1894 / 283 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 01 Dec 1894 18:00:01 GMT) scan diff

zurück.

Abgereist: Seine Excellenz der Staats⸗Minister und Minister der geistlichen, Unterrichts und Medizinal⸗Angelegenheiten D. Dr. Bosse, nach Harburg.

Aiichtamtliches. Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 1. Dezember.

ine Majestät der Kaiser und König empfingen,

wie „W. T. B.“ meldet, im Neuen Palais heute Vormittag den Vize⸗Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, Staatssekretär des Innern Dr. von Boetticher zum Vortrag und arbeiteten darauf mit dem Chef des Generalstabs sowie später mit dem Chef des Militärkabinets.

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin trafen gestern Nachmittag in Berlin ein und wohnten der aus Anlaß des 25 jährigen Bestehens des Augusta⸗Hospitals hierselbst begangenen CC“ Feier bei.

Ihre Majestät besuchten hierauf Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich und kehrten sodann nach dem Neuen Palais

1 u“ 8 8 8

v“

Das „Armee⸗Verordnungs⸗Blatt“ veröffentlicht folgende

Allerhöchste Kabinetsordre, betreffend Anlegu ng. von Trauer für den verewigten Erbgroßherzog Carl August von Sachsen, Königliche Hoheit.

Um das Andenken des verewigten Generals der Kavallerie, Erb⸗ großherzogs Carl August von Sachsen Königliche Hoheit bisher à la suite des 5. Thüringischen Infanterie⸗Regiments Nr. 94 (Groß⸗ herzog von Sachsen) und des Hannoverschen Husaren⸗Regiments Nr. 15 zu ehren, bestimme Ich hierdurch, daß die Offiziere des letzt⸗ genannten Regiments drei Tage Trauer Flor um den linken Unterarm anlegen, während die Offiziere des erstgenannten Regi⸗ ments bezw. der Garnisonen Weimar und Eisenach sich der Landes⸗ trauer anzuschließen haben. Außerdem hat eine Abordnung des Hannoverschen Husaren⸗Regiments Nr. 15, bestehend aus dem Kom⸗ mandeur, einem Rittmeister und einem Lieutenant, an den Beisetzungs⸗ Feierlichkeiten theil zu nehmen. Ich beauftrage Sie, Vorstehendes der Armee bekannt zu machen. An die General⸗Kommandos des IX. und XI. Armee⸗Korps habe Ich verfügt.

Letzlingen, den 24. November 1894.

Dem Magistrat von Berlin ist, wie „W. T. B.“ berichtet, das nachstehende Schreiben Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Friedrich zugegangen:

Ich habe den Ausdruck herzlicher Theilnahme, welchen der Magistrat von Berlin Mir zu Meinem Geburtstage dargebracht hat, mit lebhaftem Danke empfangen. In den Wünschen, welche gleich⸗ zeitig der Geburt eines neuen Enkelsohnes gedenken, erblicke Ich einen Beweis treuer Anhänglichkeit, der Mir unendlich wohlgethan hat. Gern nehme Ich bei dieser Gelegenheit von neuem Veranlassung⸗ auszusprechen, wie sehr Mir die fortschreitende Entwickelung der Hauptstadt und ihres großen Gemeinwesens am Herzen liegt. 1

Berlin, den 26. November 1894.

Vietorig verwittwete Kaiserin und Königin Friedrich. An den Magistrat zu Berlin.

Die vereinigten duesgüfe des Bundesraths für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Justizwesen, die vereinigten Aus⸗ schüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen, für Handel und Verkehr und für Justizwesen, sowie die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr hielten heute Sitzungen.

Die Kommission für die zweite Lesung nt⸗ wurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich wandte sich in den Sitzungen vom 26. bis 28. November der Berathung der Vorschriften über die Ver⸗ fügung von Todeswegen durch Vertrag (§S8 1940

is 1963) zu. 1

Der § 1940 läßt den Erbeinsetzungsvertrag im An⸗

scheug an die meisten in Deutschland geltenden Rechte un⸗

eschränkt zu. Demgegenüber war von einer Seite beantragt, den Erbeinsetzungsvertrag nur zwischen Ehegatten und zwischen Verlobten, von anderen Seiten, den Vertrag zwar auch zwischen anderen Personen, aber nur in gewissen Fällen, insbesondere in Verbindung mit der Annahme an Kindesstatt und mit einem Verpflegungsvertrage, Nach einer ein⸗ gehenden Erörterung trat jedoch die Mehrheit dem Standpunkt des Entwurfs bei. Auch den Abs. 2 des § 1940, wonach durch den 1 ebensowohl der andere Vertragschließende wie ein Dritter als Erbe eingesetzt werden kann, fand die Zu⸗

stimmung der Mehrheit. Die Vorschrift des § 1940 Abs. Z,

daß von jedem der Vertragschließenden ein Vertragserbe ein⸗

da werden kann, wurde von keiner Seite beanstandet. Ebensowenig erfuhr der § 1941 Anfechtung, welcher be⸗

fünmt daß der Erblasser einen Erbvertrag nur persönlich

chließen kann. 8 Nach § 1942 kann einen als Erblasser nur

schließen, wer unbeschränkt geschäftsfähig ist. Diese

Vorschrift fand, unter Ablehnung eines Antrags, welcher als

weiteres Erforderniß die Vollendung des dreißigsten Lebens⸗ jahres aufstellen wollte, an sich Billigung. Jedoch wurde die Uusnahme hinzugefügt, daß ein minderjähriger oder aus einem anderen Grunde in der Geschäftsfähigkeit beschränkter Ehegatte oder Verlobter als Erblasser mit dem anderen Ehegatten oder

Verlobten einen Erbvertrag schließen kann; in einem solchen

Falle soll übrigens die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und, wenn die Vertretung einem Vormunde zusteht, die Ge⸗ nehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich sein. Der § 1943 Abs. 1 bringt zum Ausdruck, daß, überein⸗ stimmend mit der im § 1914 für die Testamentserrichtung

vorgeschriebenen Form, ein E“ nur vor Ge richt oder Notar geschlossen werden kann. egen diesen Grundsatz erhob sich kein Widerspruch. Nach § 1943 Abs. 2 nden auch im übrigen die für die Errichtung letztwilliger Ver⸗ ügungen geltenden Formvorschriften auf den Erbeinsetzungs⸗ vertrag entsprechende Anwendung, jedoch mit der Ab⸗ weichung, daß die Errichtung des Vertrags nur durch mündliche Erklärung des Vertragsinhalts nicht durch Uebergabe einer die Vertragsbestimmungen enthaltenden Schrift (vgl. § 1918) erfolgen kann. Die Mehrheit hielt diese dem geltenden Recht fremde Abweichung nicht für ange⸗ messen. Es wurde daher beschlossen, daß die für die Testa⸗ mentserrichtung geltenden Formvorschriften auch insoweit, als sie sich auf die Errichtung durch Uebergabe einer Schrift be⸗ ziehen (§§ 1918, 1921, 1922), für den Erbeinsetzungsvertrag maßgebend sein sollen. Eine Formerleichterung wurde jedoch für den Fall vorgesehen, wenn ein Erbvertrag zwischen Ehe⸗ atten oder zwischen Verlobten mit einem Ehevertrag in der⸗ selben Urkunde vereinigt wird; hier soll die für Eheverträge vorgeschriebene Form 8 1333 des Entwurfs II) genügen.

Mit dem zu § 1943 Abs. 2 gefaßten Beschlusse, auch die

§ 1918, 1921 auf den Erbeinsetzungsvertrag zu erstrecken, Fenr zugleich der § 1944 seine Erledigung gefunden, welcher besondere Fürsorge hinsichtlich des Falles trifft, wenn einer der Vertragschließendenstumm oder zu sprechen ver⸗ hindert ist. 1

Die Vorschriften des § 1945 über die Verschließung und Verwahrung sowie über die Verkündung des Erb⸗ vertrags gelangten mit einigen nicht erheblichen Aenderungen sachlich nach dem Entwurfe zur Annahme. Auch der Grund⸗ satz des § 1946, daß die für die Erbeinsetzung durch letztwillige Verfügung geltenden Vorschriften auf die Erbeinsetzung durch Vertrag entsprechende An⸗ wendung finden, wurde sachlich nicht beanstandet. Von diesem Grundsatze macht der § 1947 eine Ausnahme dahin, daß sich die Gültigkeit der Erbeinsetzung in An⸗ sehung der Willensmängel nach den für Verträge geltenden Vorschriften bestimmen soll; doch wird durch den § 1948 Abs. 1 das Recht des Erblassers, den Erbvertrag wegen Irrthums anzufechten, nach Maßgabe der für die Anfechtung letztwilliger Verfügungen geltenden Vorschriften erweitert. Demgegenüber wurde beschlossen, in Ansehung der Willens⸗ E die zu den §§ 1780 ff. für letztwillige Verfügungen beschlossenen besonderen Vorschriften in Gemäßheit des im § 1946 aufgestellten Grundsatzes auf den Erbeinsetzungsvertrag zu übertragen, im übrigen aber es bei den allgemeinen für Verträge geltenden Vorschriften bewenden zu lassen. Dem⸗

emäß sollen unter Streichung des § 1947 an Stelle des 1948 Abs. 1, 2 folgende Bestimmungen aufgenommen werden:

„In den Fällen der §8§ 1780 bis 1782 ist der Erblasser zur Anfechtung berechtigt. Im Falle des § 1782 genügt, daß 18 übergangene Pflichttheilsberechtigte zur Zeit der Anfechtung vorhanden ist. Die E111“ bedarf der gericht⸗ lichen oder der notariellen Form. Ist durch den Erbvertrag ein Dritter als Erbe des einen Vertragschließenden eingesetzt, so erfolgt nach dem Tode des anderen Vertragschließenden die Anfechtung des Vertrags von seiten des Erblassers durch Er⸗ klärung Se. dem Nachlaßgericht. Das Nachlaßgericht soll diese Erklärung dem Vertragserben mittheilen.

Die Vorschriften des § 1783 finden auf einen zwischen Ehegatten oder Verlobten ö Erbeinsetzungsvertrag auch insoweit Anwendung, als ein Dritter als Vertragserbe eingesetzt ist.“ 1 8

Die übrigen, das Anfechtungsrecht des Erblassers näher regelnden Vorschriften des § 1948 Abs. 3 bis 5 wurden in der Hauptsache nach dem Entwurf angenommen.

Der § 1949 Abs. 1 Satz 1 bestimmt, daß außer dem Erblasser auch die im § 1784 bezeichneten Personen den Erb⸗ einsetzungsvertrag nach dem Tode des Erblassers in Gemäß⸗ heit der 88 1780 bis 1785 und des § 1948 Abs. 2 anfechten können. Man war einverstanden, daß diese Bestimmung nach den zu 1 Rücksicht auf den im § 1946 ausgesprochenen Grundsa selbstverständlich und daher zu streichen sei. Nach § 194

Abs. 1 Satz 2 ist, auch wenn der Erbvertrag von einer der

im S 1784 bezeichneten Personen angefochten wird, An⸗ fechtungsgegner derjenige, mit welchem der Erblasser den Vertrag geschlossen hat. Diese Vorschrift wurde gleichfalls gestrichen, und zwar in dem Sinne, daß es bei der all⸗ gemeinen Bestimmung des § 114 Abs. 2 des Entw. II ver⸗ bleiben soll. Gebilligt wurde dagegen der sachliche Inhalt des S 1949 Abs. 2, dem zufolge das Anfechtungsrecht der nach

1784 zur Anfechtung Berechtigten ausgeschlossen sein soll, wenn zur Zeit des Erbfalls das Anfechtungsrecht des Erb⸗ lassers erloschen ist. 1

Der § 1950 stellt die Auslegungsregel auf, daß, wenn dem Vertragserben zugleich ein gesetzliches Erb⸗ recht dem Erblasser gegenüber zusteht, im Zweifel ein Verzicht des Vertragserben auf sein gesetzliches Erbrecht nicht anzunehmen sei. Man einigte sich dahin, den § 1950 zu streichen.

Der Grundsatz des § 1951, daß durch den Erbeinsetzungs⸗ vertrag das Recht des Erblassers, über sein Ver⸗ mögen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zu ver⸗ SH nicht beschränkt wird, wurde sachlich gebilligt. Ins⸗

esondere wurde der Antrag abgelehnt, daß dem Vertragserben innerhalb der Frist eines Jahres nach dem Erbfall ein An⸗ spruch auf Zurückgewährung des vom Erblasser Veräußerten gegen den Erwerber zustehen solle, wenn der Erblasser die Veräußerung in der Absicht, das Recht des Vertragserben zu beeinträchtigen, vorgenommen und der Erwerber diese Absicht ur Zeit seines Erwerbs gekannt habe. Andererseits wurde be⸗ chlossen, die im Art. 11 des Entwurfs eines Einführungsgesetzes als Abs. 4 des § 621 der Zivilprozeßordnung in Aussicht ge⸗ nommene Vorschrift zu streichen, daß der Antrag auf Ent⸗ mündigung wegen Verschwendung gegen denjenigen, welcher einen Vertragserben eingesetzt hat, auch von dem anderen Vertragschließenden gestellt werden kann.

Zufolge der Bestimmung in § 1952 Abs. 1 kann, wenn der Erblasser nach der Schließung des Erbeinsetzungsvertrags einem Dritten eine Schenkung gemacht hat, der Vertrags⸗ erbe nach dem Anfall der Erbschaft von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks in Gemäßheit der füͤr die Ser tcat⸗ einer ungerechtfertigten Bereicherung geltenden

orschriften fordern, soweit durch die Schenkung sein Recht beeinträchtigt wird; eine Ausnahme sieht der für Schenkungen vor, die durch eine sittliche Pflicht oder die auf den Anstand zu nehmende Rücksicht gerechtfertigt werden. Der Standpunkt des Entwurfs wurde mit der Einschränkung ge⸗ nehmigt, daß der Vertragserbe nur dann die Herausgabe des

§ 1947 und § 1948 gefaßten Beschlüssen mit

Geschenks verlangen kann, wenn der Erblasser die Schenkung in der Absicht gemacht hat, das Recht des Vertragserben zu

beeinträchtigen. In Uebereinstimmung mit dem Entwurf 1952 Abs. 1 Satz 3) soll der Anspruch des Vertragserben

in drei Jahren von dem Anfalle der Erbschaft an ver⸗ jähren. Gegen den sachlichen Inhalt des § 1952 Abs. 2, wonach, wenn ein vom Erblasser ertheiltes Schenkungs⸗ versprechen der Rückforderung nach der Vorschrift des Abs. 1 unterliegt, der Vertragserbe die Erfüllung (auch nach der Verjährung seines Anspruchs) verweigern kann, erhob sich kein Widerspruch.

Der § 1953 regelt das Verhältniß des Erbein⸗ setzungsvertrags zu anderen Verfügungen von Todeswegen. Die Vorschrift des Abs. 1 Satz 1, daß eine vor der Schließung des Vertrags von dem Erblasser errichtete letzt⸗ willige ö aufgehoben wird, soweit die durch den Vertrag erfolgte Erbeinsetzung reicht, erfuhr keine Anfechtung. Dagegen wurde der Satz 2, wonach die frühere letztwillige Verfügung auch dann als aufgehoben gilt, wenn der Vertragserbe vor dem Anfall der Ertschaft stirbt oder die Erbschaft ausschlägt, für entbehrlich erachtet und gestrichen. Der Abs. 2 bestimmt, daß eine Verfügung von Todeswegen, welche nach der Schließung des Vertrags von dem Erblasser errichtet wird, unwirksam ist, soweit sie das Recht des Vertragserben beeinträchtigt. Auch diese Vorschrift fand die Zustimmung der Kommission, jedoch mit folgendem Zusatz: 1

„Ist durch den Erbvertrag ein Dritter als Erbe des einen Vertragschließenden eingesetzt und macht sich der Dritte einer Verfehlung schuldig, welche den Erblasser zur Entziehung des Pflichttheils berechtigt oder, falls der Dritte nicht zu den Pflichttheilsberechtigten gehört, zur Entziehung des Pflichttheils berechtigen würde, wenn der Dritte ein Abkömmling des Erb⸗ lassers wäre, so kann nach dem Tode des anderen Vertrag⸗ schließenden der Erblasser nach Maßgabe der für die Ent⸗ ziehung des Pflichttheils geltenden Vorschriften Anordnungen treffen, durch welche das Recht des Vertragserben beein⸗ trächtigt wird.“

Zugleich wurde beschlossen, daß in dem bezeichneten Falle, so lange der andere Vertragschließende noch am Leben ist, der Erblasser nach Maßgabe 9 195 dem Vertrage soll zurücktreten können.

Der Königliche Gesandte in Hamburg, Geheime Legations⸗ Rath von Kiderlen⸗Waechter ist auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der Königlich sächsische Gesandte am hiesigen Allerhöchsten Ses Graf von Hohenthal und Bergen ist von kurzem Urlaub nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlich württem⸗ bergischer Regierungs⸗Direktor von Schicker und Groß⸗ herzoglich oldenburgischer Staats⸗Minister Jansen sind in Berlin angekommen. v“

Potsdam, 1. Dezember. Dem Magistrat und der Stadt⸗ verordneten⸗Versammlung ist, wie „W. T. B.“ meldet, das folgende Dankschreiben Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Friedrich zugegangen:

Dem Magistrat und den Stadtve rordneten von Potsdam danke Ich aufrichtig für den Mir zu Meinem Geburtstage dargebrachten Ausdruck guter Wünsche und treuer Gesinnung. Gern erneuere Ich bei diesem Anlaß die Versicherung Meiner lebhaften Theilnahme an dem Wohle Potsdams und seiner Bewohner. 8

Berlin, den 26. November 1894.

““ Victoria, Verwittwete Kaiserin und Königin Friedrich. 6

Görlitz, 30. November. Bezüglich der gestrigen Plena sitzung des Kommunal⸗Landtags der preußischen Oberlaus 8 ist noch zu erwähnen, daß der Vorsitzende namens des Landtags ein Beileids⸗Telegramm an den Fürsten Bismarck anläßlich des Todes der Fürstin gerichtet hat, dessen Wortlaut verlesen wurde. Der Landtag erklärte sich mit der Absendung des Telegramms einstimmig einverstanden. In der heutigen dritten Plenarsitzung wurde nach Genehmigung einiger Urlaubsgesuche sofort in die Tagesordnung eingetreten, auf der ausschließlich Vorlagen standen, deren Gegenstand die Beschlußfassung über die an den Landtag gerichteten Gesuche um Beihilfen zu kirchlichen, wohlthätigen und ge⸗ meinnützigen Zwecken war. Mit wenigen Ausnahmen wurden die Gesuche durch Bewilligung berücksichtigt. ch Erledigung der Tagesordnung schloß der Vorsitzende die Sitzung und beraumte die nächste auf morgen, Sonnabend, Vormittag 10 Uhr, an.

Itzehoe, 30. November. Ihre Hoheit die Prinzessin Luise zu Schleswig⸗Holstein⸗Conderburg⸗Glüds⸗ burg, eine Schwester Seiner Maäjestät des Königs von Dänemark, Aebtissin des hiesigen adeligen Konvents, ist, wie die „Kiel. Ztg.“ berichtet, heute hier nach schweren Leiden gestorben.

Cassel, 29. November. Der 6. Provinzial⸗Landtag der W Hessen⸗Nassau ist heute nach Erledigung der vorliegenden Geschäfte durch den Ober⸗Präsidenten Magde⸗ burg geschlossen worden, worauf der Vorsitzende ein Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König ausbrachte, in das die Versammlung lebhaft einstimmte.

Württemberg. 8

Ihre Majestäten der König und die Königin kehren wie der „St⸗A f. W.“ meldet, heute von Bebenhausen na Stuttgart zurück.

Sachsen⸗Meiningen.

Seine Hoheit der Herzog ist gestern in Meiningen ein getroffen.

1“ Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.

GSGesstern Nachmittag ist Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Herzogin aus St. Petersburg, und Ihre geng liche Hoheit die Prinzessin Beatrix aus Darmstadt in Coburg eingetroffen.

chwarzburg⸗Sondershausen.

Der Landtag ist nach Erledi gung seiner Arbeiten vor⸗ 8 im Auftrage Seiner Durchlsucht des Fürsten durch en St ats⸗Minister Petersen geschlossen worden.

Desterreich⸗Ungarn.

Der König, die Königin und der Prinz Georgq von Griechenland, sowie der Großfürst Sergius sind gestern aus St. Petersburg in Wien eingetroffen. In der gestrigen Sizing des Wahlreformausschusses des österreichischen Abgeordnetenhauses leitete, wie „W. T. B.“ meldet, der Minister des Innern Marquis Bacquehem die Berathung mit einer kurzen Rede ein. Er wies darauf hin, daß alle, nicht bloß die koalierten Parteien, den von der Regierung betretenen Weg der Alusschuß⸗ berathung als korrekt anerkannt hätten. Der allseitig gebilligte Gedanke der Schaffung einer Vertretung der gevwerblichen Arbeit sei als ein positives Ergebniß der bisherigen Besprechungen zu bezeichnen. Aber auch die Berücksichtigung anderer bisher nicht wahlberechtigter Träger der wirthschaft⸗ lichen Arbeit und der Bildung sei zu erwägen. Der Minister schloß mit dem Wunsche nach Beschleunigung der Berathungen und mit der Zusicherung, daß die Regierung bereit willig mit⸗ wirken werde. Der Abg. Baernreither acceptierte die Grund⸗ züge der Regierungsvorlage als Grundlage für die Ausschuß⸗ derathung. Der Abg. Jedrzegowicz erklärte, der Polenklub wolle den autonomistiscen Standpunkt wahren, jedoch der politischen Lage und dem Bedürfnisse der Bevölkerung Rechnung tragen. Der Klub werde die Arbeit nicht verzögern. Die Polen hätten die Koalition als staatserhaltende und einzig mögliche Parteigruppierung anerkannt. Sie wollten daran Feihalte und nichts vornehhmen, was die Koalition schwächen önne, vielmehr alles auffieten, damit die Lösung der Wahl⸗ reformfrage die Koalition befestige. Der Minister des Innern Marquis Bacquehem erläuterte alsdann ausführlich die Wahlkörper und die Steuerverhältnisse in den Städten

und Landgemeinden. Der Abg. Menger führte aus, von

den aufgetauchten Entwürfen seien nur die Grundzüge der Regierung und der Entwurf Rutowski's zweckmä ig und durchführbar; unbestreitbr sei die Regierung unablässig be⸗ müht, die Wahlreform zu realisieren. Der Abg. Lu pul fand ie Wahlreform nothwendig und zeitgemäß und beantragte die Einsetzung eines Subcomitss zur Ausarbeitung eines Ent⸗ wurfs. Der Abg. Fanderlik betonte den autonommistischen Staꝛ stimmte aber der Einsetzung eines Sub⸗ comitées zu. Der Abg. Dipauli, obwohl an dem Standpunkt des Oktober⸗Diploms festhaltend, vollte ie Lösung der Frage durch Betonung der auttonomisti⸗ chen Auffassung nicht erschweren, begrüßte die Er⸗ richtung von Arbeiterrammern und wünschte eine gerechte Ver⸗ theilung des Wahlrechts. Der Abg. Sylva⸗Taroucca theilte den Standpunkt des Vorredners, sprach sich aber für die Wahlreform aus und dankte dem Minister⸗Präsidenten Fürsten Windischgrätz für die Bethätigung des ernsten Willens und er Ablehnung des allgemeinen Wahlrechts. ierauf wurde ie Sitzung geschlossen; die nächste findet am Dienstag statt. Das ungarische Unterhaus genehmigte gestern in der Generaldebatte mit 113 gegen 98 Stimmen den Gesetz⸗ ntwurf wegen⸗ Gewährung eines zinsfreien Darlehens von 200 000 Fl. für ein in der Hauptstadt zu gründendes Lustspiel⸗ Theater. In der heutigen Sitzung interpellierte zunächst der Abg. Pazmandy die Regierung, ob sie davon Kenntniß habe, daß eine rumänische Wählerversammlung am 28. No⸗ vember in Hermannstadt beschlossen habe, einen Kongreß der verschiedenen Nationalitäten Ungarns einzuberufen, und daß diese Versammlung ein geheimes Comité eingesetzt bb. um die Verbindung der ungarischen Rumänen mit dem Aus⸗

I zu pflegen; was gedenke die Regierung angesichts dieser

den Landesfrieden störenden Umtriebe zu thun? b

Frankreich. In der gestrigen Stzung des Sena er Senator Borriglione den Minister des Auswärtigen Hanotaur, so⸗ bald wie möglich die Grenze gegen Italien in dem Departement der Alpes Maritimes festzule gen, da⸗ mit die fortwährenden Beschwerden vermieden würden. Der Minister des Auswärtigen Hanotaux erwiderte, die für die Grenzfestsetzung verlangte Kommission sei bereits in Thätgkeit, die Arbeiten und Vorstudien würden fortgesetzt. Italien habe den Generalen in Turin, Alessandria und Piacenza vorge⸗ schrieben, sich einer versöhnlichen Haltung zu befleißigen. Zum Schluß sagte der Minister: „Ich habe nicht nöthig hinzu⸗ zufügen, daß wir selbst jeden Zwischenfall zu vermeiden suchen, der bedauerliche Schwierigkeiten veranlassen könnte.“ Damit war der Zwischenfall erledigt. Der Senat nahm dann in erster Lessung die Vorlage über die Verbesserung des Hafens von Havre und der unteren Seine an. Der ehemalige Administrator des Journals 8 Trocard und der Baron Heffler sind dem „W. T. B.“ dufolg, wegen Theilnahme an der Erpressungs⸗Angelegenheit ortaliss verhaftet worden. Das heutige „Journal des Débats“ meldet gerüchtweise, daß heute weitere Verhaftungen in der Erpressungs⸗Angelegenheit vorgenommen werden würden. Die „Libre Parole“ spricht von verschiedenen Zeitungs⸗Direktoren und von einem 18 Beamten des Ministeriums des Innern, die in der Angelegenheit stark kompromittiert sein sollen.

Italien.

Die „Gazzetta Ufficiale“ von gestern veröffentlicht Dekrete, wonach abgeändert werden: 1) die Organisation der Armee, 2) die Eintheilung der Militärbezirke, 3) die Bezahlung und die Zuschüsse der Offiziere und Soldaten. Des weiteren werden zwei Dekrete, über die Organisation der

entral⸗Kriegsverwaltung, veröffentlich. Unter den be⸗ chlossenen eformen sind als die hauptsächlichsten hervorzuheben: 1) die Aufhebung mehrerer Generals⸗ posten, 2) die Umwandlung von sechs Feld⸗Batterien in Gebirgs⸗Batterien, 3) die Auflösung von fünf Festungs⸗ Artillerie⸗Regimentern, 6 die Aufhebung von vcierzehn Territorial⸗Artillerie⸗Direktionen, 5) die Errichtung von zwölf lokalen Artillerie⸗ Kommandos, bestehend aus je einem technischen Offizier für das Geschütz⸗ und sonstige aterial und von zwei oder mehreren Brigaden Küsten⸗ oder Festungs⸗ Artillerie, 6) die Verstärkung der Festungs⸗Artillerie um acht „Kompagnien, 7) die Verminderung der fünfzehn artilleristischen „Etablissements auf zehn, 8) die Bildung eines fünften Genie⸗ Regiments (Mineure), 9) die Aushebung der Kadettenanstalten,

10) die Aufhebung von fünf Militärgerichten. Die a geordneten Reformen sichern eine Ersparniß von insgesammt 7500 000 Fr. Die Dekrete werden eingeleitet durch einen Bericht des Kriegs⸗Ministers, worin versichert wird, die Armee werde durch die Reformen gestärkt werden; es ergebe sich daraus eine Vereinfachung des Dienstes, eine Verstärkung der Friedenspräsenz der Kompagnien, eine bessere Vorbereitung für den Krieg, eine festere Organisation der Milizen und eine raschere Mobilisierung. Die Anzahl der Offiziere aller Grade wird durch die Reform um mehr als 900 und die der Zivilbeamten, die dem Kriegs⸗Ministerium unterstehen, um mehr als 400 reduziert.

Der Bundesrath hat, wie „W. T. B.“ berichtet, den vom Eisenbahn⸗Departement vorgelegten Gesetzentwurf über die Eisenbahngesellschaften im wesentlichen genehmigt. Er wird ihn nunmehr der Bundesversammlung unterbreiten. Der Entwurf bestimmt, daß das Stimmrecht in der Generalversammlung nur solchen Aktionären Se soll, deren Aktien auf den Namen unmngeschrieben und seit wenigstens einem halben Jahre auf diesen Namen im Aktienbuche eingetragen sind; der Aktionär darf seine Aktien nur durch einen einzigen Namenaktionär vertreten lassen und darf nicht gleichzeitig an der Generalversammlung theilnehmen. Bei Zuwiderhandlung tritt eine Buße bis zu 10 000 Frs. ein. In die Verwaltung können in der Regel nur schweizerische Bürger gewählt werden. Der Bundesrath wählt ein bis zwei Mitglieder; jeder Kanton, auf dessen Gebiet sich das Bahnnetz erstreckt, wählt bis zu acht Mitgliedern, jedoch dürfen die Vertreter der Kantone höchstens ein Drittel der Gesammtzahl der Verwaltungsmitglieder ausmachen. Feschlas der Generalversammlung und Verwaltung, die öffentliche Interessen gefährden oder verletzen, können vom Bundesrath unter Vorbehalt des Rekurses an die Bundes⸗ versammlung aufgehoben werden.

Türkei. In Cetinje eingetroffenen Meldungen zufolge hat die türkische Regierung beträchtliche Truppenmassen in Al⸗ banien zusammengezogen. Man glaube, es handle sich um Entwaffnung der Albanesen.

Griechenland.

In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer fand eine sehr bewegte Berathung über die Finanzverhand⸗ lungen der Regierung statt. Schließlich wurde ein Antrag, der der Finanzpolitik des Kabinets das Vertrauen ausspricht, mit 99 gegen 76 Stimmen angenommen. Die Minister nahmen an der Abstimmung theil.

Rumänien.

Der Prinz Ferdinand ist gestern aus St. Petersburg

wieder in Sinaja eingetroffen. Im Senat ist ein Gesetzentwurf über den Bergbau eingebracht worden.

Bulgarien.

Die Sobranje erklärte die Wahl des Deputirten von Baltschik Gabe für ungültig. Gabe ist Ausländer.

Wie die „Agence Balcanique“ meldet, wird voraussichtlich heute in der Sobranje ein mit Unterschriften versehener Antrag Gubeldelnikow vertheilt werden, den dieser vorgestern dem Präsidenten angekündigt hat. Der Antragsteller verlangt darin die Wahl einer aus sieben Mitgliedern beste enden Untersuchungs⸗ kommission, die sich mit der Thätigkeit der früheren megberung⸗ während deren ganzen Dauer beschäftigen solle. Es handele sich keineswegs um die Versetzung des Kabinets in Anklagezustand, wie in der Verfassung vorgesehen sei. Man glaubt, daß das Ergebniß der Arbeiten dieser eventuell einzusetzenden Kommission (wetfegaft sein werde, deeefars würden die Arbeiten sehr lange Zeit in Anspruch nehmen.

Amerika.

Der „Times“ wird aus Buenos Aires gemeldet, in der nächsten Woche werde in der Kammer eine Vorlage über die Konsolidierung der Provinzialschulden auf der Grundlage interner Goldbonds der Nationalregierung einge⸗ bracht werden. Die Vorlage bestimme die Ausgabe weiterer Bonds über das nominelle Schuldenkapital hinaus für Tuku⸗ man und andere Provinzen, die entschieden mehr als die vorgeschlagenen 3 Proz. Zinsen zahlen könnten. Der Kongreß werde das Projekt wahrscheinlich genehmigen.

Nach einer Meldung der „Times“ aus Kobe scheine Japan entschlossen, den Krieg fortzusetzen und treffe Vorbereitungen für einen Winter⸗Feldzug.

Parlamentarische Nachrichten.

Die von dem Bureau⸗Direktor des Hauses der Abgeordneten, Geheimen Regierungs⸗Rath Kleinschmidt herausgegebenen Ueber⸗ sichten über die Geschäftsthätigkeit des Hauses der Abge⸗ ordneten in der letzten Session sind soeben erschienen. Sie sind in der bisherigen Art angefertigt und zerfallen in die Rednerliste, die Uebersicht über den Staatshaushalts⸗Etat und die Hauptübersicht. Die Rednerliste ergiebt den Tag, an welchem, sowie den Gegenstand, über welchen jeder einzelne Redner gesprochen hat, unter Hinweis auf die betreffenden Seiten der stenographischen Berichte. Die Etatsübersicht macht die bezüglichen Anträge, Petitionen und Verhandlungen ersichtlich und weist bei den verschiedenen Verwaltungen sämmtliche Etatstitel mit ihren Fkenföhen nach. Die alphabetisch geordnete Hauptübersicht umfaßt, abgesehen von dem Staatshaushalts⸗Etat, alle zur Erörterung ge⸗ langten Gegenstände, unter Darlegung des Verlaufs der Berathung. Die Regierungsvorlagen, sowie die Anträge zu denselben sind darin in ihrem Wortlaut übernommen und die Verhandlungen über ein und denselben Gegenstand, auch wenn dieselben zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Gelegenheiten stattgefunden haben, auf einer Stelle verzeichnet. Zu der Hauptübersicht gehört ein besonderes In⸗ haltsverzeichniß, dem eine Gesammtübersicht der Be⸗ rathungsgegenstände beigefügt ist.

* Nr. 49 des „Zentralblatts für das Deutsche Reich“, Sgeg he im Reichsamt des Innern, vom 30. November, at folgenden Inhalt; Militärwesen: Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetz vom 28. Mai 1894, betreffend den Schutz der Brieftauben und den Brieftaubenverkehr im Kriege. Statistik: Bestimmungen, betreffend die Herstellung einer Konkursstatistik. Pollzeiwefen! Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet.

Nr. 48 des 3. s der Bauverwaltung. herausgegeben im Ministerium deröffentlichen Arbeiten,

vom 1. Dezember, hat folgenden Inhalt: Zur Baugeschichte der

Reichstagshauses. (Schluß.) Der Elbe⸗Trave⸗Kanal. Uhren⸗ system der „Normalzeit“ in Berlin. Vermischtes: Wettbewerb für eine Kirche in Magdeburg. Künstliche Patina. Selbstthätiger Riegelverschluß für Flügelthüren. Betriebsergebniß der Liverpooler Hochbahn für die erste Hälfte 1894. Bücherschau.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Hat ein Landwirth von dem künftigen Ertrage oder Zuwachs seiner Grundstücke eine bestimmte Quantität verkauft, so muß nach § 590 Th. I Tit. 11 des Preuß. Allg. Landrechts der Käufer, gegen verhältnißmäßige Herabsetzung des Kaufgelds, sich soviel abrechnen lassen, als zur Saat und Unterhaltung der Wirthschaft sonst fehlen würde. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, V. Zivilsenats, durch Urtheil vom 10. Bk⸗ tober 1894 ausgesprochen, daß der Landwirth nur insoweit zu der erwähnten Abrechnung von dem verkauften Er⸗ trage seines Guts befugt ist, als er den geernteten Ertrag thatsächlich zur eigenen Wirthschaftsführung ge⸗ braucht. Verbraucht aber der Landwirth das für seine Wirthschaft erforderliche Quantum nicht für seine Wirthschaft, sondern verkauft er es anderweitig (indem er den dafür erzielten Kaufpreis zur Wirth⸗ schaftsführung verwendet), so braucht sich der erste Käufer eine Ab⸗ rechnung von dem gekauften Quantum nicht gefallen zu lassen. Der Rittergutsbesitzer W. verkaufte dem Kaufmann T. laut Schlußschein vom 25. Juni 1891 von seiner nächsten Ernte 50 Tonnen Roggen, die Tonne zum Preise von 170 ℳ. Davon waren 20 Tonnen im September, 20 im Oktober und 10 Tonnen im November 91 zu liefern. W. lehnte, als er liefern sollte, die Erfüllung des Vertrags ab, weil das erforderliche Saat⸗ und Wirthschaftskorn seine gesammte Ernte an Roggen absorbiert habe und ihm infolge der totalen Mißernte zum Verkauf Roggen nicht verblieben sei. Der Käufer forderte klagend Schadenersatz in der Differenz zwischen dem bedungenen Preise und dem zur Zeit der Erfüllung geltenden Marktpreis, indem er behauptete, daß W. seine angeblich für die Wirthschaftsführung erforderliche gesammte Roggen⸗ ernte thatsächlich nicht für seine Wirthschaft verbraucht, sondern ander⸗ weitig verkauft habe. Die Klaze wurde in beiden Instanzen abgewiesen, indem die Instanzrichter die Veräußerung jener für die Wirthschaft erforderlichen Vorräthe für bedeutungslos erachteten. Auf die Revision des Klägers hob das G“ das Berufungsurtheil auf, indem es begründend ausführte: „Der Berufungsrichter ist von der Ansicht geleitet, daß bei Ermittelung der zur Aussaat und zur Wirthschafts⸗ führung erforderlichen Quantitäten allein die objektiven Verhält⸗ nisse des Gutes entscheidend seien. Diese Ansicht kann nicht ebilligt werden. Das 8 giebt im § 590 a. a. O. dem Landwirth die Be⸗ fugniß, von den Erträgen des Gutes alles abzurechnen, was ihm sonst zur Aussaat und zur Wirthschaftsführung fehlen würde. Soweit er das geerntete Getreide nach den Grundsätzen einer rationellen Landwirthschaft zu Wirthschaftszwecken ver⸗ wendet, braucht er den Vertrag nicht zu erfüllen. Dagegen ftebt ihm nicht frei, unter Abweichung von einer rationellen Wirth⸗ chaftsmethode Getreide, das er nach einer solchen dem Käufer nicht zu liefern brauchte, an Dritte zu verkaufen, auch wenn er den dadurch erzielten Kaufpreis zur Wirthschaftsführung verwenden wollte und ver⸗ wendet hat. Der Beklagte ist hiernach von seinen in dem Vertrag über⸗ nommenen Verpflichtungen nur insoweit entbunden, als er den ge⸗ ernteten Roggen thatsächlich zur Wirthschaft gebraucht hat.“ (120/94.)

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Das Gesetz vom 11. Juli 1891 bestimmt im Art. I. § 31, daß die Landarmenverbände verpflichtet seien, für Bewahrung, Kur und Pflege der hilfsbedürftigen Geisteskranken, Idioten, Epileptischen, Taubstummen und Blinden, soweit dieselben der Anstaltspflege bedürfen, in geeigneten Anstalten Fürsorge zu treffen; in § 31 a, daß der Landarmenverband die allgemeinen Ver⸗ waltungskosten der Anstalten und die Kosten der von der Anstalt selbst be⸗ wirkten Beerdigung trage, aber, sofern es sich nicht um einen landarmen Hilfsbedürftigen handele, berechtigt sei, vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarun de; der sonstigen Kosten von dem endgültig unter stützungspflichti en Ortsarmenverband zu verlangen, daß die Er⸗ stattung durch Vermittelung des Kreises, welchem der Ortsarmen⸗ verband angehört, erfolge und daß der Kreis verpflichtet sei, dem Ortsarmenverbande mindestens zwei Drittel der von letzterem auf zubringenden Kosten als Beihilfe zu gewähren; in § 31W, daß Streitigkeiten zwischen den Ortsarmenverbänden und den zu Beihilfe verpflichteten Kreisen der Entscheidung im Verwaltungsstreit verfahren unterliegen, daß in erster Instanz der Bezirksausschuß, in zweiter das Ober⸗Verwaltungsgericht zuständig sei. In Bezug auf diese letzte Bestimmung 31c) hat das Ober⸗Verwaltungsgericht, II. Senat durch Urtheil vom 9. Februar 1894 ausgesprochen, daß ein Streit⸗ verfahren erst dann zulässig ist, wenn die Aufnahme des Hilfs⸗ bedürftigen in der Anstalt erfolgt ist, daß dagegen eine vor der Aufnahme in der Anstalt erhobene Feststellungsklage zur Ent⸗ scheidung der Frage, ob und welche Beihilfe der Kreis zu gewähren Enee wenn die Aufnahme stattgefunden, nicht zulässig ist. 8

Eine provisorische Vereinigung einer Ortschaft mit einem benachbarten Gemeindebezirk ist, nach einem Urtheil des Ober⸗ Z“ I. Senats, vom 2. Oktober 1894, un zulässig und rechtlich wirkungslos. „Der Bezirksausschuß ist, wie die Begründung seines Beschlusses unzweideutig ergiebt, davon ausgegangen, daß es während der Dauer des voraussichtlich längere Zeit währenden Streitverfahrens über die kommunale Eigenschaft der Ortschaft Cronthal bei dem durch den Beschluß des Kreisausschusses geschaffenen Zustande der „Kommunalfreiheit“ der Ortschaft im öffentlichen Interesse nicht bewenden dürfe, daß sich vielmehr in diesem letzteren eine Vereinigung der Ortschaft mit der Stadt Crone rechtfer⸗ tige, wodurch jedoch der Entscheidung der kommunalen Frage im Streitverfahren nicht präjudiziert werden solle. Hiernach ist soviel klar, daß es sich bei dem Beschlusse des Bezirksausschusses nur um eine provisorische Vereinigung handeln soll. Ein Akt solchen Inhalts ist aber als ein rechtsgültiger überhaupt nicht anzuerkennen, da die bestehenden Gesetze 2 der Städteordnung vom 30. Mai 1853, § 2 der Landgemeindeordnung vom 3. Juli 1891) die Eingemeindung nur als dauernde, endgültige nicht als provisorische, d. h. an Zeit oder Bedingung geknüpfte Bezirksveränderung bennen.“ (I. 1102.)

Bauten.

Zu dem Wettbewerb für den Neubau einer Kirche für die deutschereformierte Gemeinde in Magdeburg waren, wie das „Zentr.⸗Bl. d. Bauverw.“ berichtet, 76 Entwürfe eingegangen. Der erste Preis von 2500 ist dem Entwurf „Magdeburg“, Ver⸗ fasser Architekt L. v. Abbema in Düsseldorf, der zweite Preis von 1500 ℳ, dem Entwurf „Berlin⸗Magdeburg“ von Professor Joh. Vollmer in Berlin, der dritte Preis von 1000 dem Architekten C. Nordmann in Essen a. d. Ruhr zuerkannt worden.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Prenhsern. Der von dem Staatskommissar für das Memel⸗Pregel⸗

8

Gebiet anläßlich der dh.ne Choleragefahr 8. Strom⸗ überwachungsdienst in den Bezirken Schmalleningken, Ruß.