1894 / 270 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Nov 1894 18:00:01 GMT) scan diff

3 Oesterreich⸗Ungarn.

Die Kaiserin ist aus Wels wieder in Wien eingetroffen. Der Erzherzog Karl Ludwig tritt heute seine Reise nach St. Petersburg an, wo er den Kaiser bei den Beisetzungs⸗ eierlichkeiten vertreten wird. 8 Der Fürst von Montenegro empfing gestern den Besuch des Ministers des Auswärtigen Grafen Kälnoky. Die Berathung des Budgets wurde gestern im unga⸗ rischen Unterhause G Der Minister⸗Präsident Dr. Wekerle betonte dabei, daß die Regierung in den etzten Jahren keine Ausgabe gemacht habe, die gesetzlich nicht präliminiert oder nachträglich nicht genehmigt worden sei, und wies auf den Gesetzentwurf über die Kassenbestände in; habe bereits in seinem Exposé festgestellt, daß mehr Gold vorhanden sei, als man zu den ersten Zwecken der Valutaoperation bedürfe; er selbst habe aber das Haus stets vor Optimismus gewarnt. Der Minister⸗Präsident erklärte alsdann, er halte das Budget Ungarns für konsolidiert, und hoffe, daß es bei der bisherigen Methode gelingen werde, en Reformen vom Finanzstandpunkte gerecht u werden.

Großbritannien und Irland.

In einer gestern in Glasgow gehaltenen Rede theilte, wie „W. T. B.“ meldet, der Premier⸗Minister Lord Rose bery it, daß die Regierung in der nächsten Session Gesetzentwürfe über die Trennung der Kirche vom Staat in Wales und Schottland und das Verbot des Verkaufs alko⸗ holischer Getränke vorlegen werde. Die Regierung werde ich in erster Linie mit der Frage der Beziehungen beider Kammern beschäftigen, um die Vorherrschaft des Unterhauses herzustellen. 8 1

Frankreich.

In der Kreditforderung für die Expedition nach Madagaskar wird auch die Summe von 3 Millionen für ein Kabel von Mozambique nach Majung

MRußland. 1 Gestern trafen der König und der Prinz Georg von Griechenland in St. Petersburg ein und wurden vom Kaiser, den Großfürsten Michael Nikolajewitsch, Sergius Alexandrowitsch, Alexis Michailowitsch, Wladimir Alexandrowitsch, Konstantin Konstan⸗ tinowitsch, der Königin von Griechenland, dem Prinzen Peter von Oldenburg und den Ministern empfangen. Die Ehrenwache bildete eine Kompagnie des Ismailowschen Garde⸗Regiments. Auch die belgische Depu⸗ tation unter Führung des Barons Wikeeslo traf gestern in St. Petersburg ein.

Der „Regierungsbote“ veröffentlicht das nachstehende Kaiserliche⸗Reskript an den General⸗Gouverneur von Moskau Großfürsten Sergius:

„Indem die erste Residenz des Reiches das historische Vermächt⸗ niß treuunterthäniger Ergebenheit den Selbstherrschern Rußlands un⸗ verändert bewahrt, hat sie auch in den jetzigen kummervollen Tagen der Ueberführung der sterblichen Ueberreste des in Gott ruhenden Kaisers Alexander III. zu den Moskauer Heiligthümern den treuen Widerhall des tiefen Kummers kundgegeben, der mich und ganz Rußland erfüllt. Ich schöpfe aus den Be⸗ zeugungen heißer iebe zu meinem unvergeßlichen Vater und aufrichtiger Trauer um seinen vorzeitigen Tod erquickenden Trost und fühle das herzliche Bedürfniß, in der Person Eurer Kaiserlichen Hoheit allen Bewohnern der herzlich von mir geliebten Stadt Moskau meinen innigen Dank für ihre Gefühle auszusprechen. Ihr aufrichtig dankbarer und Sie herzlich liebender Neffe Nikolai.“

Um das Andenken seines verewigten Vaters zu ehren, hat der Kaiser angeordnet, daß die Regimenter, deren Chef Kaiser Alexander war, auch fernerhin den Namen des Verstorbenen führen sollen. 1

An der Leiche des Kaisers Alexander finden, wie „W. T. B.“ meldet, bis zur Beisetzung täglich um 2 Uhr und 8 Uhr Abends Trauermessen im Beisein der Kaiserlichen Familie, der Würdenträger, der Hofgesellschaft und der Vertreter der Stände statt. In der Nacht zu gestern begaben sich viele Tausende nach der Peter Pauls⸗Kathedrale,

wo der Zutritt zur Leiche des Kaisers Alexander mit einer

einstündigen Pause für Jedermann gestattet war. Das Publikum wurde gruppenweise hineingelassen, die Ordnung war musterhaft. Spanien. Die Regierung brachte im Senat die in der letzten

Session vorgelegten Entwürfe von Handelsverträgen mit Oesterreich⸗Ungarn, Italien und Belgien ein.

Schweiz. G 8 Die Volksabstimmung (Referendum) über das Bundes⸗ gesetz, betreffend die Vertretung der Schweiz im Auslande, ist

vom Bundesrath auf den 3. Februar 1895 angesetzt worden.

Belgien.

8 Die Repräsentantenkammer wählte gestern de Lantsheere mit 87 von 131 Stimmen wieder zum Präsi⸗

denten. Léon Defuisseaux (Sozialist) erhielt 26 Stimmen.

Außerdem wurden 18 unbeschriebene Zettel abgegeben.

Türkei.

Der „Politischen Korrespondenz“ wird aus Konstanti⸗ nopel bestätigt, daß der ökumenische Patriarch seine Entlassung eingereicht habe; es sei jedoch fraglich, ob die Pforte sie annehmen werde.

RNumänien.

Der König und die Königin trafen gestern Nachmittag in Bukarest ein. Auf dem Bahnhof, woselbst offizieller Empfang stattfand, hatte sich außerdem, wie „W. T. B.“ berichtet, eine zahlreiche Menschenmenge aus allen Klassen der Bevölkerung eingefunden, die Ihren Majestäten die lebhaftesten Ovationen darbrachte. Während der Fahrt vom Bahnhof nach dem Palais setzten sich die Kund⸗ gebungen fort. Die Stadt war prächtig geschmückt und äußerst belebt. Nachmittags 5 ½ Uhr fand in dem Palais ein Empfang und die Ueberreichung der dem König und der Königin zur silbernen Hochzeit dargebrachten Geschenke statt. Abends folgte ein militärischer Zapfenstreich mit einem Fackelzug. Aus dem ganzen Lande wird berichtet, daß der Tag, überall von prachtvollem Wetter begünstigt, mit Gottesdiensten festlich begangen worden sei. b

Der Prinz Ferdinand reist heute von Sinaja nach St. Petersburg ab, wo er am Sonntag Abend eintreffen wird.

Serbien.

Der König Alexander ist heute früh nach Wien ab⸗ gereist und begiebt sich von dort über Warschau nach St. Peters⸗ burg. Bis zur russischen Grenze erfolgt die Reise incognito. Eine Königliche Proklamation betraut den Ministerrath nared der Abwesenheit des Königs mit der Regentschaft.

Bulgarien.

Wie die „Agence balcanique“ meldet, empfing der Ferdinand von Sachsen⸗Coburg nach seiner Rückkehr von

arna nach Sofia eine aus 40 Mitgliedern bestehende Ab⸗ ordnung der Sobranje, welche die von der Sobranje be⸗ schlossene Adresse überreichte. Der Prinz sprach der Abord⸗ nung seinen Dank für die zum Ausdruck gebrachten patrioti⸗ schen Gefühle aus und fügte hinzu, mit Genugthuung erfülle es ihn, die innere Politik der Regierung von der Sobranje gebilligt zu sehen. Der Prinz schloß mit der Versicherung, daß er die Erklärungen des über die aus⸗ wärtige Politik ihrem ganzen Inhalt nach gutheiße.

1 Amerika. „W. T. B.“ meldet aus Washington, es verlaute da⸗ selbst, die Botschaft des Präsidenten Cleveland an den

im Dezember zusammentretenden Kongreß werde den Vor⸗

schlag einer Münzreform und die Erklärung enthalten, das

gegenwärtige Münzsystem sei in sich selbst fehlerhaft.

Asien.

Nach einer Meldung der Londoner Blätter aus Hiroshima von gestern setzt der Marschall Namagata seinen Marsch durch die Mandschurei fort. Die Japaner besetzten Linsankwan, nachdem sie starke chinesische Kavalleriemassen zersprengt hatten.

Parlamentarische Nachrichten.

Bei der am 13. d. M. im zweiten Anhaltischen Wahl⸗ kreise (Bernburg⸗Cöthen⸗Ballenstedt) abgehaltenen Reichs⸗ 1“ sind für den Professor Dr. Friedberg (nationalliberal) 13 570, für den Redakteur Schulze (Sozial⸗ demokrat) 11 565 Stimmen abgegeben worden. Professor Dr. Friedberg ist mithin gewählt

Außerordentliche Versammlung der III. General⸗Synode.

In ihrer gestrigen Sitzung berieth die General⸗Synode über den Entwurf des Gesetzes, betreffend die Einführung der erneuerten Agende für die evangelische Landeskirche der älteren Provinzen. Die Kommissisn hatte den Entwurf nur wenig abgeändert. In § 1 schlug sie für den 2. Absatz folgende Fassung vor: „Der Bekenntnißstand und die Union in den genannten Provinzen und den dazu gehörigen Gemeinden werden durch diese Agende nicht berührt.“ Für den öö des § 3 empfahl sie nachstehende Re⸗ daktion: „Veränderungen derselben (der Gottesdienstordnung), durch welche einzelne Theile der landeskirchlichen Agende an die Stelle der

bisherigen Ordnung treten, sind mit Sene ans der Provinzial-

Kirchenbehörde zuläͤssig.’ Nach längerer Diskussion nahm die Ver⸗ sammlung den Entwurf in der Fassung der Kommission an.

Die hierauf in zweiter Lesung vorgenommene Abstimmung über die erneuerte Agende ergab deren einstimmige Annahme. Ebenfalls in zweiter Lesung wurden die Anhänge, für Pommern und Westfalen sowie der Musikanhang gemäß den Beschlüssen der ersten Lesung ohne weiteres angenommen.

„Ober⸗Konsistorial⸗Rath Humbert berichtete über eine Petition des Vorstandes der reformierten Konferenz von Rheinland und West⸗ falen und des Zweigvereins des reformierten Bundes für Berlin und die Provinz Brandenburg, betreffend die Stiftung Mons pietatis und die Vertretung des reformierten Bekenntnisses bei der Zusammensetzung der obersten Kirchenbehörden. Er befürwortete folgenden Antrag der Kommission II für Petitionen: „General⸗ Synode wolle beschließen: I. den Evangelischen Ober⸗Kirchenrath zu ersuchen, über die Verwaltung und Verwendung der Stiftung Mons pietatis zugleich mit denjenigen Fonds, über welche nach § 11 der General⸗Synodalordnung der General⸗Synode bezw. dem General⸗ Synodalvorstande jährlich Rechnung zu legen ist, derselben bezw. deren Vorstande jährlich eingehende Mittheilung zu machen; II. den Evangelischen Ober⸗Kirchenrath gleichfalls zu ersuchen, bei dem⸗ nächstiger Besetzung der Stellen im Direktorium der Stiftung dafür Sorge zu tragen, daß die Bestimmungen des § 1 der Stiftungsurkunde zur Anwendung kommen; III. den An⸗ trag wegen einer den Bestimmungen der Stiftungsurkunde ent⸗ sprechenden Verwendung der Revenuen der Stiftung durch die in der Denkschrift des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths vom 30. Oktober d. J. abgegebene bestimmte Erklärung in Verbindung mit dem sub I ge⸗ faßten Bischla für erledigt zu erachten; IV. über den nicht mit der Angelegenheit des Mons pietatis zusammenhängenden Antrag wegen Zusammensetzung der obersten Kirchenbehörden, im Hin⸗ blick auf die von dem Herrn Präsidenten des Ervangeli⸗ schen Ober⸗Kirchenraths abgegebenen Erklärungen, zur Tages⸗ ordnung überzugehen; V. die von dem Pastor Pusen zu Heiligenhaus im Auftrage des Vorstands der reformierten Kon⸗ ferenz von Rheinland und Westfalen überreichte Petition d. d. Barmen, 16. Oktober d. J. und die von dem Mitglied des Abgeordnetenhauses, Herrn Lückhoff, als Vorsitzenden des Zweigvereins des reformierten Bundes für Berlin und die Provinz Brandenburg überreichten Petitionen d. d. Berlin, 31. Oktober d. J., durch die gefaßten Be⸗ schlüsse für erledigt zu erklären.“ Nach längerer Berathung nahm die Synode den Kommissionsantrag fast einstimmig an.

Zu dem Antrag der Brandenburgischen Praninier Synage be⸗ treffend die Formulare der Standesamtsregister, beantragte Super⸗ intendent Penzholz⸗Gottesberg (Provinz segcenenh namens der Kom⸗ mission: „General⸗Synode wolle beschließen: In Erwägung, daß 1) in dem Kirchengesetz über „Verletzung kirchlicher Pflichten“ ein der Würde der Kirche entsprechender Weg gewiesen wird, den durch das Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung herbeigeführten Schädigungen zu begegnen, daß 2) das Kirchen⸗

esetz über Aufhebung der Gebühren für einfache Akte der Taufe und rauung denselben in der wirksamsten Weise entgegengetreten ist, daß 3) laut Reskripts des Herrn Ministers des Innern vom 4. Oktober d. J. an den vFegiefunos; Prüstenten u Breslau die Standesämter darauf hingewiesen sind, sich mit den kirchlichen Organen wegen der erforderlichen Mittheilungen aus den Standesamtsregistern in Verbindung zu lehen und daß 4) nach den in der Kom⸗ mission gemachten Mittheilungen das Kirchenregiment Anordnung all⸗ gemeiner Art mit Bezug auf das erwähnte Ministerialreskript in Aussicht genommen hat, von einer Anregung auf Abänderung der vom Bundesrath vorgeschriebenen Formulare zur Zeit Abstand zu nehmen.“ Konsistorial⸗Rath a. D. Pastor Mathis stellte dagegen folgenden Antrag: „Synode wolle beschließen: Synode hält die Vervollständigung der auf Ergänzung des § 66 des Gesetzes vom 6. Februar 1875 hinzielenden, vom Bundes⸗ rath vorgeschlagenen Formulare nach der Richtung hin für erwünscht, daß nach denselben die in § 82 unberührt gebliebene Verpflichtung der Standesbeamten auf die nachfolgende Taufe und Trauung hinzuweisen, wieder in Erinnerung gebracht werde, und richtet

daher an die zuständigen Behörden die Bitte, diese Bestimmung wieder in Erinnerung zu bringen.’ Die Abstimmung ergab die Annahme des Antrags Mathis, womit der Antrag der Kommission erledigt war.

Es folgte die Berathung des folgenden Antrags Knak, betreffend usätze zur Kirchengemeinde⸗ und Synodal⸗Ordnung: „General⸗ ynode wolle, in Gemäßheit des § 7 Nr. 5 der General⸗Synodal⸗

Ordnung, folgende Zusätze zu der Kirchengemeinde⸗ und Synodal⸗Ord⸗ nung vom 10. September 1873 beschließen: 1) Zusatz zu § 43 Abs. 2 der irzengemeae und Synodal⸗Ordnung: Behufs Einreihung der Wahlen seitens neu errichteter Parochien in den allgemeinen Wahl⸗ turnus hat der 1. Juli des mittleren Jahres der dreijährigen Wahl⸗ periode als Scheidegrenze zu gelten, sodaß die Ausloosung und erste Neuwahl nur dann gleichzeitig mit den nächstfolgenden allgemeinen Wahlen herbeigeführt werden soll, wenn die erste Wahl vor dem 1. Juli des mittleren Jahres der allgemeinen Wahlperiode stattgefunden hat. 2) Zusatz zu § 50 Nr. 3 Abs. 2 der Kirchengemeinde⸗ und Synodal⸗ ordnung: In den außer der Zeit der allgemein üblichen Wahl⸗ periode errichteten neuen Parochien regelt sich die Dauer der von den Gemeinde⸗Organen derselben erfolgten Wahl der Mitglieder nach ihrer in dem Zusatz zu § 43 Abs. 2 sich ergebenden Dienstzeit.“ Sup. Künstler⸗Tilsit beantragte dazu namens der I. Kommission: „Generalsynode wolle beschließen: den Antrag Knak dem Evangelischen Ober⸗Kirchenrath zur Erwägung der Regelung der Angelegenheit durch Instruktion oder Kirchengesetz zu übergeben und sich gut⸗ achtlich dahin zu äußern: 1) daß in allen, in der Zeit zwischen zwei allgemeinen Wahlterminen neu errichteten Gemeinden die Aus⸗ loosung bis zum zweiten, auf den Amtsantritt ihrer Gemeindeorgane folgenden allgemeinen Wahltermin verschoben, und 2) zu § 50 Nr. 3 Abs. 2 der Zusatz: „in neuerrichteten Gemeinden auf die Rest⸗ zeit der allgemeinen Periode“ hinzugefügt oder in die Instruktion ein entsprechender Vermerk aufgenommen werde.“ Dieser Antrag wurde angenommen.

Zu dem Antrag des D. von Nathusius: „General⸗Synode wolle beschließen: folgenden Entwurf eines Kirchengesetzes zur Abänderung des § 34 Absatz 4 der Kirchengemeinde- und Synodalordnung vom 10. September 1873 in nachstehender Form anzunehmen: „Von den Erklärungen darüber, welche Gemeindeglieder als selbständig anzunehmen sind, ist die Nummer 3 zu streichen. 34, Absatz 4, Nr. 3 lautet bisher: „Als selbständig sind nicht anzunehmen diejenigen: 3) welche im letzten Jahre vor der Wahl armuthshalber Unterstützung aus Armenmitteln oder Erlaß der Staatssteuern oder der kirchlichen Beiträge genossen haben“) beantragte Dr. Schnaubert namens der I. Kom⸗ mission: „General⸗Synode wolle beschließen: In Erwägung, daß die Nr. 3 des § 34 Abs. 4 der Kirchengemeinde⸗ und Synodalordnung vom 10. September 1873 nach Fassung und Inhalt zwar zu manchen Bedenken Anlaß giebt, daß jedoch ein praktisches Bedürfniß zur Abänderung dieser Bestimmung nicht nachgewiesen ist, und daß zu dieser Aenderung nicht allein das Eingreifen der kirchlichen, sondern auch der Staatsgesetzgebung erforderlich sein würde, über den vor⸗ bezeichneten Antrag zur Tagesordnung überzugehen.“ Der Kom⸗ missionsantrag wurde angenommen.

Bezüglich des Antrags des Superintendenten Volkening⸗Holz⸗ hausen: „Den Evangelischen Ober⸗Kirchenrath zu ersuchen, die Geist⸗ lichen anweisen zu lassen, daß sie den Bestimmungen des Landrechts über den Besitz von Kirchenstühlen genau nachkommen“, beantragte die Verfassungskommission: „diesen Antrag dem Evangelischen Ober⸗ Kirchenrath mit dem Ersuchen zu überreichen, den in Ansehung der Benutzung der Kirchenstühle bestehenden Mißständen nach Möglichkeit Abhilfe zu schaffen.“ Die General⸗Synode genehmigte letzteren Antrag.

„Um 4 ½ Uhr Nachmittags wurde die Sitzung geschlossen und die nächste und letzte Sitzung auf heute Vormittags 11 Uhr anberaumt.

Statistik und Volkswirthschaft

Zur Arbeiterbewegung. 8

Bielefeld wird der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ geschrieben: Der irma C. A. Delius u. Söhne dürfte seinen Höhepunkt erreicht haben. Die Berathungen der Kommission, die am Dienstag Nachmittag abgehalten wurden,

Aus Ausstand der Seidenweberinnen der

Es wurde fest⸗

haben zu einer Rechtfertigung der Firma geführt. 12 t Lohn⸗ e

gestellt, daß die Firma ihre Arbeiterinnen regulierung in ortsüblicher und auskömmlicher se bezahlt. Die Firma Delius hatte schon am 7. September ihre Lohn⸗ bücher zu einer Untersuchung eingereicht, wobei sich ergab, daß eübte Weberinnen einen täglichen Durchschnittsverdienst von 2,26 vven Minder geübte Arbeiterinnen verdienen entsprechend weniger, doch kamen einzelne wieder auf ein Jahreseinkommen von 900 ℳ. Diese Veröffentlichungen erwiesen sich auch bei den Berathungen am Dienstag, denen der Verleger der sozialdemokratischen „Volkswacht“ und Vorsitzende des Gewerkschaftskartells beiwohnte, als wahr. Im übrigen wird mitgetheilt, daß die mechanische Weberei sich in volen Betriebe befinde. Von 300 Arbeitern versehen noch 150 den

jenst. 1 Aus Danzig wird im „Vorwärts“ zu dem vor längerer Zeit bereits beendeten Ausstande der dortigen Zimmerleute berichtet, daß im ganzen von Anfang Mai bis Anfang August 14 471 an Ausstandsunterstützungen zur Verfügung standen, wovon 14 118 ausgegeben wurden.

In Itzehoe sind nach demselben Blatt in der Möbel⸗ tischlerei der Gebrüder Westphal wegen Lohnkürzung zwischen den Tischlern und den Arbeitgebern Streitigkeiten entstanden.

Hier in Berlin fand am 11. d. M. eine Versammlung der Brauerei⸗Hilfsarbeiter statt, zu der, wie die Berliner „Volks⸗Ztg.“ berichtet, besonders die in den Weißbierbrauereien beschäftigten Arbeiter eingeladen worden waren. Es wurde Klage geführt über mangelndes Interesse der Arbeiter für die Organisation. Der Verein der Brauerei⸗Hilfsarbeiter, der bei seiner vor 1 ½ Jahrem erfolgten Gründung mehr als 1000 zahlende Mitglieder besessen habe, zähle gegenwärtig nur noch etwa 300. Der Vorwurf der Gleichgültigkeit treffe namentlich die Arbeiter der Weißbier⸗ Brauereien und die aus den nichtboykottierten Brauereien, vor allem die Bierfahrer. In einer Metallarbeiterversammlung am Dienstag bildeten die Lohnkürzungen, die in der Gewehrfabrik der Kommandit⸗Gesellschaft Ludwig Löwe u. Co. vorgenommen sein sollen (vgl. Nr. 268 d. Bl.), den Gegenstand der Verhandlung. Es wurd⸗ eine vom „Vorwärts“ mitgetheilte Entschließung angenommen, in der sich die Versammlung verpflichtet, die ö Metallarbeiter der Firma planmäßig zu organisieren zu geschlossenem Vorgehen gegen die Lohnkürzungen. Das Resultat soll dem Vertrauensmann der Berliner Metallarbeiter mitgetheilt werden, der alsdann die nöthigen Schritte zu unternehmen hat.

Aus Antwerpen wird der „Voss. Ztg.“ telegraphisch gemeldet: Infolge des allgemeinen Ausstands der Diamantschleifer haben sämmtliche 55 Antwerpener Diamantschleifereien ihren Betrieb eingestellt. Die ausständigen Arbeiter durchziehen gruppenweise die Stadt. Der „Köln. Ztg.“ wird über den Ausstand geschrieben: Bei dem Ausstand der Diamantschleifer handelt es sich nicht um die bei Ausständen bekannten Gestalten und Erscheinungen; sondern die Ausständigen sind sorgfältig gekleidete Herren, die jetzt täglich ihre Vertreter zu den Verhandlungen mit den Arbeitgebern von Fabrik zu Fabrik geleiten. Die Unterredungen zwischen den Ausständigen und den Unter⸗ nehmern verlaufen in der höflichsten e und die ersteren haben bis jes nur das Benehmen wohlgesitteter Leute an den Tag gelegt. Ein t. weilen wird der Beschluß aufrecht erhalten, die Arbeit nicht eher wieder aufzunehmen, bis die Arbeitgeber dem Lohntarif, der jenem der Diamantschleifer in Amsterdam entspricht, zugestimmt haben. Hier verdienen einigermaßen geübte Arbeiter in der Diamant⸗Industrie wöchentlich 120 bis 125 Fr. ohne körperliche Ueberanstrengung, und dabei ist hier der Lebensunterhalt viel weniger kostspielig ls in Amsterdam. 6

Kunst und Wissenschaft. Der Genossenschaft „Pan“ ist, wie uns der Vorstand mittheilt,

Seine Majestät der König von Württemberg beigetreten und hat sich

uch finanziell an der Fundierung des Unternehmens betheiligt. Dem zattionelke Ausschuß der künftigen Zeitschrift ist Theodor Fontane beigetreten.

1“ Für die Festsißung am 17. November, dem Tage der Stiftung der Berliner

esellschaft für Anthropologie, Ethno⸗ logie und Urgeschichte sind eine Festrede des Ehren⸗Präsidenten und Vorsitzenden Geheimen Medizinal⸗Raths Professors Dr. Virchow, iine Ansprache des Direktors Geheimen Regierungs⸗Raths veefegons Dr. Bastian und weitere Ansprachen in Aussichz genommen. Die Fest⸗ sitzung wird, wie sonst alle ordentlichen Monatssitzungen, im Hörsaal des

Königlichen Museums für Völkerkunde stattfinden und Abends 7 Uhr

beginnen. An die Sitzung schließt sich eine zwanglose, gesellige Zu⸗ sammenkunft im „Hotel zu den vier Jahreszeiten“, Prinz Albrecht⸗ straße 9. Als Nachfeier wird ein Festmahl mit Damen Sonntag, den 18., im Hotel „Reichshof“, Wilhelmstraße 70 a, veranstaltet. Die Mittheilungen und der Vortrag, welche für die Hauptsitzung des Monats bestimmt waren, wurden wegen des Stiftungsfestes bereits am Sonnabend, den 10. d. M., erledigt. Von einem Funde aus neolithischer Zeit in einer Kohlenschicht unter der Ackerkrume hat Herr Clemens Cermäak, K. K. Konservator in Cäslau, Böhmen, Mittheilung gemacht. Herr Naue⸗München hat einen Bericht über mehrere Gräber der Hallstatt⸗Zeit in der Oberpfalz eingesandt. Dr. Tela sandte aus dem Kreise Luckau in der Niederlausitz einen Fund, der sich an die älteren aus der La Toͤne⸗Zeit anschließt, über die Pro⸗ fessor Virchow seinerzeit geschrieben hat. Dr. Hugo Jentsch⸗Guben berichtete brieflich über Gräberfunde aus dem West⸗Sternberger Kreise. Stadtrath Helm⸗Danzig hatte eine werthvolle Arbeit über alte Bronze eingesandt. Aus Transkaukasien war gleichfalls eine interessante Ab⸗ handlung eirgegangen. Sodann führte Dr. Felix von Luschan, Di⸗ ventions⸗Afsistent am Museum für Völkerkunde, in sehr scharfen rojektionsbildern die werthvollen Ergebnisse seiner diesjährigen syrischen orschungen der Gesellschaft vor Augen, indem er „über die Aus⸗ grabungen in Sendschirli“ einen eingehenden Bericht erstattete. Nach Sendschirli haben, unterstützt von einem besonderen Comité, an dessen Sxritzee Herr von Tautmann stand, drei Expeditionen in verschiedenen Jahren stattgefunden; ein Theil des Hrgels ist ausgegraben. Dem Comité dankte der⸗ Vor⸗ sitzende Geheime Rath Virchow für die großen Mittel, welche dasselbe seit Jahren zu dieser Sache aufgewendet. Mit Allerhöchster Ge⸗ nehmigung seien durch den Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten die Kosten des Transports in diesem Jahre von der Königlichen Regierung übernommen worden; bei dieser Gelegenheit hätten neue Ausgrabuugen aus privaten Mitteln stattgefunden. Dr. von Luschan hatte vor drei Jahren, wie er sagte, Hoffnung, daß 1891 die Kampagne sofort’ weiter geführt werden würde. Es handelte sich um zwei Aufgaben: den Transport des Ausgegrabenen und um Mittel zu neuen Ausgrabungen; für den Transport wurden die Mittel Allerhöchsterseits bewilligt, für die Ausgrabungen trat das Orient⸗Comité ein. Sendschirli, ein Kurdendorf im nördlichen Syrien, liegt drei Tagereisen entfernt von dem Hafenort Alexandrette. Ein langgezogener Hügel ist das eigentliche Gebiet der Ausgrabungen. Eine doppelte Fußere Ringmauer mit drei Thoren: einem südlichen, das zum Meere führt, einem Thore nc ece zu und einem nach Nordosten gelegenen, umschließen das Gebiet. Bereits 1891 wurden einige Mauern auf dem westlich gelegenen Theil des Berges aufgedeckt. Jetzt ist u. a. auch ein zweites inneres Burgthor, nach Süden ge⸗ legen, aufgefunden worden: vielleicht das älteste bisher be⸗ tannt gewordene Denkmal syrischer Kunst. Noch mehr nach innen zu, aber weiter mehr links, durchschritt man von Suden her ein drittes Burgthor; nach links von der mittleren Südpforte wurde diese dritte Pforte gelegt, damit die etwa einbrechenden Feinde im Vordringen zum innersten Thore die rechte, schildlose Seite dem Vertheidiger zu⸗ zuwenden gezwungen würden. Jenseits des innersten Thores liegen zur Rechten einfache Kasernenbauten; weiter dahinter, mehr nach Norden zu, der für Asarrhaddon zwischen dem zweiten und dritten egyptischen eldzuge erbaute Palast mit seinem reichen Schmuck. Neben dem sarhaddon⸗Palast liegt ein anderer merkwürdiger Bau, in einer Breite von mehr als 20 m. Vor allem aber sind hier auch neue Paläste nach Westen zu bloß gelegt worden: Gebäude von dem rich⸗ tigen Typus des syrischen Hauses, wie der Bau neben dem Asarhaddon⸗Palast, unsymmetrisch in der Anlage. Ganz un⸗ bekannt war damals die Anlage von Gewölben, was der Vor⸗ tragende gegenüber den Annahmen französischer Gelehrter ausdrücklich hervorhob. Ein großer, reich mit Reliefs geschmückter Pfeiler trennt die unsymmetrischen Theile des Hauses. Stein auf Stein wurde ohne Dübel verlegt, nur Holz auf Stein wurde verdübelt. Das Vor⸗ handensein von Dübellöchern weist also auf Holzbasen hin, die wohl mit Bronze und Gold verkleidet waren. Von diesen Basen ist heute keine Spur mehr erhalten, denn durch einen ungeheueren Brand ist der 5 zerstört worden; die Gluth war so stark, daß sogar die Luftziegel geschmolzen sind. Eine Inschrift wurde aufgefunden, in der vom „Winter⸗“ und vom „Sommerpalaste“ die Rede ist. Auch das Bild, das den Königlichen Bauherrn im Relief darstellt, ist erhalten; der bartlose Mann hinter ihm mag vielleicht der Baumeister sein. Ein ungeheurer Block, der früher wohl ein Grabstein gewesen ist, gehört zum Sockel der Asarhaddon⸗Stele. Ein Theil des großen Thurmes ist erkennbar; 32 cm Höhe haben die Balken. „Ich bin Panamu, Sohn des —, der errichtet hat diese Statue’, so ungefähr in Kürze ist der Inhalt einer dort aufgefundenen Inschrift, die Geheimer Rath Professor Dr. Sachau entziffert hat. Interessant in mannigfacher Hinsicht sind die vielen Reliefdarstellungen; auf einem Bilde 8 man Musikanten mit Harfen⸗ und tympanonartigen Instru⸗ menten, auf einem anderen Handschuhe mit drei Fingerlingen für die mittleren Finger; sie dienen zum Spannen des Bogens, bezeichnen also den Schützen. Vor Asarhaddon, dem Herrscher des assyrischen Weltreiches Ninive, knien die Könige von Egypten und Syrien. Ein schönes Relief zeigt im oberen Theile eine geflügelte Sonne, ein anderes läßt deutlich einen Doppeladler erkennen. Von den Seldschuken ist dann die Darstellung des Doppel⸗ adlers nach Europa gekommen. Interessant, besonders auch hinsichtlich der immer besser sich entwickelnden Technik der Relief⸗ behandlung, sind die vielen Sphinxbilder. Ein Relief läßt deutlich eine fibula erkennen; außerdem ist auch eine wirkliche Fibel dort aus⸗ gegraben worden. Das Vorkommen dieses Schmucks in Syrien ist demnach erwiesen. Zahlreich sind ferner die aufgefundenen Mahl⸗ steine und Quirdel zum Zerreiben des Brotkorns. Für die Todtenbestattung scheinen in der Blüthezeit Sendschirlis Brandgräber mit Hügeln üblich gewesen zu sein. Ungefähr aus dem siebenten Jahrhundert v. Chr., also aus der Zeit Afarhaddon's etwa, stammt ein königliches Grab, das der „Leichenbestattung“ angehört, aber leider geplündert gefunden wurde. Aufgabe einer neuen Er⸗ pedition wird es sein, zu erforschen, was hinter den aufgedeckten Bau⸗ werken weiter noch gelegen ist, besonders auch das dritte Thor der Umfassungsmauer aufz ufinden. 1 Dr. R. Neuhaus führte sodann der Versammlung seine Pbhotographischen Aufnahmen in natürlichen Farben⸗ vor, die bei der Anthropologischen Gesellschaft nicht geringeren Beifall fanden als kürzlich bei der Photographischen Vereinigung. Das Spektrum zu photographieren sei, so behauptete der Vortragende, nicht mehr schwer; wohl aber machen die Mischfarben große Schwierig⸗ keiten; sie erfordern beim Atelierlicht ein bis zwei Stunden Zeit für die Aufnahme. Lippmann⸗Paris, Lumidère⸗Lyon, Valenta 8. g. haben zusammen im ganzen bisher erst 8 farbige photographische Aufnahmen direkt nach der Natur bewirkt. Dem Vortragenden seien ereits 10 Aufnahmen von Mischfarben gut gelungen. Roth und Gelb bewältige man leichter; besonders schwer aber seien Blau und Schwarz herzustellen. Wenn sich Personen dem direkten Sonnenlicht 2 Minuten aussetzen, könnten auch sie farbig photographiert werden.

Einen Wettbewerb von ungewöhnlicher Bedeutung schreibt,

wie das „Zentr.⸗Bl. d. Bauv.“ mittheilt, die städtische Verwaltung von Stuttgart für ein daselbst neu zu erbauendes Rathhaus aus. Das neue Rathhaus soll die Stelle des jetzigen alten, an der Südwestseite des mit alten, zum theil sehr reizvollen Giebelhäusern so reich beseßten einnehmen. Als Bauplatz steht die ganze Südwestseite zur Verfügung, und für das große Raumbedürfniß des Neubaues ist der ganze, von der ECichstraße, Metzgerstraße und Hirschstraße umschlossene Häuserblock angekauft worden. Die Baukosten sind auf 1 300 000 festgesetzt mit der Be⸗ stimmung, daß für das Kubikmeter Umbautenraums ein Einheits⸗ satz von 25 zu Grunde zu legen ist, in welchem jedoch auch Heizungeanlagen und Bauführungskosten inbegriffen sein sollen. Das

reisgericht besteht aus den technischen Mitgliedern: Baurath, Prof. Dr. Wallot in Dresden, Hof⸗Baudirektor von Egle in Stuttgart, Ge⸗ heimer Regierungs⸗Rath, Professor Ende in Berlin, Baudirektor, Professor Dr. Durm in Karlsruhe und Stadt⸗Baurath Mayer in Stuttgart. Außer ihnen sind nur zwei Laienmitglieder betheiligt. An Preisen stehen zusammen 25 000 zur Verfügung, die folgendermaßen vertheilt werden sollen: ein erster Preis von 10 000 ℳ, ein zweiter von 5000 ℳ, zwei dritte von je 3000 und zwei vierte von je 2000 Weitere Entwürfe können für je 1000 angekauft werden. Die Arbeiten müssen bis zum 1. Mai 1895, Abends 6 Uhr, abgeliefert sein. An Zeichnungen werden außer einem Lageplan (1:500) verlangt: sämmtliche Grundrisse und Schnitte 1:200, eine Ansicht 1:100, die drei übrigen 1:200, sowie eine schaubildliche Darstellung von einem genau vorgeschriebenen Standpunkt mit bestimmter Augenhöhe aus und von bestimmter Größe. Die Bedingungen und sämmtliche Unter⸗ lagen des Wettbewerbs, zu denen auch eine schaubildliche Darstellung der Umgebung des zukünftigen Baues gehört, können vom städtischen

Hochbauamt, am Alten Schloßplatz 2 in Stuttgart, bezogen werden.

Land⸗ und Forstwirthschaft. 8

Seaatenstand in Rußland.

Ueber den Stand der Wintersaaten zu Ende vorigen Monats

gehen uns aus einzelnen Gouvernements folgende Nachrichten zu: e Kur⸗ und Livland ist die Witterung für die Wintersaaten bisher ungünstig gewesen. Es wird viel über mangelhafte Be⸗ stockung, ungenügenden Schluß und hier und dort si zeigende Röthung der Spitzen geklagt. Auch haben si Drahtwurm und Schnecke fühlbar gemacht. Ebenso lauten die Nachrichten aus den Gouvernements Wilna, Kowno und Grodno nur wenig günstig, indem die Bestellung der Wintersaaten dort theilweise durch die regnerische Witterung bedeutend verzögert wurde Wund die darauf eintretende Kälte der Entwickelung der jungen Saaten hinderlich war. Dagegen ist in dem König⸗ rei Polen die Winterbestellung der Felder im Laufe des Monats Oktober unter günstigen Witterungsbedingungen vollendet worden. Der Stand der Saaten in Süd⸗, West⸗ und Klein⸗Rußland ist im allgemeinen befriedigend, besonders dort, wo man die Herbst⸗ bestellung frühzeitig vorgenommen hatte. Auf die spätere Aussaat hat die seit August anhaltende nasse und kalte Witterung in manchen Gegenden einen schädlichen Einfluß ausgeübt. In Süd⸗Rußland war man wegen des im September plötzlich eingetretenen kalten Wetters für die Wintersaaten besorgt, doch scheint kein ernstlicher Schaden dadurch verursacht zu sein, nachdem noch zu rechter Zeit wärmeres Wetter mit Regenfällen eingetreten ist.

Im Kuban⸗ und Terekgebiet ist die Aussaat wegen der niedrigen Getreidepreise bedeutend eingeschränkt worden, dagegen hat sich die Anbaufläche in den Gouvernements Tiflis, Elisabethpol und Erivan vergrößert. Die Witterungsverhältnisse waren dort bisher günstig.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Schweden.

Durch Bekanntmachung des Königlich schwedischen Kommerz⸗ Kollegiums ist die Stadt Danzig für rein von Cholera erklärt worden. Doch sind für Passagiere der von dorther kommenden Schiffe die zur Verhütung der Einschleppung von Cholera in Schweden über nicht für cholerainfiziert erklärte Häfen unter dem 22. September v. J. an⸗ Maßregeln in Kraft gesetzt worden. (Vergl. „R.⸗Anz.“

tr. 165 vom 16. Juli d. J. und Nr. 236 vom 2. Oktober v. J.)

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Cholera

Deutsches Reich. In der Woche vom 5. bis 12. November Mittags wurden, wie in den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge⸗ sundheitsamts“ mitgetheilt wird, nachstehende Erkrankungen (und Todesfälle) gemeldet: Ostpreußen: 22 (6), davon 1 (1) im Stadt⸗ kreise Königsberg, 8 (3) in 6 Orten des Kreises Labiau, 12 (2) in zwei Orten des Kreises Niederung, 1 (—) in Pillau. Weichsel⸗ gebiet: 6 (1) in Tolkemit, Landkreis Elbing. Schlesien: 2 (1) in Jätschau, Kreis Glogau.

Oesterreich⸗Ungarn. In Galizien wurden in der Zeit vom 29. Oktober bis 4. November 731 Erkrankungen (und 386 Todes⸗ fälle) festgestellt, in der Bukowina 2 (—). In Mährisch⸗Ostrau Mähren) ist dem „Oest. San.⸗W.“ zufolge die eine der in der Vorwoche als cholerakrank gemeldeten beiden Bergarbeiterfrauen (vergl. Nr. 264 d. Bl.) gestorben.

Wien, 14. November. Nach den gestern hier eingetroffenen Nachrichten über den Stand der Cholera kamen in Galizien 78 Er⸗ krankungen und 45 Todesfälle vor.

. Einem am 31. Oktober veröffentlichten Bericht des Gesundheitsraths zufolge sind in Denain (Dep. du Nord) seit dem 15. September Cholerafälle nicht mehr festgestellt worden.

Rußland. Dem Medizinal⸗Departement wurden vom 13. bis 27. Oktober die nachstehend aufgeführten Erkrankungen und Todesfälle gemeldet: In St. Petersburg (Stadt) vom 13./10. bis 27./10. 10. bezw. 7; in St Petersburg (sonst i. Gouv.) vom 7./10. bis 20./10. 10 bezw. 2; in Warschau (Stadt) vom 30./9. bis 13./10. 5 bezw. 3; in Warschau (sonst i. Gouv.) vom 30./9. bis 20./10. 29 bezw. 11; in Kalisch vom 30./9. bis 13./10. 11 bezw. 8; in Petrikau vom 3./10. bis 20./10. 71 bezw. 41; in Kielce vom 23./9. bis 6./10. 35 bezw. 26; in Kowno vom 30 /9. bis 13./10. 26 bezw. 7; in Kurland vom 23./9. bis 6./10. 157 bezw. 76; in Livland vom 30./9. bis 13./10. 7 bezw. 5; in Lublin vom 23./9. bis 6./10. 52 bezw. 19; in Wol⸗ hynien vom 30/9. bis 13./10. 9 bezw. 4; in Podolien vom 7./10. bis 20./10. 676 bezw. 264; in Bessarabien vom 30,/9. bis 13./10. 228 bezw. 86; in Taurien vom 27./9. bis 20./10. 15 bezw. 11; in Cherson vom 7./10. bis 20./10. 15 bezw. 7; in Poltawa vom 30./9. bis 13./10. 5 bezw. 6; in Kiew vom 30,/9. bis 13./10. 39 bezw. 21; in ö vom 7./10. bis 13./10. 5 bezw. 4; in Minsk vom 30./9. bis 20./10. 76 bezw. 39; in Witebsk vom 7./10 bis 20./10. 69 bezw. 20; in Pskow vom 7./10. bis 13./10. 0 bezw. 1; in Nowgorod vom 7./10. bis 13./10. 7 bezw. 3; in Olonez vom 30./9. bis 6./10. 6 bezw. 5; in Archangel vom 27./9. bis 4./10. 116 bezw. 63; in Wologda vom 7./10. bis 13./10. 3 bezw. 3; in Jaroslaw vom 30./9. bis 20./10. 96 bezw. 22; in Kostroma vom 30./9. bis 6./10. 4 bezw. 2; in Wladimir vom 7./10. bis 20./10. 127 bezw. 74; in Kaluga vom 30./9. bis 13./10. 3 bezw. 2; in Rjäsan vom 7./10 bis 20./10. 7 bezw. 8; in Jekaterinoslaw vom 7./10. bis 13./10. 16 bezw. 5; in Tiflis vom 30./9. bis 6./10. 1 bezw. 0; in Bakn von 30./9. bis 6./10. 1 bezw. 0; in Astrachan von 23./9. bis 6./10. 8 bezw. 8; in Saratow von 30./9. bis 13./10. 44 bezw. 29; in Tambow vom 7./10. bis 13./10. 10 bezw. 0; in Samara von 7./10. bis 20./10. 4 bezw. 0; in Simbirsk von 7./10. bis 13./10. 3 bezw. 1; in Pensa von 30./9. bis 6./10. 14 bezw. 8; in Nishni⸗Nowgorod vom 7./10. bis 20./10. 10 bezw. 6; in Kasan von 30./9. bis 13./10. 23 bezw. 17; in Perm vom 30./9. bis 13./10. 255 bezw. 105; in Tobolsk vom 23./9. bis 6./10. 7 bezw. 2. Anderen amtlichen Nachrichten zufolge ist im Gouvernement Wilna

die Seuche wieder ausgebrochen; im Kreise Disna wurden vom 14. bis 27. Oktober 17 Erkrankungen (und 7 Todesfälle), vom 28. Oktober bis 3. November 55 (21), im Kreise Swenziany vom 14. bis 27. Oktober 1 Erkrankung angezeigt. Außerdem sind folgende Erkrankungen (Todesfälle) gemeldet aus den Gouvernements Kalisch vom 25. bis 30. Oktober 2 (2), Petrikau vom 28. Ok⸗ tober bis 3. November 8 (8), Lublin vom 26. bis 31. Oktober 3 (4), Kowno vom 28. Oktober bis 3. November 40 (16). Der „Re⸗ gierungs⸗Anzeiger“ vom 2. Nopember enthält folgende Bekanntmachung des Medizinal⸗Departements: „Die Cholergepidemie hat aufgehört in den Gouvernements: Wjatka mit dem 18. September; Kaluga, Now⸗ gorod, Pensa und Poltawa mit dem 1. Ottober; Nishni⸗Kowgorod mit dem 9. Oktober; in der Stadt St. Petersburg mit dem 12. Ok⸗ tober und sind diese Gebiete auf Anordnung des Ministers des Innern als nicht choleragefährlich erkannt worden.“

Italien. In Neapel wurde am 6. November ein Todesfall an asiatischer Cholera festgestellt und über 2 weitere verdächtige Todes⸗ fälle Anzeige erstattet.

Niederlande. Im Monat August d. J. starben an asiatischer Cholera 109, an einheimischer Cholera 16 Personen. Vom 27. Ok⸗ tober bis 3. November wurden neue Erkrankungen nur aus der Provinz Nordholland angezeigt, und zwar 2 aus Amsterdam, 1 aus Haarlem und 3 (wovon 2 tödtlich) aus Weesp.

Belgien. Nach amtlicher Mittheilung wurden vom 21. bis 27. Oktober in de g Lüttich 8 Todesfälle angezeigt, außerdem in Boom n. Antwerpen) 3, in Appelterre (Ostflandern) und Horpmael (Limburg) je 1.

Türkei. Unter den in Ismid (Vil. Hudavendkjar) unter⸗ gebrachten Rekruten sind in der Zeit vom 28. bis 31. Oktober 8 Cholerafälle (2 mit tödtlichem Ausgang) erfolgt. In derselben Stadt starben in den bezeichneten Tagen ein Gendarm und ein Föißt an der Krankheit. In Konstantinopel sind vom 27. bis

1. Oktober 5 (3) Fälle unter dem Militär in der Selimié⸗ kaserne zu Skutari festgestellt worden. Hier hatte man 750 Re⸗ kruten untergebracht, welche am 21. Oktober von Ismid auf dem Dampfer „Marmara“ abgesendet und nach fünftägiger Quarantäne in Tusla am 27. Oktober in Konstantinopel n waren. Schon auf der Fahrt von Tusla nach Konstantinopel erkrankte der zuerst betroffene Soldat mit Brechdurchfall. Außerdem wurden folgende Erkrankungen (Todesfälle) mitgetheilt: aus dem Vilajet Hudavendkjar vom 5. bis 31. Oktober 162 (83); aus Musch (Vil. Bitlis) vom 11. bis 28. Oktober 9 (12); aus Tirnovadjik (Vil. Adrianopel) vom 16. bis 30. Oktober 32 (22).

Gelbfieber.

In Havana wurden dem „Abstr. of sanit. rep.“ zufolge vom 28. September bis 4. Oktober (und vom 5. bis I1. Oktober) 11 (9) Todesfälle und etwa 28 (23) Erkrankungen gezählt, von den Todesfällen entfielen 3 (4) auf das Militärlazareth. Ferner starben in Rio de Janeiro vom 9. bis 15. September 3, in Maracaibo vom 23. bis 29. September 1, in Vera⸗Cruz vom 28. September bis 4. Oktober und vom 5. bis 11. Oktober je 2, in Matanzas vom 29. September bis 5. Oktober, und in Cienfuegos vom 1“ bjs 6. Oktober je 1, in Santiago de Cuba vom

Personen.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 14. d. M. gestellt 12 317, nicht recht⸗ zeitig gestellt 25 Wagen. In Oberschlesien sind am 13. d. M. gestellt 5608, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.

Zwangs⸗Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 14. November die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Spandauerbrücke 10, dem Kaufmann Otto Zibell gehörig; für das Meistgebot von 295 000 wurde die Handelsgesellschaft in 189. J. Koppel u. Co., Jägerstraße 14, Ersteherin. Müllerstraße 162, der Frau Fabrikant Clara Brandt, geb. Pretzel, gehörig; Fläche 9,24 a; für das Meistgebot von 193 000 wurde die Frau Helene Janne, geb. Martini, zu Berlin Ersteherin. Kolbergerstraße 26, dem Maurermeister H. Wernicke und dem Malermeister R. Wernicke gehörig, Fläche 7,41 a; für das Meistgebot von 22 000 wurde die „Allgemeine

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Häuserbau⸗Aktiengesellschaft“ zu Berlin Ersteherin.

Ausweis über den Verkehr auf dem Berliner Schlacht⸗ viehmarkt vom 14. November 1894. Auftrieb und Marktpreise nach Schlachtgewicht mit Ausnahme der Schweine, welche nach Lebend gewicht gehandelt werden. Rinder. Auftrieb 515 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg.) I. Qualität —,—, II. Qualität —,—, III. Qualität —,—, IV. Qualität 86 92 Schweine. Auf⸗ trieb 8655 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg.) Mecklenburger 102 104 Landschweine: a. gute 98 100 ℳ, b. geringere 88 96 ℳ, Galizier ℳ, leichte Ungarn bei 20 % Tara, Bakonver 86 —88 bei 27,5 kg Tara pro Stück. Kälber. Auftrieb 1130 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Qual. 1,26 1,36 ℳ, II. Qual. 1,10 1,24 ℳ, III. Qualität 0,90 1,08 Schafe. Auftrieb 681 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Quali⸗ tät —,—, II. Qualität —,—, III. Qualität

Wie die Preuzßische Zentral⸗Bodenkredit⸗Aktien⸗

Gesellschaft mittheilt, sind von 122 Millionen 4 % Zentral⸗ Pfandbriefen aus den Jahren 1880 1881, 1882, 1883, 1884 (II.) und 1885 über 100 Millionen in 3 ½ % Zentral⸗Pfandbriefe konvertiert worden. Die Saal⸗Eisenbahn⸗Gesellschaft pereinnahmte im Oktober d. J. nach vorläufiger Feststellung 132 486 ℳ, d. i. gegen die vorläufige Einnahme im Oktober 1893 89 2170 ℳ, gegen die endgültige weniger 3488 ℳ; bis Ende Oktober betrug die Ein⸗ nahme überhaupt 1 267 572 ℳ, d. i. gegen die vorläufige Einnahme in 1893 mehr 26 841 ℳ, gegen die endgültige mehr 16 189 ℳ.

Mannheim, 14. November. (W. T. B.) Produktenmarkt. Weizen pr. Nov. 13,45, pr. März 13,65, pr. Mai 13,70. Roggen pr. Nov. 11,85, pr. März 12,00, pr. Mai 12,00. Hafer pr. Nov. 12,50, pr. März 12,75, pr. Mai 12,75. Mais pr. Nov. 12,20, pr. März 12,10, pr. Mai 11,90.

Verkehrs⸗Anstalten.

aus Goch ist die erste englische Post

Laut Tele ram vom 14. d. M. ausgeblieben. Grund:

über Vlissingen

Sturm auf See. 3

Laut Telegramm aus Herbesthal ist die erste

englische Post über Ostende vom 14. d. M. ausgeblieben.

Grund: Zugverspätung in England und Belgien und stür⸗ misches Wetter auf See. 8 —-

Der Zentral⸗Verein für Hebung der deutschen Fluß⸗ und Kanal⸗Schiffahrt giebt seit dem vorigen Monat eine „Zeitschrift für Binnenschiffahrt“, heraus, deren Verlag der Firma Siemenroth u. Worms in Berlin SW. anvertraut wurde. Das Bedürfniß, ein Organ zu schaffen, welches einen vermehrten Aus⸗ tausch der Meinungen über alle die Hebung der Binnen⸗ schiffahrt und den Ausbau der Wasserstraßen betreffenden Fragen ermöglicht, ist mit der Zeit immer dringender geworden, wenn die Erkenntniß von dem großen wirthschaftlichen Werth leistungsfähiger