Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Baden ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Abend um 9 Uhr auf der Wildparkstation eingetroffen und von Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin empfangen worden. Nach kurzem Aufenthalt begaben Sich Ihre Maicstat mit dem hohen Gast zu Wagen nach dem Neuen Palais. Später trafen Seine Königliche Hoheit der Großherzog von I1“ sowie Ihre Durchlauchten die Fürsten Reuß älterer un üngerer Linie, der Fürst von Waldeck und Pyrmont, der Furst zu Schaumburg⸗Lippe und der Fürst zur Lippe ein und nahmen im Stadtschloß zu Potsdam Wohnung.
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Dem Bundesrath ist ein Entwurf von Ausführungs⸗ bestimmungen zu dem Gesetz, betreffend den Schutz der ricf tauben und den Brieftaubenverkehr im Kriege, zur Beschluß⸗ fassung vorgelegt werden; ferner sind ihm folgende Theile des Reichshaushalts⸗Etats für 1895/96 zugegangen: Etat über den allgemeinen Pensionsfonds, Etat über den Reichs⸗Invaliden⸗ fonds, Etat der Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung, Etat für die Verwaltung der Eisenbahnen. “
Der Kaiserliche Botschafter in Konstantinopel Fürst von Radolin hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub ange⸗ treten. Während seiner Abwesenheit fungiert der Erste Sekretär, Legations⸗Rath von Tschirschky und Bögen⸗ dorff als Geschäftsträger.
Der Kaiserliche Scsendte in Bukurest Graf von Leyden hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit fungiert der Legations⸗Sekretär von Schlözer als Geschäftsträger.
Der Königlich großbritannische Botschafter am hiesigen Allerhöchsten Hofe Sir Edward Malet hat Berlin verlassen und sich auf einige Zeit nach England begeben. Während seiner Abwesenheit fungiert der Erste Botschafts⸗Sekretär Gosselin als Geschäftsträger.
Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlich würt⸗ tembergischer Regierungs⸗Direktor von Schicker und Senator der freien und Hansestadt Lübeck Dr. Klügmann sind in Berlin angekommen.
Der Baugewerk⸗Schullehrer von Pannewitz zu Nien⸗ 88 ist an die Königliche Baugewerkschule in Görlitz versetzt worden “
Laut telegraphischer Mittheilung an das Ober⸗Kommando der Marine ch S. M. S. „Stosch“, Kommandant Kapitän zur See von Schuckmann, am 16. d. M. in Dartmouth eingetroffen und geht am 18. d. M. weiter nach Funchal (Madeira). S. M. S. „Arcona“, Kommandant Kapitän zur See Hofmeier, beabsichtigt heute von Shanghai nach Chefoo in See zu gehen. 8 v
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. Kiel, 16. Oktober. Der Kreuzer „Cormoran 4, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Brinkmann, ist heute Mittag nach Japan, und der Kreuzer „Condor“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Broeker, nach Ost⸗Afrika in See gegangen. Beide Schiffe waren vorher durch den Admiral Knorr inspiziert worden.
Wernigerode, 16. Oktober. Auf dem hiesigen Schlosse fand heute die Feier der Vermählung Ihrer Durchlaucht der Prinzessin Emma zu Stolberg⸗Wernigerode mit Seiner Durchlaucht dem Erbprinzen Karl zu Solms⸗ Hohensolms⸗Lich statt.
Sigmaringen, 16. Oktober. Ihre Majestät die Königin von Sachsen ist heute mit Ihrer Königlichen Hoheit der Fürsti er von Hohenzollern und 8 glichen Hoheit der Gräfin von Flandern zum Besuch hier eingetroffen. “ 8 Sachsen. b.
Ihre Kaiserliche und Königliche Hohe Philipp von Württemberg, sowie Seine König oheit der Herzog Robert von
ie Herzogin . siche d Württemberg sind gestern von Dresden nach Gmunden abgereist. ““ Baden. 1 Der bereits in Nr. 243 d. Bl. kurz erwähnte Toast, Seine öü Hoheit der Großherzog bei dem Festmahl
der Stadt Mannheim am 15. d. M. auf Seine Majestät den Kaiser ausbrachte, hatte nach der „Karlsr. Ztg.“ un⸗ gefähr folgenden Wortlaut: 1
Meine Herren! Wir erheben uns, um unseres Kaisers Wil⸗ helm II. zu gedenken, des Trägers der Krone, die uns der große Kaiser Wilhelm I. wieder erneuert und gekräftigt hat. Dieser große Kaiser, meine Herren, hat es, wie wir alle wissen, wohl verstanden, Dantbarkeit zu erwerben; der heutige Tag ist unter anderem ein sprechendes Zeugniß dafür. Diesem A der Dankbarkeit anwohnen zu können, schätze ich mich glücklich; es erlebt zu haben, danke ich Gott. Es ist heute in der verschiedensten Weise der Vergangenheit gedacht worden, und es hieße nuür er⸗ neuern, was in Ihrer Aller Gedächtniß, ja unter Vielen von uns als Erlebniß noch vor Augen schwebt, wenn ich darauf zurückkommen wollte. In der That, es lebt ja noch alles fest in unserer Erinnerung, und an unserem geistigen Auge geht der große Kaiser, wie wir ihn gesehen haben und wie diejenigen, die ihn nicht gesehen haben, sich ihn vorstellten, vorüber. Dies wird nimmer schwinden, welche Zeiten auch kommen mögen. Die Aufgaben, meine Herren, die uns bevorstehen, die sollen uns hauptsächlich beschäftigen, und da gedenke ich der Kraft, die wir unserm Kaiser wünschen, daß er das, was für uns errungen worden ist, mit vielem Blute, mit vieler Hingebung, er⸗ halten, kräftigen möge, daß er es zu einem Gedeihen führe, das zu Ehren der Nation gereicht, es auf eine Höhe bringe, die der Aufgabe würdig ist, die hier sich vollzieht. Mit solchen Gefühlen, meine Herren, aber auch mit dem Vertrauen, daß die Bestrebungen zur Kräftigung der Nation durch die Nation unterstützt und gekräftigt werden — mit diesem Vertrauen erhebe ich das Glas und rufe mit Ihnen: es lebe unser Kaiser, der Deutsche Kaiser Wilhelm II., hoch, hoch, hoch!
Vorgestern fand aus Anlaß der Enthüllung des Denkmals Kaiser Wilhelm’s I. im Schlosse zu Mannheim ein Galadiner statt, woran die Spitzen der staatlichen und städtischen Be⸗ hörden theilnahmen. Seine Königliche Hoheit der Groß⸗ herzog toastete auf Mannheim, versicherte die Stadt seiner und des Ministeriums Fürsorge und dankte im Namen des Kaiserlichen und des Großherzoglichen Hauses für die patrio⸗ tische Kundgebung bei der Den alsenthüllung
. 8 Ihre Königlichen Hoheiten der Erbgroßherzog und die Ee haben heute die Reise nach der Riviera angetreten.
Oesterreich⸗Ungarn.
Der König von Serbien machte, wie aus Budapest gemeldet wird, gestern dem Minister des Auswärtigen Grafen Kälnoky und dem Minister⸗Präsidenten Dr. Wekerle cinen Besuch. Der König wurde von der Bevölkerung auf den Straßen sympathisch begrüßt. Um 6 Uhr Abends fand in der Ofener Hofburg ein Diner statt, woran der Kaiser, der König von Serbien, der zur Rechten des Kaisers saß, die Erzherzoge Josef und Ladislaus, der Minister des Aeußern Graf Kälnoky, der serbische Ge⸗ sandte Simic und der Korps⸗Kommandant Prinz Lobkowitz theilnahmen. Nach dem Diner wohnte der Kaiser mit dem König von Serbien einer Festvorstellung im Opernhause bei, worauf sich beide Majestäten zum Bahnhof begaben. Nach herzlicher Verabschiedung vom Kaiser trat der König die Reise nach Berlin an. Der Kaiser reiste nach Gödöllö ab.
Der König von Griechenland stattete gestern in Wien dem Großfürsten und der Großfürstin Constantin einen Besuch ab und nahm sodann das Frühstück bei dem englischen Botschafter Sir E. Monson ein. Am Abend gab der König ein Diner zu sieben Gedecken, woran der Großfürst und die Großfürstin Constantin theilnahmen.
Dem österreichischen Abgeordnetenhause ist gestern das Budget für 1895 vorgelegt worden. Das Gesammt⸗ erforderniß von 636 527 870 Fl. weist gegen das Vorjahr eine Er⸗ höhung von 16 596 867 Fl. auf, die insbesondere in Mehr⸗ ansprüchen für die Landesvertheidigung, den Kultus und Unterricht, die Finanzverwaltung und den Handel be⸗ gründet ist. Das Mehrerforderniß der gesammten in⸗ direkten Abgaben beträgt 1 415 867 Fl., das des Handels⸗ ressorts 7 238 670 Fl., woran die Kapitel Staatsschuld, Posten, Telegraphen, Staatseisenbahnen und Investitionen vornehmlich theilhaben. Die Gesammtbedeckung im Betrage von 638 985 577 Fl. ist gegen 1894 um 16 731.555 höher; davon entfallen auf die direkten Steuern 1 183 000, Zollgefälle 1 920 103, auf die gesammten indirekten Abgaben 5 071 665, das Handelsressort 9 214 640 Fl., darunter die ordentlichen Betriebseinnahmen der Staatsbahnen mit 5 231 850 Fl. Das Kapitel Ministerrath weist ein Mehrerforderniß von 89 610 Fl. auf, hauptsächlich infolge der Erhöhung des Dispositionsfonds von 50 000 auf 100 000 Fl. Als eigentliche Beitragsleistung zu den gemeinsamen Auslagen, einschließlich des Er⸗ fordernisses für die Truppen in Bosnien und der Herzegowina, sind 72 319 624 Fl., gegenüber 1894 640 636 Fl. mehr, ein⸗ gestellt. An dem Mehrerforderniß für die Landesvertheidigung partizipieren die Landwehr mit 655 736 Fl., die Gendarmerie mit 296 310. Von dem Mehrerforderni für Kultus und Unterricht entfallen auf Mehrausgaben für die Religions⸗ fonds 119 046 Fl., auf die “ 213 476, auf das industrielle Bildungswesen 196 908, auf die Volksschulen 82 350 Fl. Unter den Forderungen für die Mittelschulen befindet sich auch ein Foßzen gür die Errichtung eines Unter⸗Gymnasiums mit deutscher und slovenischer Unter⸗ richtssprache in Cilli. Bei dem Kapitel Finanzen weisen die Salzgefälle, das Lotto und die Stempelgefälle unbedeutende Mindererfordernisse auf. Die Bilanz des Handels⸗Etats zeigt gegenüber dem Vorjahr eine Besserung um 311 202 Fl. Das Kapitel Staatsschuld zeigt eine Steigerung des Aufwandes um 4 232 695 Fl. Die höhere Veranschlagung der Trans⸗ porteinnahmen der Staatsbahnen ist einerseits durch die Einreihung der Lemberg⸗Czernowitz⸗ Jassy⸗Bahn unter die für Staatsrechnung betriebenen Bahnen und durch den Zuwachs an verstaatlichten Linien der Lokalbahn⸗ Gesellschaft sowie der Eisenbahnen Czernowitz — Nowosielitza und Laibach— Stein, andererseits durch die Ergebnisse der Ein⸗ nahmen des Staatsbahnnetzes begründet, die namentlich für die ersten acht Monate dieses Jahres als günstig zu bezeichnen sind. Von der präliminierten Mehreinnahme für die direkten Steuern entfallen auf die Gebäudesteuer 483 000, auf die Er⸗ werbsteuer 199 000, auf die Einkommensteuer 447 000 Gulden.
Bei der Vorlegung des Budgets hob der Finanz⸗Minister Dr. von wL
Er könne aus dem Abschlusse des Jahres 1893 schon jetzt mit⸗ theilen, daß der Ueberschuß 29 ½ Millionen betrage (lebhafter Beifall), der sich um 6 Millionen dadurch verringere, daß die Goldbestände auf die neue Relation umgeändert worden seien. Der effektive Ueberschuß stelle sich somit auf 23 ½ Millionen Gulden, während für 1893 nicht weniger als 4 Millionen Nachtragskredite dazukämen. Die direkten Steuern hätten sich um 2 360 852 Fl., die indirekten Steuern Wum 24 650 363 Fl. günstiger gestellt Die großen Kassen⸗ bestände von 208 illionen, die Ende Dezember 1893 vor⸗ handen gewesen seien, hätten es der Regierung möglich ge⸗ macht, im Jahre 1894 Ausgaben zu bestreiten, die etatsmäßig nicht vorgesehen gewesen seien. Ein Vergleich der Kassenbestände vom 31. Dezember 1893 mit denen vom 31. Dezember 1892 ergebe, daß Ende 1893 der Kassenbestand 208 Millionen gegen 177 Millionen Ende 1892 betragen habe, was die Bestreitung außergewöhnlicher Ausgaben ermöglicht habe, ohne daß irgendwie eine andere Bedeckung habe gesucht werden müssen, darunter die Nothstandsunterstützungen im Betrage von 1 315 000 Fl., die dritte Rate der von Deutsch⸗ land übernommenen Vereinsthaler mit 3 026 730 Fl. und die Ein⸗ lösung von Silberscheidemünze mit 5 400 000 Fl., wogegen der Kasse allerdings in Nickelmünzen 2 667 179 Fl. zugeflossen seien. Ferner sei es im Laufe des Jahres 1894 möglich gewesen, statt 8 600 000 Fl. Tilgungsrente nur 7 500 000 zu begeben und den Rest aus den laufenden Einnahmen zu decken. Wenn die Verhältnisse gleich günstig blieben, würde es auch 1895 möglich sein, mehr als die ein⸗ gestellten Millionen zu Tilgungszwecken zu verwenden. Endlich seien 1893 und 1894 zur Abwickelung des Geschäfts mit den Banken, welche die Konversion durchführten, 1 789 299 Fl. verwendet worden. Die Ge⸗ sammtsumme der aus den Kassenbeständen gedeckten außeretatsmäßigen Ausgaben betrage 8 724 745 Fl. Der Finanz⸗Minister theilte dann mit, daß in naͤchster Zeit dem Hause eine Vorlage über die Ein⸗ lösung der böhmischen Westbahn, einer der besten und rentabelsten Böhmens, unterbreitet werden werde. Ferner kündigte Dr. von Plener Vorlagen bezüglich der mährisch⸗ schlesischen und der Grenzbahn an. Die bevorstehende Verstaatlichung der Südbahn werde den berechtigten Wünschen Triests und des Hinterlandes entsprechend eine Reform auf dem ganzen Gebiete des Verkehrswesens zur Folge haben. Die Veränderungen der Etats in den übrigen Ressorts motivierend, bemerkte der Finanz⸗Minister Dr. von Plener nach einem allgemeinen Hinweis auf die Darstellung der einzelnen Ressorts, daß die Lage des österreichischen Staatshaus⸗ halts eine günstige sei und der ausgewiesene Ueberschuß auf einer reellen Präliminierung beruhe, daß aber die Regierung mit den vor⸗ handenen Einnahmen noch immer nicht in der Lage sei, sich große Aufgaben zu stellen, ohne auf die Steigerung der Einnahmen aus
“
anderen Quellen bedacht zu sein; allerdings betrage der Uebe
1 als zwei Millionen, dieser Ueberschuß werde aber lunächf vengrschaß Behr in Anspruch genommen: einmal durch die Annuität der voraussichtlee aufzunehmenden Anleihe für Vermehrung des Fahrparks, sodann du die Zinsenlast des voraussichtlich zu begebenden Theils der Goldreng⸗ zur weiteren Beschaffung von Gold auf Grund der Valutagesetze. Der Minister erwähnte hierauf die Reform der Branntweinbesteuerunz. Mit der ungarischen Regierung sei bereits ein Abkommen getroffen, wonach an Stelle der gegenwärtigen Branntweinsteuer ein Brannt⸗ wein⸗Monopol treten solle. Der Minister gab alsdann Aufklärungen über das projektierte Monopol. Die Landwirthschaft befinde sich allerdings jetzt in schlechter Lage. Der Getreidepreis habe eine durch Elementarschäden noch vermehrte Depression des Wohlstandes der Landwirthschaft berbeigeführt. in theilweiser Ersatz werde sich durch Hebung der Viehproduktion finden lassen. Der Viehexport nehme zu. Die Industrie habe sich in den letzten Jahren außerordentlich gehoben. Der Minister verwies hierbei auf die Zahl der neubegründeten größeren industriellen Unternehmun⸗ gen, die in Nieder⸗Oesterreich, Böhmen, Mähren, Schlesien und im Küstenland 1440 gegen 717 eingegangene betrügen; in Galizien seien 219 größere Etablissements gegründet worden. Dies sei ein Zeichen des Aufschwungs der Volkswirthschaft und be⸗ kunde in Verbindung mit der Vermehrung der Einfuhr eine Steigerung der Konsumtionskraft. Auch die Er⸗ trägnisse der Eisenbahnen hätten sich vermehrt, ebenso die Einnahmen aus der Biersteuer und dem Taback. Die Zahl der konsumierten Zigarren sei von 1106 auf 1157 Millionen gestiegen die der konsumierten Zigarretten von 903 auf 1496 Millionen. Der Minister konstatierte sodann, daß das Erträgniß der Binnenverzehrungs⸗ steuer ebenfalls Sehe sei, besonders das Steuerergebniß aus der Einfuhr von Se tetem frischen Fleisch, die sich um 101 899 kg erhöht habe. Der Minister besprach sodann die Durchführung der Valuta⸗ gesetze und theilte mit, daß bis zum 7. d. M. bei der Bank 18 666 660 Fl. in Gold erlegt worden seien; dafür habe die Staatsverwaltung 16 503 660 Fl. in Silber und Banknoten erhalten, sodaß das rest⸗ liche Guthaben 2 163 000 Fl. betrage. Die Til⸗ ung der Staats⸗ noten vollziehe sich außerordentlich rasch; er es selbst nicht er⸗ wartet, daß die Sache so leicht und so gut gehen werde. In vier Monaten seien mehr als die Hälfte der 1 Guldennoten ein elöst. Ein zweites Gesetz habe die Ermächtigung der Regierung, den Umlauf der Salinenscheine um den Maximal etrag von 30 Millionen zu reduzieren, betroffen. Er sei in der Lage gewesen, von dem Vorjahre bereits 8 Millionen Salinenscheine in den Staatskassen zu be⸗ sitzen und habe diesen Besitz auf 10 Millionen erhöht. Er halte es für mit der Lage der Kassenbestände vollkommen vereinbar, diese 10 Millionen Salinenscheine nach ihrem Ablauf, somit im No⸗ vember, definitiv zu tilgen und einen äquivalenten Betrag von Staats⸗ noten aus der Welt zu schaffen. Das Prinzip der Tilgung der Staatsnoten aus den Ueberschüssen früherer Jahre ohne Aufnahme von Anleihen halte er für das allerbeste und allerwirksamste. Der Minister schloß mit einem warmen Appell an das Haus wegen der Durchführung der Steuerreform.
Die Rede fand lebhaften Beifall, und der Minister wurde allseitig beglückwünscht. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurden Interpellationen eingebracht von dem Abg. Dworak über das Studium und die Anschaffung des Diphtherie⸗Heilserums von Staatswegen, von dem Abg. Kaiser über die Vertheilung von Viehsalz, von dem Abg. Wrabetz über die hohe Steigerung der Fleischpreise und von dem Abg. Schlesinger über die Fertigstellung der Wahlreform. Von den Abgg. Blaschek, Kaftan, Schamanekund Genossen wurde ein Dringlichkeitsantrag überreicht, worin die Auf⸗ hebung des über Prag und Umgebung verhängten Ausnahmezustandes gefordert wird. Die Abgg. Blaschek und Kaftan begründeten die Dringlichkeit des Antrags. Der Minister des Innern Marquis Bacquehem wies die Angriffe der Vorredner gegen die Staatsbehörden zurück. Er 8 zwar an, so führte der Minister aus, daß die Haht der poli⸗ tischen Delikte abgenommen und die früheren Massendemon⸗ strationen aufgehört hätten, aber der Gang der Dinge dürfe doch nicht ausschließlich nach den äußeren Erscheinungen be⸗ urtheilt werden. Die Regierung habe die⸗ flicht, für die Er⸗ haltung der Ruhe und des Friedens im Innern zu sorgen; sie verfolge wachsam die Verhältnisse in Böhmen und werde, wenn letztere sich geklärt haben würden, ohne eine Aufforde⸗ rung abzuwarten, aus eigener Initiative Beschlüsse fassen, die eventuell sich nicht nur auf die Aufhebung der Ausnahme⸗ verfügungen beschränken würden. Der Minister erklärte sich gegen die Dringlichkeit des Antrags. (Lebhafter Beifall.) Nach Schluß der Debatte wurde die Dringlichkeit abgelehnt. Danach wurde die Dringlichkeit eines vom Abg. Grafen Palffy gestellten Antrags beschlossen, wonach für Versuche mit dem Diphtherie⸗Heilserum in den Hauptstädten Be⸗ träge in das Budget einzustellen seien und die Errichtung staatlicher Erzeugungsstellen ins Auge gefaßt werden solle.
Die direkten und indirekten Steuern ergaben in der Zeit vom 1. Januar bis 31. August 1894 einen Rein⸗ ertrag von 234 850 117 Fl., d. i. um 915 992 Fl. mehr als in der gleichen Periode des Vorjahres. Die Zollgefälle ergaben in den ersten acht Monaten dieses Jahres einen Reinertrag von 40 141 614 Fl., was einer Zunahme um 4 986 822 Fl. gegen denselben “ des Vorjahres gleichkommt.
Eine gestern Abend in Budapest abgehaltene Konferenz der liberalen Partei beschloß, nach dem Vorschlag des Minister⸗Präsidenten Dr. Wekerle, im Unterhause fuüͤr die unveränderte Aufrechterhaltung der vom Oberhause nicht an⸗ genommenen Gesetzentwürfe über die freie Religionsübung und die Judenrezeption zu stimmen. Ferner wurde beschlossen daß die Partei die von dem Oberhause vorgenommenen Aen rungen an dem Gesetz über die Religion der Kinder acceptiere, jedoch die Regierung bevollmächtige, im Abgeordnetenhause eventuell im Oberhause zu beantragen, daß ein Paragraph entsprechend den in diesem Gesetz ausgelassenen Bestimmungen in den Gesetzentwurf über die freie Religionsübung, auf⸗ genommen werde.
Frankreich.
Der Hräsren Fälmir⸗Herier empfing gestern Nach⸗ mittag den Großfürsten ladimir von Rußland. Dem Großfürsten, der in einem offenen Wagen im Elysée eintraf, wurden die militärischen Ehren erwiesen. Der Präsident der Republik war während des Besuchs, der eine halbe Stunde währte, von seinem Zivil⸗ und Militärstaat umgeben. Heute wird der Präsident den Besuch des Großfürsten erwidern.
Halbamtlich wird mitgetheilt, es seien keine Verhand⸗ lungen zwischen Frankreich und der Schweiz zur Er⸗ zielung eines kommerziellen modus vivendi eingeleitet. Fe ec wünsche zwar lebhaft, die Handelsbeziehungen zur Schwei auf dem Fuße der meistbegünstigten Nation wieder angeknüpft zu sehen, die französische Regierung könne sich aber nur innerhalb des ihr vom Gesetz auferlegten Minimal⸗ und Maximaltarifs bewegen.
Wie die „Estafette“ meldet, enthält das Ultimatum, das Lemyre de Vilers in Tananarivo überreichen wird,
folgende en: 1) Anerkennung des effektiven Pro⸗ tektorats Frankreichs mit allen seinen politischen und diplo⸗
8 matischen Konsequenzen; 2) Bildung einer dauernden französi⸗ 6 in Tananarivo, und 3) Antwort auf diese Forderungen innerhalb spätestens acht Tagen. Das Blatt fügt hinzu, Frankreich sehe voraus, daß die Podas sich diesen Forberungen widersetzen würden; für diesen Fall sei eine Expedition bereit. 1 Rußland. Ein gestern erschienenes Extrablatt des „Regierungsboten“ theilt dem „W. T. B.“ zufolge mit: In einem am 16. d. M. in Livadia abgehaltenen ärztlichen Konsilium, an welchem die Professoren Leyden und Sacharjin, Dr. Popow und der Ehren⸗ Leibchirurg Weljaminow theilnahmen, wurde folgendes Bulletin über den Gesundheitszustand des Kaisers beschlossen: Die Nierenkrankheit hat sich nicht gebessert, die Kräfte haben sich verringert. Die Aerzte hoffen, daß das Klima der Südküste der Krim wohlthätig auf den Gesundheits⸗ zustand des hohen Kranken einwirken wird.
Belgien. b 8
Nach dem offiziellen Wahlresultat sind in die Kammer gewählt: 77 Katholiken, 7 Liberale und Radikale, sowie 12 Sozialisten. Unter letzteren befinden sich drei, deren Parteirichtung mehr liberal⸗radikal ist. Stich⸗ wahlen müssen in 56 Wahlkreisen stattfinden.
Infolge einer privaten Unterredung zwischen Delegirten der Liberalen und Sozialisten über die am nächsten Sonntag stattfindenden Stichwahlen hat der General⸗ rath der Arbeiterpartei eine Resolution gefaßt, worin die Wähler aufgefordert werden, bei der Stichwahl für die⸗ jenigen Kandidaten zu stimmen, die sich schriftlich verpflichten, lur das allgemeine Stimmrecht bei Kommunal⸗ und Pro⸗ vinzialrathswahlen ohne Einschränkung und gegen Schutzzölle einzutreten. 8
Rumänien.
Die Herzogin von Sachsen⸗Coburg und Gotha ist am Montag in Bukarest eingetroffen. Der Fenhg. die Königin und der Prinz Ferdinand, sowie die Minister und andere Würdenträger waren der Herzogin bis zur Grenz⸗ station Predeal entgegengefahren.
Bulgarien.
Das gestern erschienene „Amtsblatt“ veröffentlicht eine Verordnung, wodurch die Sobranje auf den 27. Oktober ein⸗ berufen wird, sowie die Annahme der Demission Tontschew's.
Asien. Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Shanghai, es sei dort das völlig unbestätigte Gerücht verbreitet, Port Arthur sei von den Japanern genommen worden. Ein anderes Gerücht besage, der Hauptmann von Hanneken liege im Sterben infolge der Blutzersetzung, die nach seinen Verwundungen eingetreten sei.
Aus Wiju erfährt dasselbe Buveau, daß die japanische und die chinesische Armee sich noch immer an den Ufern des Naluflusses gegenüberständen. General amagata erwarte noch schwere Artillerie, bevor er zum 2 ngriff über⸗ gehe. Von Spionen werde die chinesische Streitmacht auf 25 000 Mann geschätzt.
Afrika. In Paris eingetroffene Nachrichten aus Tanger melden,
die Lage in Marakesch sei ernst. Aufständische belagerten das Haus des Prinzen Muley⸗Abbas, weil er den Kaid
der Behamua habe verhaften lassen wollen, der sich verzweifelt Seit acht Tagen herrsche Aufruhr in der Stadt, doch hoffe man, daß die Re⸗
zur Wehre gesetzt und sich dann getödtet habe.
gierung die Unruhen werde unterdrücken können. Der Gouverneur von Casablanca ist wegen Un⸗ fähigkeit abberufen worden.
„Gegenüber den anders lautenden Meldungen ö 1
schen Bureaus“ über die Situation in Lourenço Marque wird dem „W. T. B.“ mitgetheilt: seien die in Lourenço Marquez befindlichen Truppen für die Vertheidigung der Stadt und wohner genügend. Es befänden sich Marquez nicht nur zahlreiche reguläre Truppen, sondern auch 200 Mann Europäer, Artillerie und Kavallerie. Viele europäische Se; seien mit Repetiergewehren bewaffnet. Befestigungen zur Ver
der Stadt seien vor kurzem vollendet worden. von Lourenço Marquez befinde sich die Korvette „Reina de Portugal“ mit 300 Seeleuten und Artillerie an Bord, die bereit seien, im Falle der Noth zu landen. Am 15. d. M. sei von Lissabon ein Transport von 4 Kriegskompagnien und einer Batterie Artillerie nach Lourenco Marquez abgegangen; auch Kriegsschiffe sollten dorthin entsandt werden und von Angola werde eine aus 300 angolesischen Soldaten bestehende Verstärkung direkt nach Lourenço Marquez abgesandt. Somit sei die Vertheidigung von Lourenço Marquez gesichert und die Regierung werde auf keinen Fall die Lan⸗ dung fremder Truppen gestatten. Nach den letzten Nachrichten habe ein kleines Gefecht stattgefunden, worin die Kaffern zurück⸗ geschlagen worden seien.
Auf der Rhede
Knnst und Wissenschaft.
Königlichen Museum für Naturkunde 88 im Juli d. J. zwei von dem Botaniker E. Baumann ei der Forschungsstation Misahöhe im Togogebiete zusammen⸗ lebrachte Sendungen zoologischer Objekte hier eingetroffen. e beiden Sendungen enthielten, wie das „Deutsche Kolonialbl.“ mittheilt, zusammen 49 Säugethierfelle, 12 Säugethierschädel, 25 Sugethiere in Alkohol, 106 Vogelbälge, 4 Vogelskelette, Vogelnester, 19 Vogeleier, eine große Zahl Reptilien und Amphibien, 7 Fische, 187 Düten mit Lepidapteren, einigen Libellen, anzen und Orthopteren, 235 Rollen mit Orthopteren, etwa 100 Insekten aller Ordnungen zwischen Watteschichten, 22 Arten Orthopteren in Spiritus, 18 Arten Hemipteren in Spiritus, 8 Arten Lepidopteren⸗Raupen, 21 Krebse, 12 Mollusken und 6 Regenwürmer. Der Erhaltungszustand aller Stücke ist gut. Von den 40 einge⸗ sandten Säugethierarten sind durch diese Sendung 12 für Togo zum ersten Mal nachgewiesen; eine Art ist neu für die Samm⸗ lung, von 6 anderen besaß das Museum bisher nur Schädel und ehörne. Die Vogelsammlung ist sehr werthvoll. Sie enthält 15 Arten, welche für jenes Gebset neu nachgewiesen werden, darunter eine neu entdeckte Art (Dromomela Baumanni). Vier Arten, welche zuch in anderen europäͤischen Sammlungen sehr selten find, wurden
““
Bei dem
aus Lissabon von authentischer Seite Nach den Meldungen des General⸗Gouverneurs
die Sicherheit der Be⸗
in Lourenco Sene
theidigung
sind als Ergänzungsstücke zu jrüheren Sendungen willkommen. Die Sendung giebt interessante Nachweise über die Ausdehnung der Winter⸗ reise europäischer S gböge. Unter den Insekten dürfte sich bei näherer Untersuchung noch manche neue Art finden. Besonderes Interesse erregen einige Raupenformen, aus denen Baumann Schmetterlinge gezogen hat, weil nun festgestellt werden kann, welchen Spezies sie angehören.
Dem Königlichen Museum für Naturkunde ist ferner am 24. Juli
d. J. eine von dem vormaligen Stationsleiter Conradt in Bismarck⸗ burg im Togogebiet zusammengebrachte Kollektion zoologischer Gegen⸗ stände zugegangen. Die nunmehr beendete Durchsicht ergab das Vor⸗ handensein von 7 1 15 Säugethierschädeln, 16 Säuge⸗ thieren in Alkohol, 1 Säugethier⸗Embryo, 2 Vogelbälgen, einer rößeren Anzahl von Reptilien und Amphibien, 1 Fisch und 26 Krebsen. nter den Säugethieren befanden sich acht Arten, welche bisher aus vs 8 bekannt waren, und fünf Arten, die für die Sammlung neu sind.
Land⸗ und Forstwirthschaft. 8
Die große Gersten⸗ und Hopfen⸗Ausstellung, welche unter Mitwirkung der Deutschen Landwirthschaftsgesellschaft und des
Deutschen Hopfenbau⸗Vereins vom Verein „Versuchs⸗ und Lehranstalt
für Brauerei“ im großen Saale der Aktienbrauerei Friedrichshain
veranstaltet ist, wurde heute in Gegenwart zahlreicher Interessenten
aus allen Theilen des Reichs und aus Oesterreich⸗Ungarn eröffnet.
Die Ausstellung ist von 291 Gersten⸗ und Hopfenbauern und von
23 Industriellen beschickt. Die Gerstenausstellung. nimmt den öst⸗
lichen, die Hopfenausstellung den westlichen Theil des Saales ein, in der
Mitte des reich geschmückten Raumes sind die Industrieerzeugnisse aus⸗
gestellt. Die ausgestellten Brauerei⸗Rohproduktelsind nach Anbaugebieten
geschieden. Für Gerste sind deren 8, für Hopfen 11 angenommen worden.
Mit dem ersten Preis und dem Ehrenpreis wurde eine Probe von Webbs
bartloser Gerste ausgezeichnet, die Joseph Ludwig⸗Mieschwitz ausgestellt
hatte; eine Probe Chevaliergerste brachte demselben Besitzer einen zweiten
Preis, den zweiten ersten Preis erhielt Wilhelm Hirt⸗Kammerau.
“ wurden verliehen an Max Hoffmann⸗Striegau, Franz
Beyer;Sommerwitz und an den Landwirthschaftlichen Lokalverein
Bauelwitz. Einen ersten Preis erhielt die Juwelgerste der bekannten
Herrschaft Bärsdorf, zweite Preise Bake⸗Neudorf für schottische Perl⸗
gerste und Bitter⸗Noszkowko für dieselbe Sorte. Ostpreußen führte nur zwei Proben vor: Klugkist⸗Mühlenthal errang für seine goldene Me⸗ lonengerste einen zweiten Preis, eine vom Königlichen Hauptgestüt Trakehnen ausgestellte schwedische Chevaliergerste wurde anerkannt. Altbayern und die Pfalz waren mit wenigen aber guten Produkten erschienen: Jos. Nägele⸗Hochdorf konnte für Juwelgerste mit einem ersten, Dettweiler⸗Gieshügel für Frankengerste mit einem zweiten Preise auzgezeichnet werden. — In der Hopfenausstellung konnten insgesammt 24 erste, 22 zweite, 24 dritte Preise und eine Anzahl Diplome vertheilt werden. Allgemein überraschend wirkte der schöne Erfolg, den die Provinz Posen davontrug: Reinhold Reschke⸗ Scharke, Molke⸗Pagrotsch und Zeuschner⸗Scherlanke erhielten erste Preise, außerdem entfielen auf die Provinz 3 zweite, 6 dritte Preise und 3 Diplome. Bayern behauptete im übrigen seine dominierende Stellung; auf die fünf Anbaugebiete des Landes kamen nicht weniger als 16 erste Preise. Der „Erste Bayerische Zweigverein Spalt“ repräsentierte ein Anbaugebiet für sich; die Stadtgemeinde Ellingen und die Ortsgemeinden Hausbach und Moosbach und Sal⸗ baum⸗Spalt erhielten hier die ersten Preise. Von den gleichfalls zu einem Zweigverein zusammengeschlossenen niederbayerischen Züchtern wurden Otto Höfter⸗Neuhausen, Paul Münsterer Mainburg und die der Marktgemeinde Au, von den oberbayerischen Züchtern Joseph Aichbichler⸗Wolnzach, Gundelßuger⸗ Wolnzach und Simon Hadler⸗Nandlstädt, von den Züchtern aus dem Hers⸗ brucker Land Johann Seitz und Peter Wild aus Altensittenbach und Johann Zimmermann aus Pommelsbrunn mit ersten Preisen aus⸗ gezeichnet. Drei erste Preise erhielt endlich noch der Zweigverein zu Neustadt an der Aisch. Württemberg war nur durch drei Mitglieder des Z1.“ Munderkingen und durch einen Einzel⸗ aussteller vertreten. Von den drei Erstgenannten erhielt Alb. Forchhuber den ersten Preis. Aus Baden war der Hopfenbau⸗ verein wetzingen mit fünf Ausstellern erschienen. Joseph Kaufmann brachte die besten Produkte aus dem Vereinsgebiet und erhielt den ersten Preis. Das Elsaß hatte Produkte von sechs Züchtern gesandt, ein erster Preis fiel Mich. Riehl⸗Berkel zu. Auch der West⸗ preuße Julius Dembeck⸗Marienhof und der Ostpreuße Amtsrath Patzig⸗Posorten wurden mit ersten Preisen bedacht. Die Ausstellung bleibt bis morgen geöffnet.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten 1 Maßregeln.
b11114XA“
In Tolkemit ist ein weiterer Cholera⸗
d Abs perrungs⸗
Danzig, 16. Oktober.
fall festgestellt worden. .
Breslau, 16. Oktober. Gestern ist bei der Königlichen Regie⸗ rung zu Oppeln je ein bakteriologisch segeelte Fall von Cholera⸗ erkrankung aus Petrowitz, Kreis Pleß, damowitz, Kreis Groß⸗ Strehlitz, und aus Myslowitz gemeldet worden.
Wien, 16. Oktober. Nach den am 15. und 16. d. M. hier eingetroffenen Nachrichten über den Stand der Cholera kamen in Galizien 160 Erkrankungen und 97 Todesfälle, in der Bukowina 3 Erkrankungen und 1 Todesfall vor.
Auch in der Woche vom 30. September bis 6. Oktober cr. blieb der Gesundheitsstand in Berlin ein günstiger und die Sterblichkeit eine niedrige (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr be⸗ rechnet, 14,9). — Unter den Todesursachen zeigten akute Darmkrank⸗ heiten noch eine weitere Abnahme und endeten in 45 Fällen gegen 49 der Vorwoche mit dem Tode. Die Betheiligung des Säuglingsalters an der Gesammtsterblichkeit blieb die gleich geringe wie in der Vor⸗ woche, sodaß von je 10 000 Lebenden, aufs Jahr berechnet, 44 Säug⸗ linge starben. Akute Entzündungen der Athmungsorgane kamen gleich⸗ falls seltener zum Vorschein und nahmen meist einen günstigen Verlauf. Von den Infektionskrankheiten blieben Erkrankungen an Masern und Unterleibstvphus selten; Erkrankungen an Scharlach kamen weniger, an Diphtherie etwas mehr zur Anzeige als in der Vorwoche und zwar zeigten sich erstere in der jenseitigen Luisenstadt, letztere außer in diesem Stadttheil noch im Stralauer Viertel, in der Rosenthaler Vorstadt und auf dem Wedding am zahlreichsten. Erkrankungen an Kindbettfieber wurde nur eine be⸗ kannt; rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut wurden häufiger zur ärztlichen Beobachtung gebracht. Erkrankungen an Keuch⸗ husten, die sehr mild verliefen, wurden seltener. Erkrankungen an akutem Gelenkrheumatismus kamen in gegen die Vorwoche gesteigerter Zahl zur ärztlichen Behandlung, während cheumatische Beschwerden der Muskeln keine wesentliche Veränderung in ihrem Vorkommen aufwiesen. 8 8
Die medizinische Akademie nahm laut Meldung des „W. T. B.“ einstimmig den von ihrer Spezial⸗ kommission ausgesprochenen Vorschlag an, ein günstiges Gutachten über die Anwendung des Diphtherie⸗Heilserums abzugeben.
Verkehrs⸗Anstalten.
Bremen, 17. Oktober. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Reichs⸗Postdampfer „Oldenburg“ ist am 15. Oktober Nach⸗ mittags in Suez angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Gera“ hat am 15. Oktober Abends die Reise von Said nach Neapel fortgesetzt. Der Schnelldampfer „Elbe“ ist am 16. Oktober Nach⸗ mittags auf der Weser angekommen. Der Postdampfer „Witte⸗ kind“ ist am 16. Oktober Nachmittags auf der Weser angekommen.
Paris, 16. Oktober.
1.
durch diese Sendung unserem Museum zugeführt. Die übrigen Bälge
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Der Postdampfer „Roland“ ist am 10. Oktober in Montevideo
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8
Morgens in New⸗York angekommen. London, 16. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer ist ancf her Ausreife F nc Durban (Natal) an⸗
angekommen. Der Postdampfer „Stuttgart“ ist am 16. Oktober 8; ber
„Venice“ gekommen.
““ Deutsches Theater. b
Die erste Aufführung des Lustspiels „Die Kameraden“ von Ludwig Fulda fand gestern Abend sehr kräftigen und fast wider⸗ spruchslosen Beifall. Der Dichter nimmt in den „Kameraden“ di modernen Pessimisten, die sich an der Lektüre der nordischen Dichter und der Modephilosophen Schopenhauer und me bis zum Ueberfließen mit Melancholie und Lebensüberdruß sättigen, aufs Korn und persifliert sie in der Gestalt einer „unverstandenen“ reichen Frau und ihres schriftstellernden „Seelenfreundes“. Die Neigung, die Schwächen der Zeitgenossen in lustigen Bildern mit Ironie zu bespötteln, mag dem Dichter bei seinen ersprießlichen Molisre⸗Studien aufgegangen sein. In dem neuen Lustspiel nennen sich die Vertreter der verkehrten modernen Anschauungen „Kameraden“, weil sie eins sein wollen im Denken und Fühlen, wobei der Freund recht tartüffische e hat und die Frau, die in ihrem der Langeweile vsgrossenen efühlsüberschwang de Lehren, wenn auch nicht seinen Wünschen folgt und nachgiebt, um ihr häusliches Glück bringt. Diesen beiden unthätigen Personen, die die Segnungen des Reichthums und Wohllebens in vollem Maße genießen und dabei LnSe ”. von der schmerzlichen Lust des Ent⸗ sagens seufzend schwärmen, stellt der Dichter das gesunde, arbeitsvolle Leben eines einfachen Fabrikanten, des Gatten jener verirrten Frau, und eines frohgemuthen jungen Mädchens, einer Volksschullehrerin, egenüber, bei der die Fabrikantenfrau Thekla in ihrem Drange nach Fräizet und geistiger Entwickelung sich als Pensionärin einquartiert hat. Zum Schluß werden der Fabrikant und die Lehrerin, die An⸗ hänger der Thatkraft und des Frohsinns, ein Paar;
in einen entlegenen Ort zurück, um ihr Leben weiter 8o sen
zu weihen, und der Seelenfreund Dr. Wulff wird sich wahrscheinlich neue Opfer seiner modernsten Weltweisheit suchen.
Das Beste bot der Dichter in dem ersten Akt durch seine scharfen und humorvollen Ausfälle gegen die Betrachtungen des allgemeinen Weltelends, die hier bei einer Flasche Champagner von den Bethei⸗ ligten vorgetragen werden. Die beiden folgenden Aufzüge, die in die Frage tiefer hineinführen, erschienen manchmal breit und weitschweifig und die Löfung machte den Eindruck des Gewaltsamen. Die gute Laune des Publikums erlitt dadurch jedoch kaum eine Störung, da stets neue geistvolle Wendungen des Dialogs die heitere Stimmung wieder freimachten. Ludwig Fulda hat in den „Kameraden“ ein starkes Talent für das Lustspiel bewiesen; mit überraschender Er⸗ findungskraft schafft er komische Situationen, und mit lachendem Spott weist er auf die Schwächen und Auswüchse der modernen Richtung hin. Daß der Dichter nur diese mit seinem Spott hat treffen wollen und nicht das ernste Streben, das auch dieser Richtung zu Grunde liegt und manchen guten Keim ausgestreut hat, wird deut lich aus der Wahl der Vertreter dieser Zeitströmung, eines genuß⸗ süchtigen Egoisten und einer verwöhnten unklaren Frau, er⸗ kennbar. Diesen Nachbetern gesy enüber, die die Köpfe und Sinne der Menschen verwirren helfen, ist Fulda’'s Mahnung zur Freude und zum harmlosen Frohsinn ebenso sehr am Platz wie seinerzeit Wildenbruch's Ruf nach dem „Heiligen Lachen“. Fulda er⸗ hebt auch nicht die Vertreter des einfachen gesunden Menschenverstands auf ein ihnen nichtgebührendes Niveau; es sind liebenswürdige, be⸗ scheidene Menschen, froh bei der Arbeit und frei und ungezwungen in der Freude. 8be“
Zur Darstellung waren durchgängig Kräfte ersten Ranges heran⸗ ezogen worden. Den breitesten Raum nahm das melancholische Paar ein, das von Fräulein B ertens und Herrn Reicher gespielt wurde. Fräulein Bertens hat ähnliche schauspielerische Aufgaben wie hier oft mit Erfolg gelöst; ihre Darstellungskunst brachte ihr gestern mit der Charakteristik der ironisierten unverstandenen Frau einen neuen Triumph ein. Herr Reicher als der Seelenfreund und Kamerad Dr. Wulff hatte sich eine bleiche stilvolle Maske zurecht gemacht und sprach mit seufzendem Trauerton seine überredenden doppelsinnigen Worte; ein moderner Heuchler des Geistes kann nicht mit feinerer Ironie hingestellt werden. Eine romantische, neugierige alte Jungfer mit harmlosen Neigungen spielte Fräulein Schmittlein (Babette Seiler) überzeugend, und Frau Sorma (Gertrud) bot ein prächtiges Bild eines einfachen liebevollen Mädchens, das ein Herz für die armen Kinder hat, die es unterrichtet. Die Herren Kraußneck als Vater Karsten und Nissen als ver⸗ lassener und dann hoffnungsfreudiger Ehegatte vollendeten das prächtige Zusammenspiel.
8 Konzerte. Das erste Philharmonische Konzert dieser Saison, das vor⸗ gestern unter Leitung des Hof⸗Kapellmeisters Herrn Richard Strauß stattfand, wurde mit Wagner's bekannter „Faust⸗Ouvertüre“ eröffnet, in der die Erscheinungen des grübelnden Faust, des zarten liebenden Gretchens und des das Böse personifizierenden Mephisto so charakteristisch in Tönen wiedergegeben werden. Diesem Werke folgte das Violinkonzert von Brahms (D-dur), das in der meisterhaften Ausführung durch Herrn Professor Hugo Heermanntrefflich zur Geltung kam und stür⸗ mischen Beifall erweckte. Weniger erfreulich war eine Novität für Or⸗ G chester⸗ Vorspiel zur Oper „Ingwelde“ von Schillings, deren sehr verschwommener Inhalt weder fesselnde Motive noch stilvolle Behandlung erkennen ließ und sich in der allerdings glänzenden Instrumentierung vielfach an Wagner anzuschließen sucht. Nach Liszt’'s Episode aus Lenau's „Faust; mit dem Tanz in der Dorfschenke („Mephisto⸗ Walzer“) folgte die alles überragende A-dur-Symphonie Beethoven's (Nr. 7). Die geistvolle Interpretation derselben durch das Orchester zeuate von der Vortrefflichkeit des Dirigenten, welcher am Schluß durch mehrmaligen Hervorruf ausgezeichnet wurde. Das Publikum war sehr zahlreich erschienen. 8
Der gestrige zweite Klavierabend des Herrn Conrad Ansorge, welcher wieder im Saal der Sing⸗Akademie stattfand, brachte interessante und seltener gehörte Werke von Beethoven, Chopin und Liszt zu Gehör. Die beiden Sonaten von Beethovden op. 90 und 109 trug der Konzertgeber mit so tief eingehendem Verständniß und mit solcher Wärme der Empfindung vor, daß lebhafter Beifall des zahlreich erschienenen Publikums nach jedem Satzfolgte. Auch Chopin's Impromptu in Fis-dur und seine für viriucsen Klaviervortrag bearbeiteten polnischen Lieder gelangen vortrefflich, während die Ausführung der As-dur-Ballade durch ungestüme Tempobewegungen beeinträchtigt wurde. Zwei glänzende Bravourstücke von Liszt: „Soirée de Vienne Nr. 3* und die Lucrezia“⸗Phantasie, die an technischen Schwierigkeiten seiner „Don Juan“⸗Phantasie gleichkommt, bildeten den Schluß des Konzerts. 1
Zu derselben Zeit gab im Saal Bechstein Frau Berthe Marx⸗Goldschmidt ihren zweiten Klavierabend, in welchem die Virtuosin sieben Sonaten spielte, die aus den Werken Philipp Ema⸗ nuel Bach’s, Haydn's, Clementi's, Mozart's und Beethoven's gewählt waren. Die bereits vielfach anerkannten Vorzüge ihres Spiels kamen in allen diesen Sonaten wiederum vortrefflich zur Geltung, sodaß die Künstlerin mit lebhaftem Beifall ausgezeichnet wurde. Der dritte Abend wird Sonaten von Weber, Chopin und Schumann bringen und ist auf den 20. Oktober angesetzt.
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Zwischen der General⸗Intendantur der Königlichen Schauspiele und dem Komponisten von „Hänsel und Gretel“ Herrn gelbert Humperdinck ist soeben ein Vertrag abgeschlossen worden, wonach die zweite Oper sowie die innerhalb der nächsten fünf Jahre entstehenden weiteren Opern Humperdinck's zuerst im Königlichen pern⸗ hause zu Berlin aufgeführt werden. — In der am 28. d. M. statt⸗-
findenden Matinée wird der Köͤnigliche Domchor u. a. vier Madrigale u 1“ 1“ 1“