodischen Schrif⸗ ten besorgte der General⸗Sekretar auch in diesem Jahre mit Unter⸗ stützung des Herrn Koepp. Von den in freier Folge erscheinenden „Antiken Denkmälern“ wurde das erste Heft des zweiten Bandes aus⸗ gegeben; für das zweite Heft, dessen Erscheinen im laufenden Jahre zu erwarten ist, sind zwei Tafeln in Farbendruck fertig gestellt, die eine mit dem Faesimile eines der Porträtbilder aus dem ayum in den Königlichen Museen in Berlin, die andere mit Vasenscherben aus Daphni in Egypten im Britischen Museum, welche Herr Dümmler herausgeben wird. Vom „Jahrbuche“ mit dem „Anzeiger“ erschien der 3. Band. — In Rom wurde dem Institut am 23. April v. J. die Ehre des Allerhöchsten Besuches Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin zu theil, und die Sekretare durften sich an der Führun Ihrer Majestäten durch die Alterthümer der Stadt mehrfach .e⸗ Von den „Mittheilungen“ der römischen Abtheilung des Instituts wurde der achte Band vollendet. Herr Mau hielt seinen Kursus in venen mit 15 Theilnehmern vom 3. bis 1. Sualt. DPer ührer durch Pompeji“ von Herrn Mau ist er⸗ schienen (Neapel, Furchheim's Verlag). Die regelmäßigen Sitzungen und Vorträge, mit der Festsitzung zum Palilientage 1893 geschlossen, nahmen im Winter⸗Semester 1893/94 ihren Fortgang, die Vorträge unter Betheiligung außer den deutschen namentlich auch österreichischer junger Gelehrten. In den Sitzungen hielten von italienischen Mit⸗ gliedern die Herren Lanciani, Gamurrini, Mariani, Pigorini und Patroni Vorträge. Zum Gegenstand von Uebungen wurde ständig die Beschreibung von Skulpturen der Vatikanischen Sammlungen gemacht. Exkursionen wurden im Frühling v. J. nach Ostia und Palestrina unternommen. Im Herbst fand zum dritten Mal ein Instituts⸗Kursus in Italien für deutsche Gymnasiallehrer statt. Unter den 18 Theilnehmern waren vertreten Preußen mit 6, Bayern mit 2, Sachsen mit 2, Württemberg mit 2, Hessen mit 1, Oldenburg mit 1, Sachsen⸗Altenburg mit 1, Reuß à. L. mit 1 Bremen mit 1, “ mit 1 Herrn. Den Anfang der Führung machte der Erste Sekretar in Florenz am 4. bis 6. Oktober, dann am 7. Oktober in Orvieto. Am Abend dieses Tages erreichte man Rom, wo beide Herren Sekretare sich in der Zeit vom 8. Oktober bis 1. November in die Führung theilten. Sodann wurde zwei Tage unter Führung des Herrn Mau Pompeji besichtigt, am 4. November fand mit dem Ersten Sekretar der Besuch von Paestum statt und zum 1e bis zum 8. November wurden drei Tage dem National⸗Museum in Neapel gewidmet. Die Bibliothek wurde eifrig benutzt und vermehrte sich um 505 Nummern Die Zahl der vom Institut in Rom aufgenommenen photographischen Negative, meist nach antiken Skulpturen, beläuft sich jetzt auf 400. Eine Reihe in Rom beim Institut nutzlos lagernder Anticaglien und Bücher wurden an die archäologische Sammlung der Universität Straßburg abgegeben. — Das Sekretariat in Athen gab den 18. Ban einer Mittheilungen heraus und stellte das erste Heft des 19. Bandes zu Ende März d. J. fertig. Für die Publikation des thebanischen Kabirenheiligthums besuchte Herr Dörpfeld noch einmal die Ausgrabungsstelle, um Aufnahmen zu revidieren; man ist der Herausgabe damit wieder einen Schritt näher gerückt. Zwei besonders wichtige Untersuchungen wurden vom athenischen Sekretariat im verflossenen Jahre fortgeführt: unter Leitung des Ersten Sekretars die Ausgrabung zwischen Akropolis, Areopag und Pnyx, unter Leitung des Zweiten Sekretars die Auf⸗ nahme und Bearbeitung der bei den griechischen Ausgrabungen auf der Akropolis gefundenen Vasenscherben. Die letztere Arbeit hat in den Händen der Herren Graef und Hartwig gelegen, welche sich in dankenswerther Weise für diese mühsame Aufgabe gewinnen ließen. Herr Hartwig hat nunmehr auch das ganze Material an rothfigurigen Scherben erledigt, Herr Graef die Beh her ang der einzelnen Gattungen in historischer Folge fortgesetzt. Bei beiden Untersuchungen, der Ausgrabung und der Vasenbearbeitung, will das Institut, so wenig seine Mittel der Größe der Aufgaben gewachsen erscheinen, in der Hoffnung auf Erlangung außerordent⸗ licher böö energische Weiterführung anstreben, um für die Topographie von It⸗Athen und mit der Vasenkunde für die griechische Kunstgeschichte den theils schon erreichten, theils weiter zu erwartenden Gewinn möglichst voll zu sichern. Die Wintersitzungen des in Athen haben, beginnend vom 7. Dezember, alle vierzehn Tage Mittwoch Nachmiktags stattgefunden, abwechselnd mit den zur selben Stunde alle vierzehn Tage angesetzten Sitzungen der französischen Schule, in welchen letzteren der Erste Sekretar Herr Dörpfeld einmal einen Vortrag über das Theater auf Delos gehalten hat, wie einen anderen über das älteste Athen in einer Sitzung der amerikanischen Schule. In den eigenen r.e. trugen außer den Sekretaren auch andere venhsche Besucher vor: von griechischer Seite die Herren Philadelpheus, Skias und Sworonos, ferner der Professor der amerikanischen Schule Herr Waldstein, und der schwedische Archäologe en Wide. Die Vorträge vor den Denkmälern wurden in gewohnter Weise von beiden Herren Sekretaren unter zahl⸗ reicher Betbeligung auch nichtdeutscher Gelehrten gehalten. Zu An⸗ ang und zu Ende des Rechnungsjahres fanden auch dieses Mal zu Lehrzwecken unter Betheiligung beider Sekretare statt: die
eise nach dem Peloponnes und der auf einem Dampfer unter⸗ nommene Besuch von Insel⸗ und anderen Küstenorten. Die Be⸗ theiligung war jedesmal so stark, daß zumal bei der Peloponnesreise die Grenze des überhaupt wohl Ausführbaren erreicht schien. Ueber zwei Monate im Sommer war der Erste Sekretar zur Vornahme der von Frau Schliemann veranstalteten Ausgrabungen auf Hissarlik beurlaubt, besuchte von dort aus die Ruinen von Neandria und Samothrake, sowie Konstantinopel. Zum Studium der französischen Ausgrabungen war er in Delphi und auf Wunsch des Königlich gri ischen Ephoros Herrn Stais in Thorikos. Der Zweite Sekretar esuchte zu Studienzwecken die Ausgrabungen von Troja und das Museum in Konstantinopel, betheiligte sich auch an der Fahrt nach Delphi und dem Ausfluge nach Thorikos. Die Vertretung beider Sekretare während ihrer Urlaubsreisen im Herbst nach Deutschland übernahm das Mitglied des Instituts Herr Brückner aus Berlin. Eine Erweiterung der Reisethätigkeit des Instituts wurde im ver⸗ gangenen Jahre zunächst durch die Liberalität der General⸗Direktion der anatolischen Eisenbahngesellschaft herbeigeführt, indem die General⸗ Direktion dem Institut die Mittel gewährte, einen Stipendiaten in der Person des Herrn A. Körte nach Konstantinopel und Rlemasien zu ent⸗ enden. Die athenische Bibliothek des Instituts vermehrte sich um 180
ummern, darunter die meist im Austausch erworbenen Zeitschriften und eine ansehnliche Zahl von Geschenken. Die Sammlung photographischer Aufnahmen des Instituts in Athen hat sich bedeutend vermehrt, sowohl aus Athen selbst, als aus den auf Reisen berührten Orten. Das Nachtragsverzeichniß ist noch nicht abgeschlossen, wird aber nunmehr abgeschlossen werden, wie auch die Aufftellung eines vollständigen Exem⸗ lars von Kopien der römischen und athenischen Negative in Berlin n diesem Jahre zu erwarten steht. — Dem General⸗Sekretar hat sich im vergangenen Jahre dreimal besonderer Anlaß zu Reisen ge⸗ boten. Zuerst besuchte er im Auftrage Seiner Excellenz des Herrn Reichs⸗ kanzlers und der Zentraldirektion die Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Wien, um an den dort in Aussicht genommenen erneuten Besprechungen über die Verwerthung ercha ggsscher Kennt⸗ nisse und Anschauungen im Gymnasialunterricht theil zu nehmen. Ueber die gefs ten Beschlüsse hat das Institut Seiner Excellenz dem Herrn Reichskanzler berichtet und Seine Excellenz haben die Geneigtheit gehabt, davon allen deutschen Regierungen Mittheilung zu machen. Die Regierungen haben sich darauf in einem für die Wiener Beschlüsse zünstigen Sinne geäußert, wovon weitere Frucht zu erhoffen ist. Speziell um der auf Antrag des Herrn Lechner⸗Nürn⸗ berg auf der Wiener Versammlung betonten Nothwendigkeit Rech⸗ nung zu tragen, daß immer bessere Anschauungsmittel aus dem Be⸗ reiche antiker Kunst für die
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Zus nde Aussicht. Der General⸗Sekretar bereiste sodann im Herbst v. J. die Strecke des römischen Limes in Südwestdeutschland und hat den Herren Leitern der Reichsuntersuchung des Limes für die gewährte Aufnahme und Führung auf das wärmste 89 danken. Endlich führten Reisen im Anfange dieses Jahres nach Rom und nach Heidelberg, wo unter huldvoller Betheiligung Seiner Königlichen Hoheit des Bechithan von Baden die Herren von Domaszewski, von Duhn, von
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Oe elhäuser und Zangemeister im Einvernehmen mit Herrn Mommsen zur Erreichung des längst bestehenden Wunsches nach einer zuverläs gen ausgabe der Reliefdarstellungen an der Mark Aurels⸗Säule in om die Initiative eechen hatten — einem Plane, mit welchem sich bereits auch der Erste Sekretar des Instituts in Rom beschäftigt hatte. Eine an die Zentraldirektion des Instituts gerichtete Auf forderung des Heidelberger Comités hat sodann im ver angenen Winter dahin geführt, daß ein erweitertes Comité neue S Gunsten des Planes unternommen hat, dessen Ausführung in die Hand der Herren Petersen und von Domaszewski gelegt und vom Institut in jeder ihm möglichen Weise gefördert werden soll. Nachdem soe en Seine Majestät der Kaiser die führung erforderlichen Mittel Allergnädigst zu bewilligen geruht haben, dürfte nichts mehr im Wege stehen, von einem ebenfalls hoch⸗ geneigten Entgegenkommen der Königlich italienischen Regierung und des Municipio von Rom Gebrauch zu machen und das Werk in An⸗ griff zu nehmen. 8 — Bei Kanalbauten in Kastel wurde, wie das „Mainzer Tageblatt“ berichtet, in der Tiefe von 1,60 m der obere Theil eines römischen Grabmals aufgefunden. Aus grauem Sandstei gearbeitet, stellt er ein Haus mit ziemlich steilem Dach dar, dessen Ziegel⸗ decke bis ins einzelne der Wirklichkeit nachgebildet ist. Das Haus, oder genauer die Halle (denn das Innere ist als ein flach gewölbter Raum ist 67 cm lang, 67 cm breit und 75 cm hoch. An den vier scken der Halle stehen kräftige Pfeiler, die etwas über die Wand⸗ flächen vorspringen und mit ziemlich schwerfälligem Pflanzenornament dekoriert sind. Auf der einen Giebelseite befindet sich eine thorarti Oeffnung; das dreieckige Feld darüber füllt eine menschliche Ha figur, aus deren Hüften kräftiges Rankenwerk hervorwächst, das sie mit seitwärts gehaltenen Händen zu stützen scheint. Die drei übrigen Außenwände sind ebenfalls mit Reliefbildern verziert. Auf einer Seite ist Herkules zu sehen, wie er, die Keule schwin⸗ gend, den dreiköpfigen Höllenhund an einer Kette nachzieht. Das gegenüberliegende Bild zeigt Kastor und Pollux mit ihren Rossen. Auf der dritten Seite ist Juno dargestellt, Scepter und Schale haltend, den Pfau zu ihren Füßen. Zwei Vorhänge, deren Faltenwurf einfach b und geschmackvoll geordnet ist, schließen das Bild nach den Seiten hin ab. Das zweite Giebelfeld füllt ein dreitheiliges Akanthusblatt. Die Figuren sind gut aufgefaßt und so ausgeführt, daß man die Reliefs zu den besseren, in jenen Gegenden gefundenen römischen Bildwerken zählen darf. Spuren von rother Bemalung sind an dem Giebelfelde über dem Thore bemerkbar. Dieses Thor war durch eine Platte verschließbar, wie die Vorrichtungen zu beiden Seiten der Oeffung beweisen. Einen Boden hat die Halle nicht; sie ruhte jedenfalls auf einem steinernen Untersatz, der in einer Höhlung die Graburne barg, und bildete so gleichsam einen Vorraum, der au zum Niederlegen von Opfern gedient haben mag. Die Grabschrift befand sich wahrscheinlich auf dem erwähnten Untersatz. 1 — Einer Meldung der „Pol. Korr.“ zufolge hat die russische Regierung bei der Pforte um die Erlaubniß angesucht, daß die Geographische Gesellschaft in St. Petersburg Tiefseemessun genim Marmarameere vornehmen lassen dürfe, um zu konstatieren welche Veränderungen der Meeresboden durch das jüngste Erdbeben er⸗ litten habe. Die Pforte hat die Bewilligung ertheilt, und es soll das russische Kriegsschiff, welches die Expedition führen wird, von einem türkischen Schiff begleitet werden. Zu diesen ““ Arbeiten wird ein fürkischer Marineoffizier delegirt werden.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Italien.
Durch Verfügung des Königlich italienischen Ministeriums des Innern sind die in der See⸗Sanitätsverordnung vom 11. November 1892 enthaltenen Bestimmungen, betreffend ärztliche Untersuchung und 5 die Desinfektion gewisser Gegenstände für Herkünfte der sranzuf den Mittelmeerhäfen, in Kraft gesetzt worden. (Vergl. auch „R.⸗Anz.“ Nr. 270 vom 14. November 1892.)
Außerdem ist, um der Einschleppung der Cholera auf dem Land⸗ wege vorzubeugen, in Ventimiglia ein regelmäßiger Ue achungs⸗ dienst eingerichtet worden.
Ses Spanien.
Die im „R.⸗Anz.“ Nr. 153 vom 2. v. M. enthaltene Meldung über Einführung einer dreitägigen Beobachtungsquarantäne für Her⸗ künfte aus Lüttich und Umgegend beruht auf einem Irrthum. damals angeordnete und bisher nicht aufgehobene Maßnahme betrifft die Herkünfte von Antwerpen 1— h
ortugal.
Durch Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern sind die aus St. Petersburg und Narva kommenden Waaren für choleraverseucht erklärt worden.
Niederlande.
Durch S des Königlich niederländischen Ministers des Innern vom 9. d. M. sind die russischen Häfen an der Ostsee für choleraverseucht erklärt worden.
Cholerg.
Danzig, 11. August. Nach 1““ es Staa kommissars wurde, wie die „Danz. Allg. Ztg.“ mittheilt, bei dem Arbeiter der Schichau'schen Werft, Hermann Lieder aus Althof, bei Otto Görtz vom Holm, zur Familie des an Cholera ver⸗ storbenen Kindes Görtz gehörig, bei dem Dienstmädchen der Familie Görtz, Marie Idau, und bei dem am 10. August Morgens in der Baracke Plehnendorf verstorbenen Ar⸗ beiter Goergens aus Westl. Neufähr Cholera bakteriologisch fest⸗ gestellt. — Wie die Polizeidirektion bekannt giebt, 1 auch in dem Krankheitsfalle des Schlossers Lieder eine andere Veranlassung der Erkrankung als Genuß oder Gebrauch infizierten Wassers nicht nachzuweisen.
Wien, 11. August. In der galizischen Gemeinde Zaleszezyki ist, wie „W. T. B.“ meldet, in den letzten 24 Stunden keine Er⸗ krankung und kein Todesfall an Cholera vorgekommen.
St. Petersurg, 11. August. An der Cholera erkrankten bezw. starben vom 5. bis zum 11. August in St. Petersburg 156 bezw. 101, vom 29. Juli bis zum 4. August in Warschau 139 bezw. 75, in den Gou vernements Petrikau 125 bezw. 72, Sied letz 40 bezw. 19, Nowgorod 49 bezw. 19, St. Peters⸗ burg 321 bezw. 104, Witebsk 28 bezw. 11, Minsk 11 bezw. 4, Kostroma 1 bezw. 1, Esthland 17 bezw. 10 Kowno 23 bezw. 11, Lomscha 37 bezw. 9. Vom 22. bis 28. Juli erkrankten bezw. starben in den Gouvernements Radom 575 bezw. 288, Kurland 10 bezw. 7, Twer 3 bezw. 0, Livland 10 bezw. 4, Grodno 174 bezw. 81; vom 22. Juli bis 4. August erkrankten bezw. starben in den Gouvernements Tula 4 bezw. 1, vom 15. Juli bis 4. August in Mohilew 4 bezw. 2.
Amsterdam, 12. August.
1 ier sind gestern eine cholera⸗ verdächtige Erkrankung und zwei Cholera⸗Todesfälle vorgekommen, in Maastricht zwei Erkrankungen. In Halfweg bei Harlem ist eine ganze Familie, bestehend aus den Eheleuten und vier Kindern, an Cholera gestorben. In Harlem und in Zaandam ist je eine Erkrankung vorgekommen. — Heute wurden aus den ver⸗ schiedenen kleineren Orten des Choleragebiets vier neue Er⸗ krankungen und sieben Todesfälle gemeldet. — Die Erkrankung an Bord des Rheindampfers „Siegfried“ in Rotterdam hat sin. 88 „W. T. B.*˙ meldet, nicht als cholera asiatica heraus⸗ gestellt.
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