1894 / 230 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 29 Sep 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Das „Armee⸗Verordnungs⸗Blatt“ veröffentlicht folgende Allerhöchste Kabinetsordre, betreffend Anl egung von Trauer für den verstorbenen General der Infanterie zur Disposition von Cranach: Ich bestimme hierdurch: Um das Andenken seines verdienst⸗ vollen dahingeschiedenen Thefs, des Generals der Infanterie zur Dis⸗ osition von Cranach zu ehren, hat das Offizierkorps des Infanterie⸗ egiments Herzog Ferdinand von Braunschweig (8. Westfälisches) Nr. 57 drei Tage lang Trauer, Flor um den linken Unterarm, anzu⸗ legen. K- hat eine Abordnung dieses Regiments, bestehend aus dem Regiments⸗Kommandeur, einem Stabsoffizier, einem Haupt⸗ mann und einem Lieutenant, an der A theilzunehmen. Ich beauftrage Sie, Vorstehendes der Armee bekannt zu machen. An Bord einer Yacht „Hohenzollern“, den 16. September 1894. Wilhelm. An den Kriegs⸗Minister.

Weiter wird im „Armee⸗Verordnungs⸗Blatt“ folgende

Allerhöchste Kabinetsordre, betreffend anderweitige Be⸗ nennung des Ostpreußischen Dragoner⸗Regiments Nr. 10, veröffentlicht: Ich bestimme, daß das Ostpreußische Dragoner⸗Regiment Nr. 10 zu Ehren erhabenen Chefs, des Königs Albert von Sachsen Majestät, fortan die ““ „Dragoner⸗Regiment König Albert von Sachsen (Ostpreußisches) Nr. 10“ zu führen und auf den Epau⸗ lettes und Achselstücken beziehungsweise Schulterklappen der Offiziere und Mannschaften den bezüglichen Namenszug zu tragen hat. Das Kriegs⸗Ministerium hat Mir Proben zu letzterem vorzulegen. An das General⸗Kommando des I. Armee⸗Korps habe Ich entsprechend verfügt. E“ i. Pr., den 5. September 1894. Wilhelm. Bronsart von Schellendorff. An das Kriegs⸗Ministerium

88 ö“

Nach einer Mittheilung des Kaiserlichen Statistischen Amts sind auf Grund nachträglicher Berichtigung von den über den Saatenstand in Deutschland veröffentlichten Noten die des Winter⸗Roggens für Mitte August (statt 2,1) in 2,6 und die der Kartoffeln für Mitte September (statt 3,1) in 2,9 zu ändern. Die folgende Zusammenstellung der dies⸗ jährigen Saatenstandsnoten für die genannten beiden Früchte enthält die berichtigten Zahlen:

Nr. 1 bedeutet sehr gut, 2 gut, 3 mittel, 4 gering, 5 sehr gering; die Zwischenstufen sind durch Dezimalen bezeichnet.

Sept. auguft Juli Juni Mai April

Winter⸗Roggen. 8 V 8 V 2,6 V 2,4 2,3 22 28

Kartoffeln. 55 I5 2,5 2,4 8 Als vorläufige Ertragszahl für Winter⸗Roggen bleibt jedoch die bereits gemeldete: 13,9 Doppelzentner (100 kg) ktar

Der Gro herzoglich hessische Gesandte am hiesigen Aller⸗ höchsten Hofe, Wirkliche Geheime Rath Dr. Neidhardt ist vom Urlaub nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der Archiv⸗Hilfsarbeiter Dr. phil. Hermann von Petersdorff vom Geheimen Staats⸗Archiv in Berlin ist an das Staats⸗Archiv in Marburg, Regierungsbezirk Cassel setzt worden. 8

Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent trifft heute aus dem Algäu wieder in München ein und wird sich am 2. Oktober zu längerem Aufenthalt nach Reichenhall begeben.

Morgen, am Namensfeste Seiner Majestät des Königs finden feierliche Gottesdienste in sämmtlichen katholischen und protestantischen Pfarrkirchen Münchens statt, die offiziellen im Dom zu U. Lieben Frau und in der protestantischen Matthäus⸗ kirche, der für die Garnison in der St. Michaels⸗Hofkirche, das Hochamt für die Königlichen Prinzessinnen und die Damen des Hofes in der Theatiner⸗Hofkirche; auch in der alt⸗ katholischen und griechischen Kirche, sowie in der Synagoge werden Festgottesdienste abgehalten und ebenso in der Schloß⸗

kapelle zu Fürstenried. Baden.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog ist vorgestern von den Manövern in Elsaß⸗Lothringen wieder in Schloß Mainau eingetroffen.

Mecklenburg⸗Schwerin.

Ihre Kaiserliche Hoheit die Großfürstin Wladimir ist zum Besuch Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs

gestern in Jagdschloß Gelbensande eingetroffen.

Oesterreich⸗Ungarn.

Der Budgetausschuß der österreichischen Dele⸗

genehmigte gestern den Etat des gemeinsamen bersten Rechnungshofes und begann die Berathung des Extraordinariums für das Heer. Der Referent Popowski führte aus, das gesammte Mehrerforderniß sei im Hinblick auf die große Steigerung der Heeresmacht und der Militärausgaben der europäischen Großmächte vollkommen Die Entwickelung der österreichisch⸗ungarischen Wehrmacht geschehe nicht sprungweise, sondern systematisch, wo⸗ durch die Finanzlage berücksichtigt werde. Gleichzeitig sei Vorsorge getroffen, daß die Schlagfertigkeit des Heeres jeder⸗ zeit gewahrt werde; es sei sicher, daß Oesterreich⸗Ungarn nicht den Anstoß zur Erhöhung der Militärlasten gegeben habe, sondern nur bemüht sei, gegenüber den Einrichtungen fremder Staaten nicht zurückzubleiben. Der Delegirte Pacak fragte an, ob die Heeresausrüstung fertig sei und welche Summe noch nöthig sei, wenn dies nicht der Fall sein sollte. Darauf er⸗ widerte der Reichs⸗Kriegs⸗Minister von Krieghammer, er halte an dem der Delegation vorliegenden Ausweis über den Weiterausbau der Wehrmacht fest. Darüber hinaus bestünden zur Fen keine weiteren Projekte. Eine bindende Zusage für alle grwsn sei unmöglich. Denn welche Mittel in der Zukunft für die Armee werden müßten, darüber entschieden über den Willen der Heeresleitung hinaus nach andere Momente, deren Berechtigung anerkannt werden müsse. Er vermöge bezüglich des Voranschlags nach 1897 2 1 Fen keine einschraäͤnkende Verpflichtung zu übernehmen.

Militärverwaltung sei bemüht, soweit es möglich sei, eine Verein⸗ fachung der Administration herbeizuführen. Auf eine Anfrage über die Verwendung rauchlosen Pulvers erklärte der Minister: für die Armee sei die Pulverfrage abgeschlossen, in dieser Richtung

seien keine Versuche mehr nothwendig, bei der Marine hin⸗

ge en, die für ihre schweren Geschütze anderer Pulvergattungen edürfe, seien die erforderlichen Prüfungen noch im Gange. Bei dem Titel „Fortifikatorische Maßnahmen“ fragte der Delegirte Pacak an, wozu die Summe von 1 975 000 Fl. verlangt werde; der Oberst Brunner ertheilte hierüber detaillierte vertrauliche Aufklärungen. Durch die Annahme der übrigen Titel ist nunmehr das Extraordinarium des Heeresbudgets nach der Regierungsvorlage unverändert an⸗ enommen. Zum Generalberichterstatter über den gemeinsamen oranschlag wurde der Delegirte Dr. Ruß gewählt.

Der von dem Delegirten Dr. Falk Fessn Bericht des Auswärtigen Ausschusses der ungarischen, Dele⸗ gation schildert die auswärtige Lage auf Grund der Thron⸗ rede und der Mittheilungen des Grafen Kälnoky als be⸗ friedigender denn je, da freundschaftliche Beziehungen 8 Frankreich und Rußland konstatiert werden könnten.

ie Folge davon sei, daß nun auch die Ereignisse im Orient in Europa keine Nervosität hervorriefen. Der Bericht erwähnt die S Lage in Serbien und betont, Oesterreich⸗-Ungarns Wohlwollen für Bulgarien sei an kein System und keine Person geknüpft. Die Besorgniß, als wolle Bulgarien seine Unabhängigkeit fremdem Inzerchse aufopfern, rechtfertige sich nicht. Was Rumänien anlange, so konstatiert der Bericht die sehr freundschaftlichen Beziehungen, meint aber, sie würden nur dann von Dauer sein, wenn auch die Bevölkerung einander freundlich ge⸗ sinnt sei. Nun aber werde seit Jahren auf rumänischem Boden gegen Ungarn in einer Weise aggitiert, die tiefe Verstimmung erzeugen müsse. Dagegen könne Ungarn mit Recht fordern, daß die rumänische Regierung alle aus dem internationalen Recht fließenden Verpflichtungen erfülle, um zu zeigen, daß sie die Bewegung mißbillige und weder materiell noch moralisch unterstützte. Da sich der Minister auch in dieser Frage eines Sinnes mit der Delega⸗ tion gezeigt und versprochen habe, die ungarischen Interessen wahren zu wollen, möge, wie vorher, seine Politik gebilligt und ihm die Anerkennung und das Vertrauen seitens der Delegation votiert werden. In der gestrigen Sitzung des Ausschusses machte der Minister des Auswärtigen Graf Kälnoky die Mittheilung, er habe infolge der Interpella⸗ tionen der Delegirten Berzevicz) und Graf Apponyi in Bukarest Erkundigungen eingezogen und die Versicherung erhalten, daß die von den Interpellanten bemängelten Schulbücher einer durchgreifenden Revision unterzogen worden seien, resp. es noch würden. Wenn übrigens auch siebenbürgische Komitate als rumänisches Gebiet dargestellt würden, so Se. dies keine aggressive Tendenz, auch Beßarabien und Macedonien seien früher als rumänisches Gebiet dargestellt worden. Die ru⸗ mänische Regierung habe auch versprochen, daß in den Schulen keine inkorrekten Karten im Gebrauch bleiben sollten. Der Präsident Koloman von Tisza sprach dem Grafen Käl⸗ noky und dem Referenten Dr. Falk den Dank des Aus⸗ schusses aus.

Rußland.

Der Geheime Medizinal⸗Rath, Professor Dr. Leyden aus Berlin, der nach Warschau zu dem General⸗Gouverneur Gurko be⸗ rufen worden war, wurde, wie „W. T. B.“ aus St. Peters⸗ burg erfährt, von dem Kaiser zur Konsultation nach Spala eingeladen. Nach den in St. Petersburg eingegangenen Nachrichten hält Professor Leyden den Zustand des Kaisers nicht für besorgnißerregend. .““

Der deutsche Botschafter in Rom von Bülow empfing dem „W. T. B.“ zufolge während seines Aufenthalts am -veh eine Einladung des Königs zu einem Besuch in Monza.

Her „Osservatore Romano“ veröffentlicht den wesentlichen Inhalt des am 13. August erlassenen und vom Papst am 4. d. M. genehmigten Dekrets der Congregatio de propa- ganda fide wegen Errichtung einer apostolischen Präfektur in der Erythräischen Kolonie.

8

Die Königin⸗Regentin empfing gestern in San Sebastian den von der französischen Regierung entsandten General Larchey.

Schweiz.

In Bern ist eine Konferenz zur Berathung über eine Veröffentlichung der Staatsverträge zusammen⸗ getreten. Dem Berner „Bund“ zufolge sind dabei folgende Staaten durch ihre Gesandten in Bern vertreten: Deutschland: Dr. Busch, Oesterreich⸗Ungarn: von Seiler, Belgien: Jooris (außerdem durch die Herren Capelle, Präsident des inter⸗ nationalen Tarifbureaus in Brüssel, und Decamps, Mit⸗ glied des Instituts für internationales Recht in Brüssel), Congo hat gleiche Vertretung wie Belgien, Vereinigte Staaten von Amerika: Broadhead, Frankreich: Barreére, Italien: Peiroleri, Niederlande: evers, Portugal: Nogueira Soares, Rußland: Hamburger (außerdem Raffo⸗ loritsch, Agent des russischen Finanz⸗Ministeriums in Paris). Ferner haben abgeordnet Griechenland: Diodati⸗ Eynard, General⸗Konsul in Fenf Liberia: Goedelt, General⸗ Konsul für Deutschland, Rumänien: Ghika, Gesandter in Wien, Tunesien: Desprez, französischer Legations⸗Rath in Bern. Die Schweiz ist vertreten durch die Bundesräthe Lachenal und Ruffy und Bundesrichter Soldan.

Rumänien.

Der König hat an den Minister⸗Präsidenten ein Schreiben gerichtet, worin er seine lebhafte Befriedigung über die Liebesbeweise der Bevölkerung anläßlich der Wieder⸗ herstellung und Rückkehr der Königin ausdrückt und den MFinister⸗Prüsidenten beauftragt, der Bevölkerung für di Be⸗ weise der Anhänglichkeit an die Dynastie zu danken.

1 Bulgarien.

In dem Ministerium sind, wie „W. T. B.“ berichtet, folgende Veränderungen eingetreten: Natschewitsch giebt das Arbeits⸗Ministerium an Velitkow, der bereits ernannt

ist, Radoslawow das Justiz⸗Portefeuille an Peschew ab.

Amerika. Die in Nr. 221 d. Bl. bereits erwähnte Bots ch aft des Präsi⸗

denten Porfirio Diaz an den am 16. d. M. eröffneten mexi⸗

kanischen Kongreß berichtet über den guten Fortgang der Arbeiten der Kommission zur Festsetzung der Grenze mit den Vereinigten Staaten. Bezüglich der Grenzregulierung mit

Guatemala hoffl der Präsident auf eilegung der Streitig⸗ keiten. Die Republik habe die neuen Regierungen von Salvador, . ee. Nicaragua anerkannt; mit China seien die Verhandlungen zum Abschlusse eines Handels⸗ vertrags wieder aufgenommen worden. Der Präsident be⸗ spricht sodann die guten Bezie hungen zwischen den Einzelstaaten und der Zentralregierung, hebt die Zu⸗ nahme der öffentlichen Schulen hervor, und betont die fortschreitende Entwickelung der Minenindustrie sowie die vor⸗ züglichen Aussichten für den Ackerbau, namentlich für die Kaffeekultur. Seit April d. J. seien Landverkäufe an Private in der Ausdehnung von etwa 1 Million Acres erfolgt. Ein Zeichen für den Aufschwung der Industrie sei es, daß die Ein nahmen aus dem ““ gegen das Vorjahr einen Ueber⸗ schuß von 49 127 Dolkars aufwiesen. ie Telegraphen⸗ linien hätten einen Zuwachs um 375 Meilen, die Eisenbahnen eine Vermehrung um 111 km erfahren, wobei der Präsident namentlich der Vollendung der Tehuantepec⸗Eisenbahn Er⸗ wähnung thut. Auf die Finanzlage der Republik übergehend, versichert die Botschaft, daß die Regierung mit größte Sorgfalt bestrebt sei, Verwaltungsresormen und Ersparunger durchzuführen. Die Wichtigkeit der Erhaltung des Staats kredits habe es erforderlich gemacht, jenen Theil der öffent⸗ lichen Schulden, für den in den Gesetzen von 1883 und 1885 nichts vorgesehen sei, sowie auch die inzwischen kontrahierte schwebende Schuld zu ordnen, die beständig das Gleichgewicht wischen Einnahmen und Ausgaben bedrohe. Das vor seeniese Gesetz werde die Liquidation der Schulden er⸗ leichtern und eine solidere Grundlage für eine künftig finanzielle Kalkulation schaffen, sodaß zu hoffen sei, es werde hierdurch eine generelle Verbeserun der finanziellen Situation erreicht werden. Um die Wir ungen der Schwankungen des Silberpreises zu mindern, habe die Regierung beabsichtigt, eine internationale Münzkonferenz nach Mexiko zu berufen, die Ausführung dieses Planes jedoch wegen Ausbruchs des Fenesichäapan schen Krieges verschoben Zum Schlusse betont der Präsident, daß der Friede und die öffentliche Ordnung, deren sich die Republik seit Jahren erfreue, Mexiko in reichem Maße sich habe fortentwickeln lassen. Das einzige Hinderniß, mit dem die Regierung bei ihren Bestrebungen zu kämpfen habe, sei die Entwerthung der Währung. Die Exekutive und die Regierung seien jedoch entschlossen, ihre Anstrengungen zur Lösung dieser ökonomischen Schwierigkeiten mit Energie und Vorsicht unentwegt fortzu⸗ setzen.

Nach einer Meldung aus Panama feuerte bei einer mili⸗ tärischen Revue in San José der Anarchist Araya 5 Schüsse

auf den Präsidenten von Costarica Iglesias ab, der jedoch

unverletzt blieb. Araya und 24 Mitschuldige wurden verhaftet.

Eine Depesche der „New⸗York World“ meldet, daß in Rio de Janeiro Unruhen ausgebrochen seien. Dagegen erwähnt eine auf der brasilianischen Gesandtschaft in Paris eingetroffene Depesche aus Rio de Janeiro von

gestern kein Wort von jenen angeblichen Unruhen. 1 Asien.

Wie dem „Reuter'schen Bureau“ aus YPokohama ge⸗

meldet wird, ist die japanische Bevölkerung für die fereiepung

des Krieges und, trotz aller Hindernisse, für einen entschlossenen Angriff auf Peking. Die Kriegskosten werden unverzüglich durch das Parlament genehmigt werden. Fortwährend gehen Verstärkungen ab, ihre Bestimmung ist unbekannt.

Der „Times“ wird aus Yokohama gemeldet, die japanische Armee in Korea ruͤcke eilig nach Norden vor, wo keinerlei Widerstand erwartet werde.

Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus Shanghai von heute wäre dort das Gerücht verbreitet, daß dem Vizekönig Li⸗Hung⸗Chang die Erlaubniß ertheilt sei,

an den Kriegsoperationen theilzunehmen, und daß er

sein Hauptquartier in Lutai aufschlagen werde. Die Chinesen hätten Korea geräumt und sich 30 Meilen westlich des Yaluflusses konzentriert. Zahlreiche chinesische Truppen seien desertiert, da es ihnen an Waffen und Munition

mangele.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Arrestbefehle sind, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, VI. Zivilsenats, vom 25. Juni/12. Juli 1894, keine vollstreck⸗ baren Titel im Sinne des § 2 des Reichs⸗Anfechtungsgesetzes vom 21. Juli 1879 („Zur Anfechtung ist jeder Gläubiger, welcher einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und k vr Forderung fällig ist, befugt. .“); es kann daher die auf das Anfechtungsgesetz ges⸗ ützte Klage wegen Fraudulosität der Zessionen von Forderungen, welche sodann durch Arrest für den Arrestgläubiger gepfändet sind, keinen Erfolg haben. Dagegen kann der Arrestgläubiger eine Klage wegen Simulation der angefochtenen Zessionen gegen den Zessionar richten. „Die Klage (wegen Simulation) bezweckt den Schutz des von der Klägerin auf Grund des § 810 Zivil⸗Prozeßordnung beanspruchten Pfand⸗ rechts an den für sie im Wege des Arrestes gepfändeten Forderungen des Ehemanns, dessen Entstehung von der Beklagten als Zessionarin des Ehemanns bestritten wird. Die dingliche Natur des Arrestpfand⸗ rechts und die Berechtigung des Pfandgläubigers zum Gebrauch der im materiellen Recht begründeten Klagerechte zum Schutz des Pfand⸗ rechts auch Dritten gegenüber kann nicht bezweifelt werden. Prozessualisch erscheint die Klage als Feststellungsklage nach § 231 ivil⸗Prozeß⸗ ordnung, bei welcher das rerlhh⸗ Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung durch das beanspruchte Pfand⸗ recht gegeben ist, wenn ohne solche g die efahr einer Vereitelung des Rechts der Klägerin eintreten müßte. Dies ist nun aber stets der Fall, wenn die gepfändete Sache eine Forderung ist und das Pfandrecht mit einer älteren angeblich simulirten 2 Zession der Forderung in Kollision kommt. Der Zessionar ist nicht wie der Erwerber einer später im Besitz des Schuldners Püexhe körperlichen Sache genöthigt, auf Freigabe der Sache zu lagen, um darüber verfügen zu können; seine Zession berechtigt ihn, der späteren Pfändung ungeachtet, zur Einziehung der Forderung, und der Schuld⸗ ner derselben der Drittschuldner darf ohne Gefahr der noch⸗ maligen Zahlung an ihn zahlen, ist dazu unter Umständen sogar verpflichtet. Man kann daher dem Arrestpfandgläubiger in diesem Falle nicht zu⸗ muthen, die Klage des Zessionars abzuwarten, um dieser ge enüber sein Pfandrecht durch den Einwand der Simulation der 82 ion 5 vertheidigen. Da er nicht durch den Besitz des Pfandes gesichert ist, so muß es ihm freistehen, der Gefahr einer der Forderung durch den Zessionar mit einer Klage auf Feststellung der Simulation zu begegnen. Wird die Simulation festgestellt, so bildet das Urtheil dem Drittschuldner gegenüber den Nachweis, daß die Zession, wenn⸗ gleich sie früheren Datums ist, die Entstehung des Pfandrechts nicht ehindert hat; der Drittschuldner kann dann nicht mehr mit Sicher⸗ heit an den Zessionar zahlen.“ (100/94.)

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

„Nach § 52 Abs. 1 der Landgemeindeordnung vom 3. Juli 1891 müssen mindestens zwei Drittel der Mitglieder der Ge⸗ meindevertretung Ange sessene sein. Diese Vorschrift hat, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, I. Senats, vom 13. April 1894, lediglich den Charakter einer die Wahlen regelnden Bestimmung, dagegen sind die nach den Wahlen ein⸗ tretenden Veränderungen im Verhältniß zwischen angesessenen und nichtangesessenen Gemeindeverordneten zu Gunsten der letzteren zulässig. Es kann daher einem als Ange⸗ essenen gewählten Gemeindeverordneten, welcher die Eigen⸗ chaft eines Angesessenen verliert, deshalb seine Stelle in der Gemeindevertretung nicht entzogen werden, selbst wenn demzufolge das vorgeschriebene Verhältniß zwischen angesessenen und nichtan esessenen Gemeindevertretern zu ½) zu Gunsten der letzteren verschoben wird. N. war als Angesessener der Gemeinde L. (Kreis Nieder⸗Barnim) zum Gemeindeverordneten gewählt worden. Nach der Wahl verkaufte er sein Grundstück, behielt aber seinen Wohnsitz in der Gemeinde bei. Die Gemeindevertretung erklärte demzufolge sein Amt als Gemeindeverordneten für erloschen, zumal infolge des von N. bewirkten Verkaufs seines Grundstücks in der Gemeinde⸗ vertretung sich weniger als zwei Drittel angesessene Mitglieder befanden. Auf die Klage des K. mit dem Antrage, die Fortdauer seines Amts auszusprechen, erstritt er sowohl beim Kreisausschuß als auch beim Bezirksausschuß obsiegliche Urtheile, und die Revision der Gemeinde L. wurde vom Ober⸗Verwaltungsgericht verworfen, indem es begründend ausführte: . Es ist anzunehmen, daß die Vorschrift im ersten

Absatz des § 52 der L.⸗G.⸗O. lediglich den Charakter einer die

Wahlen regelnden Bestimmung hat und der Gesetzgeber eine solche für ausreichend erachtet hat, um dem Grundbesitz das ihm gebührende Gewicht zu sichern, weil er von der Annahme ausging, daß die nach der Wahl eintretenden Veränderungen nicht erheblich genug sein würden, um dasselbe zu gefährden. Müssen aber Veränderungen in dem Verhältniß zwischen angesessenen und nicht angesessenen Mitgliedern der Gemeindevertretung selbst dann für zulässig erachtet werden, wenn die Zahl der letzteren über den im angeführten § 52 festgesetzten Bruchtheil erhöht wird, so fehlt es an jedem Grunde, dem Gemeinde⸗ verordneten, welcher die Eigenschaft eines Angesessenen verliert, seine Stelle in der Gemeindevertretung zu entziehen; denn der Gemeinde⸗ verordnete ist nicht, wie der auf Grund des § 48 Nr. 1 der L.⸗G.⸗O.

ewählte Abgeordnete zur Gemeindepersammlung, Vertreter einer lasse, sondern Vertreter aller Gemeindeangehörigen; es kann also auch nur dann gesagt werden, daß er zu denen, welche er vertreten soll, nicht mehr gehört, wenn er das Gemeinderecht verliert.“ (I. 412.)

§8 Abs. 1 und 2 der Städteordnung für die östlichen Provinzen vom 30. Mai 1853 und § 8 Abs. 1 und 2 der Städteordnung für die Provinz Westfalen vom 19. März 1856 bestimmen:

„Wer in einer Stadt seit einem Jahre mehr als einer der rei höchstbesteuerten Einwohner sowohl an direkten Staats⸗ als an Gemeindeabgaben entrichtet, ist, auch ohne im Stadt⸗

irk zu wohnen oder sich daselbst aufzuhalten, berechtigt, an den Wahlen theil zu nehmen, falls bei ihm die übrigen Erfordernisse azu vorhanden sind.

Dasselbe Recht haben juristische Personen, wenn sie in einem olchen Maße in der Gemeinde besteuert sind.“

In Bezug auf diese Bestimmung hat das Ober⸗Verwaltungs⸗

gericht, II. Senat, durch Urtheil vom 16. Juni 1894 ausgesprochen: Sowohl Forensen als auch juristische Personen (Aktiengesellschaften ꝛc.) ind nur dann gemeindewahlberechtigt, wenn sie neben den Gemeinde⸗ abgaben in der vorgeschriebenen Höhe direkte Staatsabgaben in der vorgeschriebenen Höhe in der Stadt selbst zahlen, dagegen ist die ratierliche Anrechnung der in einer andern Ge⸗ meinde gezahlten Staatssteuern, 1829 sie auf ein der betreffen⸗ den Gemeinde angehöriges teuerobjekt entfällt, unzu⸗ lässig. Ebensowenig ist ein Susammenrechnen der von einem Forensen oder einer juristischen Person in der Stadt entrichteten Gemeinde⸗ und Staatsabgaben für die Bestimmung ihrer Wahlberechtigung gestattet. Die H. zer Bergbau⸗Aktiengesellschaft zu Dortmund beantragte Eintragung in die Wählerliste für die Stadtverordnetenwahlen in der Stadt R. mit der Behauptung, daß sie seit länger als einem Jahre nicht nur an Gemeindesteuern in R. mehr als einer der drei höchstbesteuerten Einwohner entrichte, sondern auch von dem Gesammtbetrage der Staats⸗Einkommensteuer, zu welcher sie in Dortmund veranlagt sei, auf R. nach dem Verhältniß der Aus⸗ gaben bezw. des Reingewinns ihres dortigen Betriebes mehr ent⸗ falle, als der Betrag, welchen einer der drei höchstbesteuerten Einwohner an direkten Staatssteuern zu zahlen habe. Die Aktien⸗ gesellschaft war thatsächlich in R. nur mit 210 Staats⸗, Grund⸗ und Gebäudesteuer veranlagt, die allerdings zusammengerechnet mit den in R. gezahlten Gemeindeabgaben mehr betrugen, als einer der drei höchstbesteuerten Einwohner an Staats⸗ und Gemeindeabgaben zusammen entrichtete. Durch Bescheid der Stadtverordnetenversamm⸗ lung zurückgewiesen, erhob die Aktiengesellschaft Klage bei dem Be⸗ zirksausschuß zu Münster, welcher die Klage abwies. Auf die Revision der Klägerin bestätigte das Ober⸗Verwaltun Fe die Vorent⸗ scheidung, ind em es begründend ausführte: „Es fehlt an einem genügenden Anhalt für die Annahme, daß der Gesetzgeber den Schwer⸗ punkt auf das Vorhandensein des Steuerobjekts, nicht auf die Ent⸗ richtung der Steuer in der Gemeinde gelegt habe. Im Gegentheil muß angenommen werden, daß der Gesetzgeber ein festes, äußerlich erkennbares Merkmal, ohne welches häufig Unzuträglichkeiten entstehen wärden, für die Wahlberechtigung verlangt hat; ein solches würde aber in vielen Fällen nicht vorhanden sein, wenn die Ansicht der Klägerin richtig wäre. Es ist daher der Wortlaut des Gesetzes ent⸗ scheidend. —. Nach Abs. 1 des §s setzt die Wahlberechtignng eines Forensen voraus, daß derselbe in der Stadt mehr an direkten Staatsabgaben als einer der drei höchstbesteuerten Einwohner an direkten Staats⸗ abgaben und außerdem an Gemeindeabgaben mehr als einer der drei höchstbesteuerten Einwohner an Gemeindeabgaben entrichtet, ein Zu⸗ sammenrechnen beider Arten von Abgaben ist hiernach nicht gestattet. Wenn dann im 2. Absatz für die Wahlberechtigung der juristischen Personen eine Besteuerung in gleichem Maße verlangt wird, so muß dies eine solche Besteuerung sein, daß sowohl die Staats⸗ als auch die Gemeindeabgaben jede dieser beiden Arten für si die angegebene Höhe erreichen.“ (II 885.)

Kunst und Wissenschaft.

Nach langem Leiden ist wie die „Nat.⸗Ztg. der bekannte Genremaler Friedrich Kraus im 69. Lebensjahre ge⸗ storben. Am 27. Mai 1826 auf dem Gut Krottingen bei Memel geboren, besuchte er das Gymnasium in Königsberg und begann auf der dortigen Akapemie seine künstlerischen Studien. Er setzte diese in Berlin fort, hielt sich 1852 bis 1854 in Paris und ein Jahr in Rom auf und siedelte dann nach Berlin über. In seinen Bildern schilderte er mit Vorliebe das Leben der höheren Stände unserer Tage, namentlich das der Damenwelt. Seine Gemälde sind fein und liebens⸗ würdig empfunden, und, dem Gegenstand entsprechend, bald breiter und kräftiger, bald mit eleganter Sauberheit durchgeführt. „Seine be⸗ kanntesten Werke sind „Die neue Robe“, „Stadtneuigkeiten“, „Besuch des Bürgermeisters Six bei Rembrandt’, „Tizian und seine Ge⸗ liebte“, „Die Morgenvisite“, „Die Wochenstube“, „Im Boudoix“, „Die erwachende Baechantin“ zc. Kraus hat auch zahlreiche, vornehm aufgefaßte Porträts gemalt und war seit 1885 Mitglied der Akademie der Künste. 1

Ueber die Herstellung des vazr8 shn. ttels des Pofessors Behring, wird der „Nat 2Zt. Folgendes berichtet:

rngt man in Bouillon, welche noch gewisse Zusätze enthält, eine kleige Menge der Diphtherte⸗Bazillen, so vermehren sich diese beim Stehen der Mischung in gelinder Wärme rasch und indem sie ge⸗ wisse Bestandtheile der „Näͤhrbouillon“ für Wachsthum und Ver⸗

mehrung verbrauchen, scheiden sie dafür andere Stoffe aus. Unter letzteren ist ein in Wasser löslicher Stoff enthalten, welcher ein intensives Gift ist. Dieses Gift ist die ÜUrsache der Erkrankung, insoweit nicht noch andere Komplikationen in Betracht kommen. Versetzt man die „Diphtheriekultur“ nach mehrwöchigem Wachsthum mit etwas Karbolsäure, so werden die Bazillen getödtet, aber das in der Flüssigkeit gelöste Gift bleibt un⸗ verändert. Wenn man von dieser Giftlösung Thieren (Pferden ꝛc.) eine richtig bemessene Dosis unter die Haut einspritzt, so tritt eine leichte Erkrankung ein, welche jedoch rasch wieder vorüber geht. Das so behandelte Thier verträgt nun wieder eine stärkere Dosis, und man fährt mit dieser Behandlung unter Benutzung immer größerer Giftmengen einige Monate lang fort. Die Thiere werden auf diese Weise immer mehr und mehr „immuni⸗ siert“, das heißt, sie vertragen bei richtiger Behandlung ohne nennenswerthe hädigugf immer stärkere Giftmengen und zwar das Vielfache derjenigen Menge, welche ein nicht behandeltes Thier sofort tödten würde. Es ist das große Verdienst Behring's, erkannt zu haben, daß in dem Blut der so behandelten Thiere ein Stoff (Antitoxin) enthalten ist, welcher die Giftes aufzuheben vermag. Entzieht man diesen Thieren einen Theil von ihrem Blut und läßt dieses Blut ruhig stehen, so setzen sich die rothen Blut⸗ körperchen zu Boden, und es kann die daruber stehende Flüssigkeit, das Serum, abgegossen werden. Letzteres ist eine leicht gelblich gefärbte

lüssigkeit, welche das Gegengift, das Diphtherie⸗Antitoxin, ent⸗ hält. Dieses so erhaltene Serum ist „Behring's Diphtherie⸗ Heilmittel'. Seine Wirkung wird in der Weise an kleineren Thieren geprüft, daß man die für das Versuchsthier tödtliche Gift⸗ dosis in gewissem Verhältniß mit dem Serum vermischt und diese Mischung dem Versuchsthier injiziert. Erkrankt das Thier oder stirbt es gar, so war die Menge oder Qualität des Serums nicht genügend; wird es aber durch die Mischung nicht affiziert, so ist die Wirkung des Gegengiftes genügend oder stärker als die des Giftes gewesen. Man kann, indem man den Versuch variiert, das Verhältniß sinden, in welchem Gift und Gegengift sich gerade das Gleichgewicht halten, und auf diese Weise den Wirkungswerth des Serums ermitteln. Die von Dr. H. Kossel mit Behring's Diphtherie⸗Heilmittel in der Charité im Auftrage des Geheimen Medizinal⸗Raths Professors Dr. Koch ausge⸗ führten klinischen Versuche ergaben eine Sterblichkeit von 23 %, was gegenüber der bisherigen Sterblichkeit ein gewaltiger Fortschritt ist. Es zeigte sich dabei, daß die Wirkung des Serums namentlich dann eine sichere ist, wenn es in den ersten Tagen der Erkrankung zur Anwen⸗ dung gelangt, denn von den in den ersten drei Tagen der Erkrankung behandelten Kindern starben nur 3 %. Diese Erscheinung bedarf kaum einer Erklärung; denn es ist selbstverständlich, daß, je mehr im weiteren Verlauf der Erkrankung der Organismus von einer Gift⸗ wirkung und anderen Schädigungen schon ergriffen ist, der Erfolg eines Heilmittels um so unsicherer wird.

An dem gestrigen Festbankett des Naturforschertages in Wien im Etablissement Ronacher nahmen ungefähr 500 Personen theil; in Vertretung des Unterrichts⸗Ministers war der Sektions⸗Che Graf Latour erschienen. Den ersten brachte dem „W. T. B. zufolge Professor Exner auf Ihre Majestäten den Kaiser Franz Josef und den Kaiser Wilhelm aus; die Musikkapelle stimmte das Kaiserlied und die Deutsche Hymne an, die stehend angehört wurden. Gestern Vormittag fand die dritte öffentliche und zugleich Schlußsitzung des Kongresses statt. Vorträge hielten Kölliker über ‚Feinere Anatomie“ und Oskar Baumann über das Thema: „Durch das Massailand zur Nilquelle“. In der Schlußrede gedachte der Geschäftsführer des Kongresses, Professor Sigmund Exner, der gnädigen Förderung des Kongresses seitens des Monarchen und erbat die Ermächtigung, dem Kaiser Franz Joseph den Dank des Kongresses aussprechen zu dürfen. (Lebhafter allgemeiner Beifall.) Der Redner sprach sodann unter lebhaftem Beifall den Mitgliedern des Kaiserlichen Hauses, der Regierung, dem Reichsrath, dem Gemeinderath und dem Bürger⸗ meister Dank aus für die kräftige Förderung der Bestrebungen des Kongresses. Prsfessär Wislicenus dankte in warmen Worten den Wiener Genossen und Freunden, welche das schöne Gelingen des Kon⸗ gresses ermöglichten; besonderer Dank gebühre dem rührigen Damen⸗

usschusse. Der Redner bat schließlich die Anwesenden, dem Ersten Präsidenten und den Geschäftsführern durch Erheben von den ihren Dank auszudrücken; die Versammlung kam diesem Ersuchen unter lebhaftem Beifall nach. Hierauf schloß der Vorsitzende Professor Kerner die Versammlung.

Aus den Verhandlungen der Sektionen theilen wir nach dem Be⸗ richt der „Nat.⸗Ztg.“ noch das Folgende mit: In der Sektion für Anthropologie und Ethnologie erörterte Dr. G. Buschau (Stettin) den Rasseneinfluß auf die Entstehung und die Häufig⸗ keit pathologischer Veränderungen im allgemeinen, sowie der Nerven⸗ und Geisteskrankheiten im besonderen. Das Beispiel der Thierwelt zeigt, daß einzelne Thierklassen gegen Krankheiten in ganz verschiedenem Grade empfänglich sind. (Immunität des Huhns gegen Starrkrampf, des Hundes und der Katze gegen Milzbrand, der weißen Ratte gegen Diphtherie u. s. w.) Auch an der Spezies Mensch hat man schon längst derartige Beobachtungen zu verzeichnen, ohne daß diese im Zusammenhange verwerthet wurden. Redner hat deshalb das vorhandene Material gesichtet und so eine Grundlage der Rassen⸗Pathologie geschaffen. An der weißen Rasse fällt zu⸗ nächst die verschiedene Empfindlichkeit der einzelnen Unterrassen gegen Tropenkrankheiten (Malaria, rieEer.⸗ auf. Am unempfänglichsten dafür sind die Skandinavier, dann folgen der Reihe nach Deutsche und Holländer, Angelsachsen, Franzosen, Italiener und Spanier. Für die einzelnen Rassen sind als charakteristisch noch folgende pathologischen Eigenthümlichkeiten anzuführen: die kel⸗ tische Rasse zeichnet sich, wie die Geschichte lehrt, durch eine verhältnißmäßig große Sterilität aus und ist weiter im Vergleich zu den Germano⸗Skandinaviern sehr empfänglich für Ab⸗ dominal⸗Typhus, Hysterie, erbliche Ataxie, Scharlach, Diphtherie, Trachom. Was das vfdcheh e Verhalten der einzelnen Rassen betrifft, so neigen die nordischen Völker mehr zur Melancholie, die südländischen und auch die kelto⸗irischen mehr zur Manie (Tobsucht, Auf⸗ regung). Mit diesem grundverschiedenen Gemüthsleben mag auch zusammenhängen, deß die germanisch⸗ skandinavischen Völker einen ungleich höheren rozentsatz an Selbstmorden stellen, als die Kelten und Ibero⸗Ligurier. Im Aaschlaß hieran sind noch die Beobachtungen Laschi's zu erwähnen, welche si auf die hauptsächliche Verbreitung des Genies unter den deutschen Stämmen besiehen. An der semitischen Gruppe der weißen Rasse ist ein ungemein hohes Kontingent an Nerven⸗ und Geisteskrankheiten zu beobachten, was sich nur zum geringsten Theil durch soziale Umstände erklären läßt, zum größten Theil aber durch die Rasse bedingt wird. Merkwürdig ist das häufige Vorkommen der Zucker⸗ krankheit bei den Juden. Hingegen besitzt der Jude eine relativ geringe Anlage für Tabes, Lyphug⸗ Cholera und Malaria, Croup und ungenschwindsucht. Die schwarze Rasse kennzeichnet eine ungemein hohe Empfänglichkeit für Lungenkrankheiten, Darmleiden und Pocken und eine annähernd absolute Immunätet egen Malaria, Gelbfieber, Krebs, Wundinfektion u. s. w. Auch sonst bietet diese Rasse in pathologischer Hinsicht mancherlei Eigenthümliches (Haut⸗ krankheiten zc.). Bei den im Urzustande lebenden 6 sind wahre Geisteskrankheiten eine äußerst seltene Erscheinung. pezifisch für die Neger ist die afrikanische Lethargie (Schlafsucht). Endlich besitzt auch die gelbe und rothe Rasse, ebenso wie die weiße und schwarze eine ganze Reihe interessanter und charakteristischer Einzelheiten in ihrem Harbologischen Verhalten.

In der Sektion für Balneologie und Klimatotherapie berichtete Fofhsr E. Ludwig (Wien) über die Mineralguellen

osniens und der Als Redner vor sieben bis acht Jahren von der Landesregierung die Mission der Quellenunter⸗ suchung übernahm, war die chemische Natur der Mineralwässer, deren Zahl für ein Land von 5 400 000 ha eine große ist, noch gänzlich unbekannt. Jetzt sind 35 Quellen genau und 20 bis 30 orientierend untersucht, und unter den 11 Thermen 8ng besonders hervor die Glaubersalz, Kochsalz und kohlensauren Kalk enthaltende Schwefel⸗

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„Zauder öte“ mit folgender Besetzung zur

therme von Ilidze bei Sarajevo, welche eine Temperatur von 57,5 Grad besitzt und nach einer systematisch vorgenommenen Bohrung in der Sekunde eine Wassermenge von 11 1 liefert. Vom Volke schon lange für Leberleiden im Gebrauch, schmückt die nur mit dem Karlsbader Sprudel vergleichbare Quelle jetzt ein hygienisch vorzüglich komfortables Kuretablissement, welches den früheren höchst urwüchsigen Kurgebrauch verdrängt hat und allen Forde⸗ rungen der Neuzeit gerecht wird. Weniger ist noch für den ebenfalls stark besuchten Glaubersalzsäuerling Kiseljak bei Sara⸗ jevo gethan, ebenso wie für die durch glückliche Bohrungen erschürften Soolwässer von Tuzla, welche bis zu 27 —% Kochsalz und daneben Glaubersalz enthalten. Als Perle des bos⸗ nischen Quellenschatzes sind die Vitriolwässer von Srebrenica zu bezeichnen, welches elende Zigeunerdorf durch die Versendung der Guberquelle schon ein vortheilhaftes Aussehen gewann. Schon zur Römerzeit war dort der Sitz des curator metallorum und alte Halden sind Spuren eines intensiv betriebenen Bergbaues. Die zahl⸗ reichen und mächtigen Quellen entströmen einem 14 km langen und 9 km breiten vulkanischen Gebirgsstock und lagern ganz unglaubliche Massen von Ocker ab.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs h“ Maßregeln. 11“ 8 Brasilien. 1—

Durch Verordnung des brasilianischen Ministeriums des Inner vom 3. d. M. ist das unter dem 2. Mai d. J. gegen

erlassene Einwanderungsverbot aufgehoben worden. ( ergl. N vom 4. Juni d. J.) 11“

Cholera. 8

Breslau, 28. September. Gestern wurde nach der „Schles. Ztg.“ in Oppeln je eine Erkrankung an Cholera aus Laurahütte und ehe und ein choleraverdächtiger Fall aus Josephsdorf gemeldet.

Wien, 27. September. Nach den heute hier eingetroffenen Nachrichten über den Stand der Cholera kamen in der Bukowina 3 Erkrankungen und 2 Todesfälle, in Galizien 64 Erkrankungen und 48 Todesfälle vor.

Verdingungen im Auslande.

Niederlande. 9. Oktober. Im Timmerhuis zu Rotterdam: Lieferung von 40 000 Stück Holzpflaster aus amerikanischem Fichtenholz. Be⸗ dingungen käuflich für 10 Cents bei den Buchhändlern Wed. P. van

Waesberge u. Zoon zu Rotterdam.

Verkehrs⸗Anstalten.

Bremen, 28. September. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Postdampfer „Kronprinz Friedrich Wilhelm“ hat am 27. September Nachmittags die Reise von Palermo nach New⸗Pork fortgesetzt. Der Postdampfer „Weser“ ist am 27. September Vor⸗ mittags in Baltimore angekommen. Der Z“ „Sachsen⸗ hat am 27. September Vormittags ibraltar passiert. Der Reichs⸗Postdampfer „Hohenstaufen“ ist am 26. September Nachts in Genua angekommen. Der Dampfer „Federation“ ist am 27. September Vormittags in Antwerpen angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Karlsruhe“ ist am 27. September Vormittags in Antwerpen angekommen.

29. September. (W. T. B.) Der Reichs⸗Postdampfer „Prinz⸗Regent Luitpold“ ist am 28. September Vormittags in Colombo angekommen. Der Fnem. „Mark“ hat am 27. September die Reise von Southampton nach Corunna fortgesetzt. Der Reichs⸗Postdampfer „Hohenstaufen“ hat 2nb 19. E e nr Morgens die Reise von Genua nach Southampton

ortgesetzt.

„27. September. (W. T. B.) Hamburg⸗Ameri⸗ kan etfahrt⸗Aktiengesellschaft. Der Schnelldampfer „Fürst Bismarck“ ist gestern Abend in New⸗Yortk eingetroffen. Der Postdampfer „Prus sia⸗ ist heute Morgen in New⸗York angekommen. 1

Hamburg, 28. September. (W. T. B.) Der Hamburger Schnelldampfer „Fürst Bismarck“, der gestern Abend um 7 Uhr wohlbehalten vor New⸗York eintraf, hat die Reise von Southampton in 6 Tagen 9 Stunden 20 Minuten zurückgelegt, was für die den englischen Linien zu Grunde liegende Distanz Queenstown⸗ einer Fahrtdauer von 5 Tagen 19 Stunden 20 Minuten entspricht.

London, 28. September. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Grantully Castle“ ist heute auf der Ausreise in Kapstadt v Der Union⸗Dampfer „Scot“ ist gestern auf der mreise in Plym outh eingetroffen.

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause gelangt morgen Mozart'’s ufführung: Königin der Nacht: Frau Herzog, Tamino: Herr Sommer, Sarastro: Herr Mödlinger, Papageno: 2 Krolop, Papagena: Fräulein Dietrich, Mo⸗ nostatos: Herr Lieban, drei Damen: Damen Kopka, Krainz, Lammert; Drei Genien: Damen Weitz, Deppe, Pohl; Herren Fränkel, hilipp; Frl. Hiedler singt erstmalig die Pamina. Kapellmeister eingartner dirigiert. Anfang 7 ½ Uhr. Am Montag wird Lortzing „Zar und Zimmermann“ gegeben (Peter der Große: Herr Be aria: Frau Herzog, van Bett: Herr Krolop). Musikdirektor Wegener dirigiert. 8 Im Königlichen Schauspielhause 8 Moliére's Lustspiele „Die Schule der Frauen“ (Herren Vollmer, Matkowsky, Fräulein von ' und „Der Geizige“ (Herr Grube, Frau Schramm, Herr Blencke, Frau Conrad, r der Bearbeitung von Ludwig Fulda gegeben. m M geht Calderon’'s „Leben ein Traum, mit Herrn Matkowsky als Sigis⸗ mund in Scene. Die erste Aufführung von Haul Lindau' Lustspiel „Ungerathene Kinder“ findet am ttwoch stat Oberstädt: Herr Blencke, Emil: 1s Hertzer, Major von euhofen: Herr Klein, Florentine von Neuhofen: Fräulein Lindner von Klattau: Herr Keßler, Traugott Schroot: Herr Vollmer.) Al Agathe debütiert Fräulein Sauer, als Willi gastiert Herr Walln auf Engagement. 8 Das Deutsche Theater bringt die erste Aufführung vo Shakespeare’s „Kaufmann von Venedig“ am nächsten Donnerstag un wiederholt dieselbe Vorstellung am Sonnabend. Gerhart Hauptmann! Schauspiel „Die Weber“ wird morgen Abend, am Dienstag, Mittwoch und Freitag (als 5. rrg eepen. gegeben Am Montag kommen „Esther“ und „Der Tartüff“ zur Aufführung; morgen Nachmittag geht zu halben Preisen „Nora“ mit Frau Sorma in der Tittelrolle in Scene. 8 Der Wochenspielplan des Berliner Theaters kündigt für den nächsten Sonnabend die erste Aufführung von Franz Grillparzer's Märchendrama „Der Traum ein Leben“ an. Am Montag findet eine Wiederholung von Hermann Sudermann’'s Schauspiel „Di eimath“ mit Nus zutze als Magda statt; Dienstag „Ein rfolg“ mit Nuscha Butze, Rosa Retty und Franz önfeld; Mitt woch „Der Pfarrer von Kirchfeld“ mit Otto Somme torff, Teresina Geßner, Ferdinand Suske; Donnerstag „Ein Erfolg“ mit Nuscha Butze, Rosa Retty und Franz Schönfeld; Freitag (als fünfte Abonne⸗ mentsvorstellung) „Unter vier Augen“ und „Niobe“ mit Marie Reisen⸗ hofer und Jenny 2 3 Im Lessing⸗Theater kommt am nächsten Sonnabend Her⸗ mann Sudermann’s Komödie „Die Schmetterlingsschlacht“ zur ersten

Aufführung. Der Vorverkauf für die ersten drei Vorstellungen des