u Verkehrs⸗Austalten.
3 Wegen des Weihnachtsverkehrs werden am Sonntag, den
23. Dezember, bei allen Postanstalten im Bezirk der Kaiserlichen Ober⸗Postdirektion Berlin die Packet⸗Annahme⸗ und die Packet⸗ Ausgabestellen, sowie an den beiden Weihnachtsfeiertagen sämmt⸗ liche Packet⸗Ausgabestellen zu denselben Zeiten, wie an den Wochen⸗ tagen, für den Verkehr mit dem Publikum geöffnet sein.
. Es kommt sehr häufig vor, daß gewöhnliche Briefe und Post⸗ karten, welche bei den hiesigen Postanstalten aufgeliefert werden und an Bewohner im No rdbezirk Berlins gerichtet sind, infolge un⸗
zweckmäßiger Aufschrift seitens der Absender nach der Stadt Norden
gelangen und dadurch entweder ihren Zweck verfehlen, oder doch sehr verspaäͤtet in die Hände der Empfänger kommen. Die Aufschrift der⸗ artiger Sendungen lautet beispielsweise: „An Frau X. Norden, Auguststr. 61“, während es „Berlin N., Auguststr. 61“ heißen müßte. “ wird im eigenen Interesse empfohlen, hierauf zu achten.
Danzig, 17. Dezember. (W. T. B.) Der für den Nord⸗ deutschen Lloyd in Bremen auf der Werft von 5 Schichau (Danzig) neu erbaute, für die Reichspostlinie nach Ostasien bestimmte Doppel⸗Schraubendampfer „Prinz Hheinrache vollendete 3 seine Probefahrt. Die erreichte Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 17,3 Meilen. Schiff und Maschine befriedigten in allen Stücken. Der 6500 t große Dampfer ist gestern von Neufahrwasser nach Bremerhaven abgegangen. Der Dampfer „Prinz Heinrich“, der am Freitag von Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Heinrich von Preußen in allen seinen Theilen besichtigt wurde, wird am 2. Januar seine erste Fahrt nach Ostasien antreten. Bremen, 18. Dezember. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Postdampfer’ „Braunschweig“ ist am 15. Dezember Nach⸗ ittags von Baltimore nach der Weser abgegangen. Der Post⸗ mpfer „Stuttgart“ hat am 16. Dezember Nachmittags East⸗ ourne passiert. Der Postdampfer „Graf Bismarck' hat am 6. Dezember Nachmittags Santa Cruz passiert. Der Postdampfer „Mark“ ist am 17. Dezember Morgens in Antwerpen ange⸗ ommen. Der Postdampfer „Straßburg' hat am 16. Dezember achmittags Santa Cruz passiert. Der Reichs⸗Postdampfer Bayern⸗ hat am 16. Dezember Morgens Gibraltar passiert. . 17. Dezember. (W. T. B.) Hamburg⸗Ameri⸗ anische Packetfahrt⸗Aktiengesellschaft. Der Postdampfer Patria“ ist gestern Abend in New⸗York eingetroffen. Der Postdampfer „Hungaria“ ist gestern in St. Thomas eingetroffen. 1 London, 17. Dezember. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Greek' ist am Sonnabend auf der Ausreise von Southampton abgegangen. Der Castle⸗Dampfer „Harlech Castle“ ist heute auf der Ausreise in Kapstadt eingetroffen. Der Castle⸗Dampfer „Ha⸗ warden Castle“ hat Sonntag auf der Heimreise Plymouth passiert. Der Castle⸗Dampfer „Grantully Castle“ ist Sonnabend auf der Ausreise von Southampton abgegangen.
Theater und Musik.
Konzerte. 8
Die Klaviervirtuosin Fanny Davies aus London, die durch ihre künstlerischen Leistungen bereits vortheilhaft bekannt ist, gab gestern im Saal der Sing⸗Akademie ein Konzert unter Mit⸗ wirkung der Herren Professoren Joachim, Wirth und Haus⸗ mann. Mendelssohn's Fuge in E-moll und Beethoven's As-dur- Sonate op. 110 eröffneten die Klaviervorträge, denen noch drei Sätze aus den „Studien für Pedalflügel“ von Schumann, „Waldesrauschen“ von Liszt und Chopin's Cis-moll⸗Scherzo folgten. In allen Klavier⸗ vorträgen ließ die Künstlerin die stets an ihr gerühmte Tiefe des Ver⸗ ständnisses und Grazie des Vortrags erkennen. Nach wiederholtem
ervorruf fügte sie noch das Capriccio von Brahms in H-moll inzu. Den Ee des Abends machte das Quartett für Klavier, Violine, iola und Cello von Brahms (op. 25), eines der bedeutendsten Werke dieser Stilgattung. Die Ausführung, an welcher sich die oben genannten Künstler betheiligten, war eine in
Zuhörer machte, nach den enthusiastischen Beifallsbezeuguugen zu schließen, ein sehr tiefgehender.
Im Königlichen Opernhause gelangt morgen Gounod's earqneche. unter Kapellmeister Sucher's Leitung zur Aufführung. Die Königliche Kammersängerin Frau Emma Albani se t ihr
Gastspiel als Margarethe fort. Die übrigen Rollen sind wie folgt besetzt: Faust: 8 Philipp, Mephistopheles: Herr Mödlinger, Valentin: ulß, Siebel: Fräulein Rothauser, Martha: Frau Lammert, Brander: Herr Krasa. Frau Albani wird im Januar noch an zwei Abenden auftreten, und zwar einmal als Elsa.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen Adolf Wilbrandt’'s Schauspiel „Der Königsbote“ wiederholt. Hierauf folgt das Lustspiel „Die Philosophin“ mit den Damen Lindner, Poppe, Schramm, den Herren Matkowsky, Vollmer, Purschian, Oberländer.
Im Berliner⸗Theater ist für die Feiertags⸗Vorstellungen schon jetzt der Billetverkauf eröffnet. Der Spielplan für die Weihnachtstage ist folgendermaßen festgesetzt worden: Am Dienstag, 25. d. M., gelangt Nachmittags Heinrich Laube's Schauspiel „Die Karlsschüler“ mit Nuscha Butze, Teresina Geßner, Otto Sommerstorff und am Abend „Madame Sans⸗Göne“ mit Jenny Groß in der Titelrolle zur Aufführung. Am zweiten Weihnachts⸗Feiertage wird Nachmittags Hermann Sudermann’s Schauspiel „Heimath“ mit Nuscha Butze als Magda und am Abend Adolf L'Arronge's Lustspiel „Der Kompagnon“ mit Jenny Groß und Rosa Retty, Franz Guthery und Franz Schön⸗ feld in den Hauptrollen gegeben, während am Donnerstag, 27. d. M., Ludwig Anzengruber's „Pfarrer von Kirchfeld“ mit Otto Sommerstorff, Teresina Ueger und Ferdinand Suske als Nachmittagsvorstellung und „Madame Sans⸗Goöͤne“ mit Jenny Groß in der Titelrolle als Abendvorstellung wiederholt wird. 1
Im Lessing⸗Theater sind unter persönlicher Leitung des Direktors Dr. Oscar Blumenthal die Proben zu Victorien Sardou's Schauspiel „Gismonda“ soweit gediehen, daß die erste Aufführung am Sonnabend stattfinden kann. Die Titelrolle wird von Marie Reisen⸗ hofer, die Rolle des Marcello Almerio von Otto Sommerstorff ge⸗
spielt. Für die ersten fünf Vorstellungen des Werks, das auch den Spielplan der “ beherrschen wird, beginnt der Vorverkauf schon an der morgigen Vormittagskasse. 1
Für den II. Cyelus der Joachim⸗Quartett⸗Soirsen (erster Abend: Freitag, den 28. Dezember) können neue Abonnements schon jetzt bei Bote u. Bock vorgemerkt werden. Die Abonnenten des 1. Cyelus können ihre Karten gegen diejenigen des II. Cyelus an der⸗ 1“ bis einschließlich nächsten Sonnabend, Abends 6 Uhr, umtauschen.
Im Konzerthause veranstaltet Kapellmeister Meyder morgen unter Mitwirkung von Fräulein Arndt, Herrn Wollrad und des Konzerthaus⸗Chors einen „Weber⸗Abend“. Auf dem Programm stehen: „Preciosa“ mit verbindendem Text von Sternau, gesprochen von Fräulein Arndt und Herrn Wollrad, das Adagio aus der 2. Symphonie, ein Konzertino für Klarinette (Herr Schwarz) und der a cappella-Chor „Heilige Nacht auf Engelsschwingen“, gesungen vom Konzerthaus⸗Chor.
Mannigfaltiges.
Die unter Leitung des Stadtraths Hübner stehenden Vereine der Viktoria⸗National⸗Invaliden⸗ Stiftung und der Kaiser Wilhelms⸗Stiftung für deutsche Invaliden hielten heute Mittag im Rathhaus ihre Jahresversammlungen ab. Die Viktoria⸗ National⸗Invaliden⸗Stiftung, welche sich der Invaliden der Kriege bis 1866 annimmt, gewährte im letzten Jahr einmalige Unterstützungen an 30 Invaliden und 24 Wittwen in Höhe von 992 ℳ, laufende Unterstützungen an 25 Invaliden, 51 Wittwen und 3 Angehörige in Höhe von 11 601 ℳ Mit den Geschäftsunkosten betrng die Summe der Ausgaben 13 319,24 ℳ Vereinnahmt wurden im Jahre 13 603,24 ℳ, darunter von der Stadtgemeinde 6000 ℳ Der Ver⸗ mögensbestand erhöhte sich von 12 618,51 ℳ auf 13 100,51 ℳ Die Zahl der unterstützten Personen hat sich gegen das Vorjahr um 16 verringert. Die Kaiser Wilhelms⸗Stiftung für deutsche Invaliden, welche die Invaliden von 1870/71 unter⸗ stützt, verausgabte an einmaligen Unterstützungen an 196 In⸗
laufenden Unterstützungen an 94 Invaliden, 110 Wittwen und 40 Nn. gehörige 24 264 ℳ, also öberhaupt 29 854,50 ℳ Die Gesammt, ausgaben betrugen 33 480,87 ℳ Dagegen wurden vereinnahmt 31 274,32 ℳ, darunter von der Stadtgemeinde 12 000 ℳ Der Ver. mögensbestand der Stiftung ist von 40 326,13 ℳ auf 38 119,58 ℳ herabgegangen. —
Der Polizei⸗Präsident hat unter dem 14. d. M. folgende Bekanntmachung erlassen: Mit Bezug auf die Polizeiverordnung vom 26. März 1870, betreffend die Umzugstermine bei Woh⸗ nungsmiethen (Intelligenzblatt“ Nr. 74 vom Jahre 1870), wird für den bevorstehenden Wohnungswechsel zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß der nach § 3 des Gesetzes vom 30. Juni 1834 (G. S S. 92) am 2. Januar k. J. beginnende Umzug bei kleinen, aus höchstens zwei Zimmern mit Zubehör bestehenden Wohnungen an demselben Tage, bei mittleren, aus drei oder vier Zimmern nebst Zubehör bestehenden Wohnungen am 3. Januar, Mittags 12 Uhr, bei großen, mehr als vier Wohnzimmer umfassenden Wohnungen aber am 4. Januar, Mittags 12 Uhr, beendet sein muß. Die “ der genannten Polizeiverordnung beziehen sich nur auf Wohnungen und Zubehör, d. i. nach § 3 daselbst Alkoven, Küchen, Kammern, Bodenräume, Verschläge und Vorrathskammern, nicht aber auf Läden, Verkaufs⸗, Geschäfts⸗ und Arbeitsräume. Die Anwend⸗ barkeit der Polizeiverordnung ist also lediglich auf Wohnungen be⸗ schränkt, und zwar gleichviel, ob dieselben mit Ladenräumen verbunden sind oder nicht.
Königsberg i. Pr., 18. Dezember. Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich hat, wie „W. T. B.“ erfährt, das Protektorat über die im nächsten Jahre stattfindende Nord⸗Ostdeutsche Ge⸗ werbe⸗Ausstellung übernommen.
Breslau. Der Schlesische Bädertag, dem die Kurorfe Altheide, Charlottenbrunn, Cudowa, Flinsberg, Goczalkowit, Görbersdorf, Königsdorff⸗Jastrzemb, Landeck, Langenau, Muskau Reinerz, Salzbrunn, Trebnitz und Warmbrunn angehören, hielt am 13. und 14. Dezember hier die Sitzungen seiner 23. Tagung ab. Vertreter der schlesischen Kurorte und von den Badeärzten waren zahlreich dazu erschienen. Die 20 Nummern umfassende Tagesordnung wies ein reiches Arbeitsfeld und interessante Vorträge auf Als besonders wichtig seien folgende Nummern hervorge⸗ hoben: 1) Feststellung der Grundwasserverhältnisse eines Ortes (Wasserstände) im Verhältniß zu den Bach⸗ und Flußverhältnissen; 2) Behandlung der Mineralquellen; 3) Schlesiens Bäder, vom klimatotherapeutischen Standpunkt aus beleuchtet; 4) die Haftpflicht⸗ versicherung der Bäder; 5) Mängel der Transportmittel, welche dem Sommer⸗ remden⸗Verkehr dienen; 6) die Blutzirkulation als Grund⸗ lage jeglicher balneologischen Behandlung; 7) die Balneomethodik der Gegenwart; 8) über heiße Bäder; 9) Fortschaffung des Kehrichts, Küchenmülls und sonstiger Wirthschafts⸗Abfälle in den schlesischen Bädern; 10) die Unzuverlässigkeit amtlicher Atteste bei Freikuren ꝛ.,; 11) über die in den Kurorten dem Publikum gebotenen Vergnügungen. Sish Verhandlungen werden im künftigen Frühjahr wieder im Druc erscheinen. 8
Brindisi, 17. Dezember. Das italienische Torpedoschiff Nr. 117 ist, dem „W. T. B.“ zufolge, auf der Fahrt nach Ancona 5 km von Brindisi gestrandet. Die Mannschaft ist gerettet. Das Schiff wird als verloren angesehen.
Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.
Berlin, 18. Dezember. (W. T. B.) Seine Majestät der Kaiser von Rußland hat dem St. Petersburger Grenadier⸗ Regiment König Friedrich Wilhelm III., dessen Chef Seine Majestät der Deutsche Kaiser ist, die Privilegien der alten Garde verliehen und hiervon Seine Majestät telegraphisch in Kenntniß gesetzt.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
jeder Beziehung vollendete und der Eindruck, den das Werk auf die ]¹ validen, 145 Wittwen und 5 Angehörige 5590,50 ℳ, und an IrsscrevxesxeRxven und Michel Carré. ermäßigten Preisen: Demimonde. Schauspiel in Konzerte.
Wetterb
S⸗
0
r r Morgens.
t vom 18. Dezember, Feasft von Jules Barbier allet von Emil Graeb. In Scene gesetzt vom 5 Akten von A. Dumas.
Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dekorative Einrichtung
Konzert-Haus. Mittwoch: Karl Meyder⸗
ber
8g; K
p im.
tationen. Wind. Wetter.
in 0 Celsius
Temperatur 50‧C. = 40R.
Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeres red. in M
— H 0
Belmullet.. WSW 7 wolki Aberdeen.. S 4 bed Christiansund 746 OSO F5 bbedeckt Kopenhagen. SSW ZRegen Stockholm . 759 still wolkig aranda. 755 N. 2 wolkenlos t. Petersbg. 756 NW 1 wolkenlos Moskau. 756 W 1 bedeckt
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toiwwn. 753 heiter Cherbourg.. 750 bedeckt E Nebel b 6758 Nebel Hamburg 756 bedeckt winemünde 759 bedeckt her 763 wolkig Memel 761 Schnee 72 bedeckt Nünster. 758 S Regen Karlsruhe.. 764 bedeckt Wiesbaden 762 bedeckt München 766 bedeckt Chemnitz 764 bedeckt Berlin 761 bedeckt Breslau 766 ( bedeckt le dArx. . 764 SW bedeck diga ... 767 NO Jbhalb bed. Uebersicht der Witterung.
Das Hochdruckgebiet, welches 1 eestern von Westfrankreich nach Skandinavien erstreckte, hat sich ostwärts über die deutschrussische Grenze hinaus fort⸗ gepflanzt, während bei den Hebriden eine tiefe De⸗ pression erschienen ist, welche im Nordseegebiete
arke südliche und südwestliche Winde veeagsacse Nach vorübergehendem Aufklaren, welches sich ost⸗ wärts über Deutschland fortpflanzte, ist das Wetter in Deutschland bei südlicher und südwestlicher Luft⸗ strömund wieder trübe geworden, wobei die Tempe⸗ ratur allenthalben in den östlichen Gebiets⸗ theilen gestiegen ist; vielfach ist etwas Niederschlag gefallen. Westdeutschland ist frostfrei, dagegen herrscht im Osten noch leichter Frost.
Deutsche Seewarte.
eeeö.] Theater⸗Anzeigen.
Königliche Schauspiele. Mittwoch: Opern⸗ haus. 270. Vorstellung. e eg. 1en⸗ Oper in 5 Akten von Charles Gounod. Text nach Goethe's
bSchecechcoereköeSSeoehehedSeS
vom Ober⸗Inspektor Brandt. Dirigent: Kapell⸗ meister Sucher. Anfang 7 ½ Uhr. 3
Schauspielhaus. 283. Vorstellung. Der Köni 8⸗ bote. Schauspiel in 3 Aufzügen von Adolf Wil⸗ brandt. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Mar Grube. — Die Philosophin. Lustspiel in 1 Auf⸗ 9. von Friedrich Roeber. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 ½ Uhr.]
Donnerstag: Opernhaus. 271. Vorstellung. Ca⸗- valleria rusticana (Bauern⸗Ehre). Oper in 1 Aufzug von Pietro Mascagni. Text nach dem gleichnamigen Volksstück von G. Verga. — Bajazzi. (Pagliacci.) Oper in 2 Akten und einem Prolog. Musik und Dichtung von R. Leoncavallo, deutsch von L. Hartmann. Anfang 7 ½ Uhr.
Schauspielhaus. 284. Vorstellung. Wie die Alten sungen. Lustspiel in 4 Aufzügen von Karl Niemann nfang 7 ½ Uhr. 3
Deutsches Theater. Mittwoch: Blau. Cyprienne. Anfang 7 ½ Uhr.
Donnerstag: Gespenster.
Freitag (15. Abonnements⸗Vorstellung): Hamlet.
Berliner Thenter. Mittwoch, 2½ Uhr: Die Karlsschüler. (Ermäßigte Preise.) — 7 ½ Uhr: Madame Sans⸗Gene.
Donnerstag: Madame Sans⸗Gene.
Freitag (16. Abonnements⸗Vorstellung): Der Pfarrer von Kirchfeld.
Lessing⸗Theater. Mittwoch: Zwei Wappen. Anfang 7 ½ Uhr. . Donnerstag: Zwei Wappen 5 Zwei Wappen. onnabend: Zum ersten Male: Ghismonda. Sonntag: Ghismonda. An allen Feiertagen: Ghismonda. von heute ab.) ““
Residenz ·Theater. Blumenstraße Nr. 9.
Direktion: Sigmund Lautenburg. Mittwoch: Zum 45. Male: Der ee Schwank in 3 Akten von Leon Gaudillot. Deutsch von Max Schönau. — Vorher: Villa Vielliebchen. Lust⸗ hie in 1 Akt von Benno Jacobson. Anfang r.
Donnerstag und folgende Tage: Der⸗Unterpräfekt. — Villa Vielliebchen.
Voranzeige: Dienstag, den 25., und Mittwoch, den 26. Dezember, Nachmittags 3 Uhr, bei zur Hälfte
Neues Theater. Schiffbauerdamm 4a./5.
Mittwoch: Andrea. Sittenbild in 5 Akten von Victorien Sardou. Anfang 7 ½ Uhr.
Donnerstag: Andrea.
Freitag: Zum ersten Male: Der kleine Maun. Volksstück in 4 Akten von C. Karlweis.
Sonnabend und Sonntag: Der kleine Mann.
Sonntag Nachmittag: Zu halben Preisen: Figaro’s Hochzeit. .
Friedrich⸗Wilhelmstüdtisches Theater. Chausseestraße 25/26.
Mittwoch: Die Fledermaus. Operette in 3 Akten von Johann Strauß. Anfang 7 ½ Uhr.
Donnerstag: Die Fledermans. 8
Sonntag, den 23. Dezember: Mit vollständig neuer Ausstattung an Dekorationen, Kostümen und Requisiten: Orpheus in der Unterwelt. Große Ausstattungsoperette mit 4 großen Ballets in 12 Bildern.
Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. — Mittwoch: Der lustige Krieg. Operette in 3 Akten von 6 Zell und Rich. Genése. Musik von Johann Strauß. Regie: Herr Unger. Dirigent: Herr Kapellmeister “ — Hierauf: Tanz⸗Divertissement.
rrangiert vom Balletmeister Herrn Louis Gundlach. Anfang 7 ½ Uhr. 8
Donnerstag: Der lustige Krieg. — Tanz⸗ Divertissement.
Sonnabend, den 22. Dezember: Neu einstudiert:
Boccaccio. Operette in 3 Akten Musik von Franz
von Suppé.
Bentral-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30.
Direktion: Richard Schulß.. — Mittwoch: Emil 8
Thomas a. G. Anna vers. Josefine Dora.
um 111. Male: O, diese Berliner! Große
osse mit e und Tanz in 6 Bildern (nach
lingré's „ eife durch Berlin“) von Julius
Freung. Musik von Julius Einödshofer. Anfang r.
Donnerstag: O, diese Berliner!
Adolph Ernst⸗Theater. Vom 17. bis inkl. 24. Dezember: Keine Vorstellung.
In Vorbereitung: Ein sideles Corps. Große Gesangsposse mit Tanz. Nach dem englischen „A Gaiety Girl“ von Jonas Sidney frei bearbeitet
von Eduard Jacobson und Jean Kren.
Konzert. Weber⸗Feier unt. freundl. Mitw. von Frl. Arndt, Herrn Wollrad u. des Konzerthauschors. „Preciosa“.
Birkus Renz (Karlstraße). Mittwoch: Groß⸗ brillante Vorstellung. IT.IJo Ni En. (Beim Jahreswechsel in Peking.) Neue Mustkeinlagen. Poa ma, (gr. Ponyspringen). — Aepel en 4 ara⸗ bische Vollblutschimmelhengste, vorgeführt von Herrn Rob. Renz. Das Schulpferd Beautiful, hierauf dar irrländ. Vollblut⸗Springpferd Blitz, geritten von Frau Renz⸗Stark. Miß Agnes, Jongleu e zu Pferde⸗ Mr. Clark, Jockey. Auftreten des unerreichb. Hand equilibristen Mr. Jules Keller, Mr. Burk in seinen amerikan. Militär⸗Exerzitien. Auftreten des beliebten Clown und August Mr. Levater Lee. Anfang 7 ½ Uhr.
Donnerstag u. folgende Tage I40 Ni En.
Sonntag, den 23. Dezember: Eine Vorstellung Abends 7 ½ Uhr: ITIo Ni En. 1 111141“
Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Gräfin Elisabeth Sievers mit Hrn.
Herzogl. braunschw. Hofjunker und Assessor Matthias
Grafen von der Schulenburg⸗Nordsteimke (Dres⸗
den —Nordsteimke). — Frl. Elfriede von Alten
mit Hrn. Lieut. Lothar von Koenigsegg
Verehelicht: Hr. Medizinal⸗Rath Dr. Bayer mit
Fel Winsloe (Rheinweiler). — Hr. Lieut. Marx
riedrich von Schlechtendal mit Frl. Anneliese von Kalckreuth (Berlin). — Hr. Superintenden
Theodor Brandin mit Frl. Elisabeth Eichlet
(Anklam).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Intendantur⸗Rath aldenwang (Stuttgart). — Eine Tochter: rn. Regierungs⸗Rath Meyerhoff (Minden).
Gestorben: Verw. Fr. Landrath Helene Therese
Wiesand, geb. Clauß (Zwettsau). — Hr. Guts⸗
besitzer Carl Wollank (Berlin). — Hr. Pfarrer
Adolf Balcke (Berlin). — Hr. Geh. egierungs,
Rath a. D. Georg Karl Theodor Oldekop (Han
nover). — Fr. Reichsanwalt Helene Trevptin, geb.
Wiarda (Leipzig).
Verantwortlicher Redakteur: J. V.: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.
Druck der Norddeutschen Buchdruckeei, und Velage⸗
Anstalt, Berlin SW., Wilhelmftraße Nr. 32.
Acht Beilagen 6
(einschließlich Börsen⸗Beilage),
t⸗ owie die Inhaltsangabe zu Nr. 6 des öffen sobi⸗ “ (Kommanditgesellschaftes † Aktien und Aktiengesellschaften) für 8àn o
zum Deutschen
§ 297.
Anzeiger und Königlich
Berlin, Dienstag, den 18. Dezember
x ⁷s eenes
Deutscher Reichstag.
Die von dem Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Nie⸗ ding in der gestrigen (8.) Sitzung des Reichstags zur Einleitung der ersten Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend ALenderungen und Ergänzungen des Straf⸗ esetzbuchs, des Militärstrafgesetzbuchs und des
esetzes über die Presse, gehaltene Rede hat folgenden Wortlaut:
Meine Herren! Die Vorlage, die uns heute beschäftigen soll, ist bereits während ihrer Fertigstellung wochenlang der Gegenstand so hochgespannter Diskussionen gewesen, und es haben sich an ihren Ursprung und an ihre Zwecke so weitgehende, ich möchte fast sagen, abenteuerliche Deutungen geknüpft, daß wir es nur mit Freude begrüßen konnten, als im Laufe der Generaldebatte über den Etat von verschiedenen Herren Rednern, ich glaube sagen zu können, von den Rednern fast aller Parteien, der Geneigtheit Ausdruck gegeben wurde, die einzelnen Bestimmungen der Vorlage leiden⸗ schaftslos, unbefangen und an der Hand der Thatsachen zu würdigen. Das ist, meine Herren, was die verbündeten Regierungen von Ihnen wünschen: eine Prüfung der Vorlage ohne Erregung, ohne Pathos, unter Würdigung der Wahrnehmungen, die die verbündeten Regie⸗ rungen in der Lage sind, Ihnen vorzulegen; unter Würdigung auch der Thatsachen, die im Laufe der Zeit Sie selbst Gelegenheit gehabt haben, auf dem hier in Frage stehenden Felde zu sammeln. Ich bin überzeugt, daß eine solche Prüfung rasch dazu beitragen wird, die Gespenster zu verscheuchen, die von einer einseitigen Presse während der letzten Wochen über diese Vorlage und ihre Wirkungen verbreitet worden sind, um von vornherein die öffentliche Meinung gegen ihren Inhalt gefangen zu nehmen.
Meine Herren, es ist wirklich eine Uebertreibung sondergleichen, wenn behauptet wird, daß diese Vorlage dazu bestimmt sei, die Presse zu knebeln (Heiterkeit), oder wenn der Ausspruch gethan wird, daß die Vorlage nur dazu da sei, dem freien Ausdruck der öffentlichen Meinung einen Maulkorb anzulegen. Was die Vorlage wisl, ist, der freien Meinungsäußerung ihren Raum zu lassen, aber verbrecherische Auswüchse abzuschneiden, die nicht dazu beitragen, das öffentliche Urtheil auf die rechten Wege zu führen. Es ist auch unrichtig, meine Herren, — und ich möchte das gleich bei Beginn meiner Ausführungen vorausschicken — als ob diese Vorlage nichts Anderes sei als ein verkapptes Sozialisten⸗ gesetz. Nein, meine Herren, die Vorlage richtet sich nicht⸗ gegen die Sozialdemokraten. (Heiterkeit links.) Die Vorlage ist der ehrliche Versuch, auf dem Wege des gemeinen Rechts verbrecherische Aus⸗ schreitungen, von welcher Seite sie auch kommen mögen, Ausschrei⸗ tungen, die mit dem Staatswohl unverträglich sind, zu bekämpfen. So lange von seiten der sozialdemokratischen Partei nicht be⸗ hauptet werden kann, daß die Aufforderung zur Begehung von Ver⸗ brechen, die Glorifizierung verbrecherischer Thaten, die Verführung der Soldaten, die Bedrohung der Bevölkerung mit Mord⸗ und Brandschriften, das Komplot zum Umsturz der Staatsordnung, die Schmähung der heiligsten Grundlagen unseres Staats⸗ und Gesellschaftslebens (Heiterkeit links) allein und ausschließlich in dem Kreise der Partei draußen im Lande ihren Boden finden, so lange kann auch nicht behauptet werden, daß die Vorlage sich gegen die Partei richtet.
Meine Herren, der Herr Reichskanzler hat beim Beginn der Etatsberathung bereits erklärt, daß die gegenwärtige Vorlage irgend welcher momentanen Irritation ihren Ursprung nicht verdanke. So ist es. Kein Attentat, kein sonstiges verbrecherisches Unternehmen, kein politisches Ereigniß irgend welcher Art ist Veranlassung gewesen, an die Ausarbeitung der Vorlage zu gehen. Als wir die Aufstellung des Entwurfs in die Hand nahmen, haben wir uns des Programms erinnert, welches bereits im Jahre 1878 bei der Berathung des Sozialistengesetzes von seiten der Kommission des Reichstags und, wie ich glaube, unter der Zustimmung der großen Mehrheit des Reichs⸗ tages aufgestellt wurde, und welches dahin ging, daß den Aus⸗ schreitungen auf dem hier in Frage stehenden Gebiete entgegengetreten werden könne und entgegengetreten werden müsse auf dem Boden des gemeinen Rechts. Dieses Programm, meine Herren, haben die verbündeten Regierungen im Laufe der Jahre nicht aus den Augen verloren, und als im Jahre 1890 hier zum letzten Male die Ausdehnung des Sozialistengesetzes zur Diskussion stand, wurde im Hinblick auf die Möglichkeit, daß es zu einer Verlängerung der Geltung dieses Gesetzes nicht kommen würde, im Namen der verbündeten Regierungen von dem damaligen Herrn preußischen Minister des Innern ausdrücklich der Vorbehalt gemacht, auf dem Wege des gemeinen Rechts zu versuchen, dasjenige zu be⸗ kämpfen, was auf dem Wege einer scharfen Ausnahmegesetzgebung zu bekämpfen, der Reichstag nicht mehr gewillt war.
Diesem Vorbehalt suchen die verbündeten Regierungen zu ent⸗ sprechen, indem sie Ihnen die Vorlage machen. Indem der gegen⸗ wärtige Herr Reichskanzler die Verantwortlichkeit für die Vorlage übernahm, hat er nichts Anderes gethan, als was der Herr Graf Caprivi bereit war, seinerseits auch zu thun, und er thut es, unter⸗ stützt und getragen von dem einmüthigen Votum aller verbündeten Regierungen, denen ihre Verantwortlichkeit nicht mehr gestattet, in dieser Sache noch länger mit Anträgen zurückzuhalten, und die diese Verantwortlichkeit nunmehr auf den Reichstag zu übertragen sich verpflichtet halten.
Die verbündeten Regierungen haben, indem sie dieser Auffassung Ausdruck geben, einen neuen Standpunkt nicht eingenommen. Was sie vertreten, ist Das, was sie vertreten haben, ich möchte sagen, seit der Gründung des Reichs: die feste Ueberzeugung, daß Dasjenige, was unser Strafgesetzbuch an Schutzmitteln für Staat, Ordnung und Sitte bietet, gegenüber der Entwickelung der Dinge und den eidenschaften der Menge nicht mehr ausreiche, um diese Interessen genügend zu wahren. Sie haben im Jahre 1875 bereits den Versuch gemacht, die Lücken, die nach ihrer Ansicht das Strafgesetzbuch zeigt, auszugleichen. Nun, dieser Versuch ist damals im Reichstag unter
dem sehr starken Protest einer großen Mehrheit gescheitert. Aber ich glaube, die optimistische Auffassung, die damals noch leitend war für die Mehrheit des Hauses in Betreff der Gefahren, welche die auf⸗ kommenden sozialistischen Theorien und Agitationen für das Gemeinwohl bieten, und die Abneigung, der Staatsgewalt größere Vollmachten zu übertragen, sei es selbst in dem Falle, daß diese Vollmachten in die Hand unabhängiger Gerichte gelegt werden sollen —, diese Auffassungen und Gefühle haben seitdem hier im Hause und draußen im Lande einen wesentlichen Wandel erfahren. Es sind seitdem ungefähr 20 Jahre verflossen, wir haben manches in ihnen erlebt und erfahren. Der Reichstag und die verbündeten Re⸗ gierungen haben es für nöthig gehalten, 12 Jahre hindurch die Bevölkerung unter ein Ausnahmegesetz zu stellen, weil es nicht möglich war, ein gemeines Recht zum Schutze gegen die Aus⸗ schreitungen zu gewinnen. Dieses Ausnahmerecht ist ja nun seit vier Jahren beseitigt; aber wer von uns wollte be⸗ haupten, daß, nachdem seine Schranken gefallen sind, die Zustände nun einer Besserung entgegengegangen wären. Das ist zwar richtig: die Bombe und der Dolch haben noch nicht bei uns die traurige und verruchte Rolle gespielt, wie wir es in den letzten Jahren jenseit unserer Grenzen gesehen haben. Aber, meine Herren, wenn wir uns vergegenwärtigen, in welcher Weise die im Auslande verübten abscheulichen Thaten bei uns verwerthet worden sind, auf welchen gährenden Boden die bald offenen, bald versteckten An⸗ deutungen über das Berechtigte oder Entschuldbare jener Thaten ge⸗ fallen sind; wenn wir uns gegenwärtig halten, wie leicht auf diesem Boden unter der Anstachelung solcher Ausführungen auch hier im Lande verbrecherische Thaten erwachsen können — dann wird die Frage wohl berechtigt sein, ob es nicht in der That an der Zeit ist, gegen derartige Dinge mit neuen gesetzlichen Mitteln vorzugehen. Das, meine Herren, ist keine Einbildung und keine Erfindung: weite Kreise unseres Landes stehen unter dem Eindruck einer provokatorischen Agitation, die kaum noch der Mühe es für werth hält, ihre letzten Ziele zu verbergen; und wenn in diesem hohen Hause vielleicht die Erbitterung über diese Agitation noch keine Gelegenheit gehabt hat, ihren Ausdruck zu finden, so ist es doch keinem Zweifel unterworfen, daß im Lande selbst diese Erbitterung einen hohen und bedenklichen Grad bereits angenommen hat. 8
Meine Herren, ich glaube nicht, daß man die Nothwendigkeit neuer gesetzlicher Mittel damit anzweifeln kann, wie es anscheinend in der Generaldebatte neulich versucht wurde, als einige Redner dieses Hauses auf die Statistik unseres Verbrecherthums eingegangen sind. Der Herr Abg. Rickert hat bei der Etatsberathung Bezug ge⸗ nommen auf eine in den Kreisen der sozialdemokratischen Partei gesammelte Statistik, welche Zahlen bringt über den Umfang, in welchem Genossen der sozialdemokratischen Partei in den letzten Jahren zu Zuchthaus, zu Gefängniß und zu Geldstrafe verurtheilt worden seien. Er hat daran die Meinung geknüpft, wie man an diesen großen Zahlen sehe, wie erfolglos und unnöthig es sei, mit neuen Strafvorschriften gegen derartige Dinge vorzugehen. Meine Herren, ich würde das Umgekehrte daraus schließen: wenn in der That es richtig ist, was ich nicht weiß, daß in solchem Umfange Zuchthausstrafen und schwere Gefängnißstrafen verhängt worden sind, so ist das nach meiner Meinung ein Beweis dafür, in welchem Um⸗ fang die Neigung zu gemeinen Verbrechen Platz gegriffen hat unter den Anhängern der sozialdemokratischen Partei im Lande. (Oho! bei den Sozialdemokraten.) — Ja, Thaten, die mit Zuchthaus bestraft werden, nennt das Strafrecht gemeine Verbrechen. Nun, meine Herren, wie man aus der Thatsache, daß die Gerichte ge⸗ nöthigt gewesen sind, in großem Umfange wegen gemeiner Ver⸗ brechen über sozialdemokratische Genossen Zuchthausstrafen zu ver⸗ hängen, den Schluß ziehen kann, daß es sich als unnöthig erwiesen habe, andere Thaten verbrecherischer Natur, die bisher nicht unter Strafe gestellt waren, auch weiterhin nicht mit Strafe zu bedrohen, — das kann ich nicht verstehen.
Auch von anderer Seite, aus der Mitte des Hauses, von Herrn Abg. Bachem, ist der Versuch gemacht worden, die Nothwendigkeit eines neuen gesetzgeberischen Vorgehens, wenn nicht zu bestreiten, so doch in Frage zu stellen. Der Herr Abg. Bachem hat an der Hand der amtlichen Statistik auf eine Thatsache aufmerksam gemacht, aus der er glaubt schließen zu dürfen, daß die ver⸗ brecherischen Thaten, auf welche sich der vorliegende Gesetzentwurf bezieht, nicht vornehmlich in den Kreisen des Westens und Mitteldeutsch⸗ lands, wo vor Allen die sozialdemokratische Partei ihre Wurzeln hat, Platz greifen, sondern in den östlichen Provinzen des preußischen Staats. Der Herr Abgeordnete hat, soviel ich habe ersehen können, die amtliche Kriminalstatistik für seine Deduktionen benutzt. Nun leidet unsere amtliche Kriminalstatistik an einer gewissen Komplikation, die es nöthig macht, unter Umständen mehr Zeit auf ihre Beurtheilung zu verwenden, als den vielbeschäftigten Herren Abgeordneten immer zur Verfügung steht, und ich will deshalb dem Herrn Abg. Bachem auch keinen Vorwurf daraus machen, daß er die Zahl der Statistik, auf die es hier ankommt, mißverstanden hat. Das ist zweifellos der Fall.
Der Herr Abg. Bachem hat ein Kapitel aus der Statistik ent⸗ nommen, welches die Ueberschrift trägt: Verbrechen und Vergehen gegen Staat, Ordnung und Religion. Er hat gemeint, die Straf⸗ thaten, die in diesem Kapitel aufgeführt seien, deckten sich mit denjenigen Abschnitten des Strafgesetzbuchs, welche abzuändern und zu ergänzen die Aufgabe des vorliegenden Entwurfs sei. Das ist ein Irrthum. Das Kapitel der Statistik, welches der Herr Abgeordnete im Auge gehabt hat, umfaßt elf Abschnitte des Strafgesetzbuchs, und der vorliegende Entwurf umfaßt nur zwei von diesen elf.
Aber noch weiter! Die Strafthaten, deren große Zahl im Osten Deutschlands den Herrn Abgeordneten in Erstaunen gesetzt hat, sind darauf zurückzuführen, daß in dem betreffenden Kapitel der Statistik namentlich auch diejenigen Vergehen aufgeführt werden, die auf einer Verletzung der Wehrpflicht beruhen. Nahezu die Hälfte der Ver⸗ gehen, deren Zahl der Herr Abgeordnete im Auge gehabt hatte,
Preußischen Staats⸗Anzeiger.
sind für die fraglichen preußischen Provinzen Verletzungen der Wehr⸗
pflicht, wie es ja für jeden Statistiker eine bekannte Thatsache ist, daß in den Grenzprovinzen, und namentlich in den Küstenprovinzen, I
tritte junger Mannschaften, die dadurch ihrer Verpflichtung zur Gestellung sich entziehen, einen ganz besonderen Umfang einnehmen. Wenn der Herr Abg. Bachem gewiß sein würde, alle diese Fälle, also ungefäh
die Hälfte, aus seiner Statistik auszuscheiden, und wenn er außerdem diejenigen neuen Abschnitte des Strafgesetzbuchs, die in der von
ihm benutzten Statistik berührt worden sind, auf welche sich der
gegenwärtige Entwurf aber nicht bezieht, gleichfalls ausscheiden sollte dann würde er, glaube ich, zu einem Resultat kommen, welches ihm nicht gestattet, einen Zweifel an der Berechtigung eines strafgesetzlichen Einschreitens im Sinne der gegenwärtigen Vorlage zu hegen.
ich habe Anklänge davon auch hier im Hause gehört. Ja, meine Herren, eine so ernste Sache, wie diese Minierarbeit gegen Staat und Gesellschaft, ironisch zu behandeln, ist doch für dieses Haus eine schwere Verantwortlichkeit. Muß ich Sie denn daran erinnern, daß der Reichstag selbst im Jahre 1878 einem Gesetz seine Zustimmung gegeben hat, welches gerichtet war gegen verbrecherische Umsturzbestrebungen? Sind denn in den zwölf Jahren, die dieses Gesetz in Geltung gewesen ist, die Umsturzbestrebungen, gegen die es gerichtet war, etwa verschwunden? Oder haben wir in den letzten vier Jahren, seitdem der Schutz des damals gegebenen Gesetzes wieder in Wegfall gekommen ist, die Ueber⸗ zeugung gewinnen können, daß die Umsturzbestrebungen, gegen die das Gesetz gerichtet war, vermindert oder beseitigt worden sind? Nie⸗ mand, meine Herren, wird das behaupten wollen. Und wenn dem so ist, dann ist auch niemand berechtigt, den ernsten Hintergrund, den die gegenwärtige Vorlage hat, zu verkennen. Ich gebe sehr gerne zu, daß ein großer Theil unserer friedlichen Mitbürger, die die Kenntniß dessen, was vorgeht, regelmäßig nur schöpfen aus der ebenfalls friedlich ge⸗ stimmten Zeitung, die sie Morgens bei ihrem Kaffee lesen, nicht unter⸗ richtet sind über alle die Dinge, die sich gegen unsere staatlichen Lebens⸗ bedingungen richten und gegen die wir uns genöthigt sehen, mit der Schärfe des Gesetzes vorzugehen. Sie werden mir eben deshalb auch gestatten, Ihnen einige typische Beispiele aus der Preßthätigkeit der letzten Jahre vorzuhalten, die auch den Unbefangenen ein ungefähres Bild davon geben können, mit welchen Mitteln auf die Meinung der Menge eingewirkt wird und auf welche Ziele diese Arbeit sich richtet.
Meine Herren, es ist so lange noch nicht her, da wurde in den östlichen Grenzprovinzen Preußens vorwiegend polnischer Zunge unter der Landbevölkerung ein Flugblatt verbreitet, welches den Zweck hatte, wie es selbst sagte, die Landbevölkerung auf ihre wahren Inter⸗ essen aufmerksam zu machen. Dieses Flugblatt war in polnischer Sprache abgefaßt; es richtete sich an das Arbeitervolk in jenen Landestheilen, und gestatten Sie mir, Ihnen einige bezeichnende Sätze daraus vorzutragen, mit welchen das Volk aufgeklärt werden sollte über dasjenige, was es im Interesse seiner Freiheit zu verfolgen habe. Es heißt dort:
„Das Arbeitervolk denkt an die Freiheit und an die Arbeit; für die Ausbeutung und den Diebstahl der Volksarbeit sorgen die Herren. Das Volk möchte immer Arbeit haben, welche es ernährt; aber einerseits stehlen ihm die Herren die Arbeit, indem sie sich sämmtlichen Nationalreichthum aneignen, andererseits erpressen die habgierigen Regierungen unzählbare Zehnten in Form von Steuern.“
(Sehr richtig! links.) Dann kommt die nähere Ausführung dieses Gedankens, mit der ich dieses hohe Haus verschonen will, und der Aufruf fährt fort:
„Es ist Zeit, daß diese stillen, in unseren Köpfen verborgenen Ideen offenbar werden; es ist Zeit, daß wir Arbeiter uns zu einer Macht verbinden. Sobald wir unserer Macht uns bewußt werden, sobald jeder einen gleichgesinnten Genossen neben sich hat, dann verlieren wir keinen Augenblick und keine Gelegenheit, unsere Rechte geltend zu machen: unsere Rechte auf Freiheit, auf die Fabriken und auf den Grund und Boden. Es lebe die Arbeiterorganisation! Es lebe die allgemeine soziale Revolution!“
(Zuruf links.) Das ist ein Stück, das erkennen läßt, wie auf die bäuer⸗ lichen Kreise im Osten gewirkt wird; es wird nicht überall in gleicher Weise gearbeitet, in dem ganzen Umsturz sitzt auch Methode. Ich möchte mir deshalb erlauben, Ihnen ein anderes Beispiel vorzu⸗ tragen, welches beweist, wie in den Städten auf die Leute gewirkt wird. Meine Herren, ich habe hier ein kleines Blatt, es ist eines von den Flugblättern, von denen auch die Motive sprechen; sie werden heimlich verbreitet, sie werden von einem zum andern ge⸗ tragen; sie werden in den Familien vorgelesen, und auf diese Weise verbreitet sich ihr Inhalt weit über die Zahl ihrer Exemplare hinaus in großen Kreisen des Volks. Dieses Flugblatt betitelt sich „An die jungen Leute“ und spricht mit ihnen in einer recht angenehmen und anheimelnden Weise über die künftige Berufswahl, setzt ihnen auseinander, welche Vortheile und welche Schattenseiten die verschiedenen Berufszweige, die ihnen offen stehen, bieten, häuft dann natürlich die Schatten auf die armen jungen Leute, die als Arbeiter, als Handwerker in Fabriken oder Werkstätten eintreten sollen, und schildert daneben in glän⸗ zenden Farben, in welcher Weise von ihrer Arbeit der Reiche und der Bourgeois lebt. Es wendet sich an alle Kreise: an den jungen Mann, an das junge Mädchen, an den jung verheiratheten Mann und an die jung verheirathete Frau, und nachdem auf einer Anzahl von Seiten die Leidenschaft der Leser angefacht worden ist, fährt das Blatt dann zum Schluß fort, wie folgt:
„Ich weiß wohl 8
— wendet es sich an die Frauen — 1.““ 8 daß Euer Blut wallt, wenn Ihr hört, daß Eure Männer, nach⸗ dem sie wegen schlechter Behandlung und Bezahlung die Arbeit eingestellt, am Ende die unverschämten Bedingungen des dicken Bourgeois doch wieder angenommen haben. Ich weiß, daß Ihr jene
—Ze 1181“”“